Oberlandesgericht Köln Urteil, 30. Apr. 2015 - 7 U 4/14
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 11.12.2013 (1 O 460/11) wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Die Kläger verlangen von der beklagten Bundesrepublik Deutschland Schadenersatz wegen eines von einem Bundeswehr-Angehörigen befohlenen Luftangriffs vom 04.09.2009 auf zwei Tanklastzüge in der Nähe von Kunduz im Rahmen des NATO-geführten ISAF-Einsatzes in Afghanistan.
4Nach dem Sturz des Taliban-Regimes richtete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für Afghanistan eine Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe (International Security Assistance Force, kurz ISAF) unter Führung der North Atlantic Treaty Organization (kurz NATO) ein. Der Deutsche Bundestag beschloss die Beteiligung deutscher Soldaten an den von der NATO gestellten ISAF-Truppen. Im April 2009 übernahm der damalige Oberst Klein das Kommando des Provincial Reconstruction Team (kurz PRT) Kunduz. Operativ unterstand der PRT-Kommandeur dem ISAF-Kommandeur und letztlich dem operativen NATO-Oberbefehlshaber (Supreme Allied Commander Europe, kurz SACEUR), truppendienstlich dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr und letztlich dem Bundesminister der Verteidigung.
5Am 04.09.2009 forderte der PRT-Kommandeur beim ISAF-Hauptquartier Luftunterstützung an, nachdem gemeldet worden war, dass zwei Tanklastzüge von Taliban entführt worden seien und auf einer etwa 7 km vom Feldlager Kunduz entfernt gelegenen Sandbank im Kunduz-Fluss feststeckten. Ab 1:17 Uhr übermittelten zwei US-amerikanische Kampfflugzeuge Luftaufnahmen von dem Geschehen auf der Sandbank an den PRT-Kommandeur in die Operationszentrale im Feldlager Kunduz. Dem PRT-Kommandeur wurde durch einen Informanten über einen Verbindungsoffizier mehrfach bestätigt, dass sich auf der Sandbank nur Aufständische und keine Zivilisten befänden. Auf den gegen 1:40 Uhr erteilten Befehl des PRT-Kommandeurs wurden von den beiden Kampfflugzeugen zwei 500-Pfund-Bomben auf den Bereich der beiden Tanklastzüge abgeworfen. Dadurch wurden die Tanklastzüge zerstört und eine Vielzahl von Menschen, darunter auch Zivilisten, getötet, die sich im Bereich der Tanklastzüge aufgehalten hatten. Nach einem Bericht der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (kurz UNAMA) starben bei dem Luftangriff vermutlich 74 Zivilisten.
6Die Kläger haben behauptet, der PRT-Kommandeur habe vor dem Luftangriff erkennen können und nach ihrer Meinung auch erkennen müssen, dass sich im Bereich der Tanklastzüge Zivilisten aufhielten. Der Kläger zu 1) hat 40.000,00 Euro Schmerzensgeld mit der Behauptung verlangt, zwei seiner Söhne seien vor seinen Augen durch den Luftangriff getötet worden. Die Klägerin zu 2) hat einen Unterhaltsschaden von 50.000,00 Euro mit der Behauptung geltend gemacht, ihr Ehemann und Vater der gemeinsamen sechs Kinder sei durch den Luftangriff getötet worden.
7Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens nebst Anträgen wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 277 ff. d.A.) verwiesen.
8Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen und hierzu ausgeführt: Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Die deutsche Gerichtsbarkeit sei eröffnet. Aus dem Völkerrecht ergebe sich kein Individualanspruch der Kläger auf Schadenersatz. Ein Amtshaftungsanspruch bestehe aus tatsächlichen Gründen nicht. Deutsches Amtshaftungsrecht sei zwar anwendbar. Auch handele es sich bei einzelnen Bestimmungen des humanitären Völkerrechts um drittschützende Amtspflichten. Jedoch sei eine schuldhafte Verletzung der völkerrechtlichen Vorschriften zum Schutz der Zivilbevölkerung nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festzustellen. Nach Inaugenscheinnahme der dem PRT-Kommandeur seinerzeit übermittelten Luftaufnahmen und Vernehmung eines landeskundlichen Sachverständigen sei unter Berücksichtigung der Angaben eines Informanten über die Abwesenheit von Zivilisten vor Ort nicht feststellbar, dass für den PRT-Kommandeur vor dem Luftangriff erkennbar gewesen sei, dass sich im Bereich der Tanklastzüge Zivilisten aufhielten. Mangels schuldhafter Amtspflichtverletzung könne offen bleiben, ob das ISAF-Mandat der NATO einer Haftungsüberleitung auf die Beklagte entgegen stehe.
9Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 277 ff. d.A.) verwiesen.
10Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung rügen die Kläger unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens die Verletzung formellen und materiellen Rechts: Zivilprozessrechtlich sei die Zulässigkeit der Klage nicht abschließend geklärt, da die Beweisaufnahme auf die Identitätsnachweise und damit auf den Nachweis ihrer Partei- und Prozessfähigkeit nicht erstreckt worden sei. Das ISAF-Mandat der NATO stehe einer Haftungsüberleitung auf die Beklagte nicht entgegen. Vor Klärung dieser Frage sei eine Beweisaufnahme nicht prozessordnungsgerecht. Die Kläger rügen Fehler in der Tatbestandsbildung und in der Subsumtion sowie Verletzungen ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör: Äußerungen des ISAF-Kommandeurs seien nicht berücksichtigt worden. Ihr Beweisantritt auf Vernehmung des PRT-Kommandeurs in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz sei übergangen worden; sie – die Kläger – hätten einen auf seine Entschuldigung beflissen orientierten Zeugen nicht zu benennen brauchen; darin liege angesichts der prozessualen Lage kein Verstoß gegen den zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz, mit dem sie – die Kläger – offenbar ausgetrickst werden sollten. Zu beachten sei, dass die Beklagte den Zeugenbeweis auf Vernehmung des PRT-Kommandeurs angetreten habe. Um ihre – der Kläger – Rüge einer ungerechtfertigten Beweiswürdigung zu überprüfen, sei eine Wiederholung der Beweisaufnahme vor dem Berufungsgericht geeignet; dann erst wäre zu entscheiden, ob dem Angebot der Beklagten, den PRT-Kommandeur zu vernehmen, dem sie – die Kläger – sich im Berufungsverfahren angeschlossen hätten, nachzugehen sei. Die Sicherheitslage im Raum Kunduz sei einseitig dargestellt worden. Der nachrichtendienstliche Hinweis auf einen fahrzeuggestützten Anschlag auf das Feldlager Kunduz sei streitig gewesen, jedenfalls hätten sie – die Kläger – ihn nicht substantiiert bestreiten können. Die Zahl der zivilen Opfer sowie der mehrfache Vorschlag der Kampfjetpiloten, eine „Show of Force“ zu fliegen, seien nicht berücksichtigt worden. Der Funkverkehr mit den Piloten sei vollständig ausgeblendet worden. Ihnen – den Klägern – habe ein Schriftsatznachlass zur Stellungnahme zur Beweisaufnahme eingeräumt werden müssen. Der Sachverständige sei übereilt und ohne Anhörung der Parteien bestellt worden. Die Beweisaufnahme sei überraschend abgebrochen worden. Der Inhalt des Sachverständigengutachtens habe im Urteilstatbestand dargestellt werden müssen. Der Sachverständige habe über die Herkunft von Taliban vor Ort Spekulationen angestellt. Das Landgericht habe in der Verhandlung nicht erkennen lassen, dass es auf den Informanten, der die Abwesenheit von Zivilisten vor Ort bestätigt habe, entscheidend ankomme. Die mehrfachen Rückfragen bei dem Informanten nach der Anwesenheit von Zivilpersonen vor Ort seien Zeichen vollständiger militärischer Unsicherheit und von Zweifeln des PRT-Kommandeurs. Das angefochtene Urteil habe sich nicht mit den vor Ort abgestellten Fahrzeugen auseinander gesetzt. Die Anzeichen für die Anwesenheit von Zivilpersonen vor Ort seien erheblich gewesen. Die Kläger behaupten nunmehr: Der Informant sei „wahrscheinlich nicht an Ort und Stelle“ bzw. nach Aussagen „anderer Teilnehmer an der Kommunikation nicht direkt vor Ort“ gewesen. Seine Berichte passten nicht zu den Bildern der Geschehnisse, zu dem Funkverkehr der Piloten mit dem Oberst und am Ende auch nicht zu den Zahlen der zivilen Opfer. Bei der Führung der Operation sei darüber diskutiert worden, dass man einem solchen über einen Sprachmittler kommunizierenden Informanten nur bis zu einem bestimmten Grad Vertrauen schenken könne. Ein Angriff auf das Feldlager Kunduz durch die um die Tanklastwagen herumlaufenden Personen sei nicht absehbar gewesen. Ein ihnen – den Klägern – erst nach Erlass des angefochtenen Urteils zugespielter Feldjägerbericht vom 09.09.2009 sei zu dem Schluss gekommen, dass der Bombenabwurf vom 04.09.2009 zu zahlreichen Toten und Verletzten habe führen müssen, ohne dass unmittelbar vor und nach dem Vorfall adäquat gehandelt worden sei.
11Die Kläger beantragen,
12das Urteil des Landgerichts Bonn vom 11.12.2013 (1 O 460/11) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) 40.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und an die Klägerin zu 2) 50.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Berufung zurückzuweisen.
15Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens. Sie ist weiterhin u.a. der Ansicht, der PRT-Kommandeur habe bei dem Angriffsbefehl nicht in Ausübung deutscher Hoheitsgewalt gehandelt, vielmehr sei sein Handeln der den Einsatz führenden NATO zuzurechnen, auf welche die Haftung im Wege des „Transfer of Authority“ verlagert worden sei. Daher sei bereits die deutsche Gerichtsbarkeit nicht eröffnet, jedenfalls fehle es an einer Haftungsüberleitung auf sie, die Beklagte, als Anstellungskörperschaft. Die mehrfachen Rückfragen bei dem Informanten nach der Anwesenheit von Zivilpersonen vor Ort seien ein Zeichen militärischer Sorgfalt und hätten der Überprüfung der sich ständig ändernden Sicherheitslage gedient.
16Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze vom 17.02., 27.06.2014, 10.03. und 07.04.2015 (Bl. 386 ff., 424 ff., 451 ff., 473 ff. d.A.) verwiesen.
17II.
18Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht als zulässig, aber unbegründet abgewiesen.
191. Die Klage ist zulässig.
20Wie im angefochtenen Urteil ausgeführt, unterliegt der mit der Klage geltend gemachte Anspruch nach dem Grundsatz der Staatensouveränität (vgl. Dutta, AöR 2008, 191, 195) der deutschen Gerichtsbarkeit. Die beklagte Bundesrepublik Deutschland genießt vor den inländischen Gerichten keine Staatenimmunität; Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit kommt nach dem Grundsatz der Staatensouveränität nur für ausländische Staaten und inter- oder supranationale Organisationen in Betracht (vgl. BVerfGE 117, 141, Rn. 34 f. nach juris; Nachweise bei Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 20 GVG, Rn. 5). Soweit die Beklagte meint, der Luftangriff vom 04.09.2009 sei nicht in Ausübung deutscher Hoheitsgewalt, sondern auf der Grundlage des ISAF-Mandats der NATO befohlen und ausgeführt worden, steht das der deutschen Gerichtsbarkeit nicht entgegen, weil sich die Klage gerade nicht gegen einen ausländischen Staat oder eine inter- oder supranationale Organisation richtet, sondern gegen die Bundesrepublik Deutschland. Deren Haftung ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern des Bestehens eines Anspruchs und damit der Begründetheit der Klage. Selbst wenn in diesem Verfahren inzident über die Rechtmäßigkeit einer hoheitlichen Maßnahme eines ausländischen Staats oder einer inter- oder supranationalen Organisation zu entscheiden wäre, stünde das der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, weil eine fremde Immunität eben nicht konkret berührt, sondern auch in diesem Fall über keinen anderen Staat oder Organisation als die Bundesrepublik Deutschland geurteilt wird (vgl. OLG Köln, Urteil vom 28.07.2005, 7 U 8/04, NJW 2005, 2860, Rn. 74 nach juris). Soweit das Verwaltungsgericht Köln in einem Urteil vom 09.02.2012 (26 K 5534/10, NZWehrr 2013, 37, Rn. 65 ff. nach juris) betreffend denselben Luftangriff Zweifel an der Eröffnung der deutschen Gerichtsbarkeit mangels Ausübung deutscher Hoheitsgewalt geäußert und sich dazu auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 07.07.2011 (55721/07, NJW 2012, 283) berufen hat, hat es sich nicht damit auseinander gesetzt, dass Klagegegner gerade kein ausländischer Staat oder eine inter- oder supranationale Organisation ist und auch der Gerichtshof die Frage der Ausübung von Hoheitsgewalt letztlich erst im Rahmen der Begründetheit geprüft hat.
21Soweit die Kläger im Schriftsatz vom 07.04.2015 die Auffassung vertreten, zivilprozessrechtlich sei die Zulässigkeit der Klage nicht abschließend geklärt, da die Beweisaufnahme auf die Identitätsnachweise und damit auf den Nachweis ihrer Partei- und Prozessfähigkeit nicht erstreckt worden sei, verkennen sie, dass weder die Beklagte noch die mit dem Rechtsstreit befassten Gerichte die Partei- und Prozessfähigkeit der Kläger in Zweifel gezogen haben. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vom 28.03.2012 mit Nichtwissen lediglich bestritten, dass gerade die Angehörigen der Kläger beim Luftangriff anwesend gewesen und getötet worden seien. Damit ist ein haftungsrechtlicher Schaden der Kläger bestritten, aber kein Zulässigkeitsproblem der Klage aufgeworfen worden.
222. Die Klage ist nicht begründet.
23Das Landgericht hat die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche gegen die beklagte Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Luftangriff vom 04.09.2009 zu Recht verneint.
24a) Ein Individualanspruch auf Schadenersatz ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Völkerrecht.
25Das Landgericht hat auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 26.10.2004, 2 BvR 955/00, 2 BvR 12 BvR 1038/01, BVerfGE 112, 1, Rn. 114 nach juris; Beschluss vom 15.02.2006, 2 BvR 1476/03, NJW 2006, 2542, Rn. 20 ff. nach juris; Beschluss vom 13.08.2013, 2 BvR 2660/06, 2 BvR 42 BvR 487/07, EuGRZ 2013, 563, Rn. 41 ff. nach juris) und des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 26.06.2003, III ZR 245/98, BGHZ 155, 279, Rn. 35 ff. nach juris; Urteil vom 02.11.2006, III ZR 190/05, BGHZ 169, 348, Rn. 8 ff. nach juris) im Einzelnen dargelegt, dass und weshalb sekundärrechtliche Schadenersatzansprüche wegen völkerrechtswidriger Handlungen eines Staates gegenüber fremden Staatsangehörigen – nach bisheriger völkerrechtlicher Praxis – grundsätzlich nur dem Heimatstaat zustehen und ein Individualanspruch auf Schadenersatz insbesondere nicht aus Art. 3 des IV. Haager Abkommens vom 18.10.1907 betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs, aus Art. 91 des ersten Zusatzprotokolls vom 08.06.1977 zu den Genfer Abkommen vom 12.08.1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (BGBl. 1990 II S. 1551), aus einer Berücksichtigung von Art. 25 Satz 2 Halbsatz 2 GG oder aus Völkergewohnheitsrecht folgt. Dem tritt der Senat unter Festhaltung an seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. OLG Köln, Urteil vom 28.07.2005, 7 U 8/04, NJW 2005, 2860, Rn. 76 f. nach juris) bei.
26b) Ein Individualanspruch auf Entschädigung ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Aufopferung.
27Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der Aufopferung kommen für Maßnahmen der Verwaltung in Betracht und sind nur für den „Normalfall“ gedacht, nicht aber für die Folgen von kriegerischen Auseinandersetzungen und anderen staatlichen Katastrophenfällen. Die Regulierung derartiger staatlicher Katastrophenfälle bedarf daher gesonderter Regelungen außerhalb des Aufopferungsanspruchs (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.02.2006, 2 BvR 1476/03, NJW 2006, 2542, Rn. 28 nach juris; BGH, Urteil vom 26.06.2003, III ZR 245/98, BGHZ 155, 279, Rn. 54 nach juris; OLG Köln, Urteil vom Urteil vom 27.08.1998, 7 U 167/97, OLGR 1999, 5, Rn. 63 nach juris; Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 127, m.w.N.; von Woedtke, Die Verantwortlichkeit Deutschlands für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz und die sich daraus ergebenden Schadensersatzansprüche von Einzelpersonen als Opfer deutscher Militärhandlungen, 2010, S. 367 f.).
28c) Zu Recht hat das Landgericht einen Schadenersatzanspruch aus Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG geprüft, aber jedenfalls aus tatsächlichen Gründen verneint.
29aa) Das Landgericht hat deutsches Amtshaftungsrecht als anwendbar angesehen.
30Ausgehend vom Gedanken der Staatensouveränität ist auf die Bewertung hoheitlichen Handelns eines Staates unabhängig vom Handlungs- oder Erfolgsort das eigene materielle Recht dieses Staates anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2003, III ZR 245/98, BGHZ 155, 279, Rn. 40 f. nach juris; OLG Köln, Urteil vom Urteil vom 27.08.1998, 7 U 167/97, OLGR 1999, 5, Rn. 54 nach juris; Dutta, AöR 2008, 191, 207; von Woedtke, a.a.O., S. 306). Da hier die Haftung der Bundesrepublik Deutschland in Rede steht, ist materielles deutsches Recht anwendbar. Der Senat hat im Urteil vom 28.07.2005 (7 U 8/04, NJW 2005, 2860, Rn. 87 ff. nach juris) im Einzelnen dargelegt, dass und weshalb das Recht der Amtshaftung auch im Fall bewaffneter Auseinandersetzungen (nach Ende des zweiten Weltkriegs) jedenfalls insoweit grundsätzlich anwendbar ist als der Staat dabei in völkerrechtswidriger Weise die primärrechtlichen Ansprüche des Einzelnen auf Einhaltung des humanitären Völkerrechts verletzt hat. Bundesgerichtshof (Urteil vom 02.11.2006, III ZR 190/05, BGHZ 169, 348, Rn. 20 nach juris) und Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 13.08.2013, 2 BvR 2660/06, 2 BvR 42 BvR 487/07, EuGRZ 2013, 563, Rn. 52 nach juris) haben diese Frage ausdrücklich offen gelassen. Der Senat sieht auch in Ansehung kritischer Literaturstimmen (vgl. Raap, NVwZ 2013, 552, 554; wohl auch Dreist, UBWV 2011, 201, 218; weitere Nachweise bei Stammler, Der Anspruch von Kriegsopfern auf Schadensersatz, 2009, S. 97 ff.) keinen Anlass, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen, zumal die Anwendbarkeit deutschen Amtshaftungsrechts auf den Luftangriff vom 04.09.2009 offen bleiben kann, weil es hierauf im Ergebnis aus tatsächlichen Gründen nicht ankommt.
31bb) Das Landgericht hat offen gelassen, ob die Einstandspflicht für eine etwaige Amtshaftung aus § 839 Abs. 1 BGB nach Art. 34 Satz 1 GG auf die Beklagte übergeleitet ist.
32Die Bundesrepublik Deutschland haftet im Grundsatz als Anstellungskörperschaft für Amtspflichtverletzungen ihrer Amtsträger einschließlich der Mitglieder ihrer Streitkräfte. Die Beklagte meint, sie habe mit der Bereitstellung ihrer Soldaten für die von der NATO gestellten ISAF-Truppen im Wege des „Transfer of Authority“ ihre Position als verantwortliche Anstellungskörperschaft nach Art. 34 Satz 1 GG vergleichbar mit den Fällen der beamtenrechtlichen Abordnung verloren. Das wäre nur dann der Fall, wenn eine andere öffentliche Körperschaft uneingeschränkt über die Dienste der entsandten Soldaten verfügte und ihr die Ergebnisse ihrer Tätigkeiten zugutekämen (RGZ 168, 361, 369; BGHZ 7, 76, Rn. 5 nach juris; Dutta, AöR 2008, 191, 229; von Woedtke, a.a.O., S. 351). Das liegt namentlich für die NATO fern.
33Die NATO übt zwar im Rahmen des ISAF-Mandats die operative Kontrolle über die entsandten deutschen Soldaten aus, jedoch verbleiben der Bundesrepublik Deutschland gewichtige Einflussmöglichkeiten im Rahmen ihrer truppendienstlichen Befehlsgewalt (vgl. von Woedtke, a.a.O., S. 170 f.). Zudem hat die Bundesrepublik Deutschland als Bündnispartner auf militärstrategischer, operativer und taktischer Ebene maßgeblichen Einfluss auf den Einsatz der entsandten deutschen Truppen und die fortdauernde Einhaltung deutscher Mandatsvorgaben (vgl. von Woedtke, a.a.O., S. 162, 171). Die Operationspläne der NATO-Einsätze werden maßgeblich von deutschen Stellen mitgestaltet und bedürfen der nationalen Umsetzung (vgl. von Woedtke, a.a.O., S. 171 f.). Dadurch wird gewährleistet, dass der ISAF-Kommandeur seine Befehlsgewalt über die entsandten deutschen Truppen regelmäßig innerhalb der Grenzen des deutschen Entsende-Mandats ausübt (vgl. von Woedtke, a.a.O., S. 171). Außerdem kann der Deutsche Bundestag die deutschen Truppen jederzeit wieder abziehen (vgl. Dutta, AöR 2008, 191, 229). Gegen eine Haftungsfreistellung der Bundesrepublik Deutschland entsprechend den Grundsätzen für die beamtenrechtliche Abordnung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 16.09.2004, III ZR 346/03, BGHZ 160, 216, Rn. 31 nach juris; Staudinger/Wöstmann, BGB, 2013, § 839, Rn. 57) spricht, dass der PRT-Kommandeur einem vorwiegend aus deutschen Soldaten bestehenden Einsatzverband bei dem PRT Kunduz zugewiesen worden ist und dass – anders als im typischen Abordnungsfall – die zum ISAF-Einsatz entsandten deutschen Soldaten nicht etwa nur im Interesse der NATO tätig werden, sondern im Hinblick auf den dem Bundestagsmandat zugrunde liegenden politischen Willen gerade auch im Interesse der Bundesrepublik Deutschland.
34Die Vereinten Nationen haben lediglich die rechtliche Grundlage für das ISAF-Mandat geschaffen, ohne jedoch die Befehlsgewalt über die dazu entsandten deutschen Truppen auszuüben. Soweit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für den KFOR-Einsatz im Kosovo entschieden hat (vgl. EuGRZ 2007, 522 ff.), rechtswidrige Handlungen der entsandten Soldaten seien den Vereinten Nationen als Inhaber der endgültigen Entscheidungsgewalt zuzurechnen und nicht den Mitgliedstaaten als Truppenstellern oder der NATO als KFOR-Führungsorganisation (vgl. Woedtke, a.a.O., 179 ff.; Surholt, Amtshaftung für Handlungen in Auslandseinsätzen der Bundeswehr, 2014, S. 125), hatten die Vereinten Nationen bei dem vorliegenden ISAF-Einsatz gerade keine endgültige Entscheidungsgewalt.
35Ob die Haftung für den Befehl zum Luftangriff vom 04.09.2009 auf die Bundesrepublik Deutschland übergeleitet ist, kann letztlich ebenfalls offen bleiben, weil es hierauf im Ergebnis aus tatsächlichen Gründen nicht ankommt.
36cc) Dies gilt ebenso für die vom Landgericht bejahte Frage, ob den Regeln des humanitären Völkerrechts über den Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten, welche die Amtsträger der Bundesrepublik Deutschland einschließlich der Mitglieder ihrer Streitkräfte als Amtspflichten einzuhalten haben, soweit es sich um allgemeine Regeln des Völkerrechts (vgl. Art. 25 Satz 1 GG) oder in Bundesrecht umgesetztes Völkervertragsrecht (vgl. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG) handelt (vgl. Surholt, a.a.O., S. 151), drittschützende Wirkung zukommt.
37Als möglicherweise einschlägige drittschützende Regelungen hat das Landgericht zutreffend die Vorschriften der beiden Zusatzprotokolle vom 08.06.1977 zu den Genfer Abkommen vom 12.08.1949 über den Schutz der Opfer bewaffneter Konflikte als drittschützende Amtspflichten des PRT-Kommandeurs geprüft. Diese völkerrechtlichen Verträge haben aufgrund des deutschen Zustimmungsgesetzes (BGBl. 1990 II S. 1550, BGBl. 1990 II S. 1637) die Geltung von Bundesrecht. Das erste Zusatzprotokoll vom 08.06.1997 (kurz ZP I) regelt den Schutz der Zivilbevölkerung in internationalen bewaffneten Konflikten, während das zweite Zusatzprotokoll vom 08.06.1977 (kurz ZP II) den Schutz der Zivilbevölkerung in nicht internationalen bewaffneten Konflikten regelt. Im Einzelnen hat das Landgericht danach die völkervertragsrechtlichen Regeln in Art. 13 Abs. 2 Satz 1 ZP II, Art. 57 Abs. 1, Abs. 2 a) ii), iii), Abs. 2 c) ZP I, Art. 51 Abs. 4 und 5 ZP I angewendet.
38Zweifel daran, ob das erste Zusatzprotokoll vom 08.06.1977 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (ZP I) sachlich anwendbar ist, weil es nur für internationale bewaffnete Konflikte gilt (vgl. Frau, JZ 2014, 417, 419 f.) und ein solcher bei dem ISAF-Einsatz in Afghanistan nicht vorliegt, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, können letztlich offen bleiben, da dessen Schutzvorschriften tatsächlich nicht schuldhaft verletzt sind.
39Dies gilt entsprechend für Zweifel, ob das zweite Zusatzprotokoll vom 08.06.1977 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (ZP II) nach seinem Art. 1 Abs. 1 sachlich anwendbar ist, weil die Islamische Republik Afghanistan dem Zusatzprotokoll erst am 10.11.2009 (vgl. www.eda.admin.ch/vertraege) und damit nach dem Luftangriff vom 04.09.2009 beigetreten ist.
40Im Übrigen ergibt sich aus dem gemeinsamen Art. 3 Satz 1 Nr. 1 a) der vier Genfer Abkommen vom 12.08.1949 (BGBl. 1954 II S. 781), die in Afghanistan am 26.03.1957 in Kraft getreten sind (vgl. www.eda.admin.ch/vertraege), ein mit Art. 13 Abs. 2 Satz 1 ZP II vergleichbares Verbot von Angriffen gegen Zivilpersonen (vgl. Herdegen, Völkerrecht, 11. Aufl., S. 412 f.; Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht, 2. Aufl., S. 70). Danach sind im Rahmen von nicht internationalen Konflikten auf dem Gebiet einer Vertragspartei jederzeit und jedenorts Angriffe auf Leib und Leben, namentlich Mord jeglicher Art, in Bezug auf Personen, die nicht direkt an Feindseligkeiten teilnehmen, verboten.
41Das vorgenannte Angriffsverbot nach Art. 3 Satz 1 Nr. 1 a) der Genfer Abkommen vom 12.08.1949 impliziert in gewissem Umfang auch ein Aufklärungsgebot, da der Schutz vor Angriffen weitgehend leerliefe, wenn der Angreifer nicht zu vorheriger Aufklärung über das Angriffsziel und dessen möglichen Schutz als Person, die nicht direkt an Feindseligkeiten teilnimmt, verpflichtet wäre (entsprechend zu Art. 13 Abs. 1 ZP II vgl. Henckaerts/Doswald-Beck, Customary International Humanitarian Law, Volume I, 2005, S. 52). Gleiches gilt für die weiteren Gebote der Schonung, der Verhältnismäßigkeit und der Warnung sowie das Verbot unterschiedsloser Angriffe.
42Zudem können sich drittschützende Amtspflichten des PRT-Kommandeurs aus dem Völkergewohnheitsrecht ergeben. Nach Ansicht der völkerrechtlichen Literatur (vgl. Henckaerts/Doswald-Beck, a.a.O., Regeln 1, 11/12, 14-17, 20; von Woedtke, a.a.O., S. 94 ff.) haben die vorgenannten – vom Landgericht herangezogenen – völkervertraglichen Ge- und Verbote zum Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten die Rechtsnatur von Völkergewohnheitsrecht erlangt, in welchem Fall sie nach Art. 25 Satz 1 GG Bestandteil des Bundesrechts sind (vgl. Surholt, a.a.O., S. 167 ff.).
43dd) Zu Recht hat das Landgericht eine schuldhafte Amtspflichtverletzung des PRT-Kommandeurs im Zusammenhang mit dem Luftangriff vom 04.09.2009 jedenfalls aus tatsächlichen Gründen verneint.
44(1) Eine Amtspflichtverletzung muss schuldhaft begangen sein, um eine Haftung nach § 839 Abs. 1 BGB zu begründen. Es gilt der allgemeine Verschuldensmaßstab des § 276 Abs. 2 BGB (Staudinger/Wöstmann, BGB, 2013, § 839, Rn. 131). Erforderlich ist eine vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der Amtspflicht. Bei der Verschuldensprüfung ist auf die Anforderung abzustellen, deren Beachtung von einem Amtsträger generell erwartet werden kann. Jeder Amtsträger hat die Sach- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen (vgl. BGHZ 198, 1, Rn. 10 nach juris). Der Nachweis des Verschuldens wird erleichtert aufgrund des objektivierten Fahrlässigkeitsmaßstabes, der auch und gerade im Rahmen der Amtshaftung gilt. Hierbei ist für die Ermittlung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB) auf die Kenntnisse und Fähigkeiten abzustellen, die für die Führung des übernommenen Amtes im Durchschnitt erforderlich sind (BGHZ 106, 323, Rn. 28 nach juris). Maßstab für die einzuhaltende Sorgfalt ist nicht die im Nachhinein, bei einer Betrachtung ex post, getroffene Sichtweise. Entscheidend ist vielmehr die Situation, wie sie sich dem Amtsträger vor einer später beanstandete Maßnahme, bei einer Betrachtung ex ante, dargestellt hat (vgl. BGH, NJW 1994, 794, Rn. 16 nach juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zivilgerichte bei der Amtshaftungsklage die als amtspflichtwidrig beanstandete Maßnahme grundsätzlich selbständig und in vollem Umfang nachzuprüfen haben und ein nicht justiziabler Beurteilungsspielraum der Exekutive etwa bei der Auswahl militärischer Ziele nicht besteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.08.2013, 2 BvR 2660/06, 2 BvR 42 BvR 487/07, EuGRZ 2013, 563, Rn. 53 ff. nach juris; Dutta, AöR 2008, 191, 224; Stammler, a.a.O., S. 131).
45In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob die einzelnen Regeln zum Schutz der Zivilbevölkerung im humanitären Völkerrecht, deren Geltung hier unterstellt wird, bereits tatbestandlich ein Verschulden, etwa im Sinne einer Vorhersehbarkeit ziviler Opfer eines militärischen Angriffs, voraussetzen (vgl. Dutta, AöR 2008, 191, 227). So hat die Bundesrepublik Deutschland die Zustimmung zum ersten Zusatzprotokoll vom 08.06.1977 zu den Genfer Abkommen vom 12.08.1949 (ZP I) mit folgender Zusatzerklärung versehen (vgl. den später beschlossenen Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 20.03.1990, BT-Drs. 11/6770 S. 113, 132): „Nach dem Verständnis der Bundesrepublik Deutschland ist bei der Anwendung der Bestimmungen von Teil IV Abschnitt I des I. Zusatzprotokolls auf militärische Führer und andere Personen, die für Planung, Entscheidung und Durchführung von Angriffen verantwortlich sind, die getroffene Entscheidung des Verantwortlichen auf der Grundlage aller Informationen, die im Zeitpunkt des Handelns zur Verfügung standen, und nicht nach dem nachträglich erkennbaren tatsächlichen Verlauf zu bewerten.“ Ob diese Zusatzerklärung die Rechtslage zutreffend wiedergibt oder jedenfalls beeinflussen kann, sodass die Vorhersehbarkeit einer Völkerrechtsverletzung bereits Tatbestandsmerkmal ist, kann offen bleiben. Denn jedenfalls setzt das Recht der Amtshaftung ein entsprechendes Verschulden voraus.
46Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs ist die Feststellung des Landgerichts, der PRT-Kommandeur habe durch seinen Befehl zum Luftangriff am 04.09.2009 nicht schuldhaft gegen Regeln des humanitären Völkerrechts zum Schutz von Zivilpersonen verstoßen, nicht zu beanstanden.
47(2) Das Landgericht hat sich nach umfassender Beweisaufnahme und aufgrund fehlerfreier Beweiswürdigung von den tatsächlichen Voraussetzungen eines schuldhaften Verstoßes gegen die Ge- und Verbote zum Schutz der Zivilbevölkerung bei bewaffneten Konflikten nicht überzeugen können. Der Senat ist daher infolge seiner beschränkten berufungsrechtlichen Prüfungskompetenz (vgl. § 513 ZPO) an die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil gebunden.
48Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (vgl. BGH, NJW 2004, 1876, Rn. 8 f. nach juris; OLG Köln, Urteil vom 16.12.2008, 3 U 12/08, Rn. 30 nach juris; Musielak/Foerste, ZPO, 11. Aufl., § 286, Rn. 68). Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Landgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind (BGH, a.a.O., OLG Köln, a.a.O.). Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Grundsätzlich ist es dem Gericht freigestellt, in welcher Weise es die maßgeblichen Umstände würdigt. Seine Würdigung muss aber vollständig und widerspruchsfrei sein und darf nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen (BGH, NJW 1987, 1557, Rn. 12 nach juris; BGH, NJW 1999, 3481, Rn. 13 nach juris). Dabei ist im Ausgangspunkt zu beachten, dass eine Behauptung dann bewiesen ist, wenn das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugt ist, ohne dabei unerfüllbare Anforderungen zu stellen. Hierfür genügt, da eine absolute Gewissheit nicht zu erreichen und jede Möglichkeit des Gegenteils nicht auszuschließen ist, ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, das heißt ein für einen vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er etwaigen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (Musielak/Foerste, a.a.O., Rn. 19).
49Die Darstellung der bloßen Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisergebnisse reicht nicht aus, um die erstinstanzliche Beweiswürdigung zu erschüttern. Es genügt also nicht, die eigene Beweiswürdigung an die Stelle der landgerichtlichen zu setzen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 06.11.2014, 4 U 189/13, Rn. 33 nach juris). Meint der Rechtsmittelführer lediglich, es sei dem Inhalt eines Beweismittels eine andere Bedeutung beizumessen, kann dies die Beweiswürdigung nicht entkräften (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 29.08.2007, 4 U 11/07, Rn. 43 nach juris; OLG München, Beschluss vom 20.06.2012, 17 U 1392/12, Rn. 6 nach juris).
50Auch kann mit der Berufung eine Tatbestandsberichtigung im Grundsatz nicht herbeigeführt werden (OLG München, Urteil vom 23.05.2014, 10 U 4493/13, Rn. 8 nach juris). Eine Tatbestandsberichtigung ist grundsätzlich dem Tatbestandsberichtigungsverfahren nach § 320 ZPO bei dem Gericht, dessen Urteilstatbestand berichtigt werden soll, vorbehalten. Neben einem Tatbestandsberichtigungsverfahren oder nach dessen erfolgloser Erledigung ist im Berufungsverfahren nur die Verfahrensrüge nach § 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO eröffnet, wenn die geltend gemachte Unrichtigkeit des Urteilstatbestands eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 320, Rn. 14) oder sich aus der den Berichtigungsantrag zurückweisenden Entscheidung ergibt, dass die tatbestandlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil widersprüchlich sind (vgl. BGH, NJW 2011, 1513, Rn. 12 nach juris).
51Bei Anwendung dieser Grundsätze haben die Berufungsangriffe gegen die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Erfolg. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sind auch nach den Ausführungen der Berufungsbegründung nicht erkennbar. Diesbezügliche Verfahrensfehler sind nicht feststellbar. Das Landgericht hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich ist, dass sie Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen zuwiderläuft oder Teile des Beweisergebnisses unberücksichtigt lässt. Das Landgericht hat neben dem wechselseitigen Parteivorbringen die erhobenen Beweise umfassend gewürdigt, nämlich die Inaugenscheinnahme der dem PRT-Kommandeur seinerzeit vorliegenden Luftaufnahmen und das Gutachten des landeskundlichen Sachverständigen. Dabei hat das Landgericht die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung im angefochtenen Urteil in jeder Hinsicht sorgfältig dargelegt.
52Die einzelnen Berufungsangriffe gegen die Tatsachenfeststellung greifen nicht durch:
53(a) Soweit die Kläger mit der Berufung rügen, ihr Antrag auf Vernehmung des damaligen PRT-Kommandeurs Oberst Klein als Zeuge im Schriftsatz vom 11.11.2013 (Bl. 272 d.A.) sei übergangen worden, lag dem Beweisantritt keine Tatsachenbehauptung zugrunde, die einer Beweisaufnahme zugänglich war. Der Beweisantritt erfolgte in dem Abschnitt „III. Würdigung der Beweisaufnahme“. In diesem Abschnitt haben die Kläger Bewertungen zur Würdigung der erhobenen Beweise vorgenommen, aber gerade keine Tatsachen vorgetragen, die in das Wissen des Zeugen gestellt werden sollten. Soweit die Kläger im Schriftsatz vom 07.04.2015 ausführen, einen auf seine Entschuldigung beflissen orientierten Zeugen hätten sie nicht zu benennen brauchen, darin liege angesichts der prozessualen Lage kein Verstoß gegen den zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz, mit dem die Kläger offenbar ausgetrickst werden sollen, vermag der Senat diesem Gedankengang nicht zu folgen. Die zivilprozessuale Pflicht zur Erklärung über Tatsachen sowie zum ordnungsgemäßen Beweisantritt hängt nicht von der vermeintlichen Erfolgsaussicht einer Beweisaufnahme ab. Der erstmals mit Tatsachenbehauptungen unterlegte Beweisantritt auf Vernehmung des damaligen PRT-Kommandeurs als Zeuge in der Berufungsbegründung sowie im Schriftsatz vom 10.03.2015 unterliegt dem Ausschluss neuen Vorbringens im Berufungsverfahren nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO.
54(b) Soweit die Kläger mit der Berufung rügen, ihnen sei erstinstanzlich kein Schriftsatznachlass zur Beweiswürdigung eingeräumt worden, haben die Parteien ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 30.10.2013 gemäß § 285 Abs. 1 ZPO nach Durchführung der Beweisaufnahme über deren Ergebnis verhandelt, was grundsätzlich ausreicht (vgl. BGH, Urteil vom 24.10.1990, XII ZR 101/89, NJW 1991, 1547, Rn. 16 nach juris; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 285, Rn. 2). Selbst wenn ausnahmsweise die Einräumung eines Schriftsatznachlasses geboten gewesen wäre, hätte dessen Unterbleiben keinen Einfluss auf die Entscheidung gehabt. Tatsächlich hatten die Kläger ausweislich ihres Schriftsatzes vom 11.11.2013 Gelegenheit zur nachträglichen Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme. Ausweislich der Urteilsgründe hat das Landgericht den Inhalt dieses Schriftsatzes auch gewürdigt, eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung geprüft und sich insbesondere im Rahmen seiner Beweiswürdigung mit der Stellungnahme zur Beweisaufnahme im Schriftsatz vom 11.11.2013 umfassend auseinander gesetzt.
55(c) Entgegen der Berufungsrüge der Kläger, die Beweisaufnahme sei vor jeder Zeugenvernehmung abgebrochen worden, waren sämtliche aus Sicht des Landgerichts entscheidungserheblichen Beweisantritte erledigt. Soweit die Kläger noch einen namentlich nicht benannten Zeugen sistieren wollten, haben sie dies in der letzten mündlichen Verhandlung am 30.10.2013 tatsächlich nicht getan, sodass offen bleiben kann, ob der Beweisantritt auf Vernehmung eines mit Ausnahme der Staatsangehörigkeit nicht bestimmbaren Zeugen überhaupt zulässig ist. Soweit die Kläger mit Schriftsatz vom 07.04.2015 meinen, die Beweisaufnahme sei nicht prozessordnungsgerecht, weil das Landgericht die Frage der Haftungszurechnung offen gelassen habe, spricht bereits der Hinweisbeschluss des Landgerichts vom 17.04.2013 dafür, dass das Landgericht die Haftungszurechnung bei Durchführung der Beweisaufnahme noch bejaht und im Urteil mangels Entscheidungserheblichkeit sodann offengelassen hat. Im Übrigen wird die Frage, ob das angefochtene Urteil auf einem der Berufungsgründe des § 513 ZPO beruht, hierdurch ohnehin nicht berührt.
56(d) Das Landgericht hat auch die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nicht verkannt.
57Hinsichtlich der vorliegend in Rede stehenden, auf § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG gestützten Amtshaftungsansprüche tragen die Geschädigten grundsätzlich die volle Darlegungs- und Beweislast für alle anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale (Staudinger/Wöstmann, BGB, 2013, § 839, Rn. 399). Auch die nicht darlegungs- und beweisbelastete Partei kann eine sogenannte sekundäre Darlegungslast treffen, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner diese hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BGHZ 163, 209, Rn. 18 nach juris). In diesen Fällen muss sich die nicht darlegungspflichtige Partei zu dem Sachvortrag der anderen Partei erklären und unter Umständen ihr Wissen, das der anderen Partei unzugänglich war, offenbaren. Nach diesen Grundsätzen müssen Darlegungs- und Beweislast im Amtshaftungsprozess sachgerecht modifiziert und eingeschränkt werden – gegebenenfalls bis hin zu einer Beweislastumkehr –, wenn ein von einem Amtspflichtverstoß Betroffener außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und daher zu Interna der Verwaltung keinen Zugang hat und haben kann (vgl. BGHZ 129, 226, Rn. 23 nach juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.08.2013, 2 BvR 2660/06, 2 BvR 42 BvR 487/07, EuGRZ 2013, 563, Rn. 65 nach juris) ist es dabei in erster Linie Aufgabe der Zivilgerichte, die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an die effektive Durchsetzung grundrechtlich geschützter Rechtspositionen zu entfalten und prozessrechtlich zu konkretisieren. Dazu gehört, so das Bundesverfassungsgericht, die Entwicklung von Grundsätzen zu der Frage, ob in Konstellationen, in denen die Beweisnot von Anspruchstellern als ungewollt vom Kampfgeschehen betroffener Zivilisten nicht von der Hand zu weisen ist, stets von Verfassungs wegen die Grundsätze über die sekundäre Darlegungslast zur Anwendung gelangen müssen oder gegebenenfalls sogar eine Beweislastumkehr angezeigt ist.
58Auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast kann es regelmäßig nur ankommen, soweit der Sachvortrag einer Partei von der anderen Partei bestritten wird (vgl. §§ 138 Abs. 3, 288 ZPO). Andernfalls, soweit also der Sachverhalt unstreitig ist, spielen Fragen der Darlegungs- und Beweislast keine Rolle. Die Zivilgerichte sind nach dem Beibringungsgrundsatz regelmäßig nicht zur Sachaufklärung von Amts wegen aufgerufen oder auch nur befugt, soweit dem unstreitiges Parteivorbringen entgegen steht (vgl. MüKo-ZPO/Rauscher, 2013, Einleitung, Rn. 310; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., Vor § 128, Rn. 10, Vor § 284, Rn 2). Soweit eine Partei, die auf die gerichtliche Tatsachenfeststellung durch Erklärung zum gegnerischen Sachvortrag Einfluss nehmen kann, von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, ist das Gebot rechtsstaatlichen und fairen Verfahrens nicht berührt, wenn das Zivilgericht nicht von sich aus diesen unbestrittenen Sachvortrag der anderen Partei hinterfragt.
59Nach diesen Grundsätzen hat das Landgericht die Darlegungs- und Beweislast zutreffend erkannt und angewendet. Dabei kamen im Ergebnis Fragen der sekundären Darlegungslast oder der Beweislastumkehr nicht zum Tragen, nachdem die Beklagte auflagegemäß die Luftaufnahmen aus den Kampflugzeugen und die Protokolle des Funkverkehrs mit den Piloten vorgelegt hatte. Denn das Landgericht hat seine tatsächlichen Feststellungen, soweit diese den internen Bereich der Beklagten oder ihrer Streitkräfte betrafen, ausschließlich auf Dokumentation gestützt, die von dieser vorgelegt und als solche von den Klägern nicht bestritten worden ist. Die dem PRT-Kommandeur vor dem Luftangriff vorliegenden Luftaufnahmen sind aufgrund der Tatsachenbehauptungen der Kläger zum erkennbaren Geschehen Gegenstand der erstinstanzlichen Beweisaufnahme gewesen. Das Beklagtenvorbringen zu den Gesprächen mit dem örtlichen Informanten des Militärs sowie den nachrichtendienstlichen Hinweis vom 15.07.2009 auf einen fahrzeuggestützten Anschlag gegen das PRT Kunduz haben die Kläger dagegen erstinstanzlich nicht bestritten. Soweit die Kläger darauf verweisen, sie hätten den nachrichtendienstlichen Hinweis nicht substantiiert bestreiten können, waren sie hierzu prozessual nicht verpflichtet; einfaches Bestreiten mit Nichtwissen war ihnen möglich und zumutbar.
60(3) Auf der Grundlage der danach für das Berufungsverfahren bindenden Feststellungen im angefochtenen Urteil sind die tatsächlichen Voraussetzungen einer schuldhaften Amtspflichtverletzung wegen Verletzung der Regeln des humanitären Völkerrechts über den Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten nicht erfüllt.
61(a) Gegen das Verbot von Angriffen gegen Zivilpersonen (vgl. Art. 13 Abs. 2 Satz 1 des zweiten Zusatzprotokolls vom 08.06.1977 zu den Genfer Abkommen vom 12.08.1949 (ZP II); gemeinsamer Art. 3 Satz 1 Nr. 1 a) der Genfer Abkommen vom 12.08.1949) hat der PRT-Kommandeur nicht schuldhaft verstoßen.
62Danach dürfen weder die Zivilbevölkerung als solche noch einzelne Zivilpersonen das Ziel von Angriffen sein bzw. sind Angriffe auf Leib und Leben, namentlich Mord jeglicher Art, in Bezug auf Personen, die nicht direkt an Feindseligkeiten teilnehmen, verboten. Unter Angriff ist jede militärische Operation gegen eine Person zu verstehen, welche die Tötung oder sonstige physische Neutralisierung zum Ziel hat (vgl. von Woedtke, a.a.O., S. 96), was hier betreffend den befohlenen Luftangriff vom 04.09.2009 der Fall ist. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass ein Verstoß gegen Art. 13 Abs. 2 Satz 1 ZP II nach dem klaren Wortlaut voraussetzt, dass dem entscheidenden Kommandeur bewusst ist, dass es sich bei dem Ziel seines Angriffs um Zivilpersonen handelt; nur wer positive Kenntnis von der Anwesenheit von Zivilpersonen hat, kann diese im Sinne von Art. 13 Abs. 2 Satz 1 ZP II zum Ziel eines militärischen Angriffs machen. Dasselbe gilt für das Angriffsverbot nach dem gemeinsamen Art. 3 Satz 1 Nr. 1 a) der Genfer Abkommen vom 12.08.1949. Soweit die Kläger mit der Berufung beanstanden, damit werde praktisch Vorsatz gefordert und Art. 13 Abs. 2 ZP II zu einer lex specialis gemacht, die geeignet wäre, die weiteren Verbote des humanitären Völkerrechts leerlaufen zu lassen, die ihrerseits einen eigenständigen Wert haben, verkennen sie die unterschiedlichen Funktionen und Schutzrichtungen der verschiedenen Regeln des humanitären Völkerrechts. Während Art. 13 Abs. 2 ZP II gezielte Angriffe gegen Zivilpersonen generell verbietet, stellen Artt. 51, 57 ZP I unterhalb dieser Schwelle einzelne Ge- und Verbote im Hinblick auf die Sorgfaltsanforderungen vor allem bei der Vorbereitung von Angriffen auf, deren Verletzung jedenfalls zur Begründung eines Amtshaftungsanspruchs nach § 839 Abs. 1 BGB ein Verschulden voraussetzt, das nicht unbedingt in vorsätzlicher Begehung bestehen muss. Das danach für einen schuldhaften Verstoß gegen das Verbot von Angriffen gegen Zivilpersonen erforderliche Bewusstsein, dass es sich bei dem Ziel des Angriffs um Zivilpersonen handelt, lag bei dem PRT-Kommandeur auch nach dem Klägervorbringen nicht vor. Der Waffeneinsatz galt den aufständischen Taliban und den von ihnen entführten Tanklastwagen. Die Taliban selbst nehmen als Mitglieder einer organisierten bewaffneten Gruppe nicht am Schutz der Zivilbevölkerung durch die Genfer Abkommen und deren Zusatzprotokolle teil (vgl. MüKo-StGB/Ambos, 2009, Vor §§ 8 ff. VStGB, Rn. 42; Surholt, a.a.O., S. 160; Safferling/Kirsch, JA 2010, 81, 84).
63(b) Auch gegen das Aufklärungsgebot (vgl. Art. 57 Abs. 1, Abs. 2 a) i) des ersten Zusatzprotokolls vom 08.06.1977 zu den Genfer Abkommen vom 12.08.1949 (ZP I); Art. 13 Abs. 1 ZP II; gemeinsamer Art. 3 Satz 1 Nr. 1 a) der Genfer Abkommen vom 12.08.1949) hat der PRT-Kommandeur nicht schuldhaft verstoßen.
64Danach ist bei Kriegshandlungen stets darauf zu achten, dass die Zivilbevölkerung, Zivilpersonen und zivile Objekte verschont bleiben; dabei hat, wer einen Angriff plant oder beschließt, alles praktisch Mögliche zu tun, um sicherzugehen, dass die Angriffsziele weder Zivilpersonen noch zivile Objekte sind und nicht unter besonderem Schutz stehen, sondern militärische Ziele sind. Die Verpflichtung, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, gilt für alle Phasen einer militärischen Operation – von der Planung über die Entscheidung der anzugreifenden Ziele bis hin zur Durchführung. Das allgemeine Gebot, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, besteht vor allem in einer Aufklärungspflicht: Die den Einsatz planenden und befehlenden Stellen müssen sich um eine Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Aufklärungs- und Nachrichtenmittel bemühen, um sich über den militärischen Charakter des Ziels Gewissheit zu verschaffen (von Woedtke, a.a.O., S 102; vgl. Henckaerts/Doswald-Beck, a.a.O., S. 54 f.). Allerdings müssen militärische Befehlshaber, die einen Angriff planen oder beschließen, ihre Einschätzung regelmäßig auf Informationen stützen, die ihnen von anderen mitgeteilt worden sind, ohne dass von ihnen erwartet werden kann, persönliches Wissen über das Angriffsziel und seine Einordnung als militärisches zu haben. Die Anforderungen an die Erfüllung dieser Aufklärungspflicht variieren naturgemäß mit der Art der militärischen Operation: Luftangriffe aus der Entfernung basieren vor allem auf Luftaufklärung, deren Genauigkeit einer eingehenden Prüfung unterzogen werden muss (von Woedtke, a.a.O., S. 102). Die objektive Lagebeurteilung hängt weitgehend auch von den technischen Aufklärungsmöglichkeiten ab, die dem militärischen Befehlshaber in der konkreten Planungs- und Entscheidungssituation zur Verfügung stehen (vgl. Henckaerts/Doswald-Beck, a.a.O., S. 54). Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass bei der Zielerfassung immer eine Restunsicherheit hinsichtlich der militärischen Relevanz des Ziels verbleiben wird und die Präzision des jeweiligen Angriffs von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängen kann. Diese Umstände müssen von den die Operation planenden und befehlenden Stellen berücksichtigt werden. Sie müssen aber auch letztlich in die Beurteilung einbezogen werden, ob den verantwortlichen Kommandeuren und Stäben eine Missachtung der im humanitären Völkerrecht zum Schutz der Zivilbevölkerung festgelegten Verpflichtungen vorgeworfen werden kann (vgl. von Woedtke, a.a.O., S. 103).
65Nach diesen Grundsätzen hat der PRT-Kommandeur seine Pflichten im Zusammenhang mit der Aufklärung des Angriffsziels des Luftangriffs vom 04.09.2009 in der konkreten Planungs- und Entscheidungssituation nicht schuldhaft verletzt.
66(aa) Der PRT-Kommandeur hat die Aufklärung mit zulässiger Zielrichtung betrieben, indem die Ermittlungen auf die Klärung der Frage gerichtet waren, ob es sich bei dem späteren Angriffsziel um ein militärisches oder ein ziviles Ziel handelte.
67Insoweit hat das Landgericht zutreffend die beiden entführten Tanklastzüge als militärisches und damit zulässiges Angriffsziel angesehen (vgl. Safferling/Kirsch, JA 2010, 81, 84), da sie entweder als Nachschub von Treibstoff zur logistischen Unterstützung der Taliban oder sogar selbst als Mittel eines Anschlags verwendet werden konnten, ohne dass es für die Einordnung als militärisches Angriffsziel darauf ankommt, ob ein solcher Anschlag konkret drohte. Entsprechend durften die im Bereich der Tanklastzüge anwesenden Taliban als Mitglieder einer organisierten bewaffneten Gruppe als Angriffsziel ausgewählt werden (vgl. MüKo-StGB/Ambos, 2009, Vor §§ 8 ff. VStGB, Rn. 42; Surholt, a.a.O., S. 160; Safferling/Kirsch, JA 2010, 81, 84). Dem sind die Kläger mit der Berufung nicht entgegen getreten. Soweit die Kläger mit der Berufung rügen, das angefochtene Urteil blende die Zahl der Opfer gänzlich aus, war die Darstellung im Urteilstatbestand („Durch den Waffeneinsatz wurden die Lastwagen zerstört und eine Vielzahl von Menschen getötet, unter denen auch Zivilisten waren, deren genaue Anzahl zwischen den Parteien streitig ist“) zutreffend.
68(bb) Der PRT-Kommandeur hat alle in der konkreten Planungs- und Entscheidungssituation praktisch möglichen Aufklärungsmaßnahmen getroffen.
69Das Landgericht hat dargelegt, welche Aufklärungsmittel vor dem Angriffsbefehl im Einzelnen herangezogen wurden: Danach ist die Situation auf der Sandbank ohne Unterbrechung mindestens 20 Minuten lang durch die eingesetzten beiden Kampfflugzeuge beobachtet worden. Die von den Bordkameras gefertigten Infrarotaufnahmen sind in Echtzeit in die Fliegerleitzentrale übertragen worden. Der PRT-Kommandeur hat sich mittels der aus den Kampfjets übertragenen Infrarot-Bilder einen Eindruck von der Lage am Kunduz-Fluss verschafft. Bei der Auswertung derselben stand ihm der Fliegerleitoffizier zur Seite. Darüber hinaus hat sich der Kommandeur sieben Mal durch telefonische Rückfrage bei einem Informanten des Militärs, der vor Ort war, rückversichert, dass es sich bei den auf den Infrarotaufnahmen sichtbaren Personen um Aufständische und nicht um Zivilisten handelt. Aus den ihm zugetragenen Informationen schloss der PRT-Kommandeur auch, dass sich die zivilen Fahrer der Tanklastwagen nicht mehr in der Nähe befanden. Diese Ausführungen im angefochtenen Urteil sind noch dahin zu ergänzen, dass dem PRT-Kommandeur ebenfalls die Einschätzung der Piloten aus den beiden Kampfflugzeugen als weiteres Aufklärungsmittel zur Verfügung stand.
70Soweit die Kläger anführen, die Taliban hätten nach dem Steckenbleiben der beiden entführten Tanklastzüge auf der Sandbank eine Vielzahl von Zivilpersonen gerufen, die zum Anzapfen der Tanklaster und zur Mitnahme von Benzin eingeladen worden seien, was dann auch zu den Abholaktionen geführt habe, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, durch welche weitere Aufklärungsmaßnahme der PRT-Kommandeur dies in der konkreten Planungs- und Entscheidungssituation hätte erkennen können. Soweit die Kläger weiter anführen, der PRT-Kommandeur habe dem mehrmaligen Vorschlag der Kampfjetpiloten folgen müssen, eine „Show of Force“ über dem Zielgebiet zu fliegen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass ein solcher Tiefflug zu Abschreckungszwecken bessere Erkenntnisse über die Einordnung des Angriffsziels als militärisches oder ziviles Ziel erbracht hätte. Vielmehr hat die Beklagte im Einzelnen vorgetragen, dass ein solcher tiefer Überflug, im Regelfall 300 Meter über dem Grund, zum Schutz gegen Handfeuerwaffen und durch Infrarot-gesteuerte Luftabwehrlenkflugkörper in einem derartigen Szenario mit einer Geschwindigkeit von über 930 km/h durchgeführt werde und dass die dabei entstehende Winkelgeschwindigkeit eine genaue Wahrnehmung von Einzelpersonen durch das menschliche Auge nicht zulasse. Das haben die Kläger nicht bestritten. Soweit die Kläger mit der Berufung rügen, auch die fünfmaligen Vorschläge der US-Kampjetpiloten zu einer „Show of Force“ hätten in das Urteil aufgenommen werden müssen, reicht die Bezugnahme auf die Schriftsätze im Urteilstatbestand nach § 313 Abs. 2 ZPO aus, zumal der mehrmalige Vorschlag einer „Show of Force“ im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt und gewürdigt worden ist. Soweit im Klägerschriftsatz vom 10.03.2015 statt von einem „Vorschlag“ nunmehr von „Aufforderungen der US-Kampjetpiloten (…) eine show of force als Warnflug durchzuführen“ die Rede ist, zeigen die Kläger nicht auf, weshalb die diesbezügliche Feststellung eines „Vorschlags“ im angefochtenen Urteil unzutreffend ist. Soweit die Kläger anführen, der PRT-Kommandeur habe vor dem Angriffsbefehl eine höhere Instanz einschalten müssen, ist nicht ersichtlich, dass eine solche Verlagerung der Entscheidungsverantwortung zu einer Erweiterung der Aufklärungsmöglichkeiten geführt hätte. Das behaupten auch die Kläger nicht. Dass dem PRT-Kommandeur in der konkreten Planungs- und Entscheidungssituation über die vorgenannten Maßnahmen hinaus weitere Aufklärungsmöglichkeiten zur Verfügung standen, ist weder konkret vorgetragen noch sonst innerhalb dieses Rechtsstreits ersichtlich.
71(cc) Der PRT-Kommandeur ist nach Durchführung der vorgenannten Aufklärungsmaßnahmen im Ergebnis ohne Verschulden davon ausgegangen, dass das Angriffsziel damit als militärisches Ziel hinreichend aufgeklärt worden sei.
72Ein Verschulden setzt voraus, dass die Anwesenheit von Zivilpersonen im Zielbereich des späteren Angriffs aus der objektiven Sicht in der Position des handelnden militärischen Befehlshabers vorhersehbar war. Das war bis zur Ausführung des Luftangriffs vom 04.09.2009 jedoch nicht der Fall. Das Landgericht hat im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt, dass aus der Position des PRT-Kommandeurs objektiv nicht erkennbar war, dass sich neben Talibankämpfern auch Zivilpersonen an der Bombenabwurfstelle befanden. Danach boten die Luftaufnahmen auch unter Berücksichtigung von Spezialkenntnissen über die Strukturen und Handlungsweisen der aufständischen Taliban der Region keinen hinreichenden Anlass, die vorliegenden Informationen, dass nur Aufständische vor Ort seien, als falsch zu erkennen und von der Anwesenheit von Zivilisten vor Ort auszugehen.
73(aaa) Diese Annahme hat das Landgericht zunächst auf eine Auswertung der in Augenschein genommenen Luftaufnahmen gestützt, aus denen für den PRT-Kommandeur gerade nicht erkennbar war, ob die als Wärmepunkte abgebildeten Personen alt oder jung, groß oder klein waren und möglicherweise eine Waffe trugen oder auch nicht. Das stellt die Berufung auch nicht in Frage, die im Übrigen den Klagevortrag, auf den Aufnahmen seien Kinder zu erkennen gewesen, fallen gelassen hat. Soweit die Luftaufnahmen nach der Einschätzung des Landgerichts erkennen lassen, dass sich Personen und auch Fahrzeuge zu den Tanklastwagen hin und von diesen weg bewegen, ohne dass sie eine nachvollziehbare, auf militärische Schulung hindeutende Verteidigungsstellung einnehmen, hat das Landgericht überzeugend begründet, dass der PRT-Kommandeur daraus nicht den Schluss ziehen musste, dass die Information über die Abwesenheit von Zivilisten unzutreffend sei. Soweit die Kläger mit der Berufung rügen, das angefochtene Urteil habe sich mit den am Kunduz-Fluss von Zivilpersonen abgestellten Fahrzeugen nicht beschäftigt, übersehen sie die Ausführungen zu den Fahrzeugen auf den Seiten 5 unten und 18 unten der Urteilsausfertigung. Soweit die Kläger im Schriftsatz vom 07.04.2015 vortragen, es seien für einen Militäreinsatz atypische Fahrzeuge einschließlich Traktoren verwendet worden, war die Verwendung von Traktoren zum Freiziehen der auf der Sandbank feststeckenden entführten Tanklastzüge und damit auch zu militärischen Zwecken geeignet, zumal aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht des PRT-Kommandeurs nicht ersichtlich war, dass die aufständischen Taliban in der Situation nicht auch über Traktoren verfügen konnten. Soweit die Kläger mit der Berufung anführen, aufgrund der Einschätzungen der beiderseitigen Privatgutachter zu den Bewegungsablaufen auf den Luftaufnahmen seien die Indizien für das Vorhandensein von Zivilbevölkerung auf der Sandbank und für das Fehlen einer militärischen Aktion gegen das deutsche Feldlager substantiell, setzen sie bloß ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Landgerichts. Hinzu kommt, dass weder vorgetragen noch ersichtlich ist, weshalb der PRT-Kommandeur damit hätte rechnen müssen, dass sich im Bereich der von den aufständischen Taliban entführten Tanklastzüge zur Nachtzeit und außerhalb der nicht unmittelbar angrenzenden Ortschaften neben den Aufständischen auch unbeteiligte Zivilisten aufhielten.
74(bbb) Das Landgericht hat seine Feststellungen zudem auf die Ausführungen des von ihm gehörten landeskundlichen Sachverständigen R. gestützt, dessen fachliche Qualifikation von keiner Partei angezweifelt worden ist. Soweit die Kläger mit der Berufung rügen, der landeskundliche Sachverständige sei übereilt bestellt worden, beruht die Auswahl durch das Gericht ohne vorherige Rückfrage bei den Parteien auf § 404 ZPO. Außerdem haben die Kläger sich im Verhandlungstermin am 30.10.2013 rügelos auf die Vernehmung des Sachverständigen eingelassen. Schließlich haben die Kläger die Qualifikation des bestellten Sachverständigen in der Berufungsbegründung ausdrücklich nicht in Frage gestellt. Soweit die Kläger mit der Berufung rügen, der wesentliche Inhalt des mündlichen Sachverständigengutachtens habe in den unstreitigen Tatbestand aufgenommen werden müssen, genügte die Bezugnahme auf das Beweisaufnahmeprotokoll im Urteilstatbestand (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 313, Rn. 18), zumal das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend dargestellt worden ist.
75Nach den Feststellungen des Sachverständigen sprach zwar der Umstand, dass der Luftangriff zur Nachtzeit während des Ramadan stattfand, nicht gegen die Möglichkeit, dass es sich bei den auf der Sandbank befindlichen Personen um Zivilisten handelte. Jedoch waren – so das Landgericht nachvollziehbar – die erkennbaren Bewegungsmuster eines Kommens und Gehens, die auf ein unkoordiniertes Verhalten der Personen am Boden schließen lassen, auch damit vereinbar, dass es sich bei den erkennbaren Personen ausnahmslos um Taliban und bei den erkennbaren Fahrzeugen ausnahmslos um deren Fahrzeuge handelte. Das Landgericht durfte diese Annahme auf die von keiner Seite in Frage gestellten Ausführungen des Sachverständigen stützen, dass die Taliban regelmäßig keine konventionelle militärische Ausbildung erhalten, weshalb auch unter der Prämisse, dass es sich bei den am Boden befindlichen Personen um Taliban handelte, kein koordiniertes Verhalten – wie es etwa Streitkräften zugeordnet werden könnte – zwingend zu erwarten gewesen wäre. Soweit die Kläger mit der Berufung weiter anführen, aufgrund der Bewegungsabläufe der anwesenden Personen auf der Sandbank sei eine militärische Aktion nicht erkennbar gewesen, die Bewegungsabläufe sprächen eindeutig gegen eine militärische Aktion gegen das deutsche Feldlager, setzen sie bloß ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Landgerichts. Daher ist weder die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens noch eine erneute richterliche Inaugenscheinnahme der Luftaufnahmen veranlasst. Soweit die Kläger mit Schriftsatz vom 07.04.2015 ausführen, jeder, der die Sachlage in Afghanistan kenne, gehe davon aus, dass das Gewusel eine Versammlung von Zivilisten aus verschiedenen Dörfern gewesen sei, die sich dort Benzin holten, fehlt jegliche jede Auseinandersetzung mit dem Sachverständigengutachten und mit dem angefochtenen Urteil.
76Auch die große Anzahl der um die Tanklastwagen versammelten Personen hätte nach Überzeugung des Landgerichts den PRT-Kommandeur nicht veranlassen müssen anzunehmen, dass die vorliegenden durch den Informanten gewonnenen Erkenntnisse falsch seien und sich tatsächlich Zivilpersonen vor Ort befinden. Die Anzahl von etwa 50 bis 70 Personen auf der Sandbank, von der der PRT-Kommandeur ausweislich den Funkkontakts mit den Piloten ausgegangen war, und die das Landgericht zu Recht auch nicht durch die Luftaufnahmen als widerlegt angesehen hat, ist nach den Ausführungen des Sachverständigen damit in Einklang zu bringen, dass drei Talibanführer aus umliegenden Ortschaften im Einsatz waren, und zwar mit jeweils etwa 20 Talibankämpfern, wie der Sachverständige es als möglich dargestellt hat. Soweit die Kläger diese Ausführungen des Sachverständigen als spekulativ rügen, übersehen sie, dass der Sachverständige nur von einer Möglichkeit gesprochen hat, deren Bestehen das Landgericht aufgrund der dargelegten Fach- und Regionalkenntnisse des Sachverständigen zugrunde legen durfte. Dass davon im Prozess bis dahin keine Rede gewesen sei, wie die Kläger anführen, ist unschädlich, weil der Sachverständige gerade aufgrund seiner landeskundlichen Kenntnisse gehört worden ist. Jedenfalls ist nichts dafür ersichtlich, dass die entsprechende Einschätzung des PRT-Kommandeurs insoweit schuldhaft unzutreffend gewesen wäre.
77(ccc) Daneben hat das Landgericht berücksichtigt, dass dem PRT-Kommandeur ein nachrichtendienstlicher Hinweis über einen bevorstehenden Anschlag der aufständischen Taliban auf das PRT-Feldlager Kunduz vorlag, der mit einer großen Ansammlung von Aufständischen im Bereich der Tanklastzüge zu vereinbaren war. Nach diesem Hinweis vom 15.07.2009 sollte ein mit Sprengstoff versehenes Fahrzeug an der Wache des Feldlagers zur Explosion gebracht werden. Sodann sollte ein weiteres Fahrzeug in das Feldlager hineinfahren und dort zur Explosion gebracht werden. Weitere Selbstmordattentäter sollten zu Fuß in das Feldlager gelangen. Soweit die Kläger mit Schriftsatz vom 07.04.2015 entgegenhalten, die Entscheidung des befehlsgebenden Kommandeurs sei nach den gegebenen Umständen keineswegs dringend gewesen, nach den Videobildern sei ein Angriff auf das deutsche Feldlager durch die um die Tanklastwagen herumlaufenden Personen mangels militärischer Organisation nicht absehbar gewesen, bestand jedenfalls Anlass für die Befürchtung, dass die in der Hand der Taliban befindlichen Tanklaster ohne vorheriges Wiederauffinden zu einem späteren Zeitpunkt für Anschläge genutzt werden könnten. Soweit die Kläger mit der Berufung rügen, der nachrichtendienstliche Hinweis vom 15.07.2009 auf einen fahrzeuggestützten Anschlag gegen das PRT Kunduz sei nicht unstreitig gewesen, hatte die Beklagte genau diesen mit Schriftsatz vom 28.03.2012 vorgetragen, ohne dass die Kläger ihn bestritten haben. Das erstmalige Bestreiten in der Berufungsbegründung unterliegt dem Ausschluss neuen Vorbringens im Berufungsverfahren nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO. Soweit die Kläger mit der Berufung anführen, dass diese Warnung nicht ernst zu nehmen gewesen sei, wie dann auch die Geschichte des deutschen Feldlagers bei Kunduz gezeigt habe, übersehen sie den Beurteilungsmaßstab für das Verschulden des PRT-Kommandeurs, nach dem es auf die im Zeitpunkt des Handelns zur Verfügung stehenden Informationen ankommt und nicht auf den nachträglich erkennbaren tatsächlichen Verlauf. Indes hatte sich allgemein die Sicherheitslage im Zeitraum vor dem 04.09.2009 verschlechtert. Soweit die Kläger mit der Berufung rügen, die Sicherheitslage in der betroffenen Region um Kunduz vor dem Luftangriff sei im angefochtenen Urteil nicht ausreichend differenziert dargestellt, zeigen die Kläger nicht auf, dass der Urteilstatbestand in irgend einem Aspekt unrichtig ist. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes reichte im Übrigen nach § 313 Abs. 2 ZPO die Bezugnahme im Urteilstatbestand auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen aus.
78(ddd) Das Landgericht hat weiter darlegt, dass sich aus dem Funkkontakt mit den Piloten der beiden Kampfflugzeuge keine Anhaltspunkte für die Anwesenheit von Zivilpersonen im Zielbereich des späteren Angriffs ergaben. Deren mehrfach geäußerten Vorschlag, eine „Show of Force“ durchzuführen, hat das Landgericht unter genauer Auswertung des Protokolls über den Funkkontakt nicht als Hinweis auf die Anwesenheit von Zivilisten eingeordnet. Danach haben die Piloten vielmehr die Mitteilung aus der Kommandostelle des PRT-Kommandeurs, dass es sich bei den Anwesenden vor Ort um Aufständische handele, nicht in Zweifel gezogen, obwohl sie über dieselben Luftaufnahmen verfügten wie der PRT-Kommandeur.
79(eee) Das Landgericht hat schließlich einen Sorgfaltsverstoß des PRT-Kommandeurs im Zusammenhang mit den Angaben des örtlichen Informanten des Militärs zutreffend verneint. Es hat seine Auffassung, dass dessen Angaben für den PRT-Kommandeur nach Überprüfung ihrer Plausibilität entscheidungsleitend sein durften, obwohl ihm dessen Person nicht persönlich bekannt war und er nur über einen Verbindungsoffizier Kontakt zu diesem hatte, überzeugend damit begründet, dass eine militärische Operationsführung oberhalb einer lokal eng begrenzten Ebene praktisch unmöglich wäre, wenn militärische Befehlshaber bei der Planung von Angriffen nur solche Informationen berücksichtigen könnten, die von Personen stammen, denen sie persönlich vertrauen. Der zuständige Nachrichtenoffizier hatte die menschliche Quelle zudem als für gewöhnlich glaubwürdig eingestuft. Soweit die Kläger mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 07.04.2015 nach Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung am 12.03.2015 erstmals behaupten, dass bei der Führung der Operation darüber diskutiert worden sei, dass man einem solchen über einen Sprachmittler kommunizierenden Informanten nur bis zu einem bestimmten Grad Vertrauen schenken könne, wird dieses Vorbringen nach §§ 296a, 525 ZPO als verspätet zurückgewiesen. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO scheidet aus, weil das Vorbringen dann dem Ausschluss neuen Vorbringens im Berufungsverfahren nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO unterfallen würde.
80Für die Glaubwürdigkeit des Informanten und für seinen zuverlässigen Einblick in die Entwicklung des tatsächlichen Geschehens sprachen auch seine abgestuften Informationen über die Lage vor Ort: zunächst die bloße Information über die Entwendung der beiden Tanklaster, erst später die Mitteilung vom Steckenbleiben im Kunduz-Fluss und vom Beginn des Entleerens der Kraftstofftanks sowie des Hinzustoßens weiterer Aufständischer einschließlich Talibanführern, sodann die Information über den Versuch, die Tanklaster zu befreien mittels der vor Ort befindlichen weiteren Fahrzeuge. Diese Informationen wurden durch die in die Operationszentrale übermittelten Luftaufnahmen, soweit darauf erkennbar, bestätigt, was auch die beiden von den Parteien bei der richterlichen Inaugenscheinnahme der Luftaufnahmen hinzugezogenen militärischen Privatsachverständigen nicht in Abrede gestellt haben. Soweit die Kläger im Schriftsatz vom 07.04.2015 anführen, die Berichte des Informanten passten nicht zu den Bildern der Geschehnisse und zu dem Funkverkehr der Piloten mit dem Oberst, kann dies nicht nachvollzogen werden, zumal dies ihrem bisherigen Parteivortrag widerspricht. Soweit die Kläger weiter behaupten, die Berichte des Informanten passten am Ende auch nicht zu den Zahlen der zivilen Opfer, ist das für die Verschuldensprüfung aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht unerheblich. Soweit die Kläger erstmals mit der Berufung anzweifeln, ob der Informant überhaupt von seinem Standort aus eigene Beobachtungen machen konnte, ob er das in der dunklen Nacht dafür notwendige Gerät hatte oder ob er nur Zeuge vom Hörensagen sein konnte, ist darauf zu verweisen, dass es einen Informanten gab, dessen Existenz und dessen Angaben erstinstanzlich nicht bestritten worden sind, und dessen Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen in der maßgeblichen Entscheidungssituation nicht veranlasst war.
81Soweit die Kläger im Schriftsatz vom 10.03.2015 – sinngemäß wiederholt im Schriftsatz vom 07.04.2015 – meinen, die siebenfache Rückfrage bei dem Informanten nach der Abwesenheit von Zivilisten sei ein Zeichen vollständiger militärischer Unsicherheit und von Zweifeln des PRT-Kommandeurs, hat die Beklagte in der Berufungsverhandlung nachvollziehbar darauf verwiesen, die sieben Rückfragen seien ein Zeichen militärischer Sorgfalt und hätten der Überprüfung der sich ständig ändernden Sicherheitslage gedient. Der für die angebliche vollständige militärische Unsicherheit im Schriftsatz vom 10.03.2015 angebotene Beweis auf Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens ist schon mangels ausreichender tatsächlicher Anknüpfungspunkte nicht zu erheben.
82Soweit die Kläger mit der Berufung rügen, das Landgericht habe in seiner Verhandlungsführung niemals erkennen lassen, dass es auf den Informanten, der die Abwesenheit von Zivilisten vor Ort bestätigt hatte, entscheidend ankomme, hat das Landgericht seine Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO nicht verletzt. Nach § 138 Abs. 2 ZPO ist es Sache der Parteien, sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Mangels Bestreitens war das Beklagtenvorbringen über die Angaben des Informanten nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen. Dass die Angaben des Informanten für die Bewertung des Verhaltens des PRT-Kommandeurs von Bedeutung sein konnten, war angesichts des Prozessgegenstands offenkundig.
83Soweit die Kläger mit der Berufung weiter rügen, die Aussage des Informanten, dass ausschließlich Taliban-Kämpfer auf der Sandbank seien, hätte in jedem Fall verifiziert werden müssen, verkennen sie den Umfang der Sachaufklärungspflicht des Zivilgerichts, die aufgrund des Beibringungsgrundsatzes dort endet, wo der Vortrag einer Partei von der anderen Partei nicht bestritten wird. Für die Frage einer aus ex-ante-Sicht vorwerfbaren Amtspflichtverletzung des PRT-Kommandeurs ist zudem unerheblich, dass sich nachträglich herausgestellt hat, dass die Angaben des Informanten unzutreffend waren. Soweit die Kläger rügen, das Landgericht habe einfach unterstellt, dass der Informant sich „in der Nähe“ aufgehalten habe, hat die Beklagte dies mit Schriftsatz vom 28.03.2012 sinngemäß vorgetragen. In dem Schriftsatz hat die Beklagte diesen als „afghanischen Informanten vor Ort“ bezeichnet, der gemeldet habe, dass die Tanklastzüge entwendet worden seien und sich festgefahren hätten, dass mit dem Leeren der Kraftstofftanks begonnen worden sei, dass weitere Aufständische hinzustießen, dass auch zwei hochrangige Talibanführer anwesend seien und der später mehrfach gemeldet habe, dass sich ausschließlich Aufständische und keine Zivilisten vor Ort befänden und dass mittels der vor Ort befindlichen weiteren Fahrzeuge versucht werde, die Tanklaster zu befreien. Soweit die Kläger mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 07.04.2015 nach Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung am 12.03.2015 erstmals behaupten, der Informant sei nach Aussagen „anderer Teilnehmer an der Kommunikation nicht direkt vor Ort“ gewesen, wird dieses Vorbringen nach §§ 296a, 525 ZPO als verspätet zurückgewiesen. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO scheidet aus, weil das Vorbringen dann dem Ausschluss neuen Vorbringens im Berufungsverfahren nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO unterfallen würde, im übrigen die Kläger nicht mitteilen, um welche anderen Teilnehmer welcher Kommunikation es sich gehandelt haben soll. Soweit die Kläger mit der Berufung anführen, über die Gespräche des PRT-Kommandeurs mit dem Informanten müssten auch Protokolle vorliegen, die jedoch von der Beklagten nicht eingebracht worden seien, bestand kein Anlass für das Landgericht, derartige Protokolle anzufordern, weil die Kläger die Existenz des Informanten und die Kommunikation mit diesem nicht bestritten haben, zumal von der Existenz solcher Protokolle niemals die Rede war.
84(dd) Soweit die Kläger mit der Berufung rügen, das angefochtene Urteil ignoriere die vorgetragenen Weisungen und Äußerungen des damaligen ISAF-Kommandeurs betreffend den Schutz der Zivilbevölkerung, sind diese für die rechtliche Bewertung unerheblich. Dessen nachträgliche Bewertung des Luftangriffs ist für die gerichtliche Überprüfung ebenso unerheblich wie die von den Klägern angeführte Bewertung durch die internationale Öffentlichkeit oder den damaligen Bundesminister der Verteidigung. Auch die von dem ISAF-Kommandeur vor dem Luftangriff vom 04.09.2009 erlassenen Einsatzregeln (Rules of Engagement, kurz RoE) sind für die Beurteilung von Schadenersatzansprüchen der Kläger unerheblich, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat. Aus den RoE und anderen Einsatzregeln von ISAF, NATO oder Bundeswehr lassen sich bereits keine drittschützenden Amtspflichten ableiten. Die Wirkung dieser Einsatzregeln ist auf den internen Bereich des Militärs beschränkt. Deutlich wird die mangelnde Außenwirkung schon dadurch, dass sie grundsätzlich Verschlusssachen sind. Einsatzregeln sind Verwaltungsvorschriften ähnlich (vgl. dazu Staudinger/Wöstmann, BGB, 2013, § 839, Rn. 176). Sie regeln vor allem die Zweckmäßigkeit militärischer Handlungen, bestimmen die Entscheidungskompetenzen unterschiedlicher militärischer Hierarchieebenen und konkretisieren so das multinationale operative Regelwerk (vgl. Frau, JZ 2014, 417, 419; a.A. Fischer-Lescano/Kommer, ZERP-Arbeitspapier 4/2011, S. 20 ff.; offen lassend Selbmann, DÖV 2014, 272, 282).
85(ee) Soweit die Kläger mit Schriftsatz vom 07.04.2015 einen Feldjägerbericht vom 09.09.2009 vorlegen und dessen Bewertungen zu dem Luftangriff vom 04.09.2009 wiedergeben, zeigen sie keinen tatsächlichen Umstand auf, der den bisher zu berücksichtigenden Feststellungen entgegen steht. Daher ist dem im selben Schriftsatz angebotenen „Beweis: Feldjägerbericht vom 09.09.2009, dort durch Vernehmung des Bearbeiters Oberstleutnant (…)“ nicht nachzugehen, zumal unklar ist, ob es sich um Urkunds- oder Zeugenbeweis handeln soll. Abgesehen davon ist das Klägervorbringen zu dem Feldjägerbericht vom 09.09.2009 im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 07.04.2015 nach Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung am 12.03.2015 ohnehin wegen Verspätung nach §§ 296a, 525 ZPO ausgeschlossen. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO scheidet aus, weil die Kläger den Feldjägerbericht und den diesbezüglichen Sachvortrag jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung hätten einbringen können. Die Kläger haben eingeräumt, der Feldjägerbericht sei ihnen „erst nach Erlass des angefochtenen Urteils zugespielt worden“; das angefochtene Urteil ist jedoch bereits am 11.12.2013 verkündet worden. Außerdem hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger in der Berufungsverhandlung vom 12.03.2015 auf ein vor ihm liegendes Schriftstück gezeigt und pauschal erklärt, ihm liege „der Feldjägerbericht“ vor.
86(c) Ein schuldhafter Verstoß gegen das Schonungsgebot (vgl. Art. 57 Abs. 1, Abs. 2 a) ii) ZP I), das Verhältnismäßigkeitsgebot (vgl. Art. 57 Abs. 1, Abs. 2 a) iii) ZP I), das Warnungsgebot (vgl. Art. 57 Abs. 2 c) ZP I) und das Verbot unterschiedsloser Angriffe (vgl. Art. 51 Abs. 4, Abs. 5 ZP I) scheidet bereits deshalb aus, weil nach der fehlerfreien Beweiswürdigung des Landgerichts bei dem Luftangriff vom 04.09.2009 aus der Sicht eines objektiv pflichtgemäß handelnden Befehlshabers in der Position des PRT-Kommandeurs mit der Anwesenheit von Zivilpersonen im Zielbereich des Angriffs nicht zu rechnen war, wie das Landgericht auch für die vorgenannten Regeln des humanitären Völkerrechts zutreffend ausgeführt hat.
87ee) Da hiernach eine Haftung der Beklagten wegen des Luftangriffs vom 04.09.2009 bereits dem Grunde nach ausscheidet, kann offen bleiben, ob die Kläger durch den Luftangriff immaterielle oder materielle Schäden erlitten haben.
88d) Ansprüche auf Prozesszinsen bestehen mangels Hauptforderung nicht.
89III.
90Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1, 543 Abs. 2, 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
91Berufungsstreitwert: 90.000,00 Euro.
92ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 30. Apr. 2015 - 7 U 4/14
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Urteil einreichenOberlandesgericht Köln Urteil, 30. Apr. 2015 - 7 U 4/14 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus dem von einem deutschen Bundeswehr-Angehörigen befohlenen Luftangriff am 04.09.2009 auf zwei Tanklastzüge in der Nähe von Kunduz im Rahmen des NATO-geführten ISAF-Einsatzes in Afghanistan.
3Nach Abzug der sowjetischen Truppen im Jahr 1989 hatten sich seit Mitte der 1990er Jahre die Taliban als stärkste Gruppierung in Afghanistan etabliert. Nach den Geschehnissen des 11.09.2001 ist das Taliban-Regime durch die militärische Intervention US-amerikanischer Truppen im Dezember 2001 gestürzt worden. Mithilfe der Petersberger Konferenz vom 27.11.2001 bis 05.12.2001, an der unterschiedliche afghanische Gruppen teilnahmen, kam es zur Wiederherstellung staatlicher Strukturen in Afghanistan und schließlich zur Einsetzung einer neuen Regierung und zur Durchführung demokratischer Wahlen. Diese wird jedoch von aufständischen Taliban bekämpft, die sich Taktiken der Guerillakriegsführung bedienen.
4Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen richtete mit der Resolution 1386 vom 20.12.2001 eine internationale Sicherheitsunterstützungstruppe (International Security Assistance Force = ISAF) für Afghanistan ein, deren Aufgabe die Unterstützung der gewählten Regierung Afghanistans zur Herstellung und Aufrechterhaltung eines sicheren Umfeldes in Afghanistan ist. Das Mandat, das auf Grundlage von Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen auch den Einsatz militärischer Gewalt umfasst, ist seitdem regelmäßig verlängert worden, zuletzt durch die Resolution 2069 vom 09.12.2012. Die durch die NATO-Mitgliedstaaten gestellten ISAF-Truppen dürfen mit Blick auf ihren Auftrag alle notwendigen Maßnahmen ergreifen. Sie haben ihren Handlungsspielraum deshalb einvernehmlich in Vorgaben für die gemeinsame Operationsführung umgesetzt, die im Operationsplan der NATO enthalten sind. Dieser formuliert unter anderem die Befugnisse für den Einsatz militärischer Gewalt in den „Rules of Engagement“.
5Der Deutsche Bundestag beschloss am 22.12.2001 die Beteiligung deutscher Soldaten an den von der NATO gestellten ISAF-Truppen. Das Einsatzgebiet des deutschen ISAF-Kontingents wurde mit Beschluss des Deutschen Bundestages vom 28.09.2005 auf die Regionen Kabul und Nord festgelegt. Das Mandat des Bundestages wurde mehrmals verlängert, zuletzt mit Beschluss vom 31.01.2013.
6Der damalige Oberst K übernahm im April 2009 das Kommando des Provincial Reconstruction Team (im Folgenden PRT) Kunduz. Operativ unterstand die Dienststelle in Kunduz dem Kommandeur des Regional Command North, der wiederum dem ISAF-Kommandeur unterstand. Truppendienstlich hingegen unterstand der PRT-Kommandeur K dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Geltow bei Potsdam.
7Die Sicherheitslage in der Provinz Kunduz hatte sich in den Monaten vor dem 04.09.2009 erheblich verschlechtert. Die sicherheitsrelevanten Vorfälle im Zuständigkeitsbereich des PRT Kunduz nahmen im Laufe des Jahres 2009 stetig zu. Am 29.04.2009 kam erstmalig in Afghanistan ein deutscher Soldat bei einem Gefecht ums Leben. Ab Mai 2009 mussten die Soldaten des PRT Kunduz bei Verlassen des Feldlagers stets mit Angriffen rechnen.
8Den Aufständischen gelang es in den Monaten vor dem 04.09.2009 mehrfach, Kleintransporter der Afghanischen Nationalpolizei und andere Fahrzeuge zu entführen, um sie als Autobomben einzusetzen. Die gestohlenen Fahrzeuge wurden häufig in Dörfer nordwestlich von Kunduz verbracht, um sie dort für Autobomben-Anschläge umzubauen. Die Taliban versuchten, die Hauptverbindungsstraßen in der Provinz Kunduz zu kontrollieren. Am 25.08.2009 wurde in Kabul ein Tanklastwagen in die Luft gesprengt, wobei 40 Personen getötet wurden. Auch in Kandahar kam es zu einem ähnlichen Attentat. Am 03.09.2009 geriet eine nördlich von Kunduz eingesetzte deutsche Kompanie in einen Hinterhalt, bei dem drei deutsche Soldaten verwundet wurden.
9Dem PRT Kunduz lag ein ernstzunehmender nachrichtendienstlicher Warnhinweis vom 15.07.2009 vor, dem zufolge eine bekannte Talibangruppe im Zusammenhang mit der Präsidentenwahl einen fahrzeuggestützten Anschlag gegen das PRT Kunduz plane. Ein mit Sprengstoff versehenes Fahrzeug sollte an der Wache des Feldlagers zur Explosion gebracht werden. Sodann sollte ein weiteres Fahrzeug in das Feldlager hineinfahren und dort zur Explosion gebracht werden. Weitere Selbstmordattentäter sollten zu Fuß in das Feldlager gelangen.
10Am Nachmittag des 03.09.2009, während des Ramadan, bemächtigte sich eine Gruppe von Taliban-Kämpfern gegen 15:30 Uhr Ortszeit zweier Tanklaster der Firma N in der Nähe einer Tankstelle etwa 15 km südlich der Stadt Kunduz und etwa 8 km süd-südwestlich des Feldlagers des PRT Kunduz. Einer der beiden Tanklastwagenfahrer wurde sofort erschossen, der andere wurde gezwungen, den Wagen weiter zu steuern. Bei dem Versuch, die Tanklastwagen auf die andere Seite des Kunduz-Flusses zu verbringen, blieben diese gegen 18:15 Uhr Ortszeit auf einer Sandbank etwa 7 km vom Feldlager der ISAF Truppen entfernt in der Mitte des Flusses manövrierunfähig im Schlamm stecken.
11Gegen 20:00 Uhr Ortszeit erfuhr die Task Force 47, Spezialkräfte mit eigener Operationszentrale im Feldlager Kunduz, von der Entführung der Tanklaster. Die Information erreichte gegen 20:30 Uhr den PRT-Kommandeur Oberst K. Zusammen mit dem Fliegerleitoffizier (Joint Terminal Attack Controller = JTAC) des PRT Kunduz, Hauptfeldwebel X, befand er sich in der Taktischen Operationszentrale der Task Force 47. Sie hatten bereits wegen eines anderen Einsatzes Luftunterstützung durch ein Aufklärungsflugzeug angefordert. Mit dessen Hilfe konnten die entführten Tanklastwagen gegen Mitternacht aufgespürt werden. Das Flugzeug verließ gegen 0:48 Uhr den Luftraum über der Sandbank, weil ihm der Treibstoff ausging.
12Gegen 1:00 Uhr Ortszeit forderte PRT-Kommandeur Oberst K Luftunterstützung durch Kampfflugzeuge beim Hauptquartier der ISAF in Kabul an. Kurze Zeit später erreichten zwei US-amerikanische Jagdflugzeuge vom Typ F 15 den Luftraum über der Sandbank und meldeten sich bei Hauptfeldwebel X an. Ab 1:17 Uhr wurden die Luftbilder in Echtzeit in die Fliegerleitzentrale übertragen. Die Flugzeuge hielten sich jedoch im Hintergrund. In den folgenden zwanzig Minuten hielten die Piloten Funkkontakt mit dem Fliegerleitoffizier X. Wegen der Einzelheiten der Kommunikation zwischen den Piloten, zwischen den Piloten und ihren Co-Piloten sowie der Kommunikation zwischen den Piloten und der Fliegerleitzentrale wird auf die Anlage B 7 Bezug genommen.
13Der PRT-Kommandeur K sah in den Tanklastwagen eine Gefahr. Er befürchtete, die Tanklastwagen hätten zum einen mit Hilfe der auf der Sandbank befindlichen Schleppfahrzeuge befreit und noch in der Nacht für einen Angriff gegen das Feldlager verwendet werden können. Zum anderen wäre zu befürchten gewesen, dass die in der Hand der Taliban befindlichen Tanklaster ohne vorheriges Wiederauffinden zu einem späteren Zeitpunkt für Anschläge genutzt werden könnten.
14Der PRT-Kommandeur ging davon aus, dass, wie bei Fahrzeugentführungen durch Taliban in der Vergangenheit, die Fahrer frühzeitig von den Fahrzeugen getrennt worden waren und sich nicht mehr vor Ort befänden. Um zu überprüfen, ob sich Zivilisten vor Ort aufhielten, ließ der PRT-Kommandeur bis zum späteren Bombenabwurf sieben Mal einen Informanten des Militärs anrufen, der sich in der Nähe befand, um nach Veränderungen der Lage vor Ort fragen. Der Informant meldete dabei stets, dass sich auf der Sandbank keine Zivilisten befänden. Hieraus folgerte der PRT-Kommandeur auch, dass sich auch die Fahrer nicht mehr in der Nähe befinden.
15Gegen 1:40 Uhr gab der PRT-Kommandeur Oberst K den Befehl zum Waffeneinsatz, woraufhin zwei 500-Pfund-Bomben auf die Tanklastwagen abgeworfen wurden. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich sowohl eine Vielzahl von Menschen als auch verschiedene Fahrzeuge rund um die Tanklastwagen. Der Kommandeur des PRT Kunduz hatte sich gegen eine 2.000-Pfund-Bombe und für den Einsatz zweier 500-Pfund-Bomben entschieden, um die Wirkung auf die Tanklastwagen zu begrenzen. Zudem wurden Bomben mit Zündzeitverzögerung eingesetzt, um die Splitterwirkung zu reduzieren.
16Durch den Waffeneinsatz wurden die Lastwagen zerstört und eine Vielzahl von Menschen getötet, unter denen auch Zivilisten waren, deren genaue Anzahl zwischen den Parteien streitig ist.
17Der Kläger zu 1) ist ein Bauer aus Omar Khel in der Nähe von Kunduz, Afghanistan. Er behauptet, zwei seiner Söhne bei dem Luftangriff verloren zu haben und macht einen Schmerzensgeldanspruch i.H.v. 40.000,00 € geltend. Die Klägerin zu 2) ist Mutter von sechs Kindern und lebt ebenfalls in Omar Khel, Afghanistan. Sie behauptet, ihr Ehemann und Vater ihrer Kinder sei bei dem Luftangriff ums Leben gekommen. Sie macht einen Unterhaltsschaden i.H.v. 50.000,00 € geltend.
18Die Kläger behaupten, der Taliban-Führer B habe entschieden, nachdem die Tanklaster stecken geblieben waren, das Benzin an die Zivilbevölkerung zu verteilen. Seine Männer hätten daraufhin Verwandte, Bekannte und Gefolgsleute herbei telefoniert.
19Sie behaupten weiter, auf den von den Kampfjets in die Fliegerleitzentrale übertragenen Bildaufnahmen seien nur einzelne bewaffnete Taliban erkennbar gewesen. Insbesondere seien Kinder zu sehen, was auf eine Beteiligung von Familien aus den Dörfern schließen lasse. Erkennbar würden Kanister mit Benzin weggetragen. Es habe ein reges Kommen und Gehen geherrscht, was für einen Taliban-Angriff untypisch sei.
20Die Kläger behaupten zudem, die Furcht des PRT-Kommandeurs vor einem nächtlichen Angriff auf das etwa 7 km entfernte Feldlager sei bereits deshalb unberechtigt gewesen, da die Tanklaster zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs bereits Stunden lang feststeckten.
21Die Kläger sind der Ansicht, der Bombenangriff vom 04.09.2009 verletzte humanitäres Völkerrecht und begründe einen amtshaftungsrechtlichen Schadensersatzanspruch. Denn ein sorgfältig handelnder Kommandeur habe aus den Bildaufnahmen den Schluss ziehen müssen, dass es sich bei dem unübersichtlichen Ensemble von Personen um Zivilisten handele, und sich nicht auf die Aussagen eines ihm unbekannten Informanten verlassen dürfen. Der Kommandeur hätte auf den Vorschlag der Kampfjetpiloten eingehen müssen, einen abschreckenden Tiefflug – eine sogenannte „show of force“ – zu unternehmen und erst nach der höchstwahrscheinlichen Flucht der Zivilbevölkerung die Tanklaster durch Bomben zu zerstören.
22Der Kläger zu 1) beantragt,
23die Beklagte zur Zahlung von 40.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit an ihn zu verurteilen.
24Die Klägerin zu 2) beantragt,
25die Beklagte zur Zahlung von 50.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit an sie zu verurteilen.
26Die beklagte Bundesrepublik Deutschland beantragt,
27die Klagen abzuweisen.
28Die Beklagte ist der Ansicht, dass der PRT-Kommandeur Oberst K bei Befehl des Bombenabwurfs nicht in Ausübung deutscher Hoheitsgewalt gehandelt habe, denn die unter dem ISAF-Mandat in Afghanistan handelnden Streitkräfte seien in die NATO-Strukturen eingegliedert. Die Klage sei deshalb bereits unzulässig, da die deutsche Gerichtsbarkeit nicht eröffnet sei. Jedenfalls aber fehle es an der Passivlegitimation der Beklagten, da die Abkommandierung des handelnden Oberst K zur NATO-geführten ISAF-Truppe in ihrem Wesen einer beamtenrechtlichen Abordnung gleiche, mit der Folge dass allenfalls die NATO hafte, nicht aber die Beklagte.
29Die Kammer hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der von den Kampfjets in die Fliegerleitzentrale übertragenen Bildaufnahmen sowie durch Vernehmung des Sachverständigen S. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2013 (Bl. ### ff. d. A.) Bezug genommen.
30Die Kläger haben mit dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.11.2013 beantragt, den Kommandeur des PRT Kunduz, den damailigen Oberst K, als Zeugen zu vernehmen. Wegen des weiteren Inhalts des nicht nachgelassenen Schriftsatzes wird auf Bl. ### ff. d.A. Bezug genommen.
31Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
32E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
33Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
34I. Die Klage ist zulässig.
35Insbesondere steht der Zulässigkeit nicht entgegen, dass der streitgegenständliche Befehl zur Bombardierung zweier Tanklastwagen durch einen deutschen Bundeswehrangehörigen im Rahmen des von der NATO geführten ISAF-Einsatzes internationaler Truppen in Afghanistan erfolgte. Die gegenteilige Rechtsansicht der Beklagten, die sich insbesondere auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen desselben Lufteinsatzes stützt (Urteil v. 09.02.2012, 26 K 5534/10 Rn. 65 – zitiert nach juris), teilt die Kammer nicht. Die Kläger machen einen Anspruch wegen amtspflichtwidrigen hoheitlichen Handelns gegen die Bundesrepublik Deutschland geltend. Ein solcher Anspruch unterliegt nach dem Grundsatz der Staatensouveränität allein der deutschen Gerichtsbarkeit.
36II. Die Klage ist jedoch unbegründet.
37Die geltend gemachten Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland stehen den Klägern nicht zu.
381. Ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die beklagte Bundesrepublik Deutschland ist bereits dem Grunde nach nicht gegeben.
39a) Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus dem Völkerrecht. Es gibt keine völkerrechtliche Norm, die den Klägern als Individuen für die Folgen des Bombardements der Tanklastwagen in der Nähe von Kunduz, Afghanistan, einen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte einräumt.
40aa) Die traditionelle Konzeption des Völkerrechts als zwischenstaatliches Recht verstand den Einzelnen nicht als Völkerrechtssubjekt, sondern gewährte ihm nur mittelbaren internationalen Schutz. Bei völkerrechtlichen Delikten durch Handlungen gegenüber fremden Staatsbürgern stand ein Anspruch nicht dem Betroffenen selbst, sondern seinem Heimatstaat zu. Die Mediatisierung des Einzelnen durch den Staat im Völkerrecht hat allerdings im Zusammenhang mit der Fortentwicklung und Kodifizierung des internationalen Menschenrechtsschutzes nach dem Zweiten Weltkrieg Korrekturen erfahren. Die Menschenrechte werden als genuine Begünstigungen des Einzelnen begriffen. Diese Entwicklung gebietet es, das Individuum zumindest als partielles Völkerrechtssubjekt anzuerkennen (vgl. BGH, Urteil v. 02.11.2006, III ZR 190/05 Rn. 6 f. m.w.N. [Varvarin]; BVerfG, Beschluss v. 15.2.2006, 2 BvR 1476/03 Rn. 21 [Distomo] – zitiert nach juris).
41bb) Hieraus aber folgt nicht, dass jede vertraglich geschützte menschenrechtsbezogene Regelung Individualrechte zuweist. Manche Konventionen verstehen sich lediglich als Niederlegung staatlicher Schutzpflichten im Menschenrechtsbereich, ohne gleichzeitig Individualrechte zu gewähren. Insbesondere stehen nach wie vor – unabhängig von einem primärrechtlichen Anspruch der betroffenen Personen auf Einhaltung des Völkerrechts – sekundärrechtliche Schadensersatzansprüche wegen völkerrechtswidriger Handlungen eines Staates gegenüber fremden Staatsangehörigen grundsätzlich nur dem Heimatstaat zu (vgl. BVerfG, Beschluss v. 26.10.2004, 2 BvR 255/00, 2 BvR 12 BvR 1038/01 Rn. 114; BVerfG, Beschluss v. 15.02.2006, 2 BvR 1476/03 Rn. 21[Distomo] – zitiert nach juris). Es ist daher im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln, ob und in welchem Umfang eine völkervertragsrechtliche Regelung individuelle Rechte und gegebenenfalls entgegen der dargelegten Grundregel auch einen Anspruch auf Schadensersatz begründen soll (vgl. BGH, Urteil v. 02.11.2006, III ZR 190/05 Rn. 8 [Varvarin]; BGH, Urteil v. 26.06.2003, III ZR 245/98 Rn. 35 ff. [Distomo] – zitiert nach juris).
42cc) Ein völkerrechtlicher Individualanspruch folgt hierbei nicht aus Art. 3 des IV. Haager Abkommens von 1907. Diese Norm vermittelt keinen individuellen Entschädigungsanspruch, sondern positiviert nur den allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz einer Haftungsverpflichtung zwischen den Vertragsparteien. Ein Entschädigungsanspruch besteht hiernach nur in dem Völkerrechtsverhältnis zwischen den betroffenen Staaten und unterscheidet sich von dem Primäranspruch der betroffenen Personen auf Einhaltung der Verbote des humanitären Völkerrechts (vgl. BVerfG, Beschluss v. 13.08.2013, 2 BvR 2660/06, 2 BvR 42 BvR 487/07 Rn. 46 [Varvarin]; BVerfG, Beschluss v. 15.02.2006, 2 BvR 1476/03 Rn. 20 ff. [Distomo] – zitiert nach juris).
43dd) Ebenso folgt kein unmittelbarer Individualanspruch aus Art. 91 des Ersten Zusatzprotokolls vom 08.06.1977 zu den Genfer Abkommen vom 12.08.1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte. Unabhängig von der Frage, ob die in den Zusatzprotokollen zu den Genfer Konventionen zum Schutz der Zivilbevölkerung niedergelegten Bestimmungen subjektive Rechte der betroffenen Personen im Sinne eines Anspruchs auf Einhaltung der Verbote des humanitären Völkerrechts begründen, ergibt sich nach dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und der bisherigen Handhabung der Vorschrift in der völkerrechtlichen Praxis ein individueller sekundärer Schadensersatzanspruch für den Fall der Verletzung dieses Verbots nicht. (vgl. jüngst BVerfG, Beschluss v. 13.08.2013, 2 BvR 2660/06, 2 BvR 42 BvR 487/07 Rn. 47 [Varvarin] – zitiert nach juris).
44ee) Eine Aktivlegitimation der Kläger für einen völkerrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen Verletzung humanitären Völkerrechts lässt sich auch nicht aus Art. 25 S. 2 HS 2 GG herleiten, wonach die allgemeinen Regeln des Völkerrechts für die Bewohner des Bundesgebiets unmittelbar Rechte und Pflichten erzeugen, da sich die Norm jedenfalls nicht auf Ausländer im Ausland (vgl. BVerfG, Beschluss v. 13.08.2013, 2 BvR 2660/06, 2 BvR 42 BvR 487/07 Rn. 44 [Varvarin] – zitiert nach juris) wie die afghanischen Kläger bezieht.
45ff) Es existiert ferner – jedenfalls derzeit – auch keine allgemeine völkergewohnheitsrechtliche Regel, nach der Einzelnen bei Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht ein Anspruch auf Schadensersatz oder auf Entschädigung gegen den verantwortlichen Staat zusteht (vgl. jüngst BVerfG, Beschluss v. 13.8.2013, 2 BvR 2660/06, 2 BvR 42 BvR 487/07 Rn. 43 m.w.N. [Varvarin] – zitiert nach juris; von Woedtke Die Verantwortlichkeit Deutschlands für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz und die sich daraus ergebenden Schadensersatzansprüche von Einzelpersonen als Opfer deutscher Militärhandlungen [2010] S. 290 ff.).
46b) Ein Individualanspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz besteht ferner auch nicht auf der Grundlage des deutschen Rechts. Den Klägern steht insbesondere kein Anspruch auf Schadensersatz aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG zu. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist eine schuldhafte Amtspflichtverletzung eines deutschen Amtsträgers nicht festzustellen.
47aa) Die Anwendbarkeit deutschen Amtshaftungsrechts auf ein völkerrechtsrelevantes Delikt ist nicht bereits deshalb in Zweifel zu ziehen, weil Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB bestimmt, dass sich im Falle unerlaubter Handlungen Ansprüche nach dem Recht des Staates richten, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. Dies gilt nicht für Amtshaftungsansprüche. Denn ausgehend vom Gedanken der Staatensouveränität ist es ausgeschlossen, dass das Recht eines Staates für die Bewertung hoheitlichen Handelns eines anderen Staates maßgeblich ist (vgl. Palandt/Thorn, 73. Aufl. 2014, Art. 40 EGBGB Rn.11). Bei Art. 40 EGBGB handelt es sich um eine Kollisionsnorm, doch ist im Staatshaftungsrecht eine Kollision zweier Rechtsordnungen nicht denkbar, denn der Grundsatz der Staatensouveränität schließt eine Verurteilung der beklagten Bundesrepublik nach Amtshaftungsgesichtspunkten nach dem Recht des Tatortes aus (vgl. Dutta AöR 133 [2008], 191 [207]).
48bb) Individuelle zivilrechtliche Schadensersatzansprüche Einzelner nach deutschem Recht sind auch nicht durch etwaige völkerrechtliche Ansprüche ihres Heimatstaates ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil v. 26.06.2003, III ZR 345/98 Rn. 41 [Distomo] – zitiert nach juris).
49cc) Die Kammer geht zudem davon aus, dass das deutsche Amtshaftungsrechts auf Handlungen deutscher Soldaten im Rahmen militärischer Einsätze im Ausland Anwendung findet und Individualansprüche denkbar sind. Die Frage kann jedoch im Rahmen dieser Entscheidung offen bleiben, denn auf Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme ist eine schuldhafte Verletzung einer drittschützenden Amtspflicht durch den befehlshabenden Kommandeur des PRT Kunduz, dem damaligen Oberst K, oder durch einen anderen Amtsträger nicht festzustellen.
50dd) Hierbei geht die Kammer davon aus, dass sich aus den Regeln des humanitären Völkerrechts für Amtsträger der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar drittschützende Amtspflichten ergeben, bei deren schuldhafter Verletzung ein Schadensersatzanspruch nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG grundsätzlich besteht. Der Befehl zum Bombenabwurf vom 04.09.2009 stellt jedoch keinen derartigen Verstoß gegen drittschützende Amtspflichten dar. Der streitgegenständliche Waffeneinsatz verstößt weder gegen Art. 13 des Zweiten Zusatzprotokolls vom 08.06.1977 zu den Genfer Abkommen vom 12.08.1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (im Folgenden: ZP II) noch gegen Art. 51 oder Art. 57 des Ersten Zusatzprotokolls vom 08.06.1977 zu den Genfer Abkommen vom 12.08.1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (im Folgenden: ZP I).
51(1) Die Regelungen des humanitären Völkerrechts sind auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar und suspendieren das deutsche Deliktsrecht. Denn der streitgegenständliche Befehl zum Bombenabwurf erging im Rahmen eines nicht internationalen bewaffneten Konflikts. Ein bewaffneter Konflikt setzt den einer der Konfliktparteien zurechenbaren Einsatz von Waffengewalt voraus (vgl. Ambos in MüKo-StGB Vorb. §§ 8 ff. VStGB Rn. 22; ders. NJW 2010, 1725 [1726]). Konfliktparteien sind entweder – bei einem internationalen Konflikt – zwei oder mehrere Nationalstaaten oder – bei einem nicht internationalen Konflikt – die Regierungsstreitkräfte und sich ihr entgegenstellende staatliche oder nichtstaatliche bewaffnete Gruppen (vgl. Ambos in MüKo-StGB Vorb. §§ 8 ff. VStGB Rn. 23; Werle VölkerstrafR, 3. Aufl. 2012 Rn. 1071). Die afghanischen Sicherheitskräfte und die sie unterstützenden internationalen ISAF-Truppen gehen auf afghanischem Hoheitsgebiet mit Waffengewalt gegen die Taliban vor, ebenso wie die Taliban gegen die afghanischen Sicherheitskräfte und die ISAF-Truppen vorgehen.
52(2) Die Beklagte ist an das humanitäre Völkerrecht, das die zulässigen Mittel der Kampfführung und den Schutz der Zivilbevölkerung im Rahmen bewaffneter Konflikte regelt (vgl. Ambos NJW 2010, 1725 [1726]; Herdegen VölkerR, 11. Aufl. 2011 § 56 Rn. 1; Werle VölkerstrafR 3. Aufl. 2012 Rn. 1040), gebunden. Zentrale Vorschriften sind die vier Genfer Abkommen von 1949, die von fast allen Mitgliedern der Staatengemeinschaft – so auch von der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1954 und Afghanistan im Jahr 1956 – ratifiziert worden sind. Zudem hat der Inhalt dieser Abkommen – insbesondere der gemeinsame Artikel 3, der die Mindestanforderungen an den Schutz der Opfer nicht internationaler Konflikte regelt – völkergewohnheitsrechtliche Geltung erlangt (vgl. Gasser/Melzer Humanitäres Völkerrecht, 2. Aufl. 2012 S. 68). Die Zusatzprotokolle von 1977 zu den Genfer Abkommen erweitern den Schutz der Zivilbevölkerung durch eine ausdifferenzierte Regelung der humanitären Belange. Die beklagte Bundesrepublik Deutschland ratifizierte die Zusatzprotokolle am 14.02.1991, Afghanistan am 10.11.2009, also erst nach dem hier streitgegenständlichen Waffeneinsatz. Nach Überzeugung der Kammer kann jedoch offen bleiben, inwieweit sich auch aus den Regelungen der Zusatzprotokolle eine völkervertragliche oder völkergewohnheitsrechtliche Bindung der Beklagten bei Einsätzen auf dem Gebiet von Staaten ergibt, welche die Zusatzprotokolle noch nicht ratifiziert haben. Die Bindung der Beklagten an die Zusatzprotokolle folgt jedenfalls aus dem Umstand, dass die deutschen Streitkräfte im Rahmen des NATO-geführten ISAF-Einsatzes vor Ort waren. Denn es gehört zum Selbstverständnis der Vereinten Nationen, dass die vom Sicherheitsrat beschlossenen bewaffneten Einsätze von staatlichen Truppenkontigenten – wie der dem Streitgegenstand zugrunde liegende ISAF-Einsatz in Afghanistan – dem humanitären Völkerrecht unterworfen sind (vgl. die Stellungnahme des Generalsekretärs der UNO vom 06.08.1999: Observance by United Nations Forces of International Humanitarian Law, United Nations Secretary-General´s Bulletin, UNO Dok. ST/SGB/1999/13).
53(3) Auf den vorliegenden Sachverhalt ist das Zweite Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vorrangig anzuwenden, denn bei der Auseinandersetzung zwischen den Sicherheitskräften Afghanistans und den unterstützenden ISAF-Truppen auf der einen Seite und den aufständischen Taliban auf der anderen Seite handelt es sich um einen nicht internationalen bewaffneten Konflikt i.S.d. Art. 1 Abs. 2 ZP II.
54(a) Gemäß Art. 1 Abs. 2 ZP II ist ein nicht internationaler bewaffneter Konflikt dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt im Hoheitsgebiet einer Hohen Vertragspartei zwischen deren Streitkräften und anderen organisierten bewaffneten Gruppen stattfindet, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebiets der Hohen Vertragspartei ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchzuführen vermögen. Wie bereits ausgeführt befinden sich die afghanischen Streitkräfte und die sie unterstützenden ISAF-Truppen in einer bewaffneten Auseinandersetzung mit den Taliban. Die Auseinandersetzung ist auch als nicht internationaler Konflikt einzuordnen, da den Taliban die internationale Anerkennung als Völkerrechtssubjekt fehlt.
55(b) Bei den Taliban handelt es sich auch um eine organisierte bewaffnete Gruppe im Sinne von Art. 1 Abs. 2 ZP II. Hierzu bedarf es keiner den Streitkräften ähnlichen hierarchischen Organisationsstruktur. Es genügt vielmehr, dass die Organisation in der Lage ist, anhaltende und konzentrierte militärische Operationen zu planen und durchzuführen (vgl. Safferling/Kirsch JA 2010, 81 [82]). Auf das Erfordernis territorialer Kontrolle gemäß Art. 1 Abs. 2 ZP II kommt es hingegen entgegen des Wortlauts nicht an, da in sogenannten asymmetrischen Konflikten die territoriale Besetzung eines bestimmten Gebiets angesichts moderner beweglicher Kampftechniken und Waffensysteme keine notwendige Bedingung für die Fähigkeit zur Durchführung anhaltender, koordinierter Kampfhandlungen darstellt (vgl. Ambos in MüKo Vorb. §§ 8 ff. VStGB Rn. 23; ders. NJW 2010, 1725 [1726]; Werle VölkerstrafR 3. Aufl. 2012 Rn. 1075). Die aufständischen Taliban haben anhaltend Anschläge – in den Monaten vor dem streitgegenständlichen Geschehen insbesondere mittels Autobomben – gegen die afghanischen Truppen und die sie unterstützenden ISAF-Verbände verübt.
56(4) Die Kammer geht zudem von der Anwendbarkeit der die Zivilbevölkerung schützenden Normen des Ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen auch auf nicht internationale bewaffnete Konflikte aus. Nach seinem Wortlaut findet das Protokoll zwar lediglich auf internationale bewaffnete Konflikte, also auf Konflikte zwischen mehreren Staaten, Anwendung. Doch ist die Regelungsdichte der Schutznormen etwa in Artikel 51 und 57 des Ersten Zusatzprotokolls deutlich höher als in Art. 13 des Zweiten Zusatzprotokolls. Der Schutz der Zivilbevölkerung in nicht internationalen bewaffneten Konflikten darf jedoch nicht kürzer greifen als derjenige in internationalen bewaffneten Konflikten (vgl. Werle VölkerStrafR, 3. Aufl. 2012 Rn. 1061).
57(5) Die aus den kodifizierten Regelungen des Art. 13 ZP II sowie der Art. 51 ZP I und Art. 57 ZP I zum Schutz der Opfer bewaffneter Konflikte abzuleitenden Amtspflichten deutscher Soldaten sind auch drittschützend i.S.d. § 839 Abs. 1 BGB.
58(a) Ob eine dem Amtswalter obliegende Pflicht Drittschutz entfaltet, bestimmt sich der ständigen Rechtsprechung zufolge nach dem Schutzzweck, den die Amtspflicht verfolgt. Hat die Amtspflicht – zumindest auch – den Zweck, die Interessen des Einzelnen zu wahren, ist sie drittschützend.
59(b) Die Regelungen der Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen über den Schutz der Opfer bewaffneter Konflikte sind nicht lediglich an die Vertragsparteien gerichtete Verpflichtungen zur Beschränkung der Methoden der Kriegsführung. Zweck – und nicht lediglich Reflex – des humanitären Völkerrechts und insbesondere der Zusatzprotokolle ist es, die von bewaffneten Konflikten betroffenen Individuen zu schützen (vgl. Dutta AöR 133 [2008], 191 [222]; a.A. von Woedtke Die Verantwortlichkeit Deutschlands für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz und die sich daraus ergebenden Schadensersatzansprüche von Einzelpersonen als Opfer deutscher Militärhandlungen [2010] S. 342).
60ee) Der Kommandeur des PRT Kunduz hat durch den streitgegenständlichen Bombenabwurf vom 04.09.2009 die aus Art. 13 Abs. 2 S. 1 ZP II folgende Amtspflicht, weder die Zivilbevölkerung als solche noch einzelne Zivilpersonen zum Ziel militärischer Angriffe zu machen, nicht schuldhaft verletzt. Ein Verstoß gegen Art. 13 Abs. 2 S. 1 ZP II setzt dabei nach dem klaren Wortlaut voraus, dass dem entscheidenden Kommandeur bewusst ist, dass es sich bei dem Ziel seines Angriffs um Zivilpersonen handelt. Nur wer positive Kenntnis von der Anwesenheit von Zivilpersonen hat, kann diese im Sinne von Art. 13 Abs. 2 S. 1 ZP II zum Ziel eines militärischen Angriffs machen. Der Waffeneinsatz galt jedoch auch nach dem Klägervortrag den aufständischen Taliban und den von ihnen entführten Tanklastwagen. Einen bewussten Angriff auf Zivilpersonen, also einen Angriff mit dem Ziel, Zivilpersonen zu treffen, behaupten auch die Kläger nicht. Die Taliban selbst nehmen aber als Mitglieder einer organisierten bewaffneten Gruppe nicht am Schutz der Zivilbevölkerung durch die Genfer Abkommen und deren Zusatzprotokolle teil (vgl. Ambos in MüKo Vorb. §§ 8 ff. VStGB Rn. 42).
61ff) Eine Verletzung der sich aus dem Ersten Zusatzprotokoll für deutsche Amtsträger ergebenden Amtspflichten zur Schonung der Zivilbevölkerung in Vorbereitung des Einsatzes von Waffengewalt in bewaffneten Konflikten gemäß Art. 57 ZP I sowie zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gemäß Art. 51 ZP I hat die Kammer ebenfalls nicht feststellen können. Diese Amtspflichten sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch den Befehl zum Bombenabwurf zumindest nicht schuldhaft verletzt worden.
62(1) Der Kommandeur des PRT Kunduz hat die sich aus Art. 57 Abs. 1, Abs. 2 a) i) ZP I ergebenden Amtspflichten zur Aufklärung und hinreichenden Identifizierung des Angriffsziels als militärisches Angriffsziel nicht verletzt. Gemäß Art. 57 Abs. 1 ZP I ist bei Kriegshandlungen stets darauf zu achten, dass die Zivilbevölkerung, Zivilpersonen und zivile Objekte verschont bleiben. Gemäß Art. 57 Abs. 2 a) i) ZP I ist bei Planung oder Beschluss eines Angriffs alles praktisch Mögliche zu tun, um sicherzugehen, dass die Angriffsziele weder Zivilpersonen noch zivile Objekte sind und nicht unter besonderem Schutz stehen, sondern militärische Ziele im Sinne des Art. 52 Abs. 2 ZP I sind. Daraus folgt nach der Überzeugung der Kammer für deutsche Soldaten, die einen Angriff planen oder beschließen, eine drittschützende Amtspflicht zur Aufklärung der Lage vor Ort, insbesondere zur Frage der Anwesenheit von Zivilisten vor Ort sowie zur hinreichenden Identifikation des Ziels als militärisches Ziel. Gemessen hieran hat die Kammer eine schuldhafte Verletzung der Amtspflicht zur Aufklärung und Identifikation des Angriffsziels nicht feststellen können.
63(a) Das Angriffsziel ist zutreffend als militärisches Angriffsziel i.S.d. Art. 52 Abs. 2 ZP I identifiziert worden, denn der Angriff galt den auch nach dem Klägervortrag vor Ort anwesenden aufständischen Taliban als Mitgliedern einer organisierten bewaffneten Gruppe und den vor Ort vorhandenen Tanklastern. Als militärische Ziele im Sinne von Art. 52 Abs. 2 ZP I gelten solche Objekte, die auf Grund ihrer Beschaffenheit, ihres Standorts, ihrer Zweckbestimmung oder ihrer Verwendung wirksam zu militärischen Handlungen beitragen und deren gänzliche oder teilweise Zerstörung, deren Inbesitznahme oder Neutralisierung unter den in dem betreffenden Zeitpunkt gegebenen Umständen einen eindeutigen militärischen Vorteil darstellt. Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den von Taliban entführten Tanklastwagen um ein militärisches Objekt, denn sie dienen entweder als Nachschub von Treibstoff zur logistischen Unterstützung der Taliban oder stellen sogar selbst ein Mittel der Kriegsführung dar, wenn sie für einen Anschlag verwendet werden (vgl. hierzu auch Safferling/Kirsch JA 2010, 81 [84]). Um ein militärisches Ziel handelte es sich daher unabhängig davon, wie wahrscheinlich es zum Zeitpunkt des Bombenabwurfes war, dass die Tanklastwagen zeitnah als Angriffsmittel für einen Anschlag auf das nahe gelegene Feldlager der NATO genutzt werden sollten.
64(b) Auch hat der PRT-Kommandeur die in Art. 57 Abs. 2 a) i) ZP I zum Ausdruck kommende Aufklärungspflicht nicht durch zu geringe Aufklärungsmaßnahmen verletzt. Bevor der Befehl zum Angriff gegeben wurde, ist die Situation auf der Sandbank ohne Unterbrechung mindestens 20 Minuten lang durch die eingesetzten beiden Kampfflugzeuge beobachtet worden. Die von den Bordkameras gefertigten Infrarotaufnahmen sind in Echtzeit in die Fliegerleitzentrale übertragen worden. Der PRT-Kommandeur hat sich mittels der aus den Kampfjets übertragenen Infrarot-Bilder einen Eindruck von der Lage am Kunduz-Fluss verschafft. Bei der Auswertung derselben stand ihm der Fliegerleitoffizier zur Seite. Darüber hinaus hat sich der entscheidende Kommandeur sieben Mal durch telefonische Rückfrage bei einem Informanten des Militärs, der vor Ort war, rückversichert, dass es sich bei den auf den Infrarotaufnahmen sichtbaren Personen um Aufständische und nicht um Zivilisten handelt. Dieser Vortrag der Beklagtenseite ist von der Klägerseite nicht bestritten worden, so dass er als unstreitig zu behandeln ist. Aus den ihm zugetragenen Informationen schloss der PRT-Kommandeur auch, dass sich die zivilen Fahrer der Tanklastwagen nicht mehr in der Nähe befanden.
65(c) Ferner hat der PRT-Kommandeur seine aus Art. 57 Abs. 1, Abs. 2 a) i) ZP I folgende Aufklärungspflicht auch nicht dadurch schuldhaft verletzt, dass er nicht erkannt hat, dass sich neben Talibankämpfern auch Zivilpersonen an der Bombenabwurfstelle befanden.
66Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, im Zuge derer die Infrarotbilder, die dem PRT-Kommandeur zur Verfügung standen, in Augenschein genommen wurden und der Sachverständige S gehört wurde, steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Infrarotaufnahmen auch unter Berücksichtigung von Spezialkenntnissen über die Strukturen und Handlungsweisen der aufständischen Taliban der Region keinen hinreichenden Anlass boten, die vorliegenden Informationen, dass nur Aufständische vor Ort seien, als falsch zu erkennen und von der Anwesenheit von Zivilisten vor Ort auszugehen.
67Die Beweisaufnahme hat den Vortrag der Kläger, dass auf den Bildern lediglich wenige bewaffnete Personen, statt dessen jedoch Kinder erkennbar seien, was für eine Beteiligung der Zivilbevölkerung spreche, nicht bestätigt. Die Infrarot-Aufnahmen bilden Wärmequellen ab, so dass einzelne Personen nur als Punkte ausgemacht werden können. Nicht erkennbar ist hingegen, wie die Inaugenscheinnahme der Aufnahmen ergeben hat, ob eine der als Punkte abgebildeten Personen eine Waffe trägt. Eine Aussage darüber, wie viele der auf der Sandbank befindlichen Personen bewaffnet waren, konnte daher auf Grundlage der Infrarotaufnahmen nicht getroffen werden, so dass eine geringe Anzahl von Waffen den PRT-Kommandeur auch nicht veranlassen konnte, die vorliegenden über einen Informanten des Militärs gewonnenen Erkenntnisse in Zweifel zu ziehen.
68Ebenso wenig ist auf der Grundlage der in Augenschein genommenen Infrarotaufnahmen erkennbar, ob die als Wärmepunkt abgebildete Person alt oder jung, groß oder klein ist. Die Behauptung der Klägerseite, auf den Bildern seien Kinder erkennbar gewesen, was für eine Beteiligung der Zivilbevölkerung spreche, sieht die Kammer daher als widerlegt an.
69Soweit die in Augenschein genommenen Aufnahmen auch nach Einschätzung der Kammer erkennen lassen, dass sich Personen und auch Fahrzeuge zu den Tanklastwagen hin und von diesen weg bewegen, ohne dass sie eine nachvollziehbare, auf militärische Schulung hindeutende Verteidigungsstellung einnehmen, lässt dies jedoch nicht den Schluss darauf zu, dass die dem PRT-Kommandeur zur Kenntnis gelangten Informationen falsch sind und es sich bei den als Wärmepunkte erkennbaren Personen um Zivilbevölkerung handeln müsse.
70Zwar spricht nicht bereits der Umstand, dass der Luftangriff zur Nachtzeit während des Ramadan stattfand, gegen die Annahme, dass es sich bei den auf der Sandbank befindlichen Personen um Zivilisten handelte. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen S ist es keinesfalls ungewöhnlich, dass gerade während dieser Zeit Zivilpersonen nachts wach und mithin auch unterwegs sind. Doch soweit die Klägerseite darauf abstellt, dass die Bewegungsmuster eines Kommens und Gehens auf ein unkoordiniertes Verhalten der Personen am Boden schließen lassen, was für die Anwesenheit von Zivilisten vor Ort spreche, widerspricht dies den Ausführungen des Sachverständigen S.
71Dieser hat als anerkannter Afghanistanexperte, der sich auch intensiv mit der Talibanbewegung befasst hat, nachvollziehbar dargelegt, dass es sich bei den Taliban um eine Art Guerillabewegung handelt, die sowohl horizontale als auch vertikale Strukturen aufweise. Teile der Taliban-Kämpfer erfahren zwar eine militärische Ausbildung, etwa in Pakistan. Bei vielen Taliban-Kämpfern aber handele es sich um „Feierabendkämpfer“, die keine militärische Ausbildung genossen haben und lediglich auf selbstgemachte Kampferfahrungen zurückgreifen. Diesen Ausführungen zufolge aber ist auch unter der Prämisse, dass es sich bei den am Boden befindlichen Personen um Taliban handelt, kein koordiniertes Verhalten – wie es etwa Streitkräften zugeordnet werden könnte – zwingend zu erwarten gewesen.
72Auch die große Anzahl der um die Tanklastwagen versammelten Personen hätte nach Überzeugung der Kammer den PRT-Kommandeur nicht veranlassen müssen, anzunehmen, dass die vorliegenden durch den Informanten gewonnenen Erkenntnisse falsch sind und sich tatsächlich Zivilpersonen vor Ort befinden. Ausweislich des Transkripts des Funkkontakts zwischen den Piloten der Kampfflugzeuge und der Fliegerleitzentrale zu Timecode #####1 gingen der PRT – Kommandeur und der Fliegerleitoffizier von etwa 50 bis 70 auf der Sandbank befindlichen Aufständischen aus. Eine größere Anzahl von Personen ergibt sich auch für die Kammer aus den in Augenschein genommenen, wegen wechselnder Bildausschnitte unübersichtlichen, Infrarotaufnahmen nicht.
73Eine solche große Anzahl von 50 bis 70 Personen war für ein Zusammentreffen von Taliban zwar ungewöhnlich. Wie der Sachverständige S nachvollziehbar dargelegt hat, hat es in der Vergangenheit nur wenige Aktionen der Taliban gegeben, bei denen 60 Kämpfer beteiligt gewesen sind. Doch hat der Sachverständige weiter ausgeführt, dass die Region Tschadara, in der sich der Ort des Geschehens befindet, als Taliban-Hochburg bekannt sei. Seinen Informationen zufolge seien bei dem Geschehen am Kunduz-Fluss vom 04.09.2009 drei Taliban-Kommandeure vor Ort gewesen. Dies sei mit Blick darauf, dass in unmittelbarer Nähe zum Ort des Geschehens drei Ortschaften gelegen seien, auch plausibel. Es könne durchaus sein, dass in diesem Gebiet jeder Ort einen Taliban-Kommandeur habe. Legt man die weitergehenden Ausführungen des Sachverständigen zugrunde, wonach die Taliban in Gruppen von bis zu 20 Mann operieren, lässt eine Anwesenheit von insgesamt etwa 50 - 70 Personen rund um die Tanklastwagen mithin nicht zwingend den Schluss zu, dass es sich dabei nicht um Taliban-Kämpfer handeln könne.
74Die Kammer hat die plausiblen Feststellungen des Sachverständigen bei der Urteilsfindung berücksichtigt. Die Kammer hat keinen Anlass, an den in sich stimmigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen S, die auf einer jahrzehntelangen Beschäftigung mit den kulturellen und politischen Verhältnissen Afghanistans gründen, zu zweifeln. Der Sachverständige hat die Strukturen der Taliban nachvollziehbar erläutert und sachlich bewertet sowie zu den Fragen der Parteien ausführlich Stellung genommen. Die Sachkunde oder die Neutralität des Sachverständigen sind zudem von keiner der Parteien in Zweifel gezogen worden.
75Hinzu kommt nach Auffassung der Kammer, dass dem PRT-Kommandeur nach dem unbestrittenen Klägervortrag Informationen über einen bevorstehenden Anschlag der aufständischen Taliban auf das PRT-Feldlager Kunduz vorlagen. Auch vor diesem Hintergrund ist eine ungewöhnlich große Ansammlung von Aufständischen nicht per se unplausibel.
76Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem protokollierten und als Anlage B 7 zur Akte gereichten Funkkontakt zwischen dem in der Fliegerleitzentrale anwesenden Fliegerleitoffizier und den Piloten der Kampfjets, die schließlich den Befehl zum Bombenabwurf ausführten. Die Piloten schlugen zwar mehrmals eine „Show of Force“ vor, also einen Tiefflug über den Tanklastwagen, um dort anwesende Personen vor der Zerstörung der Tanklastwagen zur Flucht zu bewegen. Anhaltspunkte, die den PRT-Kommandeur hätten veranlassen müssen von der Anwesenheit von Zivilisten auszugehen, liefern die Piloten der Kampfjets jedoch nicht. Zu Timecode #####2 fragen die Piloten in der Fliegerleitzentrale nach, ob sie einen Tiefflug („show of force“) unternehmen oder weiter hoch oben bleiben sollen. Soweit zu Timecode #####3 und zu Timecode #####4 eine „show of force“ vorgeschlagen wird, erfolgt dies ausdrücklich, um dem Kommandeur Handlungsoptionen aufzuzeigen, nicht als Empfehlung. Zu Timecode #####5 fragen die Piloten nach, ob gesichert sei, dass es sich bei den Anwesenden vor Ort um Aufständische handelt. Als ihnen dies durch die Fliegerleitzentrale, die wie bereits ausgeführt über weitere Informationsquellen verfügte, bestätigt wird, ziehen sie dies nicht in Zweifel, obwohl sie über die gleichen Infrarotaufnahmen verfügten wie der PRT Kommandeur. Aus einem Gespräch zwischen den Piloten zu Timecode #####6 wird lediglich erkennbar, dass sie sich darum sorgten, ob die Fahrer der Tanklastwagen noch am Leben sind.
77Der PRT-Kommandeur hätte schließlich, entgegen der Ansicht der Klägerseite, den über den Informanten gewonnenen Erkenntnissen nicht deshalb keinen Glauben schenken dürfen, da ihm die Person des Informanten nicht persönlich bekannt war und er nur über einen Verbindungsoffizier Kontakt zu diesem hatte. Diese Auffassung der Klägerseite überspannt die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht eines militärischen Befehlshabers. Könnten militärische Befehlshaber bei der Planung von Angriffen nur solche Informationen berücksichtigen, die von Personen stammen, denen sie persönlich vertrauen, wäre eine militärische Operationsführung oberhalb einer lokal eng begrenzten Ebene praktisch unmöglich. Es muss daher genügen, wenn ein militärischer Befehlshaber wie hier die durch Informanten gewonnenen Erkenntnisse anhand vorliegender weiterer Informationen, etwa anhand der hier vorhandenen Infrarotluftaufnahmen, auf Plausibilität überprüft.
78(2) Der Kommandeur des PRT Kunduz hat ferner auch nicht schuldhaft gegen die sich aus Art. 57 Abs. 1, Abs. 2 a) ii) ZP I ergebende Amtspflicht verstoßen, zur Erreichung des militärischen Vorteils dasjenige Angriffsmittel zu wählen, das die Zivilbevölkerung möglichst weitgehend schont.
79(a) Gemäß Art. 57 Abs. 2 a) ii) ZP I sind bei der Wahl der Angriffsmittel und Angriffsmethoden alle praktisch möglichen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um Verluste unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen und die Beschädigung ziviler Objekte zu vermeiden und in jedem Fall auf ein Mindestmaß zu beschränken. Hieraus folgt im Zusammenspiel mit Art. 57 Abs. 1 ZP I die genannte Amtspflicht.
80(b) Der PRT-Kommandeur hat nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Angriffsentscheidung einen Lufteinsatz befohlen, bei dem auf der Grundlage ihm vorliegender Informationen nicht von einer Verletzung von Zivilpersonen auszugehen war. Wie dargelegt konnte der PRT Kommandeur nach den ihm vorliegenden Informationen davon ausgehen, dass es sich bei den um die Tanklastwagen versammelten Personen nicht um Zivilbevölkerung handelte. Es bestand daher kein Anlass, bei der Wahl des Angriffsmittels oder der Angriffsmethode eine die Zivilbevölkerung besonders schützende Wahl zu treffen. Zudem hat der PRT Kommandeur dennoch nach dem unbestrittenen Beklagtenvortrag den Einsatz einer 2.000-Pfund-Bombe abgelehnt und stattdessen den Einsatz von zwei 500-Pfund-Bomben befohlen, um den Wirkungskreis zu beschränken. Außerdem wurden Bomben mit einer Zündzeitverzögerung verwendet, um die Splitterwirkung zu begrenzen.
81(c) Ein Verstoß gegen die oben genannte Amtspflicht folgt auch nicht daraus, dass es tatsächlich in erheblichem Maß zur Verletzung und Tötung von Zivilpersonen gekommen ist, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, wenngleich auch die Anzahl der verletzten und getöteten Personen im Streit steht. Ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG setzt ein schuldhaftes, also fahrlässiges oder vorsätzliches, Handeln voraus. Die Frage der fahrlässigen Amtspflichtverletzung lässt sich jedoch nur aus der ex ante – Perspektive, also auf der Grundlage der zum Entscheidungszeitpunkt vorhandenen Informationen, beurteilen. Nach diesen Informationen musste nicht von der Anwesenheit von Zivilpersonen ausgegangen werden.
82(3) Eine Amtspflichtverletzung des PRT-Kommandeurs liegt ferner auch nicht in Form einer schuldhaften Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor, der sich aus Art. 57 Abs. 1, Abs. 2 a) iii) ZP I ergibt.
83(a) In Art. 57 Abs. 1 ZP I ist umfassend ein Gebot der Schonung der Zivilbevölkerung normiert. Gemäß Art. 57 Abs. 2 a) iii) ZP I ist von jedem Angriff Abstand zu nehmen, bei dem damit zu rechnen ist, dass er auch Verluste unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte verursacht, die in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen. Hieraus folgt als besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Amtspflicht, nur solche Angriffe durchzuführen, bei denen die Beeinträchtigung der Zivilbevölkerung, wenn sie sich schon nicht entsprechend Art. 57 Abs. 2 a) ii) ZP I ganz vermeiden lässt, nicht außer Verhältnis zum militärischen Ziel steht.
84(b) Nach dem oben Ausgeführten ist der Kommandeur des PRT Kunduz unter Anwendung der erforderlichen Sorgfalt unter Auswertung der ihm vorliegenden Informationen davon ausgegangen, dass keine Zivilpersonen vor Ort sind, so dass mit Verlusten unter der Zivilbevölkerung nicht zu rechnen war. Einer Verhältnismäßigkeitsabwägung zwischen dem zu erwartenden militärischen Erfolg und Verlusten unter der Zivilbevölkerung bedurfte es somit nicht.
85(4) Der Kommandeur des PRT Kunduz hat auch nicht schuldhaft gegen die sich aus Art. 57 Abs. 2 c) ZP I ergebende Amtspflicht verstoßen, bei Angriffen durch welche die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft gezogen werden kann, diese zu warnen.
86(a) Gemäß Art. 57 Abs. 2 c) ZP I muss Angriffen, durch welche die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft gezogen werden kann, eine wirksame Warnung vorausgehen.
87(b) Hier musste der PRT-Kommandeur jedoch auch nach Durchführung der gebotenen Aufklärung nicht von der Anwesenheit von Zivilpersonen am Angriffsziel ausgehen, so dass er eine Warnung der Zivilbevölkerung jedenfalls nicht schuldhaft unterlassen hat.
88(c) Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die eingesetzten Piloten mehrmals einen möglichen Tiefflug der Kampfjets, eine sogenannte „show of force“, vorschlugen, die den am Boden befindlichen Personen zur Warnung gereicht hätte. Die benannte Amtspflicht zur Warnung der Zivilbevölkerung besteht nur, wenn mit einer Beeinträchtigung der Zivilbevölkerung zu rechnen ist. Hierfür boten auch die Nachfragen der Piloten keine Grundlage.
89(5) Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen die sich aus Art. 51 Abs. 4, Abs. 5 ZP I ergebende Amtspflicht vor.
90(a) Nach Art. 51 Abs. 4 ZP I sind unterschiedslose Angriffe verboten. Gemäß Art. 51 Abs. 5 b) ZP I ist ein Angriff unter anderem dann als unterschiedslos anzusehen, bei dem damit zu rechnen ist, dass er auch Verluste an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder mehrere derartige Folgen zusammen verursacht, die in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen.
91(b) Wie bereits im Rahmen der Erörterung der sich aus Art. 57 ZP I ergebenden Amtspflichten dargelegt worden ist, hat der der PRT Kommandeur aus der maßgeblichen ex ante – Sicht keinen derartigen Angriff befohlen, bei dem mit einer Verletzung von Zivilpersonen zu rechnen war. Er konnte vielmehr auch unter Berücksichtigung der bei der Angriffsplanung erforderlichen Sorgfalt auf der Grundlage der vorangegangenen Aufklärung davon ausgehen, dass es sich bei den auf den Luftbildern erkennbaren Menschen nicht um Zivilisten, sondern ausschließlich um Aufständische handelte.
92gg) Eine Amtspflichtverletzung liegt ferner auch nicht in Form eines Verstoßes gegen die sogenannten „Rules of Engagement“ vor. Klägerseits wird bereits nicht behauptet, dass sich aus den Einsatzregeln der NATO für den ISAF-Einsatz in Afghanistan weitergehende drittschützende Amtspflichten ableiten als sie sich aus den Zusatzprotokollen I und II zu den Genfer Abkommen ergeben. Dergleichen ist auch nicht ersichtlich. Die dargelegten Amtspflichten zur umfassenden Aufklärung, zur Identifikation des Angriffsziels, zur Auswahl des Angriffsmittels und zur Warnung der Zivilbevölkerung in Vorbereitung des Einsatzes von Waffengewalt sind im Verbund mit der Pflicht zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit umfassend und weitreichend.
93c) Vor dem Hintergrund des Fehlens einer schuldhaften Amtspflichtverletzung kann die Kammer die Frage offen lassen, ob es bei Amtspflichtverletzungen deutscher Soldaten in einem NATO-geführten Einsatz internationaler Truppen überhaupt zu einer Haftungsüberleitung nach Art. 34 S. 1 GG auf die Bundesrepublik Deutschland als Trägerin der Bundeswehr kommt. Nach den Grundsätzen des Amtshaftungsrechts trifft die Verantwortlichkeit diejenige Körperschaft, welche dem Amtsträger das Amt, bei dessen Ausübung es zu einer Pflichtverletzung gekommen sein soll, anvertraut hat. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um die Anstellungskörperschaft, mithin die Körperschaft, die den Amtsträger angestellt und ihm die Dienstausübung ermöglicht hat. Dabei ist es regelmäßig unbeachtlich, ob auch die konkrete Aufgabe, bei der es zu einer Amtspflichtverletzung gekommen sein soll, in den Aufgabenkreis der Anstellungskörperschaft fällt. Es kommt grundsätzlich nicht darauf an, wessen Hoheitsrecht der Amtsträger bei der konkreten Aufgabenerfüllung ausübt. Ob mit der Einbindung deutscher Soldaten in die Kommandostrukturen der NATO im Rahmen des ISAF-Einsatzes in Afghanistan ein abordnungsähnliches Verhältnis einhergeht, so dass es an der Passivlegitimation der Bundesrepublik Deutschland fehlt, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
942. Mangels bestehender Hauptforderung steht den Klägern auch kein Anspruch auf Verzugszinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 BGB zu.
953. Die klägerischen Ausführungen in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.11.2013 stehen den rechtlichen Erwägungen der Kammer nicht entgegen und gaben keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Insbesondere ist dem erstmals im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.11.2013 von Klägerseite gestellten Antrag, den befehlshabenden damaligen Oberst K als Zeugen zu vernehmen, nicht nachzugehen. Ungeachtet einer möglichen Verspätung dieses Beweisantritts fehlt es bereits an konkreten Tatsachenbehauptungen, für die der damalige Oberst K als Zeuge benannt werden soll. Allein der Hinweis der Klägerseite, die Weltöffentlichkeit werde es nicht verstehen, wenn der damalige Oberst K nicht als Zeuge gehört würde, genügt zum prozessordnungsgemäßen Beweisantritt nicht.
96III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.
97IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.
98Der Streitwert wird auf 90.000,00 EUR festgesetzt.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger sind griechische Staatsangehörige. Ihre Eltern wurden am 10. Juni 1944 im damals besetzten Griechenland von Angehörigen einer in die deutsche Wehrmacht eingegliederten SS-Einheit nach einer vorausgegangenen bewaffneten Auseinandersetzung mit Partisanen im Zuge einer gegen das Dorf Distomo (Böotien) gerichteten "Sühnemaßnahme" erschossen, zusammen mit weiteren 300 an den Partisanenkämpfen unbeteiligten Dorfbewohnern - überwiegend Frauen und Kindern - sowie zwölf gefangengenommenen Partisanen. Das Dorf wurde niedergebrannt.
Die Kläger nehmen die beklagte Bundesrepublik Deutschland aus übergegangenem Recht (wegen Zerstörung des elterlichen Hauses nebst Inventar
und Warenbestand des von ihren Eltern geführten Einzelhandelsgeschäfts) und aus eigenem Recht (wegen gesundheitlicher Schäden und Nachteile in der beruflichen Ausbildung und in ihrem Fortkommen) im Wege einer Feststellungsklage auf Schadensersatz, hilfsweise auf Entschädigung in Anspruch.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgen die Kläger ihre Ansprüche weiter.
In der ersten Revisionsverhandlung sind die Kläger nicht erschienen. Es ist Versäumnisurteil gegen sie ergangen, gegen das sie rechtzeitig Einspruch eingelegt haben.
In einem in Griechenland von der Präfektur Böotien unter anderem auch in Vertretung der Kläger geführten Schadensersatzprozeß wegen des DistomoMassakers gegen die Bundesrepublik Deutschland hat die Zivilkammer des Landgerichts Livadeia durch Versäumnisurteil vom 30. Oktober 1997 unter anderem den Klägern des vorliegenden Prozesses näher bezifferte Zahlungsansprüche zuerkannt. Den von der Bundesrepublik Deutschland gestellten Antrag auf Kassation dieses Urteils hat das Plenum des griechischen Areopag durch Urteil vom 4. Mai 2000 zurückgewiesen. Die Vollstreckung aus diesem Urteil in Vermögen der Beklagten in Griechenland ist gescheitert, weil Griechenland nicht die nach dortigem Recht erforderliche Genehmigung erteilt hat.
Entscheidungsgründe
Das Versäumnisurteil vom 14. Oktober 1999 ist aufrechtzuerhalten, denn die - insgesamt zulässige - Revision der Kläger gegen das klagabweisende Urteil des Berufungsgerichts ist nicht begründet.
A.
Zutreffend hat das Berufungsgericht die auf Feststellung einer Ersatzbzw. Entschädigungspflicht der Beklagten gerichtete Klage als zulässig angesehen.
Zu Unrecht meint die Beklagte, ein Feststellungsinteresse der Kläger im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO sei zu verneinen, weil sie auf Leistung klagen könnten und dies für sie zumutbar sei (vgl. Zöller/Greger ZPO 23. Aufl. § 256 Rn. 7a m.w.N.). Indessen besteht keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungs - gegenüber der Leistungsklage. Erstere ist trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn sie unter dem Gesichtspunkt der Prozeßwirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 1978 - VIII ZR 166/77 - NJW 1978, 1520, 1521; Senatsurteil vom 9. Juni 1983 - III ZR 74/82 - NJW 1984, 1118, 1119). Das ist in der Regel anzunehmen, wenn es sich, wie hier, bei der beklagten Partei um eine öffentliche Körperschaft handelt, so daß zu erwarten ist, daß sie sich auch einem eventuellen Feststellungsurteil beugen wird (Senatsurteil vom 9. Juni 1983 aaO). Soweit die Beklagte dem entgegenhält , sie werde sich einem etwaigen Feststellungsurteil im Sinne der Klage nicht einfach beugen können, weil es zur Höhe der geltend gemachten Schadens - bzw. Entschädigungspositionen weiteren Streit geben werde, ist nicht ersichtlich, daß letzteres zu einem weiteren Prozeß (einer Leistungsklage der Kläger) führen müßte.
B.
Die Klage ist jedoch, wie das Berufungsgericht zu Recht ausgesprochen hat, unbegründet. Die von den Klägern geltend gemachten Schadensersatzbzw. Entschädigungsansprüche gegen die Beklagte bestehen nicht.
I.
Einer Zurückweisung der Revision (Abweisung der Klage) im vorliegenden Rechtsstreit steht nicht schon die materielle Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Livadeia vom 30. Oktober 1997 - im Sinne des Verbots einer abweichenden Entscheidung (vgl. BGH, Urteile vom 20. März 1964 - V ZR 34/62 - NJW 1964, 1626 und vom 26. November 1986 - IVb ZR 90/85 - NJW 1987, 1146) - entgegen, soweit dieses bestimmten Schadensersatzansprüchen der Kläger stattgegeben hat und die Parteien und Streitgegenstände des vorliegenden Prozesses und jenes Rechtsstreits in Griechenland in dem betreffenden Umfang identisch sind. Eine inhaltliche Bindung an die ausländische Entscheidung kommt nur in Betracht, wenn und soweit diese von deutschen Gerichten anzuerkennen ist. Daran fehlt es hier.
1. Die Frage, ob das (rechtskräftige) Urteil des Landgerichts Livadeia anzuerkennen ist, richtet sich nicht nach dem Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ). Denn zu den Zivil- und Handelssachen, in denen dieses multilaterale Abkommen gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ anzuwenden ist, gehört - bei einer vertragsautonomen Qualifikation dieses Be-
griffes - nicht der Schadensersatzanspruch gegen einen Hoheitsträger, der in Ausübung hoheitlicher Befugnisse gehandelt hat (vgl. EuGH, Urteil vom 21. April 1993 - Rs. C-172/91 - IPRax 1994, 37 m. Anm. Heß aaO S. 10; Kropholler Europäisches Zivilprozeßrecht 6. Aufl. [1998] Art. 1 EuGVÜ Rn. 8).
2. Auch eine Anerkennung des griechischen Urteils auf der Grundlage des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivilund Handelssachen vom 4. November 1961 (BGBl. 1963 II S. 109) oder auf der Grundlage von § 328 ZPO kommt im Ergebnis nicht in Betracht. Auf nähere Einzelheiten braucht insoweit nicht eingegangen zu werden.
Voraussetzung der Anerkennung des Urteils des Landgerichts Livadeia ist nämlich sowohl nach dem deutsch-griechischen Vertrag vom 4. November 1961 als auch nach § 328 ZPO, daß der dortige Streitgegenstand überhaupt der - von der Bundesrepublik Deutschland in Abrede gestellten - Gerichtsbarkeit des griechischen Staates unterlag. Das wird zwar in den maßgeblichen Vorschriften nicht ausdrücklich ausgesprochen, ergibt sich aber zumindest mittelbar aus dem Erfordernis der internationalen Zuständigkeit des ausländischen Gerichts (vgl. § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO einerseits, Art. 3 Nr. 3 des deutsch-griechischen Abkommens vom 4. November 1961 andererseits) und aus dem Gesichtspunkt des (deutschen) ordre public (§ 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO; Art. 3 Nr. 1 des Abkommens vom 4. November 1961). Diese Anerkennungsvoraussetzung ist nicht erfüllt.
a) Nach dem völkerrechtlichen Grundsatz der (begrenzten) Staatenimmunität kann ein Staat Befreiung von der Gerichtsbarkeit - schon im Erkenntnisverfahren - eines fremden Staats beanspruchen, soweit es um die Beurteilung seines hoheitlichen Verhaltens ("acta iure imperii") geht, während ein Staat nicht gehalten ist, einem fremden Staat in einem gegen diesen gerichteten Erkenntnisverfahren, das über dessen nicht-hoheitliches Verhalten ("acta iure gestionis") befindet, Befreiung von der Gerichtsbarkeit zu gewähren (vgl. BVerfGE 16, 27; 46, 342; Gloria, in: Ipsen, Völkerrecht 4. Aufl. [1999] § 26 Rn. 16 ff; von der Beklagten vorgelegtes Gutachten Tomuschat/McCaffrey v. 24. Oktober 2000, S. 6 ff, 8, 14). Aus dieser herkömmlichen Sicht war Gegenstand des Prozesses vor dem Landgericht Livadeia ein hoheitliches Handeln deutscher Streitkräfte im besetzten Griechenland während des Zweiten Weltkriegs. Dies gilt auf den ersten Blick, wenn man (lex fori des Anerkennungsstaats ) deutsches Recht zugrunde legt, aber grundsätzlich auch nach griechischem Recht, in dem hoheitliches und nicht hoheitliches Handeln ähnlich wie im deutschen Recht unterschieden wird. Soweit das Landgericht Livadeia in seinem Urteil vom 30. Oktober 1997 eine Qualifizierung des in Rede stehenden Kriegsverbrechens (im Kern nur wegen der Schwere des Rechtsverstoßes) als hoheitliches Handeln verneint hat, ist dies methodisch nicht überzeugend.
b) Demgegenüber gibt es in neuerer Zeit Bestrebungen, den Grundsatz der Staatenimmunität noch enger zu fassen und diese bei Verstößen gegen zwingende Normen des Völkerrechts ("ius cogens") nicht anzuerkennen (s. die Darstellungen von Wirth, Jura 2000, 70, 72 ff; Ambos JZ 1999, 16, 21 ff). Das ist jedoch nach überwiegender Meinung nicht geltendes Völkerrecht (vgl. Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten [1992] S. 292 f; Kämmerer, Kriegsrepres-
salie oder Kriegsverbrechen ? ArchVölkerR Bd. 37 [1999] S. 307 f; Rensmann IPRax 1998, 44, 47; Seidl-Hohenveldern IPRax 1996, 52, 53 f; Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte [1997], 87 f; a.A. Kokott, Festschrift Rudolf Bernhardt [1995], 135, 148 f); der Immunitätsvorbehalt liefe sonst auch weitgehend leer (vgl. Reimann IPRax 1995, 123, 127).
Ein anderer Ansatz für eine (weitere) Einschränkung des Grundsatzes der Staatenimmunität ergibt sich aus neueren Konventionen beziehungsweise Konventionsentwürfen, etwa dem Europäischen Übereinkommen vom 16. Mai 1972 (BGBl. II 34), dem allerdings Griechenland bisher nicht beigetreten ist. Nach Art. 11 dieses Europäischen Übereinkommens kann ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität nicht beanspruchen, wenn das Verfahren den Ersatz eines Personen- oder Sachschadens betrifft, das schädigende Ereignis im Gerichtsstaat eingetreten ist und der Schädiger sich bei Eintritt des Ereignisses in diesem Staat aufgehalten hat. Dem Wortlaut nach wären hiervon schadensstiftende Handlungen im Gerichtsstaat unabhängig davon betroffen, ob es sich um "acta iure imperii" handelte oder nicht (vgl. Geiger NJW 1987, 1124, 1125; Heß aaO S. 293). Andererseits geht der Ursprung dieser Regelung eher in die Richtung der Bewältigung von Vorfällen, die mit den hier streitgegenständlichen Handlungen nichts zu tun haben (z.B. Verkehrsunfälle bei Dienstfahrten ausländischer Diplomaten; vgl. Heß aaO; Gutachten Tomuschat/McCaffrey S. 24). Jedenfalls besagt Art. 31 des Übereinkommens vom 16. Mai 1972 ausdrücklich, daß dieses nicht die Immunität oder Vorrechte berührt, die ein Vertragsstaat für alle Handlungen oder Unterlassungen genießt, "die von seinen Streitkräften oder im Zusammenhang mit diesen im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats begangen werden".
Schließlich ist die rückwirkende Anwendung einer "Deliktsklausel" der in Rede stehenden Art bedenklich (vgl. Gutachten Tomuschat/McCaffrey S. 32).
c) Es sprechen danach weiterhin die überwiegenden Gesichtspunkte gegen die Annahme, bei Regeln wie Art. 11 des Europäischen Übereinkommens vom 16. Mai 1972 handele es sich um mittlerweile geltendes Völkergewohnheitsrecht (vgl. Heß IPRax 1994, 10, 14; zweifelnd Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht 3. Aufl. [1997] Rn. 626c; ablehnend Steinberger, State Immunity , in: R. Bernhardt, Encyclopedia of Public International Law 10. Lieferung S. 439). Jedenfalls wird eine militärische Aktion der hier in Rede stehenden Art während eines Krieges hiervon nicht erfaßt, schon gar nicht mit "Rückwirkung" für den Zweiten Weltkrieg.
d) Der Senat ist an der Beurteilung, daß die Beklagte sich gegenüber der Inanspruchnahme vor einem griechischen Gericht wegen des DistomoMassakers im Zweiten Weltkrieg auf die Staatenimmunität berufen konnte, nicht durch Art. 100 Abs. 2 GG gehindert. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn zweifelhaft ist, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist (Art. 25 GG), also auch dann, wenn zweifelhaft ist, ob eine Regel des Völkerrechts , die die dargestellten prozessualen Auswirkungen hätte, überhaupt existiert.
Solche möglicherweise ursprünglich vorhandenen (objektiven) Zweifel, ob die hier erörterte Völkerrechtsregel existiert, sind indessen jedenfalls durch die nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen beseitigt worden:
Das Oberste Sondergericht Griechenlands hat am 17. September 2002 auf eine Vorlage des Areopag in einem anderen Rechtsstreit wegen gleichgelagerter Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland entschieden,
"daß es nach dem gegenwärtigen Entwicklungsstand des Völkerrechts nach wie vor eine allgemein anerkannte Norm dieses Rechts gibt, nach der es unzulässig ist, einen Staat vor dem Gericht eines anderen Staates auf Schadensersatz wegen irgendeines im Hoheitsgebiet des Gerichtsstaats verübten Delikts, an dem in irgendeiner Weise (Art) Streitkräfte des beklagten Landes beteiligt waren, zu verklagen, und zwar sowohl im Kriegs- als auch im Friedensfall", wodurch auch der gegenteilige Ausspruch des Plenums des Areopag vom 4. Mai 2000 betreffend den Prozeß der Kläger vor dem Landgericht Livadeia, was die allgemeine völkerrechtliche Beurteilung durch die Gerichte in Griechenland angeht, als "überholt" anzusehen ist.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit Beschluß vom 12. Dezember 2002 die Beschwerde der im Prozeß vor dem Landgericht Livadeia obsiegenden Kläger dagegen, daß Griechenland die nach der griechischen Zivilprozeßordnung erforderliche Genehmigung zur Zwangsvollstrekkung aus dem Urteil in in Griechenland belegenes Vermögen der Bundesrepublik Deutschland verweigerte (was im Vollstreckungsverfahren die griechischen Gerichte bestätigten), für unzulässig erklärt und zur Begründung ausgeführt, er sehe es nicht für erwiesen an,
"... daß es zum jetzigen Zeitpunkt eine Akzeptanz im Völkerrecht gäbe, wonach Staaten in bezug auf Schadensersatzklagen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit , die in einem anderen Staat geltend gemacht werden, nicht mehr zur Immunität berech-
tigt sein sollten (s. Al-Adsani ./. Vereinigtes Königreich [sc. Nr. 35763/97 EGMR 2001 - XI], ebd., Rn. 66). Demnach könne von der griechischen Regierung nicht verlangt werden, die Regel der Staatenimmunität gegen ihren Willen zu durchbrechen. Dies treffe jedenfalls auf den gegenwärtigen Stand im Völkerrecht zu, wie der Gerichtshof in der vorbezeichneten Rechtssache Al-Adsani erkannt hat, was aber eine Weiterentwicklung des Völkergewohnheitsrechts in der Zukunft nicht ausschließt". Beide Erkenntnisse stehen im Einklang mit der Sicht des Senats.
II.
Hinsichtlich der vom Berufungsgericht in Betracht gezogenen Anspruchsgrundlagen für das Klagebegehren der Kläger ist zu unterscheiden, ob eine Einstandspflicht der Beklagten unter dem Gesichtspunkt einer selbständigen Nachkriegsverpflichtung der Bundesrepublik Deutschland in Betracht kommt oder eine Haftung der Bundesrepublik Deutschland für eine Schuld des zusammengebrochenen Deutschen Reichs aus dem Zweiten Weltkrieg - etwa unter dem Gesichtspunkt der Funktionsnachfolge (vgl. Art. 134 Abs. 4, 135a Abs. 1 Nr. 1 GG; BVerfGE 15, 126, 133 ff; Senatsurteile BGHZ 16, 184, 188 f; 36, 245, 248 f; Kreft in BGB-RGRK 12. Aufl. § 839 Rn. 67).
Eine Anspruchsgrundlage der zuerst genannten Art scheidet hier nach den rechtsfehlerfreien Ausführungen des Berufungsgerichts aus. Es hat mit Recht angenommen, daß das Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (Bundesentschädigungsgesetz - BEG) vom 18. September 1953 (BGBl. I S. 1387) die vorliegenden Ansprüche der Kläger nicht abdeckt. Gemäß § 1 Abs. 1 BEG hat einen Anspruch nach diesem Gesetz nur derjenige, der in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 (Verfolgungszeit ) wegen seiner gegen den Nationalsozialismus gerichteten politi-
schen Überzeugung, aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung (Verfolgungsgründe) durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen oder in seinem beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat (Verfolgter). Der Verfolgung wegen politischer Überzeugung gleichgestellt wird eine Verfolgung, die darauf beruht, daß der Verfolgte aufgrund eigener Gewissensentscheidung sich unter Gefährdung seiner Person aktiv gegen die Mißachtung der Menschenwürde oder gegen die sittlich , auch durch den Krieg, nicht gerechtfertigte Vernichtung von Menschenleben eingesetzt hat (§ 1 Abs. 2 BEG). Nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen in diesem Sinne sind deshalb nur gegeben, wenn sie aus den genannten Verfolgungsgründen vorgenommen worden sind (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BEG). Um Maßnahmen dieser Art handelte es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der Zerstörung des Dorfes Distomo und der Exekution ihrer Bewohner jedoch nicht. Die tatrichterliche Feststellung, Gründe der politischen Gegnerschaft oder der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung hätten diesen Vorgängen nicht zugrunde gelegen, wird von der Revision nicht angegriffen.
III.
1. Das Berufungsgericht, das auch Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs verneint, hat sich nicht durch Art. 5 Abs. 2 des Abkommens über deutsche Auslandsschulden vom 27. Februar 1953 (BGBl. II 1953, 336; Londoner Schuldenabkommen - LondSchAbk) - dessen Anwendbarkeit im Streitfall es offengelassen hat - ge-
hindert gesehen, den Klageanspruch unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen und die Klage insoweit endgültig abzuweisen. Das ist im Ergebnis richtig.
a) Durch Art. 5 Abs. 2 des Londoner Schuldenabkommens, das auch für das Königreich Griechenland Geltung erlangt hat (vgl. Bekanntmachung vom 4. Juli 1956, BGBl. II S. 864; in Kraft getreten am 21. April 1956) wurde "eine Prüfung der aus dem Zweiten Weltkrieg herrührenden Forderungen von Staaten , die sich mit Deutschland im Kriegszustand befanden oder deren Gebiet von Deutschland besetzt war, und von Staatsangehörigen dieser Staaten gegen das Reich und im Auftrage des Reichs handelnde Stellen oder Personen ... bis zur endgültigen Regelung der Reparationsfrage zurückgestellt". Das kam nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in seiner rechtlichen Wirkung - bis zum Zustandekommen der vorgesehenen "Regelung" der Reparationsfrage - einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Stillhalteabkommen (Moratorium) gleich. Die genannten Forderungen waren also vorläufig gestundet und deshalb regelmäßig mangels Fälligkeit als zur Zeit unbegründet abzuweisen (BGHZ 16, 207, 211 f; 18, 22, 30; BGH, Urteile vom 26. Februar 1963 - VI ZR 85/62 - MDR 1963, 492 und vom 19. Juni 1973 - VI ZR 74/70 - NJW 1973, 1549, 1552). Das heißt, daß, soweit die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 LondSchAbk greift, die Klageforderung grundsätzlich sachlich nicht geprüft - also im Regelfall auch nicht endgültig abgewiesen - werden konnte (BGH, Urteile vom 26. Februar 1963 aaO und vom 19. Juni 1973 aaO).
b) Das Londoner Schuldenabkommen ist jedoch durch die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland ("Zwei-plus-Vier-Vertrag" vom 12. September 1990, BGBl. II S. 1318; in Kraft seit dem 15. März 1991, BGBl. II S. 585) im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands als Moratorium
gegenstandslos geworden. Der Senat folgt insoweit der obergerichtlichen Rechtsprechung (OVG Münster NJW 1998, 2302; OLG Stuttgart NJW 2000, 2680; OLG Hamm NJW 2000, 3577, 3579; KG KGReport 2000, 257,259 f) und der in diesem Punkt jedenfalls im Ergebnis einhelligen Fachliteratur (vgl. SeidlHohenveldern Völkerrecht 9. Aufl. Rn. 1871 ff; Blumenwitz NJW 1990, 3041, 3042; Dolzer NJW 2000, 2480, 2481; Eichhorn, Reparation als völkerrechtliche Deliktshaftung [1992], S. 144 ff; v. Goetze NJW 1990, 2161, 2168; Kämmerer ArchVölkerR Bd. 37 [1999], 283 ff, 312 ff, 315; Kempen, Die deutsch-polnische Grenze nach der Regelung des Zwei-plus-Vier-Vertrages [1997], 208 ff, 218 f; Paech KritJustiz 1999, 381, 391; Rauschning DVBl. 1990, 1275, 1279 f ; ders. JuS 1991, 977, 983; Weiß JA 1991, 56, 60). Der Zwei-plus-Vier-Vertrag mag zwar nicht als Friedensvertrag im herkömmlichen Sinne, der üblicherweise die Beendigung des Kriegszustandes, die Aufnahme friedlicher Beziehungen und eine umfassende Regelung der durch den Krieg entstandenen Rechtsfragen erfaßt, zu qualifizieren sein. Er hatte aber erklärtermaßen das Ziel, eine abschließende Regelung in bezug auf Deutschland herbeizuführen, und es wurde deutlich, daß es weitere (friedens-)vertragliche Regelungen über rechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg nicht geben wird. Hieraus ergab sich auch, daß die Reparationsfrage in bezug auf Deutschland nach dem Willen der Vertragspartner nicht mehr vertraglich geregelt werden soll. Die Bundesregierung hat auch am 27. Oktober 1997 im Bundestag ausdrücklich die Erklärung abgegeben, daß es zwar wegen der bekannten Gegensätze der vier Hauptsiegermächte in der Nachkriegszeit nicht zu der im Londoner Schuldenabkommen vorgesehenen endgültigen Regelung der Reparationszahlungen gekommen sei, daß jedoch fünfzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges "die Reparationsfrage obsolet" geworden sei und daß in diesem Verständnis die Bundesregierung den Vertrag über die abschließende Regelung in be-
zug auf Deutschland abgeschlossen habe (BT-Drucks.13/8840 S. 2; in diesem Sinne auch MdB Bosbach in der Plenardebatte des Bundestages am 6. Juli 2000, BT-Plenarprot. 14/114 S. 10755). Daran ist die Beklagte festzuhalten. Soweit sie im vorliegenden Prozeß darüber hinaus meint, der Zwei-plus-Vier- Vertrag schließe sämtliche unter Art. 5 Abs. 2 LondSchAbk fallenden Individualansprüche endgültig aus (vgl. auch Eichhorn aaO S. 144 f), hat dies allerdings , was die streitigen Ansprüche der Kläger angeht, keine Grundlage, weil - abgesehen davon, daß Griechenland nicht Vertragspartei war - nicht ersichtlich ist, woraus sich ein Verzicht dieses Staates auf individuelle Ansprüche zu Lasten seiner Angehörigen ergeben und seine Wirksamkeit herleiten soll. Schon in dem Vertrag vom 18. März 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über Leistungen zugunsten griechischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen sind (BGBl. II S. 1597), aufgrund dessen die Beklagte an Griechenland 115 Millionen DM gezahlt hat, waren von der Erledigungsklausel in Art. III ausdrücklich "etwaige gesetzliche Ansprüche griechischer Staatsangehöriger" gegen die Bundesrepublik Deutschland ausgenommen worden.
2. Ausgehend davon, daß Art. 5 Abs. 2 LondSchAbk für den Klageanspruch zwar einschlägig war, aber dessen Prüfung jetzt nicht mehr hindert, kann dem Anspruch auch nicht - was das Berufungsgericht ebenfalls offenläßt - das Gesetz zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden (Allgemeines Kriegsfolgengesetz - AKG) vom 5. November 1957 (BGBl. I S. 1747) entgegenstehen, das das Erlöschen bestimmter Ansprüche unter anderem gegen das Deutsche Reich anordnet, jedoch ausspricht, daß das Londoner Schuldenabkommen durch dieses Gesetz nicht berührt wird (§ 101 AKG; dazu Féaux de la Croix,
AKG [1959], § 101 Anm. 3 f), d.h. daß Ansprüche, die dem Londoner Schuldenabkommen unterliegen, vom Allgemeinen Kriegsfolgengesetz nicht erfaßt werden (Kämmerer aaO S. 312 Fn. 127).
3. Schließlich wird der vorliegende Anspruch auch nicht durch den bereits erwähnten deutsch-griechischen Vertrag vom 18. März 1960 ausgeschlossen. Denn dieser Vertrag regelt nur die Folgen nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen und läßt etwaige gesetzliche Ansprüche griechischer Staatsangehöriger ausdrücklich unberührt.
IV.
Für die Beurteilung etwaiger Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche gegen das Deutsche Reich, für die die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls haften müßte, kommt es auf die Rechtslage zu der Zeit, als die hier in Rede stehende Tat begangen wurde (1944), an. Denn es handelte sich bei solchen Schulden, auch wenn sie von der Bundesrepublik Deutschland zu erfüllen wären, immer nur um "Verbindlichkeiten des Reiches" (vgl. Art. 135a Abs. 1 Nr. 1 GG). Selbst auf der Grundlage der Identität des Bundes mit dem Reiche (vgl. BVerfGE 36, 1, 15 f; BGH, Beschluß vom 17. Dezember 1998 - IX ZB 59/97 - NJW-RR 1999, 1007) würde sich nicht eine Einstandspflicht der Bundesrepublik Deutschland für Reichsschulden wie für seit ihrer Entstehung neu begründete eigene Verbindlichkeiten ergeben (BVerfGE 15, 126, 145; zur Abgrenzung vgl. Senatsurteile BGHZ 29, 22 f; 36, 245, 247). Dies bedeutet insbesondere, daß hinsichtlich der gegen das Reich in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen rechtliche Fortentwicklungen bzw. veränderte Rechtsanschauungen - etwa im Lichte des heute geltenden Grundgesetzes oder von Änderungen des internationalen Rechts - außer Betracht bleiben müssen. Bei alledem versteht sich von selbst, daß bei der Ermittlung und Würdigung der maßgeblichen Rechtslage im Jahre 1944 nationalsozialistisches Gedankengut unberücksichtigt zu bleiben hat.
Jedenfalls aus diesem Blickwinkel ergibt sich, daß den Klägern aus dem Geschehen vom 10. Juni 1944 in Distomo keine Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche gegen das Deutsche Reich, für die die Bundesrepublik Deutschland einzustehen hätte, erwachsen sind.
1. Einen Schadensersatz- bzw. Entschädigungsanspruch der Kläger wegen eines völkerrechtlichen Delikts verneint das Berufungsgericht mit der Begründung , zwar handele es sich um ein Kriegsverbrechen, nach den überkommenen Grundsätzen des Völkerrechts stünden jedoch darauf gegründete Ersatzansprüche regelmäßig nicht der verletzten Person selbst zu, sondern nur ihrem Heimatstaat.
a) Diese Rechtsauffassung trifft jedenfalls für den hier zu beurteilenden Zeitpunkt zu (s. BVerfGE 94, 315, 329 f): Die traditionelle Konzeption des Völkerrechts als eines zwischenstaatlichen Rechts versteht den einzelnen nicht als Völkerrechtssubjekt, sondern gewährt ihm nur mittelbaren internationalen Schutz. Bei völkerrechtlichen Delikten durch Handlungen gegenüber fremden Staatsbürgern steht ein Anspruch nicht dem Betroffenen selbst, sondern nur seinem Heimatstaat zu. Der Staat macht im Wege des diplomatischen Schutzes sein eigenes Recht darauf geltend, daß das Völkerrecht in der Person seines Staatsangehörigen beachtet wird. Dieses Prinzip einer ausschließlichen Staatenberechtigung galt in den Jahren 1943 bis 1945 auch für die Verletzung von Menschenrechten. Der einzelne konnte grundsätzlich weder die Feststellung des Unrechts noch einen Unrechtsausgleich verlangen. Auch hatte er weder nach Völkerrecht noch in der Regel nach dem innerstaatlichen Recht des einzelnen Staates einen subjektiven, durchsetzbaren Anspruch darauf, daß sein Heimatstaat den diplomatischen Schutz ausübt. Dementsprechend finden nach Art. 2 des Abkommens betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom 18. Oktober 1907 (Haager Landkriegsordnung - HLKO) deren Bestimmungen "nur zwischen den Vertragsmächten Anwendung", und gemäß Art. 3 HLKO ist gegebenenfalls "die Kriegspartei" (gegenüber der anderen Kriegspartei) zum Schadensersatz verpflichtet.
Wie das Bundesverfassungsgericht (aaO) weiter ausgeführt hat, gewährt das Völkerrecht erst in der neueren Entwicklung eines erweiterten Schutzes der Menschenrechte dem einzelnen ein eigenes Recht, berechtigt andere Völkerrechtssubjekte auf der Grundlage von Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zur Intervention bei gravierenden Verstößen und entwickelt vertragliche Schutzsysteme, in denen der einzelne seinen Anspruch auch selbst verfolgen kann. Auf letzteres kann es indessen, wie gesagt, im Streitfall nicht ankommen.
b) Auch in Verbindung mit Art. 4 WRV ergab sich für die Kläger keine eigene (völkerrechtliche) Anspruchsposition. Zwar begründete diese Verfassungsbestimmung die "direkte Anwendung völkerrechtlicher Normen", auch zugunsten von Einzelpersonen, die damit unter Berufung auf das Völkerrecht gegebenenfalls Klageansprüche erheben konnten (Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 12. Aufl. S. 61). Das setzte aber voraus, daß das maßgebliche Völkerrecht seinem Inhalt nach eine Grundlage für solche Einzelansprüche bot. Das war bei Art. 3 HLKO, der insoweit allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kam, nicht der Fall.
c) Die bisherige Sicht wird - bezogen auf den hier maßgeblichen Tatzeitpunkt - auch nicht durch die Ausführungen in dem von den Klägern vorgelegten Gutachten Fleiner (S. 23 f) über die fortschreitende Anerkennung der Völkerrechtssubjektivität von Individuen in Frage gestellt. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, Art. 3 HLKO räume dem in seinen Rechten verletzten Individuum nicht die Befugnis ein, von einem Staat in einem gerichtsförmigen Verfahren Schadensersatz zu verlangen, wird hierdurch nicht entkräftet, auch nicht
durch die Qualifizierung, es handele sich um "individualisierte" Verbrechen (Fleiner S. 29), über die die betroffenen Staaten gar keine Abkommen schlie- ßen könnten; für eine derartige Sicht - im Jahre 1944 - gibt es keine Anhaltspunkte. Ebensowenig steht der herkömmlichen Beurteilung (nach Völkerrecht) - für den hier maßgeblichen Zeitpunkt - die Auffassung entgegen, es habe sich bei den hier zu beurteilenden Handlungen um zwar (auch) dem Kriegsvölkerrecht unterfallende, jedoch außerhalb des "Kriegsgeschehens" liegende Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung im Sinne einer bloßen "Polizeiaktion" der Besatzungsmacht gehandelt (Gutachten Fleiner S. 19; vgl. auch Paech Krit. Justiz 1999, 380, 395 f). Das zweifelsfrei verbrecherische Massaker von Distomo geschah nach dem vorliegenden - unstreitigen - Sachverhalt, wonach es sich um die "Sühnemaßnahme" einer in die Wehrmacht eingegliederten SS-Einheit im Zusammenhang mit einer vorausgegangenen bewaffneten Auseinandersetzung mit Partisanen handelte, in Ausübung militärischer Gewalt auf besetztem feindlichen Gebiet, fällt also in einen von der Haager Landkriegsordnung unmittelbar erfaßten Bereich (vgl. Art. 42 ff, 46, 50 der Anlage zum Abkommen). Der Umstand, daß die wehrlose, an dem vorausgegangenen Kampfgeschehen unbeteiligte Zivilbevölkerung das Opfer war, ändert an diesen Zusammenhängen und der Würdigung, daß es sich um eine - wenn auch in jeder Hinsicht rechtswidrige - militärische Operation handelte, nichts. Mit dieser Beurteilung stimmt überein, daß auch das Griechische Oberste Sondergericht in seinem Urteil vom 17. September 2002 (s. oben I. 2. d.) vergleichbare andere Vorgänge im besetzten Griechenland als "Kriegshandlungen" bezeichnet und bewertet hat.
2. Jedenfalls im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht auch einen Schadensersatzanspruch der Kläger gegen das Deutsche Reich wegen Amtspflichtverletzung nach nationalem Recht - hier also gemäß den allgemeinen
kollisionsrechtlichen Regeln nach deutschem Staatshaftungsrecht (Kreuzer, in: MünchKomm/BGB 3. Aufl. Art. 38 EGBGB Rn. 277 m.w.N.) - verneint.
Für etwaige individuelle ("zivilrechtliche") Ersatzansprüche der verletzten Personen aus nationalem Recht ist und war allerdings neben einem völkerrechtlichen Anspruch ihres Heimatstaats gegen den Staat, dem das in Rede stehende Kriegsverbrechen zuzurechnen ist, durchaus Raum. Zwar wird von einem Teil der Literatur der Grundsatz der völkerrechtlichen Exklusivität in dem Sinne vertreten, daß individuelle Reparationsansprüche in den zwischenstaatlichen Reparationsansprüchen aufgehen (vgl. Granow, AÖR 77 [1951/52], 67, 72 f; Féaux de la Croix, NJW 1960, 2268, 2269; Eichhorn, Reparation als völkerrechtliche Deliktshaftung [1992], S. 78 f: "Absorption des Individualreparationsanspruches" ). Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch ausgesprochen, daß es eine allgemeine Regel des Völkerrechts, wonach Ansprüche aus innerstaatlichem Recht, die auf Kriegsereignissen beruhen, nicht individuell durchsetzbar sind, sondern nur auf zwischenstaatlicher Ebene geltend gemacht werden können, nicht gibt (BVerfGE 94, 315, 330 ff). Eine solche allgemeine Regel mag, ohne daß dies näher untersucht zu werden braucht, auch für die Zeit des Zweiten Weltkriegs nicht nachweisbar sein.
a) Das Berufungsgericht verneint einen Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 131 WRV mit folgender Begründung: Schadensersatz werde nach diesen Vorschriften nur geschuldet, wenn die im einzelnen verletzte Amtspflicht gerade auch gegenüber dem Geschädigten bestanden habe (sogenannte Drittbezogenheit der Amtspflicht; vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 5. Aufl. S. 56 ff). Die Drittbezogenheit der Amtspflicht werde zwar nach allgemeiner Meinung gerade bei der Verletzung absoluter Rechte
bejaht. Der unmittelbar Verletzte könne deshalb in einem solchen Fall die Beseitigung der Unrechtsfolgen verlangen. Das gelte jedoch grundsätzlich nicht für Kriegsschäden, also für solche Nachteile und Verluste, die Nichtkombattanten an ihrer Person, ihrem Eigentum oder ihrem Vermögen durch Kriegsoder Besetzungshandlungen, namentlich durch die Anwendung bewaffneter Gewalt, erlitten. Der Krieg sei ein Ausnahmezustand des Völkerrechts. Sein Wesen bestehe im umfassenden Rückgriff auf die Gewalt, die nicht nur die Rechtsgüter eines Staates und seiner Bürger bedrohe, sondern auch zur Grundlage aller Beziehungen zwischen mehreren Staaten werde. In dem von Gewaltanwendung geprägten Zustand werde die bisher geltende Rechtsordnung weitgehend suspendiert und an die Stelle der suspendierten Vorschriften der normalerweise geltenden Rechtsordnung trete eine Ausnahmeordnung ("ius in bello"). In dieser Ausnahmeordnung hätten jene Normen keine Geltung, die im Rahmen der Friedensordnung bestimmten, unter welchen Voraussetzungen für die Verletzung von Amtspflichten gehaftet werde. Die Vorstellung, die kriegführenden Parteien hafteten den Millionen von Opfern und Geschädigten gegenüber nach Deliktsgrundsätzen, sei deshalb "dem Amtshaftungsrecht systemfremd"; es hätten vielmehr bei bewaffneten Auseinandersetzungen die Regelungen des internationalen Kriegsrechts zu gelten, die das Amtshaftungsrecht überlagerten.
Etwas anderes könnte allerdings gelten - erwägt das Berufungsgericht weiter -, wenn sich wie hier die handelnden Organe außerhalb des für die Kriegsführung geltenden Regelwerks stellten, namentlich, wenn die in der Haager Landkriegsordnung postulierten Handlungs- und Unterlassungspflichten verletzt würden. Die Frage sei, ob für diesen Fall nicht nur dem Staat, sondern auch dem einzelnen, der in seinen Rechten verletzt worden sei, ein An-
spruch auf Beseitigung der Unrechtsfolgen eingeräumt werde. Unter diesem Gesichtspunkt zieht das Berufungsgericht Art. 3 HLKO in Betracht, gelangt jedoch zu dem Ergebnis, diese Vorschrift gewähre nicht dem verletzten Individuum , sondern nur der betroffenen "Kriegspartei" ein subjektives Recht auf Schadensersatz.
b) Diesen Ausführungen schließt sich der Senat jedenfalls im Ergebnis an. Nach dem Verständnis und Gesamtzusammenhang des zur Tatzeit (1944) geltenden deutschen Rechts waren die dem Deutschen Reich völkerrechtlich zurechenbaren militärischen Handlungen während des Kriegs im Ausland von dem - eine innerstaatliche Verantwortlichkeit des Staats auslösenden - Amtshaftungstatbestand des § 839 BGB i.V.m. Art. 131 WRV ausgenommen (zur Frage der Fortgeltung des Art. 131 WRV vgl. Staudinger/Wurm [2002] § 839 Rn. 8).
aa) Zwar sind die Tatbestandselemente des § 839 Abs. 1 BGB dem Wortlaut der Vorschrift nach sämtlich erfüllt: Bei der "Sühnemaßnahme" der deutschen SS-Einheit vom 10. Juni 1944 gegen das Dorf Distomo mit einer Massenexekution und der Zerstörung der Häuser handelte es sich um einen Akt der deutschen militärischen Besatzungsmacht, dessen hoheitliche Natur und Zurechnung unbeschadet dessen außer Frage steht, daß der verantwortliche Einheitsführer den Anweisungen der vorgesetzten Stellen zuwiderhandelte und sein Befehl zu dem Massaker ein Kriegsverbrechen darstellte. An dem Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen ändert, wie bereits ausgeführt, auch der Umstand nichts, daß es sich bei dem Massaker in Distomo um ein Verbrechen der SS handelte. Die beteiligte SS-Einheit war in die deutsche Wehrmacht eingegliedert. Angesichts der taktischen Zuordnung der Waffen-SS zu
den kämpfenden Truppen im allgemeinen und der konkreten Zusammenhänge - es waren Kämpfe mit Partisanen vorausgegangen - läßt sich dieses Geschehen amtshaftungsrechtlich vom Kriegsgeschehen insgesamt nicht abtrennen. Es bedarf auch keiner weiteren Ausführungen dazu, daß es - auch in der damaligen Zeit und im Krieg - zu den Amtspflichten eines deutschen Soldaten gehörte, sich nicht in völkerrechtswidriger, kriegsverbrecherischer Art und Weise an fremdem Leben und Eigentum zu vergreifen, wie es hier - vorsätzlich - geschehen ist. Diese Amtspflichten waren entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch bezogen auf die betroffenen Personen (Opfer) zwangsläufig im amtshaftungsrechtlichen Sinne "drittgerichtet".
bb) Gleichwohl ist davon auszugehen, daß nach dem damaligen Verständnis des Kriegsgeschehens im allgemeinen, des anerkannten (weitgehend als ausschließlich verstandenen) völkerrechtlichen Haftungssystems für Verstöße gegen die Regeln des Krieges und der überkommenen Regelung des Art. 131 WRV, wonach die Verantwortlichkeit des Staates für die Amtspflichtverletzungen seiner Beamten nur "grundsätzlich" gegeben war, eine Einstandspflicht des Staates nach innerstaatlichem Amtshaftungsrecht gegenüber durch Kriegshandlungen im Ausland geschädigten Ausländern nicht gegeben war.
(1) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wurde der Krieg als völkerrechtlicher Ausnahmezustand gesehen, der seinem Wesen nach auf Gewaltanwendung ausgerichtet ist und die im Frieden geltende Rechtsordnung weitgehend suspendiert. Die Verantwortlichkeit für den Beginn eines Kriegs und die Folgen der damit zwangsläufig verbundenen kollektiven Gewaltanwendung wie auch die Haftung für individuelle Kriegsverbrechen der zu den be-
waffneten Mächten gehörenden Personen wurde auf der Ebene der kriegsführenden Staaten geregelt bzw. als regelungsbedürftig angesehen. Dementsprechend haftet nach allgemeinem Völkerrecht der illegale Kriegseröffner für alle Schäden, die dem verletzten Staat aus dieser illegalen Kriegseröffnung erwachsen (vgl. Berber, Lehrbuch des Völkerrechts II. Bd. Kriegsrecht 2. Aufl. [1969] § 48 S. 238 f). Gleichermaßen hat die Kriegspartei, die bei der Kriegsführung anerkannte Grundsätze des Völkerrechts verletzt, dem betroffenen Staat für den aus dieser Verletzung entstehenden Schaden einzustehen; dies umfaßt die Haftung für die Handlungen aller zu der bewaffneten Macht gehörenden Personen, und zwar nicht nur, wenn diese Personen kompetenzmäßige Akte begehen, sondern auch dann, wenn sie ohne oder gegen Befehle handeln (vgl. Berber aaO S. 238). Aus dieser Sicht des Kriegs als eines in erster Linie kollektiven Gewaltakts, der als "Verhältnis von Staat zu Staat" aufgefaßt wurde (vgl. Gursky, AWD 1961, 12, 14 f; bezeichnend für diese Sicht ist auch die Darstellung von Féaux de la Croix, NJW 1960, 2268, 2269), lag - jedenfalls damals - die Vorstellung fern, ein kriegsführender Staat könne sich durch Delikte seiner bewaffneten Macht während des Kriegs im Ausland (auch) gegenüber den Opfern unmittelbar schadensersatzpflichtig machen. Selbst Kelsen (Unrecht und Unrechtsfolge im Völkerrecht, ZöR Bd. XII [1932], 481, 522 f), der bereits 1932 den Standpunkt vertreten hat, durch ein völkerrechtliches Unrecht könne rechtlich nicht nur ein Staat, sondern auch ein einzelner Mensch verletzt werden, hat es lediglich für möglich gehalten, daß diesem selbst eine Parteistellung vor einem internationalen Gericht gewährt werden könnte; zugleich stellt er jedoch fest, daß es nach geltendem Recht immer nur ein Staat sei, der die völkerrechtliche Unrechtsfolge zu realisieren habe.
(2) Das Ergebnis, daß es zumindest nach der damaligen Rechtsauffassung ausgeschlossen erscheint, daß das Deutsche Reich mit seinem nationalen Amtshaftungsrecht auch durch völkerrechtswidrige Kriegshandlungen deutscher Soldaten im Ausland verletzten ausländischen Personen individuelle Schadensersatzansprüche einräumen wollte, bestätigt sich vor dem Hintergrund des in § 7 des Gesetzes über die Haftung des Reiches für seine Beamten - Reichsbeamtenhaftungsgesetz (RBHG) - vom 22. Mai 1910 (RGBl. S. 798) geregelten Haftungsausschlusses.
Nach dieser Vorschrift stand den Angehörigen eines auswärtigen Staates ein Ersatzanspruch aufgrund dieses Gesetzes gegen das Deutsche Reich nur insoweit zu, als nach einer im Reichs-Gesetzblatt enthaltenen Bekanntmachung des Reichskanzlers durch die Gesetzgebung des ausländischen Staates oder durch Staatsvertrag die Gegenseitigkeit verbürgt war. Der Ausschluß der Staatshaftung gegenüber Ausländern in diesem Umfang, der für die Bundesrepublik Deutschland erst mit Wirkung vom 1. Juli 1992 geändert worden ist (Art. 6 des Gesetzes über dienstrechtliche Regelungen für Verwendungen im Ausland vom 28. Juli 1993 [BGBl. I S. 1394, 1398]) - allerdings seit der Geltung des Grundgesetzes und insbesondere nach dem Inkrafttreten des europäischen Gemeinschaftsrechts verfassungsrechtlich und rechtspolitisch umstritten ist (vgl. Ossenbühl aaO S. 98 ff m.w.N.; MünchKomm-Papier 3. Aufl. § 839 Rn. 340 ff) -, stand nach dem allgemeinen Verständnis des deutschen Staatshaftungsrechts bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs rechtlich außer Frage (vgl. RG JW 1926, 1332; RGZ 128, 238, 240; Anschütz aaO 14. Aufl. II. Hauptteil Art. 131 Anm. 14 S. 613; Delius, Die Beamtenhaftpflichtgesetze 4. Aufl. S. 23 f), zumal unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung die Verantwortlichkeit des Staats für amtspflichtwidriges Verhalten seiner Amtsträ-
ger zweifelsfrei und anerkanntermaßen unter einem Gesetzesvorbehalt für Ausnahmen - wenn auch in engen Grenzen - stand (Art. 131 WRV; hierzu Anschütz aaO Anm. 13 S. 612 f; zur Auslegung des heute geltenden Art. 34 GG vgl. Ossenbühl aaO S. 96 f; Papier aaO Rn. 332 jeweils m.w.N.). Andererseits war eine "Verbürgung der Gegenseitigkeit" - die im übrigen im Verhältnis zu Griechenland allgemein erst ab der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben war (vgl. Bekanntmachung vom 31. Mai 1957; BGBl. I S. 607) -, was die individualrechtliche Staatshaftung für die Auswirkungen von Kriegshandlungen im Ausland anging, schon im Hinblick auf die vorstehend erörterte einhellige völkerrechtliche "Bewältigung" der Haftungsfrage bei völkerrechtlichen Delikten im Krieg von vornherein nicht zu erwarten, d.h. praktisch ausgeschlossen.
(3) Vor diesem damaligen Hintergrund erscheint es erklärbar, daß das Deutsche Reich während des Zweiten Weltkrieges eine Reihe von Bestimmungen erließ, die ebenfalls - ohne daß es sich insoweit um spezifisch nationalsozialistisches Unrecht (vgl. BVerfGE 23, 98, 106; 54, 53, 68; BGHZ 16, 350, 353 f; 26, 91, 93) handelte - keinerlei Anhalt dafür bieten, daß nach dem maßgebenden Rechtsverständnis im Jahre 1944 eine Haftung des Deutschen Reiches für völkerrechtswidrige Kriegshandlungen seiner Truppen im Ausland gegenüber geschädigten Individualpersonen in Betracht kam.
(aa) Bezüglich der Kriegspersonenschäden sah die Verordnung über die Entschädigung von Personenschäden (Personenschädenverordnung - PersonenschädenVO ) vom 10. November 1940 (RGBl. I S. 1482) vor, daß deutsche Staatsangehörige wegen - im Reich oder außerhalb des Reichs (vgl. Däubler DJ 1943, 36, 38) - durch Kampfhandlungen erlittener Schäden an Leib oder Leben "Fürsorge und Versorgung" erhalten sollten. Zugleich griff die Perso-
nenschädenverordnung in das Schadensersatzrecht ein, indem sie unter anderem in § 10 vorschrieb, daß Ansprüche gegen das Reich nur nach Maßgabe dieser Verordnung bestünden. Dies wurde dahin verstanden, daß wegen eines im Ausland erlittenen Kriegsschadens eines deutschen Staatsangehörigen kein Schadensersatzanspruch gegen das Reich erhoben werden könne (Däubler aaO S. 38), was nahelegt, daß für Schadensersatzansprüche von Ausländern wegen Personenschäden durch im Ausland begangene deutsche Kriegshandlungen erst recht keine Grundlage gesehen werden konnte.
(bb) Bezüglich der Kriegssachschäden sah die Kriegssachschädenverordnung - KriegssachschädenVO - vom 30. November 1940 (RGBl. I S. 1547) Entschädigungsansprüche für Schäden aus Kampfhandlungen innerhalb des Gebiets des großdeutschen Reichs vor. Später wurde die Kriegssachschädenverordnung auf bestimmte, außerhalb des Reichsgebiets eingetretene Schäden ausgedehnt (Erste, Zweite, Dritte und Vierte Verordnung über die Ausdehnung der Kriegssachschädenverordnung auf außerhalb des Reichsgebiets eingetretene Schäden vom 18. April 1941, 18. Februar 1942, 7. Juli 1942 und 26. November 1942 [RGBl. 1941 I S. 215, RGBl. 1942 I S. 84, 446, 665]). Ausländer konnten - soweit überhaupt - nur mit Genehmigung der oberen Verwaltungsbehörde Anträge auf Ersatz von Kriegssachschäden stellen (§ 13 Abs. 2). Kehrseite der Regelung war, daß wegen eines unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KriegssachschädenVO entstandenen Schadens - also aus Kampfhandlungen oder aus hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden militärischen Maßnahmen - gesetzliche Schadensersatzansprüche gegen das Reich nicht geltend gemacht werden konnten (§ 28 Abs. 2 KriegssachschädenVO ). Was Kriegssachschäden deutscher Staatsangehöriger außerhalb des Reiches anging, wurde von Däubler (aaO S. 38) allerdings der Standpunkt
vertreten, hier könne eine dem Zweck der Kriegssachschädenverordnung entsprechende Auslegung nicht zu einer Anwendung des § 28 Abs. 2 führen, vielmehr dürfe, da die Kriegssachschädenverordnung nach ihrer positiven Seite hin ausscheide, die negative Bestimmung des § 28 Abs. 2 nicht für sich allein angewendet werden. Für Sachschäden von Ausländern bei Kampfhandlungen im Ausland stellte er derartige Erwägungen indessen nicht an.
cc) Ob nach dem heutigen Amtshaftungsrecht der Bundesrepublik Deutschland im Lichte des Grundgesetzes und der Weiterentwicklungen im internationalen Recht ähnliches gelten würde oder ob etwa auch im Blick auf § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG der von Ossenbühl (aaO S. 126 f) zum Rechtsinstitut des allgemeinen Aufopferungsanspruchs geäußerte Gedanke ohne weiteres durchgriffe, dieser Anspruch sei nur für den "Normalfall" gedacht - staatliche Katastrophenfälle wie namentlich Kriege, könnten in ihren Auswirkungen nicht über den allgemeinen Aufopferungsanspruch entschädigungsrechtlich reguliert werden, sondern sie bedürften besonderer Ausgleichsnormen und Ausgleichsmaßstäbe, die in entsprechenden Gesetzen niederzulegen seien -, kann dahinstehen. Denn es geht, wie gesagt, im Streitfall um einen Amtshaftungsanspruch nach dem Recht des Deutschen Reichs (§ 839 BGB i.V.m. Art. 131 WRV), der nach allem verneint werden muß.
3. Schließlich hat das Berufungsgericht auch unter dem Gesichtspunkt eines (rechtswidrigen) enteignungsgleichen bzw. aufopferungsgleichen Eingriffs (vgl. hierzu Ossenbühl aaO S. 131 ff, 213 ff) eine Anspruchsgrundlage für das Begehren der Kläger rechtsfehlerfrei verneint. Dabei wäre aus der damaligen Sicht der Rechtsprechung (vgl. RGZ 140, 285) für die Heranziehung des Aufopferungsgedankens wohl schon deshalb kein Raum, weil schuldhaft rechts-
widrige Maßnahmen, die in Ausübung öffentlicher Gewalt getroffen waren, nach damaliger Ansicht lediglich einen Amtshaftungsanspruch auslösen konnten (vgl. Kreft in BGB-RGRK 12. Aufl. vor § 839 Rn. 8). Jedenfalls war der aus den §§ 74, 75 EinlALR hergeleitete Aufopferungsgedanke, der auch dem Rechtsin-
stitut des enteignungsgleichen Eingriffs zugrunde liegt, auf Maßnahmen der Verwaltung eingeengt, Kriegsschäden waren ausgeklammert (vgl. Ossenbühl aaO S. 126, 127, oben B. IV. 2. bb).
Rinne Wurm Streck Schlick Dörr
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger sind griechische Staatsangehörige. Ihre Eltern wurden am 10. Juni 1944 im damals besetzten Griechenland von Angehörigen einer in die deutsche Wehrmacht eingegliederten SS-Einheit nach einer vorausgegangenen bewaffneten Auseinandersetzung mit Partisanen im Zuge einer gegen das Dorf Distomo (Böotien) gerichteten "Sühnemaßnahme" erschossen, zusammen mit weiteren 300 an den Partisanenkämpfen unbeteiligten Dorfbewohnern - überwiegend Frauen und Kindern - sowie zwölf gefangengenommenen Partisanen. Das Dorf wurde niedergebrannt.
Die Kläger nehmen die beklagte Bundesrepublik Deutschland aus übergegangenem Recht (wegen Zerstörung des elterlichen Hauses nebst Inventar
und Warenbestand des von ihren Eltern geführten Einzelhandelsgeschäfts) und aus eigenem Recht (wegen gesundheitlicher Schäden und Nachteile in der beruflichen Ausbildung und in ihrem Fortkommen) im Wege einer Feststellungsklage auf Schadensersatz, hilfsweise auf Entschädigung in Anspruch.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgen die Kläger ihre Ansprüche weiter.
In der ersten Revisionsverhandlung sind die Kläger nicht erschienen. Es ist Versäumnisurteil gegen sie ergangen, gegen das sie rechtzeitig Einspruch eingelegt haben.
In einem in Griechenland von der Präfektur Böotien unter anderem auch in Vertretung der Kläger geführten Schadensersatzprozeß wegen des DistomoMassakers gegen die Bundesrepublik Deutschland hat die Zivilkammer des Landgerichts Livadeia durch Versäumnisurteil vom 30. Oktober 1997 unter anderem den Klägern des vorliegenden Prozesses näher bezifferte Zahlungsansprüche zuerkannt. Den von der Bundesrepublik Deutschland gestellten Antrag auf Kassation dieses Urteils hat das Plenum des griechischen Areopag durch Urteil vom 4. Mai 2000 zurückgewiesen. Die Vollstreckung aus diesem Urteil in Vermögen der Beklagten in Griechenland ist gescheitert, weil Griechenland nicht die nach dortigem Recht erforderliche Genehmigung erteilt hat.
Entscheidungsgründe
Das Versäumnisurteil vom 14. Oktober 1999 ist aufrechtzuerhalten, denn die - insgesamt zulässige - Revision der Kläger gegen das klagabweisende Urteil des Berufungsgerichts ist nicht begründet.
A.
Zutreffend hat das Berufungsgericht die auf Feststellung einer Ersatzbzw. Entschädigungspflicht der Beklagten gerichtete Klage als zulässig angesehen.
Zu Unrecht meint die Beklagte, ein Feststellungsinteresse der Kläger im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO sei zu verneinen, weil sie auf Leistung klagen könnten und dies für sie zumutbar sei (vgl. Zöller/Greger ZPO 23. Aufl. § 256 Rn. 7a m.w.N.). Indessen besteht keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungs - gegenüber der Leistungsklage. Erstere ist trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn sie unter dem Gesichtspunkt der Prozeßwirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 1978 - VIII ZR 166/77 - NJW 1978, 1520, 1521; Senatsurteil vom 9. Juni 1983 - III ZR 74/82 - NJW 1984, 1118, 1119). Das ist in der Regel anzunehmen, wenn es sich, wie hier, bei der beklagten Partei um eine öffentliche Körperschaft handelt, so daß zu erwarten ist, daß sie sich auch einem eventuellen Feststellungsurteil beugen wird (Senatsurteil vom 9. Juni 1983 aaO). Soweit die Beklagte dem entgegenhält , sie werde sich einem etwaigen Feststellungsurteil im Sinne der Klage nicht einfach beugen können, weil es zur Höhe der geltend gemachten Schadens - bzw. Entschädigungspositionen weiteren Streit geben werde, ist nicht ersichtlich, daß letzteres zu einem weiteren Prozeß (einer Leistungsklage der Kläger) führen müßte.
B.
Die Klage ist jedoch, wie das Berufungsgericht zu Recht ausgesprochen hat, unbegründet. Die von den Klägern geltend gemachten Schadensersatzbzw. Entschädigungsansprüche gegen die Beklagte bestehen nicht.
I.
Einer Zurückweisung der Revision (Abweisung der Klage) im vorliegenden Rechtsstreit steht nicht schon die materielle Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Livadeia vom 30. Oktober 1997 - im Sinne des Verbots einer abweichenden Entscheidung (vgl. BGH, Urteile vom 20. März 1964 - V ZR 34/62 - NJW 1964, 1626 und vom 26. November 1986 - IVb ZR 90/85 - NJW 1987, 1146) - entgegen, soweit dieses bestimmten Schadensersatzansprüchen der Kläger stattgegeben hat und die Parteien und Streitgegenstände des vorliegenden Prozesses und jenes Rechtsstreits in Griechenland in dem betreffenden Umfang identisch sind. Eine inhaltliche Bindung an die ausländische Entscheidung kommt nur in Betracht, wenn und soweit diese von deutschen Gerichten anzuerkennen ist. Daran fehlt es hier.
1. Die Frage, ob das (rechtskräftige) Urteil des Landgerichts Livadeia anzuerkennen ist, richtet sich nicht nach dem Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ). Denn zu den Zivil- und Handelssachen, in denen dieses multilaterale Abkommen gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ anzuwenden ist, gehört - bei einer vertragsautonomen Qualifikation dieses Be-
griffes - nicht der Schadensersatzanspruch gegen einen Hoheitsträger, der in Ausübung hoheitlicher Befugnisse gehandelt hat (vgl. EuGH, Urteil vom 21. April 1993 - Rs. C-172/91 - IPRax 1994, 37 m. Anm. Heß aaO S. 10; Kropholler Europäisches Zivilprozeßrecht 6. Aufl. [1998] Art. 1 EuGVÜ Rn. 8).
2. Auch eine Anerkennung des griechischen Urteils auf der Grundlage des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivilund Handelssachen vom 4. November 1961 (BGBl. 1963 II S. 109) oder auf der Grundlage von § 328 ZPO kommt im Ergebnis nicht in Betracht. Auf nähere Einzelheiten braucht insoweit nicht eingegangen zu werden.
Voraussetzung der Anerkennung des Urteils des Landgerichts Livadeia ist nämlich sowohl nach dem deutsch-griechischen Vertrag vom 4. November 1961 als auch nach § 328 ZPO, daß der dortige Streitgegenstand überhaupt der - von der Bundesrepublik Deutschland in Abrede gestellten - Gerichtsbarkeit des griechischen Staates unterlag. Das wird zwar in den maßgeblichen Vorschriften nicht ausdrücklich ausgesprochen, ergibt sich aber zumindest mittelbar aus dem Erfordernis der internationalen Zuständigkeit des ausländischen Gerichts (vgl. § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO einerseits, Art. 3 Nr. 3 des deutsch-griechischen Abkommens vom 4. November 1961 andererseits) und aus dem Gesichtspunkt des (deutschen) ordre public (§ 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO; Art. 3 Nr. 1 des Abkommens vom 4. November 1961). Diese Anerkennungsvoraussetzung ist nicht erfüllt.
a) Nach dem völkerrechtlichen Grundsatz der (begrenzten) Staatenimmunität kann ein Staat Befreiung von der Gerichtsbarkeit - schon im Erkenntnisverfahren - eines fremden Staats beanspruchen, soweit es um die Beurteilung seines hoheitlichen Verhaltens ("acta iure imperii") geht, während ein Staat nicht gehalten ist, einem fremden Staat in einem gegen diesen gerichteten Erkenntnisverfahren, das über dessen nicht-hoheitliches Verhalten ("acta iure gestionis") befindet, Befreiung von der Gerichtsbarkeit zu gewähren (vgl. BVerfGE 16, 27; 46, 342; Gloria, in: Ipsen, Völkerrecht 4. Aufl. [1999] § 26 Rn. 16 ff; von der Beklagten vorgelegtes Gutachten Tomuschat/McCaffrey v. 24. Oktober 2000, S. 6 ff, 8, 14). Aus dieser herkömmlichen Sicht war Gegenstand des Prozesses vor dem Landgericht Livadeia ein hoheitliches Handeln deutscher Streitkräfte im besetzten Griechenland während des Zweiten Weltkriegs. Dies gilt auf den ersten Blick, wenn man (lex fori des Anerkennungsstaats ) deutsches Recht zugrunde legt, aber grundsätzlich auch nach griechischem Recht, in dem hoheitliches und nicht hoheitliches Handeln ähnlich wie im deutschen Recht unterschieden wird. Soweit das Landgericht Livadeia in seinem Urteil vom 30. Oktober 1997 eine Qualifizierung des in Rede stehenden Kriegsverbrechens (im Kern nur wegen der Schwere des Rechtsverstoßes) als hoheitliches Handeln verneint hat, ist dies methodisch nicht überzeugend.
b) Demgegenüber gibt es in neuerer Zeit Bestrebungen, den Grundsatz der Staatenimmunität noch enger zu fassen und diese bei Verstößen gegen zwingende Normen des Völkerrechts ("ius cogens") nicht anzuerkennen (s. die Darstellungen von Wirth, Jura 2000, 70, 72 ff; Ambos JZ 1999, 16, 21 ff). Das ist jedoch nach überwiegender Meinung nicht geltendes Völkerrecht (vgl. Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten [1992] S. 292 f; Kämmerer, Kriegsrepres-
salie oder Kriegsverbrechen ? ArchVölkerR Bd. 37 [1999] S. 307 f; Rensmann IPRax 1998, 44, 47; Seidl-Hohenveldern IPRax 1996, 52, 53 f; Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte [1997], 87 f; a.A. Kokott, Festschrift Rudolf Bernhardt [1995], 135, 148 f); der Immunitätsvorbehalt liefe sonst auch weitgehend leer (vgl. Reimann IPRax 1995, 123, 127).
Ein anderer Ansatz für eine (weitere) Einschränkung des Grundsatzes der Staatenimmunität ergibt sich aus neueren Konventionen beziehungsweise Konventionsentwürfen, etwa dem Europäischen Übereinkommen vom 16. Mai 1972 (BGBl. II 34), dem allerdings Griechenland bisher nicht beigetreten ist. Nach Art. 11 dieses Europäischen Übereinkommens kann ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität nicht beanspruchen, wenn das Verfahren den Ersatz eines Personen- oder Sachschadens betrifft, das schädigende Ereignis im Gerichtsstaat eingetreten ist und der Schädiger sich bei Eintritt des Ereignisses in diesem Staat aufgehalten hat. Dem Wortlaut nach wären hiervon schadensstiftende Handlungen im Gerichtsstaat unabhängig davon betroffen, ob es sich um "acta iure imperii" handelte oder nicht (vgl. Geiger NJW 1987, 1124, 1125; Heß aaO S. 293). Andererseits geht der Ursprung dieser Regelung eher in die Richtung der Bewältigung von Vorfällen, die mit den hier streitgegenständlichen Handlungen nichts zu tun haben (z.B. Verkehrsunfälle bei Dienstfahrten ausländischer Diplomaten; vgl. Heß aaO; Gutachten Tomuschat/McCaffrey S. 24). Jedenfalls besagt Art. 31 des Übereinkommens vom 16. Mai 1972 ausdrücklich, daß dieses nicht die Immunität oder Vorrechte berührt, die ein Vertragsstaat für alle Handlungen oder Unterlassungen genießt, "die von seinen Streitkräften oder im Zusammenhang mit diesen im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats begangen werden".
Schließlich ist die rückwirkende Anwendung einer "Deliktsklausel" der in Rede stehenden Art bedenklich (vgl. Gutachten Tomuschat/McCaffrey S. 32).
c) Es sprechen danach weiterhin die überwiegenden Gesichtspunkte gegen die Annahme, bei Regeln wie Art. 11 des Europäischen Übereinkommens vom 16. Mai 1972 handele es sich um mittlerweile geltendes Völkergewohnheitsrecht (vgl. Heß IPRax 1994, 10, 14; zweifelnd Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht 3. Aufl. [1997] Rn. 626c; ablehnend Steinberger, State Immunity , in: R. Bernhardt, Encyclopedia of Public International Law 10. Lieferung S. 439). Jedenfalls wird eine militärische Aktion der hier in Rede stehenden Art während eines Krieges hiervon nicht erfaßt, schon gar nicht mit "Rückwirkung" für den Zweiten Weltkrieg.
d) Der Senat ist an der Beurteilung, daß die Beklagte sich gegenüber der Inanspruchnahme vor einem griechischen Gericht wegen des DistomoMassakers im Zweiten Weltkrieg auf die Staatenimmunität berufen konnte, nicht durch Art. 100 Abs. 2 GG gehindert. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn zweifelhaft ist, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist (Art. 25 GG), also auch dann, wenn zweifelhaft ist, ob eine Regel des Völkerrechts , die die dargestellten prozessualen Auswirkungen hätte, überhaupt existiert.
Solche möglicherweise ursprünglich vorhandenen (objektiven) Zweifel, ob die hier erörterte Völkerrechtsregel existiert, sind indessen jedenfalls durch die nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen beseitigt worden:
Das Oberste Sondergericht Griechenlands hat am 17. September 2002 auf eine Vorlage des Areopag in einem anderen Rechtsstreit wegen gleichgelagerter Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland entschieden,
"daß es nach dem gegenwärtigen Entwicklungsstand des Völkerrechts nach wie vor eine allgemein anerkannte Norm dieses Rechts gibt, nach der es unzulässig ist, einen Staat vor dem Gericht eines anderen Staates auf Schadensersatz wegen irgendeines im Hoheitsgebiet des Gerichtsstaats verübten Delikts, an dem in irgendeiner Weise (Art) Streitkräfte des beklagten Landes beteiligt waren, zu verklagen, und zwar sowohl im Kriegs- als auch im Friedensfall", wodurch auch der gegenteilige Ausspruch des Plenums des Areopag vom 4. Mai 2000 betreffend den Prozeß der Kläger vor dem Landgericht Livadeia, was die allgemeine völkerrechtliche Beurteilung durch die Gerichte in Griechenland angeht, als "überholt" anzusehen ist.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit Beschluß vom 12. Dezember 2002 die Beschwerde der im Prozeß vor dem Landgericht Livadeia obsiegenden Kläger dagegen, daß Griechenland die nach der griechischen Zivilprozeßordnung erforderliche Genehmigung zur Zwangsvollstrekkung aus dem Urteil in in Griechenland belegenes Vermögen der Bundesrepublik Deutschland verweigerte (was im Vollstreckungsverfahren die griechischen Gerichte bestätigten), für unzulässig erklärt und zur Begründung ausgeführt, er sehe es nicht für erwiesen an,
"... daß es zum jetzigen Zeitpunkt eine Akzeptanz im Völkerrecht gäbe, wonach Staaten in bezug auf Schadensersatzklagen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit , die in einem anderen Staat geltend gemacht werden, nicht mehr zur Immunität berech-
tigt sein sollten (s. Al-Adsani ./. Vereinigtes Königreich [sc. Nr. 35763/97 EGMR 2001 - XI], ebd., Rn. 66). Demnach könne von der griechischen Regierung nicht verlangt werden, die Regel der Staatenimmunität gegen ihren Willen zu durchbrechen. Dies treffe jedenfalls auf den gegenwärtigen Stand im Völkerrecht zu, wie der Gerichtshof in der vorbezeichneten Rechtssache Al-Adsani erkannt hat, was aber eine Weiterentwicklung des Völkergewohnheitsrechts in der Zukunft nicht ausschließt". Beide Erkenntnisse stehen im Einklang mit der Sicht des Senats.
II.
Hinsichtlich der vom Berufungsgericht in Betracht gezogenen Anspruchsgrundlagen für das Klagebegehren der Kläger ist zu unterscheiden, ob eine Einstandspflicht der Beklagten unter dem Gesichtspunkt einer selbständigen Nachkriegsverpflichtung der Bundesrepublik Deutschland in Betracht kommt oder eine Haftung der Bundesrepublik Deutschland für eine Schuld des zusammengebrochenen Deutschen Reichs aus dem Zweiten Weltkrieg - etwa unter dem Gesichtspunkt der Funktionsnachfolge (vgl. Art. 134 Abs. 4, 135a Abs. 1 Nr. 1 GG; BVerfGE 15, 126, 133 ff; Senatsurteile BGHZ 16, 184, 188 f; 36, 245, 248 f; Kreft in BGB-RGRK 12. Aufl. § 839 Rn. 67).
Eine Anspruchsgrundlage der zuerst genannten Art scheidet hier nach den rechtsfehlerfreien Ausführungen des Berufungsgerichts aus. Es hat mit Recht angenommen, daß das Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (Bundesentschädigungsgesetz - BEG) vom 18. September 1953 (BGBl. I S. 1387) die vorliegenden Ansprüche der Kläger nicht abdeckt. Gemäß § 1 Abs. 1 BEG hat einen Anspruch nach diesem Gesetz nur derjenige, der in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 (Verfolgungszeit ) wegen seiner gegen den Nationalsozialismus gerichteten politi-
schen Überzeugung, aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung (Verfolgungsgründe) durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen oder in seinem beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat (Verfolgter). Der Verfolgung wegen politischer Überzeugung gleichgestellt wird eine Verfolgung, die darauf beruht, daß der Verfolgte aufgrund eigener Gewissensentscheidung sich unter Gefährdung seiner Person aktiv gegen die Mißachtung der Menschenwürde oder gegen die sittlich , auch durch den Krieg, nicht gerechtfertigte Vernichtung von Menschenleben eingesetzt hat (§ 1 Abs. 2 BEG). Nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen in diesem Sinne sind deshalb nur gegeben, wenn sie aus den genannten Verfolgungsgründen vorgenommen worden sind (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BEG). Um Maßnahmen dieser Art handelte es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der Zerstörung des Dorfes Distomo und der Exekution ihrer Bewohner jedoch nicht. Die tatrichterliche Feststellung, Gründe der politischen Gegnerschaft oder der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung hätten diesen Vorgängen nicht zugrunde gelegen, wird von der Revision nicht angegriffen.
III.
1. Das Berufungsgericht, das auch Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs verneint, hat sich nicht durch Art. 5 Abs. 2 des Abkommens über deutsche Auslandsschulden vom 27. Februar 1953 (BGBl. II 1953, 336; Londoner Schuldenabkommen - LondSchAbk) - dessen Anwendbarkeit im Streitfall es offengelassen hat - ge-
hindert gesehen, den Klageanspruch unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen und die Klage insoweit endgültig abzuweisen. Das ist im Ergebnis richtig.
a) Durch Art. 5 Abs. 2 des Londoner Schuldenabkommens, das auch für das Königreich Griechenland Geltung erlangt hat (vgl. Bekanntmachung vom 4. Juli 1956, BGBl. II S. 864; in Kraft getreten am 21. April 1956) wurde "eine Prüfung der aus dem Zweiten Weltkrieg herrührenden Forderungen von Staaten , die sich mit Deutschland im Kriegszustand befanden oder deren Gebiet von Deutschland besetzt war, und von Staatsangehörigen dieser Staaten gegen das Reich und im Auftrage des Reichs handelnde Stellen oder Personen ... bis zur endgültigen Regelung der Reparationsfrage zurückgestellt". Das kam nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in seiner rechtlichen Wirkung - bis zum Zustandekommen der vorgesehenen "Regelung" der Reparationsfrage - einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Stillhalteabkommen (Moratorium) gleich. Die genannten Forderungen waren also vorläufig gestundet und deshalb regelmäßig mangels Fälligkeit als zur Zeit unbegründet abzuweisen (BGHZ 16, 207, 211 f; 18, 22, 30; BGH, Urteile vom 26. Februar 1963 - VI ZR 85/62 - MDR 1963, 492 und vom 19. Juni 1973 - VI ZR 74/70 - NJW 1973, 1549, 1552). Das heißt, daß, soweit die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 LondSchAbk greift, die Klageforderung grundsätzlich sachlich nicht geprüft - also im Regelfall auch nicht endgültig abgewiesen - werden konnte (BGH, Urteile vom 26. Februar 1963 aaO und vom 19. Juni 1973 aaO).
b) Das Londoner Schuldenabkommen ist jedoch durch die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland ("Zwei-plus-Vier-Vertrag" vom 12. September 1990, BGBl. II S. 1318; in Kraft seit dem 15. März 1991, BGBl. II S. 585) im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands als Moratorium
gegenstandslos geworden. Der Senat folgt insoweit der obergerichtlichen Rechtsprechung (OVG Münster NJW 1998, 2302; OLG Stuttgart NJW 2000, 2680; OLG Hamm NJW 2000, 3577, 3579; KG KGReport 2000, 257,259 f) und der in diesem Punkt jedenfalls im Ergebnis einhelligen Fachliteratur (vgl. SeidlHohenveldern Völkerrecht 9. Aufl. Rn. 1871 ff; Blumenwitz NJW 1990, 3041, 3042; Dolzer NJW 2000, 2480, 2481; Eichhorn, Reparation als völkerrechtliche Deliktshaftung [1992], S. 144 ff; v. Goetze NJW 1990, 2161, 2168; Kämmerer ArchVölkerR Bd. 37 [1999], 283 ff, 312 ff, 315; Kempen, Die deutsch-polnische Grenze nach der Regelung des Zwei-plus-Vier-Vertrages [1997], 208 ff, 218 f; Paech KritJustiz 1999, 381, 391; Rauschning DVBl. 1990, 1275, 1279 f ; ders. JuS 1991, 977, 983; Weiß JA 1991, 56, 60). Der Zwei-plus-Vier-Vertrag mag zwar nicht als Friedensvertrag im herkömmlichen Sinne, der üblicherweise die Beendigung des Kriegszustandes, die Aufnahme friedlicher Beziehungen und eine umfassende Regelung der durch den Krieg entstandenen Rechtsfragen erfaßt, zu qualifizieren sein. Er hatte aber erklärtermaßen das Ziel, eine abschließende Regelung in bezug auf Deutschland herbeizuführen, und es wurde deutlich, daß es weitere (friedens-)vertragliche Regelungen über rechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg nicht geben wird. Hieraus ergab sich auch, daß die Reparationsfrage in bezug auf Deutschland nach dem Willen der Vertragspartner nicht mehr vertraglich geregelt werden soll. Die Bundesregierung hat auch am 27. Oktober 1997 im Bundestag ausdrücklich die Erklärung abgegeben, daß es zwar wegen der bekannten Gegensätze der vier Hauptsiegermächte in der Nachkriegszeit nicht zu der im Londoner Schuldenabkommen vorgesehenen endgültigen Regelung der Reparationszahlungen gekommen sei, daß jedoch fünfzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges "die Reparationsfrage obsolet" geworden sei und daß in diesem Verständnis die Bundesregierung den Vertrag über die abschließende Regelung in be-
zug auf Deutschland abgeschlossen habe (BT-Drucks.13/8840 S. 2; in diesem Sinne auch MdB Bosbach in der Plenardebatte des Bundestages am 6. Juli 2000, BT-Plenarprot. 14/114 S. 10755). Daran ist die Beklagte festzuhalten. Soweit sie im vorliegenden Prozeß darüber hinaus meint, der Zwei-plus-Vier- Vertrag schließe sämtliche unter Art. 5 Abs. 2 LondSchAbk fallenden Individualansprüche endgültig aus (vgl. auch Eichhorn aaO S. 144 f), hat dies allerdings , was die streitigen Ansprüche der Kläger angeht, keine Grundlage, weil - abgesehen davon, daß Griechenland nicht Vertragspartei war - nicht ersichtlich ist, woraus sich ein Verzicht dieses Staates auf individuelle Ansprüche zu Lasten seiner Angehörigen ergeben und seine Wirksamkeit herleiten soll. Schon in dem Vertrag vom 18. März 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über Leistungen zugunsten griechischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen sind (BGBl. II S. 1597), aufgrund dessen die Beklagte an Griechenland 115 Millionen DM gezahlt hat, waren von der Erledigungsklausel in Art. III ausdrücklich "etwaige gesetzliche Ansprüche griechischer Staatsangehöriger" gegen die Bundesrepublik Deutschland ausgenommen worden.
2. Ausgehend davon, daß Art. 5 Abs. 2 LondSchAbk für den Klageanspruch zwar einschlägig war, aber dessen Prüfung jetzt nicht mehr hindert, kann dem Anspruch auch nicht - was das Berufungsgericht ebenfalls offenläßt - das Gesetz zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden (Allgemeines Kriegsfolgengesetz - AKG) vom 5. November 1957 (BGBl. I S. 1747) entgegenstehen, das das Erlöschen bestimmter Ansprüche unter anderem gegen das Deutsche Reich anordnet, jedoch ausspricht, daß das Londoner Schuldenabkommen durch dieses Gesetz nicht berührt wird (§ 101 AKG; dazu Féaux de la Croix,
AKG [1959], § 101 Anm. 3 f), d.h. daß Ansprüche, die dem Londoner Schuldenabkommen unterliegen, vom Allgemeinen Kriegsfolgengesetz nicht erfaßt werden (Kämmerer aaO S. 312 Fn. 127).
3. Schließlich wird der vorliegende Anspruch auch nicht durch den bereits erwähnten deutsch-griechischen Vertrag vom 18. März 1960 ausgeschlossen. Denn dieser Vertrag regelt nur die Folgen nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen und läßt etwaige gesetzliche Ansprüche griechischer Staatsangehöriger ausdrücklich unberührt.
IV.
Für die Beurteilung etwaiger Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche gegen das Deutsche Reich, für die die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls haften müßte, kommt es auf die Rechtslage zu der Zeit, als die hier in Rede stehende Tat begangen wurde (1944), an. Denn es handelte sich bei solchen Schulden, auch wenn sie von der Bundesrepublik Deutschland zu erfüllen wären, immer nur um "Verbindlichkeiten des Reiches" (vgl. Art. 135a Abs. 1 Nr. 1 GG). Selbst auf der Grundlage der Identität des Bundes mit dem Reiche (vgl. BVerfGE 36, 1, 15 f; BGH, Beschluß vom 17. Dezember 1998 - IX ZB 59/97 - NJW-RR 1999, 1007) würde sich nicht eine Einstandspflicht der Bundesrepublik Deutschland für Reichsschulden wie für seit ihrer Entstehung neu begründete eigene Verbindlichkeiten ergeben (BVerfGE 15, 126, 145; zur Abgrenzung vgl. Senatsurteile BGHZ 29, 22 f; 36, 245, 247). Dies bedeutet insbesondere, daß hinsichtlich der gegen das Reich in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen rechtliche Fortentwicklungen bzw. veränderte Rechtsanschauungen - etwa im Lichte des heute geltenden Grundgesetzes oder von Änderungen des internationalen Rechts - außer Betracht bleiben müssen. Bei alledem versteht sich von selbst, daß bei der Ermittlung und Würdigung der maßgeblichen Rechtslage im Jahre 1944 nationalsozialistisches Gedankengut unberücksichtigt zu bleiben hat.
Jedenfalls aus diesem Blickwinkel ergibt sich, daß den Klägern aus dem Geschehen vom 10. Juni 1944 in Distomo keine Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche gegen das Deutsche Reich, für die die Bundesrepublik Deutschland einzustehen hätte, erwachsen sind.
1. Einen Schadensersatz- bzw. Entschädigungsanspruch der Kläger wegen eines völkerrechtlichen Delikts verneint das Berufungsgericht mit der Begründung , zwar handele es sich um ein Kriegsverbrechen, nach den überkommenen Grundsätzen des Völkerrechts stünden jedoch darauf gegründete Ersatzansprüche regelmäßig nicht der verletzten Person selbst zu, sondern nur ihrem Heimatstaat.
a) Diese Rechtsauffassung trifft jedenfalls für den hier zu beurteilenden Zeitpunkt zu (s. BVerfGE 94, 315, 329 f): Die traditionelle Konzeption des Völkerrechts als eines zwischenstaatlichen Rechts versteht den einzelnen nicht als Völkerrechtssubjekt, sondern gewährt ihm nur mittelbaren internationalen Schutz. Bei völkerrechtlichen Delikten durch Handlungen gegenüber fremden Staatsbürgern steht ein Anspruch nicht dem Betroffenen selbst, sondern nur seinem Heimatstaat zu. Der Staat macht im Wege des diplomatischen Schutzes sein eigenes Recht darauf geltend, daß das Völkerrecht in der Person seines Staatsangehörigen beachtet wird. Dieses Prinzip einer ausschließlichen Staatenberechtigung galt in den Jahren 1943 bis 1945 auch für die Verletzung von Menschenrechten. Der einzelne konnte grundsätzlich weder die Feststellung des Unrechts noch einen Unrechtsausgleich verlangen. Auch hatte er weder nach Völkerrecht noch in der Regel nach dem innerstaatlichen Recht des einzelnen Staates einen subjektiven, durchsetzbaren Anspruch darauf, daß sein Heimatstaat den diplomatischen Schutz ausübt. Dementsprechend finden nach Art. 2 des Abkommens betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom 18. Oktober 1907 (Haager Landkriegsordnung - HLKO) deren Bestimmungen "nur zwischen den Vertragsmächten Anwendung", und gemäß Art. 3 HLKO ist gegebenenfalls "die Kriegspartei" (gegenüber der anderen Kriegspartei) zum Schadensersatz verpflichtet.
Wie das Bundesverfassungsgericht (aaO) weiter ausgeführt hat, gewährt das Völkerrecht erst in der neueren Entwicklung eines erweiterten Schutzes der Menschenrechte dem einzelnen ein eigenes Recht, berechtigt andere Völkerrechtssubjekte auf der Grundlage von Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zur Intervention bei gravierenden Verstößen und entwickelt vertragliche Schutzsysteme, in denen der einzelne seinen Anspruch auch selbst verfolgen kann. Auf letzteres kann es indessen, wie gesagt, im Streitfall nicht ankommen.
b) Auch in Verbindung mit Art. 4 WRV ergab sich für die Kläger keine eigene (völkerrechtliche) Anspruchsposition. Zwar begründete diese Verfassungsbestimmung die "direkte Anwendung völkerrechtlicher Normen", auch zugunsten von Einzelpersonen, die damit unter Berufung auf das Völkerrecht gegebenenfalls Klageansprüche erheben konnten (Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 12. Aufl. S. 61). Das setzte aber voraus, daß das maßgebliche Völkerrecht seinem Inhalt nach eine Grundlage für solche Einzelansprüche bot. Das war bei Art. 3 HLKO, der insoweit allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kam, nicht der Fall.
c) Die bisherige Sicht wird - bezogen auf den hier maßgeblichen Tatzeitpunkt - auch nicht durch die Ausführungen in dem von den Klägern vorgelegten Gutachten Fleiner (S. 23 f) über die fortschreitende Anerkennung der Völkerrechtssubjektivität von Individuen in Frage gestellt. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, Art. 3 HLKO räume dem in seinen Rechten verletzten Individuum nicht die Befugnis ein, von einem Staat in einem gerichtsförmigen Verfahren Schadensersatz zu verlangen, wird hierdurch nicht entkräftet, auch nicht
durch die Qualifizierung, es handele sich um "individualisierte" Verbrechen (Fleiner S. 29), über die die betroffenen Staaten gar keine Abkommen schlie- ßen könnten; für eine derartige Sicht - im Jahre 1944 - gibt es keine Anhaltspunkte. Ebensowenig steht der herkömmlichen Beurteilung (nach Völkerrecht) - für den hier maßgeblichen Zeitpunkt - die Auffassung entgegen, es habe sich bei den hier zu beurteilenden Handlungen um zwar (auch) dem Kriegsvölkerrecht unterfallende, jedoch außerhalb des "Kriegsgeschehens" liegende Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung im Sinne einer bloßen "Polizeiaktion" der Besatzungsmacht gehandelt (Gutachten Fleiner S. 19; vgl. auch Paech Krit. Justiz 1999, 380, 395 f). Das zweifelsfrei verbrecherische Massaker von Distomo geschah nach dem vorliegenden - unstreitigen - Sachverhalt, wonach es sich um die "Sühnemaßnahme" einer in die Wehrmacht eingegliederten SS-Einheit im Zusammenhang mit einer vorausgegangenen bewaffneten Auseinandersetzung mit Partisanen handelte, in Ausübung militärischer Gewalt auf besetztem feindlichen Gebiet, fällt also in einen von der Haager Landkriegsordnung unmittelbar erfaßten Bereich (vgl. Art. 42 ff, 46, 50 der Anlage zum Abkommen). Der Umstand, daß die wehrlose, an dem vorausgegangenen Kampfgeschehen unbeteiligte Zivilbevölkerung das Opfer war, ändert an diesen Zusammenhängen und der Würdigung, daß es sich um eine - wenn auch in jeder Hinsicht rechtswidrige - militärische Operation handelte, nichts. Mit dieser Beurteilung stimmt überein, daß auch das Griechische Oberste Sondergericht in seinem Urteil vom 17. September 2002 (s. oben I. 2. d.) vergleichbare andere Vorgänge im besetzten Griechenland als "Kriegshandlungen" bezeichnet und bewertet hat.
2. Jedenfalls im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht auch einen Schadensersatzanspruch der Kläger gegen das Deutsche Reich wegen Amtspflichtverletzung nach nationalem Recht - hier also gemäß den allgemeinen
kollisionsrechtlichen Regeln nach deutschem Staatshaftungsrecht (Kreuzer, in: MünchKomm/BGB 3. Aufl. Art. 38 EGBGB Rn. 277 m.w.N.) - verneint.
Für etwaige individuelle ("zivilrechtliche") Ersatzansprüche der verletzten Personen aus nationalem Recht ist und war allerdings neben einem völkerrechtlichen Anspruch ihres Heimatstaats gegen den Staat, dem das in Rede stehende Kriegsverbrechen zuzurechnen ist, durchaus Raum. Zwar wird von einem Teil der Literatur der Grundsatz der völkerrechtlichen Exklusivität in dem Sinne vertreten, daß individuelle Reparationsansprüche in den zwischenstaatlichen Reparationsansprüchen aufgehen (vgl. Granow, AÖR 77 [1951/52], 67, 72 f; Féaux de la Croix, NJW 1960, 2268, 2269; Eichhorn, Reparation als völkerrechtliche Deliktshaftung [1992], S. 78 f: "Absorption des Individualreparationsanspruches" ). Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch ausgesprochen, daß es eine allgemeine Regel des Völkerrechts, wonach Ansprüche aus innerstaatlichem Recht, die auf Kriegsereignissen beruhen, nicht individuell durchsetzbar sind, sondern nur auf zwischenstaatlicher Ebene geltend gemacht werden können, nicht gibt (BVerfGE 94, 315, 330 ff). Eine solche allgemeine Regel mag, ohne daß dies näher untersucht zu werden braucht, auch für die Zeit des Zweiten Weltkriegs nicht nachweisbar sein.
a) Das Berufungsgericht verneint einen Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 131 WRV mit folgender Begründung: Schadensersatz werde nach diesen Vorschriften nur geschuldet, wenn die im einzelnen verletzte Amtspflicht gerade auch gegenüber dem Geschädigten bestanden habe (sogenannte Drittbezogenheit der Amtspflicht; vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 5. Aufl. S. 56 ff). Die Drittbezogenheit der Amtspflicht werde zwar nach allgemeiner Meinung gerade bei der Verletzung absoluter Rechte
bejaht. Der unmittelbar Verletzte könne deshalb in einem solchen Fall die Beseitigung der Unrechtsfolgen verlangen. Das gelte jedoch grundsätzlich nicht für Kriegsschäden, also für solche Nachteile und Verluste, die Nichtkombattanten an ihrer Person, ihrem Eigentum oder ihrem Vermögen durch Kriegsoder Besetzungshandlungen, namentlich durch die Anwendung bewaffneter Gewalt, erlitten. Der Krieg sei ein Ausnahmezustand des Völkerrechts. Sein Wesen bestehe im umfassenden Rückgriff auf die Gewalt, die nicht nur die Rechtsgüter eines Staates und seiner Bürger bedrohe, sondern auch zur Grundlage aller Beziehungen zwischen mehreren Staaten werde. In dem von Gewaltanwendung geprägten Zustand werde die bisher geltende Rechtsordnung weitgehend suspendiert und an die Stelle der suspendierten Vorschriften der normalerweise geltenden Rechtsordnung trete eine Ausnahmeordnung ("ius in bello"). In dieser Ausnahmeordnung hätten jene Normen keine Geltung, die im Rahmen der Friedensordnung bestimmten, unter welchen Voraussetzungen für die Verletzung von Amtspflichten gehaftet werde. Die Vorstellung, die kriegführenden Parteien hafteten den Millionen von Opfern und Geschädigten gegenüber nach Deliktsgrundsätzen, sei deshalb "dem Amtshaftungsrecht systemfremd"; es hätten vielmehr bei bewaffneten Auseinandersetzungen die Regelungen des internationalen Kriegsrechts zu gelten, die das Amtshaftungsrecht überlagerten.
Etwas anderes könnte allerdings gelten - erwägt das Berufungsgericht weiter -, wenn sich wie hier die handelnden Organe außerhalb des für die Kriegsführung geltenden Regelwerks stellten, namentlich, wenn die in der Haager Landkriegsordnung postulierten Handlungs- und Unterlassungspflichten verletzt würden. Die Frage sei, ob für diesen Fall nicht nur dem Staat, sondern auch dem einzelnen, der in seinen Rechten verletzt worden sei, ein An-
spruch auf Beseitigung der Unrechtsfolgen eingeräumt werde. Unter diesem Gesichtspunkt zieht das Berufungsgericht Art. 3 HLKO in Betracht, gelangt jedoch zu dem Ergebnis, diese Vorschrift gewähre nicht dem verletzten Individuum , sondern nur der betroffenen "Kriegspartei" ein subjektives Recht auf Schadensersatz.
b) Diesen Ausführungen schließt sich der Senat jedenfalls im Ergebnis an. Nach dem Verständnis und Gesamtzusammenhang des zur Tatzeit (1944) geltenden deutschen Rechts waren die dem Deutschen Reich völkerrechtlich zurechenbaren militärischen Handlungen während des Kriegs im Ausland von dem - eine innerstaatliche Verantwortlichkeit des Staats auslösenden - Amtshaftungstatbestand des § 839 BGB i.V.m. Art. 131 WRV ausgenommen (zur Frage der Fortgeltung des Art. 131 WRV vgl. Staudinger/Wurm [2002] § 839 Rn. 8).
aa) Zwar sind die Tatbestandselemente des § 839 Abs. 1 BGB dem Wortlaut der Vorschrift nach sämtlich erfüllt: Bei der "Sühnemaßnahme" der deutschen SS-Einheit vom 10. Juni 1944 gegen das Dorf Distomo mit einer Massenexekution und der Zerstörung der Häuser handelte es sich um einen Akt der deutschen militärischen Besatzungsmacht, dessen hoheitliche Natur und Zurechnung unbeschadet dessen außer Frage steht, daß der verantwortliche Einheitsführer den Anweisungen der vorgesetzten Stellen zuwiderhandelte und sein Befehl zu dem Massaker ein Kriegsverbrechen darstellte. An dem Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen ändert, wie bereits ausgeführt, auch der Umstand nichts, daß es sich bei dem Massaker in Distomo um ein Verbrechen der SS handelte. Die beteiligte SS-Einheit war in die deutsche Wehrmacht eingegliedert. Angesichts der taktischen Zuordnung der Waffen-SS zu
den kämpfenden Truppen im allgemeinen und der konkreten Zusammenhänge - es waren Kämpfe mit Partisanen vorausgegangen - läßt sich dieses Geschehen amtshaftungsrechtlich vom Kriegsgeschehen insgesamt nicht abtrennen. Es bedarf auch keiner weiteren Ausführungen dazu, daß es - auch in der damaligen Zeit und im Krieg - zu den Amtspflichten eines deutschen Soldaten gehörte, sich nicht in völkerrechtswidriger, kriegsverbrecherischer Art und Weise an fremdem Leben und Eigentum zu vergreifen, wie es hier - vorsätzlich - geschehen ist. Diese Amtspflichten waren entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch bezogen auf die betroffenen Personen (Opfer) zwangsläufig im amtshaftungsrechtlichen Sinne "drittgerichtet".
bb) Gleichwohl ist davon auszugehen, daß nach dem damaligen Verständnis des Kriegsgeschehens im allgemeinen, des anerkannten (weitgehend als ausschließlich verstandenen) völkerrechtlichen Haftungssystems für Verstöße gegen die Regeln des Krieges und der überkommenen Regelung des Art. 131 WRV, wonach die Verantwortlichkeit des Staates für die Amtspflichtverletzungen seiner Beamten nur "grundsätzlich" gegeben war, eine Einstandspflicht des Staates nach innerstaatlichem Amtshaftungsrecht gegenüber durch Kriegshandlungen im Ausland geschädigten Ausländern nicht gegeben war.
(1) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wurde der Krieg als völkerrechtlicher Ausnahmezustand gesehen, der seinem Wesen nach auf Gewaltanwendung ausgerichtet ist und die im Frieden geltende Rechtsordnung weitgehend suspendiert. Die Verantwortlichkeit für den Beginn eines Kriegs und die Folgen der damit zwangsläufig verbundenen kollektiven Gewaltanwendung wie auch die Haftung für individuelle Kriegsverbrechen der zu den be-
waffneten Mächten gehörenden Personen wurde auf der Ebene der kriegsführenden Staaten geregelt bzw. als regelungsbedürftig angesehen. Dementsprechend haftet nach allgemeinem Völkerrecht der illegale Kriegseröffner für alle Schäden, die dem verletzten Staat aus dieser illegalen Kriegseröffnung erwachsen (vgl. Berber, Lehrbuch des Völkerrechts II. Bd. Kriegsrecht 2. Aufl. [1969] § 48 S. 238 f). Gleichermaßen hat die Kriegspartei, die bei der Kriegsführung anerkannte Grundsätze des Völkerrechts verletzt, dem betroffenen Staat für den aus dieser Verletzung entstehenden Schaden einzustehen; dies umfaßt die Haftung für die Handlungen aller zu der bewaffneten Macht gehörenden Personen, und zwar nicht nur, wenn diese Personen kompetenzmäßige Akte begehen, sondern auch dann, wenn sie ohne oder gegen Befehle handeln (vgl. Berber aaO S. 238). Aus dieser Sicht des Kriegs als eines in erster Linie kollektiven Gewaltakts, der als "Verhältnis von Staat zu Staat" aufgefaßt wurde (vgl. Gursky, AWD 1961, 12, 14 f; bezeichnend für diese Sicht ist auch die Darstellung von Féaux de la Croix, NJW 1960, 2268, 2269), lag - jedenfalls damals - die Vorstellung fern, ein kriegsführender Staat könne sich durch Delikte seiner bewaffneten Macht während des Kriegs im Ausland (auch) gegenüber den Opfern unmittelbar schadensersatzpflichtig machen. Selbst Kelsen (Unrecht und Unrechtsfolge im Völkerrecht, ZöR Bd. XII [1932], 481, 522 f), der bereits 1932 den Standpunkt vertreten hat, durch ein völkerrechtliches Unrecht könne rechtlich nicht nur ein Staat, sondern auch ein einzelner Mensch verletzt werden, hat es lediglich für möglich gehalten, daß diesem selbst eine Parteistellung vor einem internationalen Gericht gewährt werden könnte; zugleich stellt er jedoch fest, daß es nach geltendem Recht immer nur ein Staat sei, der die völkerrechtliche Unrechtsfolge zu realisieren habe.
(2) Das Ergebnis, daß es zumindest nach der damaligen Rechtsauffassung ausgeschlossen erscheint, daß das Deutsche Reich mit seinem nationalen Amtshaftungsrecht auch durch völkerrechtswidrige Kriegshandlungen deutscher Soldaten im Ausland verletzten ausländischen Personen individuelle Schadensersatzansprüche einräumen wollte, bestätigt sich vor dem Hintergrund des in § 7 des Gesetzes über die Haftung des Reiches für seine Beamten - Reichsbeamtenhaftungsgesetz (RBHG) - vom 22. Mai 1910 (RGBl. S. 798) geregelten Haftungsausschlusses.
Nach dieser Vorschrift stand den Angehörigen eines auswärtigen Staates ein Ersatzanspruch aufgrund dieses Gesetzes gegen das Deutsche Reich nur insoweit zu, als nach einer im Reichs-Gesetzblatt enthaltenen Bekanntmachung des Reichskanzlers durch die Gesetzgebung des ausländischen Staates oder durch Staatsvertrag die Gegenseitigkeit verbürgt war. Der Ausschluß der Staatshaftung gegenüber Ausländern in diesem Umfang, der für die Bundesrepublik Deutschland erst mit Wirkung vom 1. Juli 1992 geändert worden ist (Art. 6 des Gesetzes über dienstrechtliche Regelungen für Verwendungen im Ausland vom 28. Juli 1993 [BGBl. I S. 1394, 1398]) - allerdings seit der Geltung des Grundgesetzes und insbesondere nach dem Inkrafttreten des europäischen Gemeinschaftsrechts verfassungsrechtlich und rechtspolitisch umstritten ist (vgl. Ossenbühl aaO S. 98 ff m.w.N.; MünchKomm-Papier 3. Aufl. § 839 Rn. 340 ff) -, stand nach dem allgemeinen Verständnis des deutschen Staatshaftungsrechts bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs rechtlich außer Frage (vgl. RG JW 1926, 1332; RGZ 128, 238, 240; Anschütz aaO 14. Aufl. II. Hauptteil Art. 131 Anm. 14 S. 613; Delius, Die Beamtenhaftpflichtgesetze 4. Aufl. S. 23 f), zumal unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung die Verantwortlichkeit des Staats für amtspflichtwidriges Verhalten seiner Amtsträ-
ger zweifelsfrei und anerkanntermaßen unter einem Gesetzesvorbehalt für Ausnahmen - wenn auch in engen Grenzen - stand (Art. 131 WRV; hierzu Anschütz aaO Anm. 13 S. 612 f; zur Auslegung des heute geltenden Art. 34 GG vgl. Ossenbühl aaO S. 96 f; Papier aaO Rn. 332 jeweils m.w.N.). Andererseits war eine "Verbürgung der Gegenseitigkeit" - die im übrigen im Verhältnis zu Griechenland allgemein erst ab der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben war (vgl. Bekanntmachung vom 31. Mai 1957; BGBl. I S. 607) -, was die individualrechtliche Staatshaftung für die Auswirkungen von Kriegshandlungen im Ausland anging, schon im Hinblick auf die vorstehend erörterte einhellige völkerrechtliche "Bewältigung" der Haftungsfrage bei völkerrechtlichen Delikten im Krieg von vornherein nicht zu erwarten, d.h. praktisch ausgeschlossen.
(3) Vor diesem damaligen Hintergrund erscheint es erklärbar, daß das Deutsche Reich während des Zweiten Weltkrieges eine Reihe von Bestimmungen erließ, die ebenfalls - ohne daß es sich insoweit um spezifisch nationalsozialistisches Unrecht (vgl. BVerfGE 23, 98, 106; 54, 53, 68; BGHZ 16, 350, 353 f; 26, 91, 93) handelte - keinerlei Anhalt dafür bieten, daß nach dem maßgebenden Rechtsverständnis im Jahre 1944 eine Haftung des Deutschen Reiches für völkerrechtswidrige Kriegshandlungen seiner Truppen im Ausland gegenüber geschädigten Individualpersonen in Betracht kam.
(aa) Bezüglich der Kriegspersonenschäden sah die Verordnung über die Entschädigung von Personenschäden (Personenschädenverordnung - PersonenschädenVO ) vom 10. November 1940 (RGBl. I S. 1482) vor, daß deutsche Staatsangehörige wegen - im Reich oder außerhalb des Reichs (vgl. Däubler DJ 1943, 36, 38) - durch Kampfhandlungen erlittener Schäden an Leib oder Leben "Fürsorge und Versorgung" erhalten sollten. Zugleich griff die Perso-
nenschädenverordnung in das Schadensersatzrecht ein, indem sie unter anderem in § 10 vorschrieb, daß Ansprüche gegen das Reich nur nach Maßgabe dieser Verordnung bestünden. Dies wurde dahin verstanden, daß wegen eines im Ausland erlittenen Kriegsschadens eines deutschen Staatsangehörigen kein Schadensersatzanspruch gegen das Reich erhoben werden könne (Däubler aaO S. 38), was nahelegt, daß für Schadensersatzansprüche von Ausländern wegen Personenschäden durch im Ausland begangene deutsche Kriegshandlungen erst recht keine Grundlage gesehen werden konnte.
(bb) Bezüglich der Kriegssachschäden sah die Kriegssachschädenverordnung - KriegssachschädenVO - vom 30. November 1940 (RGBl. I S. 1547) Entschädigungsansprüche für Schäden aus Kampfhandlungen innerhalb des Gebiets des großdeutschen Reichs vor. Später wurde die Kriegssachschädenverordnung auf bestimmte, außerhalb des Reichsgebiets eingetretene Schäden ausgedehnt (Erste, Zweite, Dritte und Vierte Verordnung über die Ausdehnung der Kriegssachschädenverordnung auf außerhalb des Reichsgebiets eingetretene Schäden vom 18. April 1941, 18. Februar 1942, 7. Juli 1942 und 26. November 1942 [RGBl. 1941 I S. 215, RGBl. 1942 I S. 84, 446, 665]). Ausländer konnten - soweit überhaupt - nur mit Genehmigung der oberen Verwaltungsbehörde Anträge auf Ersatz von Kriegssachschäden stellen (§ 13 Abs. 2). Kehrseite der Regelung war, daß wegen eines unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KriegssachschädenVO entstandenen Schadens - also aus Kampfhandlungen oder aus hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden militärischen Maßnahmen - gesetzliche Schadensersatzansprüche gegen das Reich nicht geltend gemacht werden konnten (§ 28 Abs. 2 KriegssachschädenVO ). Was Kriegssachschäden deutscher Staatsangehöriger außerhalb des Reiches anging, wurde von Däubler (aaO S. 38) allerdings der Standpunkt
vertreten, hier könne eine dem Zweck der Kriegssachschädenverordnung entsprechende Auslegung nicht zu einer Anwendung des § 28 Abs. 2 führen, vielmehr dürfe, da die Kriegssachschädenverordnung nach ihrer positiven Seite hin ausscheide, die negative Bestimmung des § 28 Abs. 2 nicht für sich allein angewendet werden. Für Sachschäden von Ausländern bei Kampfhandlungen im Ausland stellte er derartige Erwägungen indessen nicht an.
cc) Ob nach dem heutigen Amtshaftungsrecht der Bundesrepublik Deutschland im Lichte des Grundgesetzes und der Weiterentwicklungen im internationalen Recht ähnliches gelten würde oder ob etwa auch im Blick auf § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG der von Ossenbühl (aaO S. 126 f) zum Rechtsinstitut des allgemeinen Aufopferungsanspruchs geäußerte Gedanke ohne weiteres durchgriffe, dieser Anspruch sei nur für den "Normalfall" gedacht - staatliche Katastrophenfälle wie namentlich Kriege, könnten in ihren Auswirkungen nicht über den allgemeinen Aufopferungsanspruch entschädigungsrechtlich reguliert werden, sondern sie bedürften besonderer Ausgleichsnormen und Ausgleichsmaßstäbe, die in entsprechenden Gesetzen niederzulegen seien -, kann dahinstehen. Denn es geht, wie gesagt, im Streitfall um einen Amtshaftungsanspruch nach dem Recht des Deutschen Reichs (§ 839 BGB i.V.m. Art. 131 WRV), der nach allem verneint werden muß.
3. Schließlich hat das Berufungsgericht auch unter dem Gesichtspunkt eines (rechtswidrigen) enteignungsgleichen bzw. aufopferungsgleichen Eingriffs (vgl. hierzu Ossenbühl aaO S. 131 ff, 213 ff) eine Anspruchsgrundlage für das Begehren der Kläger rechtsfehlerfrei verneint. Dabei wäre aus der damaligen Sicht der Rechtsprechung (vgl. RGZ 140, 285) für die Heranziehung des Aufopferungsgedankens wohl schon deshalb kein Raum, weil schuldhaft rechts-
widrige Maßnahmen, die in Ausübung öffentlicher Gewalt getroffen waren, nach damaliger Ansicht lediglich einen Amtshaftungsanspruch auslösen konnten (vgl. Kreft in BGB-RGRK 12. Aufl. vor § 839 Rn. 8). Jedenfalls war der aus den §§ 74, 75 EinlALR hergeleitete Aufopferungsgedanke, der auch dem Rechtsin-
stitut des enteignungsgleichen Eingriffs zugrunde liegt, auf Maßnahmen der Verwaltung eingeengt, Kriegsschäden waren ausgeklammert (vgl. Ossenbühl aaO S. 126, 127, oben B. IV. 2. bb).
Rinne Wurm Streck Schlick Dörr
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger sind griechische Staatsangehörige. Ihre Eltern wurden am 10. Juni 1944 im damals besetzten Griechenland von Angehörigen einer in die deutsche Wehrmacht eingegliederten SS-Einheit nach einer vorausgegangenen bewaffneten Auseinandersetzung mit Partisanen im Zuge einer gegen das Dorf Distomo (Böotien) gerichteten "Sühnemaßnahme" erschossen, zusammen mit weiteren 300 an den Partisanenkämpfen unbeteiligten Dorfbewohnern - überwiegend Frauen und Kindern - sowie zwölf gefangengenommenen Partisanen. Das Dorf wurde niedergebrannt.
Die Kläger nehmen die beklagte Bundesrepublik Deutschland aus übergegangenem Recht (wegen Zerstörung des elterlichen Hauses nebst Inventar
und Warenbestand des von ihren Eltern geführten Einzelhandelsgeschäfts) und aus eigenem Recht (wegen gesundheitlicher Schäden und Nachteile in der beruflichen Ausbildung und in ihrem Fortkommen) im Wege einer Feststellungsklage auf Schadensersatz, hilfsweise auf Entschädigung in Anspruch.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgen die Kläger ihre Ansprüche weiter.
In der ersten Revisionsverhandlung sind die Kläger nicht erschienen. Es ist Versäumnisurteil gegen sie ergangen, gegen das sie rechtzeitig Einspruch eingelegt haben.
In einem in Griechenland von der Präfektur Böotien unter anderem auch in Vertretung der Kläger geführten Schadensersatzprozeß wegen des DistomoMassakers gegen die Bundesrepublik Deutschland hat die Zivilkammer des Landgerichts Livadeia durch Versäumnisurteil vom 30. Oktober 1997 unter anderem den Klägern des vorliegenden Prozesses näher bezifferte Zahlungsansprüche zuerkannt. Den von der Bundesrepublik Deutschland gestellten Antrag auf Kassation dieses Urteils hat das Plenum des griechischen Areopag durch Urteil vom 4. Mai 2000 zurückgewiesen. Die Vollstreckung aus diesem Urteil in Vermögen der Beklagten in Griechenland ist gescheitert, weil Griechenland nicht die nach dortigem Recht erforderliche Genehmigung erteilt hat.
Entscheidungsgründe
Das Versäumnisurteil vom 14. Oktober 1999 ist aufrechtzuerhalten, denn die - insgesamt zulässige - Revision der Kläger gegen das klagabweisende Urteil des Berufungsgerichts ist nicht begründet.
A.
Zutreffend hat das Berufungsgericht die auf Feststellung einer Ersatzbzw. Entschädigungspflicht der Beklagten gerichtete Klage als zulässig angesehen.
Zu Unrecht meint die Beklagte, ein Feststellungsinteresse der Kläger im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO sei zu verneinen, weil sie auf Leistung klagen könnten und dies für sie zumutbar sei (vgl. Zöller/Greger ZPO 23. Aufl. § 256 Rn. 7a m.w.N.). Indessen besteht keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungs - gegenüber der Leistungsklage. Erstere ist trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn sie unter dem Gesichtspunkt der Prozeßwirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 1978 - VIII ZR 166/77 - NJW 1978, 1520, 1521; Senatsurteil vom 9. Juni 1983 - III ZR 74/82 - NJW 1984, 1118, 1119). Das ist in der Regel anzunehmen, wenn es sich, wie hier, bei der beklagten Partei um eine öffentliche Körperschaft handelt, so daß zu erwarten ist, daß sie sich auch einem eventuellen Feststellungsurteil beugen wird (Senatsurteil vom 9. Juni 1983 aaO). Soweit die Beklagte dem entgegenhält , sie werde sich einem etwaigen Feststellungsurteil im Sinne der Klage nicht einfach beugen können, weil es zur Höhe der geltend gemachten Schadens - bzw. Entschädigungspositionen weiteren Streit geben werde, ist nicht ersichtlich, daß letzteres zu einem weiteren Prozeß (einer Leistungsklage der Kläger) führen müßte.
B.
Die Klage ist jedoch, wie das Berufungsgericht zu Recht ausgesprochen hat, unbegründet. Die von den Klägern geltend gemachten Schadensersatzbzw. Entschädigungsansprüche gegen die Beklagte bestehen nicht.
I.
Einer Zurückweisung der Revision (Abweisung der Klage) im vorliegenden Rechtsstreit steht nicht schon die materielle Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Livadeia vom 30. Oktober 1997 - im Sinne des Verbots einer abweichenden Entscheidung (vgl. BGH, Urteile vom 20. März 1964 - V ZR 34/62 - NJW 1964, 1626 und vom 26. November 1986 - IVb ZR 90/85 - NJW 1987, 1146) - entgegen, soweit dieses bestimmten Schadensersatzansprüchen der Kläger stattgegeben hat und die Parteien und Streitgegenstände des vorliegenden Prozesses und jenes Rechtsstreits in Griechenland in dem betreffenden Umfang identisch sind. Eine inhaltliche Bindung an die ausländische Entscheidung kommt nur in Betracht, wenn und soweit diese von deutschen Gerichten anzuerkennen ist. Daran fehlt es hier.
1. Die Frage, ob das (rechtskräftige) Urteil des Landgerichts Livadeia anzuerkennen ist, richtet sich nicht nach dem Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ). Denn zu den Zivil- und Handelssachen, in denen dieses multilaterale Abkommen gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ anzuwenden ist, gehört - bei einer vertragsautonomen Qualifikation dieses Be-
griffes - nicht der Schadensersatzanspruch gegen einen Hoheitsträger, der in Ausübung hoheitlicher Befugnisse gehandelt hat (vgl. EuGH, Urteil vom 21. April 1993 - Rs. C-172/91 - IPRax 1994, 37 m. Anm. Heß aaO S. 10; Kropholler Europäisches Zivilprozeßrecht 6. Aufl. [1998] Art. 1 EuGVÜ Rn. 8).
2. Auch eine Anerkennung des griechischen Urteils auf der Grundlage des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivilund Handelssachen vom 4. November 1961 (BGBl. 1963 II S. 109) oder auf der Grundlage von § 328 ZPO kommt im Ergebnis nicht in Betracht. Auf nähere Einzelheiten braucht insoweit nicht eingegangen zu werden.
Voraussetzung der Anerkennung des Urteils des Landgerichts Livadeia ist nämlich sowohl nach dem deutsch-griechischen Vertrag vom 4. November 1961 als auch nach § 328 ZPO, daß der dortige Streitgegenstand überhaupt der - von der Bundesrepublik Deutschland in Abrede gestellten - Gerichtsbarkeit des griechischen Staates unterlag. Das wird zwar in den maßgeblichen Vorschriften nicht ausdrücklich ausgesprochen, ergibt sich aber zumindest mittelbar aus dem Erfordernis der internationalen Zuständigkeit des ausländischen Gerichts (vgl. § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO einerseits, Art. 3 Nr. 3 des deutsch-griechischen Abkommens vom 4. November 1961 andererseits) und aus dem Gesichtspunkt des (deutschen) ordre public (§ 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO; Art. 3 Nr. 1 des Abkommens vom 4. November 1961). Diese Anerkennungsvoraussetzung ist nicht erfüllt.
a) Nach dem völkerrechtlichen Grundsatz der (begrenzten) Staatenimmunität kann ein Staat Befreiung von der Gerichtsbarkeit - schon im Erkenntnisverfahren - eines fremden Staats beanspruchen, soweit es um die Beurteilung seines hoheitlichen Verhaltens ("acta iure imperii") geht, während ein Staat nicht gehalten ist, einem fremden Staat in einem gegen diesen gerichteten Erkenntnisverfahren, das über dessen nicht-hoheitliches Verhalten ("acta iure gestionis") befindet, Befreiung von der Gerichtsbarkeit zu gewähren (vgl. BVerfGE 16, 27; 46, 342; Gloria, in: Ipsen, Völkerrecht 4. Aufl. [1999] § 26 Rn. 16 ff; von der Beklagten vorgelegtes Gutachten Tomuschat/McCaffrey v. 24. Oktober 2000, S. 6 ff, 8, 14). Aus dieser herkömmlichen Sicht war Gegenstand des Prozesses vor dem Landgericht Livadeia ein hoheitliches Handeln deutscher Streitkräfte im besetzten Griechenland während des Zweiten Weltkriegs. Dies gilt auf den ersten Blick, wenn man (lex fori des Anerkennungsstaats ) deutsches Recht zugrunde legt, aber grundsätzlich auch nach griechischem Recht, in dem hoheitliches und nicht hoheitliches Handeln ähnlich wie im deutschen Recht unterschieden wird. Soweit das Landgericht Livadeia in seinem Urteil vom 30. Oktober 1997 eine Qualifizierung des in Rede stehenden Kriegsverbrechens (im Kern nur wegen der Schwere des Rechtsverstoßes) als hoheitliches Handeln verneint hat, ist dies methodisch nicht überzeugend.
b) Demgegenüber gibt es in neuerer Zeit Bestrebungen, den Grundsatz der Staatenimmunität noch enger zu fassen und diese bei Verstößen gegen zwingende Normen des Völkerrechts ("ius cogens") nicht anzuerkennen (s. die Darstellungen von Wirth, Jura 2000, 70, 72 ff; Ambos JZ 1999, 16, 21 ff). Das ist jedoch nach überwiegender Meinung nicht geltendes Völkerrecht (vgl. Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten [1992] S. 292 f; Kämmerer, Kriegsrepres-
salie oder Kriegsverbrechen ? ArchVölkerR Bd. 37 [1999] S. 307 f; Rensmann IPRax 1998, 44, 47; Seidl-Hohenveldern IPRax 1996, 52, 53 f; Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte [1997], 87 f; a.A. Kokott, Festschrift Rudolf Bernhardt [1995], 135, 148 f); der Immunitätsvorbehalt liefe sonst auch weitgehend leer (vgl. Reimann IPRax 1995, 123, 127).
Ein anderer Ansatz für eine (weitere) Einschränkung des Grundsatzes der Staatenimmunität ergibt sich aus neueren Konventionen beziehungsweise Konventionsentwürfen, etwa dem Europäischen Übereinkommen vom 16. Mai 1972 (BGBl. II 34), dem allerdings Griechenland bisher nicht beigetreten ist. Nach Art. 11 dieses Europäischen Übereinkommens kann ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität nicht beanspruchen, wenn das Verfahren den Ersatz eines Personen- oder Sachschadens betrifft, das schädigende Ereignis im Gerichtsstaat eingetreten ist und der Schädiger sich bei Eintritt des Ereignisses in diesem Staat aufgehalten hat. Dem Wortlaut nach wären hiervon schadensstiftende Handlungen im Gerichtsstaat unabhängig davon betroffen, ob es sich um "acta iure imperii" handelte oder nicht (vgl. Geiger NJW 1987, 1124, 1125; Heß aaO S. 293). Andererseits geht der Ursprung dieser Regelung eher in die Richtung der Bewältigung von Vorfällen, die mit den hier streitgegenständlichen Handlungen nichts zu tun haben (z.B. Verkehrsunfälle bei Dienstfahrten ausländischer Diplomaten; vgl. Heß aaO; Gutachten Tomuschat/McCaffrey S. 24). Jedenfalls besagt Art. 31 des Übereinkommens vom 16. Mai 1972 ausdrücklich, daß dieses nicht die Immunität oder Vorrechte berührt, die ein Vertragsstaat für alle Handlungen oder Unterlassungen genießt, "die von seinen Streitkräften oder im Zusammenhang mit diesen im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats begangen werden".
Schließlich ist die rückwirkende Anwendung einer "Deliktsklausel" der in Rede stehenden Art bedenklich (vgl. Gutachten Tomuschat/McCaffrey S. 32).
c) Es sprechen danach weiterhin die überwiegenden Gesichtspunkte gegen die Annahme, bei Regeln wie Art. 11 des Europäischen Übereinkommens vom 16. Mai 1972 handele es sich um mittlerweile geltendes Völkergewohnheitsrecht (vgl. Heß IPRax 1994, 10, 14; zweifelnd Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht 3. Aufl. [1997] Rn. 626c; ablehnend Steinberger, State Immunity , in: R. Bernhardt, Encyclopedia of Public International Law 10. Lieferung S. 439). Jedenfalls wird eine militärische Aktion der hier in Rede stehenden Art während eines Krieges hiervon nicht erfaßt, schon gar nicht mit "Rückwirkung" für den Zweiten Weltkrieg.
d) Der Senat ist an der Beurteilung, daß die Beklagte sich gegenüber der Inanspruchnahme vor einem griechischen Gericht wegen des DistomoMassakers im Zweiten Weltkrieg auf die Staatenimmunität berufen konnte, nicht durch Art. 100 Abs. 2 GG gehindert. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn zweifelhaft ist, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist (Art. 25 GG), also auch dann, wenn zweifelhaft ist, ob eine Regel des Völkerrechts , die die dargestellten prozessualen Auswirkungen hätte, überhaupt existiert.
Solche möglicherweise ursprünglich vorhandenen (objektiven) Zweifel, ob die hier erörterte Völkerrechtsregel existiert, sind indessen jedenfalls durch die nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen beseitigt worden:
Das Oberste Sondergericht Griechenlands hat am 17. September 2002 auf eine Vorlage des Areopag in einem anderen Rechtsstreit wegen gleichgelagerter Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland entschieden,
"daß es nach dem gegenwärtigen Entwicklungsstand des Völkerrechts nach wie vor eine allgemein anerkannte Norm dieses Rechts gibt, nach der es unzulässig ist, einen Staat vor dem Gericht eines anderen Staates auf Schadensersatz wegen irgendeines im Hoheitsgebiet des Gerichtsstaats verübten Delikts, an dem in irgendeiner Weise (Art) Streitkräfte des beklagten Landes beteiligt waren, zu verklagen, und zwar sowohl im Kriegs- als auch im Friedensfall", wodurch auch der gegenteilige Ausspruch des Plenums des Areopag vom 4. Mai 2000 betreffend den Prozeß der Kläger vor dem Landgericht Livadeia, was die allgemeine völkerrechtliche Beurteilung durch die Gerichte in Griechenland angeht, als "überholt" anzusehen ist.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit Beschluß vom 12. Dezember 2002 die Beschwerde der im Prozeß vor dem Landgericht Livadeia obsiegenden Kläger dagegen, daß Griechenland die nach der griechischen Zivilprozeßordnung erforderliche Genehmigung zur Zwangsvollstrekkung aus dem Urteil in in Griechenland belegenes Vermögen der Bundesrepublik Deutschland verweigerte (was im Vollstreckungsverfahren die griechischen Gerichte bestätigten), für unzulässig erklärt und zur Begründung ausgeführt, er sehe es nicht für erwiesen an,
"... daß es zum jetzigen Zeitpunkt eine Akzeptanz im Völkerrecht gäbe, wonach Staaten in bezug auf Schadensersatzklagen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit , die in einem anderen Staat geltend gemacht werden, nicht mehr zur Immunität berech-
tigt sein sollten (s. Al-Adsani ./. Vereinigtes Königreich [sc. Nr. 35763/97 EGMR 2001 - XI], ebd., Rn. 66). Demnach könne von der griechischen Regierung nicht verlangt werden, die Regel der Staatenimmunität gegen ihren Willen zu durchbrechen. Dies treffe jedenfalls auf den gegenwärtigen Stand im Völkerrecht zu, wie der Gerichtshof in der vorbezeichneten Rechtssache Al-Adsani erkannt hat, was aber eine Weiterentwicklung des Völkergewohnheitsrechts in der Zukunft nicht ausschließt". Beide Erkenntnisse stehen im Einklang mit der Sicht des Senats.
II.
Hinsichtlich der vom Berufungsgericht in Betracht gezogenen Anspruchsgrundlagen für das Klagebegehren der Kläger ist zu unterscheiden, ob eine Einstandspflicht der Beklagten unter dem Gesichtspunkt einer selbständigen Nachkriegsverpflichtung der Bundesrepublik Deutschland in Betracht kommt oder eine Haftung der Bundesrepublik Deutschland für eine Schuld des zusammengebrochenen Deutschen Reichs aus dem Zweiten Weltkrieg - etwa unter dem Gesichtspunkt der Funktionsnachfolge (vgl. Art. 134 Abs. 4, 135a Abs. 1 Nr. 1 GG; BVerfGE 15, 126, 133 ff; Senatsurteile BGHZ 16, 184, 188 f; 36, 245, 248 f; Kreft in BGB-RGRK 12. Aufl. § 839 Rn. 67).
Eine Anspruchsgrundlage der zuerst genannten Art scheidet hier nach den rechtsfehlerfreien Ausführungen des Berufungsgerichts aus. Es hat mit Recht angenommen, daß das Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (Bundesentschädigungsgesetz - BEG) vom 18. September 1953 (BGBl. I S. 1387) die vorliegenden Ansprüche der Kläger nicht abdeckt. Gemäß § 1 Abs. 1 BEG hat einen Anspruch nach diesem Gesetz nur derjenige, der in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 (Verfolgungszeit ) wegen seiner gegen den Nationalsozialismus gerichteten politi-
schen Überzeugung, aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung (Verfolgungsgründe) durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen oder in seinem beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat (Verfolgter). Der Verfolgung wegen politischer Überzeugung gleichgestellt wird eine Verfolgung, die darauf beruht, daß der Verfolgte aufgrund eigener Gewissensentscheidung sich unter Gefährdung seiner Person aktiv gegen die Mißachtung der Menschenwürde oder gegen die sittlich , auch durch den Krieg, nicht gerechtfertigte Vernichtung von Menschenleben eingesetzt hat (§ 1 Abs. 2 BEG). Nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen in diesem Sinne sind deshalb nur gegeben, wenn sie aus den genannten Verfolgungsgründen vorgenommen worden sind (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BEG). Um Maßnahmen dieser Art handelte es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der Zerstörung des Dorfes Distomo und der Exekution ihrer Bewohner jedoch nicht. Die tatrichterliche Feststellung, Gründe der politischen Gegnerschaft oder der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung hätten diesen Vorgängen nicht zugrunde gelegen, wird von der Revision nicht angegriffen.
III.
1. Das Berufungsgericht, das auch Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs verneint, hat sich nicht durch Art. 5 Abs. 2 des Abkommens über deutsche Auslandsschulden vom 27. Februar 1953 (BGBl. II 1953, 336; Londoner Schuldenabkommen - LondSchAbk) - dessen Anwendbarkeit im Streitfall es offengelassen hat - ge-
hindert gesehen, den Klageanspruch unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen und die Klage insoweit endgültig abzuweisen. Das ist im Ergebnis richtig.
a) Durch Art. 5 Abs. 2 des Londoner Schuldenabkommens, das auch für das Königreich Griechenland Geltung erlangt hat (vgl. Bekanntmachung vom 4. Juli 1956, BGBl. II S. 864; in Kraft getreten am 21. April 1956) wurde "eine Prüfung der aus dem Zweiten Weltkrieg herrührenden Forderungen von Staaten , die sich mit Deutschland im Kriegszustand befanden oder deren Gebiet von Deutschland besetzt war, und von Staatsangehörigen dieser Staaten gegen das Reich und im Auftrage des Reichs handelnde Stellen oder Personen ... bis zur endgültigen Regelung der Reparationsfrage zurückgestellt". Das kam nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in seiner rechtlichen Wirkung - bis zum Zustandekommen der vorgesehenen "Regelung" der Reparationsfrage - einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Stillhalteabkommen (Moratorium) gleich. Die genannten Forderungen waren also vorläufig gestundet und deshalb regelmäßig mangels Fälligkeit als zur Zeit unbegründet abzuweisen (BGHZ 16, 207, 211 f; 18, 22, 30; BGH, Urteile vom 26. Februar 1963 - VI ZR 85/62 - MDR 1963, 492 und vom 19. Juni 1973 - VI ZR 74/70 - NJW 1973, 1549, 1552). Das heißt, daß, soweit die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 LondSchAbk greift, die Klageforderung grundsätzlich sachlich nicht geprüft - also im Regelfall auch nicht endgültig abgewiesen - werden konnte (BGH, Urteile vom 26. Februar 1963 aaO und vom 19. Juni 1973 aaO).
b) Das Londoner Schuldenabkommen ist jedoch durch die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland ("Zwei-plus-Vier-Vertrag" vom 12. September 1990, BGBl. II S. 1318; in Kraft seit dem 15. März 1991, BGBl. II S. 585) im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands als Moratorium
gegenstandslos geworden. Der Senat folgt insoweit der obergerichtlichen Rechtsprechung (OVG Münster NJW 1998, 2302; OLG Stuttgart NJW 2000, 2680; OLG Hamm NJW 2000, 3577, 3579; KG KGReport 2000, 257,259 f) und der in diesem Punkt jedenfalls im Ergebnis einhelligen Fachliteratur (vgl. SeidlHohenveldern Völkerrecht 9. Aufl. Rn. 1871 ff; Blumenwitz NJW 1990, 3041, 3042; Dolzer NJW 2000, 2480, 2481; Eichhorn, Reparation als völkerrechtliche Deliktshaftung [1992], S. 144 ff; v. Goetze NJW 1990, 2161, 2168; Kämmerer ArchVölkerR Bd. 37 [1999], 283 ff, 312 ff, 315; Kempen, Die deutsch-polnische Grenze nach der Regelung des Zwei-plus-Vier-Vertrages [1997], 208 ff, 218 f; Paech KritJustiz 1999, 381, 391; Rauschning DVBl. 1990, 1275, 1279 f ; ders. JuS 1991, 977, 983; Weiß JA 1991, 56, 60). Der Zwei-plus-Vier-Vertrag mag zwar nicht als Friedensvertrag im herkömmlichen Sinne, der üblicherweise die Beendigung des Kriegszustandes, die Aufnahme friedlicher Beziehungen und eine umfassende Regelung der durch den Krieg entstandenen Rechtsfragen erfaßt, zu qualifizieren sein. Er hatte aber erklärtermaßen das Ziel, eine abschließende Regelung in bezug auf Deutschland herbeizuführen, und es wurde deutlich, daß es weitere (friedens-)vertragliche Regelungen über rechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg nicht geben wird. Hieraus ergab sich auch, daß die Reparationsfrage in bezug auf Deutschland nach dem Willen der Vertragspartner nicht mehr vertraglich geregelt werden soll. Die Bundesregierung hat auch am 27. Oktober 1997 im Bundestag ausdrücklich die Erklärung abgegeben, daß es zwar wegen der bekannten Gegensätze der vier Hauptsiegermächte in der Nachkriegszeit nicht zu der im Londoner Schuldenabkommen vorgesehenen endgültigen Regelung der Reparationszahlungen gekommen sei, daß jedoch fünfzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges "die Reparationsfrage obsolet" geworden sei und daß in diesem Verständnis die Bundesregierung den Vertrag über die abschließende Regelung in be-
zug auf Deutschland abgeschlossen habe (BT-Drucks.13/8840 S. 2; in diesem Sinne auch MdB Bosbach in der Plenardebatte des Bundestages am 6. Juli 2000, BT-Plenarprot. 14/114 S. 10755). Daran ist die Beklagte festzuhalten. Soweit sie im vorliegenden Prozeß darüber hinaus meint, der Zwei-plus-Vier- Vertrag schließe sämtliche unter Art. 5 Abs. 2 LondSchAbk fallenden Individualansprüche endgültig aus (vgl. auch Eichhorn aaO S. 144 f), hat dies allerdings , was die streitigen Ansprüche der Kläger angeht, keine Grundlage, weil - abgesehen davon, daß Griechenland nicht Vertragspartei war - nicht ersichtlich ist, woraus sich ein Verzicht dieses Staates auf individuelle Ansprüche zu Lasten seiner Angehörigen ergeben und seine Wirksamkeit herleiten soll. Schon in dem Vertrag vom 18. März 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über Leistungen zugunsten griechischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen sind (BGBl. II S. 1597), aufgrund dessen die Beklagte an Griechenland 115 Millionen DM gezahlt hat, waren von der Erledigungsklausel in Art. III ausdrücklich "etwaige gesetzliche Ansprüche griechischer Staatsangehöriger" gegen die Bundesrepublik Deutschland ausgenommen worden.
2. Ausgehend davon, daß Art. 5 Abs. 2 LondSchAbk für den Klageanspruch zwar einschlägig war, aber dessen Prüfung jetzt nicht mehr hindert, kann dem Anspruch auch nicht - was das Berufungsgericht ebenfalls offenläßt - das Gesetz zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden (Allgemeines Kriegsfolgengesetz - AKG) vom 5. November 1957 (BGBl. I S. 1747) entgegenstehen, das das Erlöschen bestimmter Ansprüche unter anderem gegen das Deutsche Reich anordnet, jedoch ausspricht, daß das Londoner Schuldenabkommen durch dieses Gesetz nicht berührt wird (§ 101 AKG; dazu Féaux de la Croix,
AKG [1959], § 101 Anm. 3 f), d.h. daß Ansprüche, die dem Londoner Schuldenabkommen unterliegen, vom Allgemeinen Kriegsfolgengesetz nicht erfaßt werden (Kämmerer aaO S. 312 Fn. 127).
3. Schließlich wird der vorliegende Anspruch auch nicht durch den bereits erwähnten deutsch-griechischen Vertrag vom 18. März 1960 ausgeschlossen. Denn dieser Vertrag regelt nur die Folgen nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen und läßt etwaige gesetzliche Ansprüche griechischer Staatsangehöriger ausdrücklich unberührt.
IV.
Für die Beurteilung etwaiger Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche gegen das Deutsche Reich, für die die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls haften müßte, kommt es auf die Rechtslage zu der Zeit, als die hier in Rede stehende Tat begangen wurde (1944), an. Denn es handelte sich bei solchen Schulden, auch wenn sie von der Bundesrepublik Deutschland zu erfüllen wären, immer nur um "Verbindlichkeiten des Reiches" (vgl. Art. 135a Abs. 1 Nr. 1 GG). Selbst auf der Grundlage der Identität des Bundes mit dem Reiche (vgl. BVerfGE 36, 1, 15 f; BGH, Beschluß vom 17. Dezember 1998 - IX ZB 59/97 - NJW-RR 1999, 1007) würde sich nicht eine Einstandspflicht der Bundesrepublik Deutschland für Reichsschulden wie für seit ihrer Entstehung neu begründete eigene Verbindlichkeiten ergeben (BVerfGE 15, 126, 145; zur Abgrenzung vgl. Senatsurteile BGHZ 29, 22 f; 36, 245, 247). Dies bedeutet insbesondere, daß hinsichtlich der gegen das Reich in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen rechtliche Fortentwicklungen bzw. veränderte Rechtsanschauungen - etwa im Lichte des heute geltenden Grundgesetzes oder von Änderungen des internationalen Rechts - außer Betracht bleiben müssen. Bei alledem versteht sich von selbst, daß bei der Ermittlung und Würdigung der maßgeblichen Rechtslage im Jahre 1944 nationalsozialistisches Gedankengut unberücksichtigt zu bleiben hat.
Jedenfalls aus diesem Blickwinkel ergibt sich, daß den Klägern aus dem Geschehen vom 10. Juni 1944 in Distomo keine Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche gegen das Deutsche Reich, für die die Bundesrepublik Deutschland einzustehen hätte, erwachsen sind.
1. Einen Schadensersatz- bzw. Entschädigungsanspruch der Kläger wegen eines völkerrechtlichen Delikts verneint das Berufungsgericht mit der Begründung , zwar handele es sich um ein Kriegsverbrechen, nach den überkommenen Grundsätzen des Völkerrechts stünden jedoch darauf gegründete Ersatzansprüche regelmäßig nicht der verletzten Person selbst zu, sondern nur ihrem Heimatstaat.
a) Diese Rechtsauffassung trifft jedenfalls für den hier zu beurteilenden Zeitpunkt zu (s. BVerfGE 94, 315, 329 f): Die traditionelle Konzeption des Völkerrechts als eines zwischenstaatlichen Rechts versteht den einzelnen nicht als Völkerrechtssubjekt, sondern gewährt ihm nur mittelbaren internationalen Schutz. Bei völkerrechtlichen Delikten durch Handlungen gegenüber fremden Staatsbürgern steht ein Anspruch nicht dem Betroffenen selbst, sondern nur seinem Heimatstaat zu. Der Staat macht im Wege des diplomatischen Schutzes sein eigenes Recht darauf geltend, daß das Völkerrecht in der Person seines Staatsangehörigen beachtet wird. Dieses Prinzip einer ausschließlichen Staatenberechtigung galt in den Jahren 1943 bis 1945 auch für die Verletzung von Menschenrechten. Der einzelne konnte grundsätzlich weder die Feststellung des Unrechts noch einen Unrechtsausgleich verlangen. Auch hatte er weder nach Völkerrecht noch in der Regel nach dem innerstaatlichen Recht des einzelnen Staates einen subjektiven, durchsetzbaren Anspruch darauf, daß sein Heimatstaat den diplomatischen Schutz ausübt. Dementsprechend finden nach Art. 2 des Abkommens betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom 18. Oktober 1907 (Haager Landkriegsordnung - HLKO) deren Bestimmungen "nur zwischen den Vertragsmächten Anwendung", und gemäß Art. 3 HLKO ist gegebenenfalls "die Kriegspartei" (gegenüber der anderen Kriegspartei) zum Schadensersatz verpflichtet.
Wie das Bundesverfassungsgericht (aaO) weiter ausgeführt hat, gewährt das Völkerrecht erst in der neueren Entwicklung eines erweiterten Schutzes der Menschenrechte dem einzelnen ein eigenes Recht, berechtigt andere Völkerrechtssubjekte auf der Grundlage von Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zur Intervention bei gravierenden Verstößen und entwickelt vertragliche Schutzsysteme, in denen der einzelne seinen Anspruch auch selbst verfolgen kann. Auf letzteres kann es indessen, wie gesagt, im Streitfall nicht ankommen.
b) Auch in Verbindung mit Art. 4 WRV ergab sich für die Kläger keine eigene (völkerrechtliche) Anspruchsposition. Zwar begründete diese Verfassungsbestimmung die "direkte Anwendung völkerrechtlicher Normen", auch zugunsten von Einzelpersonen, die damit unter Berufung auf das Völkerrecht gegebenenfalls Klageansprüche erheben konnten (Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 12. Aufl. S. 61). Das setzte aber voraus, daß das maßgebliche Völkerrecht seinem Inhalt nach eine Grundlage für solche Einzelansprüche bot. Das war bei Art. 3 HLKO, der insoweit allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kam, nicht der Fall.
c) Die bisherige Sicht wird - bezogen auf den hier maßgeblichen Tatzeitpunkt - auch nicht durch die Ausführungen in dem von den Klägern vorgelegten Gutachten Fleiner (S. 23 f) über die fortschreitende Anerkennung der Völkerrechtssubjektivität von Individuen in Frage gestellt. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, Art. 3 HLKO räume dem in seinen Rechten verletzten Individuum nicht die Befugnis ein, von einem Staat in einem gerichtsförmigen Verfahren Schadensersatz zu verlangen, wird hierdurch nicht entkräftet, auch nicht
durch die Qualifizierung, es handele sich um "individualisierte" Verbrechen (Fleiner S. 29), über die die betroffenen Staaten gar keine Abkommen schlie- ßen könnten; für eine derartige Sicht - im Jahre 1944 - gibt es keine Anhaltspunkte. Ebensowenig steht der herkömmlichen Beurteilung (nach Völkerrecht) - für den hier maßgeblichen Zeitpunkt - die Auffassung entgegen, es habe sich bei den hier zu beurteilenden Handlungen um zwar (auch) dem Kriegsvölkerrecht unterfallende, jedoch außerhalb des "Kriegsgeschehens" liegende Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung im Sinne einer bloßen "Polizeiaktion" der Besatzungsmacht gehandelt (Gutachten Fleiner S. 19; vgl. auch Paech Krit. Justiz 1999, 380, 395 f). Das zweifelsfrei verbrecherische Massaker von Distomo geschah nach dem vorliegenden - unstreitigen - Sachverhalt, wonach es sich um die "Sühnemaßnahme" einer in die Wehrmacht eingegliederten SS-Einheit im Zusammenhang mit einer vorausgegangenen bewaffneten Auseinandersetzung mit Partisanen handelte, in Ausübung militärischer Gewalt auf besetztem feindlichen Gebiet, fällt also in einen von der Haager Landkriegsordnung unmittelbar erfaßten Bereich (vgl. Art. 42 ff, 46, 50 der Anlage zum Abkommen). Der Umstand, daß die wehrlose, an dem vorausgegangenen Kampfgeschehen unbeteiligte Zivilbevölkerung das Opfer war, ändert an diesen Zusammenhängen und der Würdigung, daß es sich um eine - wenn auch in jeder Hinsicht rechtswidrige - militärische Operation handelte, nichts. Mit dieser Beurteilung stimmt überein, daß auch das Griechische Oberste Sondergericht in seinem Urteil vom 17. September 2002 (s. oben I. 2. d.) vergleichbare andere Vorgänge im besetzten Griechenland als "Kriegshandlungen" bezeichnet und bewertet hat.
2. Jedenfalls im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht auch einen Schadensersatzanspruch der Kläger gegen das Deutsche Reich wegen Amtspflichtverletzung nach nationalem Recht - hier also gemäß den allgemeinen
kollisionsrechtlichen Regeln nach deutschem Staatshaftungsrecht (Kreuzer, in: MünchKomm/BGB 3. Aufl. Art. 38 EGBGB Rn. 277 m.w.N.) - verneint.
Für etwaige individuelle ("zivilrechtliche") Ersatzansprüche der verletzten Personen aus nationalem Recht ist und war allerdings neben einem völkerrechtlichen Anspruch ihres Heimatstaats gegen den Staat, dem das in Rede stehende Kriegsverbrechen zuzurechnen ist, durchaus Raum. Zwar wird von einem Teil der Literatur der Grundsatz der völkerrechtlichen Exklusivität in dem Sinne vertreten, daß individuelle Reparationsansprüche in den zwischenstaatlichen Reparationsansprüchen aufgehen (vgl. Granow, AÖR 77 [1951/52], 67, 72 f; Féaux de la Croix, NJW 1960, 2268, 2269; Eichhorn, Reparation als völkerrechtliche Deliktshaftung [1992], S. 78 f: "Absorption des Individualreparationsanspruches" ). Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch ausgesprochen, daß es eine allgemeine Regel des Völkerrechts, wonach Ansprüche aus innerstaatlichem Recht, die auf Kriegsereignissen beruhen, nicht individuell durchsetzbar sind, sondern nur auf zwischenstaatlicher Ebene geltend gemacht werden können, nicht gibt (BVerfGE 94, 315, 330 ff). Eine solche allgemeine Regel mag, ohne daß dies näher untersucht zu werden braucht, auch für die Zeit des Zweiten Weltkriegs nicht nachweisbar sein.
a) Das Berufungsgericht verneint einen Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 131 WRV mit folgender Begründung: Schadensersatz werde nach diesen Vorschriften nur geschuldet, wenn die im einzelnen verletzte Amtspflicht gerade auch gegenüber dem Geschädigten bestanden habe (sogenannte Drittbezogenheit der Amtspflicht; vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 5. Aufl. S. 56 ff). Die Drittbezogenheit der Amtspflicht werde zwar nach allgemeiner Meinung gerade bei der Verletzung absoluter Rechte
bejaht. Der unmittelbar Verletzte könne deshalb in einem solchen Fall die Beseitigung der Unrechtsfolgen verlangen. Das gelte jedoch grundsätzlich nicht für Kriegsschäden, also für solche Nachteile und Verluste, die Nichtkombattanten an ihrer Person, ihrem Eigentum oder ihrem Vermögen durch Kriegsoder Besetzungshandlungen, namentlich durch die Anwendung bewaffneter Gewalt, erlitten. Der Krieg sei ein Ausnahmezustand des Völkerrechts. Sein Wesen bestehe im umfassenden Rückgriff auf die Gewalt, die nicht nur die Rechtsgüter eines Staates und seiner Bürger bedrohe, sondern auch zur Grundlage aller Beziehungen zwischen mehreren Staaten werde. In dem von Gewaltanwendung geprägten Zustand werde die bisher geltende Rechtsordnung weitgehend suspendiert und an die Stelle der suspendierten Vorschriften der normalerweise geltenden Rechtsordnung trete eine Ausnahmeordnung ("ius in bello"). In dieser Ausnahmeordnung hätten jene Normen keine Geltung, die im Rahmen der Friedensordnung bestimmten, unter welchen Voraussetzungen für die Verletzung von Amtspflichten gehaftet werde. Die Vorstellung, die kriegführenden Parteien hafteten den Millionen von Opfern und Geschädigten gegenüber nach Deliktsgrundsätzen, sei deshalb "dem Amtshaftungsrecht systemfremd"; es hätten vielmehr bei bewaffneten Auseinandersetzungen die Regelungen des internationalen Kriegsrechts zu gelten, die das Amtshaftungsrecht überlagerten.
Etwas anderes könnte allerdings gelten - erwägt das Berufungsgericht weiter -, wenn sich wie hier die handelnden Organe außerhalb des für die Kriegsführung geltenden Regelwerks stellten, namentlich, wenn die in der Haager Landkriegsordnung postulierten Handlungs- und Unterlassungspflichten verletzt würden. Die Frage sei, ob für diesen Fall nicht nur dem Staat, sondern auch dem einzelnen, der in seinen Rechten verletzt worden sei, ein An-
spruch auf Beseitigung der Unrechtsfolgen eingeräumt werde. Unter diesem Gesichtspunkt zieht das Berufungsgericht Art. 3 HLKO in Betracht, gelangt jedoch zu dem Ergebnis, diese Vorschrift gewähre nicht dem verletzten Individuum , sondern nur der betroffenen "Kriegspartei" ein subjektives Recht auf Schadensersatz.
b) Diesen Ausführungen schließt sich der Senat jedenfalls im Ergebnis an. Nach dem Verständnis und Gesamtzusammenhang des zur Tatzeit (1944) geltenden deutschen Rechts waren die dem Deutschen Reich völkerrechtlich zurechenbaren militärischen Handlungen während des Kriegs im Ausland von dem - eine innerstaatliche Verantwortlichkeit des Staats auslösenden - Amtshaftungstatbestand des § 839 BGB i.V.m. Art. 131 WRV ausgenommen (zur Frage der Fortgeltung des Art. 131 WRV vgl. Staudinger/Wurm [2002] § 839 Rn. 8).
aa) Zwar sind die Tatbestandselemente des § 839 Abs. 1 BGB dem Wortlaut der Vorschrift nach sämtlich erfüllt: Bei der "Sühnemaßnahme" der deutschen SS-Einheit vom 10. Juni 1944 gegen das Dorf Distomo mit einer Massenexekution und der Zerstörung der Häuser handelte es sich um einen Akt der deutschen militärischen Besatzungsmacht, dessen hoheitliche Natur und Zurechnung unbeschadet dessen außer Frage steht, daß der verantwortliche Einheitsführer den Anweisungen der vorgesetzten Stellen zuwiderhandelte und sein Befehl zu dem Massaker ein Kriegsverbrechen darstellte. An dem Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen ändert, wie bereits ausgeführt, auch der Umstand nichts, daß es sich bei dem Massaker in Distomo um ein Verbrechen der SS handelte. Die beteiligte SS-Einheit war in die deutsche Wehrmacht eingegliedert. Angesichts der taktischen Zuordnung der Waffen-SS zu
den kämpfenden Truppen im allgemeinen und der konkreten Zusammenhänge - es waren Kämpfe mit Partisanen vorausgegangen - läßt sich dieses Geschehen amtshaftungsrechtlich vom Kriegsgeschehen insgesamt nicht abtrennen. Es bedarf auch keiner weiteren Ausführungen dazu, daß es - auch in der damaligen Zeit und im Krieg - zu den Amtspflichten eines deutschen Soldaten gehörte, sich nicht in völkerrechtswidriger, kriegsverbrecherischer Art und Weise an fremdem Leben und Eigentum zu vergreifen, wie es hier - vorsätzlich - geschehen ist. Diese Amtspflichten waren entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch bezogen auf die betroffenen Personen (Opfer) zwangsläufig im amtshaftungsrechtlichen Sinne "drittgerichtet".
bb) Gleichwohl ist davon auszugehen, daß nach dem damaligen Verständnis des Kriegsgeschehens im allgemeinen, des anerkannten (weitgehend als ausschließlich verstandenen) völkerrechtlichen Haftungssystems für Verstöße gegen die Regeln des Krieges und der überkommenen Regelung des Art. 131 WRV, wonach die Verantwortlichkeit des Staates für die Amtspflichtverletzungen seiner Beamten nur "grundsätzlich" gegeben war, eine Einstandspflicht des Staates nach innerstaatlichem Amtshaftungsrecht gegenüber durch Kriegshandlungen im Ausland geschädigten Ausländern nicht gegeben war.
(1) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wurde der Krieg als völkerrechtlicher Ausnahmezustand gesehen, der seinem Wesen nach auf Gewaltanwendung ausgerichtet ist und die im Frieden geltende Rechtsordnung weitgehend suspendiert. Die Verantwortlichkeit für den Beginn eines Kriegs und die Folgen der damit zwangsläufig verbundenen kollektiven Gewaltanwendung wie auch die Haftung für individuelle Kriegsverbrechen der zu den be-
waffneten Mächten gehörenden Personen wurde auf der Ebene der kriegsführenden Staaten geregelt bzw. als regelungsbedürftig angesehen. Dementsprechend haftet nach allgemeinem Völkerrecht der illegale Kriegseröffner für alle Schäden, die dem verletzten Staat aus dieser illegalen Kriegseröffnung erwachsen (vgl. Berber, Lehrbuch des Völkerrechts II. Bd. Kriegsrecht 2. Aufl. [1969] § 48 S. 238 f). Gleichermaßen hat die Kriegspartei, die bei der Kriegsführung anerkannte Grundsätze des Völkerrechts verletzt, dem betroffenen Staat für den aus dieser Verletzung entstehenden Schaden einzustehen; dies umfaßt die Haftung für die Handlungen aller zu der bewaffneten Macht gehörenden Personen, und zwar nicht nur, wenn diese Personen kompetenzmäßige Akte begehen, sondern auch dann, wenn sie ohne oder gegen Befehle handeln (vgl. Berber aaO S. 238). Aus dieser Sicht des Kriegs als eines in erster Linie kollektiven Gewaltakts, der als "Verhältnis von Staat zu Staat" aufgefaßt wurde (vgl. Gursky, AWD 1961, 12, 14 f; bezeichnend für diese Sicht ist auch die Darstellung von Féaux de la Croix, NJW 1960, 2268, 2269), lag - jedenfalls damals - die Vorstellung fern, ein kriegsführender Staat könne sich durch Delikte seiner bewaffneten Macht während des Kriegs im Ausland (auch) gegenüber den Opfern unmittelbar schadensersatzpflichtig machen. Selbst Kelsen (Unrecht und Unrechtsfolge im Völkerrecht, ZöR Bd. XII [1932], 481, 522 f), der bereits 1932 den Standpunkt vertreten hat, durch ein völkerrechtliches Unrecht könne rechtlich nicht nur ein Staat, sondern auch ein einzelner Mensch verletzt werden, hat es lediglich für möglich gehalten, daß diesem selbst eine Parteistellung vor einem internationalen Gericht gewährt werden könnte; zugleich stellt er jedoch fest, daß es nach geltendem Recht immer nur ein Staat sei, der die völkerrechtliche Unrechtsfolge zu realisieren habe.
(2) Das Ergebnis, daß es zumindest nach der damaligen Rechtsauffassung ausgeschlossen erscheint, daß das Deutsche Reich mit seinem nationalen Amtshaftungsrecht auch durch völkerrechtswidrige Kriegshandlungen deutscher Soldaten im Ausland verletzten ausländischen Personen individuelle Schadensersatzansprüche einräumen wollte, bestätigt sich vor dem Hintergrund des in § 7 des Gesetzes über die Haftung des Reiches für seine Beamten - Reichsbeamtenhaftungsgesetz (RBHG) - vom 22. Mai 1910 (RGBl. S. 798) geregelten Haftungsausschlusses.
Nach dieser Vorschrift stand den Angehörigen eines auswärtigen Staates ein Ersatzanspruch aufgrund dieses Gesetzes gegen das Deutsche Reich nur insoweit zu, als nach einer im Reichs-Gesetzblatt enthaltenen Bekanntmachung des Reichskanzlers durch die Gesetzgebung des ausländischen Staates oder durch Staatsvertrag die Gegenseitigkeit verbürgt war. Der Ausschluß der Staatshaftung gegenüber Ausländern in diesem Umfang, der für die Bundesrepublik Deutschland erst mit Wirkung vom 1. Juli 1992 geändert worden ist (Art. 6 des Gesetzes über dienstrechtliche Regelungen für Verwendungen im Ausland vom 28. Juli 1993 [BGBl. I S. 1394, 1398]) - allerdings seit der Geltung des Grundgesetzes und insbesondere nach dem Inkrafttreten des europäischen Gemeinschaftsrechts verfassungsrechtlich und rechtspolitisch umstritten ist (vgl. Ossenbühl aaO S. 98 ff m.w.N.; MünchKomm-Papier 3. Aufl. § 839 Rn. 340 ff) -, stand nach dem allgemeinen Verständnis des deutschen Staatshaftungsrechts bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs rechtlich außer Frage (vgl. RG JW 1926, 1332; RGZ 128, 238, 240; Anschütz aaO 14. Aufl. II. Hauptteil Art. 131 Anm. 14 S. 613; Delius, Die Beamtenhaftpflichtgesetze 4. Aufl. S. 23 f), zumal unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung die Verantwortlichkeit des Staats für amtspflichtwidriges Verhalten seiner Amtsträ-
ger zweifelsfrei und anerkanntermaßen unter einem Gesetzesvorbehalt für Ausnahmen - wenn auch in engen Grenzen - stand (Art. 131 WRV; hierzu Anschütz aaO Anm. 13 S. 612 f; zur Auslegung des heute geltenden Art. 34 GG vgl. Ossenbühl aaO S. 96 f; Papier aaO Rn. 332 jeweils m.w.N.). Andererseits war eine "Verbürgung der Gegenseitigkeit" - die im übrigen im Verhältnis zu Griechenland allgemein erst ab der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben war (vgl. Bekanntmachung vom 31. Mai 1957; BGBl. I S. 607) -, was die individualrechtliche Staatshaftung für die Auswirkungen von Kriegshandlungen im Ausland anging, schon im Hinblick auf die vorstehend erörterte einhellige völkerrechtliche "Bewältigung" der Haftungsfrage bei völkerrechtlichen Delikten im Krieg von vornherein nicht zu erwarten, d.h. praktisch ausgeschlossen.
(3) Vor diesem damaligen Hintergrund erscheint es erklärbar, daß das Deutsche Reich während des Zweiten Weltkrieges eine Reihe von Bestimmungen erließ, die ebenfalls - ohne daß es sich insoweit um spezifisch nationalsozialistisches Unrecht (vgl. BVerfGE 23, 98, 106; 54, 53, 68; BGHZ 16, 350, 353 f; 26, 91, 93) handelte - keinerlei Anhalt dafür bieten, daß nach dem maßgebenden Rechtsverständnis im Jahre 1944 eine Haftung des Deutschen Reiches für völkerrechtswidrige Kriegshandlungen seiner Truppen im Ausland gegenüber geschädigten Individualpersonen in Betracht kam.
(aa) Bezüglich der Kriegspersonenschäden sah die Verordnung über die Entschädigung von Personenschäden (Personenschädenverordnung - PersonenschädenVO ) vom 10. November 1940 (RGBl. I S. 1482) vor, daß deutsche Staatsangehörige wegen - im Reich oder außerhalb des Reichs (vgl. Däubler DJ 1943, 36, 38) - durch Kampfhandlungen erlittener Schäden an Leib oder Leben "Fürsorge und Versorgung" erhalten sollten. Zugleich griff die Perso-
nenschädenverordnung in das Schadensersatzrecht ein, indem sie unter anderem in § 10 vorschrieb, daß Ansprüche gegen das Reich nur nach Maßgabe dieser Verordnung bestünden. Dies wurde dahin verstanden, daß wegen eines im Ausland erlittenen Kriegsschadens eines deutschen Staatsangehörigen kein Schadensersatzanspruch gegen das Reich erhoben werden könne (Däubler aaO S. 38), was nahelegt, daß für Schadensersatzansprüche von Ausländern wegen Personenschäden durch im Ausland begangene deutsche Kriegshandlungen erst recht keine Grundlage gesehen werden konnte.
(bb) Bezüglich der Kriegssachschäden sah die Kriegssachschädenverordnung - KriegssachschädenVO - vom 30. November 1940 (RGBl. I S. 1547) Entschädigungsansprüche für Schäden aus Kampfhandlungen innerhalb des Gebiets des großdeutschen Reichs vor. Später wurde die Kriegssachschädenverordnung auf bestimmte, außerhalb des Reichsgebiets eingetretene Schäden ausgedehnt (Erste, Zweite, Dritte und Vierte Verordnung über die Ausdehnung der Kriegssachschädenverordnung auf außerhalb des Reichsgebiets eingetretene Schäden vom 18. April 1941, 18. Februar 1942, 7. Juli 1942 und 26. November 1942 [RGBl. 1941 I S. 215, RGBl. 1942 I S. 84, 446, 665]). Ausländer konnten - soweit überhaupt - nur mit Genehmigung der oberen Verwaltungsbehörde Anträge auf Ersatz von Kriegssachschäden stellen (§ 13 Abs. 2). Kehrseite der Regelung war, daß wegen eines unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KriegssachschädenVO entstandenen Schadens - also aus Kampfhandlungen oder aus hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden militärischen Maßnahmen - gesetzliche Schadensersatzansprüche gegen das Reich nicht geltend gemacht werden konnten (§ 28 Abs. 2 KriegssachschädenVO ). Was Kriegssachschäden deutscher Staatsangehöriger außerhalb des Reiches anging, wurde von Däubler (aaO S. 38) allerdings der Standpunkt
vertreten, hier könne eine dem Zweck der Kriegssachschädenverordnung entsprechende Auslegung nicht zu einer Anwendung des § 28 Abs. 2 führen, vielmehr dürfe, da die Kriegssachschädenverordnung nach ihrer positiven Seite hin ausscheide, die negative Bestimmung des § 28 Abs. 2 nicht für sich allein angewendet werden. Für Sachschäden von Ausländern bei Kampfhandlungen im Ausland stellte er derartige Erwägungen indessen nicht an.
cc) Ob nach dem heutigen Amtshaftungsrecht der Bundesrepublik Deutschland im Lichte des Grundgesetzes und der Weiterentwicklungen im internationalen Recht ähnliches gelten würde oder ob etwa auch im Blick auf § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG der von Ossenbühl (aaO S. 126 f) zum Rechtsinstitut des allgemeinen Aufopferungsanspruchs geäußerte Gedanke ohne weiteres durchgriffe, dieser Anspruch sei nur für den "Normalfall" gedacht - staatliche Katastrophenfälle wie namentlich Kriege, könnten in ihren Auswirkungen nicht über den allgemeinen Aufopferungsanspruch entschädigungsrechtlich reguliert werden, sondern sie bedürften besonderer Ausgleichsnormen und Ausgleichsmaßstäbe, die in entsprechenden Gesetzen niederzulegen seien -, kann dahinstehen. Denn es geht, wie gesagt, im Streitfall um einen Amtshaftungsanspruch nach dem Recht des Deutschen Reichs (§ 839 BGB i.V.m. Art. 131 WRV), der nach allem verneint werden muß.
3. Schließlich hat das Berufungsgericht auch unter dem Gesichtspunkt eines (rechtswidrigen) enteignungsgleichen bzw. aufopferungsgleichen Eingriffs (vgl. hierzu Ossenbühl aaO S. 131 ff, 213 ff) eine Anspruchsgrundlage für das Begehren der Kläger rechtsfehlerfrei verneint. Dabei wäre aus der damaligen Sicht der Rechtsprechung (vgl. RGZ 140, 285) für die Heranziehung des Aufopferungsgedankens wohl schon deshalb kein Raum, weil schuldhaft rechts-
widrige Maßnahmen, die in Ausübung öffentlicher Gewalt getroffen waren, nach damaliger Ansicht lediglich einen Amtshaftungsanspruch auslösen konnten (vgl. Kreft in BGB-RGRK 12. Aufl. vor § 839 Rn. 8). Jedenfalls war der aus den §§ 74, 75 EinlALR hergeleitete Aufopferungsgedanke, der auch dem Rechtsin-
stitut des enteignungsgleichen Eingriffs zugrunde liegt, auf Maßnahmen der Verwaltung eingeengt, Kriegsschäden waren ausgeklammert (vgl. Ossenbühl aaO S. 126, 127, oben B. IV. 2. bb).
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(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger wurde am 9. Dezember 1995 Opfer eines Ver kehrsunfalls, bei dem er schwere Verletzungen erlitt. Er war nicht gesetzlich krankenversichert. Der Beklagte zu 2 behandelte den Kläger als zum Rettungsdienst eingeteilter Notarzt am Unfallort und während des Transports in das Krankenhaus M. . Im Zuge der Behandlung intubierte der Beklagte zu 2 den Kläger. Bei der Notfallbehandlung im Krankenhaus wurde der Tubus in der Speise- statt in der Luftröhre des Klägers vorgefunden. Er erlitt als Folge einer Sauerstoffunterversorgung einen irreversiblen Hirnschaden und liegt seit dem Unfalltag im Wachkoma.
Der Beklagte zu 3 bildet zusammen mit zwei weiteren Lan dkreisen einen Rettungszweckverband als Körperschaft öffentlichen Rechts. Die Durchführung des Rettungsdienstes war dem Bayerischen Roten Kreuz übertragen.
Der Beklagte zu 2 war an dem Krankenhaus des Beklagten zu 3 als Assistenzarzt angestellt. In dem Arbeitsvertrag war vereinbart, daß zu den Dienstaufgaben des Beklagten zu 2 auch die Teilnahme am Notarztdienst gehörte.
Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 2 habe den Tub us falsch plaziert oder es zumindest versäumt, dessen Lage rechtzeitig und sorgfältig auf eine Dislokation hin zu überprüfen. Der Hirnschaden sei hierauf zurückzuführen. Er verlangt materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Das Landgericht hat den Klageanspruch gegen die Beklagt en zu 2 und 3 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidu ng ausgeführt , der Beklagte zu 2 hafte für eine etwaige Fehlbehandlung des Klägers nicht persönlich, da er nach dem Bayerischen Rettungsdienstgesetz die ihm als Notarzt obliegenden Aufgaben hoheitlich wahrgenommen habe (Art. 34 Satz 1 GG i.V.m. § 839 BGB). Der Beklagte zu 3 sei dem Kläger gegenüber nicht verantwortlich , weil den Landkreisen zwar die Notfallrettung als Angelegenheit des übertragenen Wirkungskreises obliege, jedoch die Pflichten aus der Durchführung des Rettungsdienstes auf den Rettungszweckverband übergegangen seien.
II.
Die hiergegen gerichteten Beanstandungen der Revision sind unbegründet.
1. Die persönliche Haftung des Beklagten zu 2 scheidet aus, weil auch nach der zum Zeitpunkt der strittigen Behandlung geltenden Rechtslage in Bayern ärztliche Fehler im Rahmen eines Rettungsdiensteinsatzes nach Amtshaftungsgrundsätzen gemäß § 839 Abs. 1 BGB zu beurteilen sind. Schadensersatzansprüche des Geschädigten richten sich daher gemäß Art. 34 Satz 1 GG nicht gegen den behandelnden Arzt selbst.
a) Der Senat hat bereits für das Bayerische Gesetz über d en Rettungsdienst vom 11. Januar 1974 (GVBl. S. 1; BayRDG 1974) und das Bayerische
Rettungsdienstgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Januar 1998 (GVBl. S. 9; BayRDG 1998) entschieden, daß der Rettungsdienst in Bayern öffentlich-rechtlich organisiert ist mit der Folge, daß die Wahrnehmung der rettungsdienstlichen Aufgaben sowohl im Ganzen wie im Einzelfall der hoheitlichen Betätigung zuzurechnen ist (zum BayRDG 1974: BGHZ 120, 184, 187 f; zustimmend: OLG München VersR 2003, 68, 69; Gitter JZ 1993, 906 ff; Fehn/Lechleuthner MedR 2000, 114, 118; zum BayRDG 1998: BGHZ 153, 268, 270 ff; zustimmend: BayObLG BayVBl. 2003, 605, 606 f; Petry GesR 2003, 204 ff; ebenso OLG München aaO; im Ergebnis auch Lippert VersR 2004, 839, 841; allgemein zum öffentlichen Rettungsdienst: z.B. Hausner MedR 1994, 435, 436 f; Fehn/Selen, Rechtshandbuch für Feuerwehr und Rettungsdienst, 2. Aufl. 2003, S. 197 f, 200). Für die Rechtslage nach der 1995 maßgebenden Fassung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes vom 10. August 1990 (GVBl. S. 282; BayRD 1990) gilt nichts anderes (so auch OLG München aaO). Die Erwägungen des Senats in den vorgenannten Entscheidungen treffen in weiten Teilen auch insoweit zu.
aa) Nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayRDG 1990 (inhaltsglei ch: Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayRDG 1998) haben die Landkreise und die kreisfreien Gemeinden den Rettungsdienst flächendeckend sicherzustellen. Es handelt sich um eine Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises (Art. 18 Abs. 1 Satz 2 BayRDG 1990 und 1998). Es werden durch Rechtsverordnung des Staatsministeriums des Innern die Rettungsdienstbereiche und die Standorte der Rettungsleitstellen festgesetzt (Art. 18 Abs. 2 BayRDG 1990 und 1998). Die zu einem Rettungsdienstbereich gehörenden Landkreise und kreisfreien Gemeinden bilden einen Rettungszweckverband (Art. 18 Abs. 3 Satz 1 BayRDG 1990 und 1998), auf den das Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit
(BayKommZG) vom 12. Juli 1966 (GVBl. S. 218) - für den hier maßgebenden Zeitpunkt in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 1994 (GVBl. S. 555) - anwendbar ist (vgl. Art. 18 Abs. 3 Satz 2 BayRDG 1990 und 1998). Nach Art. 2 Abs. 3 Satz 1 BayKommZG sind die Zweckverbände Körperschaften des öffentlichen Rechts. Sie haben Satzungs- und Verordnungsrecht (Art. 22 Abs. 2 BayKommZG), die Berechtigung, Verwaltungsakte zu erlassen (Art. 52 BayKommZG), und die Dienstherrenfähigkeit (Art. 23 Abs. 1, Art. 38 BayKommZG). Sie unterliegen dem öffentlichen Kommunalrecht (Art. 26 Abs. 1 BayKommZG) und unterstehen der staatlichen Aufsicht (Art. 49 Abs. 1 Satz 1 BayKommZG). Der Rettungszweckverband überträgt die Durchführung des Rettungsdienstes in der Regel anderen Organisationen (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 BayRDG 1990 und 1998), verrichtet ihn in Ausnahmefällen aber auch selbst (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 BayRDG 1990 und 1998). Das Rechtsverhältnis zwischen dem Rettungszweckverband und dem mit der Durchführung des Rettungsdienstes betrauten Dritten wird durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag geregelt (Art. 19 Abs. 3 Satz 1 BayRDG 1990 und 1998), der nach der im hier maßgeblichen Zeitraum gültigen Rechtslage der Genehmigung der Regierung bedurfte (Art. 19 Abs. 3 Satz 3 BayRDG 1990). Die für die Durchführung des Rettungsdienstes erforderliche technische Ausrüstung wird zu weiten Teilen vom Freistaat Bayern finanziert (Art. 23 Abs. 1 BayRDG 1990 und 1998). In bestimmten Fällen hatte das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern die Benutzungsentgelte für die Leistungen des Rettungsdienstes durch Rechtsverordnung festzusetzen (Art. 24 Abs. 4 BayRDG 1990).
Diesem für den öffentlichen Rettungsdienst geltenden N ormengefüge (vgl. Regierungsbegründung des Entwurfs des BayRDG 1990 vom 15. Mai
1990, LT-Drucks. 11/16437, S. 18 Nr. 1 zu Art. 18) ist zu entnehmen, daß die Aufgabe des Rettungsdienstes in Bayern auch 1995 nicht mit privatrechtlichen Mitteln, sondern in öffentlich-rechtlichen Formen erfüllt wurde, wenn, wie hier, der öffentliche Rettungsdienst und nicht, was seinerzeit noch zulässig war, eine eigenverantwortlich privat betriebene Notfallrettung zum Einsatz kam.
bb) Dem widerspricht nicht, daß erst mit der am 8. Janu ar 1998 bekannt gemachten Neufassung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes für die Notfallrettung ein Verwaltungsmonopol eingerichtet wurde, vgl. Art. 18 Abs. 1 Satz 3 BayRDG 1998. Mit dieser Novelle wurde die gesamte Notfallrettung in Bayern einheitlich einem öffentlich-rechtlichen Regime unterworfen (Senat in BGHZ 153, 268, 272). Hieraus läßt sich aber nicht der Rückschluß ziehen, daß die von den Rettungszweckverbänden beziehungsweise den Landkreisen und kreisfreien Gemeinden wahrgenommene öffentliche Notfallrettung zuvor privatrechtlich ausgeführt wurde. Die Gesetzesänderung hatte zum Zweck, das bislang zulässige konkurrierende Nebeneinander von eigenverantwortlich tätigen privaten Rettungsdiensten und öffentlicher Notfallrettung (Art. 18 ff BayRDG 1990) zu beseitigen, weil diese Situation zu Unzuträglichkeiten geführt hatte, die die Effizienz des Rettungswesens beeinträchtigt hatten (Regierungsbegründung des Entwurfs des Gesetzes zur Änderung des Rettungsdienstgesetzes vom 13. Juni 1997, LT-Drucks. 13/8388, S. 12 Nr. 1.1, S. 13 Nr. 2.1.1). Die Veränderung des Charakters des öffentlichen Notfallrettungswesens gegenüber der Rechtslage unter Geltung des Rettungsdienstgesetzes in der Fassung vom 10. August 1990 war hingegen nicht Zweck der Novelle (vgl. zum Anlaß und zu den wesentlichen Inhalten der Reform: Regierungsbegründung des Entwurfs des Gesetzes zur Änderung des Rettungsdienstgesetzes vom 13. Juni 1997 aaO S. 12 Nr. 1 und S. 13 Nr. 2). Dementsprechend sind die Bestimmungen in Art. 18 ff BayRDG, die die
stimmungen in Art. 18 ff BayRDG, die die Organisation des öffentlichen Rettungsdienstes regeln, durch das Änderungsgesetz weitgehend unangetastet geblieben (vgl. die Darstellung der einzelnen Regelungen unter aa).
cc) Die Einordnung der rettungsdienstlichen Tätigkeit al s Ausübung eines öffentlichen Amts im Sinne von Art. 34 Satz 1 GG und § 839 Abs. 1 BGB wird entgegen der Ansicht der Revision nicht dadurch in Frage gestellt, daß nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 BayRDG 1990 der Rettungszweckverband die Durchführung des Rettungsdienstes im Regelfall auf Hilfsorganisationen zu übertragen hat und es sich bei den unter Nummern 1 bis 5 aufgeführten Organisationen überwiegend um juristische Personen des Privatrechts handelt (Senat in BGHZ 153, 268, 272 zum inhaltsgleichen Art. 19 Abs. 1 Satz 1 BayRDG 1998; aA: Oehler/Schulz/ Schnelzer, Rettungsdienst in Bayern, 2. Aufl. [Stand Januar 1999], Art. 19 Anm. 1.1; Art. 24 Anm. 2.2 und 2.4; vgl auch Bloch NJW 1993, 1513, 1514 f; Conrad/Regorz, Gesetz über die Notfallrettung und den Krankentransport für Schleswig-Holstein, 1996, § 6 Anm. 3) und auch das Bayerische Rote Kreuz (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayRDG 1990) zwar seit 1945, bestätigt durch Gesetz vom 16. Juli 1986 (GVBl. S. 134), formell den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft hat, dieses Gesetz ihm aber keine hoheitlichen Befugnisse einräumt (BayVerfGH BayVBl 1992, 12, 14 m.w.N.; Regierungsbegründung des Entwurfs über die Rechtsstellung des Bayerischen Roten Kreuzes vom 22. April 1986, LT-Drucks. 10/10002, S. 4 Nr. 2.1.1 und 2.3.1; Regierungsbegründung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsstellung des Bayerischen Roten Kreuzes vom 5. Juli 1999, LT-Drucks. 14/1451, S. 3 zu A; vgl. auch Bloch aaO, S. 1515). Auch Privatpersonen können, insbesondere durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, mit der Wahrnehmung einzelner hoheitlicher Aufgaben betraut wer-
den. Dies hat zur Folge, daß für ein Fehlverhalten dieser Personen die Grundsätze der Amtshaftung gelten. So liegt es hier. Das der Übertragung des Rettungsdienstes auf die einzelnen Organisationen zugrunde liegende Rechtsverhältnis wird gemäß Art. 19 Abs. 3 Satz 1 BayRDG 1990 durch einen öffentlichrechtlichen Vertrag bestimmt (vgl. Senat aaO, S. 272 f mit weiteren Einzelheiten
).
dd) Stellt sich die Erfüllung einer bestimmten öffent lichen Aufgabe als hoheitliche Betätigung dar, so sind die Rechtsbeziehungen, die bei Ausübung der Tätigkeit gegenüber den Leistungsempfängern entstehen, grundsätzlich gleichfalls als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren (Senat aaO, S. 274). Dafür, daß im Anwendungsbereich des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes vom 10. August 1990 etwas Abweichendes gelten könnte, gibt es keinen durchgreifenden Anhaltspunkt. Wie der Senat (aaO) zu Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayRDG 1998, dessen Inhalt mit der entsprechenden Vorschrift der hier maßgeblichen Gesetzesfassung von 1990 identisch ist, ausgeführt hat, läßt insbesondere der Umstand, daß die Durchführenden des Rettungsdienstes ein "Benutzungsentgelt" und keine Verwaltungsgebühren für ihre Leistungen erheben, keinen Rückschluß auf einen privatrechtlichen Charakter der Rechtsbeziehungen zum Notfallpatienten zu. Für das hier anwendbare Rettungsdienstgesetz aus dem Jahr 1990 kommt als weiterer Gesichtspunkt, der für die hoheitliche Verfassung des Rettungswesens spricht, hinzu, daß nach Art. 24 Abs. 4 Satz 1 BayRDG 1990 das Wirtschafts- und Verkehrsministerium die Höhe der Entgelte unter bestimmten Voraussetzungen im Einvernehmen mit dem Innenministerium durch Rechtsverordnung festsetzen konnte.
b) Dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Durchführun g rettungsdienstlicher Aufgaben sowohl im Ganzen wie im Einzelfall entspricht es, daß auch die ärztliche Tätigkeit im Rahmen eines rettungsdienstlichen Einsatzes als Ausübung eines öffentlichen Amtes zu beurteilen ist (Senat aaO S. 274; Petry aaO; im Ergebnis ebenso Fehn/Lechleuthner, aaO, S. 116 f; Hausner aaO). Dies gilt für privat und gesetzlich krankenversicherte Patienten gleichermaßen. An seiner älteren Rechtsprechung, nach der die Tätigkeit des Notarztes im Verhältnis zum Notfallpatienten auch dann auf einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis gründet, wenn in dem betreffenden Bundesland der Rettungsdienst öffentlich-rechtlich organisiert ist (Senats[Nichtannahme-]Beschluß vom 26. Oktober 1989 - III ZR 99/88 - BGHR § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB - Notarzt 1 zu dem nordrhein-westfälischen Gesetz über den Rettungsdienst vom 26. November 1974, GV. NW. S. 1481; vgl. auch Senatsurteile vom 21. März 1991 - III ZR 77/90 - NJW 1991, 2954, 2955 sowie BGHZ 120, 184, 189 ff), hält der Senat nicht mehr fest. Dies hat er bereits für die Rechtslage in Bayern unter Geltung des dortigen Rettungsdienstgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Januar 1998 im Hinblick auf das 2. GKVNeuordnungsgesetz vom 23. Juni 1997 (BGBl. I S. 1520) (Senatsurteil vom 9. Januar 2003 in BGHZ 153, 268, 278) entschieden. Er gibt die frühere Rechtsprechung nunmehr auch für die - hier maßgebliche - zuvor geltende Rechtslage auf.
aa) Wie der Senat in seinem vorzitierten Urteil ausgef ührt hat, ist der Notarztdienst im Gegensatz zum vertrags- beziehungsweise kassenärztlichen Notfall- oder Bereitschaftsdienst Bestandteil des Rettungsdienstes. Seine Aufgabe ist es, im organisierten Zusammenwirken mit den übrigen Kräften des Rettungsdienstes Notfallpatienten durch für diese Aufgabe besonders qualifi-
zierte Ärzte medizinische Hilfe zukommen zu lassen (Senat aaO , S. 275; vgl. auch Senatsurteil BGHZ 120, 184, 191 f m.w.N.; Regierungsbegründung des Entwurfs des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes vom 15. Mai 1990, aaO, S. 20 zu Art. 21 Nr. 2). Ein funktionsfähiges Rettungswesen ist ohne die Mitwirkung von Notärzten nicht denkbar (Senat aaO). Notarzt und die sonstigen am Rettungsdiensteinsatz mitwirkenden Personen bilden eine sachliche Funktionseinheit (Senat aaO).
Diese funktionale Einheit von Rettungs- und Notarztdien st zeichnet das Bayerische Rettungsdienstgesetz vom 10. August 1990 rechtlich nach. Der Notarztdienst ist im Zweiten Teil des Gesetzes (Art. 21) geregelt. Dieser ist mit "Rettungsdienst" überschrieben. Hieraus ergibt sich, daß der Notarztdienst auch in rechtlicher Hinsicht Bestandteil des Rettungsdienstes ist. Damit korrespondiert , daß der Notarzt in medizinischen Fragen gegenüber den übrigen im Rettungsdienst tätigen Personen weisungsbefugt ist (Art. 21 Abs. 2 BayRDG 1990 und 1998). Auch organisationsrechtlich findet die Zugehörigkeit des Notarztdienstes zum Rettungsdienst ihren Niederschlag. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayRDG 1990 (inhaltsgleich: Art. 21 Abs. 1 Satz 2 BayRDG 1998) weist es nicht allein der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns zu, die Mitwirkung von Ärzten im Rettungsdienst zu gewährleisten. Vielmehr obli egt diese Aufgabe auch den Rettungszweckverbänden. Hiermit soll der Einbeziehung der Ärzte in den Rettungsdienst Rechnung getragen werden (Regierungsbegründung des Entwurfs des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes vom 15. Mai 1990, aaO; vgl. auch Regierungsbegründung des Entwurfs des Gesetzes zur Änderung des Rettungsdienstgesetzes vom 13. Juni 1997 aaO, S. 17 zu Nr. 19 [Art. 21] Nr. 1).
Da sich der Rettungsdienst rechtlich und funktional aus de r Tätigkeit des Notarztes und der übrigen am Rettungseinsatz Beteiligten zusammensetzt, ist es sachgerecht, alle diese Personen einem einheitlichen Haftungsregime zu unterwerfen (Senat aaO). Diese Sichtweise steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats, wonach der gesamte Tätigkeitsbereich, der sich auf die Erfüllung einer bestimmten hoheitlichen Aufgabe bezieht, als Einheit beurteilt werden muß und es grundsätzlich nicht angeht, die einheitliche Aufgabe in Einzelakte - teils hoheitlicher, teils bürgerlich-rechtlicher Art - aufzuspalten und einer gesonderten Beurteilung zu unterziehen (Senat aaO, S. 276; vgl. auch Senats[Nichtannahme-]Beschluß vom 1. August 2002 - III ZR 277/01 - NJW 2002, 3172, 3173 m.w.N.).
bb) Dem widerspricht nicht, daß nach der Rechtsprechung d es Bundessozialgerichts (MedR 1988, 106, 107 f noch zu § 368 Abs. 3, § 368d Abs. 1 Satz 2 RVO) zum Zeitpunkt der strittigen Behandlung auch die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V in der ursprünglichen Fassung vom Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen erfaßt war. Aus diesem Verständnis der Regelung folgt entgegen der bislang veröffentlichten Ansicht des Senats (Senats[Nichtannahme -]Beschluß vom 26. Oktober 1989 aaO; vgl. auch Senatsurteile vom 21. März 1991 aaO und BGHZ 120, 184, 189 ff) nicht, daß sich die Haftung des Notarztes für Behandlungsfehler im Rettungsdiensteinsatz auch dann nach dem allgemeinen Vertrags- und Deliktsrecht richtet, wenn der Rettungsdienst durch das betreffende Landesrecht öffentlich-rechtlich organisiert ist.
(1) Mit dem vorerwähnten Urteil hat das Bundessozialger icht (aaO) entschieden , daß die ärztliche Behandlung von Versicherten in Notfällen (vgl.
§ 368 Abs. 3, § 368d Abs. 1 Satz 2 RVO) der kassenärztlichen Versorgung zugeordnet und mithin den hierfür geltenden Vergütungsregelungen unterworfen ist. Weiterhin hat es ausgeführt, daß zur Notfallversorgung im Sinne der Reichsversicherungsordnung auch die ärztliche Tätigkeit im Rahmen eines Rettungsdiensteinsatzes gehöre. Hieraus hat das Bundessozialgericht den Schluß gezogen, daß der ärztliche Rettungsdiensteinsatz von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung zu honorieren ist.
Dieser Rechtsprechung ist das Bundesverwaltungsgericht gefol gt und hat, bereits zur Rechtslage nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch, angenommen , daß sich Notfälle im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V (die Bestimmung entspricht § 368d Abs. 1 Satz 2 RVO) nicht auf die Inanspruchnahme des von der Kassenärztlichen Vereinigung nach § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V (a.F.) zu unterhaltenden Notfalldienstes beschränken, sondern auch Leistungen eines Notarztes im Rahmen eines Rettungsdiensteinsatzes erfassen (BVerwGE 99, 10, 13 ff). Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht den Gemeinden die Befugnis abgesprochen, für die bei Notfalleinsätzen im Rahmen des Rettungsdienstes erbrachten ärztlichen Behandlungen von Mitgliedern gesetzlicher Krankenkassen aufgrund kommunaler Satzungen (Benutzungs -)Gebühren zu erheben.
Im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ha t der Senat ausgesprochen, daß die Versorgung ambulanter Patienten einschließlich der Notfallpatienten bundesrechtlich den niedergelassenen Ärzten zugewiesen (vgl. Art. 74 Nr. 12 GG) und daher der Regelungsbefugnis der Länder entzogen ist. Hieraus hat der Senat gefolgert, daß die Haftung des Arztes für eine fehlerhafte Behandlung im Rahmen eines Rettungsdiensteinsatzes - wie bei jeder
sonstigen vertragsärztlichen (damals: kassenärztlichen) Tätigkeit auch (vgl. § 76 Abs. 4 SGB V, § 368d Abs. 4 RVO) - zivilrechtlich ausgestaltet ist und zwar auch dann, wenn der Rettungsdienst nach dem jeweils anzuwendenden Landesrecht öffentlich-rechtlich organisiert ist (Senatsbeschluß vom 26. Oktober 1989 aaO).
(2) Hieran hält der Senat nicht mehr fest. Er hat be reits in seinem Urteil vom 9. Januar 2003 Zweifel gegenüber der früheren Rechtsprechung geäußert (BGHZ 153, 268, 277). Er hat die Problematik jedoch im Hinblick auf die zwischenzeitliche Neuregelung von § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V durch das 2. GKVNeuordnungsgesetz (vgl. auch Antrag der SPD-Fraktion des Deutschen Bundestages vom 13. Dezember 1996 BT-Drucks. 13/6578 und Beschluß des 14. Ausschusses des Deutschen Bundestages BT-Drucks. 13/7264 S. 63) für den seinerzeit zu entscheidenden Fall offenlassen können.
Die in dem Urteil vom 9. Januar 2003 aufgezeigten Ein wände sind nunmehr für die Beurteilung des hier zur Entscheidung stehenden Sachverhalts tragend. Die in den Entscheidungen des Bundessozial- und des Bundesverwaltungsgerichts angestellten Erwägungen zum Verhältnis zwischen dem (Bundes -)Sozialversicherungsrecht und dem in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallenden Rettungsdienstrecht nehmen im wesentlichen nur die Frage der ärztlichen Vergütung in den Blick (Senat aaO). Das Bundessozialgericht hat lediglich in bezug auf die Frage, wer für die notärztliche Behandlung leistungspflichtig ist, festgestellt, daß dem Landesgesetzgeber die Befugnis fehlt, die ärztliche Versorgung von Versicherten bei einem Rettungsdiensteinsatz unabhängig vom Recht der sozialen Krankenversicherung zu regeln (aaO, S. 108). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat die aus Art. 74 Nr. 12 GG fol-
gende Kompetenz des Bundes zur Regelung rettungsmedizinischer Behandlungen nur unter dem Aspekt des Entgelts für die dabei erbrachten (not )ärztlichen Leistungen (aaO, S. 12) erörtert. Die Einbeziehung der notärztlichen Versorgung in den Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen sollte verhindern, daß gesetzlich krankenversicherte Patienten trotz ihres umfassenden Anspruchs auf ärztliche Behandlung gesonderte Vergütungen für rettungsmedizinische Leistungen zu entrichten hatten (vgl. BVerwG aaO, S. 13). Die Anwendung von § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V a.F. auf die notärztliche Versorgung sollte damit lediglich für den Teilaspekt des Honorars der Rettungsmediziner eine Lücke im Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung verhindern (Senat aaO).
Diese Erwägungen bilden keine tragfähige Grundlage d afür, die rettungsärztliche Behandlung insgesamt - unter Einschluß der Haftung des Notarztes - dem Sozialversicherungsrecht zu unterstellen mit der Folge, daß Art. 34 Satz 1 GG i.V.m. § 839 Abs. 1 BGB durch § 76 Abs. 4 SGB V verdrängt werden. Zwischen dem Haftungsregime, dem der behandelnde Arzt unterliegt, und den Regeln, nach denen sich seine Honorierung richtet, besteht keine notwendige Verbindung. Deshalb ist der Rückschluß von der mit Vergütungserwägungen begründeten Anwendbarkeit von § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V a.F. auf die zivilrechtliche Haftung des Notarztes gemäß § 76 Abs. 4 SGB V nicht zwingend. Vielmehr spricht gegen eine solche Ableitung, daß die notärztliche Versorgung keine typisch vertragsärztliche Leistung (siehe Beschluß des 14. Ausschusses des Deutschen Bundestages aaO; Senat aaO, S. 278), sondern aufgrund ihres untrennbaren Zusammenhangs mit den sonstigen rettungsdienstlichen Maßnahmen Bestandteil des Rettungsdienstes ist. Auch die grundgesetzliche Kompetenzordnung nötigt nicht dazu, das Haftungsregime für den Notarzt
dem Sozialversicherungsrecht zu entnehmen. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Sozialversicherungsrecht (Art. 74 Nr. 12 GG) erfaßt - von Teilaspekten, wie Beitrags- oder Vergütungsfragen, abgesehen - nicht den Rettungsdienst , für dessen Regelung die Landesgesetzgeber zuständig sind (vgl. BSG aaO; Bericht der Bundesregierung an den Bundestag über Maßnahmen zur Verbesserung des Rettungswesens vom 12. April 1973, BT-Drucks. 7/489 S. 1). Dementsprechend hat es das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 3. November 1994 (BVerwGE 97, 79 ff) für unbedenklich gehalten, daß das Land Berlin die Notfallrettung als Ordnungsaufgabe ausgestaltete.
2. Das Berufungsgericht hat auch die gegen den Beklagten zu 3 gerichtete Klage zu Recht abgewiesen.
a) Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 3 aus positiver Forderungsverletzung eines Behandlungsvertrages beziehungsweise eines Geschäftsführungsverhältnisses ohne Auftrag in Verbindung mit § 278 BGB oder aus § 831 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht, weil sich die Haftung für einen etwaigen Behandlungsfehler des Beklagten zu 2 aus den vorgenannten Gründen nach Art. 34 Satz 1 GG i.V.m. § 839 Abs. 1 BGB richtet.
b) Für einen Amtshaftungsanspruch wegen einer fehlerha ften Notarztbehandlung ist der Beklagte zu 3 nicht passiv legitimiert. Schuldner einer solchen Forderung ist vielmehr der Rettungszweckverband, für den der Notarzt tätig wurde (so auch OLG München VersR 2003, 68, 69; Lippert VersR 2004, 839, 841).
aa) Nach Art. 34 Satz 1 GG trifft die Verantwortlichke it, wenn ein Amtsträger in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amts die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt hat, grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht (z.B.: Senat in BGHZ 53, 217, 219; 87, 202, 204; 99, 326, 330; Staudinger/Wurm, 13. Bearb. 2002, § 839 Rn. 54; Bamberger/Roth/Reinert, BGB, § 839 Rn. 104). Es haftet daher im Regelfall die Körperschaft, die den fehlsam handelnden Amtsträger angestellt und ihm damit die Möglichkeit zur Amtsausübung eröffnet hat (Senat aaO; Staudinger /Wurm aaO, Rn. 55 f; Bamberger/Roth/Reinert aaO). Hiernach wäre eine Haftung des Beklagten zu 3 zwar grundsätzlich in Betracht zu ziehen, da der Beklagte zu 2 dessen Angestellter in einem Kreiskrankenhaus war.
bb) Dieser Grundsatz gilt jedoch dann nicht, wenn der A mtsträger unter Herauslösung aus der Organisation seiner Anstellungskörperschaft von einer anderen Körperschaft zur Ausübung hoheitlicher Tätigkeit eingesetzt wird (Senat in BGHZ 53, aaO; 87, 202, 205; 99 aaO; Staudinger/Wurm aaO, Rn. 62). In diesen Fällen haftet für Amtspflichtverletzungen allein die Körperschaft, die den Bediensteten mit der Wahrnehmung der betreffenden Aufgabe betraut und ihn damit zur Mitwirkung bei der Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgabe berufen hat (Senat aaO, Staudinger/Wurm aaO; vgl. auch Senatsurteil vom 19. Dezember 1960 - III ZR 194/59 - NJW 1961, 969, 970). Dies kommt namentlich bei Abordnungen (vgl. § 17 BRRG) und Tätigkeiten im Nebenamt, aber auch dann in Betracht, wenn der "abgeordnete" Bedienstete nicht Beamter im statusrechtlichen Sinn ist (Staudinger/Wurm aaO).
cc) Eine derartige Konstellation liegt hier vor. Der B eklagte zu 2 war im Rahmen seiner Notarzttätigkeit nicht mehr im Geschäfts- und Wirkungskreis
des Beklagten zu 3 beschäftigt. Vielmehr nahm er allein Aufgaben wahr, die auf den Rettungszweckverband als eigenständige Körperschaft öffentlichen Rechts übergegangen waren (Art. 2 Abs. 3 Satz 1 BayKommZG).
(1) Zwar oblag es dem Beklagten zu 3 nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayRDG 1990 als Angelegenheit des übertragenen Wirkungskreises, den Rettungsdienst flächendeckend sicherzustellen. Mit der - seinerzeit noch unter Geltung des BayRDG 1974 erfolgten - Errichtung des Rettungszweckverbandes als Körperschaft öffentlichen Rechts im Jahr 1977 hatte sich diese Aufgabe jedoch auf den Verband verlagert. Nach Art. 23 Abs. 1 BayKommZG in der ursprünglichen Fassung (jetzt Art. 22 Abs. 1 BayKommZG) in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayRDG 1990 gingen das Recht und die Pflicht der Verbandsmitglieder , ihre rettungsdienstlichen Aufgaben zu erfüllen und die dazu notwendigen Befugnisse auszuüben, auf den Zweckverband über (vgl. auch § 4 Abs. 3 der Satzung des Rettungszweckverbandes, dem der Beklagte zu 3 angehört). Die Parteien haben nicht vorgetragen, daß nach der Satzung des Rettungszweckverbandes, dem der Beklagte zu 3 angehört, einzelne Befugnisse den Verbandsmitgliedern vorbehalten waren (vgl. Art. 22 Abs. 3 BayKommZG ). Damit waren die Organisation und die Durchführung des öffentlichen Rettungsdienstes aus dem dem Beklagten zu 3 obliegenden Pflichtenkreis vollständig ausgeschieden. Dieser wurde anstatt dessen von dem Rettungszweckverband wahrgenommen. Die verbandsangehörigen Kreise waren nur noch mittelbar über ihre mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten gegenüber dem Verband mit der Wahrnehmung von Aufgaben im Zusammenhang mit dem Rettungsdienst befaßt.
Zu den von den Kreisen und kreisfreien Gemeinden auf d en Rettungszweckverband übergegangenen Aufgaben gehörten nicht nur die Organisation des Rettungsdienstes und die Sicherung der erforderlichen Infrastruktur, sondern auch dessen Ausführung. Dies ergibt sich aus Art. 19 Abs. 1 Satz 2 BayRDG 1990 (Fassung von 1998 ist inhaltsgleich) und Art. 18 Abs. 1 BayRDG 1990. Nach der erstgenannten Bestimmung führen der Rettungszweckverband selbst, seine Mitglieder oder Dritte "die Aufgabe" durch, wenn die in Satz 1 dieser Vorschrift genannten Hilfsorganisationen "zur Durchführung des Rettungsdienstes" nicht bereit oder in der Lage sind. In Art. 19 Abs. 1 Satz 1 BayRDG 1990 (wie auch BayRDG 1998) ist die Übertragung "der Aufgabe nach Art. 18 Abs. 1" von dem Rettungszweckverband auf die Hilfsorganisationen geregelt. Hieraus wird deutlich, daß das Gesetz der von den Landkreisen und kreisfreien Gemeinden gemäß Art. 18 Abs. 1 BayRDG 1990 zu erledigenden Aufgabe, den Rettungsdienst sicherzustellen, auch dessen Durchführung in der Praxis zuordnet. Diese Vorstellung bestand auch im Gesetzgebungsverfahren, wie aus der Regierungsbegründung des Gesetzentwurfs des BayRDG 1990 vom 15. Mai 1990 zum "Selbsteintritt" des Rettungszweckverbandes (aaO, S. 19 zu Art. 19 Nr. 2 Absätze 2 ff) folgt.
(2) Die Weiterübertragung der rettungsdienstlichen Au fgaben auf eine der in Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 BayRDG 1990 genannten Organisationen läßt die haftungsrechtliche Zuordnung der Tätigkeit des Beklagten zu 2 zu dem Aufgabenkreis des Rettungszweckverbandes nicht entfallen. Ist, wie in Bayern, der Rettungsdienst öffentlich-rechtlich ausgestaltet, ist in den hoheitlichen Aufgabenbereich des Trägers des Rettungsdienstes auch das Personal einer Hilfsorganisation einbezogen, das für diesen nach Maßgabe des Rettungsdienstgesetzes den Rettungsdienst ausführt (z.B.: Senatsurteil vom 21. März 1991 aaO,
S. 2954; Senatsbeschluß vom 26. Oktober 1989 aaO; OLG München aaO; OLG Nürnberg NZV 2001, 430; aA: Oehler/Schulz/ Schnelzer aaO). Nichts anderes kann für den Notarzt gelten.
dd) Entgegen der Ansicht der Revision folgt die Passivleg itimation des Beklagten zu 3 auch nicht aus der Tatsache, daß dieser den Beklagten zu 2 in dem Anstellungsvertrag zur Teilnahme an dem Rettungsdienst verpflichtete. Diese arbeitsvertragliche Verpflichtung wirkte nur im Verhältnis zwischen den beiden Beklagten als Vertragsparteien, konnte jedoch den hoheitlichen Aufgabenkreis des Beklagten zu 3 im Verhältnis zu den Leistungsempfängern des Rettungsdienstes nicht erweitern. Insoweit verblieb es bei dem aufgrund von Art. 22 Abs. 1 BayKommZG eingetretenen vollständigen Übergang der Rechte und Pflichten auf den Rettungszweckverband. Auch für die vergleichbaren Fälle der beamtenrechtlichen Abordnung wird nicht die Haftung des abordnenden Dienstherrn für Amtspflichtverletzungen, die der abgeordnete Bediensteten im Zuständigkeitsbereich der aufnehmenden Körperschaft begeht, erwogen, wenn der Beamte im Verhältnis zu seiner Anstellungskörperschaft verpflichtet war, seiner Abordnung zuzustimmen.
Die Bedingung in dem Anstellungsvertrag des Beklagten zu 2 sollte lediglich dem Durchführenden des Rettungsdienstes die Erfüllung seiner Aufgaben erleichtern, ohne daß der Beklagte zu 3 in Ausübung von eigenen Obliegenheiten im Rettungswesen handelte. Die in Art. 21 Abs. 1 Satz 6 BayRDG 1998 statuierte Pflicht der Mitglieder des Rettungszweckverbandes, darauf hinzuwirken , daß Ärzte kommunaler Krankenhäuser am Rettungsdi enst teilnehmen , bestand unter Geltung des hier maßgeblichen Rettungsdienstgesetzes vom 10. August 1990 noch nicht und würde zudem nicht zu Amtspflichten der
betreffenden Körperschaft im Zusammenhang mit der Durchführung des Rettungsdienstes führen. Diese Erwägungen werden dadurch gestützt, daß eine Verpflichtung von Krankenhausärzten zur Teilnahme am Rettungsdienst zumindest im Bereich des Bundesangestelltentarifs allgemein üblich ist (vgl. Nr. 3 Abs. 2 SR 2 des einschlägigen BAT; siehe auch Lippert aaO S. 840), und zwar auch für Krankenhäuser, deren Träger keine gesetzlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Rettungsdienst haben.
ee) Zutreffend hat das Berufungsgericht der Tatsache, d aß das Kreiskrankenhaus des Beklagten zu 3 dem Kläger für die notärztliche Behandlung eine Privatliquidation erstellte, keine Bedeutung beigemessen. Dieser Umstand kann die Passivlegitimation des Beklagten zu 3 für einen Amtshaftungsanspruch des Klägers nicht begründen.
3. Etwaige Ansprüche des Klägers gegen den Rettungszweckverband sind nicht verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB a.F. beginnt , sobald der Verletzte von dem Schaden und dem Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Bei einem Anspruch aus § 839 BGB kann die Verjährung erst beginnen , wenn der Geschädigte weiß, daß die in Rede stehende Amtshandlung widerrechtlich und schuldhaft und deshalb eine zum Schadensersatz verpflichtende Amtspflichtverletzung war. Dabei genügt zwar im allgemeinen, daß der Verletzte die tatsächlichen Umstände kennt, die eine schuldhafte Amtspflichtverletzung als naheliegend, eine Amtshaftungsklage mithin als so aussichtsreich erscheinen lassen, daß dem Verletzten die Erhebung der Klage zugemutet werden kann (Senatsurteil BGHZ 150, 172, 186 m.w.N.). Dagegen setzt § 852 Abs. 1 BGB a.F. aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nicht voraus, daß der Geschädigte aus den ihm bekannten Tatsachen
auch die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht (Senat aaO). Nach der vorzitierten Entscheidung kann jedoch die Rechtsunkenntnis im Einzelfall bei unsicherer und zweifelhafter Rechtslage den Verjährungsbeginn hinausschieben (vgl. auch Senatsurteil vom 24. Februar 1994 - III ZR 76/92 - NJW 1994, 3162, 3164 m.w.N.). Dies muß erst recht gelten, wenn sich die Beurteilung der Rechtslage in der höchstrichterlichen Judikatur ändert. Dies ist hier der Fall, weil der Senat erstmals mit diesem Urteil seine bisherige Rechtsprechung aufgibt , nach der vor Inkrafttreten des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes die Tätigkeit des Notarztes im Verhältnis zum Notfallpatienten auch dann stets auf einem
privatrechtlichen Rechtsverhältnis gründete, wenn in dem betreffenden Bundesland der Rettungsdienst öffentlich-rechtlich organisiert war (siehe oben Nr. 1 b).
Schlick Kapsa Dörr
Galke Herrmann
Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.
(1) Der Bundespräsident vertritt den Bund völkerrechtlich. Er schließt im Namen des Bundes die Verträge mit auswärtigen Staaten. Er beglaubigt und empfängt die Gesandten.
(2) Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes. Für Verwaltungsabkommen gelten die Vorschriften über die Bundesverwaltung entsprechend.
Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.
(2) Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Der Antrag kann schon vor dem Beginn der Frist gestellt werden. Die Berichtigung des Tatbestandes ist ausgeschlossen, wenn sie nicht binnen drei Monaten seit der Verkündung des Urteils beantragt wird.
(3) Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme. Bei der Entscheidung wirken nur diejenigen Richter mit, die bei dem Urteil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so gibt bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung die Stimme des ältesten Richters den Ausschlag. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(4) Die Berichtigung des Tatbestandes hat eine Änderung des übrigen Teils des Urteils nicht zur Folge.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
(1) Das Urteil enthält:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten; - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben; - 3.
den Tag, an dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist; - 4.
die Urteilsformel; - 5.
den Tatbestand; - 6.
die Entscheidungsgründe.
(2) Im Tatbestand sollen die erhobenen Ansprüche und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel unter Hervorhebung der gestellten Anträge nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp dargestellt werden. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden.
(3) Die Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht.
(1) Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl erfolgt durch das Prozessgericht. Es kann sich auf die Ernennung eines einzigen Sachverständigen beschränken. An Stelle der zuerst ernannten Sachverständigen kann es andere ernennen.
(2) Vor der Ernennung können die Parteien zur Person des Sachverständigen gehört werden.
(3) Sind für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt, so sollen andere Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere Umstände es erfordern.
(4) Das Gericht kann die Parteien auffordern, Personen zu bezeichnen, die geeignet sind, als Sachverständige vernommen zu werden.
(5) Einigen sich die Parteien über bestimmte Personen als Sachverständige, so hat das Gericht dieser Einigung Folge zu geben; das Gericht kann jedoch die Wahl der Parteien auf eine bestimmte Anzahl beschränken.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Das Urteil enthält:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten; - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben; - 3.
den Tag, an dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist; - 4.
die Urteilsformel; - 5.
den Tatbestand; - 6.
die Entscheidungsgründe.
(2) Im Tatbestand sollen die erhobenen Ansprüche und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel unter Hervorhebung der gestellten Anträge nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp dargestellt werden. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden.
(3) Die Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. § 139 Abs. 5, §§ 156, 283 bleiben unberührt.
Auf das weitere Verfahren sind die im ersten Rechtszuge für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Abschnitts ergeben. Einer Güteverhandlung bedarf es nicht.
(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.
(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn
- 1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, - 2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder - 3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. § 139 Abs. 5, §§ 156, 283 bleiben unberührt.
Auf das weitere Verfahren sind die im ersten Rechtszuge für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Abschnitts ergeben. Einer Güteverhandlung bedarf es nicht.
(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.
(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn
- 1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, - 2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder - 3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. § 139 Abs. 5, §§ 156, 283 bleiben unberührt.
Auf das weitere Verfahren sind die im ersten Rechtszuge für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Abschnitts ergeben. Einer Güteverhandlung bedarf es nicht.
(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.
(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn
- 1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, - 2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder - 3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)