Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 06. Okt. 2016 - I-2 U 19/16
Tenor
A. Auf die Berufung wird – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – das am 17. Dezember 2015 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt gefasst:
I. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Präsidenten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
Steuereinrichtungen in einem Fahrzeug, die mit einem halbautomatischen Getriebe verbunden und für dessen Betätigung vorgesehen sind, in mehrere Gangwechsel-Funktionsstellungen einstellbar sind und in mindestens einer Gangwechsel-Funktionsstellung für Vorwärtsfahrt betätigbar sind, damit ein Gangwechsel stattfindet,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen die Steuereinrichtung auch mit einer zusätzlichen Retarderbremse verbunden und zu deren Betätigung vorgesehen ist;
2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die vorstehend zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 9. November 2002 begangen worden sind, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (sowie ggf. Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (sowie ggf. der Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet sowie bei Internetwerbung der Schaltungszeiträume, der Internetadressen sowie der Zugriffszahlen,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei
die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 7. Mai 2004 zu machen sind und
wobei die Beklagte zu 2) hinsichtlich der Angaben zu a) und b) Kopien der Rechnungen vorzulegen hat (sofern nicht vorhanden: Kopien der Lieferscheine, hilfsweise Bestellscheine), in denen geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.
III. Es wird festgestellt,
1. dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klägerin für die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen, die in der Zeit vom 9. November 2002 bis zum 6. Mai 2004 begangen wurden, eine angemessene Entschädigung zu zahlen,
2. dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 7. Mai 2004 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
B. Die Gerichtskosten erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin und die Beklagte zu 2) je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) erster und zweiter Instanz werden der Klägerin auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin erster und zweiter Instanz werden der Beklagten zu 2) zur Hälfte auferlegt. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
C. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 2) darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten zu 1) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des für die Beklagte zu 1) vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
D. Die Revision wird nicht zugelassen.
E. Der Streitwert für das landgerichtliche und für das Berufungsverfahren wird auf jeweils 1.000.000,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 246 AAA B1 (nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie auf Feststellung der Schadenersatz- und Entschädigungspflicht dem Grunde nach in Anspruch, wobei sich die Ansprüche auf Rückruf und Vernichtung nur gegen die Beklagte zu 1) richten.
4Das Klagepatent wurde am 21. Dezember 2000 unter Inanspruchnahme der Priorität der SE 9904AAB vom 23. Dezember 1999 in englischer Verfahrenssprache angemeldet. Die Offenlegung der Patentanmeldung erfolgte am 9. Oktober 2002. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 7. April 2004 veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents, der beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen DE 600 09 AAC T2 geführt wird, ist in Kraft. Über eine durch die Beklagten mit Schriftsatz vom 30. Januar 2015 erhobene Nichtigkeitsklage hat das Bundespatentgericht noch nicht entschieden.
5Das Klagepatent betrifft eine „Steuereinheit für [ein] Fahrzeug“ („Control arrangement for a vehicle“). Sein Patentanspruch 1 ist wie folgt gefasst:
6„Control device (6) in a vehicle, which control device (6) is connected to, and is for operating, a semi-automatic gearbox, can be set in various gearchange function positions and can in at least one gearchange function position for travelling forwards be operated for gearchanging, characterised in that the control device (6) is also connected to, and is for operating, a supplementary retarder brake.”
7In der eingetragenen deutschen Übersetzung lautet Patentanspruch 1 wie folgt:
8„Steuereinrichtung (6) in einem Fahrzeug, die mit einem halbautomatischen Getriebe verbunden und für dessen Betätigung vorgesehen ist, in mehrere Gangwechsel-Funktionsstellungen einstellbar ist und in mindestens einer Gangwechsel-Funktionsstellung für Vorwärtsfahrt betätigbar ist, damit ein Gangwechsel stattfindet, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuereinrichtung (6) auch mit einer zusätzlichen Retarderbremse verbunden und zu deren Betätigung vorgesehen ist.“
9Der hier ebenfalls interessierende, durch die Klägerin allerdings nicht geltend gemachte Patentanspruch 5 weist folgende Fassung auf:
10„Control device according to patent claim 4, characterised in that the lever (6) incorporates a portion (13, 18) which is rotatable about the longitudinal axis of the lever in order to set desired gearchange function positions, and said portion (13, 18) can be rotated step by step to at least a reverse, a neutral and a drive position.”
11Und in der eingetragenen deutschen Übersetzung:
12„Steuereinrichtung nach Patentanspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Hebel (6) einen Abschnitt (13, 18) umfasst, der um die Längsachse des Hebels drehbar ist, um gewünschte Gangwechsel-Funktionsstellungen einzustellen, und dass dieser Abschnitt (13, 18) schrittweise in mindestens eine Rückwärtsstellung, eine neutrale Stellung und eine Fahrstellung gedreht werden kann.“
13In dem durch die Klägerin im Wege eines „insbesondere, wenn“-Antrages geltend gemachten Patentanspruch 12 heißt es:
14„Control device according to patent claim 5, characterised in that the lever (6) incorporates an end portion (14) which, when the lever is set in the Drive position, is non-lockingly movable in the lever’s longitudinal direction inwards towards (15) the steering wheel to effect switching between the functional positions for manual and automatic gearchanging.”
15In deutscher Sprache lautet Patentanspruch 12 wie folgt:
16„Steuereinrichtung nach Patentanspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass der Hebel (6) einen Endabschnitt (14) aufweist, der in Fahrstellung des Hebels nichtverriegelnd in der Längsrichtung des Hebels einwärts in Richtung (15) zum Lenkrad bewegbar ist, um ein Umschalten zwischen den Funktionsstellungen für manuellen und automatischen Gangwechsel zu bewirken.“
17Im Hinblick auf die Formulierung der durch die Klägerin lediglich im Wege von „insbesondere, wenn“ - Anträgen darüber hinaus geltend gemachten Unteransprüche 2 bis 4 sowie 7 und 8 wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Klagepatentschrift Bezug genommen.
18Die nachfolgend verkleinert wiedergegebene Figur 3 der Klagepatentschrift erläutert die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels. Gezeigt ist eine an einer Lenksäule befestigte Steuereinrichtung.
19Zu sehen ist eine Steuerung (6) in Form eines Hebels, dessen Stiel (12) an der Lenksäule (7) angebracht ist. Die Retarderfunktion wird dadurch aktiviert, dass der Hebel in Umfangsrichtung entlang des Lenkradkranzes bewegt wird. Die Bremswirkung nimmt allmählich zu, je weiter der Hebel von seiner Ausgangsstellung entfernt wird. Der Hebel (6) hat einen drehbaren Abschnitt (13), mit dem der Fahrer in die Rückwärts-, Neutral- oder Fahrstellungen wechseln kann. Der Endabschnitt (14) des Hebels dient als Druckknopf, mit dem zwischen manuellem und automatischem Gangwechsel gewählt werden kann. Zum Herauf- und Herunterschalten wird der Hebel im Wesentlichen senkrecht nach oben (16) zum Lenkrad hin bzw. nach unten (17) vom Lenkrad weg bewegt (Abs. [0021] – [0024]).
20Die Beklagte zu 2), deren inländische Vertriebstochter die Beklagte zu 1) ist, stellt her und vertreibt unter der Bezeichnung „A B“ LKWs mit Steuereinrichtungen (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform). Auf der vom 25. September 2014 bis zum 2. Oktober 2014 in C stattfindenden Messe „D Nutzfahrzeuge 2014“ präsentierte die Beklagte zu 2) auf ihrem Messestand, auf dem auch Mitarbeiter der Beklagten zu 1) anwesend waren, unter anderem den LKW „B“, wie dies aus der nachfolgend eingeblendeten Abbildung (ganz rechts in der „zweiten“ Reihe) ersichtlich ist:
21Dabei befand sich in unmittelbarer Nähe zu dem LKW „B“ das nachfolgend eingeblendete Datenblatt:
22Im Vorfeld der Messe gab die Beklagte zu 1) eine Pressemitteilung heraus, hinsichtlich deren vollständigen Inhalts auf die Anlagen WKS 7 und WKS 8 Bezug genommen wird. Darin heißt es unter anderem:
23„Neben dem E zeigt A auf der Messe in C auch die in Deutschland bekannten Kleinbus- und Transportervarianten E-1 T bzw. E-1 C sowie das Modell B, ein schweres Nutzfahrzeug, das international außerhalb Europas vermarktet wird.“
24Die technische Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform lässt sich anhand der nachfolgend eingeblendeten, der Anlage K 6 entnommenen Abbildung erkennen.
25Während der obere Hebel zur Betätigung der optionalen Retarderbremsfunktion und zur manuellen Gangwahl sowie zum Wechsel zwischen dem manuellen und dem automatischen Modus eingesetzt werden kann, steuert der untere Hebel die Fahrprogramme D/DM = Drive (Vorwärtsfahrt), N = Neutral und R/RM = Reverse (Rückwärtsfahrt). Der obere Hebel kann um die Lenksäule herum aus der Retarder-Nullstellung, bei der keine Bremswirkung erzeugt wird, auf vier verschiedene Bremswirkungsgrade eingestellt werden, die – je weiter der Hebel im Uhrzeigersinn bewegt wird – eine gesteigerte Bremswirkung zur Verfügung stellen. Ferner kann der Fahrer durch Zug oder Druck (parallel zur Lenksäule) auf den oberen Hebel manuell die Getriebeübersetzung wählen, wobei jeweils ein Ziehen an dem oberen Hebel das Getriebe einen Gang hoch schaltet („UP:GEAR+“) und ein Drücken des Hebels das Getriebe einen Gang herunter schaltet („DN:GEAR-“). Der ausgewählte Gang wird dann vom Getriebesteuerprogramm halbautomatisch (d.h. ohne dass der Fahrer eine Kupplung betätigen muss) eingelegt. Darüber hinaus verfügt der obere Hebel über einen Druckknopf am äußeren Ende der Grifffläche, mit welchem der Fahrer zwischen automatischer und manueller Gangwahl wechseln kann („A/M“).
26Bereits erstinstanzlich hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die Beklagten hätten die angegriffene Ausführungsform auf der „D Nutzfahrzeuge 2014“ in C in patentverletzender Weise angeboten. Die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des streitgegenständlichen Patentanspruchs wortsinngemäß Gebrauch. Unter dem Begriff „Gangwechsel-Funktionsstellungen“ seien der automatische und der manuelle Gangwechsel zu fassen. Diese könnten bei der angegriffenen Ausführungsform mit dem oberen Hebel eingestellt werden. Die Steuereinrichtung der angegriffenen Ausführungsform sei auch in mindestens einer Gangwechsel-Funktionsstellung, nämlich der manuellen Funktionsstellung, für Vorwärtsfahrt betätigbar, da das Getriebe durch ein Ziehen an dem oberen Hebel einen Gang hoch („UP:GEAR+“) und durch ein Drücken („DN:GEAR-“) einen Gang herunter geschaltet werden könne.
27Die Beklagten haben vorab die fehlende örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf gerügt und in der Sache um Klageabweisung, hilfsweise um Aussetzung bis zur rechtskräftigen Erledigung der gegen den deutschen Teil des Klagepatents erhobenen Nichtigkeitsklage gebeten. Sie haben eine Verletzung des Klagepatents in Abrede gestellt. Der Begriff „Gangwechsel-Funktionsstellungen“ erfasse die Fahrprogramme R = rückwärts, N = neutral und D = Fahrt (Drive). Unter der „Gangwechsel-Funktionsstellung für Vorwärtsfahrt“ seien die Stellungen „D“ oder „DM“ zu verstehen, die durch den unteren Hebel gesteuert würden, der seinerseits keinen Einfluss auf die Retarderbremse nehmen könne.
28Unabhängig davon sei der LKW „B“ weder für den deutschen noch für den europäischen Markt vorgesehen. Es sei unerheblich, dass die Beklagte zu 2) den LKW im Rahmen der „D Nutzfahrzeuge 2014“ präsentiert habe, da weder Verkaufsangebote unterbreitet noch Prospekte für das betreffende Modell verteilt worden seien. Zudem sei von den Mitarbeitern vor Ort kommuniziert worden, dass der betreffende LKW nicht in Deutschland erhältlich sei. Ein deliktisches Handeln der Beklagten zu 1) scheide aus, da diese nicht Ausstellerin auf der Messe gewesen sei. Darüber hinaus hätten sich die am Messestand anwesenden Mitarbeiter der Beklagten zu 1) nicht an der Präsentation des vorgenannten LKWs beteiligt, keine Angaben zum Fahrzeug gemacht und kein Werbematerial zu diesem verteilt.
29Mit Urteil vom 17. Dezember 2015 hat das Landgericht Düsseldorf eine Patentverletzung bejaht und wie folgt erkannt:
30I. Die Beklagten werden verurteilt,
311. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Geschäftsführer (Beklagte zu 1)) bzw. Präsidenten (Beklagte zu 2)) zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
32Steuereinrichtungen in einem Fahrzeug, die mit einem halbautomatischen Getriebe verbunden und für dessen Betätigung vorgesehen sind, in mehrere Gangwechsel-Funktionsstellungen einstellbar sind und in mindestens einer Gangwechsel-Funktionsstellung für Vorwärtsfahrt betätigbar sind, damit ein Gangwechsel stattfindet,
33in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
34bei denen die Steuereinrichtung auch mit einer zusätzlichen Retarderbremse verbunden und zu deren Betätigung vorgesehen ist;
352. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die vorstehend zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 9. November 2002 begangen worden sind, und zwar unter Angabe
36a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
37b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (sowie ggf. Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
38c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (sowie ggf. der Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
39d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet sowie bei Internetwerbung der Schaltungszeiträume, der Internetadressen sowie der Zugriffszahlen,
40e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
41wobei
42die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 7. Mai 2004 zu machen sind und
43wobei die Beklagten hinsichtlich der Angaben zu a) und b) Kopien der Rechnungen vorzulegen haben (sofern nicht vorhanden: Kopien der Lieferscheine, hilfsweise Bestellscheine), in denen geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
443. (nur die Beklagte zu 1)) die in der Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz bzw. Eigentum der Beklagten zu 1) befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer I.1. zu vernichten;
454. (nur die Beklagte zu 1)) die vorstehend unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 30. April 2006 im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an diesen Erzeugnissen eingeräumt wurde, schriftlich darüber informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des deutschen Teils des EP 1 246 AAA B 1 erkannt hat, ihnen ein ernsthaftes Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagte unterbreitet wird und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises bzw. eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendungskosten für die Rückgabe zugesagt wird, und wobei die Beklagte verpflichtet ist, die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
46II. Es wird festgestellt,
471. dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin für die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen, die in der Zeit vom 9. November 2002 bis zum 6. Mai 2004 begangen wurden, eine angemessene Entschädigung zu zahlen,
482. dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 7. Mai 2004 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
49Zur Begründung hat das Landgericht, das seine Zuständigkeit bejaht hat, im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagten verletzten das Klagepatent, da die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß von dessen technischer Lehre Gebrauch mache. Der Fachmann verstehe unter dem Begriff „Gangwechsel-Funktionsstellungen“ den automatischen und manuellen Gangwechsel und nicht die Fahrprogramme R = rückwärts, N = neutral und D = Fahrt (Drive). Vor diesem Hintergrund sei die beanspruchte technische Lehre bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht, denn dort könnten mit dem oberen Hebel die Gangwechsel-Funktionsstellungen „automatischer Gangwechsel“ und „manueller Gangwechsel“ eingestellt werden. Soweit der streitgegenständliche Patentanspruch weiter verlange, dass die Steuereinrichtung in mindestens einer Gangwechsel-Funktionsstellung für Vorwärtsfahrt betätigbar sei, damit ein Gangwechsel stattfinde, sei erforderlich, dass die Steuereinrichtung zumindest im manuellen oder aber im Automatikbetrieb derart in Vorwärtsfahrt betätigt werden könne, dass ein Gangwechsel stattfinde. Dies sei bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall, da durch ein Ziehen an dem oberen Hebel das Getriebe einen Gang hoch („UP: GEAR+“) und durch ein Drücken des Hebels das Getriebe einen Gang herunter („DN:GEAR-“) geschaltet werden könne.
50Des Weiteren hätten beide Beklagten die angegriffene Ausführungsform auf der „D Nutzfahrzeuge 2014“ im patentrechtlichen Sinne angeboten. Die Beklagte zu 2) habe die angegriffene Ausführungsform auf ihrem Messestand in Anwesenheit von Mitarbeitern der Beklagten zu 1) präsentiert, und zwar ohne in unmittelbarer räumlicher Nähe dazu einen Hinweis vorzusehen, nach welchem die angegriffene Ausführungsform nicht für den deutschen Markt angeboten werde.
51Schließlich bestehe für eine Aussetzung der Verhandlung keine Veranlassung, da die technische Lehre des streitgegenständlichen Patentanspruchs in dem durch die Beklagten entgegengehaltenen Stand der Technik weder neuheitsschädlich noch naheliegend offenbart werde.
52Mit ihrer Berufung verfolgen die Beklagten ihr vor dem Landgericht erfolglos gebliebenes Begehren auf Klageabweisung, hilfsweise Aussetzung, weiter. Sie wiederholen und ergänzen ihr erstinstanzliches Vorbringen und machen geltend:
53Das Landgericht habe nur unzureichend gewürdigt, dass bei der angegriffenen Ausführungsform wesentliche Steuerfunktionen des halbautomatischen Getriebes über den unteren Hebel gesteuert würden. Damit werde aber keine nach dem Klagepatent beanspruchte, einzige integrierte Steuerungseinheit, die sämtliche Steuerfunktionen eines halbautomatischen Getriebes und einer Retarderbremse kombiniere, realisiert. Bei der angegriffenen Ausführungsform seien zur Steuerung der Getriebefunktionen und der Retarderbremse zwei räumlich voneinander getrennte Hebel erforderlich, die funktional voneinander abhängig sein. Nur das Zusammenspiel beider Hebel ermögliche die Steuerung des halbautomatischen Getriebes. Des Weiteren sei mit der durch den streitgegenständlichen Patentanspruch geforderten Einstellung einer Gangwechsel-Funktionsstellung nicht der Wechsel zwischen automatischer und manueller Gangwahl gemeint, sondern die Steuerung der Fahrprogramme. Soweit Patentanspruch 1 verlange, dass die Steuereinrichtung in mindestens einer Gangwechsel-Funktionsstellung für Vorwärtsfahrt betätigbar sei, damit ein Gangwechsel stattfinde, folge daraus, dass die Steuereinrichtung und nicht irgendein anderer Hebel in eine Gangwechsel-Funktionsstellung für Vorwärtsfahrt gebracht werden könne. In dieser Gangwechsel-Funktionsstellung für Vorwärtsfahrt müsse die Steuereinrichtung betätigbar sein, damit ein Gangwechsel stattfinde. Eine patentgemäße Steuereinrichtung müsse also derart betätigbar sein, dass mittels dieser Steuereinrichtung zunächst ein Fahrprogramm für Vorwärtsfahrt ausführbar sei und in diesem ausgewählten Fahrprogramm müsse dieselbe Steuereinrichtung eine Betätigung vorsehen, die einen Gangwechsel bewirke.
54Unabhängig davon habe das Landgericht übersehen, dass eine Beteiligung der Beklagten zu 1) an den vermeintlich patentverletzenden Handlungen unter Beweisantritt bestritten worden sei.
55Schließlich sei das Klagepatent nicht rechtsbeständig, weshalb das Verfahren jedenfalls bis zur Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren auszusetzen sei. Der Gegenstand des Klagepatents sei nicht patentfähig, weil er im Hinblick auf den im Nichtigkeitsverfahren entgegengehaltenen Stand der Technik nicht neu sei, jedenfalls aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
56Die Beklagten beantragen,
57das am 17. Dezember 2015 verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf (4c O 67/14) aufzuheben und die Klage abzuweisen,
58hilfsweise,
59den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung der gegen den deutschen Teil DE 600 09 AAC des europäischen Patentes EP 1 246 AAA B1 erhobenen Nichtigkeitsklage auszusetzen.
60Die Klägerin beantragt,
61die Berufung zurückzuweisen.
62Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages und tritt dem Berufungsvorbringen der Beklagten sowie deren Aussetzungsantrag entgegen. Ergänzend bezieht sie sich darauf, dass ein Lkw des Typs B – wie sich aus den Anlagen WKS 16 und 17 ergebe – mit deutscher Zulassung (F) im öffentlichen Straßenverkehr unterwegs gewesen sei, weswegen es offensichtlich zu Verkäufen nach/in Deutschland gekommen sei.
63Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
64II.
65Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat aber in der Sache nur im tenorierten Umfang Erfolg.
66Zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung hat das Landgericht in der angegriffenen Ausführungsform eine wortsinngemäße Benutzung des Klagepatents gesehen und die Beklagte zu 2) wegen unmittelbarer Patentverletzung zur Unterlassung, zur Rechnungslegung sowie zum Schadenersatz und zur Entschädigung verurteilt. Der Klägerin stehen entsprechende Ansprüche aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Demgegenüber scheidet eine Haftung der Beklagten zu 1) aus. Der Klägerin ist es nicht gelungen, schlüssig zumindest eine auf das Inland bezogene Benutzungshandlung der Beklagten zu 1) in der Zeit nach Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Klagepatents bzw. im Hinblick auf den geltend gemachten Entschädigungsanspruch nach Veröffentlichung des Offenlegungshinweises, die jeweils Voraussetzung für das Entstehen der geltend gemachten Ansprüche wäre, darzulegen. Insbesondere vermag die bloße Anwesenheit von Mitarbeitern der Beklagten zu 1) auf dem Messestand der Beklagten zu 2) auf der „D Nutzfahrzeuge 2014“ eine solche Benutzungshandlung oder die hinreichend greifbare Gefahr einer erstmaligen Begehung nicht zu begründen.
671.
68Zu Recht sind die Beklagten auf den durch sie erstinstanzlich erhobenen Einwand der fehlenden örtlichen Zuständigkeit im Berufungsverfahren nicht mehr zurückgekommen. Ob das Landgericht seine örtliche Zuständigkeit zu Recht bejaht hat, ist im Rechtsmittelzug nicht mehr zu überprüfen. Nach § 513 Abs. 2 ZPO kann die Berufung nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht erster Instanz seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Selbst wenn die Klägerin die Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf für den vorliegenden Patentverletzungsrechtsstreit „erschlichen" hätte, lassen sich daraus im zweiten Rechtszug im Hinblick auf § 513 Abs. 2 ZPO – hinsichtlich der vom Landgericht bejahten örtlichen Zuständigkeit – keine prozessualen Konsequenzen mehr ziehen. Die Vorschrift dient der Verfahrensbeschleunigung und soll die Sacharbeit der ersten Instanz auch bei fehlerhafter Annahme der Zuständigkeit erhalten (vgl. BT-Drs 14/4722 S. 94; BGH, NJW 2005, 1660, 1662; Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 513 Rz. 6). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Vorinstanz ihre Zuständigkeit zu Unrecht bejaht oder ob der Kläger deren Zuständigkeit erschlichen hat. § 513 Abs. 2 ZPO schließt die Nachprüfung der vom Gericht erster Instanz angenommenen örtlichen Zuständigkeit durch das Berufungsgericht schlechthin, d.h. unter jedem erdenklichen rechtlichen Gesichtspunkt, aus (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.01.2010, Az.: I-2 U 131/08 – interframe dropping).
69Für die Klage gegen die in G ansässige Beklagte zu 2) ist auch die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte eröffnet. Zwar ist § 513 Abs. 2 ZPO insoweit nicht anwendbar (BGH, NJW 2004, 1456; NJW 2005, 1660, 1662; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.01.2010, Az.: 2 U 129/08 = BeckRS 2010, 16641; Urt. v. 05.05.2011, Az.: I-2 U 10/10 = BeckRS 2011, 20929), so dass der Senat die internationale Zuständigkeit auch im Berufungsverfahren von Amts wegen festzustellen hat. Mangels besonderer Rechtsverordnungen gilt hier jedoch der Grundsatz, dass die internationale der örtlichen Zuständigkeit folgt (vgl. BGH, NJW-RR 2013, 309; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 8. Aufl., Abschnitt D, Fußnote 31). Für die Eröffnung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte ist es mithin ausreichend, aber auch erforderlich, dass die örtliche Zuständigkeit eines deutschen Gerichtes eröffnet ist (vgl. BGH, GRUR 2015, 467, 468 – Audiosignalcodierung; BGH, NJW 1987, 3081). Die Erfüllung dieser Voraussetzung bedarf mit Blick auf den auf dem Messestand der Beklagten zu 2) auf der „D Nutzfahrzeuge 2014“ in C ausgestellten LKW „B“, durch welches ohne Weiteres der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) eines deutschen Gerichts eröffnet ist, keiner weiteren Erörterung. Die Frage des innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zuständigen Gerichts betrifft demgegenüber die – wie bereits ausgeführt – im Berufungsverfahren nicht mehr zu prüfende Frage der örtlichen Zuständigkeit.
702.
71Das Klagepatent betrifft eine Steuereinrichtung in einem Fahrzeug.
72Damit sich der Fahrer eines Kraftfahrzeuges auf die Straße konzentrieren kann, ist es sinnvoll, möglichst viele Steuerungen und Funktionen am oder nahe dem Lenkrad anzuordnen (vgl. Abs. [0001]).
73a)
74Im Stand der Technik (SE 462246AAA; WO 9004AAB) ist ein Gangwählhebel für ein halbautomatisches Getriebe bekannt, mit dem, wird er in Längsrichtung des Fahrzeugs bewegt, mehrere Funktionsstellungen, nämlich „manuelle Gangwahl (M)“, „automatische Gangwahl (A)“, „neutral (N)“ und „Rückwärtsfahrt (R)“ eingestellt werden können. In den Stellungen M und A kann der Hebel für Gangwechsel rechtwinklig zur Längsrichtung des Fahrzeugs bewegt werden. Der Hebel ist üblicherweise neben dem Fahrersitz oberhalb des Motortunnels angeordnet, weshalb der Fahrer zur Betätigung des Hebels eine Hand vom Lenkrad nehmen muss (vgl. Abs. [0002]). Eine vergleichbare Anordnung ist in der nachfolgend eingeblendeten Figur 1 der Klagepatentschrift gezeigt:
75Dabei wählt der Fahrer das von ihm gewünschte Fahrprogramm durch eine Längsbewegung des Hebels aus, wobei ihm die Fahrprogramme „manuell (M)“, „automatisch (A)“, „neutral (N)“ und „rückwärts (R)“ zur Verfügung stehen. Um herauf- oder herunterzuschalten, wird der Hebel nach links bzw. nach rechts quer zur Längsrichtung des Fahrzeugs bewegt. Ein Gangwechsel ist unabhängig vom eingestellten Fahrprogramm (R, N, A oder M) möglich (vgl. Abs. [0017]).
76Wie der Fachmann der Klagepatentbeschreibung weiter entnimmt, sind viele Schwerfahrzeuge mit einer hydraulischen, mit dem Getriebe verbundenen Zusatzbremse ausgerüstet (sog. „Retarder“, vgl. EP 0 507 AAC). Ein solcher Retarder besteht aus zwei in einem Gehäuse angeordneten Flügelrädern, von denen eines befestigt ist und das andere mit einer der Geschwindigkeit des Fahrzeugs proportionalen Drehzahl rotiert. Durch Hineinpumpen von Hydrauliköl in den engen Spalt zwischen den beiden Flügelrädern entsteht ein Widerstand, der ein Bremsmoment auf die Antriebswellen ausübt. Die Bremswirkung des Retarders wird vom Fahrer mittels eines Hebels gesteuert, der beispielsweise allmählich zum Fahrer hingezogen werden kann, wodurch die Bremswirkung in dem Maße zunimmt, wie der Hebel sich dem Fahrer nähert. Da ein solcher Hebel üblicherweise auf dem Instrumentenbrett angeordnet ist, lässt er sich für den Fahrer nur unbequem erreichen, weshalb der Retarder häufig nicht im gewünschten Umfang genutzt wird (vgl. Abs. [0003]). Daher werden die Retarderhebel teilweise auch am Lenkrad angeordnet. Jedoch wäre es wünschenswert, auch den Gangwählhebel für das halbautomatische Getriebe am Lenkrad anzuordnen. Eine solche Verlagerung mehrerer Steuerungen und Hebel in den Bereich des Lenkrades führt jedoch leicht dazu, dass der Bereich, in dem sich beispielsweise auch Blinker- und Scheibenwischerhebel befinden, eng bestückt und somit nicht leicht zugänglich ist (vgl. Abs. [0004]).
77b)
78Vor dem geschilderten Hintergrund bezeichnet es die Klagepatentschrift als Aufgabe der Erfindung, die genannten Nachteile zu beseitigen und eine neue multifunktionale Steuereinrichtung zu schaffen, die sowohl den Gangwählhebel als auch den Retarderhebel ersetzt, wodurch sich eine größere Fahrsicherheit und eine bessere Ergonomie für den Fahrer ergeben.
79c)
80Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Patentanspruch 1 eine Kombination der folgenden Merkmale vor:
811. Steuereinrichtung in einem Fahrzeug.
822. Die Steuereinrichtung ist
832.1. mit einem halbautomatischen Getriebe verbunden und für dessen Betätigung vorgesehen;
842.2. auch mit einer zusätzlichen Retarderbremse verbunden und zu deren Betätigung vorgesehen.
853. Die Steuereinrichtung ist in mehrere Gangwechsel-Funktionsstellungen einstellbar.
863.1 Damit ein Gangwechsel stattfindet, ist die Steuereinrichtung in mindestens einer Gangwechsel-Funktionsstellung für Vorwärtsfahrt betätigbar.
87aa)
88Patentanspruch 1 beschreibt die beanspruchte Steuereinrichtung, bei der es sich um einen Hebel handeln kann, aber nicht muss (vgl. Patentanspruch 2), im Wesentlichen funktional. Sie muss mit einem – nicht beanspruchten – halbautomatischen Getriebe und mit einer zusätzlichen – ebenfalls nicht beanspruchten – Retarderbremse verbunden und jeweils zu deren Betätigung vorgesehen sein. Nachdem weder das halbautomatische Getriebe noch die Retarderbremse Teil der beanspruchten Steuereinrichtung und damit vom Schutzbereich des Patentanspruchs nicht erfasst sind, reicht es aus, dass die Steuereinrichtung derart mit dem halbautomatischen Getriebe und der zusätzlichen Retarderbremse verbindbar ist, dass diese jeweils durch die Steuereinrichtung betätigt werden können. Das Vorhandensein einer tatsächlichen Verbindung ist demgegenüber für eine Verwirklichung der beanspruchten technischen Lehre nicht entscheidend.
89In Merkmalsgruppe 2 kommt gleichwohl bereits der Kern der Erfindung zum Ausdruck. Die beanspruchte Steuereinrichtung soll die Gangwahl und die Betätigung des Retarderhebels miteinander kombinieren, um so die Ergonomie für den Fahrer zu verbessern. Da die Betätigung des Retarders nunmehr mit der ohnehin zum Betrieb des Kraftfahrzeugs erforderlichen Gangwahl kombiniert wird, ist nicht nur zu erwarten, dass die Retarderfunktion häufiger zum Einsatz kommt (vgl. Abs. [0009]), sondern es wird umgekehrt auch die Sicherheit beim Gangwechsel verbessert, da sich der Fahrer während des Gangwechsels auf die Straße konzentrieren und, wenn die Steuereinrichtung als an der Lenksäule angeordneter Hebel ausgestaltet ist, den Gangwechsel ausführen kann, ohne die Hand vom Lenkrad zu nehmen (vgl. Abs. [0006] und [0007]). Die zuletzt angesprochene Gestaltung der Steuereinrichtung als im Bereich des Lenkrads angeordneter Hebel ist allerdings erst Gegenstand von Unteranspruch 2 und damit für eine Verwirklichung der durch Patentanspruch 1 beanspruchten technischen Lehre keine zwingende Voraussetzung.
90bb)
91Wie der Fachmann der Merkmalsgruppe 3 entnimmt, soll die Steuereinrichtung in mehrere Gangwechsel-Funktionsstellungen einstellbar und in mindestens einer Gangwechsel-Funktionsstellung für Vorwärtsfahrt betätigbar sein, damit ein Gangwechsel stattfindet. Es muss demnach möglich sein, während einer Vorwärtsfahrt einen Gangwechsel mit Hilfe der Steuereinrichtung durchzuführen, mit anderen Worten, mit Hilfe der Steuereinrichtung zu schalten.
92Eine genaue Definition, was das Klagepatent, das im Hinblick auf das Verständnis der dort verwendeten Begriffe sein eigenes Lexikon bildet (BGH, GRUR 1999, 909, 912 – Spannschraube; Mitt. 2000, 105, 106 – Extrusionskopf; BGHZ 150, 149, 156 = GRUR 2002, 515, 517 Schneidmesser I; Benkard/Scharen, Patentgesetz, 11. Aufl.,§ 14 PatG Rz. 22), unter dem Begriff „Gangwechsel-Funktionsstellung“ versteht, findet sich in der Klagepatentbeschreibung nicht. In der Erkenntnis, dass Begrifflichkeiten in einem Patentanspruch nicht zufällig gewählt werden, sondern typischerweise etwas Verlässliches über die ihnen im Rahmen der Erfindung zugedachte technische Funktion aussagen, erkennt der den Patentanspruch analysierende Fachmann jedoch, dass die Anweisungen des Klagepatents, soweit sie sich mit der Steuereinrichtung und ihrem Leistungsbeitrag befassen, zweistufig aufeinander aufbauen.
93Die grundlegende Anordnung liegt zunächst darin, dass der Steuerhebel in mehrere Gangwechsel-Funktionsstellungen eingestellt werden kann. Mögliche „Funktionsstellungen“ „für einen Gangwechsel“ sind dem Fachmann aus seinem allgemeinen Wissen hinreichend geläufig. Eine mögliche Funktionsstellung für einen Gangwechsel stellt beispielsweise der Automatikbetrieb dar, bei dem die Gänge automatisch gesteuert gewechselt werden; eine andere Funktionsstellung für einen Gangwechsel ist der manuelle Betrieb, in dem die Gänge infolge eines manuellen Eingreifens des Fahrers gewechselt werden. Dass diese Sicht zutrifft, findet der Fachmann im Absatz [0002] der Klagepatentbeschreibung nachdrücklich bestätigt, wo es heißt (Anm.: Hervorhebungen sind hinzugefügt):
94„Eine der vom Fahrer häufig benutzten Steuerungen ist der Gangwählhebel. … Der Hebel kann … bewegt werden, um mehrere Funktionsstellungen einzustellen. Die Stellungen sind vorgesehen für manuelle Gangwahl (M), automatische Gangwahl (A), neutral (N) und Rückwärtsfahrt (R).“
95An der zitierten Stelle wird dem Fachmann erläutert, dass sich der vorbekannte Steuerhebel in mehrere Funktionsstellungen einstellen lässt, zu denen u.a. die automatische und die manuelle Gangwahl gehören. Beide stellen deshalb nach dem Verständnis des Klagepatents „einstellbare Funktionsstellungen“ „für den Gangwechsel“ – und damit „Gangwechsel-Funktionseinstellungen“ - dar. Dass der Beschreibungstext über den Automatik- und den manuellen Betrieb zusätzlich weitere Funktionsstellungen in Form der neutralen Position des Gangwählhebels und der Rückwärtsfahrt benennt, hat keine Bedeutung, weil sich Patentanspruch 1 des Klagepatents damit begnügt, dass der Steuerhebel in mehrere, d.h. mindestens zwei Funktionsstellungen für den Gangwechsel einstellen lässt und es somit nicht darauf ankommt, sämtliche möglichen Funktionsstellungen abzudecken. Aus ihnen hat der Fachmann, weil sich Patentanspruch 1 des Klagepatents diesbezüglich nicht näher festlegt, vielmehr die freie Auswahl, solange eine Einstellbarkeit des Steuerhebels in zwei (= „mehrere“) Funktionsstellungen für den Gangwechsel gegeben ist.
96Ausgehend von dieser grundsätzlichen Wahl- und Einstellbarkeit für einen bestimmten Gangwechselmodus konkretisiert und erweitert Merkmal 3.1 die Funktionalität des erfindungsgemäßen Steuerhebels dahingehend, wie der Steuerhebel „in“ mindestens einer der einstellbaren Gangwechsel-Funktionsstellungen betätigbar sein soll. „In“ wenigstens einer für den Gangwechsel gewählten (= eingestellten) Funktionsstellung (z.B. im manuellen Schaltbetrieb) muss der Steuerhebel für die Vorwärtsfahrt betätigt werden können, um (dank der Betätigung des Steuerhebels) einen Gangwechsel stattfinden zu lassen.
97Der übrige Inhalt der Klagepatentschrift bestätigt das erläuterte Verständnis.
98So sieht Patentanspruch 5 einen Hebel (6) mit einem Abschnitt (13, 18) vor, der um die Längsachse des Hebels drehbar ist, um gewünschte Gangwechsel-Funktionsstellungen einzustellen. Dieser Abschnitt (13,18) soll schrittweise in mindestens eine Rückwärtsstellung, eine neutrale Stellung und in eine Fahrstellung gedreht werden können. Demnach handelt es sich bei der Rückwärtsstellung, der neutralen Stellung und der (einen) Fahrstellung um patentgemäße Gangwechsel-Funktionsstellungen. Da Patentanspruch 5 ausdrücklich von mindestens einer Rückwärtsstellung, einer neutralen Stellung und einer Fahrstellung spricht, ist allerdings klar, dass der Begriff „Gangwechsel-Funktionsstellungen“ durchaus weiter zu verstehen sein kann und es sich in Patentanspruch 5 um keine abschließende Aufzählung handelt.
99Auf der Suche nach dem richtigen Verständnis des Begriffes „Gangwechsel-Funktionsstellungen“ gelangt der Fachmann sodann zu Patentanspruch 12. Bei der dort beschriebenen Ausführungsform weist der soeben beschriebene Hebel (6) einen Endabschnitt (14) auf, der in Fahrstellung des Hebels nichtverriegelnd in Längsrichtung des Hebels einwärts in Richtung (15) zum Lenkrad bewegbar ist, um ein Umschalten zwischen den Funktionsstellungen für einen manuellen und einen automatischen Gangwechsel zu bewirken. Sowohl beim manuellen als auch beim automatischen Gangwechsel handelt es sich somit um Funktionsstellungen im Sinne des Klagepatents und damit möglicherweise auch um Gangwechsel-Funktionsstellungen, ohne dass jedoch Patentanspruch 12 den entsprechenden Begriff ausdrücklich verwendet.
100Auch wenn sich der Begriff „Gangwechsel-Funktionsstellungen“ in der Klagepatentbeschreibung nicht ausdrücklich findet, bietet diese für das richtige Verständnis des streitgegenständlichen Patentanspruchs gleichwohl Anhaltspunkte. Abgesehen vom bereits erörterten Absatz [0002] spricht Abs. [0023] von den „Rückwärts-, Neutral- und Fahrstellungen“, während Abs. [0025] sodann die Fahrprogramme „Rückwärts“, „Neutral“ und „Fahrt“ behandelt. Das Klagepatent differenziert mithin zwischen einerseits dem jeweiligen Fahrprogramm, d.h. demjenigen Programm, welches jeweils zum Einsatz kommt, und der damit korrespondierenden Fahrstellung, d.h. der jeweiligen Stellung der Steuereinrichtung, in den bevorzugten Ausführungsbeispielen also des Hebels bzw. eines Abschnitts des Hebels. Dabei kennt das Klagepatent jedoch nicht nur die in Abs. [0025] angesprochenen Fahrprogramme „Rückwärts“, „Neutral“ und „Manuell“. Vielmehr sprechen die Absätze [0028], [0030] f. und [0036] von den Fahrprogrammen „Rückwärts“, „Neutral“, „Manuell“ und „Automatisch“. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Klagepatent den Begriff „Fahrprogramm“ uneinheitlich verwendet. Vielmehr ist dem Fachmann klar, dass es sich bei dem Fahrprogramm „Fahrt“ letztlich nur um den Oberbegriff für die Fahrprogramme „Manuell“ und „Automatisch“ handelt, bei denen das Fahrzeug – anders als bei den anderen Fahrprogrammen – vorwärts fährt. Da die Fahrprogramme zugleich auch dadurch eingestellt werden, dass der Hebel in die jeweilige Stellung gebracht wird (vgl. Abs. [0030]), kennt das Klagepatent somit nicht nur vier Fahrprogramme, sondern auch vier Fahrstellungen und damit auch vier Gangwechsel-Funktionsstellungen, nämlich rückwärts, neutral, manuell und automatisch. Denn auch Unteranspruch 5 spricht – parallel zur Erläuterung der Fahrstellungen und Fahrprogramme in den Absätzen [0023] und [0025] der Klagepatentbeschreibung – im Zusammenhang mit den Gangwechsel-Funktionsstellungen von einer „Rückwärtsstellung“, einer „neutralen Stellung“ und einer „Fahrstellung“.
101Für eine Verwirklichung der durch Patentanspruch 1 beanspruchten technischen Lehre genügt es jedoch, dass die Steuereinrichtung in mehrere Gangwechsel-Funktionsstellungen einstellbar ist. Dementsprechend führt es aus dem Schutzbereich des Klagepatents nicht heraus, wenn einzelne Gangwechsel-Funktionsstellungen gar nicht oder nur mit einer weiteren Steuereinrichtung eingestellt werden können, solange es die betroffene Steuereinrichtung nur ermöglicht, zwischen mehreren und damit zwischen mindestens zwei der vorgenannten Gangwechsel-Funktionsstellungen zu wechseln. Auch dann sind die zwei Hauptfunktionen, nämlich die Gangwahl (also das Schalten) und die Möglichkeit der Betätigung der Retarderbremse, in einer Steuereinrichtung miteinander vereint, wodurch sich insbesondere die Sicherheit des Fahrens beim Gangwechsel erhöht (vgl. Abs. [0006] f.). Es wird also die Aufgabe des Klagepatents gelöst und eine multifunktionale Steuereinrichtung bereitgestellt, die nicht nur den Gangwählhebel und den Retarderhebel ersetzt und dadurch eine größere Fahrsicherheit und eine bessere Ergonomie für den Fahrer ergibt (vgl. Abs. [0005]), sondern mit der es zugleich möglich ist, zwischen zumindest zwei Gangwechsel-Funktionsstellungen hin und her zu schalten. Mehr verlangt der streitgegenständliche Patentanspruch nicht.
1022.
103Vor diesem Hintergrund ist das Landgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht.
104Dass es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um eine mit einem halbautomatischen Getriebe und mit einer zusätzlichen Retarderbremse verbindbare Steuereinrichtung handelt, die auch zur Betätigung des Getriebes und der Retarderbremse vorgesehen ist, steht zwischen den Parteien zu Recht nicht in Streit und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Wie die nachfolgend nochmals eingeblendete Abbildung näher verdeutlicht, ist es mit dem oberen Hebel nicht nur möglich, bei einer Vorwärtsfahrt zwischen den einzelnen Gängen zu schalten und die Retarderbremse zu betätigen. Vielmehr ermöglicht der am Ende des oberen Hebels angeordnete Druckknopf auch einen Wechsel zwischen einem manuellen und einem automatischen Modus und damit zwischen zwei Gangwechsel-Funktionsstellungen im Sinne des Klagepatents, wobei das Klagepatent in Absatz [0025] sogar klarstellt, dass es sich bei dem Umschalten von „manuell“ und „automatisch“ um den häufigsten Fahrprogrammwechsel (und damit verbunden auch um den wichtigsten Fall eines Wechsels zwischen zwei Gangwechsel-Funktionsstellungen) handelt.
105Auch bei der angegriffenen Ausführungsform sind somit in einem Hebel und damit in einer Steuereinrichtung alle wichtigen Funktionen, nämlich das Schalten zwischen den Gängen, die Möglichkeit der Betätigung der Retarderbremse und der Wechsel zwischen einem manuellen und einem automatischen Schaltmodus, miteinander vereint.
106Dass der Wechsel zwischen einer „Vorwärtsfahrt“, einer „Rückwärtsfahrt“ und dem Leerlauf („neutral“) durch den unteren Hebel erfolgt, führt demgegenüber aus dem Schutzbereich nicht heraus. Auch wenn es sich dabei ebenfalls um „Gangwechsel-Funktionsstellungen“ im Sinne des Klagepatents handelt, verlangt Patentanspruch 1 – wie im Rahmen der Auslegung des Klagepatents im Einzelnen ausgeführt – gerade nicht, dass über die beanspruchte Steuereinrichtung alle Gangwechsel-Funktionsstellungen einstellbar sein müssen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr die Einstellbarkeit mehrerer und damit von mindestens zwei derartigen Gangwechsel-Funktionsstellungen. Ob darüber hinausgehend weitere Gangwechsel-Funktionsstellungen gar nicht oder – falls erforderlich – über eine weitere Steuereinrichtung, wie hier den unteren Hebel, eingestellt werden können, stellt Patentanspruch 1 in das Belieben des Fachmanns. Weder dem streitgegenständlichen Patentanspruch noch der Klagepatentbeschreibung entnimmt der Fachmann einen Hinweis darauf, dass die Steuerung des Getriebes allein durch die beanspruchte Steuereinrichtung erfolgen muss.
107Entgegen der Auffassung der Beklagten führt es damit auch nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents heraus, dass der obere Hebel bei der angegriffenen Ausführungsform keine Funktionsstellung aufweist, in der das halbautomatische Getriebe in ein Fahrprogramm für eine Vorwärtsfahrt versetzt werden kann, so dass es zur Einstellung eines solchen Fahrprogramms zwingend der Betätigung des zweiten, unteren Hebels bedarf. Patentanspruch 1 verlangt lediglich, dass die Steuereinrichtung in mindestens einer Gangwechsel-Funktionsstellung für Vorwärtsfahrt betätigbar ist, damit ein Gangwechsel stattfindet. Die angegriffene Ausführungsform muss es mit anderen Worten ermöglichen, während einer Vorwärtsfahrt den Gang zu wechseln. Der streitgegenständliche Patentanspruch setzt somit das Vorhandensein einer Gangwechsel-Funktionsstellung für Vorwärtsfahrt voraus, stellt die Art und Weise, wie diese eingestellt wird, jedoch in das Belieben des Fachmanns. Die Gangwechsel-Funktionsstellung für Vorwärtsfahrt kann somit mit Hilfe der streitgegenständlichen Steuereinrichtung eingestellt werden, muss es aber nicht. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht die Verwirklichung von Merkmal 3.1 zu Recht damit begründet, dass die Steuereinrichtung bei der angegriffenen Ausführungsform in einer Gangwechsel-Funktionsstellung, nämlich der manuellen Funktionsstellung, für Vorwärtsfahrt derart betätigbar sei, dass das Getriebe durch Ziehen am oberen Hebel einen Gang hoch („UP:GEAR+“) und durch ein Drücken des Hebels einen Gang herunter („DN:GEAR-“) geschaltet werden kann.
1083.
109Die angegriffene Ausführungsform ist durch die Beklagte zu 2) auf der Messe „D Nutzfahrzeuge 2014“ im Sinne von Art. 64 EPÜ i.V.m. § 9 S. 2 Nr. 1 PatG angeboten worden. Dass auch die Beklagte zu 1), wie die Klägerin behauptet, die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland im Geltungszeitraum des Klagepatents angeboten hat, vermag der Senat auf der Grundlage des Vorbringens der Parteien nicht festzustellen.
110a)
111Das Anbieten ist nicht nur eine dem Herstellen, Inverkehrbringen, Gebrauchen, Einführen oder Besitzen vorausgehende Vorbereitungshandlung, sondern eine eigenständige Benutzungsart neben diesen Handlungen, die selbstständig zu beurteilen und für sich allein anspruchsbegründend ist (vgl. BGH, GRUR 2003, 1031 - Kupplung für optische Geräte; GRUR 2006, 927, 928 - Kunststoffbügel; GRUR 2007, 221, 222 - Simvastin; OLG Düsseldorf, GRUR 2004, 417, 419 - Cholesterinspiegelsenker; Urt. v. 20.12.2012 – Az. I-2 U 89/07, BeckRS 2013, 11856; Urt. v. 30.10.2014 – Az. I-2 U 3/14, BeckRS 2014, 21755). Der Begriff des Anbietens ist rein wirtschaftlich zu verstehen. Er umfasst jede im Inland begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert den Gegenstand der Nachfrage in äußerlich wahrnehmbarer Weise zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitstellt (BGH, GRUR 2006, 927 - Kunststoffbügel; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.02.2014, Az. I-2 U 42/13 = BeckRS 2014, 05732; Urt. v. 27.03.2014, Az.: I-15 U 19/14 = BeckRS 2014, 16067; Urt. v. 30.10.2014, Az.: I-2 U 3/14 = BeckRS 2014, 21755; OLG Karlsruhe, GRUR 2014, 59; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 8. Aufl., Abschnitt A, Rz. 208; Schulte/Rinken/Kühnen, Patentgesetz, 9. Aufl., § 9 Rz. 52). Es ist daher unerheblich, ob der Anbietende den Gegenstand selbst herstellt oder ob er ihn von dritter Seite bezieht (BGH, GRUR 2006, 927, 928 - Kunststoffbügel; Schulte/Rinken/Kühnen, Patentgesetz, 9. Auflage, § 9 Rz. 55). Nach geltendem Recht ist Voraussetzung für ein Anbieten grundsätzlich auch nicht das tatsächliche Bestehen einer Herstellungs- und/oder Lieferbereitschaft (BGH, GRUR 2003, 1031, 1032 - Kupplung für elektrische Geräte; OLG Düsseldorf, InstGE 2, 125 128 f. - Kamerakupplung II; Urt. v. 20. Dezember 2012, Az.: I-2 U 89/07 - Elektronenstrahl-Therapiergerät; OLG Karlsruhe, GRUR 2014, 59 - MP2-Geräte). Ebenso kommt es für eine Patentverletzung nicht darauf an, ob das Angebot Erfolg hat, es also nachfolgend zu einem Inverkehrbringen kommt (Senat, GRUR 2004, 417, 418 - Cholesterinspiegelsenker; Schulte/Rinken/Kühnen, a.a.O.).
112Daher ist das Ausstellen von Waren auf einer inländischen Fachmesse ein Anbieten im Sinne dieser Vorschrift, soweit es sich nicht ausnahmsweise um die Teilnahme an einer reinen Leistungsschau handelt (Kühnen, a.a.O., Rz. 215; Schulte/Rinken/Kühnen, a.a.O., § 9 Rz. 54). Der abweichenden Auffassung, der Patentinhaber müsse darlegen und ggf. beweisen, dass die Ware auf der Messe konkret zum Kauf angeboten worden sei, und die sogar beim Ausstellen eines Erzeugnisses auf einer inländischen Messe eine Erstbegehungsgefahr für ein Anbieten verneint (LG Mannheim, Urt. v. 29.10.2010 - Az.: 7 O 214/10 - Sauggreifer, InstGE 13, 11; für das Markenrecht: BGH, Urt. v. 22.04.2010 - Aktenzeichen I ZR 17/05 - Pralinenform II; GRUR 2015, 603 - Keksstangen), folgt der Senat nicht (ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.03.2014, Az.: I-15 U 19/14 = BeckRS 2014, 16067). Zweck des § 9 PatG ist es, dem Patentinhaber einerseits grundsätzlich alle wirtschaftlichen Vorteile zu sichern, die sich aus der Benutzung der patentierten Erfindung ergeben können, und ihm andererseits einen effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Daher ist nicht erforderlich, dass das Anbieten die Voraussetzungen eines rechtswirksamen und verbindlichen Vertragsangebotes im Sinne von § 145 BGB erfüllt. Ferner kommt es nicht darauf an, ob der Anbietende eigene oder fremde Geschäftsabschlüsse bezweckt und ob er bei einem Angebot zugunsten eines Dritten überhaupt von diesem beauftragt oder bevollmächtigt ist (BGH, GRUR 2006, 927 - Kunststoffbügel). Maßgeblich ist vielmehr nur, ob mit der fraglichen Handlung tatsächlich eine Nachfrage nach schutzrechtsverletzenden Gegenständen geweckt wird, die zu befriedigen mit dem Angebot in Aussicht gestellt wird (OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.02.2014 – Az.: I-2 U 42/13 = BeckRS 2014, 05732; Urt. v. 11.06.2015 – Az.: I-2 U 64/14 = GRUR-RS 2015, 18679 - Verbindungsstück). Davon ausgehend werden von einem „Anbieten“ im Sinne von § 9 PatG insbesondere auch vorbereitende Handlungen umfasst, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts über einen unter dem Schutz des Patents stehenden Gegenstand ermöglichen oder befördern sollen, das die Benutzung dieses Gegenstands einschließt. Es genügen daher auch Handlungen, die vertragsrechtlich als bloße Aufforderung zur Abgabe von Angeboten angesehen werden (BGH, GRUR 2003, 1031 - Kupplung für optische Geräte; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.03.2014, Az.: I-15 U 19/14 = BeckRS 2014, 16067; Urt. v. 30.10.2014, Az.: I-2 U 3/14), ohne dass es bereits einer Lieferbereitschaft oder -fähigkeit bedarf (OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.06.2015 – Az.: I-2 U 64/14 = GRUR-RS 2015, 18679 - Verbindungsstück). Es ist zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtschutzes somit nur von Belang, ob mit der fraglichen Handlung für einen schutzrechtsverletzenden Gegenstand tatsächlich eine Nachfrage geschaffen wird, die zu befriedigen mit dem Angebot in Aussicht gestellt wird (OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.06.2015, Az.: I-2 U 64/14 = GRUR-RS 2015, 18679 - Verbindungsstück).
113Genau dies geschieht jedoch regelmäßig auf einer Fachmesse: Die Aussteller verfolgen mit ihren Präsentationen den Zweck, Geschäftsbeziehungen mit interessierten Messebesuchern zu knüpfen und ihre Produkte zu verkaufen. Sie präsentieren ihre Produkte in der Erwartung, dass sie von den Messebesuchern nachgefragt werden. Das Ausstellen ist bestimmt und dazu geeignet, Interesse an den Produkten zu wecken und auf diese bezogene Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen, was für ein Anbieten gemäß § 9 PatG ausreicht (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.03.2014, Az.: I-15 U 19/14 = BeckRS 2014, 16067).
114b)
115Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte zu 2) die angegriffene Ausführungsform durch ihre gegenständliche Präsentation auf der Messe „D Nutzfahrzeuge 2014“, deren Charakter als eine der führenden Fach- und Verkaufsmessen für Nutzfahrzeuge keiner weiteren Erörterung bedarf (vgl. auch Anlage WKS 12), im Inland angeboten.
116Wie die nachfolgend eingeblendete Abbildung verdeutlicht, konnte der LKW „B“ auf dem Messestand der Beklagten zu 2) durch Besucher innen und außen besichtigt werden; eines zwingenden Verkaufsgesprächs mit einem der Mitarbeiter der Beklagten bedurfte es offenbar nicht. Anderweitiges behaupten auch die Beklagten nicht.
117Dass der auf der Messe ausgestellte LKW „B“ mit der bei der Besichtigung des Innenraums ohne Weiteres erkennbaren angegriffenen Steuereinrichtung ausgestattet war, haben die Beklagten nicht in Abrede gestellt. Nachdem die Beklagte zu 2) auch weder an dem ausgestellten LKW „B“ selbst noch auf dem in dessen unmittelbarer Nähe aufgestellten und sogar auf Deutsch verfassten Datenblatt deutlich darauf hingewiesen hat, dass dieser LKW nicht in der Bundesrepublik Deutschland erhältlich ist, hat sie bereits durch das bloße Ausstellen eine auch auf das Inland bezogene Nachfrage nach dem schutzrechtsverletzenden Gegenstand geweckt, die zu befriedigen in Aussicht gestellt wird. Der begleitenden Auslage von Prospektmaterialien, Preislisten sowie Ausstattungslisten bedurfte es hierfür nicht.
118Soweit die Beklagten demgegenüber auf die als Anlage CC 7 vorgelegte, einen Hinweis auf die fehlende Vermarktung in Europa enthaltende Pressemitteilung verweisen, rechtfertigt diese ebenso wenig eine andere Bewertung wie der nach dem Vorbringen der Beklagten in persönlichen Gesprächen stets gegebene Hinweis auf die fehlende Vermarktungsabsicht in Europa. Ohne einen in unmittelbarer Nähe des ausgestellten LKWs befindlichen und ohne Weiteres wahrnehmbaren (unübersehbaren) Hinweis auf die territorial beschränkte Verfügbarkeit des LKWs ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass Messebesucher, die auch keine Kenntnis von den im Vorfeld der Messe veröffentlichten Pressemitteilungen (vgl. Anlagen WKS 7 und WKS 8) und Berichten (vgl. Anlagenkonvolut CC 3) haben mussten, den LKW (einschließlich der angegriffenen Steuervorrichtung) auch ohne entsprechende Informationen besichtigt haben. Dies reicht für das Vorliegen eines Angebotes, erst recht, nachdem Fachmedien im Vorfeld der Messe teilweise auch über einen möglichen Vertrieb in Westeuropa (und damit auch in der Bundesrepublik Deutschland) berichtet hatten (vgl. Anlagen WKS 6, WKS 10 und WKS 11.2). Einer Vernehmung des durch die Beklagten angebotenen Zeugen bedurfte es dementsprechend nicht.
119c)
120Demgegenüber genügt das Vorbringen der Klägerin nicht, den Senat davon zu überzeugen, auch die Beklagte zu 1) habe die angegriffene Ausführungsform im Inland angeboten.
121Sie selbst hat den Messestand nicht betrieben (vgl. Ausstellerverzeichnis, Anlage CC 2). Es mag sein, dass sich auf dem Messestand der Beklagten zu 2) auch Mitarbeiter der Beklagten zu 1) befanden. Allein dies vermag eine Haftung der Beklagten zu 1), die in den als Anlagen WKS 7 und WKS 8 vorgelegten Pressemitteilungen auch ausdrücklich auf den Vertrieb des LKWs „B“ außerhalb Europas hingewiesen hat („…sowie das Modell „B“, ein schweres Nutzfahrzeug, das international außerhalb Europas vermarktet wird.“, Unterstreichung hinzugefügt), jedoch nicht zu begründen.
122Konkrete Hinweise darauf, dass Mitarbeiter der Beklagten zu 1) den LKW „B“ und damit auch die angegriffene Ausführungsform im persönlichen Gespräch angeboten hätten, sind trotz eines entsprechenden Hinweises des Senats weder vorgetragen noch ersichtlich. Die bloße Anwesenheit ihrer Mitarbeiter auf dem durch die Beklagte zu 2) betriebenen Messestand genügt nicht, um die Beklagte zu 1) als Mittäterin anzusehen. Eine solche Mittäterschaft erfordert eine gemeinschaftliche Begehung, also ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken bei der Herbeiführung der Verletzung (BGH, GRUR 2015, 467, 469 – Audiosignalcodierung; GRUR 2011, 152, 154 – Kinderhochstühle im Internet; GRUR 2012, 1279, 1282f. – DAS GROSSE RÄTSELHEFT m.w.N.; OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2015, 18679 – Verbindungsstück). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich. Einzig das bloße tatsächliche Ausstellen der angegriffenen Ausführungsform auf der Messe stellt hier ein Angebot im Sinne von Art. 64 EPÜ i.V.m. § 9 Nr. 1 PatG dar. Dass die Mitarbeiter der Beklagten zu 1) daran in irgendeiner Form mitgewirkt hätten, vermag der Senat anhand des Vorbringens der Klägerin nicht zu erkennen, so dass es bereits an einer gemeinschaftlich begangenen Verletzungshandlung fehlt. Zugleich scheidet auch eine Haftung der Beklagten zu 1) als Teilnehmerin i.S.v. § 830 Abs. 2 BGB aus. Es lässt sich nicht feststellen, dass die am Messestand lediglich anwesenden Mitarbeiter der Beklagten zu 1) die Patentbenutzung der Beklagten zu 2) zumindest ermöglicht oder gefördert haben (vgl. BGH, Mitt. 2002, 416 – Funkuhr). Weder ist behauptet, dass allein die Mitarbeiter der Beklagten zu 1) Sprachkenntnisse (deutsch, englisch) besessen haben, die ihr Tätigwerden im Kontakt mit Interessenten erforderlich gemacht hätten, noch ist ersichtlich, dass die Mitarbeiter der Beklagten zu 1) z.B. beim Aufbau oder beim „Betrieb“ des Messestandes in einer Weise nützlich gewesen sind, dass der Messeauftritt der Beklagten zu 2) von irgendwie anderer Qualität als ohne deren Wirkung erhalten hätte. Dazu wäre es notwendig gewesen zu wissen, welche Aufgaben von dem seitens der Beklagten zu 1) bereitgestellten Personal im Vorfeld und/oder während der Messe tatsächlich wahrgenommen worden sind. Die bloße Anwesenheit als solche besagt in dieser Hinsicht nichts rechtlich Relevantes.
123Die von der Beklagten zu 1) zu verantwortende Werbeankündigung vor der D 2014 (Anlagen WKS 7, 8) ändert daran nichts. Derjenige Besucher, dem diese Werbung zufällig bekannt gewesen ist, mag angesichts der Anwesenheit des Lkw „B“ auf dem Messestand in C zwar zu der Überzeugung gelangt sein, dass das besagte Fahrzeug – entgegen der anderslautenden Ankündigung – nun offenbar doch für den europäischen (und deutschen) Markt vorgesehen gewesen ist. Diesen Sinneswandel wird er aber ausschließlich der Beklagten zu 2) als Muttergesellschaft des A-Konzerns (und Messeausstellerin) zuschreiben. Irgendeine Einflussnahme und/oder Unterstützung durch die Beklagte zu 1) als der für den deutschen Vertrieb zuständigen Tochtergesellschaft hätte ihm allenfalls dann in den Sinn kommen können, wenn für ihn eine Beteiligung der Beklagten zu 1) an den – wie beschrieben – entfalteten Messeaktivitäten erkennbar gewesen wäre. Dafür besteht indessen kein Anhalt; insbesondere ist nicht geltend gemacht, dass deren Mitarbeiter (z.B. durch ihre Kleidung oder Ähnliches) als solche der Beklagten zu 1) identifizierbar und von dem Personal der Beklagten zu 2) unterscheidbar gewesen sind.
124Soweit sich die Klägerin auf einen in Deutschland zum Straßenverkehr zugelassenen LKW des angegriffenen Typs stützt, lassen die durch die Klägerin in diesem Zusammenhang als Anlagen WKS 16 und 17 vorgelegten Abbildungen bereits nicht erkennen, dass der dort gezeigte LKW tatsächlich mit einem – lediglich optionalen – halbautomatischen Getriebe und einer Retarderbremse ausgestattet ist. Dies haben die Beklagten zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten, § 138 Abs. 4 ZPO. Zwar sind – wie der Senat bereits im Einzelnen ausgeführt hat – weder das halbautomatische Getriebe noch die Retarderbremse Teil der beanspruchten Steuereinrichtung und damit nicht vom Schutzbereich des Patentanspruchs erfasst, so dass es für eine Verwirklichung der beanspruchten technischen Lehre ausreicht, dass die Steuereinrichtung derart mit dem halbautomatischen Getriebe und der zusätzlichen Retarderbremse verbindbar ist, dass diese jeweils durch die Steuereinrichtung betätigt werden können. Dass jedoch jeder LKW, gleich, ob er mit einem halbautomatischen Getriebe und einer Retarderbremse ausgestattet ist oder nicht, zumindest eine mit diesen Bauteilen verbindbare (beanspruchte) Steuereinrichtung aufweist, vermag der Senat nicht zu erkennen und wurde durch die Klägerin auch nicht behauptet.
125Letztlich kann die genaue technische Gestaltung des in den Anlagen WKS 16 und 17 gezeigten LKWs aber sogar dahinstehen. Auch wenn es sich bei der Beklagten zu 1) um die deutsche Vertriebstochter der Beklagten zu 2) handelt, ist weder hinreichend vorgetragen noch ersichtlich, dass gerade der in den Anlagen WKS 16 und 17 gezeigte LKW, bei dem es sich nach dem Vorbringen der Beklagten lediglich um ein von der J AG nach Deutschland verbrachtes Testfahrzeug handelt, tatsächlich von der Beklagten zu 1) in der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr gebracht oder vertrieben wurde.
126Die Klägerin war ihrer Verpflichtung zu eingehenderem Sachvortrag auch nicht nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast enthoben, weil die Beklagten zur technischen Ausgestaltung des in den Anlagen WKS 16 und WKS 17 gezeigten LKWs sowie zu den Umständen, wie dieser in die Bundesrepublik Deutschland gelangt sein soll, nicht mehr dargelegt haben. Eine solche sekundäre Darlegungslast besteht (nur und ausnahmsweise) dann, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der nicht beweisbelastete Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Solches ist vor allem anzunehmen, wenn die beweisbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und über keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen verfügt, während der Gegner in zumutbarer Weise nähere Angaben machen kann (vgl. BGH, GRUR 2004, 267 - Blasenfreie Gummibahn II; BGH, NJW 2005, 2395, 2397; BGH, NJW 2014, 3033; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.04.2016, Az.: I-15 U 49/15, BeckRS 2016, 11303; Urt. v. 09.08.2012, Az.: I-2 U 16/11; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 8. Aufl., Abschn. D, Rz. 137; Cepl/Voß/Nielen, ZPO, § 139 Rz. 29 und 32). Davon kann vorliegend keine Rede sein. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass den Beklagten hinsichtlich des im Internet zu sehenden LKWs, bei dem es sich unstreitig um ein Testfahrzeug der J AG handelt, weitreichendere Erkenntnisquellen zur Verfügung stehen als der Klägerin. Dies gilt umso mehr, da es sich nach dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bei der J AG sogar um eine ihrer Lizenznehmerinnen handelt.
1274.
128Dass die Beklagte zu 2) im Hinblick auf die vorstehend dargelegte Schutzrechtsverletzung zur Unterlassung, zur Auskunftserteilung und, weil sie das Klagepatent schuldhaft verletzt hat, auch zur Entschädigung und zum Schadenersatz verpflichtet ist und der Klägerin, um ihr eine Berechnung ihrer Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche zu ermöglichen, über den Umfang ihrer Benutzungs- und Verletzungshandlungen Rechnung zu legen hat, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt.
129Mangels einer Benutzungshandlung im Sinne von Art. 64 EPÜ i.V.m. § 9 PatG scheiden Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) demgegenüber von vornherein aus. Dies gilt entgegen der Auffassung der Klägerin insbesondere auch für den Rückrufanspruch (Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140a PatG), der bereits nach der Gesetzesformulierung an eine Benutzungshandlung i.S.d. §§ 9 bis 13 PatG anknüpft. Passivlegitimiert ist demnach auch insoweit lediglich der Verletzer (vgl. Benkard/Grabinski/Zülch, Patentgesetz, 11. Aufl., § 140a Rz. 12; Schulte/Voß/Kühnen, Patentgesetz, 9. Aufl.,§ 140a Rz. 28), nicht aber ein bloß unbeteiligter Dritter, der weder Täter noch Störer ist (vgl. Fitzner/Lutz/Bodewig/Rinken, 2. Aufl., § 140a Rz. 11).
130Unabhängig davon fehlt es für eine Verurteilung der Beklagten zu 1) zum Rückruf auch an konkreten Anhaltspunkten, dass die angegriffene Ausführungsform nach Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Klagepatents tatsächlich in der Bundesrepublik Deutschland in die Vertriebswege gebracht wurde; das bloße Angebot vermag einen Rückrufanspruch nicht zu begründen (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 8. Aufl., Abschnitt D Rz. 567). Hinsichtlich des gegen die Beklagte zu 1) geltend gemachten Vernichtungsanspruchs fehlt es schließlich an der schlüssigen Darlegung eines Inlandsbesitzes der Beklagten zu 1) im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (LG Düsseldorf, InstGE 13, 1 – Escitalopram-Besitz; Kühnen, a.a.O., Rz. 533f.). Zwar hat die Beklagte zu 1) ihren Sitz im Inland, so dass im Allgemeinen die Behauptung genügt, dass sie zu irgendeinem Zeitpunkt nach Erteilung des Patents im Besitz oder Eigentum schutzrechtsverletzender Gegenstände war, weil bereits damit der Vernichtungsanspruch entstanden ist (vgl. Kühnen, a.a.O., Rz. 534). Selbst dafür fehlt es vorliegend jedoch an Anhaltspunkten, nachdem sich nicht feststellen lässt, dass die angegriffene Ausführungsform nicht nur auf dem Messestand der Beklagten zu 2) präsentiert, sondern darüber hinaus auch bereits in die Bundesrepublik Deutschland geliefert worden ist.
1315.
132Zu einer Aussetzung der Verhandlung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens besteht keine Veranlassung (§ 148 ZPO).
133a)
134Wenn das Klagepatent mit einer Patentnichtigkeitsklage oder mit einem Einspruch angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (überwiegend) wahrscheinlich hält; andernfalls hat es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO auszusetzen, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Nichtigkeitsklage entschieden ist (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 - Kurznachrichten). Denn eine - vorläufig vollstreckbare - Verpflichtung des Beklagten zur Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung sowie Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse ist regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen werden wird. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit den Grundrechten folgende und damit verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch gebietet es, dem Verletzungsbeklagten wirkungsvollen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, wenn er sich gegen den Angriff aus dem Klagepatent mit einem Gegenangriff gegen den Rechtsbestand dieses Patents zur Wehr setzen will. Dies erfordert nicht nur eine effektive Möglichkeit, diesen Angriff selbst durch eine Klage auf Nichtigerklärung bzw. durch Erhebung eines Einspruchs führen zu können, sondern auch eine angemessene Berücksichtigung des Umstands, dass in diesem Angriff auch ein - und ggf. das einzige - Verteidigungsmittel gegen die Inanspruchnahme aus dem Patent liegen kann. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent anders als in anderen Rechtsordnungen nicht als Einwand im Verletzungsverfahren oder durch Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung geführt werden. Dies darf indessen nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent dem erhobenen Einspruch oder der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 - Kurznachrichten; OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.04.2016, Az.: I-2 U 79/13, BeckRS 2016, 11229).
135b)
136Davon kann vorliegend keine Rede sein.
137(1)
138In der DE 44 46 AAD A1 (D1) wird die technische Lehre des streitgegenständlichen Anspruchs weder neuheitsschädlich noch naheliegend offenbart. Soweit die Beklagten zur Begründung ihrer abweichenden Auffassung im Wesentlichen auf die nachfolgend eingeblendete Figur 1 abstellen, ist dort zwar ein Steuergerät (12) gezeigt, das verschiedene Servogeräte steuert und bestimmte Ausgangssignale erzeugt (vgl. D1, S. 2, Z. 57 – 67). Dass es sich bei diesem Steuergerät jedoch gleichwohl nicht um eine Steuereinrichtung im Sinne des streitgegenständlichen Patentanspruchs handeln kann, erschließt sich ohne Weiteres daraus, dass bei der gezeigten Anordnung nach wie vor ein Schalthebel (25) und ein davon getrennter Retarder-Handhebel (61) vorgesehen sind (Hervorhebungen hinzugefügt).
139Auch wenn Patentanspruch 1 – anders als die Unteransprüche – die genaue technische Gestaltung der Steuereinrichtung in das Belieben des Fachmanns stellt, so dass diese nicht nur als Hebel, sondern etwa auch als Knopf ausgebildet sein kann, ist der Begriff der Steuereinrichtung gleichwohl vor dem Hintergrund der Aufgabe des Klagepatents und der allgemeinen Patentbeschreibung auszulegen. Dem Klagepatent liegt die Aufgabe zugrunde, eine neue multifunktionale Steuereinrichtung zu schaffen, die sowohl den Gangwählhebel als auch den Retarderhebel ersetzt (vgl. Klagepatent, Abs. [0005]). Die Gangwahl und die Betätigung des Retarders sollen mit einer einzigen Steuereinrichtung erfolgen können (vgl. Klagepatent, Abs. [0006]). Unter Berücksichtigung der Klagepatentbeschreibung hat der Fachmann daher keinen Anlass, unter dem Begriff der Steuereinrichtung auch eine Gestaltung zu verstehen, bei der genau wie im Stand der Technik, von dem sich das Klagepatent abgrenzen will, nach wie vor ein separater Hebel für die Gangwahl und ein solcher für die Betätigung des Retarders vorgesehen sind, die nur über ein elektronisches Bauteil miteinander in Verbindung stehen. Sähe man dies anders, könnte das in der Entgegenhaltung gezeigte Steuergerät (12) jedenfalls nicht isoliert vom Schalthebel (25) und dem Retarder-Handhebel (61) gesehen werden. Auch in diesem Fall lägen deshalb zwei Steuereinrichtungen [Schalthebel (25) und Steuergerät (12) sowie Retarder-Handhebel (61) und Steuergerät (12)] vor. Für eine isolierte Einordnung des Steuergeräts (12) als klagepatentgemäße Steuervorrichtung fehlt es demgegenüber an Anknüpfungspunkten.
140(2)
141Auch die EP 0 875 AAE A1 (D2, Übersetzung DE 698 06 AAF T2 [D2a]) bietet für eine Aussetzung der Verhandlung keinen Anlass. Die Entgegenhaltung lehrt einen Knauf (11) für einen Gangschalt-/Gangwählhebel (20) eines Kraftfahrzeugs, wobei zu dem Knauf eine erste Gruppe von Schaltern (22) zur Betätigung eines Tempomats, eine zweite Gruppe von Schaltern (24) zur Steuerung des Aktivierungsmaßes einer Motorbremse und ein Übersetzungsbereichsschalter (26) gehören, der dazu dient, ein Getriebeübersetzungsverhältnis zu modifizieren. Wie die nachfolgend eingeblendeten Figuren 1 und 2a der Entgegenhaltung verdeutlichen, sind die erste (22) und die zweite (24) Gruppe von Schaltern ebenso wie der Übersetzungsbereichsschalter (26) auf einer einzigen, dem Fahrersitz zugewandten Seite des Knaufs angeordnet, um dem Fahrer eine Betätigung der Schalter entweder aus einer Handposition von oben her oder einer Handposition von der Seite her zu ermöglichen, ohne dass hierfür eine Verlagerung der Hand erforderlich ist.
142Auch wenn damit nicht nur ein Ganghebel, sondern auch eine Steuereinrichtung offenbart ist, mit der nicht nur ein Gangwechsel veranlasst, sondern auch der Retarder bedient werden kann, fehlt es an einer Offenbarung der Merkmalsgruppe 3. In der Entgegenhaltung findet sich kein Hinweis, dass über den Ganghebel auch mehrere Gangwechsel-Funktionsstellungen einstellbar sind. Entgegen der Auffassung der Beklagten vermag der Senat nicht zu erkennen, dass der Fachmann eine solche Funktion automatisch mitliest. Zwar kann durch eine Vorveröffentlichung auch dasjenige offenbart sein, was im Patentanspruch und in der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt, aus der Sicht des Fachmanns jedoch für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf, sondern „mitgelesen“ wird. Die Einbeziehung von Selbstverständlichem erlaubt jedoch keine – hier aber notwendige – Ergänzung der Offenbarung durch das Fachwissen, sondern dient lediglich der vollständigen Ermittlung des Sinngehalts, das heißt derjenigen technischen Information, die der fachkundige Leser der Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens entnimmt (BGH, GRUR 2014, 758 – Proteintrennung; BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 – Olanzapin).
143Unabhängig davon kommt eine Aussetzung auch nicht unter dem Gesichtspunkt fehlender erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ i. V. m. Art. 139 Abs. 1 lit. a EPÜ) in Betracht. Es mag sein, dass bei der Porsche-Tiptronic-Schaltung (vgl. Anlage CC 14) sowohl die Wahl des Fahrprogramms als auch die Einleitung eines Gangwechsels bei einer Gangwechsel-Funktionsstellung zum Fahren im Gangschalt-/Gangwählhebel integriert war. Zudem weisen die Beklagten zu Recht darauf hin, dass der D2/D2a die Aufgabe zugrunde liegt, einen Gangschalt-/Gangwählhebel zu schaffen, bei dem mehrere Funktionen in einem Hebel integriert sind, so dass Bewegungen der Hand im Wesentlichen entbehrlich sind und gleichzeitig die Bedienung vielfältiger Funktionen ohne Ablenkung der Aufmerksamkeit des Fahrers ermöglicht werden (vgl. D2a, S. 4, zweiter Absatz). Zur Lösung dieser Aufgabe wird in der Entgegenhaltung jedoch ein konkret gestalteter Ganghebel mit einem Knauf vorgeschlagen, welcher Knöpfe zur Betätigung des Tempomaten, der Motorbremse und einen Schalter für die Einstellung des Getriebeübersetzungsverhältnisses aufweist. Ein Hinweis darauf, dass es auch in Bezug auf eine ggf. erforderliche Einstellung von Gangwechsel-Funktionsstellungen einer besonders ergonomischen Anordnung der dafür erforderlichen Bedienelemente bedarf, findet sich in der Entgegenhaltung nicht. Der Fachmann hatte daher, ohne in eine unzulässige rückschauende Betrachtung (vgl. BGH, GRUR 1980, 100, 103 – Bodenkehrmaschine; BGH, GRUR 1981, 338 – Magnetfeldkompensation; BGH, GRUR 1989, 899, 902 – Sauerteig; BGH, Urt. v. 16.06.2015, X ZR 67/13, BeckRS 2015, 14874; Benkard/Asendorf/Schmidt, Patentgesetz, 11. Aufl., § 4 PatG Rz. 29 m.w.N.) zu verfallen, ausgehend von der eine in sich abgeschlossene Lösung offenbarenden D2/D2a keinen Anlass, diese mit der Porsche-Tiptronic-Schaltung zu kombinieren.
144(3)
145Vergleichbares gilt für die EP 0 607 AAG B1 (D4/ Übersetzung DE 0 607 AAG T2 [D4a]. Es kann dahinstehen, ob es tatsächlich, wie das Landgericht meint, an der Offenbarung der für Patentanspruch 1 lediglich erforderlichen Eignung der Steuereinrichtung zur Verbindung mit und zur Betätigung einer Retarderbremse fehlt, wie sie in Abs. [0003] der Klagepatentbeschreibung beschrieben ist. Jedenfalls mangelt es an einer Offenbarung der Merkmalsgruppe 3. In der Entgegenhaltung wird, wie die nachfolgend eingeblendete Figur 1 verdeutlicht, ein manuell betätigbarer Getriebeschalthebel offenbart, der ein Bremsschaltermittel (18) zum Ein- und Ausschalten eines Motorbremssystems trägt, wobei die Betriebsart des Motorbremssystems in seiner „Ein“-Stellung steuerbar ist.
146Zudem weist der Schalthebel (2) weitere Schalthebel (12, 14) auf, um ein Fahrgeschwindigkeitsregelsystem zu betätigen. Dafür, dass über diesen Ganghebel auch mehrere Gangwechsel-Funktionsstellungen einstellbar sein sollen, findet der Fachmann in der Entgegenhaltung keinen Hinweis. Soweit die Beklagten auch hier ergänzend auf die Porsche-Tiptronic-Schaltung abstellen wollen, gelten die diesbezüglichen Ausführungen zur Entgegenhaltung D2/D2a entsprechend. Es ist kein Anhaltspunkt ersichtlich, weshalb der Fachmann, ohne in eine rückschauende Betrachtung zu verfallen, die in der D4/D4a offenbarte, in sich geschlossene Lösung mit der Porsche-Tiptronic-Schaltung kombinieren sollte.
147(4)
148Soweit die Beklagten zur Begründung einer fehlenden erfinderischen Tätigkeit ergänzend auf die - entgegen der prozessleitenden Verfügung teilweise auch lediglich in englischer Sprache und ohne nachvollziehbare Erläuterung vorgelegte - WO 97/13AAH A1 (D5), DE 198 22 AAI A1 (D6) und die WO 96/32AAJ (D7) Bezug nehmen, ist bereits nicht ersichtlich, welchen Anlass der Fachmann haben sollte, die dort offenbarten Lösungen miteinander (oder ggf. mit der D2/D2a bzw. D4/D4a) zu kombinieren. Die D3 (DE 694 02 AAK T2) haben die Beklagten demgegenüber nur vorgelegt, um das Bestreben des Fachmanns zu dokumentieren, die Getriebe- und Retarderbremsen-Steuerfunktionen in einer gemeinsamen Steuervorrichtung in Gestalt eines Hebels zu dokumentieren.
149III.
150Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
151Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
152Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).
153X Y Z
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 06. Okt. 2016 - I-2 U 19/16
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 06. Okt. 2016 - I-2 U 19/16
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenOberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 06. Okt. 2016 - I-2 U 19/16 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.
Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung
- 1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen; - 2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten; - 3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsklägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
|
Entscheidungsgründe
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
|
Gründe
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
|
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin vertreibt eine Praline in Kugelform, die mit Nusssplittern und brauner Schokolade umhüllt ist. Die Praline verkauft die Klägerin in Goldfolie verpackt und in eine gold-braune Napfmanschette eingesetzt. Auf der Verpackungsfolie findet sich ein Aufkleber mit der Bezeichnung "Rocher". Mit dem Produkt erzielt die Klägerin seit 1996/97 Umsätze von mehr als 50 Mio. € im Jahr.
- 2
- Die Klägerin ist Inhaberin der nachfolgend abgebildeten farbigen (hellund dunkelbraun) dreidimensionalen Marke Nr. 397 35 468:
- 3
- Die Marke ist mit Priorität vom 26. Juli 1997 aufgrund Verkehrsdurchsetzung für die Ware Pralinen eingetragen. Ein von der Beklagten gegen die Marke eingeleitetes Löschungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Der Senat hat die Beschwerdeentscheidung des Bundespatentgerichts aufgehoben, mit der die Löschung der Marke angeordnet worden war (BGH, Beschl. v. 9.7.2009 - I ZB 88/07, GRUR 2010, 138 = WRP 2010, 260 - ROCHER-Kugel).
- 4
- Die Beklagte stellte auf der Süßwarenmesse 2002 in Köln die im Klageantrag abgebildete Praline " K. T. " aus. Diese ist im oberen Teil gerundet und hat eine glatte Standfläche. Die Praline ist außen von Nusssplittern und einer Schokoladenschicht überzogen. Die Folienverpackung der Praline ist in der Grundfarbe Rot sowie in einem Goldton im oberen Bereich gehalten und mit der Bezeichnung " K. T. " gekennzeichnet. Im Rahmen ihres Internetauftritts in türkischer Sprache zeigte die Beklagte eine Abbildung der unverpackten Praline.
- 5
- Die Klägerin hat die Beklagte wegen Verletzung ihres Markenrechts in Anspruch genommen und - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen,
a) es zu unterlassen, Haselnuss-Pralinen " K. T. " wie nächstehend wiedergegeben anzubieten und/oder zu bewerben und/oder in Verkehr zu bringen:
b) der Klägerin Auskunft zu erteilen, aa) welche Stück- und Betragsumsätze sie mit dem von Ziffer 1 a) erfassten Produkt in Deutschland getätigt und bb) welche Werbemaßnahmen einschließlich ihrer Auftritte im Internet sie in Deutschland für dieses Produkt getätigt hat; 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, den diese durch die in Ziffer 1 a) aufgeführten Verletzungshandlungen erlitten hat; 3. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das vorstehend unter 1 a) beantragte Verbot ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten anzudrohen.
- 6
- Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, ihre Pralinen würden ausschließlich in der Folienverpackung angeboten und in Verkehr gebracht. Durch die von der Kugelform abweichende Ausführung ihrer Pralinen und die unterschiedliche Verpackung werde eine Verwechslungsgefahr mit der Klagemarke ausgeschlossen.
- 7
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte im Wesentlichen nach den vorstehend wiedergegebenen Klageanträgen verurteilt. Es hat lediglich die Verurtei- lung zur Auskunftserteilung und die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung auf den Zeitraum seit Januar 2003 beschränkt.
- 8
- Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Der Senat hat das vorliegende Verfahren im Anschluss an die Löschungsanordnung des Bundespatentgerichts ausgesetzt. Nach Aufhebung der Entscheidung, mit der das Bundespatentgericht die Löschung der Klagemarke angeordnet hatte, hat der Senat die Fortsetzung der Verhandlung angeordnet.
Entscheidungsgründe:
- 9
- A. Das Berufungsgericht hat die Ansprüche aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 und 6 MarkenG, § 242 BGB bejaht und zur Begründung ausgeführt:
- 10
- Die Beklagte verwende die beanstandete Pralinenform im geschäftlichen Verkehr, auch wenn die Praline in einer undurchsichtigen Verpackung vertrieben werde. Die Beklagte habe die Praline im Rahmen ihres Internetauftritts unverpackt abgebildet. Den Verbrauchern, die die Praline der Beklagten schon einmal verzehrt hätten, sei die Pralinenform bei dem späteren Erwerb bekannt.
- 11
- Die Beklagte verwende die Pralinenform markenmäßig. Dem Durchschnittsverbraucher stelle sich die äußere Gestaltung der Praline der Beklagten als Kugelform dar. Die Abweichungen von der Kugelform riefen nur den Eindruck hervor, der Versuch, eine runde Form zu erreichen, sei nicht bei allen Exemplaren gelungen. Aufgrund der erheblichen Verkehrsbekanntheit der Mar- ke der Klägerin verbinde der Verkehr mit der äußeren Form der unverpackten Praline der Beklagten Herkunftsvorstellungen.
- 12
- Die Voraussetzungen der Verwechslungsgefahr nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG seien ebenfalls gegeben. Die als verkehrsdurchgesetzt eingetragene Marke verfüge über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Bei bestehender Warenidentität, durchschnittlicher Kennzeichnungskraft und normaler Zeichenähnlichkeit sei von einer Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auszugehen. Die Annexansprüche seien ebenfalls gegeben. Die Beklagte habe schuldhaft gehandelt. Die Ansprüche seien allerdings auf den Zeitpunkt der erstmaligen Verletzungshandlung zu beschränken.
- 13
- B. Die gegen diese Beurteilung des Berufungsgerichts gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit dieses zu Lasten der Beklagten entschieden hat.
- 14
- I. Die Revision ist zulässig.
- 15
- Das Berufungsgericht hat die Revision jedenfalls zugunsten der Beklagten zugelassen. Der Entscheidungssatz des Berufungsurteils enthält keine Beschränkung der Zulassung der Revision. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar anerkannt, dass sich eine Beschränkung der Zulassung der Revision auch aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (BGH, Urt. v. 16.9.2009 - VIII ZR 243/08, NJW 2010, 148 Tz. 11). Dies muss jedoch zweifelsfrei geschehen. Die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision reicht grundsätzlich nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung der Revision auszugehen (BGH, Urt. v. 18.12.2008 - I ZR 63/06, GRUR 2009, 515 Tz. 17 = WRP 2009, 445 - Motorradreiniger; Urt. v. 18.3.2010 - I ZR 158/07, GRUR 2010, 536 Tz. 17 = WRP 2010, 750 - Modulgerüst II).
- 16
- Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ergibt sich aus den Gründen des Berufungsurteils keine Beschränkung der Zulassung der Revision zu Lasten der Beklagten. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Frage des Schutzes einer Marke, die aus der Form einer unverpackten Praline bestehe, gegen eine undurchsichtig verpackte Praline, bei der im verpackten Zustand die Ähnlichkeit mit der Marke nicht erkennbar sei, noch nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung gewesen sei. Die Zulassungsfrage betrifft - jedenfalls auch - die vom Berufungsgericht zuerkannten markenrechtlichen Ansprüche der Klägerin, gegen die die Revision der Beklagten gerichtet ist.
- 17
- II. Die Revision ist auch begründet.
- 18
- 1. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG nicht bejaht werden.
- 19
- a) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass es als Verletzungsgericht an die Eintragung der Klagemarke gebunden ist. Die Marke steht nach wie vor in Kraft. Das gegen die Marke eingeleitete Löschungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Solange die Löschungsanordnung nicht rechtskräftig ist, besteht die Schutzrechtslage und damit die Bindung des Verletzungsrichters an die Eintragung der Marke unverändert fort (BGH, Urt. v. 5.6.2008 - I ZR 169/05, GRUR 2008, 798 Tz. 14 = WRP 2008, 1202 - POST I).
- 20
- b) Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte die angegriffene Form der unverpackten Praline im geschäftlichen Verkehr in der Werbung benutzt hat. Ein Zeichen wird im geschäftlichen Verkehr benutzt, wenn die Verwendung im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten gewerblichen Tätigkeit und nicht im privaten Bereich erfolgt (vgl. EuGH, Urt. v. 23.3.2010 - C-236-238/08, GRUR 2010, 445 Tz. 50 - Google/Vuitton; BGH, Urt. v. 4.12.2008 - I ZR 3/06, GRUR 2009, 871 Tz. 23 = WRP 2009, 967 - Ohrclips). Davon ist vorliegend schon deshalb auszugehen , weil die Beklagte ihre Praline auf einer Süßwarenmesse in Köln ausgestellt und die beanstandete Produktform damit im Inland im Rahmen ihrer kommerziellen Tätigkeit benutzt hat. Die Beklagte hat dadurch die beanstandete Praline im Inland beworben. Auf die Frage, ob die Beklagte die Praline auf dieser Messe in verpacktem oder unverpacktem Zustand ausgestellt hat, kommt es nicht an. Auch wenn die Beklagte die Praline in verpacktem Zustand dargeboten hat, ist damit auch die in der Verpackung enthaltene Praline Gegenstand der Werbung geworden. Ob darüber hinaus - wie das Berufungsgericht angenommen und die Revision als rechtsfehlerhaft beanstandet hat - auch der Internetauftritt der Beklagten in türkischer Sprache unter einer türkischen Top-Level-Domain ein Handeln im geschäftlichen Verkehr im Inland begründet, kann danach offenbleiben.
- 21
- c) Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch dagegen, dass das Berufungsgericht der Beklagten verboten hat, die Pralinen " K. T. " anzubieten oder in Verkehr zu bringen.
- 22
- aa) Ein auf Wiederholungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch scheidet aus, weil das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen dazu getroffen hat, dass die Beklagte die beanstandeten Pralinen im Inland angeboten oder in Verkehr gebracht hat. Zwar ist das Anbieten i.S. des § 14 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG in einem wirtschaftlichen Sinn zu verstehen; Werbemaßnahmen, bei denen zum Erwerb der beworbenen Produkte aufgefordert wird, können die Anforderungen an das Anbieten erfüllen (vgl. zu § 17 Abs. 1 UrhG BGHZ 171, 151 Tz. 27 - Wagenfeld-Leuchte; zu § 14 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht , § 14 MarkenG Rdn. 468). Das Berufungsgericht hat jedoch nicht festgestellt , dass die Beklagte auf der Süßwarenmesse in Köln oder im Rahmen ihres Internetauftritts zum Erwerb der Pralinen im Inland aufgefordert hat. Auch ein Inverkehrbringen der Pralinen im Inland hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
- 23
- bb) Ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter vorbeugender Unterlassungsanspruch kommt auf der Grundlage der bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht in Betracht. Dieser setzt ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür voraus, der Anspruchsgegner werde sich in naher Zukunft rechtswidrig verhalten. Dabei muss sich die Erstbegehungsgefahr auf eine konkrete Verletzungshandlung beziehen. Die die Erstbegehungsgefahr begründenden Umstände müssen die drohende Verletzungshandlung so konkret abzeichnen, dass sich für alle Tatbestandsmerkmale zuverlässig beurteilen lässt, ob sie verwirklicht sind (vgl. BGH, Urt. v. 13.3.2008 - I ZR 151/05, GRUR 2008, 912 Tz. 17 = WRP 2008, 1353 - Metrosex; Urt. v. 29.10.2009 - I ZR 180/07 Tz. 25 - Stumme Verkäufer II). Davon kann im Streitfall jedoch nicht ausgegangen werden. Das Berufungsgericht hat keine Anhaltspunkte dafür festgestellt, die Beklagte werde in naher Zukunft die beanstandeten Pralinen im Inland anbieten oder in Verkehr bringen. Das Berufungsurteil kann daher hinsichtlich des Verbots des Anbietens und des Inverkehrbringens nicht aufrechterhalten werden. Das Berufungsgericht wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren die erforderlichen Feststellungen dazu zu treffen ha- ben, ob eine Begehungsgefahr für ein Anbieten oder Inverkehrbringen im Inland vorliegt.
- 24
- d) Die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung kann - ungeachtet der bislang fehlenden Feststellungen zu einer Begehungsgefahr für ein Anbieten und Inverkehrbringen der Pralinen im Inland - hinsichtlich sämtlicher beanstandeten Verhaltensweisen (Anbieten, Bewerben, Inverkehrbringen) nicht aufrechterhalten werden. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Form der " K. T. "-Praline markenmäßig verwandt, ist ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern.
- 25
- aa) Eine Verletzungshandlung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn die angegriffene Bezeichnung markenmäßig verwendet wird. Eine markenmäßige Benutzung oder - was dem entspricht - eine Verwendung als Marke setzt voraus, dass die Bezeichnung im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer dient (vgl. EuGH, Urt. v. 12.11.2002 - C-206/01, Slg. 2002, I-10273 = GRUR 2003, 55 Tz. 51 ff. - Arsenal Football Club; BGH, Urt. v. 30.4.2008 - I ZR 123/05, GRUR 2008, 793 Tz. 16 = WRP 2008, 1196 - Rillenkoffer). Die Rechte aus der Marke nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, dessen Anwendung das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr voraussetzt, sind daher auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen die Benutzung des Zeichens durch einen Dritten die Hauptfunktion, das heißt die Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung gegenüber dem Verbraucher, beeinträchtigt oder immerhin beeinträchtigen könnte (zu Art. 5 Abs. 1 lit. b MarkenRL EuGH, Urt. v. 12.6.2008 - C-533/06, Slg. 2008, I-4231 = GRUR 2008, 698 Tz. 57 - O2/Hutchison; Urt. v. 18.6.2009 - C-487/07, GRUR 2009, 756 Tz. 59 = WRP 2009, 930 - L'Oréal/ Bellure; zu § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG BGHZ 171, 89 Tz. 22 - Pralinenform I; BGH, Urt. v. 5.2.2009 - I ZR 167/06, GRUR 2009, 484 Tz. 60 = WRP 2009, 616 - METROBUS).
- 26
- bb) Die Beurteilung, ob der Verkehr eine Bezeichnung als Herkunftshinweis versteht, obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter (BGH, Urt. v. 3.2.2005 - I ZR 45/03, GRUR 2005, 414, 415 = WRP 2005, 610 - Russisches Schaumgebäck ). Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte verwende die beanstandete Pralinenform markenmäßig, hält der rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht stand.
- 27
- (1) Das Berufungsgericht hat bei der Annahme, die beanstandete Pralinenform werde markenmäßig benutzt, auch darauf abgestellt, dass die Klagemarke eingetragen ist. Es hat daraus gefolgert, damit stehe für das Verletzungsverfahren bindend fest, dass die besondere äußere Form der unverpackten Praline Herkunftsfunktion aufweise. Dem kann nicht beigetreten werden.
- 28
- Nach der Senatsrechtsprechung folgt aus der Bindung des Verletzungsrichters an die Eintragung der Klagemarke nicht, dass eine mit der geschützten Klagemarke identische Bezeichnung oder Gestaltung in der konkreten Verletzungsform vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden wird (vgl. BGH GRUR 2005, 414, 416 - Russisches Schaumgebäck; Bergmann, GRUR 2006, 793, 796). Wie der Senat in einem mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbaren Fall entschieden hat, in dem die Klägerin aus derselben Marke gegen eine Pralinenform vorgegangen ist, kann aus der Eintragung der Klagemarke nicht auf eine Funktion der beanstandeten Form als Herkunftshinweis geschlossen werden (vgl. BGHZ 171, 89 Tz. 24 - Pralinenform I).
- 29
- (2) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die beanstandete Pralinenform herkunftshinweisend und damit markenmäßig be- nutzt sein kann, obwohl sie für den Verkehr nicht bereits im Zeitpunkt der Kaufentscheidung wahrnehmbar ist. Die Marke entfaltet ihre Herkunftsfunktion auch gegenüber denen, die das gekennzeichnete Produkt bestimmungsgemäß verwenden. Das aus der Eintragung folgende Markenrecht kann deshalb auch gegen verwechslungsfähige Zeichen, die erst im Stadium des Verbrauchs der Ware wahrgenommen werden, zu schützen sein (vgl. EuGH, Urt. v. 12.1.2006 - C-361/04 P, Slg. 2006, I-643 = GRUR 2006, 237 Tz. 46 - PICASSO/PICARO; Urt. v. 22.6.2006 - C-24/05 P, Slg. 2006, I-5677 = GRUR Int. 2006, 842 Tz. 71 - Storck/HABM; BGHZ 164, 139, 147 f. - Dentale Abformmasse; 171, 89 Tz. 25 - Pralinenform I).
- 30
- (3) Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung, ob die Beklagte die angegriffene Pralinenform markenmäßig benutzt, zutreffend auf das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers abgestellt. Es hat jedoch nicht berücksichtigt , dass der Verkehr nach der Lebenserfahrung die Formgestaltung einer Ware regelmäßig nicht in gleicher Weise wie Wort- und Bildmarken als Herkunftshinweis auffasst, weil es bei der Warenform zunächst um eine funktionelle und ästhetische Ausgestaltung der Ware selbst geht. Auch eine besondere Gestaltung der Ware selbst wird danach eher diesem Umstand zugeschrieben werden als der Absicht, auf die Herkunft der Ware hinzuweisen (vgl. BGHZ 153, 131, 140 - Abschlussstück; 171, 89 Tz. 26 - Pralinenform I).
- 31
- Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass im Warenbereich der Pralinen Abweichendes gilt, insbesondere dass sich in diesem Bereich eine dem Verkehr bekannte Gewohnheit entwickelt hat, die Form der Waren herkunftshinweisend zu gestalten (vgl. BGH GRUR 2005, 414, 416 - Russisches Schaumgebäck; GRUR 2010, 138 Tz. 26 f. - ROCHER-Kugel). Es hat auch keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Form der von der Beklagten vertriebenen Praline in irgendeiner Weise erheblich vom Branchenüblichen abweicht und ihr aus diesem Grund eine herkunftshinweisende Funktion beigemessen werden kann (vgl. EuGH GRUR Int. 2006, 842 Tz. 25 f. - Storck/HABM).
- 32
- Bei der Beurteilung, ob die Beklagte die beanstandete Pralinenform markenmäßig benutzt, sind zudem die Umstände zu berücksichtigen, unter denen die Verbraucher diese Form wahrnehmen. Die Beklagte bietet ihre Praline nur in verpackter Form unter eigenem Kennzeichen zum Verkauf an. Der Verbraucher hat deshalb in aller Regel nur in der kurzen Zeit zwischen Auspacken und Verzehr der Praline Gelegenheit, die Pralinenform als solche wahrzunehmen. Unter solchen Umständen liegt es im Allgemeinen nicht nahe anzunehmen, dass der Verbraucher allein der Erscheinungsform der Ware - unabhängig von deren Verpackung, Bezeichnung und Bewerbung - einen Herkunftshinweis entnimmt (vgl. BGHZ 164, 139, 148 - Dentale Abformmasse; 171, 89 Tz. 29 - Pralinenform I).
- 33
- (4) Bei seiner Beurteilung, ob die Beklagte die beanstandete Pralinenform markenmäßig benutzt, hat das Berufungsgericht allerdings zutreffend geprüft , welche Kennzeichnungskraft die Klagemarke erreicht hat. Denn der Grad der Kennzeichnungskraft einer dreidimensionalen Marke hat Auswirkungen darauf , ob der Verkehr dieser Form einen Herkunftshinweis entnimmt, wenn er ihr als Form einer Ware begegnet (vgl. dazu auch BGHZ 156, 126, 137 f. - Farbmarkenverletzung I; BGH, Urt. v. 7.10.2004 - I ZR 91/02, GRUR 2005, 427, 428 f. = WRP 2005, 616 - Lila-Schokolade). Ungeachtet der Bedenken, die gegen die Fragestellung der von der Klägerin vorgelegten GfK-Umfrage bestehen könnten (vgl. dazu die Entscheidungen BGHZ 171, 89 Tz. 37 - Pralinenform I und BGH GRUR 2010, 138 Tz. 49 ff. - ROCHER-Kugel, in denen es um dieselbe GfK-Umfrage geht), kann deren Ergebnis ein wesentlicher Hinweis auf die Kennzeichnungskraft der Klagemarke zu entnehmen sein. Dies gilt umso mehr, als sich die Umfrage gerade auf die Benutzung der als Marke geschützten Form als Warenform bezogen hat.
- 34
- In diesem Zusammenhang wendet sich die Revisionserwiderung zu Recht dagegen, dass das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Frage, ob die Kennzeichnungskraft der aufgrund Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Klagemarke gesteigert ist, allein auf diejenigen Verkehrskreise abgestellt hat, die den Hersteller der durch die Klagemarke abgebildeten Pralinenform zutreffend angegeben haben. Bei der Feststellung des Umfangs der Kennzeichnungskraft sind auch diejenigen Verkehrskreise zu berücksichtigen, die die Klagemarke zwar als Hinweis auf ein Unternehmen auffassen, es aber keinem namentlich bestimmten Unternehmen zuordnen (vgl. BGH, Urt. v. 20.9.2007 - I ZR 6/05, GRUR 2007, 1071 Tz. 30 = WRP 2007, 1461 - Kinder II; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 14 MarkenG Rdn. 214; Hacker in Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8 Rdn. 397; allgemein Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 14 Rdn. 358).
- 35
- (5) Das Berufungsgericht hat weiterhin dem Umstand keine ausreichende Bedeutung beigemessen, dass sich die vorgelegte GfK-Umfrage nur auf die Frage bezogen hat, ob der Verkehr einer Pralinenform, die der Klagemarke genau entspricht, einen Herkunftshinweis entnimmt. Die beanstandete Pralinenform weicht von dieser Form nicht unerheblich ab. Das Berufungsgericht ist zwar davon ausgegangen, die beanstandete Pralinenform unterscheide sich nur geringfügig von einer Kugelform. Dem Durchschnittsverbraucher werde diese Abweichung kaum auffallen. Diese Annahme erweist sich jedoch als erfahrungswidrig. Die im Rechtsstreit vorgelegten Pralinen der Beklagten haben unübersehbar eine glatte Bodenfläche. Diese Abweichung von der Kugelform ist zwar bei der im Klageantrag abgebildeten Praline nicht mit derselben Deutlichkeit zu erkennen, weil diese Praline schräg von oben aufgenommen worden ist.
- 36
- e) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, zwischen der Klagemarke und der beanstandeten Pralinenform bestehe Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, beruht ebenfalls auf Rechtsfehlern.
- 37
- aa) Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Frage der Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist und eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren besteht, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 29.7.2009 - I ZR 102/07, GRUR 2010, 235 Tz. 15 = WRP 2010, 381 - AIDA/ AIDU).
- 38
- bb) Das Berufungsgericht hat auch zu Recht eine Warenidentität angenommen.
- 39
- cc) Den Grad der Kennzeichnungskraft der Klagemarke wird das Berufungsgericht jedoch erneut zu prüfen haben.
- 40
- (1) Die Eintragung einer Marke als durchgesetztes Zeichen bedeutet nicht, dass der Marke im Verletzungsverfahren in jedem Fall zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft beizumessen ist. Die Bindung des Verletzungsrichters an die Eintragung der Marke hat nur zur Folge, dass er der Marke nicht jeglichen Schutz versagen darf. Dementsprechend hat der Verletzungsrichter den Grad der Kennzeichnungskraft im Verletzungsverfahren selbständig zu bestimmen. Dies gilt auch für Marken, die aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen sind. Allerdings wird bei diesen regelmäßig von einer mindestens durchschnittlichen Kennzeichnungskraft ausgegangen werden können (vgl. BGHZ 171, 89 Tz. 35 - Pralinenform I). Diese Maßstäbe hat auch das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Die Begründung, mit der es eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft angenommen hat, hält jedoch nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.
- 41
- (2) Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, die Marke sei an sich schutzunfähig, weil die äußere Gestaltung der Warenform i.S. von § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG technisch bedingt sei. Deshalb sei der Schutzbereich der Klagemarke im Verletzungsverfahren an der untersten Grenze anzusiedeln.
- 42
- Der Senat hat die Frage, ob die Klagemarke ausschließlich aus einer Form besteht, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist, bereits im Löschungsverfahren verneint (vgl. BGH GRUR 2010, 138 Tz. 16 ff.
- 43
- Anders als die Revision meint, ist von einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft auch nicht deshalb auszugehen, weil nur 23,5% der angesprochenen Verkehrskreise die Klägerin als Markeninhaberin namentlich bezeichnen konnten. Für die Beurteilung der Kennzeichnungskraft ist nicht erforderlich , dass das angesprochene Publikum den Markeninhaber namentlich angeben kann. Außer Betracht zu lassen sind lediglich diejenigen Teile des Verkehrs , die das Zeichen einem anderen, ausdrücklich benannten Unternehmen zuordnen (vgl. BGH GRUR 2010, 138 Tz. 53 - ROCHER-Kugel).
- 44
- Schließlich sind von dem Ergebnis des vom Berufungsgericht für die Beurteilung der Kennzeichnungskraft herangezogenen GfK-Gutachtens von Juli 1997 - anders als die Revision meint - nicht deshalb Abzüge zu Lasten der Klägerin vorzunehmen, weil sie nach Darstellung der Beklagten zu diesem Zeitpunkt die einzige Anbieterin einer kugelförmigen Haselnusspraline gewesen ist. Aus diesem Umstand ergibt sich im Streitfall kein Anhaltspunkt dafür, dass die Zuordnung der Klagemarke nur zu einem bestimmten Unternehmen nicht auf der Verwendung der Pralinenform als Marke beruhte.
- 45
- (3) Gegen die Fragestellung des GfK-Gutachtens von Juli 1997 bestehen jedoch Bedenken, die der Senat bereits in der Entscheidung "Pralinenform I" (BGHZ 171, 89 Tz. 37) angeführt hat. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung zudem rechtsfehlerhaft das Ergebnis des Gutachtens der an Pralinen interessierten Verkehrskreise zugrunde gelegt, wonach 83,8% der beteiligten Verkehrskreise der Auffassung waren, die Praline stamme aus einem bestimmten Unternehmen. Da Pralinen zu den Waren des Massenkonsums gehören , ist jedoch auf die Gesamtzahl aller Befragten abzustellen. Von diesen ken- nen 72,9% die der Klagemarke entsprechende Pralinenform und ordnen 74,4% sie einem bestimmten Unternehmen zu. Von diesem Wert hatte das Bundespatentgericht aufgrund methodischer Mängel des Gutachtens im Löschungsverfahren Abzüge vorgenommen und war von einem Kennzeichnungsgrad von 66,5% ausgegangen, von dem es weitere Abzüge aufgrund einer Fehlertoleranztabelle vorgenommen hatte (vgl. BGH GRUR 2010, 138 Tz. 49 ff. - ROCHER-Kugel). Andererseits darf bei der Feststellung der Kennzeichnungskraft nicht zu Lasten der Klägerin berücksichtigt werden, dass ein erheblicher Teil des Publikums das Unternehmen der Klägerin nicht namentlich benannt hat (dazu B II 1 d bb (4)).
- 46
- dd) Auch die Zeichenähnlichkeit wird das Berufungsgericht erneut zu beurteilen haben. Denn es ist nicht auszuschließen, dass es der geraden Bodenfläche der angegriffenen Pralinenform für die Frage der Unterschiedlichkeit der kollidierenden Zeichen eine zu geringe Bedeutung beigemessen hat (dazu B II 1 d bb (5)).
- 47
- 2. Die Verurteilung nach den Annexanträgen auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung kann ebenfalls keinen Bestand haben, da das Berufungsgericht eine Verletzung des Markenrechts der Klägerin nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat.
- 48
- C. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Koch Schaffert
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 18.03.2004 - 84 O 46/03 -
OLG Köln, Entscheidung vom 10.12.2004 - 6 U 83/04 -
Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung
- 1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen; - 2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten; - 3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.
Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung
- 1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen; - 2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten; - 3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.
(2) Anstifter und Gehilfen stehen Mittätern gleich.
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung
- 1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen; - 2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten; - 3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf Vernichtung der im Besitz oder Eigentum des Verletzers befindlichen Erzeugnisse, die Gegenstand des Patents sind, in Anspruch genommen werden. Satz 1 ist auch anzuwenden, wenn es sich um Erzeugnisse handelt, die durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellt worden sind.
(2) Absatz 1 ist entsprechend auf die im Eigentum des Verletzers stehenden Materialien und Geräte anzuwenden, die vorwiegend zur Herstellung dieser Erzeugnisse gedient haben.
(3) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf Rückruf der Erzeugnisse, die Gegenstand des Patents sind, oder auf deren endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen in Anspruch genommen werden. Satz 1 ist auch anzuwenden, wenn es sich um Erzeugnisse handelt, die durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellt worden sind.
(4) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 sind ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind auch die berechtigten Interessen Dritter zu berücksichtigen.
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents
- 1
- 1 102 682 (Streitpatents), das - unter Inanspruchnahme einer niederländischen Prioritätsanmeldung vom 29. Juli 1998 - am 28. Juli 1999 angemeldet wurde. Das Streitpatent umfasst achtzehn Patentansprüche, von denen die Patentansprüche 1, 13 und 16 bis 18 in der Verfahrenssprache folgenden Wortlaut haben : "1. A transfer paper suitable for inkjet printing, provided, at least on the side to be printed, with a release or barrier layer, wherein the layer has a porosity of at most 100 mI/min.
- 3
- Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent in der erteilten Fassung und mit zuletzt sieben Hilfsanträgen verteidigt.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. I. Das Streitpatent betrifft ein Übertragungspapier für Tintenstrahl5 drucker sowie Verfahren für die Herstellung und das Bedrucken eines solchen Papiers, dessen Verwendung zum Bedrucken mit einem Tintenstrahldrucker und ein Verfahren zum Bedrucken einer Oberfläche. Nach den Erläuterungen in der Streitpatentschrift wird Übertragungspa6 pier für das Bedrucken von Textilien oder polyesterbeschichtetem Material verwendet (Abs. 2). Es sei bekannt gewesen, auf die zu bedruckende Seite des Papiers eine Löse- oder Sperrschicht aufzubringen, um die Übertragung des Farbstoffs auf das Substrat zu verbessern (Abs. 3). Eine Sperrschicht verhindere ein zu tiefes Eindringen der Farbstoffe der Tinte in das Papier, eine Löseschicht verbessere die Abgabe des Farbstoffs beim Übertragungsvorgang. Löse - und Sperrfunktion könnten durch das gleiche Material erreicht werden. Geeignet seien insbesondere im Fall von Tinten auf Wasserbasis hydrophile Polymere wie Carboxymethylcellulose (Abs. 4). Es sei bekannt gewesen, das Übertragungspapier mittels Tintenstrahl7 druckers mit einer digital erstellten Vorlage kontaktfrei zu bedrucken. Gegenüber Kontaktdruckverfahren habe diese Technik den Vorteil, dass keine Druckformen , wie Templates oder Siebe, verwendet werden müssen (Rn. 12). Beim Tintenstrahldruck werde jedoch eine dünnflüssige Tinte verwendet, was beim Bedrucken von bekannten Arten von Übertragungspapier zu einem Ineinanderlaufen der Tinte führen könne, so dass nur eine geringere Schärfe und ein reduzierter Farbkontrast im Vergleich zu anderen Druckverfahren erreicht werde (Abs. 20, 24).
- 8
- Dem Streitpatent liegt vor diesem Hintergrund das Problem zugrunde, ein Übertragungspapier zu entwickeln, das für den Tintenstrahldruck geeignet ist und über eine hohe Übertragungswirkung verfügt. Das soll nach Patentanspruch 1 durch folgende Merkmalskombination
- 9
- erreicht werden: 1.1 Übertragungspapier 1.2 für Tintenstrahldruck, 1.3 das zumindest auf der zu bedruckenden Seite mit einer Löse - oder Sperrschicht ("release- or barrier layer") versehen ist, 1.4 wobei die Schicht eine Porosität von höchstens 100 mI/min aufweist;
- 10
- Patentanspruch 13 schlägt folgendes Herstellungsverfahren vor: 13.1 Verfahren zur Herstellung des streitpatentgemäßen Übertragungspapiers zum Tintenstrahldrucken, bei dem 13.2 auf die zu bedruckende Seite 13.3 eine Löse- oder Sperrschicht mittels eines Beschichtungsverfahrens aufgebracht wird, 13.4 wobei zuerst ein Überschuss an Sperrmaterial aufgebracht und 13.5 dieser anschließend mit einem Wischrakel (Rakelklinge) oder einem Rollenrakel abgewischt wird;
- 11
- Nach Patentanspruch 16 ist ein Bedruckungsverfahren vorgesehen: 16.1 Verfahren zum Bedrucken des streitpatentgemäßen Übertragungspapiers , bei dem 16.2 das Papier mittels eines Tintenstrahldruckers 16.3 mit einer wässrigen Tinte, 16.4 die eine Dispersion sublimierbarer Farben enthält, bedruckt wird;
- 12
- Patentanspruch 17 stellt folgende Verwendung unter Schutz: 17.1 Verwendung des streitpatentgemäßen Übertragungspapiers 17.2 zum Bedrucken durch einen Tintenstrahldrucker;
- 13
- Patentanspruch 18 schlägt ein Bedruckungsverfahren für eine Oberfläche vor: 18.1 Verfahren zum Bedrucken einer Oberfläche, bei dem 18.2 mit einem Tintenstrahldrucker ein Muster 18.3 auf einem von Papier verschiedenen Trägermaterial gebildet wird, 18.4 das eine Löse- oder Sperrschicht 18.5 mit einer Porosität von höchstens 100 mI/min, aufweist, und 18.6 bei dem das Muster anschließend durch Übertragung auf der Oberfläche vorgesehen wird.
- 14
- Nach der zur Auslegung der Patentansprüche mit heranzuziehenden Beschreibung ist unter einer Sperrschicht ("barrier layer") eine Schicht zu verstehen , die verhindert, dass die Farbstoffe der Tinte zu tief in das Übertragungspapier eindringen, und unter einer Löseschicht ("release layer") eine Schicht, die sicherstellen soll, dass die Farbstoffe, die auf die Schicht aufgetragen worden sind, problemlos wieder an das zu bedruckende Material (Papier, Textilware , etc.) abgegeben oder auf sonstige Weise entfernt werden können (Abs. 4). Beide Schichten sollen die Übertragung der Tinte auf das Endmaterial optimieren , ohne dass dabei mit der Tinte auch die Beschichtung übertragen wird. II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt
- 15
- begründet: Das Streitpatent sei mangels erfinderischer Tätigkeit für nichtig zu erklä16 ren. Die Bereitstellung des erfindungsgemäßen Übertragungspapiers sei dem Fachmann, bei dem es sich um ein Team aus einem Papiertechnologen mit praktischer Erfahrung in der Herstellung von Übertragungspapier und einem Ingenieur aus der Drucktechnik mit Praxiskenntnissen vom Bedrucken von Substraten mittels Transferdruckverfahrens handele, nahegelegt gewesen. In der Fachwelt sei bekannt, dass sich für den Transferdruck das Auftra17 gen einer Löse- und Sperrschicht auf das Papier insbesondere im Fall von Tinten auf Wasserbasis als vorteilhaft erwiesen habe. Als Materialien dafür seien hydrophile Polymere wie z.B. Carboxymethylcellulose als geeignet erkannt worden. Ein entsprechend beschichtetes Papier für den textilen SublimationsTransferdruck werde in der deutschen Offenlegungsschrift 196 49 802 (K 7) beschrieben. Als für den Sublimations-Transferdruck geeignet werde dort im Rahmen von Ink-Jet-Druckversuchen u.a. ein Papier verwendet, das mit einer speziellen Beschichtung (Polyvinylalkohol, Ethylhydroxyethylcellulose und Carboxymethlycellulose) ausgestattet sei. Der Fachmann habe damit hinreichende Veranlassung gehabt, ein mit Carboxymethylcellulose und damit mit einer Löse- und Sperrschicht beschichtetes Papier für die Lösung des dem Streitpatent zugrunde liegenden Problems in Betracht zu ziehen. Insoweit fehle es allein an der erfindungsgemäßen Angabe einer Porosität von höchstens 100 ml/min für die Löse- und Sperrschicht. Diese Erkenntnis sei jedoch nicht erfinderisch. Um das aus der K 7 bekannte Papier im Hinblick auf einen hohen Über18 tragungswirkungsgrad beim Transferdruck zu optimieren, beschäftige sich der Fachmann auch mit Transferdruckverfahren, bei denen herkömmliche Übertragungspapiere für das Kontaktdruckverfahren zur Anwendung kämen. Denn die technischen Anforderungen - insbesondere im Hinblick auf den Übertragungswirkungsgrad - an den Übertragungsdruck-Verfahrensschritt seien unabhängig von der Art des zuvor erfolgten Bedruckens des Übertragungspapiers. Der Transferdruck vom Übertragungspapier hänge vielmehr unabhängig vom Verfahren zum Bedrucken des Übertragungspapiers stets von denselben Parametern ab, wie z.B. von der Sublimations- und Diffusionsgeschwindigkeit des Farbstoffs in der Gasphase (vgl. U. Einsele et al., "Beschleunigung des Farbstofftransfers beim Thermodruck", Melliand Textilberichte 7 (1987), Anlage K 9, S. 487 li. Sp., Abs. 3). Insoweit berücksichtige der Fachmann auch die deutsche Offenlegungs19 schrift 35 04 813 (K 6). Diese betreffe ein Transferdruckverfahren, bei dem der Farbstoff im Kontaktdruckverfahren auf das Übertragungspapier aufgetragen und anschließend von dem Übertragungspapier auf ein anderes Substrat, insbesondere auf Textilien, transferiert werde. Zur Beschleunigung des Farbstofftransfers und zur Erhöhung der Farbstoffausbeute beim Transferdruck werde ein Papierträger mit geeigneten Monomeren und/oder Polymeren, wie z.B.
- 21
- der Definition des Patentgerichts und in Übereinstimmung mit den Parteien um ein Team aus einem erfahrenen Papiertechnologen und einem auch über praktische Kenntnisse verfügenden Ingenieur aus der Drucktechnik handelt, bereits kein Übertragungspapier für Tintenstrahldruck, das zumindest auf einer Seite mit einer mit einer Löse- oder Sperrschicht versehen ist. Die Entgegenhaltung konnte dem Fachmann auch keine Veranlassung zu weitergehenden Überle- gungen geben, ein Übertragungspapier zu entwickeln, das für den Tintenstrahldruck geeignet ist und über eine hohe Übertragungswirkung verfügt. Wie das Patentgericht im Ausgangspunkt zutreffend festgestellt hat, be22 trifft die K 7 Farbstoffzubereitungen, die sich in vorteilhafter Weise für die Anwendung im Ink-Jet-Verfahren sowie beim textilen Sublimations-Transferdruck eignen sollen. Zur Anwendung der Farbzubereitungen im Ink-Jet-Verfahren wird ausgeführt, dass als geeignete Substrate neben Papier auch Trägermaterialien wie insbesondere textile Materialien, aber auch mit Kunststoff beschichtete Träger wie Metallfolien in Betracht kämen (K 7, S. 8, Z. 25 f. i.V.m. Z. 31 ff.). Zur Anwendung der Farbstoffzubereitungen beim textilen Sublimations23 druck erfährt der Fachmann, dass ein Muster zunächst auf einem "Zwischenträger" vorgebildet und anschließend durch Hitzeeinwirkung auf einen "Träger" übertragen werde, wobei der Farbstoff sowohl beim Transfer selbst als auch in einem anschließenden Fixier- und Nachbehandlungsprozess fixiert werden könne (K 7, Z. 27 ff.). Während als geeignete "Träger" wiederum insbesondere textile Materialien oder mit Kunststoffen beschichtete Träger aufgeführt werden, wird nicht näher spezifiziert, welches Substrat als "Zwischenträger" eingesetzt werden kann. Hinsichtlich des Sublimations-Transfersdrucks findet sich in der K 7 ein
- 24
- allgemeiner Verweis auf Ullmann’s Encyclopedia of Industrial Chemistry, 5th Edition, Band A26, Seiten 499 bis 501. Darin werden neben Nassübertragungsverfahren ("3.5.1 Wet-Transfer Printing") auch Heißübertragungsverfahren ("3.5.2 Heat-Transfer Printing") aufgeführt und unter der Überschrift "Sublistatic Process" auch mehrere Sublimationsübertragungsverfahren beschrieben, bei denen als Übertragungsträger etwa Papier verwendet wird, das auf der Übertragungsseite eine dünne Schicht Stärke ("thin lay of starch (ca. 3 g/m2)") auf- weist. Das Tintenstrahldruckverfahren wird als Sublimationsübertragungsverfahren an der genannten Stelle in Ullmann’s Encyclopedia allerdings genauso wenig erwähnt wie als Übertragungsträger ein Papier benannt wird, das für Tintenstrahldruck geeignet und zumindest auf der zu bedruckenden Seite mit einer Löse- oder Sperrschicht versehen ist. Die Offenbarung eines solchen Papiers geht, anders als das Patentge25 richt meint, auch nicht aus dem Ausführungsbeispiel "Herstellung von Ink-JetDrucken auf Papier" hervor (K 7, S. 14, Z. 17 ff.). Darin wird zwar im Hinblick auf Druckversuche mit einem handelsüblichen Ink-Jet-Drucker neben fünf handelsüblichen , unbeschichteten Papieren a bis e auch ein Intercopy Papier f aufgeführt , das nacheinander mit Polyvinylalkohol, Ethylhydroxyethylcellulose und Carboxymethylcellulose beschichtet wurde (K 7, S. 14, Z. 22 ff.). Dafür, dass es sich bei diesem beschichteten Papier auch um ein Übertragungspapier für den Sublimations-Transferdruck und nicht lediglich um ein weiteres als Endsubstrat zu bedruckendes Papier handelt, findet sich an keiner Stelle der Vorveröffentlichung ein Anhalt. Dagegen spricht vielmehr, dass dieses Ausführungsbeispiel in der Entgegenhaltung unter der Überschrift "Applikation auf Papier" beschrieben (K 7, S. 14, Z. 9) und erläuternd ausgeführt wird, dass nach 24 Stunden Trocknungszeit die so hergestellten Drucke auf den genannten Papieren über gute Abriebfestigkeit, gute Wasserechtheit sowie gute Lichtechtheit verfügen (K 7, S. 14, Z. 36 ff.). Diese Eigenschaften werden im Dokument also nur mit Papier als Zielträger im Tintenstrahldruck-Verfahren in Verbindung gebracht. Dass sie auch im Sublimations-Transferdruck eine gewisse Rolle spielen mögen , wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, genügt nicht, um in K 7 eine hinreichend konkrete Anregung für den Einsatz des solcherart präparierten Papiers auch als Übertragungspapier im SublimationsTransferdruck zu sehen.
- 26
- Entgegen dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich auch nichts anderes aus der K 7, wenn dort unter der Überschrift "Textile Applikation" auf den sog. "Kogationstest" eingegangen wird, mit dem die Neigung der Tinten, Ablagerungen und Verstopfungen in den Düsen zu bilden, durch einen Vergleich des mittleren Tropfengewichts vor und nach einer Million gedruckter Tropfen überprüft wird (K 7, S. 13, Z. 60 ff.). Der Kogationstest dient damit dem Nachweis der Eignung der in der K 7 vorgeschlagenen Farbstoffzubereitungen als Tinten für den Tintenstrahldruck. Nur deshalb, weil das Testergebnis innerhalb eines mit "Textile Applikation" überschriebenen Dokumentabschnitts mitgeteilt wird, kann darin ohne rückschauende Betrachtung kein dem Fachmann hinreichend konkret vermittelter Anlass gesehen werden, den Tintenstrahldruck mit dem Sublimations -Transferdruck in Verbindung zu bringen. Erst recht ist aus fachmännischer Sicht kein Zusammenhang zwischen dem an anderer Stelle unter der Überschrift "Applikation auf Papier" als Beispiel f beschriebenen Bedrucken von beschichtetem Papier und eventuellen Einsatzmöglichkeiten solchen Papiers im textilen Sublimationsdruck mit Tintenstrahldruck zu erkennen. 2. Auch sonst ist dem Urteil des Patentgerichts kein Stand der Technik
- 27
- zu entnehmen, der dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt hätte Veranlassung geben können, ein Übertragungspapier zu entwickeln, das für den Tintenstrahldruck geeignet ist und über eine hohe Übertragungswirkung verfügt. Soweit das Patentgericht unter Berufung auf den einleitenden Teil des
- 28
- Streitpatents ausführt, es sei bekannt gewesen, dass sich für den Transferdruck das Auftragen einer Löse- und Sperrschicht auf Papier insbesondere im Fall von Tinten auf Wasserbasis als vorteilhaft erwiesen habe und dass als Materialien dafür hydrophile Polymere wie z.B. Carboxymethylcellulose als geeignet erkannt worden seien, wird damit kein geeigneter Ausgangspunkt für solche Überlegungen aufgezeigt. Die insoweit vom Patentgericht in Bezug genomme- ne Stelle aus der Beschreibung des Streitpatents (S. 2 Abs. 3) weist auf den Aufsatz K 9 hin, der sich mit der Beschleunigung des Farbstofftransfers beim Thermoumdruck und in diesem Zusammenhang auch mit Transferpapieren befasst , die im Thermodruckverfahren mit in der Regel pastösen Farben beschichtet werden (etwa K 9, S. 488, li. Sp. unter 4; S. 494, li. Sp. unter 9.3), nicht aber mit Tintenstrahldruck und der dabei verwendeten dünnflüssigen Tinte. Gleiches gilt für die vom Patentgericht in Verbindung mit der Entgegen29 haltung K 7 herangezogene K 6. Soweit dort auch auf die teilweise oder vollständige Schließung der Poren des Papiers hingewiesen wird (vgl. oben II letzter Absatz), derzufolge der Farbstoff nicht mehr in tiefere Schichten eindringen kann (K 6, S. 4 f.), folgt daraus keine Anregung für den Fachmann, ein für den Tintenstrahldruck geeignetes Übertragungspapier mit hoher Übertragungswirkung zu entwickeln. Daher wurde dem Fachmann die Lehre aus Patentanspruch 1 auch nicht ausgehend von der Entgegenhaltung K 6 nahegelegt. IV. Das Urteil des Patentgerichts stellt sich auch nicht aus anderen
- 30
- Gründen als zutreffend dar. 1. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die in Patentanspruch 1 des
- 31
- Streitpatents unter Schutz gestellte Erfindung so deutlich und vollständig offenbart , dass ein Fachmann sie ausführen kann. Eine Erfindung ist ausführbar offenbart, wenn der Fachmann ohne erfin32 derisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs auf Grund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird (BGH, Urteil vom 4. Oktober 1979 - X ZR 3/76, GRUR 1980, 166, 168 - Doppelachsaggregat ; Urteil vom 11. Mai 2010 - X ZR 51/06, GRUR 2010, 901 Rn. 31 - Polymerisierbare Zementmischung). Das Gebot der deutlichen und vollständigen Offenbarung erfordert es nicht, dass die Beschreibung Hinweise darauf enthält, wie alle denkbaren Varianten der Komponenten, die unter die funktionelle Definition fallen, zu erzielen sind (BGH, Beschluss vom 11. September 2013 - X ZB 8/12, GRUR 2013, 1210 Rn. 15 - Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren; EPA [TBK], Entscheidung vom 27. Januar 1988 - T 292/85 Rn. 3.1.5 - Polypeptide Expression/GENENTECH I). Eine Erfindung ist daher grundsätzlich bereits dann hinreichend offenbart, wenn sie dem Fachmann mindestens einen Weg zur Ausführung aufzeigt (BGH, aaO - Dipetidyl-Peptidase-Inhibitoren). Die Klägerin stellt die Ausführbarkeit der Erfindung im Hinblick auf
- 33
- Merkmal 1.4, wonach die Löse- oder Sperrschicht eine Porosität von höchstens 100 ml/min aufweisen darf, für den Fall in Frage, dass die Porosität des Basispapiers im Bereich von 0 bis 2000 ml/min liegt. Denn dann trage das Basismaterial wesentlich zur nach dem Bendtsen-Test (ISO-Standard 5636-3, vgl. Streitpatent, Abs. 10, 26) gemessenen Gesamtporosität des beschichteten Übertragungsmediums bei und könne nicht mehr vernachlässigt werden. Die einzige alternative Möglichkeit, die Porosität der Löse- oder Sperrschicht zu bestimmen, indem man diese auf hochporöses Basispapier übertrage und dann eine Messung nach Bendtsen durchführe, sei nicht geeignet, weil sie zu falschen Ergebnissen führe. Dass die Lehre aus Patentanspruch 1 nicht hinreichend deutlich und
- 34
- vollständig offenbart ist, kann selbst dann nicht angenommen werden, wenn dieses Vorbringen der Klägerin - entgegen dem Bestreiten der Beklagten - als zutreffend unterstellt wird. Denn es steht nicht in Frage, dass die Porosität der erfindungsgemäßen Löse- oder Sperrschicht entsprechend den Angaben in der Streitpatentschrift (Abs. 10, 26) nach dem Bendtsen-Test zuverlässig bestimmt werden kann, wenn die Porosität des Basispapiers im Bereich von etwa 2000 bis etwa 3000 ml/min liegt, was nach den weiteren Angaben in der Streitpatentschrift im Übrigen auch der allgemeinen Beschaffenheit des Basispapiers entspricht (Abs. 25). Damit ist dem Fachmann jedenfalls in einer beträchtlichen Bandbreite ein gangbarer Weg zur Verwirklichung der Lehre aus Patentanspruch 1 so offenbart worden, dass diese ausgeführt werden kann. 2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents ist auch pa35 tentfähig.
a) Keine der von der Klägerin als neuheitsschädlich entgegengehalte36 nen Vorveröffentlichungen offenbart die Erfindung vollständig. (1) Es kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass K 6 ein Über37 tragungspapier "für den Tintenstrahldruck" offenbart. Der Klägerin ist zwar darin beizutreten, dass die Präposition "für" auf eine Zweck-, Wirkungs- bzw. Funktionsangabe hinweist. Solche im Patentanspruch enthaltene Angaben nehmen nach ständiger Rechtsprechung als Bestandteile des Anspruchs jedenfalls an dessen Aufgabe teil, den geschützten Gegenstand zu bestimmen und damit zugleich zu begrenzen, indem sie das Vorrichtungselement, auf das sie sich beziehen, als ein solches definieren, das so ausgebildet sein muss, dass es geeignet ist, den betreffenden Zweck, die Funktion oder die Wirkung zu erfüllen. In der Neuheitsprüfung gelten die allgemeinen Regeln, denen zufolge es darauf ankommt, was einer Vorveröffentlichung unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 Rn. 25 - Olanzapin), auch für die objektive Eignung eines Gegenstands mit Blick auf Zweck, Wirkung oder Funktionsangaben in dem Patentanspruch , um dessen Vorwegnahme durch den Stand der Technik es geht. Daran fehlt es. K 6 befasst sich als Anmeldung aus dem Jahre 1985 nicht mit Tintenstrahl -Sublimationstransferdruck, sondern mit Thermoumdruck unter Einsatz von ganz anderem Papier und anderen Farbstoffmaterialien. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Fachmann am Prioritätstag in Bezug auf K 6 Einsatzmöglichkeiten im Tintenstrahldruck mitlas. Das findet im Übrigen seine Bestätigung darin, dass auch in K 7 Versuche zum Verhalten von im Tintenstrahldruck auf beschichtetem Papier aufgebrachter Tinte nicht mit dem SublimationsTransferdruck in Verbindung gebracht wurden (oben III 1). Im Übrigen fehlt es an einer Offenbarung des Merkmals 1.4, wonach die
- 38
- Schicht eine Porosität von höchsten 100 ml/min aufweisen darf. In der Entgegenhaltung wird zwar an einer Stelle als "weiterer Effekt" an39 gegeben, dass sich infolge der Beschichtung des Transferpapiers die Papieroberflächen glätten und sich die Poren teilweise oder vollständig schließen (K 6, S. 4, Z. 36 ff.). Dieses vermeintliche teilweise oder völlige Schließen der Poren wird aber so undifferenziert und oberflächlich mitgeteilt, dass dies aus fachmännischer Sicht nicht als konkrete Anweisung zum technischen Handeln verstanden wird, das Papier exakt i. S. von Merkmal 1.4 zu präparieren, sondern nur als ein unspezifizierter Hinweis, durch Schichtauftrag eine Barriere gegen das zu tiefe Eindringen der Farbe in das Papier vorzusehen. Nähere Festlegungen zur gewünschten Porosität der Monomer- oder Polymerbeschichtung sind der K 6 genauso wenig zu entnehmen wie ein Hinweis darauf, dass ein niedriger Porositätswert der Monomer- oder Polymerschicht besonders vorteilhaft für die angestrebte Verkürzung der Transferzeit ist, zumal handelsübliche - und damit aus fachlicher Sicht eher pastöse (K 26, S. 501, re. Sp. Abs. 1 f.) - Dispersionsfarbstoffe verwendet werden sollen (K 6, S. 3, Z. 10; S. 6, Z. 30 f.; S. 7, Z. 26 f.; S. 8, Z. 12, Z. 34 f.) und nicht etwa dünnflüssige Tinten auf Wasserbasis. Es fehlt folglich in der K 6 an Angaben, aus denen sich für den Fachmann bei zwar aufmerksamer Lektüre, aber ohne weitere eigene fachkundige Überle- gungen erschließen konnte, dass die Löse- oder Sperrschicht nur eine Porosität von höchstens 100 ml/min aufweisen darf. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 wird auch nicht durch das Aus40 führungsbeispiel 1 der K 6 vorweggenommen. Soweit die Klägerin bei dessen Nacharbeitung für die Beschichtung des Papiers das Produkt "ARSEL TD 60-1" verwendet haben will, ist zu bedenken, dass in Beispiel 1 von K 6 zwar vorgegeben wird, das holzfreie Papier mit einer 5%igen wässrigen Carboxymethylcellulose -Lösung zu beschichten. Unter "Carboxymethylcellulose" fällt aber, worauf auch in der mündlichen Verhandlung hingewiesen wurde, eine unübersehbare Vielzahl verschiedener Verbindungen. Beschränken sich die Angaben in Beispiel 1 von K 6 gleichwohl pauschal darauf, Carboxymethlycellulose zu nehmen , ist der Offenbarungsgehalt genauso zu beurteilen, wie dies regelmäßig bei Strukturformeln der Fall ist. Mit der Offenbarung einer chemischen Strukturformel , sind regelmäßig noch nicht die unter diese Formel fallenden Einzelverbindungen offenbart (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 Rn. 28 ff. - Olazapin). Dementsprechend werden durch das Beispiel 1 in K 6 auch nicht jegliche Übertragungspapiere vorweggenommen, deren Löseoder Sperrschicht mit der in einem beliebigen Handelsprodukt enthaltenen Carboxymethylcellulose-Verbindung oder mit einem anderen Beschichtungsmittel hergestellt wurde. Im Übrigen betrifft die K 6, wie bereits das Patentgericht zutreffend aus41 geführt hat, ein Transferdruckverfahren, bei dem der Farbstoffauftrag auf das Übertragungspapier im Kontaktdruckverfahren erfolgt und der Farbstoff anschließend von dem Übertragungspapier auf ein anderes Substrat transferiert wird. Dabei werden gänzlich andere und für den Tintenstrahldruck ungeeignete Papiermaterialien und Farbstoffe in einem anderen Druckverfahren eingesetzt, als nach der Lehre des Streitpatents. Beispiel 1 soll mit der überwanderten Farbstoffmenge auch ganz andere Effekte offenbaren, als es dem Gegenstand von Patentanspruch 1 entspricht. Ein für Tintenstrahldruck geeignetes Übertragungspapier ist damit nicht offenbart. (2) Die weiterhin von der Klägerin entgegengehaltene PCT-Anmeldung
- 42
- WO 97/33763 (K 17, deutsche Übersetzung K 17a) betrifft ein Verfahren, mit dem ein Bild auf ein Empfangselement, etwa ein Gewebe, unter Verwendung von zwei Erhitzungsschritten aufgebracht wird. Dafür wird ein bedrucktes (Bild-)Transfermaterial mit einer Trägerschicht und einer Transferschicht auf das Empfangselement aufgebügelt, wobei die Transferschicht und das Bild mit dem Empfangselement in Kontakt sind, die Trägerfolie abgezogen, eine nichthaftende Folie auf das Bild-Empfangselement aufgelegt und anschließend aufgebügelt , um die Transferschicht in die Vertiefungen des Empfangselements zu pressen (K 17, S. 52; K 17a, S. 40, Anspruch 1). Die Trägerschicht kann aus Papier oder einem kunststoffbeschichteten Papier bestehen (K 17, S. 16, Z. 23 ff.; K 17a, S. 13, Z. 2 f.). Auf die Trägerschicht kann eine Schmelztransferschicht aufgetragen werden, die geeignet ist, das Bild aufzunehmen, was auch im Tintenstrahldruck erfolgen kann (K 17, S. 13, Z. 20 ff.; S. 16, Z. 34 f.; K 17a, S. 10, Z. 19 ff.; S. 16, Z. 9 f.). Damit offenbart die K 17 ein für Tintenstrahldruck geeignetes Übertragungspapier, das auf der zu bedruckenden Seite mit einer Transferschicht versehen ist. Bei dieser Transferschicht handelt es sich jedoch nicht um eine Löse43 oder Sperrschicht im Sinne der Lehre von Patentanspruch 1, weil diese auch nach Abziehen der Trägerfolie mit dem Bild auf dem Empfangselement verbleibt und anschließend eine (weitere) nichthaftende Folie aufgelegt und aufgebügelt wird (K 17; K 17a, Anspruch 1).
- 44
- (3) Ähnlich verhält es sich mit der dem Streitpatent weiterhin entgegengehaltenen europäischen Patentanmeldung 0 649 753 (K 8). Darin wird ein Übertragungsmedium offenbart, das aus einem Basismaterial 601 besteht, welches Papier sein kann, auf das eine Bindeschicht 602 laminiert ist, auf welcher eine Trennschicht 603 angeordnet ist, welche wiederum mit einer flüssigkeitsreaktiven Harzschicht 604 bedeckt ist (vgl. den in K 8, Figur 2, bildlich wiedergegebenen Aufbau der Schichten sowie Sp. 10, Z. 50 ff.). Bei der Übertragung eines Bildes auf einen Stoff wird die Bindeschicht durch Erwärmen, etwa unter Verwendung eines Bügeleisens, geschmolzen, um die Bindekraft zwischen der Trennschicht und dem Basismaterial zu senken. Gleichzeitig wird die Trennschicht von dem Basismaterial zusammen mit der Tinte getrennt und auf den Stoff geklebt (K 8, Sp. 14, Z. 9 ff.), wobei die Bindeschicht auf dem Basismaterial verbleiben kann (K 8, Sp. 11, Z. 43 ff.). Die Trennschicht 603 kann nicht als erfindungsgemäße Löse- oder Sperrschicht angesehen werden, weil sie mit der Tinte auf das Endsubstrat übertragen wird. Die Bindeschicht 602 kann zwar auf dem Basismaterial verbleiben, ist aber gleichfalls keine Löse- oder Sperrschicht im Sinne des Streitpatents, weil sie weder dazu dient, das zu tiefe Eindringen der Tinte in die Papierschicht zu verhindern, noch dazu, die Abgabe der Tinte an das Endsubstrat sicherzustellen; ihr Zweck liegt vielmehr darin, die Abtrennung der Trennschicht vom Basismaterial zu ermöglichen (K 8, Sp. 14, Z. 12 ff.). (4) Die europäische Patentschrift 0 412 084 (K 4) offenbart ein Transfer45 druckverfahren, bei dem das Trägerpapier ein etwa mit Carboxymethylcellulose beschichtetes Papier mit einer Luftdurchlässigkeit von 0,1 bis 3000 nm/Pa.s (entspricht unstreitig einer Porosität von 0,01-265 ml/min) sein kann (K 4, S. 3, Z. 33 ff.). Damit ist zwar ein beschichtetes Übertragungspapier mit einer Porosität von 0,01-265 ml/min offenbart, nicht aber eine Porosität (alleine) der Schicht von höchstens 100 ml/min, wie sie in Merkmal 1.4 gefordert wird, zumal, wie die Klägerin selbst ausgeführt hat, dass die Porosität von beschichtetem Papier entscheidend auch von der Porosität des Papiers abhängen kann.
b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 beruht auch auf erfinderi46 scher Tätigkeit. Wie bereits ausgeführt, war dieser ausgehend von der K 7, der K 9 oder der K 6 für den Fachmann nicht nahegelegt. Dasselbe gilt mit Blick auf die übrigen im Rechtsstreit vorgelegten Entgegenhaltungen. 3. Aus den Ausführungen zur Patentfähigkeit des Patentanspruchs 1
- 47
- folgt nicht nur ohne weiteres die Patentfähigkeit der auf diesen unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 12, sondern auch entsprechend die Patentfähigkeit der Verfahrensansprüche 13 bis 17. 4. Hinsichtlich der Patentfähigkeit des Verfahrensanspruchs 18 gegen48 über den genannten Entgegenhaltungen kann ebenfalls auf die vorstehenden Ausführungen zu Patentanspruch 1 verwiesen werden, die entsprechend gelten. Die Klägerin stellt die Neuheit des Gegenstands von Patentanspruch 18
- 49
- darüber hinaus im Hinblick auf das europäische Patent 0 604 025 (K 19; deutsche Übersetzung K 19a) in Frage. Darin kann ihr nicht gefolgt werden. Die K 19 betrifft ein Bilderzeugungsverfahren. Auf eine Trägeroberfläche
- 50
- (14) wird eine Flüssigkeitsschicht (12) aufgebracht, die aus Wasser, fluoriertem Öl, Glykol oder Siliconöl bestehen kann und als intermediäre Übertragungsoberfläche dient (K 19, Sp. 6, Z. 43 ff.). Auf die Oberfläche der Flüssigkeitsschicht wird ein Muster mittels Tintenstrahldruck mit einer Phasenwechseltinte aufgebracht. Nachdem sich die Tinte verfestigt hat, wird diese auf ein Aufnahmemedium (28), wie etwa Papier, übertragen. Damit ist ein Verfahren zum Be- drucken einer Oberfläche (28), bei dem mit einem Tintenstrahldrucker ein Muster auf einem von Papier verschiedenen Trägermaterial gebildet wird, offenbart. Das Trägermaterial weist jedoch keine erfindungsgemäße Löseschicht
- 51
- auf, die - entsprechend den obigen Erläuterungen - auch nach dem Farbtransfer auf dem Übertragungspapier verbleiben soll. Vielmehr handelt es sich bei der Flüssigkeitsschicht um eine Verbrauchsschicht ("sacrificial layer"), die wenigstens zum Teil zusammen mit dem übertragenen Bild auf das schließliche Aufnahmemedium übertragen wird (K 19, Sp. 2, Z. 23 ff.; K 19a, S. 3, Abs. 1). V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 91
- 52
- Abs. 1 ZPO. Gröning Grabinski Hoffmann RinBGH Schuster ist infolge Erkrankung an der Beifügung ihrer Unterschrift gehindert. Gröning Kober-Dehm
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 28.05.2013 - 3 Ni 6/12 (EP) -
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.