Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 11. Aug. 2016 - 3 Ws 304-305/16

ECLI:ECLI:DE:OLGHAM:2016:0811.3WS304.305.16.00
bei uns veröffentlicht am11.08.2016

Tenor

Die Untersuchungshaft dauert bei beiden Angeklagten fort.

Die Haftbeschwerde des Angeklagten A1 vom 29. Juli 2016 ist gegenstandslos.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch das Oberlandesgericht findet am 27. Oktober 2016 statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Landgericht Bielefeld übertragen.


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Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 11. Aug. 2016 - 3 Ws 304-305/16 zitiert 17 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 112 Voraussetzungen der Untersuchungshaft; Haftgründe


(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßr

Strafprozeßordnung - StPO | § 121 Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate


(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden

Strafprozeßordnung - StPO | § 338 Absolute Revisionsgründe


Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

Strafprozeßordnung - StPO | § 154a Beschränkung der Verfolgung


(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind, 1. für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder2. neben einer Strafe oder Maß

Strafgesetzbuch - StGB | § 57 Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe


(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der

Strafprozeßordnung - StPO | § 116 Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls


(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werd

Strafprozeßordnung - StPO | § 122 Besondere Haftprüfung durch das Oberlandesgericht


(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es be

Strafgesetzbuch - StGB | § 57a Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe


(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,2. nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und3

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 21e


(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, wel

Strafprozeßordnung - StPO | § 207 Inhalt des Eröffnungsbeschlusses


(1) In dem Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet wird, läßt das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung zu und bezeichnet das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll. (2) Das Gericht legt in dem Beschluß dar, mit welchen

Strafprozeßordnung - StPO | § 201 Übermittlung der Anklageschrift


(1) Der Vorsitzende des Gerichts teilt die Anklageschrift dem Angeschuldigten mit und fordert ihn zugleich auf, innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu erklären, ob er die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Entscheidung über die Eröffnung d

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 192


(1) Bei Entscheidungen dürfen Richter nur in der gesetzlich bestimmten Anzahl mitwirken. (2) Bei Verhandlungen von längerer Dauer kann der Vorsitzende die Zuziehung von Ergänzungsrichtern anordnen, die der Verhandlung beizuwohnen und im Falle der

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 21f


(1) Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter. (2) Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium best

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(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

(1) Der Vorsitzende des Gerichts teilt die Anklageschrift dem Angeschuldigten mit und fordert ihn zugleich auf, innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu erklären, ob er die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens beantragen oder Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vorbringen wolle. Die Anklageschrift ist auch dem Nebenkläger und dem Nebenklagebefugten, der dies beantragt hat, zu übersenden; § 145a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(2) Über Anträge und Einwendungen beschließt das Gericht. Die Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) In dem Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet wird, läßt das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung zu und bezeichnet das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll.

(2) Das Gericht legt in dem Beschluß dar, mit welchen Änderungen es die Anklage zur Hauptverhandlung zuläßt, wenn

1.
wegen mehrerer Taten Anklage erhoben ist und wegen einzelner von ihnen die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird,
2.
die Verfolgung nach § 154a auf einzelne abtrennbare Teile einer Tat beschränkt wird oder solche Teile in das Verfahren wieder einbezogen werden,
3.
die Tat rechtlich abweichend von der Anklageschrift gewürdigt wird oder
4.
die Verfolgung nach § 154a auf einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Straftat begangen worden sind, beschränkt wird oder solche Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbezogen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 und 2 reicht die Staatsanwaltschaft eine dem Beschluß entsprechende neue Anklageschrift ein. Von der Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen kann abgesehen werden.

(4) Das Gericht beschließt zugleich von Amts wegen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung.

(1) Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter.

(2) Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers. Ist auch dieser Vertreter verhindert, führt das dienstälteste, bei gleichem Dienstalter das lebensälteste Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) Der Vorsitzende des Gerichts teilt die Anklageschrift dem Angeschuldigten mit und fordert ihn zugleich auf, innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu erklären, ob er die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens beantragen oder Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vorbringen wolle. Die Anklageschrift ist auch dem Nebenkläger und dem Nebenklagebefugten, der dies beantragt hat, zu übersenden; § 145a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(2) Über Anträge und Einwendungen beschließt das Gericht. Die Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) In dem Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet wird, läßt das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung zu und bezeichnet das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll.

(2) Das Gericht legt in dem Beschluß dar, mit welchen Änderungen es die Anklage zur Hauptverhandlung zuläßt, wenn

1.
wegen mehrerer Taten Anklage erhoben ist und wegen einzelner von ihnen die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird,
2.
die Verfolgung nach § 154a auf einzelne abtrennbare Teile einer Tat beschränkt wird oder solche Teile in das Verfahren wieder einbezogen werden,
3.
die Tat rechtlich abweichend von der Anklageschrift gewürdigt wird oder
4.
die Verfolgung nach § 154a auf einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Straftat begangen worden sind, beschränkt wird oder solche Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbezogen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 und 2 reicht die Staatsanwaltschaft eine dem Beschluß entsprechende neue Anklageschrift ein. Von der Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen kann abgesehen werden.

(4) Das Gericht beschließt zugleich von Amts wegen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung.

(1) Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter.

(2) Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers. Ist auch dieser Vertreter verhindert, führt das dienstälteste, bei gleichem Dienstalter das lebensälteste Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz.

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

(1) Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter.

(2) Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers. Ist auch dieser Vertreter verhindert, führt das dienstälteste, bei gleichem Dienstalter das lebensälteste Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz.

(1) Bei Entscheidungen dürfen Richter nur in der gesetzlich bestimmten Anzahl mitwirken.

(2) Bei Verhandlungen von längerer Dauer kann der Vorsitzende die Zuziehung von Ergänzungsrichtern anordnen, die der Verhandlung beizuwohnen und im Falle der Verhinderung eines Richters für ihn einzutreten haben.

(3) Diese Vorschriften sind auch auf Schöffen anzuwenden.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter.

(2) Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers. Ist auch dieser Vertreter verhindert, führt das dienstälteste, bei gleichem Dienstalter das lebensälteste Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

(1) Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter.

(2) Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers. Ist auch dieser Vertreter verhindert, führt das dienstälteste, bei gleichem Dienstalter das lebensälteste Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 16. November 2010 - 3 Ws 884/10 H - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde verworfen.

...

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Fortdauer von Untersuchungshaft.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer befand sich vom 14. Januar 2010 bis 7. Februar 2011 in Untersuchungshaft. Ihm wird zur Last gelegt, gemeinschaftlich handelnd Umsatzsteuer in Höhe von gut einer Million Euro hinterzogen zu haben. Am 28. Juni 2010 erhob die Staatsanwaltschaft deshalb Anklage vor dem Landgericht Augsburg. Die Vorsitzende der zuständigen 10. Strafkammer verfügte am darauffolgenden Tag die Zustellung der Anklageschrift verbunden mit der Aufforderung zur Stellungnahme binnen vier Wochen. Innerhalb dieser Frist wurden weder Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens erhoben noch Beweisanträge gestellt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ die Kammer am 5. Juli 2010 außerdem einen neuen, an die Anklage angepassten Haftbefehl. Im Rahmen der ersten Haftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO ordnete das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 30. Juli 2010 die Fortdauer der Untersuchungshaft an. Dem in Haftsachen zu beachtenden Beschleunigungsgebot sei bislang entsprochen worden. Da die Strafkammer am 5. Juli 2010 einen neuen Haftbefehl erlassen und damit das Bestehen eines dringenden Tatverdachts geprüft habe, sei mit einem weiterhin zügigen Fortgang des Verfahrens und seinem Abschluss innerhalb angemessener Frist zu rechnen.

3

2. Mit Beschluss vom 6. Oktober 2010 legte die Kammer die Akten dem Oberlandesgericht zur zweiten besonderen Haftprüfung erneut vor. Über die Eröffnung des Hauptverfahrens sei noch nicht entschieden, ein Termin zur Hauptverhandlung habe noch nicht bestimmt werden können. Mit Schreiben vom gleichen Tag zeigte die Vorsitzende dem Präsidium des Landgerichts eine Überlastung der Kammer an. Diese sei nur noch mit ihr und einer Beisitzerin besetzt, nachdem die andere Beisitzerin Mitte September 2010 in Mutterschutz gegangen sei. Derzeit würden mehrmals wöchentlich zwei Strafverfahren verhandelt. In einem dieser Verfahren seien bislang 57 Zeugen vernommen worden. Mindestens die gleiche Anzahl sei noch geladen. Diese Verfahren seien derzeit bis zum 26. November 2010 beziehungsweise bis einschließlich 13. Dezember 2010 terminiert. Es sei davon auszugehen, dass weitere Verhandlungstage erforderlich würden. Ab dem 10. November 2010 verhandele die Kammer außerdem ein drittes Verfahren. Da die Verteidiger in allen Verfahren zahlreiche Beweisanträge angekündigt hätten, würden diese mindestens noch bis Ende des Jahres 2010, voraussichtlich bis Anfang des Jahres 2011 andauern. Soweit der Kammer ab dem 1. November 2010 eine weitere Richterin mit der Hälfte ihrer Arbeitskraft zugewiesen sei, sei davon auszugehen, dass diese im Jahr 2010 allenfalls die anhängigen Berufungen verhandeln könne, und dass möglicherweise noch Urteile nach Absprachen gefällt werden könnten. Die Kammer sei nicht in der Lage, vier weitere Strafverfahren, zu denen auch das des Beschwerdeführers zähle, noch im Jahr 2010 oder zu Beginn des Jahres 2011 vorzubereiten, zu terminieren und zu verhandeln. Sie, die Vorsitzende, gehe davon aus, dass Verständnis dafür bestehe, dass die Kapazität mehr als ausgeschöpft sei, wenn drei Wirtschaftsstrafsachen an drei verschiedenen Tagen pro Woche über Monate hinweg verhandelt würden. Im Übrigen seien noch weitere Haftsachen sowie zahlreiche andere Verfahren anhängig, die auch deshalb in der Vergangenheit nicht hätten verhandelt werden können, weil der Kammer ab dem Geschäftsjahr 2009 zusätzlich Verfahren der 8. und der 9. Strafkammer übertragen worden seien. Die außergewöhnliche Belastung in den Jahren 2009 und 2010 und die zahlreichen, zum Teil sehr schwierigen Verfahren hätten dazu geführt, dass sowohl die Beisitzerin als auch sie, die Vorsitzende, noch sehr viele Tage Resturlaub hätten, die nicht hätten eingebracht werden können.

4

Mit Beschluss vom 16. November 2010 ordnete das Oberlandesgericht die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft an. Gegen das Beschleunigungsgebot werde auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weiterhin "nicht so erheblich verstoßen", dass der Haftbefehl aufgehoben werden müsse. Allerdings habe der Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers, der sich seit rund zehn Monaten in Untersuchungshaft befinde, gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung an Gewicht gewonnen. Zwar sei das Verfahren nach Zustellung der Anklageschrift und Ablauf der vierwöchigen Stellungnahmefrist ins Stocken geraten. Insbesondere habe die Strafkammer noch nicht über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden. Trotz der dadurch bedingten Verzögerung sei die Fortdauer der Untersuchungshaft aber noch zu rechtfertigen. Die Vorsitzende habe die hierfür ursächliche Überlastung am 6. Oktober 2010 dem Präsidium angezeigt. Dieses habe mittlerweile Abhilfe durch Bildung einer weiteren Wirtschaftsstrafkammer mit zusätzlichen Kräften in Aussicht gestellt, so dass erwartet werden könne, dass das Verfahren noch innerhalb angemessener Frist erledigt werden könne. Der Senat rechne damit, dass nunmehr alsbald über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden werde, zumal sich die Kammer bereits vor Erlass des an die Anklageschrift angepassten Haftbefehls vom 5. Juli 2010 mit dem äußerst umfangreichen Verfahrensstoff befasst haben müsse. Auch wenn sie aufgrund der derzeitigen Belastungssituation nicht in der Lage sei, das komplexe Verfahren, das sich gegen vier Personen richte, noch im Jahr 2010 oder zu Beginn des Jahres 2011 zu verhandeln, sei jedenfalls davon auszugehen, dass sie sich noch im Jahr 2010 um eine Abstimmung von Hauptverhandlungsterminen mit den Verfahrensbeteiligten bemühen werde. Um den Fortgang des Verfahrens besser überwachen zu können, werde die weitere Haftprüfung dem Landgericht nicht für drei, sondern nur für die Dauer von zwei Monaten übertragen.

II.

5

1. Nach Ergehen der zweiten Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt eine Verletzung des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG folgenden Beschleunigungsgrundsatzes. Die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens sei in sachlich nicht gerechtfertigter Weise verzögert worden. Für die Zeitspanne zwischen Eröffnungsbeschluss und Beginn der Hauptverhandlung sei anerkannt, dass diese grundsätzlich nicht länger als drei Monate betragen dürfe. Dieser Zeitraum sei auch zu beachten, wenn zwar der Eröffnungsbeschluss noch nicht gefasst worden, das Verfahren aber eröffnungsreif sei, denn mit dem Beschleunigungsgebot sei es nicht vereinbar, wenn ein Gericht trotz bestehender Eröffnungsreife den Eröffnungsbeschluss aufschiebe, um einen größeren zeitlichen Spielraum für die nachfolgende Terminierung zu erlangen. Im vorliegenden Fall sei das Verfahren spätestens mit Ablauf der vierwöchigen Stellungnahmefrist am 4. August 2010 eröffnungsreif gewesen, weil Einwendungen nicht erhoben und die Erhebung von Beweisen weder beantragt noch von der Kammer selbst für erforderlich erachtet worden seien. Hinzu komme, dass das Bestehen eines dringenden Tatverdachts im Rahmen des Erlasses des Haftbefehls am 5. Juli 2010 auf der Grundlage der Anklage bereits bejaht worden sei, was die Feststellung einschließe, dass auch ein hinreichender, die Eröffnung rechtfertigender Tatverdacht im Sinne des § 203 StPO vorliege. Dennoch habe die Kammer - auch über vier Monate nach Eintritt der Entscheidungsreife - keinen Eröffnungsbeschluss gefasst. Ihre Überlastung rechtfertige dies nicht. Ebenso wenig könne der darin liegende Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot durch die in Aussicht gestellte Bildung einer neuen Strafkammer geheilt werden.

6

2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Die für die Verzögerung des Verfahrens ursächliche Überlastung sei kurzfristig eingetreten und nicht vermeidbar gewesen. In den letzten Jahren habe es beim Landgericht Augsburg insgesamt zwei Strafkammern gegeben, die insbesondere für sämtliche Wirtschaftsstrafsachen sowie wirtschaftsnahe Strafsachen zuständig gewesen seien, wobei jeweils ein Beisitzer zusätzlich mit einem Arbeitskraftanteil von einem Zehntel Mitglied der Strafvollstreckungskammer gewesen sei. Zu Überlastungsanzeigen sei es dabei nicht gekommen. Wegen eines außerordentlich umfangreichen anderen Verfahrens hätten beide Wirtschaftsstrafkammern im Geschäftsjahr 2009 zusätzliche Zuständigkeiten aus dem Bereich der allgemeinen Strafsachen übernommen. In Bezug auf die Wirtschaftsstrafsachen sei die 10. Strafkammer außerdem gegenüber der 9. Strafkammer mit einem leichten Übergewicht belastet worden, weil diese durch ein anderes Verfahren außerordentlich beansprucht gewesen sei. Zugleich sei aber die mit Strafvollstreckungskammeraufgaben belastete Beisitzerin von diesen entlastet worden. Nach den Erfahrungen der Vorjahre sei davon auszugehen gewesen, dass unter diesen Rahmenbedingungen dem Beschleunigungsgrundsatz habe entsprochen werden können, zumal die 10. Strafkammer nach Beendigung der anderen Verfahren im Laufe des Jahres 2010 von den zusätzlichen Zuständigkeiten wie von Anfang an geplant wieder entlastet worden sei. Ab dem 1. Juni 2010 sei diese damit - wie im Jahr 2008 - für etwa die Hälfte der Wirtschaftsstrafsachen zuständig gewesen, allerdings ohne die ursprüngliche Zuständigkeit für wirtschaftsnahe Strafsachen und ohne die Zusatzbelastung des Einsatzes einer Beisitzerin in der Strafvollstreckungskammer. Die in der Überlastungsanzeige dargelegten Begleitumstände seien daher nicht vorhersehbar gewesen. Ursächlich sei vor allem ein drastisch und unerwartet gestiegener Eingang an Wirtschaftsstrafsachen im Jahr 2010 gewesen. Dieser habe nach dem ersten Halbjahr bei 26 und nach den ersten drei Quartalen bei 49 gelegen, während in den Jahren 2008 und 2009 jeweils nur insgesamt 43 beziehungsweise 40 Wirtschaftsstrafsachen eingegangen seien. Hinzugekommen sei der Ausfall einer der Beisitzerinnen, die der Kammer mit der Hälfte ihrer Arbeitskraft zugewiesen gewesen sei. Diese habe ihre Schwangerschaft am 13. Juli 2010 angezeigt und sei zum 18. September 2010 in Mutterschutz mit anschließender Elternzeit gegangen. Dieser Ausfall habe erst zum 1. November 2010 durch die Rückkehr einer anderen, in Wirtschaftsstrafsachen erfahrenen Richterin aus der Elternzeit kompensiert werden können. Auf die Überlastungsanzeige vom 6. Oktober 2010 habe das Präsidium des Landgerichts umgehend reagiert und zunächst die Übertragung des Verfahrens auf die 9. Strafkammer erwogen, was wegen deren eigener Belastung aber nicht möglich gewesen sei. Am 15. Oktober 2010 sei daraufhin die Bildung einer weiteren Strafkammer zum Jahreswechsel beschlossen worden, nachdem ab diesem Zeitpunkt ein in Wirtschaftsstrafsachen besonders erfahrener Vorsitzender wieder zur Verfügung gestanden habe.

7

3. Ausweislich einer vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegten Stellungnahme des Präsidenten des Landgerichts Augsburg hat die neu eingerichtete Kammer einen Teil des Bestandes der 10. Strafkammer übernommen. Am 21. Dezember 2010 hat diese den Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens gefasst und am 11. Januar 2011 - nach vorheriger Abstimmung mit den Verteidigern - Hauptverhandlungstermine einmal wöchentlich ab dem 2. März 2011 festgesetzt.

8

4. Nach Zustellung der Verfassungsbeschwerde hat das Oberlandesgericht im Rahmen der dritten besonderen Haftprüfung den Haftbefehl des Landgerichts mit Beschluss vom 7. Februar 2011 aufgehoben. Schon die späte Fassung des Eröffnungsbeschlusses am 21. Dezember 2010 erscheine im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt fast ein Jahr andauernde Untersuchungshaft bedenklich. Zumindest aber sei die nunmehr feststehende Hauptverhandlungsplanung mit dem Beschleunigungsgebot nicht zu vereinbaren. Obwohl die Untersuchungshaft bei Beginn der Hauptverhandlung am 2. März 2011 bereits 14 Monate andauern würde, seien bis Ende April 2011 lediglich sieben Sitzungstage vorgesehen. Mit einem Abschluss des Verfahrens innerhalb angemessener Frist könne daher nicht mehr gerechnet werden.

9

5. Der Beschwerdeführer hält trotz der Aufhebung des Haftbefehls an seiner gegen die zweite Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts und den Haftbefehl des Landgerichts gerichteten Verfassungsbeschwerde fest. Er verweist auf die besondere Bedeutung, insbesondere die Dauer der Freiheitsentziehung und das damit verbundene Gewicht des Grundrechtseingriffs.

B.

10

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) und auch die weiteren Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG vorliegen.

I.

11

Die Verfassungsbeschwerde ist trotz der zwischenzeitlichen Aufhebung des Haftbefehls weiter zulässig, soweit sie sich gegen die zweite Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts richtet. Der Beschwerdeführer ist durch diese Entscheidung zwar nicht mehr gegenwärtig beschwert. Im Hinblick auf das mit einer Freiheitsentziehung verbundene Rehabilitierungsinteresse besteht aber zumindest unter den hier gegebenen Umständen ein Rechtsschutzbedürfnis für die - auch nachträgliche - Feststellung der Verfassungswidrigkeit fort (vgl. für die verfassungsrechtliche Gebotenheit eines nachträglichen fachgerichtlichen Rechtsschutzes BVerfGE 104, 220 <234 ff.>; BVerfGK 6, 303 <309>; für das verfassungsgerichtliche Verfahren BVerfGE 10, 302 <308>; 32, 87 <92>; 53, 152 <157 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Februar 2000 - 2 BvR 453/99 -, NJW 2000, S. 1401 <1401>). Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Haftbefehl des Landgerichts richtet, ist sie dagegen nach dessen Aufhebung durch das Oberlandesgericht mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

II.

12

Die zweite Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.

13

1. Der im Recht auf Freiheit der Person verankerte Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen, denn zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und Sicherstellung der Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft dann nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verzögerungen verursacht ist. Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare Verfahrensverzögerungen stehen daher regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen. Im Rahmen der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Betroffenen und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit kommt es in erster Linie auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer an, die etwa von der Komplexität der Rechtssache, der Vielzahl der beteiligten Personen oder dem Verhalten der Verteidigung abhängig sein kann. Dies macht eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich. An dessen zügigen Fortgang sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft schon andauert. Dieser Gedanke liegt auch der Regelung des § 121 StPO zugrunde, der bestimmt, dass der Vollzug der Untersuchungshaft vor Ergehen eines Urteils wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden darf, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zugelassen haben und die Fortdauer der Haft rechtfertigen. Wie sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte ergibt, handelt es sich dabei um eng begrenzte Ausnahmetatbestände (vgl. BVerfGE 20, 45 <49 f.>; 20, 144 <148 f.>; 36, 264 <270 ff.>; 53, 152 <158 ff.>; BVerfGK 7, 421 <427 f.>; 9, 339 <347 f.>; 10, 294 <301 ff.>; zuletzt BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 24. August 2010 - 2 BvR 1113/10 -, EuGRZ 2010, S. 674 <676>).

14

2. Damit steht die zweite Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts nicht in Einklang, denn obwohl die Sache bereits seit geraumer Zeit entscheidungsreif war, hat die Strafkammer die Eröffnung des Hauptverfahrens erst am 20. Dezember 2010 beschlossen und Termin zur Hauptverhandlung nicht vor dem 2. März 2011 anberaumt. Darin liegt eine vom Beschwerdeführer nicht zu vertretende Verfahrensverzögerung, die der Fortdauer der Untersuchungshaft unter Berücksichtigung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG schon zum Zeitpunkt der zweiten Haftfortdauerentscheidung entgegenstand.

15

a) Der Beschleunigungsgrundsatz beansprucht auch für das Zwischenverfahren nach den §§ 199 ff. StPO Geltung. Auch in diesem Stadium muss das Verfahren mit der gebotenen Zügigkeit gefördert werden, um eine Entscheidung über die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung herbeizuführen. Dass das Verfahren im vorliegenden Fall in Anbetracht der Komplexität der im Raum stehenden wirtschaftlichen Vorgänge eine erhebliche Schwierigkeit aufweist, rechtfertigte das Zuwarten nicht. Die Kammer hat sich hierauf in ihren Vorlagebeschlüssen an das Oberlandesgericht im Rahmen der Haftprüfung auch nicht berufen. Nachdem innerhalb der Stellungnahmefrist Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens nicht erhoben und die Erhebung von Beweisen weder beantragt noch von der Strafkammer für erforderlich erachtet worden waren, stellte sich die Prozesslage gegenüber dem Zeitpunkt der Anklageerhebung am 28. Juni 2010 unverändert dar. Auf dieser Grundlage hatte sie bereits mehrfach, zunächst bei Erlass des Haftbefehls am 5. Juli 2010, zuletzt gelegentlich der Fassung des zweiten Vorlagebeschlusses am 6. Oktober 2010, das Bestehen eines dringenden Tatverdachts bejaht. Es ist kein tragfähiger Grund dafür erkennbar, warum sie gleichwohl von einer Eröffnung des Hauptverfahrens abgesehen hat. Die Feststellung eines dringenden Tatverdachts schließt bei dieser Verfahrenslage nach der gebotenen objektivierten Betrachtung notwendig das Bestehen des für die Eröffnung nach § 203 StPO vorausgesetzten hinreichenden Tatverdachts ein, weil diese Begriffe hinsichtlich des Verdachtsgrades in einem Stufenverhältnis stehen. Ein Unterschied besteht nur insofern, als die Feststellung eines dringenden Tatverdachts auf den gegenwärtigen Stand der Ermittlungen bezogen ist, der sich ändern kann, während die Prüfung des hinreichenden Tatverdachts auf der Grundlage des Ergebnisses abgeschlossener Ermittlungen erfolgt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. 2010, § 112 Rn. 6). Dieser Unterschied wirkt sich jedoch nicht aus, wenn - wie im vorliegenden Fall - nicht ersichtlich ist, dass noch weitere Ermittlungen, insbesondere die Erhebung weiterer Beweise nach § 202 StPO, erforderlich waren. Mit der Bejahung des dringenden Tatverdachts war daher hier zugleich Entscheidungsreife hinsichtlich der Eröffnung des Hauptverfahrens eingetreten. Dann gebietet der Beschleunigungsgrundsatz im Regelfall auch die Fassung des Eröffnungsbeschlusses (vgl. auch OLG Nürnberg, Beschluss vom 11. Februar 2009 - 1 Ws 28/09 H u.a. -, StV 2009, S. 367 f.; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 30. November 2001 - 1 HPL 77/01 -, StV 2002, S. 152). Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erhebung der Anklage schon fast ein halbes Jahr in Untersuchungshaft war, so dass an den zügigen Fortgang des Verfahrens erhöhte Anforderungen zu stellen waren.

16

b) Die (zwischenzeitliche) Überlastung der Kammer war kein zureichender Grund für die Fortdauer der Untersuchungshaft.

17

aa) Grundsätzlich ist durch geeignete Maßnahmen der Gerichtsorganisation Sorge dafür zu tragen, dass den Erfordernissen des Beschleunigungsgebots entsprochen werden kann. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ist daher verletzt, wenn sich das Verfahren infolge vermeidbarer gerichtsorganisatorischer Fehler oder Versäumnisse erheblich verzögert (vgl. BVerfGE 36, 264 <273>; BVerfGK 9, 306 <311 f.>). Eine nicht nur kurzfristige Überlastung rechtfertigt die Fortdauer von Untersuchungshaft aber selbst dann nicht, wenn sie auf einem Geschäftsanfall beruht, der sich trotz Ausschöpfung aller gerichtsorganisatorischen Mittel und Möglichkeiten nicht mehr innerhalb angemessener Fristen bewältigen lässt. Der Beschuldigte hat es nicht zu vertreten, wenn seine Haftsache nicht binnen angemessener Zeit zur Verhandlung gelangt, weil dem Gericht die personellen oder sächlichen Mittel fehlen, die zur ordnungsgemäßen Bewältigung des Geschäftsanfalls erforderlich wären (vgl. BVerfGE 36, 264 <273 ff.>; BVerfGK 6, 384 <392>).

18

bb) Davon ausgehend kann dahinstehen, ob die gerichtsorganisatorischen Möglichkeiten - wie der Präsident des Landgerichts im Einzelnen darlegt - im Hinblick auf die Erfordernisse des Beschleunigungsgrundsatzes optimal ausgeschöpft wurden. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob und wieweit kurzfristige Engpässe eine Haftfortdauer rechtfertigen können, wenn sie nicht oder kaum vorhersehbar und vermeidbar waren (dafür Hilger, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 4, 26. Aufl. 2007, § 121 Rn. 42). Ausweislich der Überlastungsanzeige war die 10. Strafkammer insbesondere aufgrund der zwischenzeitlichen Übernahme zusätzlicher Zuständigkeiten ab dem Geschäftsjahr 2009 bereits seit längerem außergewöhnlich belastet und ihre Kapazität "mehr als ausgeschöpft", was Ausdruck auch darin gefunden hat, dass sowohl die Vorsitzende als auch die Beisitzerin "sehr viele Tage Resturlaub" nicht haben einbringen können. Die Überlastungssituation bestand daher offenbar schon länger, auch wenn sie sich erst aufgrund eines deutlich erhöhten Eingangs an Wirtschaftsstrafsachen im Jahr 2010 so zugespitzt haben mag, dass eine verzögerte Behandlung endgültig unvermeidlich wurde. Jedenfalls auf dieser Grundlage ist unter Berücksichtigung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts auf Freiheit der Person für die Annahme eines kurzfristigen, weder vorhersehbaren noch vermeidbaren Engpasses, dessen Folgen der Beschwerdeführer hätte hinnehmen müssen, kein Raum.

19

c) Die zum Zeitpunkt der zweiten Haftfortdauerentscheidung bereits eingetretene Verzögerung hat ihr Gewicht auch nicht nachträglich dadurch verloren, dass zum 1. Januar 2011 eine weitere Strafkammer gebildet wurde, die die 10. Strafkammer durch die Übernahme von Altverfahren entlastet hat, so dass zwischenzeitlich über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden und Hauptverhandlungstermine festgesetzt werden konnten. Da eine besonders intensive Form der Bearbeitung in jeder Lage des Verfahrens geboten ist, ist schon grundsätzlich zweifelhaft, ob die zeitweilige Verzögerung eines Verfahrens dadurch ausgeglichen werden kann (vgl. BVerfGK 7, 21 <41>). Jedenfalls durch die bisherige Hauptverhandlungsplanung mit nur einem Termin pro Woche ab dem 2. März 2011 konnten die bereits eingetretenen Verzögerungen nicht kompensiert werden.

20

d) Auf das Gewicht der im Raum stehenden Straftaten - Hinterziehung von Umsatzsteuer in Höhe von gut einer Million Euro - kam es nicht an, denn die Anforderungen des Beschleunigungsgebots werden nicht grundsätzlich dadurch geringer, dass die der Strafverfolgung unterliegenden Taten von hohem Gewicht sind und eine hohe Gesamtstrafenerwartung im Raum steht. Allein die Schwere der Tat und die sich daraus ergebende Straferwartung können daher jedenfalls bei erheblichen vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen nicht zur weiteren Rechtfertigung einer ohnehin schon lang andauernden Untersuchungshaft herangezogen werden (vgl. BVerfGK 7, 421 <428>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 24. August 2010 - 2 BvR 1113/10 -, EuGRZ 2010, S. 674 <677>).

III.

21

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG.

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1. August 2012 - 4b Ws 42/12 - und der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 25. Juni 2012 - 4 KLs 211 Js 28184/12 Hw. - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwie-sen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweili-gen Anordnung.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

A.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Aufrechterhaltung der gegen ihn angeordneten Untersuchungshaft.

I.

2

1. Das Amtsgericht Stuttgart erließ am 20. Dezember 2011 gegen den im Februar 1992 geborenen Beschwerdeführer einen Haftbefehl. Danach war dieser dringend verdächtig, in zwei versuchten und drei vollendeten Fällen gewerbsmäßige Betrugstaten begangen und dabei als Mitglied einer Bande gehandelt zu haben, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrugstaten verbunden habe. Der Beschwerdeführer habe bei den vollendeten Taten Beträge von 500 €, 1000 € und 1.500 € erlangt und ferner versucht je einmal 500 € und 1.000 € zu erbeuten.

3

Der Beschwerdeführer wurde am 29. Dezember 2011 in Haft genommen.

4

2. Am 4. April 2012 erhob die Staatsanwaltschaft Stuttgart Anklage gegen den nicht vorbestraften Beschwerdeführer und fünf weitere Angeschuldigte. Sie listete in drei Komplexen insgesamt 28 Taten aus den Bereichen der Betäubungs- und Arzneimitteldelikte und der Spielautomatenmanipulation sowie Taten im Zusammenhang mit Erpressungen und Körperverletzungen auf. Dem Beschwerdeführer wurden, im Wesentlichen entsprechend den Vorwürfen aus dem Haftbefehl, fünf banden- und gewerbsmäßige Betrugstaten aus dem Komplex der Spielautomatenmanipulation, davon in einem Fall als Versuch, zur Last gelegt.

5

3. Am 16. April 2012 wies die Strafkammervorsitzende die Verteidiger darauf hin, dass vorbehaltlich der Eröffnung des Hauptverfahrens der Hauptverhandlungsbeginn für den 25. Mai 2012 geplant sei. Weitere Termine sollten am 12., 14., 19., 20., 22., 25. und 28. Juni 2012, am 4., 5. und 10. Juli 2012 sowie anschließend ganztägig jeweils Dienstag und Donnerstag stattfinden.

6

4. Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2012 beantragte der Bevollmächtigte, das Verfahren gegen den Beschwerdeführer abzutrennen und vor dem Jugendrichter oder Jugendschöffengericht zu eröffnen. Eine gemeinsame Verhandlung gegen alle in der Anklageschrift genannten Angeschuldigten sei mit dem im Jugendstrafrecht vorherrschenden Prinzip des Erziehungsgedankens nicht in Einklang zu bringen; es handele sich zudem weit überwiegend um Straftaten, die den Beschwerdeführer nicht beträfen.

7

5. Mit Beschluss vom 10. Mai 2012 eröffnete die Strafkammer das Hauptverfahren, ließ die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zu und ordnete die Aufrechterhaltung der gegen alle sechs Angeklagten vollzogenen Untersuchungshaft an.

8

Die Hauptverhandlung sollte - wie angekündigt - am 25. Mai 2012 beginnen. Für die Zeit bis zum 2. August 2012 wurden 13 Folgetermine anberaumt; ab dem 30. August sollte jeweils am Dienstag und Donnerstag verhandelt werden.

9

6. Nachdem zum Prozessauftakt am 25. Mai 2012 die Anklage verlesen worden war und im Folgetermin zwei Mitangeklagte Angaben zur Sache gemacht hatten, gab der Beschwerdeführer am dritten Verhandlungstag über seinen Bevollmächtigten eine Erklärung zur Sache ab. Es wurden drei vollendete Tathandlungen eingeräumt, die weiteren Anklagepunkte sowie eine bandenmäßige Begehung hingegen in Abrede gestellt.

10

7. Am 29. Mai 2012 erhielt das Landgericht einen unter dem 4. Mai 2012 erstellten Bericht der Jugendgerichtshilfe über den Beschwerdeführer. Darin wurde die Anwendung von Jugendstrafrecht empfohlen. Der Beschwerdeführer wohne gemeinsam mit anderen Geschwistern noch bei seinen Eltern, die ihn auch im Umgang mit Behörden unterstützten. Es habe noch keine Verselbständigung und Ablösung vom Elternhaus stattgefunden. Sein Auftreten zeige, dass er nach seiner Entwicklung einem Erwachsenen noch nicht gleichgesetzt werden könne.

11

8. Mit Schriftsatz vom 4. Juni 2012 beantragte der Bevollmächtigte, den Haftbefehl aufzuheben. Nach den Ausführungen im Bericht der Jugendgerichtshilfe könne keine Fluchtgefahr angenommen werden.

12

9. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 25. Juni 2012 hielt die Strafkammer den Haftbefehl aufrecht und lehnte den Abtrennungsantrag ab. Es bestehe der Haftgrund der Fluchtgefahr. Auch wenn der Beschwerdeführer bislang nicht vorbestraft sei, habe er wegen der zur Last gelegten Taten bei vorläufiger Bewertung mit einer empfindlichen, möglicherweise zu vollstreckenden Jugend- oder Freiheitsstrafe zu rechnen. Mildere Maßnahmen im Sinne von § 116 Abs. 1 StPO kämen nicht in Betracht. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft sei auch nicht unter Berücksichtigung der besonderen Belastungen für einen Heranwachsenden unverhältnismäßig. Der Beschwerdeführer befinde sich zwar seit mehr als sechs Monaten in Untersuchungshaft, die Kammer habe aber die Haftbedingungen gelockert, so dass für den Beschwerdeführer nunmehr die Gelegenheit bestehe, die begonnene Ausbildung fortzuführen und an den Abschlussprüfungen teilzunehmen.

13

Im Interesse der Wahrheitsfindung, der Prozessökonomie und der Beschleunigung sei es geboten, die Tatvorwürfe in einem einheitlichen Verfahren aufzuklären. Es sei nicht ersichtlich, dass eine weitere gemeinsame Verhandlung eine erziehungsschädliche Wirkung haben könnte.

14

10. Am 23. Juli 2012 bestimmte die Vorsitzende für die Zeit vom 3. September bis zum 29. November 2012 weitere 13 Termine. Im Anschluss sollte jeden Dienstag und Donnerstag verhandelt werden.

15

11. Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2012 legte der Bevollmächtigte Beschwerde gegen die Haftfortdauerentscheidung ein. Die bisherige Beweisaufnahme habe das Bestehen einer Bande nicht belegen können. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft sei unverhältnismäßig. Bei dem heranwachsenden Beschwerdeführer komme mit hoher Wahrscheinlichkeit Jugendstrafrecht zur Anwendung. Der das Jugendrecht beherrschende Erziehungsgedanke dürfe nicht hinter prozessökonomischen Gesichtspunkten zurücktreten.

16

Nach Erhalt der weiteren Terminplanung vom 23. Juli 2012 ergänzte der Bevollmächtigte am 27. Juli 2012 das Beschwerdevorbringen und rügte eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes. Den Beschwerdeführer betreffe nur ein kleiner Teil der angeklagten Taten samt der dazugehörigen Beweisaufnahme. Nach der weiteren Planung komme es zwischen Anfang September und Ende November nur zu einer Verhandlung pro Woche, was nicht nur dem Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts, sondern auch dem Beschleunigungsgebot widerspreche.

17

Mit einem Schriftsatz vom selben Tag wurde das Landgericht um Mitteilung gebeten, an welchen Tagen im Zeitraum von September bis November die Strafkammer Hauptverhandlungstermine in anderen Verfahren festgesetzt habe und ob es sich dabei um Haftsachen handele.

18

12. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart beantragte unter dem 30. Juli 2012, die Beschwerde zu verwerfen.

19

13. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 1. August 2012 wies das Oberlandesgericht Stuttgart die Haftbeschwerde zurück. Es bestehe Fluchtgefahr. Der Beschwerdeführer habe mit einer empfindlichen Gesamtfreiheitsstrafe zu rechnen. Trotz der Ausführungen im Bericht der Jugendgerichtshilfe halte es der Senat für überwiegend wahrscheinlich, dass sich der Beschwerdeführer im Falle einer Haftentlassung dem weiteren Verfahren entziehen werde. Die Fortdauer der Untersuchungshaft sei auch verhältnismäßig. Dabei verkenne der Senat nicht, dass sich das Freiheitsinteresse mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößere und der Vollzug für den erst 20-jährigen und in Berufsausbildung befindlichen Beschwerdeführer besondere Belastungen mit sich bringe. Dieser sei zwar seit dem 29. Dezember 2011 in Haft, was aber in Ansehung der beschleunigten Handhabung durch die Kammer - so habe die Hauptverhandlung bereits sieben Wochen nach Eingang der Anklage begonnen - weiterhin zumutbar sei.

20

Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot liege nicht vor. Die Kammer habe seit Verhandlungsbeginn bereits 14 Termine durchgeführt und beabsichtige nunmehr nach § 229 Abs. 2 StPO aus nachvollziehbaren Gründen eine einmonatige Unterbrechung. Die ab dem 3. September geplante Terminierung mit 13 Terminen bis zum 29. November lasse keine unzureichende Beschleunigung besorgen, da sich eine isolierte Betrachtung bestimmter Verhandlungszeiträume verbiete. Es komme daher nicht darauf an, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt die Strafkammer die Anfrage des Bevollmächtigten zu sonstigen Verhandlungen beantworte.

21

Diese Entscheidung ging am 13. August 2012 beim Bevollmächtigten ein.

22

14. Bis zum 14. Hauptverhandlungstag am 2. August 2012 erstreckte sich bei der Hälfte der Termine die Sitzungsdauer auf eine bis maximal vier Stunden. In der Zeit vom 3. August bis zum 3. September 2012 wurde die Hauptverhandlung nach § 229 Abs. 2 StPO für einen Monat unterbrochen, um den Berufsrichtern und den Schöffen einen Urlaub zu ermöglichen.

23

15. Am 9. August 2012 erhielt der Bevollmächtigte die erbetene Aufstellung zu den weiteren Verhandlungen der Strafkammer übersandt. Danach sollte an zwei Tagen im Oktober in einer anderen Nichthaftsache verhandelt werden. Im November konnte an vier Tagen keine Terminierung erfolgen, weil die auch einer anderen Strafkammer zugewiesene Beisitzerin dort an einer Hauptverhandlung in einer Haftsache teilnehmen sollte.

24

16. Unter dem 15. August 2012 wies der Bevollmächtigte im Wege der Gegenvorstellung den Strafsenat unter Bezugnahme auf die Auskunft der Strafkammer darauf hin, dass trotz 32 freier Arbeitstage zwischen September und November in 26 Wochen lediglich an 27 Tagen und davon an mehreren Tagen nur halbtags verhandelt werden sollte.

25

17. Das Oberlandesgericht wies die Gegenvorstellung am 17. August 2012 als unzulässig zurück. Die verhandlungsfreien Tage könnten keinen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot begründen, da ein Spruchkörper auch außerhalb von Hauptverhandlungen umfangreiche Arbeiten zu erledigen habe.

26

18. Am 13. September 2012 bestimmte die Strafkammervorsitzende für den Monat November drei weitere Sitzungstermine.

27

19. Nachdem das Landgericht den Beschwerdeführer und dessen Bevollmächtigten am 25. September 2012 zu den möglichen Modalitäten einer Haftverschonung angehört hatte, beschloss es am 2. Oktober 2012, den Haftbefehl gegen Auflagen und Weisungen außer Vollzug zu setzen. Es bestehe weiterhin Fluchtgefahr, da der Beschwerdeführer mit einer Verurteilung zu einer fühlbaren Jugend- oder Gesamtfreiheitsstrafe zu rechnen habe. Angesichts der bisherigen erheblichen Dauer der Untersuchungshaft sowie der Straferwartung und unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit könne der Fluchtgefahr aber durch Weisungen und Auflagen begegnet werden.

II.

28

Mit seiner am 13. September 2012 eingegangenen Verfassungsbeschwerde und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.

29

Die Anordnung der Untersuchungshaft verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, insbesondere unter Beachtung des Beschleunigungsgebots. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könne allein die Schwere der Tat und die daraus folgende Straferwartung bei erheblichen Verfahrensverzögerungen eine ohnehin schon lang andauernde Untersuchungshaft nicht rechtfertigen. Bei dem hier nicht besonders schwerwiegenden Tatvorwurf gegen einen Heranwachsenden, bei dem voraussichtlich Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen werde, müsse die Abwägung zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallen.

30

Die Strafkammer erfülle nicht die Anforderungen, die das Beschleunigungsgebot in umfangreichen Verfahren an eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlungsplanung mit mehr als einem Verhandlungstag pro Woche stelle. Von Beginn der Hauptverhandlung seien bis zum letzten bislang festgesetzten Termin in 26 Wochen lediglich 27 Verhandlungstage anberaumt worden; dies entspreche einem wöchentlichen Durchschnitt von 1,04 Sitzungstagen. Von den bis zum 11. September 2012 durchgeführten Verhandlungen seien sieben nur von halbtägiger oder stundenweiser Dauer gewesen. Die angegriffenen Entscheidungen verhielten sich auch nicht zu der Frage, ob das Landgericht zur Beschleunigung des Verfahrens alles Zumutbare unternommen habe. Es sei mangels entgegenstehender Erkenntnisse davon auszugehen, dass die Kammer an mindestens zwei Tagen pro Woche hätte verhandeln können.

31

Es fehle auch an der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung zwischen dem Freiheitsinteresse des Beschwerdeführers und dem Strafverfolgungsinteresse des Staates. Insbesondere fehle jede Abwägung zwischen der Dauer der Untersuchungshaft und der zu erwartenden Rechtsfolge. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer Heranwachsender und bislang nicht vorbestraft sei. Gerade das Fehlen von Vorstrafen sei bei erstmaliger Verhängung von Jugendstrafe ein deutliches Indiz für eine Strafaussetzung zur Bewährung oder jedenfalls eine Reststrafenaussetzung. Hierzu verhielten sich die angegriffenen Entscheidungen nicht, weshalb es auch an der für Haftfortdauerentscheidungen notwendigen Begründungstiefe fehle.

III.

32

1. Das Justizministerium des Landes Baden-Württemberg hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

33

2. Die Strafkammervorsitzende teilte unter dem 19. Oktober 2012 mit, das Gericht habe seit dem Prozessauftakt an 20 Sitzungstagen verhandelt. Bis zum 29. November 2012 seien acht weitere Termine anberaumt. Eine mit einem Arbeitskraftanteil von 0,5 teilzeitbeschäftigte Beisitzerin sei aufgrund eines Präsidiumsbeschlusses des Landgerichts Stuttgart seit dem 1. August 2012 nur noch mit einem Anteil von 0,2 der Strafkammer und im Übrigen einer anderen Schwurgerichtskammer zugewiesen. Ferner habe die Kammer als Schwurgericht parallel zum streitgegenständlichen Verfahren weitere vier Haftverfahren, teilweise mit bis zu vier Angeklagten, an 18 Verhandlungstagen sowie an weiteren Sitzungstagen Berufungen verhandelt.

34

3. Der Beschwerdeführer teilte mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2012 mit, im Oktober sei an den drei Sitzungstagen jeweils halbtags verhandelt worden.

35

4. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.

B.

36

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1. August 2012 und des Landgerichts Stuttgart vom 25. Juni 2012 wendet, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Ent-scheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG hat das Bundesverfassungsgericht bereits ent-schieden.

37

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer nach der Entscheidung der Strafkammer vom 2. Oktober 2012 derzeit vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont ist (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. November 2012 - 2 BvR 1164/12 -, juris).

38

Die gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts Stuttgart vom 20. Dezember 2011 gerichtete Verfassungsbeschwerde nimmt die Kammer nicht zur Entscheidung an. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

I.

39

Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 74, 358 <371>), nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. grundlegend BVerfGE 19, 342 <347> sowie BVerfGE 20, 45 <49 f.>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>; BVerfGK 15, 474 <479>).

40

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Er verlangt, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur erwarteten Strafe steht, und setzt ihr auch unabhängig von der Straferwartung Grenzen (BVerfGE 20, 45 <49 f.>). Das Gewicht des Freiheitsanspruchs vergrößert sich gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung regelmäßig mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft (vgl. BVerfGE 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>). Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Zum anderen nehmen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zu (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 15, 474 <480>; 17, 517 <522>).

41

Das verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen (vgl. BVerfGE 46, 194 <195>) verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. An den zügigen Fortgang des Verfahrens sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft schon andauert. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verfahrensverzögerungen verursacht ist. Bei absehbar umfangreicheren Verfahren ist daher stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlung mit mehr als einem durchschnittlichen Hauptverhandlungstag pro Woche notwendig (vgl. BVerfGK 7, 21 <46 f.>; 7, 140 <157>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, juris Rn. 52). Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare erhebliche Verfahrensverzögerungen stehen regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen (vgl. BVerfGK 17, 517 <523>).

42

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Grundrechtsschutz auch durch die Verfahrensgestaltung zu bewirken ist (vgl. hierzu BVerfGE 53, 30 <65>; 63, 131 <143>). Das Verfahren der Haftprüfung und Haftbeschwerde muss deshalb so ausgestaltet sein, dass nicht die Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtsposition aus Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 104 GG besteht. Dem ist vor allem durch erhöhte Anforderungen an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 103, 21 <35 f.>). Die mit Haftsachen betrauten Gerichte haben sich bei der zu treffenden Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft mit deren Voraussetzungen eingehend auseinanderzusetzen und diese entsprechend zu begründen. In der Regel sind in jedem Beschluss über die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft aktuelle Ausführungen zu dem weiteren Vorliegen ihrer Voraussetzungen, zur Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit geboten, weil sich die dafür maßgeblichen Umstände angesichts des Zeitablaufs in ihrem Gewicht verschieben können (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 10, 294 <301>; 15, 474 <481>). Bei der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch und dem Strafverfolgungsinteresse kommt es in erster Linie auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer an, die etwa von der Komplexität der Rechtssache, der Vielzahl der beteiligten Personen oder dem Verhalten der Verteidigung abhängig sein kann. Dies macht eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich (vgl. BVerfGK 7, 421 <428>), die es dem Bundesverfassungsgericht ermöglicht, eine Verletzung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen zu prüfen (vgl. BVerfGK 17, 517 <524>).

43

Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens, die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung und - unter Berücksichtigung einer etwaigen Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 57 StGB - das hypothetische Ende einer möglicherweise zu verhängenden Freiheitsstrafe (vgl. BVerfGK 8, 1 <5>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Juni 2012 - 2 BvR 644/12 -, juris Rn. 25).

44

Die zugehörigen Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprü-fung des Abwägungsergebnisses am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Fachgericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein (vgl. BVerfGK 7, 421 <429 f.>; 8, 1 <5>; 15, 474 <481 f.>).

II.

45

Diesen sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ergebenden Anforderungen werden die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen des Landge-richts Stuttgart vom 25. Juni 2012 und des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1. August 2012 nicht gerecht.

46

Die Entscheidungen lassen nicht erkennen, dass die Gerichte bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Freiheitsrecht des Beschwerdeführers und dem Strafverfolgungsinteresse des Staates die Bedeutung und Tragweite des Freiheitsgrundrechts ausreichend berücksichtigt haben. Insoweit weisen beide Entscheidungen nicht die für eine Haftfortdauerentscheidung erforderliche Begründungstiefe auf.

47

1. Das Landgericht geht bei seiner Entscheidung zwar davon aus, dass die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Taten zur "Verhängung einer empfindlichen, möglicherweise zu vollstreckenden Jugend- oder Freiheitsstrafe" führen können. Die Kammer lässt jedoch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens außer Betracht und nimmt insbesondere unter Berücksichtigung einer etwaigen Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung nach § 57 StGB (zum Halbstrafen- oder 2/3 Termin) oder nach § 88 JGG (nach sechs Monaten oder bei mehr als einem Jahr Jugendstrafe nach einem Drittel) nicht das hypothetische Ende einer möglicherweise zu verhängenden Freiheits- oder Jugendstrafe in den Blick. Für eine solche Betrachtung bestand aber insbesondere deshalb gesteigerter Anlass, weil der Beschwerdeführer bislang nicht vorbestraft und soweit ersichtlich erstmalig von einer freiheitsentziehenden Maßnahme betroffen sein würde sowie nach dem Bericht der Jugendgerichtshilfe vom 4. Mai 2012 für den Fall einer Verurteilung die Anwendung von Jugendstrafrecht empfohlen wird.

48

Das Oberlandesgericht legt seinen Ausführungen lediglich die Annahme zugrunde, der Beschwerdeführer habe mit einer "empfindlichen Gesamtfreiheitsstrafe" zu rechnen ohne zu berücksichtigen, die Strafkammer als urteilender Spruchkörper auch die Verhängung einer Jugendstrafe in Betracht zieht. Der Strafsenat berücksichtigt im Weiteren zwar die bis zu seiner Entscheidung seit annähernd sieben Monaten vollzogene Freiheitsentziehung, ohne aber - wie es geboten gewesen wäre - weitergehend eine Abwägung vorzunehmen, ob die Fortdauer der Untersuchungshaft angesichts des hypothetischen Endes der Freiheitsentziehung noch verhältnismäßig erscheint.

49

2. Das Landgericht hat sich nicht mit den aus dem Beschleunigungsgebot folgenden Anforderungen befasst, was in Anbetracht der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung erst seit wenigen Wochen dauernden Verhandlung grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Selbst der Beschwerdeführer hatte seinen Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls zunächst auf andere Umstände gestützt.

50

Demgegenüber hat sich das Oberlandesgericht zwar mit dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen auseinander gesetzt, sich in diesem Zusammenhang aber auf die Feststellung beschränkt, dass die Strafkammer seit dem Beginn der Hauptverhandlung am 25. Mai 2012 14 Termine durchgeführt, für August eine einmonatige Unterbrechung angeordnet und bis zum 29. November 2012 weitere 13 Sitzungstage anberaumt habe. Dies lasse keine unzureichende Beschleunigung der Sache besorgen.

51

Bei dieser Bewertung berücksichtigt der Strafsenat nicht alle relevanten Umstände des Einzelfalls. Die Strafkammer hat nach der Mitteilung ihrer Vorsitzenden bis zur am 2. August 2012 erfolgten einmonatigen Unterbrechung im Zeitraum von zehn Wochen an 14 Terminstagen verhandelt. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts waren für die Zeit nach der am 3. September 2012 endenden Pause bis zum 29. November 2012 weitere 13 Sitzungstage geplant. Dies entsprach bei einem Zeitraum von 27 Wochen und 27 Terminen einer Verhandlungsdichte von (nur) 1,00 Terminstagen pro Woche außerhalb der Unterbrechungszeit. Wenn die vierwöchige Unterbrechungszeit wegen Urlaubs unberücksichtigt bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, juris Rn. 53), liegt die Verhandlungsdichte bei 1,17 Sitzungen pro Woche.

52

Mit der Anberaumung von (knapp) mehr als durchschnittlich einem Sitzungstag pro Woche allein ist der verfassungsrechtlichen Pflicht zur beschleunigten Durchführung einer Hauptverhandlung indes noch nicht genügt. Das Oberlandesgericht geht nicht darauf ein, dass an einer nennenswerten Zahl von Sitzungstagen nur stundenweise oder halbtags verhandelt worden ist, ohne dass ersichtlich würde, weshalb die Strafkammer von ihrer ursprünglichen Absicht, an zwei (vollen) Tagen in der Woche zu verhandeln, Abstand genommen hat oder nehmen musste. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen kann auch dadurch verletzt werden, dass an den jeweiligen Sitzungstagen nur kurze, den Sitzungstag nicht ausschöpfende Zeit verhandelt und das Verfahren dadurch nicht entscheidend gefördert wird (vgl. BVerfGK 7, 21 <46 f.>; OLG Koblenz, Beschluss vom 26. August 2010 - 2 Ws 383/10 -, juris, Rn. 16, 23; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. August 2011 - III 1 Ws 260/11 -, juris, Rn. 6).

53

Das Oberlandesgericht hätte in diesem Zusammenhang insbesondere prüfen müssen, ob die Strafkammer ihrer Aufgabe einer vorausschauenden straffen Hauptverhandlungsplanung bei - wie hier - umfangreichen Verfahren hinreichend nachgekommen ist (vgl. BVerfGK 7, 21 <46>; 7, 140 <158>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des 2. Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, juris Rn. 54). Dazu hätte angesichts der gegebenen Terminfrequenz besonderer Anlass bestanden.

III.

54

Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 GG durch das Oberlandesgericht wie auch durch das Landgericht festzustellen.

55

In Anbetracht der Eilbedürftigkeit der Haftsache ist es angezeigt, nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BverfGG nur den Beschluss des Oberlandesgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Es liegt im Interesse des Beschwerdeführers, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten (vgl. BverfGE 84, 1 <5>; 94, 372 <400>). Das Oberlandesgericht hat unverzüglich unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte erneut eine Entscheidung über die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 25. Juni 2012 herbeizuführen.

56

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BverfGG. Da der nicht zur Entscheidung angenommene Teil der Verfassungsbe-schwerde von untergeordneter Bedeutung ist, sind die Auslagen in vollem Umfang zu erstatten (vgl. BverfGE 86, 90 <122>).

IV.

57

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,
2.
nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und
3.
die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
§ 57 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 6 gilt entsprechend.

(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.

(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g, 57 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend.

(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. Februar 2012 - 1 Ws 32/12 - und der Beschluss des Landgerichts Dresden vom 1. August 2011 - 4 Qs 110/11 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

A.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Aufrechterhaltung von im Ausland vollzogener sogenannter "Einlieferungshaft".

I.

2

1. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Dresden ordnete das Amtsgericht Dresden gegen den Beschwerdeführer mit Beschluss vom 22. Januar 2010 die Untersuchungshaft an. Ihm wird zur Last gelegt, in 32 Fällen einen gewerbsmäßigen Betrug begangen zu haben, davon in einem Fall als Versuch. Er soll sich Ende 2004 gemeinschaftlich mit seinem Vater durch eine vorgetäuschte Vermittlung von im Ausland zu besetzenden Arbeitsstellen eine Einnahmequelle von einiger Dauer verschafft haben. Personen, die sich auf entsprechende Zeitungsinserate gemeldet hätten und zu einem Vorstellungsgespräch erschienen seien, hätten zur Absicherung von Vorleistungen (Reisekosten, Unterbringung, Verpflegung, Arbeitskleidung etc.) geforderte Beträge zwischen 50 € und 1.000 € gezahlt. Entgegen den Versprechungen des Beschwerdeführers sei es jedoch - wie von vornherein beabsichtigt - nachfolgend nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrages gekommen. Die geleisteten Zahlungen seien nicht zurückerstattet worden, wodurch sich im Tatzeitraum zwischen 20. Januar 2005 und 4. Februar 2005 ein Gesamtschaden von 22.300 € ergeben habe.

3

Es bestehe der Haftgrund der Flucht nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO, weil der Beschwerdeführer ausweislich des Bundeszentralregisters seit dem 1. November 2002 wegen unbekannten Aufenthalts gesucht werde. Er habe im Falle einer Verurteilung mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Auch bei Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sei die Anordnung der Untersuchungshaft geboten.

4

2. Nach Erlass des Haftbefehls leitete die Staatsanwaltschaft Dresden die internationale Fahndung ein. Der nicht vorbestrafte und bis dahin haftunerfahrene Beschwerdeführer wurde am 28. Februar 2011 in Asunción/Paraguay festgenommen, wo er seit 2005 mit seiner Ehefrau und zwei minderjährigen Kindern lebt. Nachdem er zunächst seiner Auslieferung in die Bundesrepublik Deutschland zugestimmt und das zuständige Gericht in Paraguay am 4. Juli 2011 die Auslieferung genehmigt hatte, legte er gegen die Auslieferungsentscheidung ein Rechtsmittel ein, über das die Justiz in Paraguay noch nicht entschieden hat. Der Beschwerdeführer befindet sich weiterhin in Auslieferungshaft.

5

3. Dem Beschwerdeführer war der Haftbefehl des Amtsgerichts Dresden am 12. Juli 2011 ausgehändigt worden. Mit Schreiben vom 17. Juli 2011 legte er Beschwerde gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts ein.

6

Er rügte die erst nach viereinhalb Monaten erfolgte Aushändigung des Haftbefehls sowie eine unzureichende Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft. Er sei unschuldig und selbst Opfer eines von einer anderen Person begangenen Betruges geworden. Die Suchanfrage im Bundeszentralregister stamme aus dem Jahr 2002 und hätte gelöscht werden müssen, als er im Juni 2003 seinen Wohnsitz in Haan/Rheinland (Landkreis Mettmann) angemeldet habe. Er beanstandete auch eine lange Verfahrensdauer. Das deutsche Auslieferungsersuchen sei erst einen Tag vor Ablauf der dreimonatigen Frist gestellt worden.

7

Ferner beschrieb der Beschwerdeführer seine Haftsituation in Paraguay. Er sei in einer verschmutzten Mehrpersonenzelle ohne Bett und Verpflegung untergebracht worden. Die Häftlinge seien auf die finanzielle Hilfe von Verwandten angewiesen. Da er Alleinverdiener sei, habe er auch zur Unterstützung seiner Familie von Freunden einen Kredit aufnehmen müssen.

8

4. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 1. August 2011 verwarf das Landgericht Dresden die Beschwerde; deren Ausführungen könnten den dringenden Tatverdacht nicht entkräften. Es liege der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO vor, weil sich der Beschwerdeführer aus Deutschland nach "unbekannt" abgemeldet habe, über Verbindungen in Südamerika verfüge und nach derzeitigen Erkenntnissen auch unter dem falschen Namenszusatz "Freiherr von" aufgetreten sei. Es kämen keine milderen Maßnahmen in Betracht.

9

5. Hiergegen richtete sich die weitere Beschwerde vom 6. Januar 2012. Zugleich beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des Haftbefehls, hilfsweise die Außervollzugsetzung mit den Auflagen, unverzüglich in das Bundesgebiet einzureisen, hier seinen Wohnsitz zu nehmen, Reisedokumente abzugeben und sich wöchentlich bei der Polizei zu melden. Der Haftbefehl und die Beschwerdeentscheidung verletzten sein Freiheitsgrundrecht. Die Entscheidungen begründeten nicht ausreichend den dringenden Tatverdacht, den Haftgrund und die Verhältnismäßigkeit.

10

Er sei weder flüchtig noch halte er sich verborgen, sondern lebe an seinem im Ausland gewählten Wohnsitz. Es liege auch keine Fluchtgefahr vor, weil er sich keinem Verfahren entzogen habe. Er habe erst bei der Verhaftung von dem gegen ihn geführten Verfahren erfahren. Zuvor habe er ungefähr zwei Jahre lang fast täglich in der Deutschen Botschaft gearbeitet. Er habe schon in seiner Beschwerde darauf hingewiesen, für die Dauer des Verfahrens seinen Wohnsitz bei seiner Mutter in Deutschland begründen und an der Hauptverhandlung teilnehmen zu wollen.

11

Die Gerichte hätten nur floskelhaft darauf verwiesen, dass er im Falle einer Verurteilung mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen habe. Selbst im Falle einer Verurteilung sei jedoch in Anbetracht der vermeintlichen Schadenshöhen nicht mit einer solchen Strafe zu rechnen. Im Übrigen müsse für die Fluchtgefahr auf die tatsächlich zu erwartende Strafe abgestellt und die Dauer der in Paraguay erlittenen Auslieferungshaft mit 1:3 angerechnet werden.

12

Er rügte ferner einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Es sei nicht nachprüfbar, welche Erwägungen das Amts- und das Landgericht überhaupt angestellt hätten. Eine zwischen der Schwere des Eingriffs in seine Rechte und der Bedeutung der Strafsache vorzunehmende Abwägung sei nicht erfolgt. Dabei würden die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit zunehmender Dauer der Haft steigen.

13

6. Mit Beschluss vom 31. Januar 2012 half das Landgericht der weiteren Beschwerde nicht ab. Gesonderte Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit enthielt der Nichtabhilfebeschluss nicht.

14

7. Das Oberlandesgericht verwarf mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. Februar 2012 die weitere Beschwerde als unbegründet und nahm im Tenor Bezug auf die aus seiner Sicht zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung sowie der Nichtabhilfeentscheidung des Landgerichts, die durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet würden. Eine weitere Begründung erfolgte nicht.

15

Diese Entscheidung ist der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers am 21. Februar 2012 zugegangen.

II.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 GG.

17

Bei einem Eingriff in die Freiheit der Person komme der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine erhebliche Bedeutung zu. Aus den angegriffenen Entscheidungen ergebe sich jedoch nicht, dass sein Freiheitsgrundrecht im Rahmen der Abwägung ausreichend berücksichtigt worden sei. Zu Unrecht und nur oberflächlich werde der Haftgrund der Fluchtgefahr angenommen. Nur pauschal werde auf die Höhe der zu erwartenden Strafe verwiesen, ohne dass konkrete Überlegungen erläutert oder Erwägungen zur Anrechnung der Auslieferungshaft angestellt würden.

18

Die landgerichtlichen Ausführungen erschöpften sich in der Floskel, dass mildere Maßnahmen nicht in Betracht kämen. Das Oberlandesgericht habe auf die Entscheidungen des Landgerichts nur Bezug genommen. Insoweit fehle es den Entscheidungen an der erforderlichen Begründungstiefe.

III.

19

Das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Europa hat von einer Stellungnahme abgesehen. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.

B.

20

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. Februar 2012 und des Landgerichts Dresden vom 1. August 2011 wendet, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.

21

Die gegen den Haftbefehl und die Nichtabhilfeentscheidung des Landgerichts Dresden vom 31. Januar 2012 gerichtete Verfassungsbeschwerde nimmt das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

22

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

I.

23

Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Grundsätzlich darf nur einem rechtskräftig Verurteilten die Freiheit vollständig entzogen werden. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 74, 358 <371>), nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. grundlegend BVerfGE 19, 342 <347> sowie BVerfGE 20, 45 <49 f.>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>; BVerfGK 15, 474 <479>).

24

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Er verlangt, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur erwarteten Strafe steht, und setzt ihr auch unabhängig von der Straferwartung Grenzen (BVerfGE 20, 45 <49 f.>). Das Gewicht des Freiheitsanspruchs vergrößert sich gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung regelmäßig mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft (vgl. BVerfGE 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>). Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Zum anderen nehmen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zu (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 15, 474 <480>).

25

In diesem Rahmen ist zu berücksichtigen, dass der Grundrechtsschutz auch durch die Verfahrensgestaltung zu bewirken ist (vgl. hierzu BVerfGE 53, 30 <65>; 63, 131 <143>). Das Verfahren der Haftprüfung und Haftbeschwerde muss deshalb so ausgestaltet sein, dass nicht die Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtsposition aus Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 104 GG besteht. Dem ist vor allem durch erhöhte Anforderungen an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 103, 21 <35 f.>). Die mit Haftsachen betrauten Gerichte haben sich bei der zu treffenden Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft mit deren Voraussetzungen eingehend auseinanderzusetzen und diese entsprechend zu begründen. In der Regel sind in jedem Beschluss über die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft aktuelle Ausführungen zu dem weiteren Vorliegen ihrer Voraussetzungen, zur Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit geboten, weil sich die dafür maßgeblichen Umstände angesichts des Zeitablaufs in ihrer Gewichtigkeit verschieben können (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 10, 294 <301>; 15, 474 <481>). Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens, die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung und - unter Berücksichtigung einer etwaigen Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 57 StGB - das hypothetische Ende einer möglicherweise zu verhängenden Freiheitsstrafe (vgl. BVerfGK 8, 1 <5>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juni 2008 - 2 BvR 806/08 -, juris Rn. 30 f.).

26

Die zugehörigen Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Fachgericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein (vgl. BVerfGK 7, 421 <429 f.>; 8, 1 <5>; 15, 474 <481 f.>).

II.

27

Diesen sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ergebenden Anforderungen werden die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts Dresden vom 1. August 2011 und des Oberlandesgerichts Dresden nicht gerecht.

28

1. Es ist für die verfassungsrechtliche Prüfung ohne Belang, dass sich der Beschwerdeführer derzeit in Paraguay in Auslieferungshaft befindet und (noch) nicht in Untersuchungshaft in Deutschland. Denn mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet er sich gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts Dresden vom 22. Januar 2010 sowie die nachfolgenden Haftfortdauerentscheidungen und nicht gegen die von der Republik Paraguay in alleiniger Zuständigkeit und Verantwortung angeordnete Freiheitsentziehung (vgl. zum Rechtsschutz in "Einlieferungshaftsachen": BVerfGE 57, 9 <25>; BVerfGK 15, 570 <575>).

29

2. Die angegriffenen Haftfortdauerbeschlüsse lassen die erforderliche Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers und dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch nicht erkennen.

30

In der Entscheidung vom 1. August 2011 räumt das Landgericht der gebotenen Abwägung lediglich einen Satz ein, mit dem floskelhaft festgestellt wird, mildere Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO kämen nicht in Betracht.

31

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 16. Februar 2012 enthält keine eigenständige Begründung, sondern erschöpft sich darin, auf die - nicht aussagekräftigen - Gründe der landgerichtlichen Entscheidung und zusätzlich auf die Nichtabhilfeentscheidung vom 31. Januar 2012 zu verweisen, die indes zur Frage der Abwägung schweigt.

32

Dabei bestand für die Gerichte schon allein aufgrund der seit der Beschwerdeentscheidung vom 1. August 2011 verstrichenen Zeit Anlass, sich eingehend mit den Voraussetzungen für eine Haftfortdauer auseinanderzusetzen. Auf die in den umfangreichen Eingaben des Beschwerdeführers enthaltenen und für die vorzunehmende Abwägung relevanten Umstände gehen die Haftfortdauerentscheidungen jedoch nicht ein.

33

Wird aber die von Verfassungs wegen gebotene Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschuldigten und dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse nicht vorgenommen, die Haftfortdauer lediglich mit der bloßen Wiedergabe des Gesetzeswortlauts begründet oder die weitere gesetzliche Voraussetzung einer Rechtfertigung der Fortdauer der Untersuchungshaft nicht einmal erwähnt, liegt mit anderen Worten ein Abwägungsausfall vor, so hat dies regelmäßig eine Verletzung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. Art. 104 GG) zur Folge (vgl. BVerfGK 8, 1 <7>).

34

3. Landgericht und Oberlandesgericht hätten in ihre Abwägung verschiedene Faktoren einstellen müssen.

35

Zur Einschätzung der für die Haftfortdauerentscheidung unter anderem relevanten Straferwartung ist zu berücksichtigen, dass sich der im Bundesgebiet bislang nicht vorbestrafte und zuvor haftunerfahrene Beschwerdeführer bereits seit dem 28. Februar 2011 in Auslieferungshaft befindet. Deren Dauer ist nach der Anrechnungsvorschrift des § 51 Abs. 3 Satz 2 StGB zu berücksichtigen, damit es im Falle einer Verurteilung nicht durch die Dauer der Untersuchungshaft zu einer Vollverbüßung kommt, die dem Resozialisierungszweck der Strafhaft widerspricht (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>).

36

Die veröffentlichte Rechtsprechung (vgl. Landgericht Zweibrücken, Urteil vom 17. August 1994 - 424 Js 3601/92 - 1 KLs -, juris) und die Literatur (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 51 Rn. 19; Patzak, in: Körner, Betäubungsmittelgesetz, 7. Aufl. 2012, vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 205) legen für in Paraguay erlittene Haft einen Anrechnungsmaßstab von 1:2 zu Grunde.

37

Zudem ist bei der Einschätzung der Straferwartung auch die Frage einer vorzeitigen Haftentlassung zu beachten. Denn der Resozialisierungszweck der Strafhaft erfordert es auch, dass bei der Ermittlung der Dauer der zu erwartenden Strafhaft eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 57 StGB jedenfalls dann berücksichtigt wird, wenn eine solche im konkreten Fall zu erwarten ist (vgl. BVerfGK 7, 140 <161 f.>). Dies ist vorliegend deshalb der Fall, weil der Beschwerdeführer bislang nicht vorbestraft und erstmalig von einer freiheitsentziehenden Maßnahme betroffen ist.

III.

38

Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 GG durch das Oberlandesgericht wie auch durch das Landgericht festzustellen.

39

Wegen der Eilbedürftigkeit der Haftsache ist es angezeigt, nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG nur den Beschluss des Oberlandesgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Es liegt im Interesse des Beschwerdeführers, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten (vgl. BVerfGE 84, 1 <5>; 94, 372 <400>). Das Oberlandesgericht hat unverzüglich unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte erneut eine Entscheidung über die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 1. August 2011 herbeizuführen.

40

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Da der nicht zur Entscheidung angenommene Teil der Verfassungsbeschwerde von untergeordneter Bedeutung ist, sind die Auslagen in vollem Umfang zu erstatten (vgl. BVerfGE 86, 90 <122>).

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1. August 2012 - 4b Ws 42/12 - und der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 25. Juni 2012 - 4 KLs 211 Js 28184/12 Hw. - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwie-sen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweili-gen Anordnung.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

A.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Aufrechterhaltung der gegen ihn angeordneten Untersuchungshaft.

I.

2

1. Das Amtsgericht Stuttgart erließ am 20. Dezember 2011 gegen den im Februar 1992 geborenen Beschwerdeführer einen Haftbefehl. Danach war dieser dringend verdächtig, in zwei versuchten und drei vollendeten Fällen gewerbsmäßige Betrugstaten begangen und dabei als Mitglied einer Bande gehandelt zu haben, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrugstaten verbunden habe. Der Beschwerdeführer habe bei den vollendeten Taten Beträge von 500 €, 1000 € und 1.500 € erlangt und ferner versucht je einmal 500 € und 1.000 € zu erbeuten.

3

Der Beschwerdeführer wurde am 29. Dezember 2011 in Haft genommen.

4

2. Am 4. April 2012 erhob die Staatsanwaltschaft Stuttgart Anklage gegen den nicht vorbestraften Beschwerdeführer und fünf weitere Angeschuldigte. Sie listete in drei Komplexen insgesamt 28 Taten aus den Bereichen der Betäubungs- und Arzneimitteldelikte und der Spielautomatenmanipulation sowie Taten im Zusammenhang mit Erpressungen und Körperverletzungen auf. Dem Beschwerdeführer wurden, im Wesentlichen entsprechend den Vorwürfen aus dem Haftbefehl, fünf banden- und gewerbsmäßige Betrugstaten aus dem Komplex der Spielautomatenmanipulation, davon in einem Fall als Versuch, zur Last gelegt.

5

3. Am 16. April 2012 wies die Strafkammervorsitzende die Verteidiger darauf hin, dass vorbehaltlich der Eröffnung des Hauptverfahrens der Hauptverhandlungsbeginn für den 25. Mai 2012 geplant sei. Weitere Termine sollten am 12., 14., 19., 20., 22., 25. und 28. Juni 2012, am 4., 5. und 10. Juli 2012 sowie anschließend ganztägig jeweils Dienstag und Donnerstag stattfinden.

6

4. Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2012 beantragte der Bevollmächtigte, das Verfahren gegen den Beschwerdeführer abzutrennen und vor dem Jugendrichter oder Jugendschöffengericht zu eröffnen. Eine gemeinsame Verhandlung gegen alle in der Anklageschrift genannten Angeschuldigten sei mit dem im Jugendstrafrecht vorherrschenden Prinzip des Erziehungsgedankens nicht in Einklang zu bringen; es handele sich zudem weit überwiegend um Straftaten, die den Beschwerdeführer nicht beträfen.

7

5. Mit Beschluss vom 10. Mai 2012 eröffnete die Strafkammer das Hauptverfahren, ließ die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zu und ordnete die Aufrechterhaltung der gegen alle sechs Angeklagten vollzogenen Untersuchungshaft an.

8

Die Hauptverhandlung sollte - wie angekündigt - am 25. Mai 2012 beginnen. Für die Zeit bis zum 2. August 2012 wurden 13 Folgetermine anberaumt; ab dem 30. August sollte jeweils am Dienstag und Donnerstag verhandelt werden.

9

6. Nachdem zum Prozessauftakt am 25. Mai 2012 die Anklage verlesen worden war und im Folgetermin zwei Mitangeklagte Angaben zur Sache gemacht hatten, gab der Beschwerdeführer am dritten Verhandlungstag über seinen Bevollmächtigten eine Erklärung zur Sache ab. Es wurden drei vollendete Tathandlungen eingeräumt, die weiteren Anklagepunkte sowie eine bandenmäßige Begehung hingegen in Abrede gestellt.

10

7. Am 29. Mai 2012 erhielt das Landgericht einen unter dem 4. Mai 2012 erstellten Bericht der Jugendgerichtshilfe über den Beschwerdeführer. Darin wurde die Anwendung von Jugendstrafrecht empfohlen. Der Beschwerdeführer wohne gemeinsam mit anderen Geschwistern noch bei seinen Eltern, die ihn auch im Umgang mit Behörden unterstützten. Es habe noch keine Verselbständigung und Ablösung vom Elternhaus stattgefunden. Sein Auftreten zeige, dass er nach seiner Entwicklung einem Erwachsenen noch nicht gleichgesetzt werden könne.

11

8. Mit Schriftsatz vom 4. Juni 2012 beantragte der Bevollmächtigte, den Haftbefehl aufzuheben. Nach den Ausführungen im Bericht der Jugendgerichtshilfe könne keine Fluchtgefahr angenommen werden.

12

9. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 25. Juni 2012 hielt die Strafkammer den Haftbefehl aufrecht und lehnte den Abtrennungsantrag ab. Es bestehe der Haftgrund der Fluchtgefahr. Auch wenn der Beschwerdeführer bislang nicht vorbestraft sei, habe er wegen der zur Last gelegten Taten bei vorläufiger Bewertung mit einer empfindlichen, möglicherweise zu vollstreckenden Jugend- oder Freiheitsstrafe zu rechnen. Mildere Maßnahmen im Sinne von § 116 Abs. 1 StPO kämen nicht in Betracht. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft sei auch nicht unter Berücksichtigung der besonderen Belastungen für einen Heranwachsenden unverhältnismäßig. Der Beschwerdeführer befinde sich zwar seit mehr als sechs Monaten in Untersuchungshaft, die Kammer habe aber die Haftbedingungen gelockert, so dass für den Beschwerdeführer nunmehr die Gelegenheit bestehe, die begonnene Ausbildung fortzuführen und an den Abschlussprüfungen teilzunehmen.

13

Im Interesse der Wahrheitsfindung, der Prozessökonomie und der Beschleunigung sei es geboten, die Tatvorwürfe in einem einheitlichen Verfahren aufzuklären. Es sei nicht ersichtlich, dass eine weitere gemeinsame Verhandlung eine erziehungsschädliche Wirkung haben könnte.

14

10. Am 23. Juli 2012 bestimmte die Vorsitzende für die Zeit vom 3. September bis zum 29. November 2012 weitere 13 Termine. Im Anschluss sollte jeden Dienstag und Donnerstag verhandelt werden.

15

11. Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2012 legte der Bevollmächtigte Beschwerde gegen die Haftfortdauerentscheidung ein. Die bisherige Beweisaufnahme habe das Bestehen einer Bande nicht belegen können. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft sei unverhältnismäßig. Bei dem heranwachsenden Beschwerdeführer komme mit hoher Wahrscheinlichkeit Jugendstrafrecht zur Anwendung. Der das Jugendrecht beherrschende Erziehungsgedanke dürfe nicht hinter prozessökonomischen Gesichtspunkten zurücktreten.

16

Nach Erhalt der weiteren Terminplanung vom 23. Juli 2012 ergänzte der Bevollmächtigte am 27. Juli 2012 das Beschwerdevorbringen und rügte eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes. Den Beschwerdeführer betreffe nur ein kleiner Teil der angeklagten Taten samt der dazugehörigen Beweisaufnahme. Nach der weiteren Planung komme es zwischen Anfang September und Ende November nur zu einer Verhandlung pro Woche, was nicht nur dem Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts, sondern auch dem Beschleunigungsgebot widerspreche.

17

Mit einem Schriftsatz vom selben Tag wurde das Landgericht um Mitteilung gebeten, an welchen Tagen im Zeitraum von September bis November die Strafkammer Hauptverhandlungstermine in anderen Verfahren festgesetzt habe und ob es sich dabei um Haftsachen handele.

18

12. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart beantragte unter dem 30. Juli 2012, die Beschwerde zu verwerfen.

19

13. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 1. August 2012 wies das Oberlandesgericht Stuttgart die Haftbeschwerde zurück. Es bestehe Fluchtgefahr. Der Beschwerdeführer habe mit einer empfindlichen Gesamtfreiheitsstrafe zu rechnen. Trotz der Ausführungen im Bericht der Jugendgerichtshilfe halte es der Senat für überwiegend wahrscheinlich, dass sich der Beschwerdeführer im Falle einer Haftentlassung dem weiteren Verfahren entziehen werde. Die Fortdauer der Untersuchungshaft sei auch verhältnismäßig. Dabei verkenne der Senat nicht, dass sich das Freiheitsinteresse mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößere und der Vollzug für den erst 20-jährigen und in Berufsausbildung befindlichen Beschwerdeführer besondere Belastungen mit sich bringe. Dieser sei zwar seit dem 29. Dezember 2011 in Haft, was aber in Ansehung der beschleunigten Handhabung durch die Kammer - so habe die Hauptverhandlung bereits sieben Wochen nach Eingang der Anklage begonnen - weiterhin zumutbar sei.

20

Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot liege nicht vor. Die Kammer habe seit Verhandlungsbeginn bereits 14 Termine durchgeführt und beabsichtige nunmehr nach § 229 Abs. 2 StPO aus nachvollziehbaren Gründen eine einmonatige Unterbrechung. Die ab dem 3. September geplante Terminierung mit 13 Terminen bis zum 29. November lasse keine unzureichende Beschleunigung besorgen, da sich eine isolierte Betrachtung bestimmter Verhandlungszeiträume verbiete. Es komme daher nicht darauf an, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt die Strafkammer die Anfrage des Bevollmächtigten zu sonstigen Verhandlungen beantworte.

21

Diese Entscheidung ging am 13. August 2012 beim Bevollmächtigten ein.

22

14. Bis zum 14. Hauptverhandlungstag am 2. August 2012 erstreckte sich bei der Hälfte der Termine die Sitzungsdauer auf eine bis maximal vier Stunden. In der Zeit vom 3. August bis zum 3. September 2012 wurde die Hauptverhandlung nach § 229 Abs. 2 StPO für einen Monat unterbrochen, um den Berufsrichtern und den Schöffen einen Urlaub zu ermöglichen.

23

15. Am 9. August 2012 erhielt der Bevollmächtigte die erbetene Aufstellung zu den weiteren Verhandlungen der Strafkammer übersandt. Danach sollte an zwei Tagen im Oktober in einer anderen Nichthaftsache verhandelt werden. Im November konnte an vier Tagen keine Terminierung erfolgen, weil die auch einer anderen Strafkammer zugewiesene Beisitzerin dort an einer Hauptverhandlung in einer Haftsache teilnehmen sollte.

24

16. Unter dem 15. August 2012 wies der Bevollmächtigte im Wege der Gegenvorstellung den Strafsenat unter Bezugnahme auf die Auskunft der Strafkammer darauf hin, dass trotz 32 freier Arbeitstage zwischen September und November in 26 Wochen lediglich an 27 Tagen und davon an mehreren Tagen nur halbtags verhandelt werden sollte.

25

17. Das Oberlandesgericht wies die Gegenvorstellung am 17. August 2012 als unzulässig zurück. Die verhandlungsfreien Tage könnten keinen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot begründen, da ein Spruchkörper auch außerhalb von Hauptverhandlungen umfangreiche Arbeiten zu erledigen habe.

26

18. Am 13. September 2012 bestimmte die Strafkammervorsitzende für den Monat November drei weitere Sitzungstermine.

27

19. Nachdem das Landgericht den Beschwerdeführer und dessen Bevollmächtigten am 25. September 2012 zu den möglichen Modalitäten einer Haftverschonung angehört hatte, beschloss es am 2. Oktober 2012, den Haftbefehl gegen Auflagen und Weisungen außer Vollzug zu setzen. Es bestehe weiterhin Fluchtgefahr, da der Beschwerdeführer mit einer Verurteilung zu einer fühlbaren Jugend- oder Gesamtfreiheitsstrafe zu rechnen habe. Angesichts der bisherigen erheblichen Dauer der Untersuchungshaft sowie der Straferwartung und unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit könne der Fluchtgefahr aber durch Weisungen und Auflagen begegnet werden.

II.

28

Mit seiner am 13. September 2012 eingegangenen Verfassungsbeschwerde und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.

29

Die Anordnung der Untersuchungshaft verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, insbesondere unter Beachtung des Beschleunigungsgebots. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könne allein die Schwere der Tat und die daraus folgende Straferwartung bei erheblichen Verfahrensverzögerungen eine ohnehin schon lang andauernde Untersuchungshaft nicht rechtfertigen. Bei dem hier nicht besonders schwerwiegenden Tatvorwurf gegen einen Heranwachsenden, bei dem voraussichtlich Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen werde, müsse die Abwägung zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallen.

30

Die Strafkammer erfülle nicht die Anforderungen, die das Beschleunigungsgebot in umfangreichen Verfahren an eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlungsplanung mit mehr als einem Verhandlungstag pro Woche stelle. Von Beginn der Hauptverhandlung seien bis zum letzten bislang festgesetzten Termin in 26 Wochen lediglich 27 Verhandlungstage anberaumt worden; dies entspreche einem wöchentlichen Durchschnitt von 1,04 Sitzungstagen. Von den bis zum 11. September 2012 durchgeführten Verhandlungen seien sieben nur von halbtägiger oder stundenweiser Dauer gewesen. Die angegriffenen Entscheidungen verhielten sich auch nicht zu der Frage, ob das Landgericht zur Beschleunigung des Verfahrens alles Zumutbare unternommen habe. Es sei mangels entgegenstehender Erkenntnisse davon auszugehen, dass die Kammer an mindestens zwei Tagen pro Woche hätte verhandeln können.

31

Es fehle auch an der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung zwischen dem Freiheitsinteresse des Beschwerdeführers und dem Strafverfolgungsinteresse des Staates. Insbesondere fehle jede Abwägung zwischen der Dauer der Untersuchungshaft und der zu erwartenden Rechtsfolge. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer Heranwachsender und bislang nicht vorbestraft sei. Gerade das Fehlen von Vorstrafen sei bei erstmaliger Verhängung von Jugendstrafe ein deutliches Indiz für eine Strafaussetzung zur Bewährung oder jedenfalls eine Reststrafenaussetzung. Hierzu verhielten sich die angegriffenen Entscheidungen nicht, weshalb es auch an der für Haftfortdauerentscheidungen notwendigen Begründungstiefe fehle.

III.

32

1. Das Justizministerium des Landes Baden-Württemberg hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

33

2. Die Strafkammervorsitzende teilte unter dem 19. Oktober 2012 mit, das Gericht habe seit dem Prozessauftakt an 20 Sitzungstagen verhandelt. Bis zum 29. November 2012 seien acht weitere Termine anberaumt. Eine mit einem Arbeitskraftanteil von 0,5 teilzeitbeschäftigte Beisitzerin sei aufgrund eines Präsidiumsbeschlusses des Landgerichts Stuttgart seit dem 1. August 2012 nur noch mit einem Anteil von 0,2 der Strafkammer und im Übrigen einer anderen Schwurgerichtskammer zugewiesen. Ferner habe die Kammer als Schwurgericht parallel zum streitgegenständlichen Verfahren weitere vier Haftverfahren, teilweise mit bis zu vier Angeklagten, an 18 Verhandlungstagen sowie an weiteren Sitzungstagen Berufungen verhandelt.

34

3. Der Beschwerdeführer teilte mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2012 mit, im Oktober sei an den drei Sitzungstagen jeweils halbtags verhandelt worden.

35

4. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.

B.

36

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1. August 2012 und des Landgerichts Stuttgart vom 25. Juni 2012 wendet, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Ent-scheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG hat das Bundesverfassungsgericht bereits ent-schieden.

37

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer nach der Entscheidung der Strafkammer vom 2. Oktober 2012 derzeit vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont ist (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. November 2012 - 2 BvR 1164/12 -, juris).

38

Die gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts Stuttgart vom 20. Dezember 2011 gerichtete Verfassungsbeschwerde nimmt die Kammer nicht zur Entscheidung an. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

I.

39

Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 74, 358 <371>), nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. grundlegend BVerfGE 19, 342 <347> sowie BVerfGE 20, 45 <49 f.>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>; BVerfGK 15, 474 <479>).

40

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Er verlangt, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur erwarteten Strafe steht, und setzt ihr auch unabhängig von der Straferwartung Grenzen (BVerfGE 20, 45 <49 f.>). Das Gewicht des Freiheitsanspruchs vergrößert sich gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung regelmäßig mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft (vgl. BVerfGE 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>). Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Zum anderen nehmen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zu (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 15, 474 <480>; 17, 517 <522>).

41

Das verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen (vgl. BVerfGE 46, 194 <195>) verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. An den zügigen Fortgang des Verfahrens sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft schon andauert. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verfahrensverzögerungen verursacht ist. Bei absehbar umfangreicheren Verfahren ist daher stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlung mit mehr als einem durchschnittlichen Hauptverhandlungstag pro Woche notwendig (vgl. BVerfGK 7, 21 <46 f.>; 7, 140 <157>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, juris Rn. 52). Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare erhebliche Verfahrensverzögerungen stehen regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen (vgl. BVerfGK 17, 517 <523>).

42

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Grundrechtsschutz auch durch die Verfahrensgestaltung zu bewirken ist (vgl. hierzu BVerfGE 53, 30 <65>; 63, 131 <143>). Das Verfahren der Haftprüfung und Haftbeschwerde muss deshalb so ausgestaltet sein, dass nicht die Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtsposition aus Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 104 GG besteht. Dem ist vor allem durch erhöhte Anforderungen an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 103, 21 <35 f.>). Die mit Haftsachen betrauten Gerichte haben sich bei der zu treffenden Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft mit deren Voraussetzungen eingehend auseinanderzusetzen und diese entsprechend zu begründen. In der Regel sind in jedem Beschluss über die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft aktuelle Ausführungen zu dem weiteren Vorliegen ihrer Voraussetzungen, zur Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit geboten, weil sich die dafür maßgeblichen Umstände angesichts des Zeitablaufs in ihrem Gewicht verschieben können (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 10, 294 <301>; 15, 474 <481>). Bei der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch und dem Strafverfolgungsinteresse kommt es in erster Linie auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer an, die etwa von der Komplexität der Rechtssache, der Vielzahl der beteiligten Personen oder dem Verhalten der Verteidigung abhängig sein kann. Dies macht eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich (vgl. BVerfGK 7, 421 <428>), die es dem Bundesverfassungsgericht ermöglicht, eine Verletzung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen zu prüfen (vgl. BVerfGK 17, 517 <524>).

43

Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens, die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung und - unter Berücksichtigung einer etwaigen Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 57 StGB - das hypothetische Ende einer möglicherweise zu verhängenden Freiheitsstrafe (vgl. BVerfGK 8, 1 <5>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Juni 2012 - 2 BvR 644/12 -, juris Rn. 25).

44

Die zugehörigen Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprü-fung des Abwägungsergebnisses am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Fachgericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein (vgl. BVerfGK 7, 421 <429 f.>; 8, 1 <5>; 15, 474 <481 f.>).

II.

45

Diesen sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ergebenden Anforderungen werden die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen des Landge-richts Stuttgart vom 25. Juni 2012 und des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1. August 2012 nicht gerecht.

46

Die Entscheidungen lassen nicht erkennen, dass die Gerichte bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Freiheitsrecht des Beschwerdeführers und dem Strafverfolgungsinteresse des Staates die Bedeutung und Tragweite des Freiheitsgrundrechts ausreichend berücksichtigt haben. Insoweit weisen beide Entscheidungen nicht die für eine Haftfortdauerentscheidung erforderliche Begründungstiefe auf.

47

1. Das Landgericht geht bei seiner Entscheidung zwar davon aus, dass die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Taten zur "Verhängung einer empfindlichen, möglicherweise zu vollstreckenden Jugend- oder Freiheitsstrafe" führen können. Die Kammer lässt jedoch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens außer Betracht und nimmt insbesondere unter Berücksichtigung einer etwaigen Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung nach § 57 StGB (zum Halbstrafen- oder 2/3 Termin) oder nach § 88 JGG (nach sechs Monaten oder bei mehr als einem Jahr Jugendstrafe nach einem Drittel) nicht das hypothetische Ende einer möglicherweise zu verhängenden Freiheits- oder Jugendstrafe in den Blick. Für eine solche Betrachtung bestand aber insbesondere deshalb gesteigerter Anlass, weil der Beschwerdeführer bislang nicht vorbestraft und soweit ersichtlich erstmalig von einer freiheitsentziehenden Maßnahme betroffen sein würde sowie nach dem Bericht der Jugendgerichtshilfe vom 4. Mai 2012 für den Fall einer Verurteilung die Anwendung von Jugendstrafrecht empfohlen wird.

48

Das Oberlandesgericht legt seinen Ausführungen lediglich die Annahme zugrunde, der Beschwerdeführer habe mit einer "empfindlichen Gesamtfreiheitsstrafe" zu rechnen ohne zu berücksichtigen, die Strafkammer als urteilender Spruchkörper auch die Verhängung einer Jugendstrafe in Betracht zieht. Der Strafsenat berücksichtigt im Weiteren zwar die bis zu seiner Entscheidung seit annähernd sieben Monaten vollzogene Freiheitsentziehung, ohne aber - wie es geboten gewesen wäre - weitergehend eine Abwägung vorzunehmen, ob die Fortdauer der Untersuchungshaft angesichts des hypothetischen Endes der Freiheitsentziehung noch verhältnismäßig erscheint.

49

2. Das Landgericht hat sich nicht mit den aus dem Beschleunigungsgebot folgenden Anforderungen befasst, was in Anbetracht der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung erst seit wenigen Wochen dauernden Verhandlung grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Selbst der Beschwerdeführer hatte seinen Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls zunächst auf andere Umstände gestützt.

50

Demgegenüber hat sich das Oberlandesgericht zwar mit dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen auseinander gesetzt, sich in diesem Zusammenhang aber auf die Feststellung beschränkt, dass die Strafkammer seit dem Beginn der Hauptverhandlung am 25. Mai 2012 14 Termine durchgeführt, für August eine einmonatige Unterbrechung angeordnet und bis zum 29. November 2012 weitere 13 Sitzungstage anberaumt habe. Dies lasse keine unzureichende Beschleunigung der Sache besorgen.

51

Bei dieser Bewertung berücksichtigt der Strafsenat nicht alle relevanten Umstände des Einzelfalls. Die Strafkammer hat nach der Mitteilung ihrer Vorsitzenden bis zur am 2. August 2012 erfolgten einmonatigen Unterbrechung im Zeitraum von zehn Wochen an 14 Terminstagen verhandelt. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts waren für die Zeit nach der am 3. September 2012 endenden Pause bis zum 29. November 2012 weitere 13 Sitzungstage geplant. Dies entsprach bei einem Zeitraum von 27 Wochen und 27 Terminen einer Verhandlungsdichte von (nur) 1,00 Terminstagen pro Woche außerhalb der Unterbrechungszeit. Wenn die vierwöchige Unterbrechungszeit wegen Urlaubs unberücksichtigt bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, juris Rn. 53), liegt die Verhandlungsdichte bei 1,17 Sitzungen pro Woche.

52

Mit der Anberaumung von (knapp) mehr als durchschnittlich einem Sitzungstag pro Woche allein ist der verfassungsrechtlichen Pflicht zur beschleunigten Durchführung einer Hauptverhandlung indes noch nicht genügt. Das Oberlandesgericht geht nicht darauf ein, dass an einer nennenswerten Zahl von Sitzungstagen nur stundenweise oder halbtags verhandelt worden ist, ohne dass ersichtlich würde, weshalb die Strafkammer von ihrer ursprünglichen Absicht, an zwei (vollen) Tagen in der Woche zu verhandeln, Abstand genommen hat oder nehmen musste. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen kann auch dadurch verletzt werden, dass an den jeweiligen Sitzungstagen nur kurze, den Sitzungstag nicht ausschöpfende Zeit verhandelt und das Verfahren dadurch nicht entscheidend gefördert wird (vgl. BVerfGK 7, 21 <46 f.>; OLG Koblenz, Beschluss vom 26. August 2010 - 2 Ws 383/10 -, juris, Rn. 16, 23; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. August 2011 - III 1 Ws 260/11 -, juris, Rn. 6).

53

Das Oberlandesgericht hätte in diesem Zusammenhang insbesondere prüfen müssen, ob die Strafkammer ihrer Aufgabe einer vorausschauenden straffen Hauptverhandlungsplanung bei - wie hier - umfangreichen Verfahren hinreichend nachgekommen ist (vgl. BVerfGK 7, 21 <46>; 7, 140 <158>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des 2. Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, juris Rn. 54). Dazu hätte angesichts der gegebenen Terminfrequenz besonderer Anlass bestanden.

III.

54

Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 GG durch das Oberlandesgericht wie auch durch das Landgericht festzustellen.

55

In Anbetracht der Eilbedürftigkeit der Haftsache ist es angezeigt, nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BverfGG nur den Beschluss des Oberlandesgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Es liegt im Interesse des Beschwerdeführers, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten (vgl. BverfGE 84, 1 <5>; 94, 372 <400>). Das Oberlandesgericht hat unverzüglich unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte erneut eine Entscheidung über die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 25. Juni 2012 herbeizuführen.

56

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BverfGG. Da der nicht zur Entscheidung angenommene Teil der Verfassungsbe-schwerde von untergeordneter Bedeutung ist, sind die Auslagen in vollem Umfang zu erstatten (vgl. BverfGE 86, 90 <122>).

IV.

57

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,
2.
nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und
3.
die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
§ 57 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 6 gilt entsprechend.

(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.

(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g, 57 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend.

(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 18/12
StB 7/12
vom
14. Juni 2012
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Beihilfe zum Mord
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie des Beschuldigten und seiner Verteidiger am 14. Juni 2012
gemäß §§ 121, 122, § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:
1. Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 28. November 2011 (3 BGs 97/11) - neu gefasst durch Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 15. Mai 2012 (3 BGs 169/12) - abgeändert: Der Beschuldigte ist in Untersuchungshaft zu nehmen. Er ist dringend verdächtig, er habe zu einem nicht näher ermittelbaren Zeitpunkt im Jahre 1999 oder 2000, jedenfalls vor dem 9. September 2000, in J. durch eine Handlung einem anderen Hilfe geleistet, in neun Fällen einen Menschen aus niedrigen Beweggründen zu töten (Beihilfe zu neun Fällen des Mordes , strafbar nach §§ 211, 27 StGB). 2. Das weitergehende Rechtsmittel ist gegenstandslos. 3. Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:

I.


1
Der Beschuldigte wurde am 29. November 2011 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 28. November 2011 (3 BGs 97/11) - neu gefasst durch dessen Beschluss vom 15. Mai 2012 (3 BGs 169/12) - festgenommen. Er befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand des Haftbefehls in der Fassung des Beschlusses vom 15. Mai 2012 ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe zu einem nicht näher ermittelbaren Zeitpunkt in den Jahren 1999 bis 2002 in J. durch eine Handlung vorsätzlich einem anderen zum Mord in zehn Fällen und zum versuchten Mord Hilfe geleistet (Beihilfe zu zehn Fällen des Mordes und zum versuchten Mord, strafbar nach §§ 211, 22, 27 StGB).
3
Die Sache ist dem Senat am 23. Mai 2012 zur Prüfung vorgelegt worden , ob die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus aufrechterhalten werden darf (§§ 121, 122 StPO). Der Beschuldigte hat außerdem am 24. Mai 2012 Beschwerde gegen den Haftbefehl erhoben.

II.


4
Auf die Haftbeschwerde des Beschuldigten ändert der Senat den Haftbefehl wie aus der Beschlussformel ersichtlich ab, denn der Beschuldigte ist der Beihilfe zum Mord in neun Fällen und nicht - wie im Beschluss vom 15. Mai 2012 angenommen - zum Mord in zehn Fällen und zum Mordversuch dringend verdächtig (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO). Soweit sich das Rechtsmittel des Be- schuldigten gegen den Bestand des Haftbefehls in dem danach verbleibenden Umfang richtet, ist es gegenstandslos.
5
1. Ist eine Haftbeschwerde eingelegt und steht gleichzeitig das besondere Haftprüfungsverfahren nach §§ 121, 122 StPO an, so kommt diesem grundsätzlich der Vorrang zu, denn es führt zu einer umfassenden Überprüfung der Frage der Haftfortdauer. Durch die Entscheidung im Haftprüfungsverfahren nach §§ 121, 122 StPO erledigt sich eine Haftbeschwerde deshalb grundsätzlich von selbst; sie wird gegenstandslos (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. November 1991 - 1 Ws 912/91; 1014/91; 1016/91, VRS 1992, 189, 193; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 122 Rn. 18 mwN). Etwas anderes muss jedoch gelten, soweit die Entscheidung im Haftprüfungsverfahren nicht zu dem Erfolg führen kann, der dem Beschuldigten im Falle einer Beschwerdeentscheidung beschieden wäre.
6
So liegt der Fall hier. Anders als auf eine Haftbeschwerde wäre es dem Senat im besonderen Haftprüfungsverfahren nach §§ 121, 122 StPO verwehrt, den zu überprüfenden Haftbefehl wie geschehen abzuändern oder neu zu fassen. Die Entscheidung des Senats wäre vielmehr darauf beschränkt, die Fortdauer der Untersuchungshaft auf der Grundlage des bestehenden Haftbefehls, die Haftverschonung oder die Aufhebung des Haftbefehls anzuordnen (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 2. Februar 2005 - HEs 1/05, NStZ 2005, 342).
7
2. Nach den bisherigen Ermittlungen ist von folgendem Sachverhalt auszugehen :
8
a) Ende 1997 ergaben sich Hinweise darauf, dass eine von der anderweitig verfolgten Beate Zschäpe am 10. August 1996 angemietete Garage in J. von ihr sowie von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos - nach kriminalpolizeilichen Erkenntnissen seinerzeit wie Zschäpe aktive Mitglieder der "Kameradschaft Jena" in der rechtsextremen Vereinigung "Thüringer Heimatschutz" - zur Herstellung von Sprengsätzen genutzt wird. Eine Durchsuchung der Garage am 26. Januar 1998, bei der funktionsfähige Rohrbomben sowie insgesamt ca. 1,4 kg TNT aufgefunden wurden, nahmen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zum Anlass, unter Verschleierung ihrer Identität unterzutauchen. Haftbefehle vom 28. Januar 1998 wegen des dringenden Verdachts des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz u.a. konnten nicht vollstreckt werden; die eingeleiteten Ermittlungsverfahren wurden am 15. September 2003 wegen Eintritts der Strafverfolgungsverjährung eingestellt.
9
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe kamen nach den Vorfällen in J. noch Anfang 1998 überein, sich nunmehr zu einer eigenständigen Gruppierung zusammenzuschließen, sich dabei dem gemeinsamen Ziel der Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland hin zu einem an der nationalsozialistischen Ideologie ausgerichtetem System unterzuordnen und dieses Ziel künftig aus dem Untergrund heraus mit Waffengewalt weiterzuverfolgen. Den Boden für den angestrebten Systemwechsel wollten sie dadurch bereiten, dass sie durch Mordanschläge auf "Feinde des deutschen Volkes", worunter sie in erster Linie türkischstämmige Einwohner der Bundesrepublik Deutschland sowie Repräsentanten der staatlichen Ordnung wie etwa Polizeibeamte verstanden, ein Klima der Verunsicherung schufen. Zur Kennzeichnung ihres Verbands wählten sie spätestens 2001 den Namen "Nationalsozialistischer Untergrund" und entwickelten ergänzend hierzu ein "Logo" in Form einer besonders gestalteten Buchstabenfolge "NSU".
10
b) In Verfolgung der gemeinsam beschlossenen Ziele begingen im Einzelnen nicht ermittelte Mitglieder der Gruppierung unter anderem die nachfolgenden Straftaten.
11
aa) Unter Verwendung einer Pistole Ceska 83 Kaliber 7,65 mm - am 9. September 2000 und am 27. Juni 2001 auch einer zur scharfen Waffe des Kalibers 6,35 mm umgebauten Schreckschusspistole Bruni 315 Auto - verübten sie insgesamt neun Mordanschläge gegen in der Bundesrepublik Deutschland wohnhafte Personen ausländischer Herkunft.
- Am 9. September 2000 töteten sie in Nürnberg den türkischen Staatsangehöriger S. in seinem mobilen Blumenverkaufsstand durch mehrere Schüsse.
- Am 13. Juni 2001 töteten sie in Nürnberg den türkischen Staatsangehörigen Ö. in den Räumlichkeiten seiner Änderungsschneiderei durch zwei Kopfschüsse.
- Am 27. Juni 2001 töteten sie in Hamburg den türkischen Staatsangehörigen T. in den Räumlichkeiten seines Gemüsehandels durch drei Kopfschüsse.
- Am 29. August 2001 töteten sie in München den türkischen Staatsangehörigen K. in den Räumlichkeiten seines Gemüsehandels durch zwei Kopfschüsse.
- Am 25. Februar 2004 töteten sie in Rostock den türkischen Staatsangehörigen Tu. in einer Imbissstube, in der er an diesem Tage aushalf, durch drei Kopfschüsse.
- Am 9. Juni 2005 töteten sie in Nürnberg den türkischen Staatsangehörigen Y. in den Räumen seiner Imbissstube durch Kopfschüsse.
- Am 15. Juni 2005 töteten sie in München den griechischen Staatsangehörigen B. in den Räumlichkeiten seines Schlüsseldienstes durch Kopfschüsse.
- Am 4. April 2006 töteten sie in Dortmund den türkischen Staatsangehörigen Ku. in dem von ihm betriebenen Kiosk durch zwei Kopfschüsse.
- Am 6. April 2006 töteten sie in Kassel den türkischen Staatsangehörigen Yo. in den Räumlichkeiten eines Internet-Cafés durch zwei Kopfschüsse.
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bb) Unter Verwendung von Pistolen Radom Vis 35 Kaliber 9 mm und Tokarew TT3 Kaliber 9 mm töteten sie am 25. April 2007 gegen 14.00 Uhr in Heilbronn die im Einsatz befindliche Polizeibeamtin Ki. durch einen Kopfschuss, verletzten den sie begleitenden Polizeibeamten A. durch einen weiteren Kopfschuss schwer und brachten deren Dienstwaffen und andere Polizeiausrüstung in ihren Besitz.
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c) Auch der Beschuldigte war aktives Mitglied der "Kameradschaft Jena". Ihm war bekannt, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe Anfang 1998 wegen des Bombenfundes in der von ihnen genutzten Garage untergetaucht und nunmehr entschlossen waren, aus dem Untergrund heraus mit Waffengewalt auf eine Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland hinzuwirken. In der Absicht, Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe in finanzieller und logistischer Hinsicht zu unterstützen, hielt er gleichwohl die Verbindung mit ihnen aufrecht. Zur Verschleierung nach außen bediente er sich dabei der Hilfe von Mittelsleuten, so des anderweitig verfolgten Sch. , den er beauftragte, regelmäßigen fernmündlichen Kontakt zu den Genannten zu halten. Unter anderem gewährte er Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe seine Unterstützung in den beiden nachfolgenden, den Gegenstand des Haftbefehls bildenden Fällen:
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(1) Anlässlich eines Telefonats mit Sch. in der zweiten Jahreshälfte 1999 äußerte Böhnhardt oder Mundlos den Wunsch nach einer Pistole nebst Schalldämpfer und Munition. Davon in Kenntnis gesetzt beauftragte der Beschuldigte Sch. , sich an den Zeugen Sc. zu wenden und bei diesem die gewünschte Waffe zu bestellen. Sc. besorgte über einen Mittelsmann eine Pistole Ceska 83, Kaliber 7,65 mm, einen passenden Schalldämpfer und 50 Schuss Munition. Anschließend verkaufte er Waffe und Zubehör für 2.500 DM an Sch. , der den verlangten Kaufpreis zuvor vom Beschuldigten in bar erhalten hatte. Nach Prüfung der Pistole und fernmündlicher Rücksprache mit Böhnhardt oder Mundlos wies der Beschuldigte Sch. an, die Pistole nebst Schalldämpfer und Munition nach Ch. zu bringen und sie den Genannten dort auszuhändigen. Dem kam Sch. bei einem Treffen mit Böhnhardt und Mundlos in einem Abbruchhaus in Ch. nach. Mit der ihnen auf diese Weise verschafften Pistole Ceska 83 verübten Mitglieder des "Nationalsozialistischen Un- tergrunds" in der Folge die neun Mordanschläge gegen Gewerbetreibende ausländischer Herkunft [oben 2. b) aa)].
15
Der Beschuldigte rechnete bei seinem Handeln damit, dass die erbetene Waffe zur Tötung von Menschen aus ideologischen Beweggründen eingesetzt werden würde und deren Beschaffung deshalb solche Taten fördern werde. Dies nahm er zumindest billigend in Kauf.
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(2) Zwischen dem 1. Mai 2001 und einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Jahre 2002 übergab der Beschuldigte in seiner Wohnung in J. dem anderweitig verfolgten G. einen Stoffbeutel mit dem Auftrag, ihn in einer Sporttasche verstaut zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nach Z. zu verbringen. Wie der Beschuldigte - zunächst aber nicht G. - wusste, befanden sich in dem Beutel eine Schusswaffe sowie Munition. Am Hauptbahnhof in Z. wurde G. von Zschäpe abgeholt und in die von ihr sowie Böhnhardt und Mundlos seit dem 1. Mai 2001 genutzte Wohnung P. straße 2 geführt. Dort händigte G. die Waffe und die Munition auftragsgemäß an Böhnhardt und Mundlos aus.
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3. Der Beschuldigte hat sich bislang nicht zur Sache eingelassen. Der dringende Verdacht, er habe Böhnhardt und Mundlos die Pistole Ceska 83 besorgt , dadurch die Begehung der neun Mordanschläge objektiv gefördert und subjektiv bei seinem Handeln auch zumindest billigend in Kauf genommen, die zu beschaffende Pistole werde zur Tötung von Menschen aus politischen Beweggründen eingesetzt, ergibt sich aus Folgendem:
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a) In der von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zuletzt genutzten Wohnung in Z. , F. straße 26, wurde im Brandschutt eine Pistole Ceska 83 Kaliber 7,65 mm, (wieder sichtbar gemachte) Waffennummer 034678, mit aufgesetztem Schalldämpfer sichergestellt. Eine kriminaltechnische Vergleichsuntersuchung ergab, dass aus dieser Waffe an allen der neun Tatorte aufgefundene Projektile verfeuert worden waren (Gutachten des Kriminaltechnischen Instituts des Bundeskriminalamts vom 6. und vom 7. Dezember 2011 - KT 21 - 2011/6242/4; /5; /28).
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b) Sch. hat bei seinen Vernehmungen am 1. und am 6. Februar 2012 den Sachverhalt im Wesentlichen so wie beschrieben eingeräumt. Er habe die Waffe, den Schalldämpfer und die Munition in einem Rucksack mit dem Zug von J. nach Ch. transportiert, wo er von Böhnhardt und Mundlos am Gleis abgeholt worden sei. Nach dem Besuch eines Restaurants sei man gemeinsam zu einem nahegelegenen Abbruchgebäude gegangen, wo er den beiden die Gegenstände übergeben habe. Allerdings sei von einem Schalldämpfer anfangs nicht die Rede gewesen. Dessen Vorhandenseinhabe man erst festgestellt, als der Beschuldigte die Verpackung geöffnet und die Waffe in Augenschein genommen habe; der Beschuldigte habe den Schalldämpfer dann aufgeschraubt. Böhnhardt und Mundlos seien erstaunt gewesen, dass auch ein Schalldämpfer dabeigewesen sei. Sc. hat demgegenüber bei seinen Vernehmungen am 25. Januar und 9. Februar 2012 schließlich eingeräumt, eine Person, die er als Begleiter des Beschuldigten gekannt habe, habe von ihm 1999 oder 2000 die Beschaffung einer Pistole nebst Munition sowie ausdrücklich eines Schalldämpfers verlangt. Ein Bekannter namens L. habe ihm darauf für 2.000 DM eine Pistole, einen zugehörigen Schalldämpfer sowie etwa 50 Schuss Munition besorgt. Diese Gegenstände habe er gegen Zahlung von 2.500 DM in bar an den Begleiter des Beschuldigten weitergegeben. Die Übergabe habe vereinbarungsgemäß auf einem Parkplatz in J. im Pkw des Abholers stattgefunden. Bei einer Wahllicht- bildvorlage am 9. Februar 2012 hat er Sch. als den Abholer und Begleiter des Beschuldigten identifiziert. Aus den an diese Aussage anknüpfenden weiteren, im Einzelnen noch andauernden Ermittlungen ergeben sich deutliche Hinweise darauf, dass es sich bei der Waffe um eine aus Tschechien zunächst in die Schweiz und dann nach Deutschland gelangte Pistole des Typs Ceska 83 Kaliber 7,65 mm handelte.
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c) Was die innere Tatseite betrifft, besteht schließlich auch der dringende Verdacht, der Beschuldigte habe es zumindest billigend in Kauf genommen, dass die auf seine Veranlassung besorgte Pistole Ceska 83 zur Tötung von Menschen aus ideologischer Motivation eingesetzt werden würde. Dem Beschuldigten war aus den in den Jahren 1996 und 1997 geführten Diskussionen bekannt, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe entschlossen waren, sich zur Durchsetzung ihrer Ziele zu bewaffnen (Vernehmungen des G. vom 1. Dezember 2011, S. 14; 12. Januar 2012, S. 3; 17. Januar 2012, S. 12). Dass er auch in der Folge damit rechnete, es werde von deren Seite zu Gewalttaten unter Verwendung von Schusswaffen kommen, wird durch seine Bemerkung gegenüber dem ihn wegen des Unterschiebens der im Stoffbeutel verpackten Pistole zur Rede stellenden G. belegt, es sei besser, "wenn du nicht weißt, was sie damit vorhaben" (Vernehmungen des G. vom 25. November 2011, S. 9; 1. Dezember 2011, S. 8). Zu Recht hält es der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs in diesem Zusammenhang auch für ein wesentliches gegen den Beschuldigten sprechendes Indiz, dass die Ausstattung einer Pistole mit einem Schalldämpfer ohne weiteres die Befürchtung erweckt, diese werde genutzt, um in möglichst unauffälliger Weise auf Menschen zu feuern. Auch wenn man insoweit der Aussage des Sch. folgt, nahm der Beschuldigte das Vorhandensein des Schalldämpfers jedenfalls wie selbstverständlich hin.
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4. Demgegenüber besteht nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis kein dringender Verdacht dahin, der Beschuldigte habe Mitgliedern des "Nationalsozialistischen Untergrunds" auch zu dem Mord an der Polizeibeamtin Ki. und zu dem versuchten Mord an dem sie begleitenden Polizeibeamten A. am 25. April 2007 in Heilbronn Hilfe geleistet. Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass die Überlassung einer der beiden Pistolen diese Tat, wie nach § 27 StGB erforderlich, objektiv in irgendeiner Weise erleichtert oder gefördert hat (vgl. hierzu Fischer, StGB, 59. Aufl., § 27 Rn. 14 mwN), lassen sich nicht erkennen.
22
Projektile, die aus der Pistole Ceska 83 verfeuert worden waren, fanden sich an diesem Tatort nicht. Ob eine der nach dem Ergebnis der kriminaltechnischen Untersuchungen dort verwendeten Pistolen Radom Vis 35 und Tokarew TT3 diejenige war, welche G. im Auftrag des Beschuldigten an Böhnhardt und Mundlos übergeben hatte, bleibt nach gegenwärtigem Erkenntnisstand offen. Der insoweit aussagebereite G. konnte diese bei seiner Vernehmung am 21. Dezember 2011 - etwa zehn Jahre nach dem Geschehen - unter den ihm vorgelegten Waffen nicht identifizieren. Soweit der Haftbefehl darauf abstellt, der Beschuldigte habe durch die Überlassung der Pistolen und der Munition die Verfügungsmöglichkeiten der Mitglieder des "Nationalsozialistischen Untergrunds" über Schusswaffen erweitert, vermag der Senat nicht zu erkennen, wie allein dadurch die Tat am 25. April 2007 objektiv erleichtert oder gefördert worden sein sollte (vgl. hierzu bereits Senat, Beschluss vom 25. Mai 2012 - AK 14/12).
23
Soweit der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs daneben auch den dringenden Verdacht der psychischen Beihilfe bejaht, weil der Beschuldigte durch sein Handeln zu erkennen gegeben habe, er stehe hinter den Zielen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" und der in Verfolgung dieser Ziele ausgeübten Gewalt, bleibt bereits offen, ob es für diese Gruppierung bei der Planung und bei der Ausführung ihrer Taten überhaupt maßgeblich war, dabei gerade auch beim Beschuldigten Rückhalt zu finden. So ist den Aussagen von G. vom 1. Dezember 2011, 12. Januar 2012 und 17. Januar 2012 zu entnehmen, dass sich "die Drei" während der ab 1996 geführten Strategiediskussionen , was ihre Person betrifft, für eine Bewaffnung entschieden, ungeachtet dessen, dass G. und damals auch der Beschuldigte einen solchen Weg ablehnten (vgl. auch hierzu bereits Senat aaO).

III.


24
Der Haftbefehl trägt auch in dem verbleibenden Umfang die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus.
25
1. Es besteht jedenfalls der Haftgrund der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO). Nach den Umständen kann nicht ausgeschlossen werden, dass ohne den Vollzug der Untersuchungshaft die alsbaldige Ahndung und Aufklärung der Tat gefährdet wäre. Durch weniger einschneidende Maßnahmen kann der Zweck der Untersuchungshaft nicht erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO). Der Senat verweist insoweit auf die eingehenden Darlegungen in der Haftentscheidung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 15. Mai 2012, an deren Gültigkeit sich zwischenzeitlich nichts geändert hat.
26
2. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen. Insbesondere dauert die Auswertung von insgesamt 158 Bänden Ermittlungsakten zu den geschilderten, den Tatvorwurf mitbegründenden neun Mordanschlägen - erforderlich zur sicheren Abklärung, ob diese als Haupttaten Mitgliedern des "Nationalsozialistischen Untergrunds" zuzurechnen sind - noch an. Im Rahmen der Ermittlungen nach der Herkunft der Pistole Ceska 83 waren ein Rechtshilfeersuchen an die Schweiz und daran anschließend ebenfalls im Rechtshilfewege zu erledigende Durchsuchungen bei drei dort aufhältigen Personen sowie deren Vernehmung notwendig. Im Einzelnen nimmt der Senat Bezug auf die zutreffende Darstellung des Ermittlungsumfangs in der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 22. Mai 2012.
27
Das Verfahren ist danach bisher mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
28
3. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe.
Becker Hubert Mayer

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.