Landgericht Traunstein Beschluss, 25. Jan. 2017 - 4 T 3387/16
nachgehend
Tenor
1. Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vollzugs der mit Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim vom 12.09.2016 angeordneten und bis 28.09.2016 vollzogenen Haft wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Betroffene.
3. Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
II.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Traunstein Beschluss, 25. Jan. 2017 - 4 T 3387/16
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Landgericht Traunstein Beschluss, 25. Jan. 2017 - 4 T 3387/16
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenLandgericht Traunstein Beschluss, 25. Jan. 2017 - 4 T 3387/16 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.
(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.
(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn
- 1.
Fluchtgefahr besteht, - 2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder - 3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn
- 1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde, - 3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist, - 4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt, - 5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder - 6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:
- 1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren, - 3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, - 4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, - 5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen, - 6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt, - 7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.
(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.
(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.
(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
- 1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht, - 2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und - 3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er
- 1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder - 2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes) und der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.
(2) Das Verfahren bei Freiheitsentziehungen richtet sich nach Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ist über die Fortdauer der Zurückweisungshaft oder der Abschiebungshaft zu entscheiden, so kann das Amtsgericht das Verfahren durch unanfechtbaren Beschluss an das Gericht abgeben, in dessen Bezirk die Zurückweisungshaft oder Abschiebungshaft jeweils vollzogen wird.
(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(2) Der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegen auch die nicht selbständig anfechtbaren Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgegangen sind.
(1) Die Beschwerde ist, soweit gesetzlich keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Frist von einem Monat einzulegen.
(2) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wenn sie sich gegen folgende Entscheidungen richtet:
- 1.
Endentscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung oder - 2.
Entscheidungen über Anträge auf Genehmigung eines Rechtsgeschäfts.
(3) Die Frist beginnt jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Kann die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden, beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.
(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn
(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.
(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Bei Eintritt einer der in § 59 Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen innerhalb der Ausreisefrist soll der Ausländer vor deren Ablauf abgeschoben werden.
(1a) Vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird.
(1b) Ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt oder eine entsprechende Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union innehat und in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union international Schutzberechtigter ist, darf außer in den Fällen des § 60 Absatz 8 Satz 1 nur in den schutzgewährenden Mitgliedstaat abgeschoben werden. § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 bleibt unberührt.
(2) Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, wenn der Ausländer
- 1.
unerlaubt eingereist ist, - 2.
noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 nicht als fortbestehend gilt oder - 3.
auf Grund einer Rückführungsentscheidung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. EG Nr. L 149 S. 34) ausreisepflichtig wird, sofern diese von der zuständigen Behörde anerkannt wird.
(3) Die Überwachung der Ausreise ist insbesondere erforderlich, wenn der Ausländer
- 1.
sich auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet, - 2.
innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist ist, - 3.
auf Grund eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 in Verbindung mit § 53 ausgewiesen worden ist, - 4.
mittellos ist, - 5.
keinen Pass oder Passersatz besitzt, - 6.
gegenüber der Ausländerbehörde zum Zweck der Täuschung unrichtige Angaben gemacht oder die Angaben verweigert hat oder - 7.
zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird.
(4) Die die Abschiebung durchführende Behörde ist befugt, zum Zweck der Abschiebung den Ausländer zum Flughafen oder Grenzübergang zu verbringen und ihn zu diesem Zweck kurzzeitig festzuhalten. Das Festhalten ist auf das zur Durchführung der Abschiebung unvermeidliche Maß zu beschränken.
(5) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde die Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung betreten, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich der Ausländer dort befindet. Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.
(6) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen. Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des abzuschiebenden Ausländers zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Ausländer sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.
(7) Zur Nachtzeit darf die Wohnung nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird. Die Organisation der Abschiebung ist keine Tatsache im Sinne von Satz 1.
(8) Durchsuchungen nach Absatz 6 dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde angeordnet werden. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nach Betreten der Wohnung nach Absatz 5 nicht darauf gestützt werden, dass der Ausländer nicht angetroffen wurde.
(9) Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume darf der Durchsuchung beiwohnen. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen. Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit hinzugezogenen Person ist in den Fällen des Absatzes 6 Satz 2 der Zweck der Durchsuchung vor deren Beginn bekannt zu machen. Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung und, falls keine gerichtliche Anordnung ergangen ist, auch Tatsachen, welche die Annahme einer Gefahr im Verzug begründet haben, enthalten. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Wohnungsinhaber oder der hinzugezogenen Person lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.
(10) Weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der Absätze 5 bis 9 betreffen, bleiben unberührt.
(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2).
(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen.
(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als
- 1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3, - 2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7), - 2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2), - 2b.
ICT-Karte (§ 19), - 2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b), - 3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder - 4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.
(1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er
- 1.
einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt, - 2.
den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt, - 2a.
zwar ein nach § 4 erforderliches Visum bei Einreise besitzt, dieses aber durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkt oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen wurde und deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder annulliert wird, oder - 3.
nach § 11 Absatz 1, 6 oder 7 nicht einreisen darf, es sei denn, er besitzt eine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8.
(2) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden können Ausnahme-Visa und Passersatzpapiere ausstellen.
(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.
(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:
- 1.
die Identität des Betroffenen, - 2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen, - 3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung, - 4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie - 5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.
(1) Ein verfahrenseinleitender Antrag soll begründet werden. In dem Antrag sollen die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben sowie die Personen benannt werden, die als Beteiligte in Betracht kommen. Der Antrag soll in geeigneten Fällen die Angabe enthalten, ob der Antragstellung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen. Urkunden, auf die Bezug genommen wird, sollen in Urschrift oder Abschrift beigefügt werden. Der Antrag soll von dem Antragsteller oder seinem Bevollmächtigten unterschrieben werden.
(2) Das Gericht soll den Antrag an die übrigen Beteiligten übermitteln.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Betroffene reiste erstmalig Anfang 2008 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ein von ihm am 6. Februar 2008 gestellter Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 5. März 2008 als unzulässig zurückgewiesen und die Überstellung des Betroffenen nach Art. 18 Dublin II-Verordnung in die Slowakische Republik angeordnet, in der der Betroffene zuvor ebenfalls Asyl beantragt hatte. Die Überstellung scheiterte, weil der Betroffene die Aufnahmeein-richtung, in der er untergebracht war, verließ und danach sein Aufenthalt für die Behörden unbekannt war.
- 2
- Nach Ankündigung einer Rücküberstellung des Betroffenen aus dem Königreich der Niederlande in die Bundesrepublik Deutschland hob das Bundesamt am 5. Oktober 2009 den Bescheid vom 5. März 2008 auf und kündigte eine neue Entscheidung über den Asylantrag an, weil eine Überstellung des Betroffenen in die Slowakische Republik infolge Zeitablaufs nicht mehr zulässig war. Mit Bescheid vom 7. Oktober 2009 wurde der Asylantrag vom 6. Februar 2008 als offensichtlich unbegründet abgelehnt, der Betroffene zum Verlassen des Bundesgebietes binnen einer Woche aufgefordert und eine Abschiebung nach Georgien angedroht. Dieser Bescheid wurde der Aufnahmeeinrichtung, in der der Betroffene im Jahr 2008 untergebracht war, mit der Bitte um Aushändigung übersandt und ging dort am 9. Oktober 2009 ein. In der Rückantwort teilte die Aufnahmeeinrichtung dem Bundesamt mit, dass der Betroffene die Einrichtung am 21. Januar 2009 verlassen habe und sein Aufenthaltsort nicht bekannt sei.
- 3
- Nach Überstellung des Betroffenen aus den Niederlanden ordnete das Amtsgericht auf Antrag der Beteiligten zu 2 (Ausländerbehörde) die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens zum 28. Februar 2010 und die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung an. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Am 20. Februar 2010 wurde der Betroffene abgeschoben. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt er, die Rechtswidrigkeit des Beschlusses des Landgerichts und der Haftanordnung des Amtsgerichts festzustellen.
II.
- 4
- Das Beschwerdegericht hat den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG bejaht und ein Abschiebungshindernis auf Grund des Asylantrags des Betroffenen vom 6. Februar 2008 verneint. Die Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 AsylVfG sei mit dem Bescheid des Bundesamtes vom 7. Oktober 2009 erloschen, der nach § 10 Abs. 2 AsylVfG als am 12. Oktober 2009 zu-gestellt gelte, so dass der Betroffene seit dem 20. Oktober 2009 vollziehbar ausreisepflichtig sei.
III.
- 5
- Die nach § 70 Abs. 3 Nr. 3 FamFG statthafte (dazu: Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, NVwZ 2010, 726, 727) und gemäß § 71 FamFG form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Der mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 62 FamFG ist begründet.
- 6
- 1. Die Abschiebungshaft durfte von dem Amtsgericht schon deshalb nicht angeordnet und von dem Beschwerdegericht nicht bestätigt werden, weil es an einem wirksamen Antrag der Beteiligten zu 2 auf Anordnung der Freiheitsentziehung fehlt.
- 7
- a) Das Vorliegen eines zulässigen Antrages der zuständigen Verwaltungsbehörde nach § 417 FamFG ist Verfahrensvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat, Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, Rn. 7; Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, Rn. 12, juris).
- 8
- Der Haftantrag ist nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG zu begründen. Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Antrags (Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, Rn. 14, juris). Für die Abschiebungs - und Zurückschiebungshaftanträge werden insbesondere Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen , zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführung der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG).
- 9
- b) Die Begründung des Haftantrags der Beteiligten zu 2 vom 25. November 2010 genügt diesen Anforderungen nicht.
- 10
- aa) In dem Antrag fehlt die nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG erforderliche Angabe der Tatsachen, aus denen sich die Ausreisepflicht des Betroffenen ergab. Die den Antrag stellende Behörde muss dazu aufzeigen, dass dem Betroffenen ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet nicht zusteht. Hierfür ist der Grund der Ausreisepflicht zu bezeichnen, zu dessen Sicherung die Abschiebungshaft angeordnet werden soll. Ergibt sich die Ausreisepflicht aus einem vollziehbaren Bescheid, muss die Behörde in dem Haftantrag auf diesen Bescheid Bezug nehmen (vgl. Bahrenfuss/Grotkopp, FamFG, § 417 Rn. 4; Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 417 Rn. 8).
- 11
- Dem entspricht der Haftantrag der Beteiligten zu 2 nicht, weil in diesem nur der bereits aufgehobene Bescheid des Bundesamtes vom 5. März 2008, jedoch nicht der Bescheid vom 7. Oktober 2009 erwähnt ist, aus dem allein sich die Ausreisepflicht des Betroffenen im Zeitpunkt der Beantragung der Abschiebungshaft ergeben konnte.
- 12
- bb) Den Anforderungen an die Begründung des Haftantrags wird auch nicht dadurch genügt, dass nach der Akte der Bescheid des Bundesamtes vom 7. Oktober 2009 dem Haftantrag beilag. Die Behörde muss nämlich in dem Antrag selbst die die Verlassenspflicht begründenden Tatsachen bezeichnen. Nur dann ist gewährleistet, dass das Gericht die Grundlagen erkennt, auf welche die Behörde ihren Antrag stützt, und das rechtliche Gehör des Betroffenen durch die Übermittlung des Haftantrags nach § 23 Abs. 2 FamFG gewahrt wird (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Dodegge, FamFG, § 417 Rn. 14).
- 13
- cc) Eine mögliche Heilung eines unvollständigen schriftlichen Haftantrags durch eine zu Protokoll des Haftrichters erklärte Ergänzung der Begründung (dazu Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, Rn. 17, juris) ist hier nicht erfolgt, weil nach dem Protokoll der Anhörung vom 30. November 2009 von der Beteiligten zu 2 niemand zugegen war, dem Betroffenen allein der Haftantrag bekannt gegeben wurde und er sich dazu äußern konnte.
- 15
- 2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält einer rechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand, weil es auch in der Beschwerdeinstanz an einem ordnungsgemäßen Haftantrag gefehlt hat (vgl. dazu Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, Rn. 24). Die Beteiligte zu 2 hat nur den Haftantrag vom 25. November 2010 gestellt.
- 16
- Die Mängel in jenem Haftantrag sind auch nicht durch die davon abweichenden Ausführungen in den Schriftsätzen der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz behoben worden, in denen die Beteiligte zu 2 zur Begründung der Ausreisepflicht des Betroffenen sich auf den Bescheid des Bundesamtes vom 5. Oktober 2009 gestützt, und auf dessen Einwand, ihm sei dieser Bescheid unbekannt gewesen, sich auf die Zustellungsfiktionen in § 10 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 4 Satz 4 AsylVfG berufen hat. Bei der ordnungsgemäßen Antragstellung durch die Behörde handelt es sich um eine unverzichtbare Verfahrensgarantie, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 GG fordert (BVerfG NVwZ-RR 2009, 304, 305; Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, Rn. 19, juris).
- 17
- 3. Da ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 417 FamFG nicht mit der Argumentation für unbeachtlich erklärt werden kann, dass die Freiheitsentziehung materiell zu Recht angeordnet worden sei (BVerfG NVwZRR 2009, 304, 305), kommt es auf alle weiteren Ausführungen der Beteiligten nicht an.
IV.
- 18
- 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, dem Land Niedersachen, als derjenigen Körperschaft, der die beteiligte Behörde angehört (vgl. § 430 FamFG) zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Betroffenen zu verpflichten.
- 19
- 2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 KostO.
AG Hannover, Entscheidung vom 30.11.2009 - 44 XIV 144/09 -
LG Hannover, Entscheidung vom 19.01.2010 - 28 T 62/09 -
(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn
- 1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder - 2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
- 1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder - 2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.
(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.
(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.
(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.
(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.
(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn
- 1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder - 2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.
(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Regel zu beteiligen.
(2) Über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 und das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 25 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 bis 4 entscheidet die Ausländerbehörde nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.
(3) Räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Absatz 2 Satz 1, Anordnungen nach § 47 und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dürfen von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach den Vorschriften des Asylgesetzes auf den Bezirk der anderen Ausländerbehörde beschränkt ist.
(3a) Die Aufhebung einer Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Absatz 5 darf nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des geplanten Zuzugsorts erfolgen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 12a Absatz 5 vorliegen; eine Ablehnung ist zu begründen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde am Zuzugsort nicht innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Ersuchens widerspricht. Die Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen begründet keine Zuständigkeit einer Ausländerbehörde.
(4) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist der Fall, wenn die Erhebung der öffentlichen Klage oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat nach § 95 dieses Gesetzes oder nach § 9 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit geringem Unrechtsgehalt erfolgt ist. Insoweit sind Straftaten mit geringem Unrechtsgehalt Straftaten nach § 113 Absatz 1, § 115 des Strafgesetzbuches, soweit er die entsprechende Geltung des § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorsieht, den §§ 123, 166, 167, 169, 185, 223, 240 Absatz 1, den §§ 242, 246, 248b, 263 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 265a, 267 Absatz 1 und 2, § 271 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 273, 274, 276 Absatz 1, den §§ 279, 281, 303 des Strafgesetzbuches, dem § 21 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 430) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und dem § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, diese Strafgesetze werden durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt oder es wird ein Strafantrag gestellt.
(5) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch gilt nicht für Ausreiseeinrichtungen und Einrichtungen, die der vorübergehenden Unterbringung von Ausländern dienen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder bei denen die Abschiebung ausgesetzt wird.
(6) Vor einer Entscheidung über die Erteilung, die Verlängerung oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a oder 4b und die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 ist die für das in § 25 Abs. 4a oder 4b in Bezug genommene Strafverfahren zuständige Staatsanwaltschaft oder das mit ihm befasste Strafgericht zu beteiligen, es sei denn, es liegt ein Fall des § 87 Abs. 5 Nr. 1 vor. Sofern der Ausländerbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, beteiligt sie vor einer Entscheidung über die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 die für den Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde.
(7) Zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 16a, 16d, 16e, 18a, 18b, 18c Absatz 3 und der §§ 19 bis 19c können die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Auslandsvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit auch dann beteiligen, wenn sie ihrer Zustimmung nicht bedürfen.
(1) Der Ausländer ist verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen und Erlaubnisse sowie sonstige erforderliche Nachweise, die er erbringen kann, unverzüglich beizubringen. Die Ausländerbehörde kann ihm dafür eine angemessene Frist setzen. Sie setzt ihm eine solche Frist, wenn sie die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen fehlender oder unvollständiger Angaben aussetzt, und benennt dabei die nachzuholenden Angaben. Nach Ablauf der Frist geltend gemachte Umstände und beigebrachte Nachweise können unberücksichtigt bleiben. Der Ausländer, der eine ICT-Karte nach § 19b beantragt hat, ist verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde jede Änderung mitzuteilen, die während des Antragsverfahrens eintritt und die Auswirkungen auf die Voraussetzungen der Erteilung der ICT-Karte hat.
(2) Absatz 1 findet im Widerspruchsverfahren entsprechende Anwendung.
(3) Der Ausländer soll auf seine Pflichten nach Absatz 1 sowie seine wesentlichen Rechte und Pflichten nach diesem Gesetz, insbesondere die Verpflichtungen aus den §§ 44a, 48, 49 und 81 hingewiesen werden. Im Falle der Fristsetzung ist er auf die Folgen der Fristversäumung hinzuweisen.
(4) Soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen erforderlich ist, kann angeordnet werden, dass ein Ausländer bei der zuständigen Behörde sowie den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich erscheint sowie eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit durchgeführt wird. Kommt der Ausländer einer Anordnung nach Satz 1 nicht nach, kann sie zwangsweise durchgesetzt werden. § 40 Abs. 1 und 2, die §§ 41, 42 Abs. 1 Satz 1 und 3 des Bundespolizeigesetzes finden entsprechende Anwendung.
(5) Der Ausländer, für den nach diesem Gesetz, dem Asylgesetz oder den zur Durchführung dieser Gesetze erlassenen Bestimmungen ein Dokument ausgestellt werden soll, hat auf Verlangen
- 1.
ein aktuelles Lichtbild nach Maßgabe einer nach § 99 Abs. 1 Nr. 13 und 13a erlassenen Rechtsverordnung vorzulegen oder bei der Aufnahme eines solchen Lichtbildes mitzuwirken und - 2.
bei der Abnahme seiner Fingerabdrücke nach Maßgabe einer nach § 99 Absatz 1 Nummer 13 und 13a erlassenen Rechtsverordnung mitzuwirken.
(6) Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 3 oder 4 sind, sind verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis mitzuteilen, dass die Ausbildung oder die Erwerbstätigkeit, für die der Aufenthaltstitel erteilt wurde, vorzeitig beendet wurde. Der Ausländer ist bei Erteilung des Aufenthaltstitels über seine Verpflichtung nach Satz 1 zu unterrichten.
(1) Die Abschiebungshaft wird grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen. Sind spezielle Hafteinrichtungen im Bundesgebiet nicht vorhanden oder geht von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, kann sie in sonstigen Haftanstalten vollzogen werden; die Abschiebungsgefangenen sind in diesem Fall getrennt von Strafgefangenen unterzubringen. Werden mehrere Angehörige einer Familie inhaftiert, so sind diese getrennt von den übrigen Abschiebungsgefangenen unterzubringen. Ihnen ist ein angemessenes Maß an Privatsphäre zu gewährleisten.
(2) Den Abschiebungsgefangenen wird gestattet, mit Rechtsvertretern, Familienangehörigen, den zuständigen Konsularbehörden und einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen Kontakt aufzunehmen.
(3) Bei minderjährigen Abschiebungsgefangenen sind unter Beachtung der Maßgaben in Artikel 17 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98) alterstypische Belange zu berücksichtigen. Der Situation schutzbedürftiger Personen ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
(4) Mitarbeitern von einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen soll auf Antrag gestattet werden, Abschiebungsgefangene zu besuchen.
(5) Abschiebungsgefangene sind über ihre Rechte und Pflichten und über die in der Einrichtung geltenden Regeln zu informieren.
(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.
(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.
(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn
- 1.
Fluchtgefahr besteht, - 2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder - 3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn
- 1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde, - 3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist, - 4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt, - 5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder - 6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:
- 1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren, - 3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, - 4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, - 5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen, - 6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt, - 7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.
(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.
(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.
(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
- 1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht, - 2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und - 3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er
- 1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder - 2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
Von der Anordnung der Freiheitsentziehung und deren Verlängerung hat das Gericht einen Angehörigen des Betroffenen oder eine Person seines Vertrauens unverzüglich zu benachrichtigen.
BUNDESGERICHTSHOF
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Januar 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. SchmidtRäntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im November 2012 erstmalig in die Bundesrepublik ein, ohne im Besitz der hierfür erforderlichen Papiere zu sein. Seinen Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durch Bescheid vom 3. April 2013 als unzulässig ab. Gleichzeitig ordnete es die Abschiebung nach Schweden an, wo er zuvor ebenfalls einen Asylantrag gestellt hatte. Schweden erklärte sich bereit, ihn im Rahmen der Vorgaben der Dublin-II-Verordnung zurückzunehmen. Nach Zustellung des Bescheids des BAMF tauchte der Betroffene unter und hielt sich nach eigenen Angaben für etwa sechs Monate illegal in Paris auf. In der Nacht vom 21. auf den 22. Oktober 2013 reiste er erneut in das Bundesgebiet ein, um eine Freundin zu besuchen. Nach vorläufiger Festnahme des Betroffenen beantragte die beteiligte Behörde am 22. Oktober 2013, gegen ihn zur Sicherung der Zurückschiebung Abschiebehaft bis zum 19. November 2013 anzuordnen. Im Rahmen der Anhörung vor dem Amtsgericht gab er auf Befragen an, dass von der Inhaftierung niemand benachrichtigt werden sollte. Das Amtsgericht ordnete mit Beschluss vom 22. Oktober 2013 antragsgemäß Abschiebehaft an. Hiergegen hat der Betroffene nach Verkündung des Beschlusses am selben Tag zu Protokoll des Amtsgerichts Beschwerde eingelegt. Nachdem er am 4. November 2013 nach Schweden überstellt worden war, hat er bei dem Landgericht die Feststellung beantragt , dass der Beschluss des Amtsgerichts ihn in seinen Rechten verletzt habe. Das Landgericht hat den Feststellungsantrag zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
- 2
- Nach Auffassung des Beschwerdegerichts waren die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Haftanaordnung gegeben. Es habe ein zulässiger Haftantrag der zuständigen Behörde vorgelegen. Ein Verstoß gegen Art. 104 Abs. 4 GG sei nicht ersichtlich. Ausweislich des Protokolls der Anhörung vor dem Amtsgericht sei der Betroffene darüber belehrt worden, dass Dritte von seiner Inhaftierung unterrichtet werden könnten. Hierauf habe er verzichtet. Nach herrschender Auffassung, der sich die Kammer anschließe, sei ein solcher Verzicht auf die Benachrichtigungspflicht durch den Betroffenen möglich. Eine Vertrauensperson sei dem Amtsgericht auch nicht bekannt gewesen. Angaben des Betroffenen hierzu könnten nicht erzwungen werden. Haftgründe hätten ebenfalls vorgelegen (§ 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 5 AufenthG).
III.
- 3
- 1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Rechtsbeschwerde auch dann ohne Zulassung nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG statthaft, wenn - wie hier - das Beschwerdegericht über einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung nach § 62 Abs. 1 FamFG entschieden hat und in dem Rechtsbeschwerdeverfahren die Überprüfung dieser Entscheidung verlangt wird (Senat, Beschlüsse vom 28. April 2011 - V ZB 292/10, FGPrax 2011, 200 Rn. 9 und vom 6. Oktober 2011 - V ZB 314/10, FGPrax 2012, 44 Rn. 5).
- 4
- 2. In der Sache hat die Rechtsbeschwerde jedoch keinen Erfolg. Die Haftanordnung des Amtsgerichts verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten.
- 5
- a) Von Rechts wegen nicht zu beanstanden sind zunächst die Ausführungen des Beschwerdegerichts zu dem Vorliegen eines zulässigen Haftantrags gemäß § 417 Abs. 2 FamFG. Entsprechendes gilt für die Annahme der Haftgründe des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 5 AufenthG. Insoweit erhebt der Betroffene auch keine Einwendungen.
- 6
- b) Die Rechtswidrigkeit des Haftanordnungsbeschlusses des Amtsgerichts folgt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch nicht aus einer Verletzung von Art. 104 Abs. 4 GG bzw. des hiermit inhaltlich übereinstimmenden § 432 FamFG.
- 7
- aa) Es spricht zunächst bereits viel dafür, dass das Amtsgericht nicht gegen die in Art. 104 Abs. 4 GG angeordnete Pflicht verstoßen hat, von jeder rechtlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung unverzüglich einen Angehörigen des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.
- 8
- (1) Die Ansicht des Beschwerdegerichts, der von dem Betroffenen erklärte Verzicht auf die Benachrichtigungspflicht sei möglich, entspricht der Recht- sprechung des Bundesverfassungsgerichts. Danach ist die Erklärung des Festgehaltenen , von seiner Inhaftierung solle keine Person benachrichtigt werden, allerdings eng auszulegen. Sie bezieht sich auf die erstmalige Anordnung der Haft - nur darum geht es hier - und hat keine Bedeutung für spätere Entscheidungen über ihre Fortdauer (vgl. BVerfGE 16, 119, 122). Auch in Teilen der Literatur wird ein Verzicht grundsätzlich für zulässig erachtet, weil gegenüber der Benachrichtigungspflicht das gleichfalls grundrechtlich geschützte Interesse des Festgehaltenen überwiege, über ihn belastende Tatsachen gerade ihm nahe stehende Personen nicht informiert wissen zu wollen (vgl. v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl., Art. 104 Rn. 39; Prütting/Helms/Jennissen, FamFG, 3. Aufl., § 432 Rn. 3; Marschner/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 5. Aufl., § 432 Rn. 1; aA Schmidt-Bleibtreu/Schmahl, GG, 12. Aufl., Art. 104 Anm. 27; Sachs/Degenhart, GG, 7. Aufl., Art. 104 Rn. 25 f.; BeckOK GG/Radtke, Stand: 1.3.2015, Art. 104 Rn. 18; differenzierend von Mangold/Klein/Gusy, GG, 6. Aufl., Art. 104 Abs. 4 Rn. 71; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl., Art. 104 Rn. 21; Dreier/Schulze-Fielitz, GG, 2. Aufl., Art. 104 Rn 58; Rüping in: BK, Art. 104 Rn. 87 f.: Abwägung im Einzelfall erforderlich).
- 9
- (2) Zudem ist zweifelhaft, ob ein Gericht, dem nach Befragen des Verhafteten weder ein Angehöriger noch eine Vertrauensperson bekannt ist, Nachforschungen anstellen muss (verneinend etwa Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 114c Rn. 4 und BeckOK/Krauß StPO, Edition 23, § 114c Rn. 7, jeweils zu der mit Art. 104 Abs. 4 GG übereinstimmenden Vorschrift des § 114c Abs. 2 StPO; bejahend - zu derselben Vorschrift - KK-StPO/Graf, 7. Aufl., § 114c Rn. 13 und SK-StPO/Paeffgen, 4. Aufl., § 114c Rn. 9). Besteht keine Nachforschungspflicht, hätte das Amtsgericht Art. 104 Abs. 4 GG schon deshalb nicht verletzt, weil ihm nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts eine Vertrauensperson nicht bekannt war.
- 10
- bb) Auf diese Fragen kommt es jedoch nicht an. Die Rechtsbeschwerde hat auch dann keinen Erfolg, wenn zu Gunsten des Betroffenen eine Verletzung seines Rechts aus Art. 104 Abs. 4 GG unterstellt wird. Eine solche Verletzung führt nämlich nicht zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung.
- 11
- (1) Nach Art. 104 Abs. 1 GG kann die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Im vorliegenden Zusammenhang finden sich die maßgeblichen Bestimmungen vorrangig in dem Aufenthaltsgesetz (insbesondere § 62 AufenthG) und in den §§ 415 ff. FamFG. Über die Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung hat gemäß Art. 104 Abs. 2 GG ein Richter zu entscheiden. Wird gegen diese Bestimmungen verstoßen, hat dies die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung zur Folge. Die Erfüllung der in Art. 104 Abs. 4 GG angeordneten Benachrichtigungspflicht ist demgegenüber keine Voraussetzung für die Beschränkung der Freiheit der Person. Sie tritt vielmehr neben dieses Grundrecht und hat einen darüber hinausgehenden , eigenständigen Regelungsgehalt. Art. 104 Abs. 4 GG bezweckt, das „spurlose“ Verschwinden von Personen zu verhindern (vgl. Dreier/Schulze- Fielitz, GG, Band 3, 2. Aufl., Art. 104 Rn 56 f.). Hierbei handelt es sich zum einen um eine objektive Verfahrensverpflichtung des die Haft anordnenden Richters. Ihr entspricht auf der anderen Seite ein subjektives Recht des Festgenommenen auf Benachrichtigung durch den Richter (vgl. BVerfGE 16, 119, 122). Die Verletzung dieses Rechts kann von dem Betroffenen ungeachtet einer etwaigen Verletzung seines Grundrechts auf Freiheit der Person geltend gemacht werden. Auch wenn die Haftanordnung rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. Art. 104 Abs. 1 GG verletzt, kann die Benachrichtigungspflicht gemäß Art. 104 Abs. 4 GG erfüllt worden sein. Umgekehrt können sämtliche Voraussetzungen für die Haftanord- nung vorliegen, die Rechte des Betroffenen aus Art. 104 Abs. 4 GG aber missachtet sein.
- 12
- (2) Dass eine Verletzung der Benachrichtigungspflicht aus Art. 104 Abs. 4 GG nicht zugleich zur Rechtswidrigkeit der Anordnung der Haft führt, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 16, 119, 124; 38, 32, 35; siehe auch Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, NStZ-RR 2000, 185, 187). Liegt ein Verstoß gegen die Benachrichtigungspflicht vor und legt ein Festgehaltener Verfassungsbeschwerde ein, beschränkt sich das Bundesverfassungsgericht auf eine Feststellung der Verletzung des Grundrechts aus Art. 104 Abs. 4 GG. Diese berührt nicht den sachlichen Inhalt der Haftanordnung bzw. der späteren Entscheidungen über ihre Fortdauer (BVerfGE 16, 119, 124; 38, 32, 35).
- 13
- (3) Die von dem Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit einer Verfassungsbeschwerde angestellten Überlegungen gelten im vorliegenden Zusammenhang entsprechend. Ein Betroffener kann deshalb die Aufhebung einer Haftanordnung gemäß §§ 415 ff. FamFG nicht mit der Begründung erreichen , das die Haft anordnende Gericht habe gegen Art. 104 Abs. 4 GG verstoßen. Da ein solcher Verstoß nicht die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung als solche zur Folge hat (vgl. in diesem Sinne auch Prütting/Helms/Jenissen, FamFG, 3. Aufl., § 432 Rn. 5; Marschner/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung , 5. Aufl., § 432 Rn. 4), kann auch - nach Erledigung der Haftanordnung - ein Feststellungsantrag nicht auf die Verletzung von Art. 104 Abs. 4 GG gestützt werden.
- 14
- c) Der Rechtsbeschwerde verhilft es schließlich nicht zum Erfolg, dass ein Festgehaltener die ihm in Art. 104 Abs. 4 GG eingeräumten Rechte mög- licherweise mit einer Beschwerde durchsetzen und bei eingetretener Erledigung einen Feststellungsantrag stellen kann.
- 15
- aa) Vorliegend hat der Betroffene bei dem Beschwerdegericht und auch im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht, jedenfalls nicht ausdrücklich, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der unterbliebenen Benachrichtigung eines Angehörigen oder einer Vertrauensperson beantragt. Seine Rechtsmittel zielen vielmehr darauf festzustellen, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts ihn in seinen Rechten verletzt hat.
- 16
- bb) Es ist auch nicht möglich, den von dem Betroffenen mit der Rechtsbeschwerde gestellten Antrag über seinen Wortlaut hinaus dahingehend erweiternd auszulegen, es solle festgestellt werden, dass das Unterbleiben der Benachrichtigung ihn in seinen Rechten verletzt habe. Eine Rechtsbeschwerde mit diesem Ziel wäre nämlich unzulässig und eine entsprechende Auslegung deshalb nicht interessegerecht.
- 17
- Gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 3, Satz 2 FamFG ist eine Rechtsbeschwerde in Freiheitsentziehungssachen nur dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringung oder die freiheitsentziehende Maßnahme anordnet. Entscheidend ist hierfür nach der Gesetzesbegründung , ob der Beschluss für den Rechtsmittelführer unmittelbar freiheitsentziehende Wirkung hat (vgl. BT-Drucks. 16/1217 S. 60). Dies schließt es zwar nicht aus, eine Rechtsbeschwerde auch dann ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht als statthaft anzusehen, wenn sich die Haftanordnung erledigt hat und die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses beantragt wird (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, MDR 2010, 697 Rn. 9). Geht es jedoch - wie hier - nicht um die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Anordnungsbeschlusses als solche, sondern um die Verletzung sonstiger Rech- te, mögen sie auch im Zusammenhang mit der Haftanordnung stehen, verbleibt es bei der Regel des § 70 Abs. 1 FamFG. Hiernach ist eine Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn sie von dem Beschwerdegericht zugelassen ist. An einer solchen Zulassung fehlt es hier.
IV.
- 18
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 36 Abs. 3 GNotKG in Verbindung mit § 136 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG. Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner Göbel Haberkamp
AG Bingen am Rhein, Entscheidung vom 22.10.2013 - 110 XIV 13/13 B -
LG Mainz, Entscheidung vom 12.12.2013 - 8 T 186/13 -
(1) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, wird mit Rechtskraft wirksam.
(2) Das Gericht kann die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses anordnen. In diesem Fall wird er wirksam, wenn der Beschluss und die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit
- 1.
dem Betroffenen, der zuständigen Verwaltungsbehörde oder dem Verfahrenspfleger bekannt gegeben werden oder - 2.
der Geschäftsstelle des Gerichts zum Zweck der Bekanntgabe übergeben werden.
(3) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, wird von der zuständigen Verwaltungsbehörde vollzogen.
(4) Wird Zurückweisungshaft (§ 15 des Aufenthaltsgesetzes) oder Abschiebungshaft (§ 62 des Aufenthaltsgesetzes) im Wege der Amtshilfe in Justizvollzugsanstalten vollzogen, gelten die §§ 171, 173 bis 175 und 178 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes entsprechend, soweit in § 62a des Aufenthaltsgesetzes für die Abschiebungshaft nichts Abweichendes bestimmt ist.
(1) Auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.
(2) Ein Beschluss, der im Verfahrenskostenhilfeverfahren ergeht, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572, 127 Abs. 2 bis 4 der Zivilprozessordnung anfechtbar.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
BUNDESGERICHTSHOF
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Mai 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richter Dr. Kazele und Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
Gründe:
I.
- 1
- Auf Antrag der beteiligten Behörde ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 30. Juli 2015 gegen den Betroffenen nach dessen Anhörung Abschiebungshaft bis zum 29. September 2015 an. Die gegen den Haftanordnungsbeschluss des Amtsgerichts gerichtete Beschwerde und den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene, der zwischenzeitlich nach Georgien abgeschoben worden ist, die Feststellung erreichen, durch die Haftanordnung in seinen Rechten verletzt zu sein.
II.
- 2
- Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist die Entscheidung des Amtsgerichts nicht verfahrensfehlerhaft ergangen. Der Betroffene sei in dem Anhörungstermin vor dem Amtsgericht darüber informiert worden, dass er jederzeit einen Rechtsanwalt habe konsultieren können. Er habe aber keinen Rechtsanwalt benannt, den er hätte anrufen wollen. Ebenso wenig habe er die 15-minütige Unterbrechung der Anhörung bis zur Verkündung des angefochtenen Beschlusses genutzt, um einen Rechtsanwalt anzurufen. Da er nicht erklärt habe, über kein Geld zu verfügen, habe das Amtsgericht auch keinen Anlass gehabt, ihn auf die Möglichkeit der Beantragung von Verfahrenskostenhilfe hinzuweisen. Es habe davon ausgehen können, dass der Betroffene auf sein Recht auf anwaltlichen Beistand im Anhörungstermin habe verzichten wollen.
III.
- 3
- Die mit dem Feststellungsantrag analog § 62 Abs. 1 FamFG statthafte (§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg. Die Haftanordnung des Amtsgerichts verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten. Insbesondere folgt die Rechtswidrigkeit entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht daraus, dass der Betroffene während seiner Anhörung nicht anwaltlich vertreten war.
- 4
- 1. Allerdings weist die Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts einen Verfahrensfehler auf.
- 5
- a) Ausweislich des in der Rechtsbeschwerde in Bezug genommenen Protokolls der Anhörung „fragte der Betroffene nach einem Anwalt“. Es liegt bei verständiger Würdigung dieser Frage nahe, hierin die konkludente Stellung eines Antrags auf Beiordnung eines Rechtsanwalts im Wege der Verfahrenskostenhilfe zu sehen (§ 76 Abs. 1, § 78 Abs. 2 FamFG). Sie zielte erkennbar auf ein Tätigwerden des Gerichts und beschränkte sich nicht auf die Bitte, dem Betroffenen (nur) die Gelegenheit einzuräumen, sich selbst und auf eigene Kosten eine anwaltliche Vertretung zu beschaffen. Es lagen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Betroffene über die finanziellen Möglichkeiten verfügte, ohne staatliche Unterstützung einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Dass er gegenüber dem Amtsgericht nicht ausdrücklich erklärt hat, kein Geld zu haben, steht, anders, als das Beschwerdegericht meint, der konkludenten Stellung eines Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht entgegen, da auch diese Erklärung in der Bitte um einen Anwalt konkludent enthalten ist. Schließlich spricht für eine dahingehende Auslegung der Erklärung - mittelbar - auch die Frage des Betroffenen unmittelbar nach Bekanntmachung der Haftanordnung , warum er keinen Anwalt erhalten habe. Über den Verfahrenskostenhilfeantrag hätte entschieden werden müssen.
- 6
- b) Das Verfahren des Amtsgerichts wäre aber auch dann zu beanstanden , wenn die Frage nach einem Anwalt nur zum Ziel gehabt hätte, einen Wahlanwalt kontaktieren zu können. In diesem Fall hätte sich das Amtsgericht nicht auf den schlichten Hinweis an den Betroffenen, er können sich jederzeit anwaltlicher Hilfe bedienen, beschränken dürfen. Ebensowenig hätte es genügt, die Anhörung für 15 Minuten für eine Kontaktaufnahme zu einem Rechtsanwalt zu unterbrechen. Der in dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnde Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert dem Betroffenen, sich zur Wahrung seiner Rechte in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmäch- tigten seiner Wahl vertreten zu lassen und billigt ihm das Recht zu, diesen Bevollmächtigten zu der Anhörung hinzuzuziehen (Senat, Beschluss vom 10. Juli 2014 - V ZB 32/14, FGPrax 2014, 228 Rn. 8; siehe auch BVerfG, StV 1994, 552 f.; NJW 1993, 2301 f. - jeweils zur mündlichen Anhörung des Verurteilten im Strafvollstreckungsverfahren). Dies setzt voraus, dass der Betroffene nicht nur theoretisch Kontakt zu einem Wahlanwalt aufnehmen kann, sondern eine solche Kontaktaufnahme effektiv möglich ist. Aus dem Protokoll der Anhörung ist jedoch - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht beanstandet - nicht ersichtlich, in welcher Weise der Betroffene einen Wahlanwalt hätte beauftragen können. Ein Telefonbuch oder eine Liste mit Rechtsanwälten lag ihm nicht vor. Sein Mobiltelefon sollte ihm erst nach Aufnahme in die Abschiebehafteinrichtung wieder ausgehändigt werden. Ein Angebot, von einem freien Fernsprecher im Gerichtsgebäude oder vom Richterzimmer aus zu telefonieren, ist ebenfalls nicht protokolliert.
- 7
- c) Keinesfalls konnte das Amtsgericht nach der 15-minütigen Unterbrechung davon ausgehen, dass der Betroffene auf anwaltlichen Beistand verzichten wollte, wie das Beschwerdegericht annimmt. An einen solchen Verzicht sind strenge Anforderungen zu stellen, die hier nicht erfüllt sind. Auch nach der Unterbrechung der Anhörung stand die Bitte des Betroffenen um einen Anwalt im Raum. Sowohl zur Gewährung rechtlichen Gehörs als auch zur Wahrung eines fairen Verfahrens hätte das Amtsgericht zumindest bei dem Betroffenen nachfragen müssen, ob die Kontaktaufnahme zu einem Anwalt erfolgreich war und ob er weiter auf der Teilnahme eines Anwalts bestehe. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte die Möglichkeit einer Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe erörtert werden müssen.
- 8
- 2. Der Verfahrensfehler des Amtsgerichts führt hier jedoch nicht zur Rechtwidrigkeit der Haft, so dass sich die Entscheidung des Beschwerdegerichts aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 74 Abs. 2 FamFG).
- 9
- a) Grundsätzlich kommt die Aufhebung der Haftanordnung oder (nach Erledigung) die Feststellung der Rechtswidrigkeit wegen eines Verfahrensfehlers nur in Betracht, wenn das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Grund hierfür ist, dass gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine Rechtsbeschwerde nur darauf gestützt werden kann, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. Dies erfordert , wenn - wie hier - kein Fall eines absoluten Beschwerdegrundes i.S.d. § 72 Abs. 3 FamFG i.V.m. § 547 ZPO vorliegt, entsprechende Darlegungen in der Rechtsbeschwerde zur Ursächlichkeit des Verfahrensfehlers für die Entscheidung. Hieran fehlt es. Dass der Betroffene bei der von ihm gewünschten anwaltlichen Vertretung während der Anhörung tatsächliche oder rechtliche Umstände mit der Folge vorgebracht hätte, dass die Haftanordnung nicht ergangen oder von dem Beschwerdegericht aufgehoben worden wäre, ergibt sich aus der Begründung der Rechtsbeschwerde nicht.
- 10
- b) Da gemäß Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG die Freiheit der Person nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden kann, kommt es auf die Ergebnisrelevanz des Verfahrensfehlers allerdings nicht an, wenn die verletzte Verfahrensvorschrift eine Voraussetzung für den Erlass der freiheitsentziehenden Maßnahme darstellt. Dies ist bei der erstinstanzlich gebotenen Anhörung des Betroffenen (§ 420 Abs.1 FamFG) der Fall. Fehlt sie, führt dies ohne Rücksicht auf die inhaltliche Richtigkeit der Haftanordnung zu deren Rechtswidrigkeit. Rechtlich gleich zu behandeln ist der Fall, dass eine Anhörung zwar stattgefunden hat, hierbei dem Gericht jedoch ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, der die Grundlagen der Anhörung betrifft und ihr den Charakter einer „Nichtanhörung“ verleiht (vgl. näher Senat, Beschluss vom 18. Februar 2016 - V ZB 23/15, juris Rn. 26). Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10. September 2013 (Rs. C-383/13 - PPU - G. and R., ECLI:EU:C:2013:533 Rn. 44 f.) ändert an dieser Unterscheidung nichts, weil der deutsche Gesetzgeber unionsrechtlich nicht gehindert ist, die persönliche Anhörung des Betroffenen als eine Voraussetzung für die Anordnung von Sicherungshaft einzuführen (Senat, Beschluss vom 18. Februar 2016 - V ZB 23/15, juris Rn. 25).
- 11
- c) Der Verfahrensfehler des Amtsgerichts hat aber nicht ein solches Ge- wicht, dass die Anhörung als „Nichtanhörung“ zu qualifizieren wäre.
- 12
- aa) Dies gilt zunächst für den Fall, dass die Frage des Betroffenen nach einem Anwalt naheliegend als konkludenter Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (§ 76 Abs. 1 FamFG) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu verstehen wäre und das Amtsgericht deshalb verfahrenswidrig über einen solchen Antrag nicht entschieden hat.
- 13
- (1) Nach der Rechtsprechung des Senats ist einem unbemittelten Betroffenen , dem nach § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen ist, in der Regel auch ein Rechtsanwalt nach § 78 Abs. 2 FamFG beizuordnen. Hat das Gericht dem Betroffenen Verfahrenskostenhilfe bewilligt, den Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts jedoch rechtsfehlerhaft abgelehnt und die Anhörung des Betroffenen ohne Beisein eines Rechtsanwalts durchgeführt, drückt eine solche Anhörung der Anordnung oder der Fortsetzung der Haft den Makel der Grundrechtsverletzung (Art. 104 Abs. 1 GG) auf (Senat, Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 138/12, FGPrax 2013, 132 Rn. 12 ff.; Beschluss vom 12. September 2013 - V ZB 121/12, InfAuslR 2014, 6 Rn. 11).
- 14
- (2) Hier hätte das Amtsgericht jedoch bereits den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückweisen müssen, so dass die Anwesenheit eines Anwalts während der Anhörung nicht geboten war.
- 15
- (a) Gemäß § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO setzt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe neben der Bedürftigkeit des Betroffenen voraus , dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Da das Prozesskostenhilfe - bzw. Verfahrenskostenhilfeverfahren nicht dem Zweck dient, über zweifelhafte Rechtsfragen abschließend vorweg zu entscheiden, darf ein Gericht zwar die Erfolgsaussicht nicht verneinen, wenn eine solche Rechtsfrage zu klären ist, auch wenn das Gericht in der Sache zu Ungunsten des Antragstellers entscheiden möchte (vgl. nur BVerfG, NJW 2013, 1148, 1150; BGH, Beschluss vom 8. Mai 2013 - XII ZB 624/12, NJW 2013, 2198 Rn. 8 mwN). Entsprechendes muss dann gelten, wenn sich in tatsächlicher Hinsicht schwierige und komplexe Fragen stellen.
- 16
- (b) Vorliegend bot die Rechtsverteidigung des Betroffenen aber keine Aussicht auf Erfolg, weil sämtliche Voraussetzungen für die Haftanordnung vorlagen und sich auch keine zweifelhaften Rechts- oder Tatsachenfragen stellten, die unter dem Gesichtspunkt der in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auch ohne Vorliegen von Erfolgsaussicht im engeren Sinne gebieten würde.
- 17
- (c) Aus Art. 9 Abs. 6 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 26. Juni 2013 (Aufnahmerichtlinie) ergibt sich kein weitergehendes Recht des Betroffenen auf Beiordnung eines Rechtsanwalts auch ohne Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung. Nach ihrem Wortlaut wird die unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung nur für den Fall „einer gerichtlichen Überprüfung der Haftanordnung“ gefordert, nicht jedoch bereits für die Verteidigung gegen einen von der Behörde gestellten Haftantrag. Unabhängig davon entspricht die derzeitige Regelung der Verfahrenskostenhilfe den Vorgaben des Art. 9 Abs. 6 bis 8 der Richtlinie. Gemäß Art. 9 Abs. 8 b) der Richtlinie können die Mitgliedsstaaten nämlich vorsehen, dass Antragstellern hinsichtlich der Gebühren und anderen Kosten keine günstigere Behandlung zuteil wird, als sie den eigenen Staatsangehörigen in Fragen der Rechtsberatung im Allgemeinen gewährt wird. So verhält es sich bei den Vorschriften der § 76 Abs. 1 FamFG, § 114 Abs. 1 ZPO; sie setzen eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung voraus und gelten in gleicher Weise für deutsche und ausländische Staatsangehörige.
- 18
- Der Senat ist nicht verpflichtet, die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV vorzulegen, da die zitierten Vorschriften der Richtlinie in dem hier interessierenden Zusammenhang klar und eindeutig sind. Bei solchen Vorschriften besteht eine unionsrechtliche Pflicht zur Vorlage nicht (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. 283/81 - C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415 Rn. 16).
- 19
- bb) Die Grundlagen der gemäß § 420 Abs. 1 FamFG vorgeschriebenen Anhörung sind auch dann nicht berührt, wenn die Frage des Betroffenen nach einem Anwalt als Bitte zu verstehen gewesen wäre, ihm die Kontaktaufnahme mit einem Wahlanwalt zu ermöglichen.
- 20
- (1) Allerdings weist die Rechtsbeschwerde im Ausganspunkt zu Recht darauf hin, dass der Grundsatz des fairen Verfahrens einem Betroffenen garantiert , sich zur Wahrung seiner Rechte in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und ihm das Recht zubilligt, diesen Bevollmächtigten zu der Anhörung hinzuzuziehen (Senat, Beschluss vom 10. Juli 2014 - V ZB 32/14, FGPrax 2014, 228 Rn. 8; siehe auch BVerfG, StV 1994, 552 f.; NJW 1993, 2301 f.; Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, NJW 2001, 2533, 2534 - jeweils zur mündlichen Anhörung des Verurteilten im Strafvollstreckungsverfahren). Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, indem es etwa einen Verlegungsantrag des Bevollmächtigten nicht berücksichtigt , kann dies nach der Rechtsprechung des Senats zur Rechtswidrigkeit der Haft führen (Senat, aaO, Rn. 12).
- 21
- (2) Hier lässt sich jedoch bereits nicht feststellen, dass der Betroffene in der Lage gewesen wäre, einen Wahlanwalt zu finden, der bereit gewesen wäre, an der Anhörung teilzunehmen, wenn das Amtsgericht ihm ein Telefonbuch oder eine Liste mit Rechtsanwälten zur Verfügung gestellt hätte und ihn hätte telefonieren lassen. Dass er bereits im Zeitpunkt der Anhörung anwaltlich vertreten war, wird in der Rechtsbeschwerde nicht behauptet. Ebensowenig wird dargelegt, ob der Betroffene über die finanziellen Mittel verfügte, einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung zu beauftragen. Hiergegen spricht der im Beschwerdeverfahren gestellte Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, der eine Bedürftigkeit des Betroffenen voraussetzt. Da schließlich der Betroffene keinen Rechtsanwalt benennt, der zu seiner unentgeltlichen Vertretung bereit gewesen wäre, kann nicht angenommen werden, dass das Amtsgericht durch seine Verfahrensweise die Teilnahme eines Rechtsanwalts an der Anhörung vereitelt hat.
- 22
- 3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.
Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Borken, Entscheidung vom 30.07.2015 - 29 XIV (B) 15/15 -
LG Münster, Entscheidung vom 21.09.2015 - 5 T 558/15 -
Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Geschäftswert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden bei einer Rechtsbeschwerde innerhalb der Frist für die Begründung Anträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Wert ist durch den Geschäftswert des ersten Rechtszugs begrenzt. Dies gilt nicht, soweit der Gegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde ist Gegenstandswert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.