Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 10. März 2016 - 5 Sa 402/15

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2016:0310.5SA402.15.0A
10.03.2016

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 17. Juni 2015, Az. 1 Ca 618/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die zutreffende Eingruppierung und Stufenzuordnung des Klägers.

2

Der 1988 geborene Kläger hat eine dreijährige Berufsausbildung zum Landwirt erfolgreich abgeschlossen. Er wurde von der Beklagten mit Wirkung ab 12.11.2012 als "Mitarbeiter in der Abteilung Landwirtschaft" eingestellt. Zuvor war er vom 21.06.2010 bis 31.10.2012 bei der Beklagten als Aushilfe im Bereich Gartenbau befristet beschäftigt. Die Beklagte ist ein soziales Dienstleistungsunternehmen für Menschen mit Behinderungen; sie beschäftigt ca. 550 Arbeitnehmer. Zu ihren Einrichtungen gehören ua. eine Landwirtschaft mit Grünland und Acker (ca. 80 Hektar), eine Gärtnerei sowie eine Pferdehaltung/-pension mit ca. 50 Pferden. Im Bereich Landschaftspflege bietet die Beklagte ihren Kunden Dienste wie Rasenmähen, Heckenschnitt etc. an. Die Beklagte ist Mitglied der Landestarifgemeinschaft des DRK in Rheinland-Pfalz und tarifgebunden an den DRK-Reformtarifvertrag (DRK-RTV). Ob die Beklagte auch Mitglied des landwirtschaftlichen Arbeitgeberverbandes Rheinland-Nassau ist, ist streitig.

3

Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 08.11.2012 haben die Parteien die Anwendbarkeit der Lohntarifverträge für Landwirtschaft und Weinbau in Rheinland-Nassau vereinbart. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers wurde auf 40 Stunden festgelegt. Sein Stundenlohn betrug zuletzt € 10,42 brutto. Der Kläger ist seit 01.01.2014 Mitglied der Gewerkschaft ver.di und seither an den DRK-RTV gebunden. Nach § 12 Abs. 1 DRK-RTV beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 39 Stunden.

4

Der DRK-TV regelt die Eingruppierung auszugsweise wie folgt:

5

"§ 17 Eingruppierung

6

(1) Der Mitarbeiter ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die Tätigkeitsmerkmale ergeben sich aus den Anlagen 6a bis 6c (Entgeltordnung), welche Bestandteil dieses Tarifvertrages sind. …"

7

Die Anlage 6a hat - soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung - folgenden Wortlaut:

8

"Entgeltgruppe 5

9

1) Beschäftigte mit einer abgeschlossenen dreijährigen Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf und entsprechender Tätigkeit, soweit nicht höher eingruppiert.

10

Entgeltgruppe 2
1) Beschäftigte … mit einfacheren Arbeiten …"

11

Der DRK-TV regelt die Stufenzuordnung auszugsweise wie folgt:

12

"§ 20 Stufen der Entgelttabelle

13

(1) Die Entgeltgruppen 9 bis 15 umfassen fünf Stufen und die Entgeltgruppen 2 bis 8 sechs Stufen. ...

14

(2) Bei Einstellung in eine der Entgeltgruppen 2 bis 15 werden die Mitarbeiter der Stufe 1 zugeordnet. …

15

(3) Die Mitarbeiter erreichen die jeweils nächste Stufe […] nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit):

16

Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1,
Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2,

17

§ 21 Allgemeine Regelungen zu den Stufen

18


(3) Den Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit im Sinne des § 20 Abs. 3 stehen gleich:

19

a) Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz,
b) Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit nach § 25 bis zu 26 Wochen,
c) Zeiten eines bezahlten Urlaubs,
d) Zeiten einer sonstigen Unterbrechung von weniger als einem Monat im Kalenderjahr.

20

(4) Bei Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe werden die Mitarbeiter derjenigen Stufe zugeordnet, in der sie mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhalten, mindestens jedoch der Stufe 2; ... Bei einer Eingruppierung in eine niedrigere Entgeltgruppe ist der Mitarbeiter der in der höheren Entgeltgruppe erreichten Stufe zuzuordnen. … "

21

Mit seiner am 27.05.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage macht der Kläger nach vergeblicher Geltendmachung rückwirkend ab Januar 2014 Vergütung nach Entgeltgruppe 5 Ziff. 1 der Anlage 6a zum DRK-RTV geltend. Außerdem verlangt er eine Zuordnung in Stufe 3 der Entgelttabelle. Die Differenz zu seiner bisherigen Vergütung beträgt monatlich € 543,60 brutto (€ 2.310,50 statt € 1.766,91). Darüber hinaus begehrt er für 21 Stunden Freizeitausgleich (39 statt 40 Wochenstunden) von Januar bis Mai 2014 sowie die Beschäftigung in der 39-Stunden-Woche. Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 17.06.2015 Bezug genommen.

22

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

23

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn (für Januar bis Mai 2014) € 2.718,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

24

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn ab 01.06.2014 nach dem DRK-RTV gem. der Anlage 6 Entgeltgruppe 5 Nr. 1 Stufe 3 zu vergüten,

25

3. die Beklagte zu verurteilen, ihm 21 Stunden Freizeitausgleich (für Januar bis Mai 2014) zu gewähren,

26

4. die Beklagte zu verurteilten, ihn ab 01.06.2014 39 Stunden wöchentlich als Mitarbeiter in der Abteilung Landwirtschaft zu beschäftigen.

27

Die Beklagte hat beantragt,

28

die Klage abzuweisen.

29

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 17.06.2015 stattgegeben und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finde seit 01.01.2014 der DRK-RTV Anwendung. Der Kläger könne gem. § 17 DRK-RTV ab 01.01.2014 Vergütung nach Entgeltgruppe 5 Ziff. 1 der Anlage 6a zum DRK-RTV beanspruchen, weil er eine dreijährige Berufsausbildung zum Landwirt abgeschlossen habe und auch mit "entsprechender Tätigkeit" beschäftigt werde. Die Tätigkeiten, die der Kläger unstreitig ausübe, seien allesamt dem Bereich der Landwirtschaft zuzuordnen. Der Kläger sei gem. § 20 DRK-RTV ab 01.01.2014 in Stufe 3 einzustufen, weil er bei der Beklagten bereits seit 2010 beschäftigt sei. Es sei für die Einstufung nach Tätigkeitsjahren unerheblich, dass beiderseitige Tarifbindung erst ab 01.01.2014 bestehe. Der Kläger habe auch Anspruch auf Freizeitausgleich im eingeklagten Umfang, weil der DRK-RTV eine wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden vorsehe. Da er unstreitig 40 Wochenstunden gearbeitet habe, sei ihm ab 01.01.2014 für eine Überstunde pro Woche gem. § 14 DRK-TV Freizeitausgleich zu gewähren. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 17.06.2015 Bezug genommen.

30

Gegen das am 11.08.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 08.09.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 09.10.2015 eingegangenem Schriftsatz begründet.

31

Sie macht geltend, der Kläger könne kein Entgelt nach Entgeltgruppe 5 Ziff. 1 DRK-RTV beanspruchen. Er werde ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrags als "Mitarbeiter in der Abteilung Landwirtschaft" und nicht als ausgebildeter Landwirt beschäftigt. Für die Eingruppierung sei die ausgeübte Tätigkeit und nicht allein eine bestimmte Berufsausbildung maßgeblich. Der Kläger übe lediglich landwirtschaftliche Hilfstätigkeiten aus, für die keine Ausbildung zum Landwirt erforderlich sei. Futterbehälter mit Heu füllen, Pferdeboxen ausmisten und einstreuen, Rasenmähen, Grünabfall machen und laden, Mitwirken bei der Getreideernte und beim Getreidetransport, Mulchen, Ausliefern, Staplerfahren und ähnliches seien keine Tätigkeiten, die nur ein dreijährig ausgebildeter Landwirt ausüben könne. Auch das Schneiden von Bäumen und Hecken könne von einer angelernten Hilfskraft verrichtet werden. Maßgeblich sei auch, dass der Kläger praktisch überhaupt nicht selbst beurteilen und entscheiden müsse, welche Tätigkeiten er wann durchführe, er werde vielmehr von seinen Vorgesetzten im Bereich der Landwirtschaft, der Landschaftspflege oder der Pferdepension immer für bestimmte Arbeiten eingeteilt. Er werde konkret beauftragt, was er am Arbeitstag vormittags und nachmittags tun solle. Ihm werde bspw. auch vorgegeben, welchen Dünger oder welches Pflanzenschutzmittel er in welcher Dosierung auszubringen habe. Bei der Verwendung von Maschinen bspw. für Mulcharbeiten werde er konkret auf die erforderlichen Kontrollintervalle für die Schmiernippel (alle zwei Stunden) und den Ölstand (zwei Mal täglich) hingewiesen. Die Tätigkeit des Klägers entspreche daher der Entgeltgruppe 2 ("einfache Arbeiten").

32

Der Kläger sei ab dem 01.01.2014 nicht in Stufe 3, sondern in Stufe 1 der Entgelttabelle einzuordnen, weil der DRK-RTV erst seit Januar 2014 kraft beiderseitiger Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde. § 20 DRK-TV stelle für den Stufenaufstieg nicht auf die Betriebszugehörigkeit, sondern auf die innerhalb einer Entgeltgruppe zurückgelegten Zeiten ab. Die Stufenlaufzeit könne folglich nur zurückgelegt werden, wenn der DRK-RTV auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde.

33

Der Kläger habe keinen Anspruch auf 21 Stunden Freizeitausgleich. Dass im Arbeitsvertrag eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden vereinbart sei, diese aber nach DRK-RTV nur durchschnittlich 39 Stunden betrage, rechtfertige nicht ohne weiteres die Annahme, der Kläger habe pro Woche eine Überstunde geleistet. Der Kläger hätte deshalb darlegen müssen, dass er in der Zeit vom 01.01. bis 31.05.2014 tatsächlich 40 Stunden pro Woche gearbeitet habe. Für die Verurteilung gem. Ziff. 4 des Tenors bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, denn sie habe den Kläger stets vertragsgemäß beschäftigt.

34

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

35

das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 17.06.2015, Az. 1 Ca 618/14, abzuändern und die Klage abzuweisen.

36

Der Kläger beantragt,

37

die Berufung zurückzuweisen.

38

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

39

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

II.

40

Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat ab 01.01.2014 Anspruch auf die begehrte Vergütung nach Entgeltgruppe 5 Ziff. 1 der Anlage 6a zu § 17 DRK-RTV und auf eine Zuordnung in Stufe 3 der Entgelttabelle. Er kann eine Beschäftigung in der 39-Stunden-Woche und Freizeitausgleich für 21 Stunden verlangen.

41

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung ab 01.01.2014 die Bestimmungen des Reformtarifvertrages über die Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-RTV) mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Der Kläger ist seit 01.01.2014 Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Die Beklagte ist als Mitglied der D. in Rheinland-Pfalz an den DRK-RTV gebunden.

42

Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die im schriftlichen Arbeitsvertrag vereinbarte Bezugnahme auf die Bestimmungen des Lohntarifvertrages für Landwirtschaft und Weinbau in Rheinland-Nassau nicht zur Tarifkonkurrenz führt. Die Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen (vgl. BAG 10.12.2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 41 mwN). Hiernach treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter einzelvertragliche Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück. Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber dem Tarifvertrag enthält, ergibt ein Vergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung (sog. Günstigkeitsvergleich). Die Würdigung des Arbeitsgerichts, dass die normativ geltenden Regelungen des DRK-RTV für den Kläger günstiger sind als die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Regelungen des Lohntarifvertrages für Landwirtschaft und Weinbau in Rheinland-Nassau greift die Berufung nicht an. Sie lässt auch keine Fehler erkennen.

43

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte auch Mitglied des landwirtschaftlichen Arbeitgeberverbandes Rheinland-Nassau ist, was der Kläger bestreitet. Das BAG hat seine Rechtsprechung zur Auflösung einer Tarifpluralität (Tarifmehrheit) nach dem Grundsatz der Tarifeinheit zu Gunsten des spezielleren Tarifvertrages im Falle einer unmittelbaren Tarifgebundenheit des Arbeitgebers aufgegeben (vgl. BAG 07.07.2010 - 4 AZR 549/08 - Rn. 21 ff). Da im Streitfall beide Parteien ab 01.01.2014 an den DRK-RTV gebunden sind, gilt dieser aufgrund unmittelbarer und zwingender Wirkung nach § 4 Abs. 1 TVG. Das wird auch von der Berufung nicht in Abrede gestellt. Die - durch das am 10.07.2015 in Kraft getretene Gesetz zur Tarifeinheit - eingefügte Kollisionsregel des § 4a TVG ist gem. § 13 Abs. 3 TVG nicht anwendbar.

44

2. Dem Kläger steht ab 01.01.2014 eine Vergütung nach Entgeltgruppe 5 Ziff. 1 der Anlage 6a zu § 17 DRK-RTV zu. Er hat deshalb für die Zeit von Januar bis Mai 2014 Anspruch auf Zahlung der Vergütungsdifferenz in eingeklagter Höhe von € 2.718,00 brutto (5 x € 543,60) nebst Prozesszinsen (Klageantrag zu 1). Für die Zeit ab 01.06.2014 kann er die Feststellung einer entsprechenden Eingruppierung verlangen (Klageantrag zu 2). Die Eingruppierungsfeststellungsklage ist auch außerhalb des öffentlichen Dienstes allgemein üblich und begegnet für den Bereich des Deutschen Roten Kreuzes keinen prozessrechtlichen Bedenken. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass sie sich zum Teil - ab 01.06.2014 - auf einen abgeschlossenen Zeitraum in der Vergangenheit bezieht (vgl. BAG 23.09.2009 - 4 AZR 347/08 - Rn. 12).

45

Nach § 17 Abs. 1 DRK-RTV ist der Mitarbeiter in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die Tätigkeitsmerkmale ergeben sich aus den Anlagen 6a bis 6c (Entgeltordnung), welche Bestandteil des Tarifvertrages sind. Nach Anlage 6a sind in Entgeltgruppe 5 Ziff. 1 eingruppiert: "Beschäftigte mit einer abgeschlossenen dreijährigen Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf und entsprechender Tätigkeit, soweit nicht höher eingruppiert."

46

Der Kläger hat unstreitig eine dreijährige Berufsausbildung zum Landwirt, einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf, erfolgreich abgeschlossen. Entgegen der Ansicht der Berufung erfüllt er auch das Merkmal mit "entsprechender Tätigkeit". Eine "entsprechende Tätigkeit" liegt nach der gefestigten Rechtsprechung des BAG, der die Berufungskammer folgt, dann vor, wenn die Tätigkeit des Mitarbeiters sich auf die konkrete Fachrichtung der jeweiligen Ausbildung bezieht und die Tätigkeit die durch die Ausbildung erworbenen Fachkenntnisse gerade erfordert. Nicht ausreichend ist es, wenn die entsprechenden Kenntnisse des Angestellten für seinen Aufgabenbereich nützlich oder wünschenswert sind. Die Tätigkeit entspricht vielmehr nur dann der absolvierten Ausbildung, wenn die Ausbildung das adäquate und zur Ausübung der geschuldeten Tätigkeit befähigende Mittel ist. Aus diesem Grunde müssen die Kenntnisse für die Erledigung der dem Mitarbeiter übertragenen Aufgaben erforderlich, dh. notwendig sein (so schon BAG 28.01.1998 - 4 AZR 164/96 - Rn. 39 mwN; vgl. auch BAG 29.08.2007 - 4 AZR 571/06 - Rn. 27 mwN).

47

Im Streitfall hat der Kläger hinreichend substantiiert dargelegt, dass seine abgeschlossene Berufsausbildung zum Landwirt für die Ausübung der ihm übertragenen Tätigkeiten im Bereich der Landwirtschaft, der Landschaftspflege und der Pferdepension erforderlich ist. Nach der Verordnung über die Berufsausbildung zum Landwirt vom 31.01.1995 (BGBl. I S. 168) sind - auszugsweise - folgende Fertigkeiten und Kenntnisse in der betrieblichen Ausbildung zu vermitteln:

48

"…
2. Techniken und Organisation der betrieblichen Arbeit, Produktion und Vermarktung

49

2.1 Handhaben und Instandhalten von Maschinen, Geräten und Betriebseinrichtungen
2.2 Wahrnehmen und Beurteilen von Vorgängen; Beschaffen und Auswerten von Informationen
2.3 Planen der Produktion sowie Vorbereiten und Kontrollieren der Arbeiten
2.4 Abwickeln von Geschäftsvorgängen und Erfassen marktwirtschaftlicher Zusammenhänge

50

3. Pflanzenproduktion

51

3.1 Bearbeiten und Pflegen des Bodens; Erhalten einer nachhaltigen Bodenfruchtbarkeit
3.2 Bestellen und Pflegen von Pflanzen; rationelles und umweltverträgliches Führen von Kulturen
3.3 Ernten und Verwerten pflanzlicher Produkte

52

4. Tierproduktion

53

4.1 Versorgen von Tieren; rationelles, tiergerechtes und umweltverträgliches Halten
4.2 Nutzen von Tieren
…."

54

Diesem Berufsbild entspricht die ausgeübte Tätigkeit des Klägers, der laut Arbeitsvertrag als "Mitarbeiter in der Landwirtschaft" eingestellt worden ist. Der Kläger hat in der Pferdepension Futterbehälter mit Heu zu füllen sowie die Pferdeboxen auszumisten und einzustreuen. Das Tränken, Füttern und Pflegen von Tieren sowie das Reinigen von Stallungen und deren Einrichtungen gehört zum Berufsbild des Landwirts. Der Kläger wirkt weiterhin im Bereich Landwirtschaft bei der Getreideernte und dem Getreidetransport mit. Das Bergen und der Transport von Erntegut, das Bedienen von Erntemaschinen und -geräten gehört ebenso wie das Ausbringen von Dünger und Pflanzenschutzmitteln zum typischen Berufsbild des Landwirts. Dasselbe trifft im Bereich Landschaftspflege auf den Baum- und Heckenschnitt, den Rasenschnitt, das Mulchen und das Sammeln und Entsorgen von Grünabfällen zu. Auch die Versorgung von landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten mit Schmierstoffen (Schmiernippel kontrollieren, Ölstand prüfen) gehört zum Berufsbild.

55

Dass diese landwirtschaftlichen Tätigkeiten nach Ansicht der Beklagten auch von einer angelernten Hilfskraft verrichtet werden könnten, ist unerheblich. Wesentlich ist, dass die Tätigkeit des Klägers dem typischen Berufsbild des erlernten Berufs entspricht und für seinen Aufgabenbereich nicht lediglich nützlich oder wünschenswert ist. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger nach dem Vortrag der Beklagten von seinen Vorgesetzten im Bereich der Landwirtschaft, der Landschaftspflege oder der Pferdepension immer für bestimmte Arbeiten eingeteilt wird. Es für die Frage, ob der Kläger mit seiner Ausbildung entsprechenden Tätigkeiten beschäftigt wird, ohne Belang, dass er von seinen Vorgesetzten konkret beauftragt wird, was er am Arbeitstag vormittags und nachmittags tun solle. Gegen eine seinem Ausbildungsberuf entsprechende Tätigkeit spricht auch nicht, dass ihm bspw. konkret vorgegeben wird, welchen Dünger oder welches Pflanzenschutzmittel er in welcher Dosierung auszubringen hat. Der Kläger ist kein selbständiger Landwirt, sondern abhängig beschäftigter Arbeitnehmer, der dem Weisungsrecht der Beklagten (§ 106 GewO) unterliegt. Der Umstand, dass die Beklagte dem Kläger bestimmte Aufgaben unter Verwendung bestimmter Arbeitsmittel zuweisen und den Ort und die Zeit ihrer Erledigung verbindlich festlegen kann, steht einer Eingruppierung als Landwirt mit "entsprechender Tätigkeit" nicht entgegen. Wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend angenommen hat, verlangt eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 5 Ziff. 1 der Anlage 6a DRK-RTV nicht, dass der Mitarbeiter eine Vorgesetztenfunktion innehaben oder seine Aufgaben frei von fachlichen Einzelweisungen erledigen müsste.

56

Aus der Entscheidung des BAG zur Eingruppierung einer Architektin (BAG 18.04.2012 - 4 AZR 441/10) kann die Beklagte nicht herleiten, dass sie den Kläger trotz seiner abgeschlossenen Berufsausbildung zum Landwirt wie einen angelernten Hilfsarbeiter vergüten kann. Im entschiedenen Fall ging es darum, ob die Fachkenntnisse eines wissenschaftlichen Hochschulabschlusses für die übertragene Tätigkeit erforderlich waren. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt hier nicht vor. Im Streitfall gehören sämtliche Tätigkeiten, die der Kläger ausübt, nach der einschlägigen Verordnung zum Berufsbild des Landwirts.

57

Hinzu kommt, dass der Kläger, wenn er zusammen mit mehreren behinderten Menschen außerhalb der Einrichtung arbeitet, um bspw. bei einem Kunden der Beklagten Rasen zu mähen oder Hecken zu schneiden, selbst nach dem Vorbringen der Beklagten "gewisse" Aufsichtsfunktionen wahrnehmen muss. Dem Kläger obliegt damit eine höhere Verantwortung, weil er dafür Sorge zu tragen hat, dass Aufsichtsbedürftige nicht sich selbst schaden und nicht durch andere körperlichen Schaden erleiden und dass sie nicht anderen körperlichen Schaden zufügen. Das setzt die Kenntnis und die Anwendung von berufsbezogenen Arbeitsschutzvorschriften voraus, die in der Berufsausbildung zum Landwirt vermittelt werden. Gerade beim Umgang mit landwirtschaftlichen Anlagen, Maschinen und Geräten ist die Arbeitssicherheit zu beachten. Von den für die Sicherheit der (behinderten) Beschäftigten auf einer Arbeitsstelle Verantwortlichen ist die Kenntnis der zu beachtenden Sicherheitsbestimmungen zu fordern, deren Beachtung bei einer ungelernten Hilfskraft nicht vorausgesetzt werden kann.

58

3. Der Kläger hat ab 01.01.2014 gem. § 20 DRK-RTV einen Anspruch auf Zuordnung in Stufe 3 der Entgelttabelle (Klageantrag zu 3). Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

59

Der Kläger hat die erforderliche Stufenlaufzeit zurückgelegt. Nach § 20 Abs. 2 DRK-RTV wird ein Mitarbeiter bei seiner Einstellung in eine der Entgeltgruppen 2 bis 15 der Stufe 1 zugeordnet. Der Mitarbeiter erreicht die Stufe 2 nach einer Stufenlaufzeit von einem Jahr, die Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2. Der Kläger ist am 21.06.2010 von der Beklagten eingestellt worden. Es ist unschädlich, dass das Arbeitsverhältnis zunächst bis zum 31.10.2012 befristet war und am 12.11.2012 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden ist. Nach § 21 Abs. 3d DRK-RTV steht eine "sonstige Unterbrechung" von weniger als einem Monat im Kalenderjahr einer ununterbrochenen Tätigkeit iSd. § 20 Abs. 3 DRK-TV nicht entgegen. Die sonstige Unterbrechung betrug hier lediglich 11 Kalendertage.

60

Entgegen der Ansicht der Berufung beginnt die Stufenlaufzeit nicht erst am 01.01.2014 zu laufen. Zwar findet der DRK-RTV erst ab diesem Tag kraft beiderseitiger Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Der Tag des Gewerkschaftseintritts des Klägers ist jedoch nicht als Einstellungsdatum zu behandeln mit der Folge, dass der Kläger der Stufe 1 zuzuordnen wäre. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass für die Einstufung nach Tätigkeitsjahren unerheblich ist, dass beiderseitige Tarifbindung erst ab 01.01.2014 besteht. Der Stufenaufstieg im Entgeltsystem des DRK-RTV soll ersichtlich die gewonnene Berufserfahrung honorieren. Die Tarifvertragsparteien sind davon ausgegangen, dass die Mitarbeiter durch die Ausübung der ihnen übertragenen Tätigkeit laufend Kenntnisse und Erfahrungen sammeln, die die Arbeitsqualität und -quantität verbessern (vgl. BAG 27.01.2011 - 6 AZR 526/09 - Rn. 35 zu einer ähnlichen Regelung im TVöD).

61

Soweit der Tarifvertrag für die Stufenlaufzeit auf eine ununterbrochene Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe abstellt, ist daraus entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zu folgern, dass der Mitarbeiter bereits bei seiner Einstellung Gewerkschaftsmitglied sein müsste. Der Begriff „Einstellung“ iSd. § 20 Abs. 2 Satz 1 DRK-TV bringt zum Ausdruck, dass ein Arbeitnehmer angestellt bzw. in ein Arbeitsverhältnis genommen wird. Eine Einstellung, die eine Stufenzuordnung iSd. § 20 Abs. 2 Satz 1 DRK-TV erforderlich macht, liegt bei jeder, auch wiederholten Begründung eines Arbeitsverhältnisses vor (vgl. BAG 16.04.2015 - 6 AZR 142/14 - Rn. 35 mwN zu einer ähnlichen Regelung im TVöD). Die Tarifvertragsparteien können zwar ohne weiteres eine bestimmte vorherige Dauer der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft als zusätzliche Anspruchsvoraussetzung formulieren und als zulässiges Differenzierungskriterium vereinbaren (vgl. BAG 15.04.2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 35 mwN; BAG 21.08.2013 - 4 AZR 861/11 - Rn. 22 mwN). Die vorliegende Tarifregelung differenziert jedoch ersichtlich nicht zwischen verschiedenen Gruppen von Gewerkschaftsmitgliedern.

62

4. Der Kläger hat ab 01.01.2014, dem Tag seines Gewerkschaftseintritts, gem. § 12 DRK-TV einen Anspruch auf Beschäftigung mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden (Klageantrag zu 4). Er kann deshalb für die Zeit vom 01.01. bis 31.05.2014 Freizeitausgleich für 21 Stunden verlangen (Klageantrag zu 3). Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

63

Die Parteien haben im schriftlichen Arbeitsvertrag eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden vereinbart. Nach § 12 DRK-RTV beträgt die regelmäßige Arbeitszeit jedoch nur 39 Wochenstunden. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Kläger schlüssig dargelegt, dass er in der Zeit vom 01.01. bis zum 31.05.2014 insgesamt 21 Überstunden geleistet hat, die gem. § 14 Abs. 1 DRK-TV durch Freizeit auszugleichen sind. Der Kläger hat vorgetragen, dass er pro Kalenderwoche 40 Stunden gearbeitet hat, obwohl die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit für die Woche nur 39 Stunden beträgt. Damit leistete der Kläger pro Woche eine Überstunde iSd. § 13 Abs. 8 DRK-RTV, so dass im Zeitraum von fünf Monaten insgesamt 21 Überstunden entstanden sind. Diesen Vortrag hat die Beklagte nach § 138 Abs. 2 ZPO nicht hinreichend bestritten. Ihre pauschale Behauptung, dass der Kläger in Wochen, in denen er krank oder in Urlaub gewesen sei, "mit Sicherheit nicht" über seine Sollarbeitszeit gearbeitet habe, genügt nicht. Ausgehend von einer gestuften Darlegungslast hätte die Beklagte im Einzelnen darlegen müssen, aufgrund welcher Umstände sie den Kläger in den Kalenderwochen vom 01.01. bis 31.05.2014 weniger als die im Arbeitsvertrag vereinbarten 40 Stunden pro Woche beschäftigt hat (vgl. BAG 18.04.2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14 ff. zur Darlegungs- und Beweislast im Vergütungsprozess). Hieran fehlt es, so dass die 21 Überstunden von Januar bis Mai 2014 als zugestanden gelten. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer erstmals vorgetragen hat, im Bereich der Landwirtschaft habe sie die Regelarbeitszeit zwischen 8:00 und 16:20 Uhr mit einer halbstündigen Mittagspause festgelegt, verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg. Mit diesem Vortrag ist die Beklagte gem. § 67 Abs. 4 Satz 1 ArbGG nach Ablauf der Frist für die Berufungsbegründung ausgeschlossen.

64

Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Kläger auch ein Rechtsschutzbedürfnis für den Klageantrag zu 4). Er hat ab 01.06.2014 einen Anspruch darauf, dass die Beklagte seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden (gem. Arbeitsvertrag) auf 39 Stunden (gem. § 12 DRK-RTV) reduziert. Die Beklagte behauptet selbst nicht, dass sie dies getan hätte. Soweit das Arbeitsgericht bei der Tenorierung der Ziff. 4 des erstinstanzlichen Urteils die Worte "39 Stunden" ausgelassen hat, handelt es sich um eine offensichtliche und jederzeit gem. § 319 ZPO zu berichtigende Unrichtigkeit.

III.

65

Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

66

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 319 Berichtigung des Urteils


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Tarifvertragsgesetz - TVG | § 3 Tarifgebundenheit


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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist.

(2) Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist.

(3) Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag endet.

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 22. März 2012 - 4 Sa 285/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Jubiläumszuwendung.

2

Der Kläger war seit dem 1. Oktober 1971 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen im Bereich der Klinik für Psychiatrie und Neurologie in Schleswig beschäftigt. Er ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di.

3

In dem zwischen ihm und dem Land Schleswig-Holstein am 1. Oktober 1971 abgeschlossenen Arbeitsvertrag heißt es:

        

㤠2

        

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.2.1961 und diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen.

        

…“    

4

Dem Kläger wurde mitgeteilt, dass sich seine Dienst- und Jubiläumszeit unter Berücksichtigung seines Wehrdienstes vom 1. Januar 1967 bis zum 30. Juni 1968 und einer Wehrübung vom 10. November bis zum 10. Dezember 1970 ab dem 3. März 1970 errechne und sein 40-jähriges Dienstjubiläum am 2. März 2010 erreicht werde.

5

Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging in der Folgezeit auf die neu gegründete Fachklinik Schleswig, Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR), über. Am 27. September 2004 schloss diese im Hinblick auf eine geplante Privatisierung mit dem bei ihr bestehenden Gesamtpersonalrat eine Dienstvereinbarung, in der es ua. heißt:

        

        

§ 2   

                 

Fortgeltung der arbeitsrechtlichen Vereinbarungen

        

…       

        
        

3.    

Alle bei der AöR erworbenen und dort als erworben anerkannten Rechte der Mitarbeiterinnen werden auch weiterhin bei der umgewandelten GmbH und insbesondere auch nach dem Gesellschafterwechsel von dem Übernehmer als bei der umgewandelten GmbH erworben anerkannt. Dienst- sowie Beschäftigungszeiten werden nach den entsprechenden tariflichen Bestimmungen angerechnet.

                 

Soweit grundsätzliche Festlegungen und Richtungsentscheidungen für die künftigen Strukturen und Organisationsprinzipien des Betriebes festgelegt werden, garantiert der oder die Gesellschafter die bisher abgeschlossenen Regelungen sowie diese Dienstvereinbarung.

                 

Anmerkung: Dieser Satz wird später in den Kaufvertrag an die passende Stelle verschoben.

        

…“    

6

Die Fachklinik Schleswig AöR wurde nach Maßgabe des Gesetzes zur Umwandlung der Fachklinik Schleswig und der psychiatrium GRUPPE vom 24. September 2004 (Fachkliniken-Umwandlungsgesetz - FklUmwG) im Wege des Formwechsels in die nicht tarifgebundene „Fachklinik Schleswig gGmbH“ umgewandelt. Mit Wirkung zum 1. November 2005 erwarben die Damp Holding AG und eine weitere Gesellschaft die Geschäftsanteile an der Beklagten, die in der Folgezeit in „SCHLEI-Klinikum Schleswig FKSL GmbH“ umbenannt wurde. Die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 3. November 2005.

7

Der Anteilskaufvertrag zwischen dem Land Schleswig-Holstein und den Käuferinnen lautet in § 9 auszugsweise:

        

„…    

        
        

2.    

Die Käuferin sowie die Damp Holding AG garantieren im Wege eines selbständigen, verschuldensunabhängigen Garantieversprechens gemäß § 311 Abs. 1 BGB und nicht im Wege einer Garantie i.S.d. §§ 443, 444 BGB, dass sie und die Fachklinik Schleswig gGmbH die Bestimmungen der in Anlage 9 beigefügten Dienstvereinbarung … als für sich verbindlich anerkennen und einhalten werden.

        

…“    

8

Die Damp Holding AG schloss - ausdrücklich auch im Namen und in Vollmacht der Beklagten handelnd - mit der Gewerkschaft ver.di am 2. März 2010 den Manteltarifvertrag Damp (MTV Damp), der rückwirkend zum 1. Januar 2007 in Kraft trat.

9

Am 26. April 2010 machte der Kläger gegenüber der Beklagten schriftlich die Zahlung der Jubiläumszuwendung geltend. Am 30. April 2010 endete sein Arbeitsverhältnis.

10

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe Anspruch auf Zahlung einer Jubiläumszuwendung nach § 17 MTV Damp. Bei der Ermittlung der zurückgelegten Beschäftigungszeit seien auch die Zeiten seines Grundwehrdienstes und der Wehrübung zu berücksichtigen. Die Beklagte sei an die von ihrer Rechtsvorgängerin anerkannten Beschäftigungszeiten gebunden. Danach habe er am 2. März 2010 sein 40-jähriges Dienstjubiläum erreicht. Jedenfalls stehe ihm die Zuwendung aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auf den BAT zu. Die Regelung in § 39 Abs. 1 iVm. § 20 BAT sei - falls die Zeiten des Wehrdienstes bei der in § 17 MTV Damp geregelten Jubiläumszuwendung nicht anzurechnen seien - für ihn günstiger. Der Anspruch sei zwar von geringerer Höhe, jedoch sei er aufgrund der Anrechnung weiterer Dienstzeiten zu einem früheren Zeitpunkt entstanden.

11

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 409,03 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. April 2010 zu zahlen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finde sowohl kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit als auch aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel nur der MTV Damp Anwendung. Aus dessen § 17 ergebe sich der geltend gemachte Anspruch nicht. Der Kläger habe die erforderliche Beschäftigungszeit nicht erfüllt. Die tarifvertragliche Regelung sehe die Berücksichtigung von Wehrdienstzeiten nicht vor.

13

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der Jubiläumszuwendung.

15

I. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 17 MTV Damp.

16

1. Die Regelung des § 17 MTV Damp gilt für das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG.

17

2. Für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch sind die nachstehenden Regelungen des MTV Damp maßgebend:

        

„…    

        

§ 8 Beschäftigungszeit

        

1.    

Beschäftigungszeit ist die in der Damp Gruppe zurückgelegte Zeit. Beschäftigungszeiten in den Rechtsvorgängern von Unternehmen der Damp Gruppe werden dabei vollständig berücksichtigt.

        

…       

        

§ 17 Jubiläumszuwendungen

        

Die Arbeitnehmer erhalten als Jubiläumszuwendung bei Vollendung einer Beschäftigungszeit (§ 8) …

        

von 40 Jahren € 450,00 …

        

brutto.“

18

3. Der Kläger hat die erforderliche Beschäftigungszeit von 40 Jahren nicht erfüllt. Die bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen zurückgelegte Beschäftigungszeit betrug bei Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis zum 30. April 2010 38 Jahre und sieben Monate. Die Zeiten des Grundwehrdienstes und der Wehrübung sind entgegen der Auffassung des Klägers keine Beschäftigungszeiten iSv. § 8 MTV Damp. Das ergibt die Auslegung der Tarifvorschrift.

19

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Senats den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (näher dazu zB BAG 7. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - zu I 1 b aa der Gründe, BAGE 111, 204; 30. Mai 2001 - 4 AZR 269/00 - zu B I 1 d aa der Gründe, BAGE 98, 35; jeweils mwN). Sie ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen (BAG 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 30, BAGE 124, 110).

20

b) Nach dem Wortlaut des § 17 iVm. § 8 MTV Damp sind der Berechnung der Jubiläumszuwendung nur „Beschäftigungszeiten“ zugrunde zu legen. Dabei handelt es sich um alle Beschäftigungszeiten, die in einem Unternehmen der Damp Gruppe oder in einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis vor Übernahme durch ein solches zurückgelegt worden sind (BAG 28. August 2013 - 10 AZR 497/12 - Rn. 11). Bei den Zeiten des Grundwehrdienstes und der Wehrübung handelt es sich nicht um Beschäftigungszeiten im tariflichen Sinne. Sie wurden weder in einem Unternehmen der Damp Gruppe noch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bei einer Rechtsvorgängerin zurückgelegt. Die Anrechnung weiterer „Dienstzeiten“ sieht der MTV Damp nicht vor.

21

c) Entgegen der Auffassung des Klägers kommt eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung, nach der auch Dienstzeiten zu berücksichtigen wären, die nicht gleichzeitig Beschäftigungszeiten sind, unter Berücksichtigung der „Tarifgeschichte“ nicht in Betracht.

22

aa) Die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte bei der Auslegung eines Tarifvertrags unterliegt bereits grundsätzlichen Bedenken. Wegen der weitreichenden Wirkung von Tarifnormen auf die Rechtsverhältnisse Dritter, die an den Tarifvertragsverhandlungen nicht beteiligt waren, kann der Wille der Tarifvertragsparteien im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nur ausnahmsweise dann berücksichtigt werden, wenn er in den tariflichen Normen unmittelbar seinen Niederschlag gefunden hat (BAG 21. März 2012 - 4 AZR 254/10 - Rn. 40; 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 32 mwN, BAGE 124, 110). Die an einen Tarifvertrag gebundenen Arbeitsvertragsparteien müssen aus dessen Wortlaut ermitteln können, welchen Regelungsgehalt die Tarifnormen haben. Sie können regelmäßig nicht darauf verwiesen werden, sich - über den Wortlaut und die Systematik hinaus - Kenntnisse über weitere Auslegungsaspekte und -methoden zu verschaffen, zB durch Einholung von Auskünften ihrer Koalition über die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags oder durch Ermittlung der Existenz und des Inhalts von - vermeintlichen - Vorgängertarifverträgen. Dies gilt insbesondere, wenn der Wortlaut zu Zweifeln keinerlei Anlass gibt. Eine solche Verpflichtung widerspräche dem Normcharakter eines Tarifvertrags. Sie nähme der Gewissheit des Geltungsgrundes und des Geltungsinhalts der Tarifnormen die notwendige Sicherheit. Die Tarifvertragsparteien können einem vom Wortlaut der tariflichen Vorschrift abweichenden Regelungswillen vielmehr dadurch Rechnung tragen, dass sie diesen in einer auch für Außenstehende erkennbaren Weise zum Ausdruck bringen (BAG 21. März 2012 - 4 AZR 254/10 - aaO). Dies haben sie im Streitfall nicht getan.

23

bb) Ungeachtet dieser Bedenken ergibt sich auch aus der Vorgeschichte im Streitfall nicht, dass Zeiten des Grundwehrdienstes und von Wehrübungen nach dem Willen der Tarifvertragsparteien bei der Ermittlung der Beschäftigungszeiten iSv. § 8 MTV Damp zu berücksichtigen wären.

24

(1) Im Rahmen der Dienstvereinbarung vom 27. September 2004 hat sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Fachklinik Schleswig AöR, zwar verpflichtet, alle bei der AöR erworbenen und dort als erworben anerkannten Rechte der Mitarbeiterinnen auch weiterhin bei der umgewandelten GmbH und insbesondere auch nach dem Gesellschafterwechsel von dem Übernehmer als bei der umgewandelten GmbH erworben anzuerkennen. Dienst- sowie Beschäftigungszeiten sollten nach den entsprechenden tariflichen Bestimmungen anerkannt werden. Nach dem Anteilskaufvertrag garantieren die Käuferin und die Damp Holding AG, die Bestimmungen der Dienstvereinbarung als für sich verbindlich anzuerkennen und einzuhalten.

25

(2) Diese Dienstvereinbarung enthält aber keine Definition des Begriffs der „Dienst- und Beschäftigungszeiten“. Da sie den Zweck verfolgt, die von den Arbeitnehmern erworbenen Rechte zu sichern, und die AöR ebenso wie das Land Schleswig-Holstein dem Bereich des öffentlichen Dienstes zugehörig war, folgt die Terminologie ersichtlich der des BAT. Dieser differenziert zwischen „reinen“ Beschäftigungszeiten (§ 19 BAT) auf der einen und weiteren anrechenbaren Dienstzeiten (§ 20 BAT)auf der anderen Seite. Die Dienstzeit umfasst neben der Beschäftigungszeit iSv. § 19 BAT Zeiten einer früheren Beschäftigung, die nicht gleichzeitig Beschäftigungszeiten sind. Darunter fallen nach § 20 Abs. 6 Buchst. a BAT ua. Zeiten erfüllter Dienstpflicht bei der Bundeswehr. Haben die Tarifvertragsparteien des MTV Damp in der Folge ausschließlich die Berücksichtigung von „Beschäftigungszeiten“ geregelt, kann dem Begriff mit Blick auf die im BAT vorgesehene und den Tarifvertragsparteien bekannte Differenzierung nicht die Bedeutung beigemessen werden, sie umfasse auch die von den Beschäftigungszeiten zu unterscheidenden Dienstzeiten. Hätten die Tarifvertragsparteien auch die Anrechnung von Dienstzeiten im Sinne von § 20 BAT regeln wollen, hätte es nahegelegen, die entsprechende Terminologie aus der Dienstvereinbarung aufzugreifen. Dies haben sie nicht getan.

26

(3) Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. August 2013 (- 10 AZR 497/12 -) liegt kein abweichendes Verständnis der betreffenden Tarifnormen zugrunde. Gegenstand der Entscheidung war lediglich die Anrechnung von „Beschäftigungszeiten“, nicht - wie im Streitfall - diejenige von weiteren „Dienstzeiten“.

27

II. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus seinem Arbeitsvertrag iVm. § 39 Abs. 1, § 20 BAT, weil diesem § 17 MTV Damp entgegensteht.

28

1. Allerdings finden die Vorschriften des BAT entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

29

a) Nach § 2 des Arbeitsvertrags vom 1. Oktober 1971 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem Bundesangestelltentarifvertrag vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen. Diese Abrede enthält eine zeitdynamische Bezugnahme auf die jeweiligen Regelungen des BAT (zu den Maßstäben der Auslegung einer solchen Allgemeinen Geschäftsbedingung BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15, BAGE 134, 283).

30

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts verweist die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel nicht auf den MTV Damp. Nach dem Wortlaut des § 2 des Arbeitsvertrags werden ausschließlich der BAT und die „diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge“ in Bezug genommen. Das sind solche, die die Regelungen des BAT ergänzen (wie etwa die Vergütungstarifverträge zum BAT, der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte und weitere Tarifverträge oder der Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte) oder ggf. ändern (wie etwa die Sonderregelungen SR 2y BAT). Danach wollten die Vertragsparteien das Arbeitsverhältnis ersichtlich den Tarifbestimmungen des öffentlichen Dienstes unterstellen. Eine Verweisung auf Haustarifverträge eines privaten Arbeitgebers ist der Bezugnahmeklausel dagegen nicht zu entnehmen. Diese sind keine den BAT „ergänzenden oder ändernden Tarifverträge“. Sie sind nicht von den Tarifvertragsparteien des BAT abgeschlossen worden. Aus damaliger Sicht gab es auch keine erkennbaren Anhaltspunkte oder Umstände, wonach der Arbeitgeber als Partei des Arbeitsvertrags andere, weitergehende und ggf. sogar konkurrierende Haustarifverträge einbeziehen wollte (vgl. auch BAG 5. September 2012 - 4 AZR 749/10 - Rn. 16).

31

c) Die als sog. Gleichstellungsabrede auszulegende Bezugnahmeklausel hat ihre Dynamik in dem Zeitpunkt verloren, in dem die normative Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes entfallen ist.

32

aa) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats waren bei entsprechender Tarifgebundenheit des Arbeitgebers Bezugnahmeklauseln wie diejenige im Arbeitsvertrag der Parteien in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen (vgl. etwa BAG 10. Dezember 2008 - 4 AZR 881/07 - Rn. 18 mwN). Diese verweisen dynamisch auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge. War der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses tarifgebunden, führt jedoch der Wegfall der Tarifgebundenheit dazu, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch in der Fassung anzuwenden waren, die in diesem Zeitpunkt galt. Aus Gründen des Vertrauensschutzes wendet der Senat diese Rechtsprechung weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden sind (st. Rspr., BAG 19. Oktober 2011 - 4 AZR 811/09 - Rn. 20; 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 18 mwN, BAGE 132, 261).

33

bb) Um einen solchen sog. Altvertrag handelt es sich hier. Die arbeitsvertragliche Abrede wurde vor dem 1. Januar 2002 getroffen. Der Arbeitsvertrag der Parteien wurde - soweit ersichtlich - seither nicht geändert. Die damalige Arbeitgeberin des Klägers war bei Abschluss des Arbeitsvertrags tarifgebunden.

34

d) Danach verweist die Bezugnahmeklausel auf den BAT in der zuletzt gültigen Fassung des 78. Änderungstarifvertrags vom 31. Januar 2003.

35

aa) Die Beklagte ist nicht an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes gebunden. In welchem genauen Zeitpunkt die entsprechende Tarifgebundenheit ihrer Rechtsvorgängerinnen entfallen ist, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Dies kann jedoch dahinstehen. Die Tarifgebundenheit - und damit die Dynamik der Bezugnahmeklausel - endete spätestens mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte im November 2005.

36

bb) In diesem Zeitpunkt war der BAT noch nicht durch einen anderen Tarifvertrag ersetzt worden. Der Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 1971 war mit dem Land Schleswig-Holstein geschlossen worden. Ein Bezug zu einem kommunalen Arbeitgeber ist nicht zu erkennen. Eine Ablösung des in Bezug genommenen BAT wäre deshalb allenfalls durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) in Betracht gekommen, welcher zum 1. November 2006 und damit in jedem Fall nach Wegfall der Tarifgebundenheit der Beklagten bzw. einer ihrer Rechtsvorgängerinnen in Kraft getreten ist. Es kann deshalb offenbleiben, ob die Bezugnahmeklausel durch die spätere Ablösung des BAT lückenhaft geworden wäre und ggf. einer ergänzenden Auslegung bedurft hätte (ausf. zu den Voraussetzungen und Maßstäben einer solchen Auslegung BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 23, 31 ff., BAGE 134, 283; 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 27, 31 ff., BAGE 138, 269).

37

2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zahlung einer Jubiläumszuwendung gemäß § 39 Abs. 1 BAT sind gegeben.

38

a) Die maßgebenden Vorschriften des BAT vom 23. Februar 1961 in der hier anzuwendenden Fassung vom 31. Januar 2003 lauten:

        

§ 19 Beschäftigungszeit

        

(1)     

Beschäftigungszeit ist bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist. …

                 

…       

        

§ 20 Dienstzeit

        

(1)     

Die Dienstzeit umfasst die Beschäftigungszeit (§ 19) und die nach den Absätzen 2 bis 6 angerechneten Zeiten einer früheren Beschäftigung, soweit diese nicht schon bei der Berechnung der Beschäftigungszeit berücksichtigt sind.

                 

…       

        

(6)     

Anzurechnen sind ferner:

        

a)    

die Zeiten erfüllter Dienstpflicht in der Bundeswehr …

                 

…       

        

§ 39 Jubiläumszuwendungen

                 

…       

        

(1)     

Die Angestellten im Bereich des Bundes und im Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder erhalten als Jubiläumszuwendung bei Vollendung einer Dienstzeit (§ 20)

                 

…       

        

von 40 Jahren 409,03 Euro“

39

b) Unter Berücksichtigung seiner bei der Bundeswehr zurückgelegten Dienstzeiten iSv. § 20 Abs. 6 Buchst. a BAT hat der Kläger am 2. März 2010 das Dienstjubiläum von 40 Jahren erreicht.

40

3. Einem Anspruch nach § 39 Abs. 1 BAT iVm. dem Arbeitsvertrag steht jedoch § 17 MTV Damp entgegen. Der MTV Damp, der kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend im Arbeitsverhältnis der Parteien gilt, enthält seinerseits die Regelung einer Jubiläumszuwendung. Das Günstigkeitsprinzip führt nicht zu einem Vorrang der Regelungen des über den Arbeitsvertrag anwendbaren BAT.

41

a) Die Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen (vgl. nur BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 691/08 - Rn. 43). Hiernach treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter einzelvertragliche Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück. Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber dem Tarifvertrag enthält, ergibt ein Vergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung (sog. Günstigkeitsvergleich). Unerheblich ist, ob die Parteien des Arbeitsvertrags die vertraglichen Regelungen vor oder nach Inkrafttreten des Tarifvertrags vereinbart haben (BAG 17. April 2013 - 4 AZR 592/11 - Rn. 14, BAGE 145, 37; 25. Juli 2001 - 10 AZR 391/00 - zu II 2 a bb (2) der Gründe).

42

aa) Zu vergleichen sind die in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen (sog. Sachgruppenvergleich, s. nur BAG 21. April 2010 - 4 AZR 768/08 - Rn. 39, BAGE 134, 130; 30. März 2004 - 1 AZR 85/03 - zu II 4 b bb der Gründe mwN). Dabei sind die abstrakten Regelungen maßgebend, nicht das Ergebnis ihrer Anwendung im Einzelfall. Die Günstigkeit der einzelvertraglichen Regelung gegenüber der normativ geltenden Tarifnorm muss bereits im Voraus feststehen (vgl. BAG 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; zur Kollision von Betriebsvereinbarung und einzelvertraglicher Abrede BAG 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 109, 244). Hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die betreffende Regelung günstiger ist oder nicht (sog. ambivalente Regelung), ist diese Voraussetzung nicht gegeben (BAG 17. April 2002 - 5 AZR 644/00 - zu II 4 b der Gründe).

43

bb) Bei der Prüfung ist ein objektiver Beurteilungsmaßstab zugrunde zu legen. Maßgebend ist die Einschätzung eines verständigen Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 307; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 310; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 689; JKOS/Jacobs TVG 2. Aufl. § 7 Rn. 44; für eine Kollision von Betriebsvereinbarung und einzelvertraglicher Abrede BAG 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 109, 244). Ist die einzelvertragliche Regelung danach gleich oder gleichwertig (sog. neutrale Regelung), ist sie nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG.

44

cc) Ist nach diesen Maßstäben nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die einzelvertragliche Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist - sei es, weil es sich um eine „neutrale“, sei es, weil es sich um eine „ambivalente“ Regelung handelt -, bleibt es bei der zwingenden Geltung des Tarifvertrags (vgl. BAG 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228). Das ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der systematischen Stellung von § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG. Der Gesetzgeber hat eine Abweichung vom Grundsatz der zwingenden Wirkung geltender Tarifnormen (Regel) nur für den Fall vorgesehen, dass die betreffende Regelung „günstiger“ ist als die tarifliche Norm (Ausnahme). Ist die Günstigkeit der abweichenden Regelung nicht feststellbar, greift § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG nicht ein (vgl. Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 420 mwN; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 478; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 690; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 562; JKOS/Jacobs TVG 2. Aufl. § 7 Rn. 48 mwN).

45

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist im Streitfall die arbeitsvertraglich in Bezug genommene Regelung des § 39 Abs. 1 iVm. § 20 BAT für eine Jubiläumszuwendung nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG als die normativ geltende des § 17 iVm. § 8 MTV Damp.

46

aa) Nach § 17 MTV Damp haben die Arbeitnehmer bei einer Beschäftigungszeit von 40 Jahren Anspruch auf eine Jubiläumszuwendung iHv. 450,00 Euro brutto, wobei bei der Bundeswehr zurückgelegte Dienstzeiten allerdings nicht zu berücksichtigen sind. Nach § 39 Abs. 1 iVm. § 20 Abs. 6 Buchst. a BAT steht einem Arbeitnehmer bei einer Dienstzeit von 40 Jahren demgegenüber eine - geringere - Jubiläumszuwendung iHv. 409,03 Euro brutto zu, jedoch sind Dienstzeiten bei der Bundeswehr anzurechnen. Dadurch können die Anspruchsvoraussetzungen im Einzelfall zeitlich früher erfüllt sein.

47

bb) Bei der Jubiläumszuwendung nach § 39 Abs. 1 iVm. § 20 Abs. 6 Buchst. a BAT handelt es sich damit um eine sog. ambivalente Regelung. Abhängig von den Umständen des Einzelfalls kann sie günstiger oder ungünstiger sein als die normativ für das Arbeitsverhältnis geltenden Tarifvorschriften. So ist sie für den Fall, dass der Arbeitnehmer die Beschäftigungszeit von 40 Jahren nach beiden Regelungen zum gleichen Zeitpunkt erreicht, ungünstiger, weil der Anspruch von geringerer Höhe ist. Erreicht der Arbeitnehmer die maßgebende Beschäftigungszeit - wie der Kläger - hingegen nur dann, wenn auch Wehrdienstzeiten berücksichtigt werden, erweist sich der BAT insoweit als günstiger. Da danach nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, welche Regelung die günstigere ist, tritt die normativ für das Arbeitsverhältnis der Parteien geltende nicht hinter der kraft einzelvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Regelung zurück. § 39 Abs. 1 und § 20 Abs. 6 Buchst. a BAT kommen deshalb nicht zur Anwendung.

48

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Eylert    

        

    Creutzfeldt    

        

    Rinck    

        

        

        

    Drechsler    

        

    Schuldt    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 22. Januar 2008 - 14 Sa 87/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen tariflichen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung eines Aufschlags zur Urlaubsvergütung.

2

Der Kläger, Mitglied des Marburger Bundes, war vom 1. August 2000 bis zum 31. Dezember 2007 als Arzt in der Weiterbildung bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte ist Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV). Dem Arbeitsverhältnis liegt der am 12. März 2004 geschlossene Arbeitsvertrag zugrunde, in dessen § 2 es heißt:

        

„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den ihn ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für die Arbeitgeberin jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge und bezirklichen Regelungen Anwendung. …“

3

Der Marburger Bund hatte 1994 mit der Deutschen Angestelltengewerkschaft(DAG) eine Vereinbarung über eine tarifliche Zusammenarbeit geschlossen, in der diese ua. zum Abschluss von Tarifverträgen bevollmächtigt wurde. Auf dieser Grundlage erfolgten auch Tarifabschlüsse durch die Rechtsnachfolgerin der DAG, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Im Verlauf der Tarifvertragsverhandlungen über den Abschluss eines Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) im Jahre 2005 widerrief der Marburger Bund gegenüber der Gewerkschaft ver.di die zum Abschluss von Tarifverträgen erteilte Vollmacht und forderte zugleich die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) zu Tarifvertragsverhandlungen über einen Tarifvertrag für Ärzte auf. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung (TVöD/VKA) wurde ua. von der Gewerkschaft ver.di und der VKA nach Zugang des Widerrufs der Vollmacht am 13. September 2005 unterzeichnet und trat am 1. Oktober 2005 in Kraft. Der Marburger Bund kündigte den BAT zum 31. Dezember 2005. Der später zwischen dem Marburger Bund und der VKA geschlossene Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) trat nach § 40 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA am 1. August 2006 in Kraft.

4

Die Beklagte leitete den Kläger zum 1. Oktober 2005 gemäß dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts(vom 13. September 2005, TVÜ-VKA) in das Tarifrecht des TVöD über. Der Kläger widersprach bereits mit Schreiben vom 26. September 2005 der ihm mitgeteilten Überleitung. Im Zeitraum vom 15. bis zum 31. Oktober 2005 nahm der Kläger Erholungsurlaub in Anspruch. Die Beklagte zahlte ihm für diese Zeit keinen Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 BAT. Bis zum Monat September 2005 hatte sie auf Grundlage dieser Tarifregelung dem Kläger einen Aufschlag von 57,16 Euro je Urlaubstag gezahlt. Mit Schreiben vom 5. Mai 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein Anspruch nicht bestehe, weil sein Arbeitsverhältnis unter den Bedingungen des TVöD noch keine drei volle Monate bestanden habe. Mit Schreiben vom 6. Februar 2007 macht der Marburger Bund für den Kläger die Zulage iHv. insgesamt 628,76 Euro brutto erfolglos geltend.

5

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter. Der Anspruch ergebe sich aufgrund seiner Mitgliedschaft im Marburger Bund kraft unmittelbarer beiderseitiger Tarifbindung an den BAT nach dessen § 47 Abs. 2. Selbst wenn man entgegen der Auffassung des Klägers von einer rechtmäßigen Überleitung in den TVöD ausgehen würde, sei sein Anspruch nach § 21 TVöD in Höhe von 552,40 Euro begründet, so wie es die Beklagte hilfsweise berechnet habe.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 628,76 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 13. April 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach dem Grundsatz der Tarifeinheit sei allein der speziellere TVöD anwendbar. Die Voraussetzungen der Nachfolgeregelung des § 47 Abs. 2 BAT in § 21 TVöD seien nicht erfüllt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers habe im Oktober 2005 noch keinen vollen Kalendermonat bestanden. Arbeitsverhältnisse iSd. § 21 TVöD seien nur solche unter der Geltung des betreffenden Tarifvertrages. Beschäftigungszeiträume vor dem 1. Oktober 2005 blieben daher unberücksichtigt.

8

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Klageabweisung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Der Kläger hat nach gerichtlichem Hinweis des Senats weiter vorgetragen, er habe neben dem Schreiben des Marburger Bundes vom 6. Februar 2007 bereits mit einer E-Mail vom 1. Januar 2006 und mit einer weiteren E-Mail vom 31. Januar 2006 seine Ansprüche schriftlich geltend gemacht. Der Senat hat mit Beschluss vom 27. Januar 2010 an den Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts eine Divergenzanfrage gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG gerichtet. Der Zehnte Senat hat mit Beschluss vom 23. Juni 2010 (- 10 AS 3/10 -) über die Anfrage des erkennenden Senats entschieden.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem Kläger den Aufschlag zum Urlaubsentgelt nach § 47 Abs. 2 BAT zu Recht zugesprochen. Der zwischen den Parteien im Streitzeitraum unmittelbar und zwingend geltende BAT wird nicht durch den TVöD nach dem Grundsatz der Tarifeinheit aufgrund einer bei der Beklagten bestehenden Tarifpluralität verdrängt.

10

I. Der Kläger kann kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Parteien an den BAT gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG für den in Anspruch genommenen Erholungsurlaub einen Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 BAT in der geforderten und zwischen den Parteien für den Fall der Geltung des BAT nicht umstrittenen Höhe von insgesamt 628,76 Euro brutto verlangen.

11

Für das Arbeitsverhältnis galt der BAT unmittelbar und zwingend nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG, da der Kläger im Streitzeitraum Mitglied des Marburger Bundes und die Beklagte Mitglied im KAV war. Für die elf in Anspruch genommenen Urlaubstage ergibt dies nach § 47 Abs. 2 Unterabschnitt 1 BAT den eingeklagten Betrag. Nach den durch das Landesarbeitsgericht gemäß § 69 Abs. 3 ArbGG in Bezug genommenen Feststellungen des Arbeitsgerichts hat die Beklagte dem Kläger im Kalenderjahr 2005 bis einschließlich des Monats September einen Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 Unterabschnitt 1 BAT auf Grundlage des Kalenderjahres 2004(vgl. BAG 13. Februar 1996 - 9 AZR 798/93 - AP BAT § 47 Nr. 19) in Höhe von 57,16 Euro brutto je Urlaubstag gezahlt.

12

II. Der für die Mitglieder des Marburger Bundes bis zum 31. Dezember 2005 nach wie vor geltende BAT wird nicht nach dem sogenannten Grundsatz der Tarifeinheit durch den am 1. Oktober 2005 in Kraft getretenen TVöD und aufgrund der damit bei der Beklagten eingetretenen Tarifpluralität als speziellerer Tarifvertrag verdrängt.

13

1. Im streitgegenständlichen Zeitraum bestand bei der Beklagten eine Tarifpluralität.

14

a) Tarifpluralität liegt vor, wenn der Betrieb des Arbeitgebers vom Geltungsbereich zweier von verschiedenen Gewerkschaften geschlossenen Tarifverträge für Arbeitsverhältnisse derselben Art erfasst wird, an die der Arbeitgeber gebunden ist, während für den jeweiligen Arbeitnehmer je nach Tarifgebundenheit nur einer der beiden Tarifverträge Anwendung findet(etwa BAG 24. Januar 1990 - 4 AZR 561/89 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 126 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 6; 5. September 1990 - 4 AZR 59/90 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 19 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 5; 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330; s. auch BAG 14. Juni 1989 - 4 AZR 200/89 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4).

15

In einem solchen Fall ist nach der genannten Rechtsprechung die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers und die „potentielle Möglichkeit“ ausreichend, dass ein der vertragsschließenden Gewerkschaft angehörender Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt ist(BAG 14. Juni 1989 - 4 AZR 200/89 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4; 24. Januar 1990 - 4 AZR 561/89 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 126 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 6; s. auch BAG 24. September 1975 - 4 AZR 471/74 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 11; 29. November 1978 - 4 AZR 304/77 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 12 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 2).

16

b) Danach bestand bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Zeitraum eine Tarifpluralität. Die Beklagte war aufgrund ihrer Mitgliedschaft im KAV nach § 3 Abs. 1 TVG sowohl unmittelbar an den zwischen der VKA und der Gewerkschaft ver.di geschlossenen TVöD/VKA gebunden als auch an den zwischen der VKA und dem Marburger Bund geschlossenen, im Streitzeitraum zwischen Oktober und Dezember 2005 im Verhältnis zwischen den Prozessparteien noch vollwirksamen BAT. Dass der persönliche Geltungsbereich des TV-Ärzte/VKA nicht alle Arbeitnehmer bei der Beklagten erfasst, ist für das Vorliegen einer Tarifpluralität unerheblich(vgl. etwa BAG 26. Januar 1994 - 10 AZR 611/92 - zu II 4 d der Gründe, BAGE 75, 298). Ob bei der Beklagten ein beschäftigter Arbeitnehmer aufgrund einer Mitgliedschaft in den Gewerkschaften, die den TVöD/VKA geschlossen haben, unmittelbar tarifgebunden ist, ist nach der dargestellten Rechtsprechung (unter a) ohne Bedeutung.

17

2. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats steht einer Tarifpluralität entgegen, dass nach dem Grundsatz der Tarifeinheit in einem Betrieb nur ein Tarifvertrag Anwendung finden soll. Deshalb sei eine Tarifpluralität im Falle einer unmittelbaren Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an verschiedene Tarifverträge - sei es aufgrund Allgemeinverbindlichkeit, sei es kraft Organisationszugehörigkeit - in aller Regel dahin aufzulösen, dass nach dem Grundsatz der Spezialität der dem Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten stehende und deshalb den Eigenarten und Erfordernissen des Betriebs und der darin tätigen Arbeitnehmer am besten Rechnung tragende Tarifvertrag den anderen Tarifvertrag verdrängt(ausf. BAG 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330, 337; weiterhin BAG 14. Juni 1989 - 4 AZR 200/89 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4; 5. September 1990 - 4 AZR 59/90 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 19 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 5). Der Grundsatz der Tarifeinheit besage, „dass in jedem Betrieb grundsätzlich für alle in diesem Betrieb begründeten Arbeitsverhältnisse nur ein Tarifvertrag anzuwenden ist“ (so erstmals BAG 29. März 1957 - 1 AZR 208/55 - BAGE 4, 37, 40, allerdings im Hinblick auf die Auflösung einer Tarifkonkurrenz; nachfolgend BAG 19. Dezember 1958 - 1 AZR 55/58 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 6; den Grundsatz der Tarifeinheit im Hinblick auf die Situation einer Tarifkonkurrenz erwähnt auch BAG 22. Februar 1957 - 1 AZR 536/55 - BAGE 3, 351; s. weiterhin BAG 29. November 1978 4 AZR 304/77 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 12 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 2).

18

Der Vierte Senat(s. dazu BAG 14. Juni 1989 - 4 AZR 200/89 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4; 5. September 1990 - 4 AZR 59/90 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 19 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 5; 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330) hat den Grundsatz der Tarifeinheit im Wesentlichen - wenn auch mit Nuancen in den einzelnen Entscheidungen - damit begründet, dass dieses letztlich auf dem Ordnungsgedanken beruhende Prinzip zwar im Tarifvertragsgesetz keinen Niederschlag gefunden habe; der Grundsatz folge aber aus den übergeordneten Prinzipien der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Das Tarifvertragsgesetz enthalte keine Regelungen für diesen Fall, weshalb eine Regelungslücke bestehe. Bei dem Grundsatz der Tarifeinheit handele es sich um ein allgemein anerkanntes Rechtsprinzip. Die Gewerkschaft des spezielleren Tarifvertrages könne wegen der größeren Sachnähe das stärkere Recht für sich in Anspruch nehmen. Die Anwendung mehrerer Tarifverträge nebeneinander führe zu rechtlichen und tatsächlichen Unzuträglichkeiten, die durch den Grundsatz der Tarifeinheit vermieden würden. Der betriebseinheitliche Vorrang des spezielleren Tarifvertrages ermögliche „eine rechtlich klare und tatsächlich praktikable Lösung“. Zudem werde die problematische, rein tatsächlich auch nicht immer durchzuführende Abgrenzung zwischen Inhalts- und Betriebsnormen eines Tarifvertrages (§ 3 Abs. 1 und 2 TVG) vermieden.

19

Die Folgen der Verdrängung eines allgemeineren Tarifvertrages mit dem vollständigen Verlust des Tarifschutzes der hieran gebundenen Arbeitnehmer sei im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit hinzunehmen. Die betroffenen Arbeitnehmer könnten durch den Beitritt zu der anderen Gewerkschaft tariflichen Schutz erlangen. Die Situation unterscheide sich nicht von der nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG, der bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates ausschließe und insoweit auch die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer erfasse. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit schütze nur den Kernbereich des Tarifvertragssystems. Die Verdrängung eines Tarifvertrages berühre diesen nicht. Schließlich könne die betroffene Koalition einen noch spezielleren Tarifvertrag abschließen, für ihn werben und sich entsprechend betätigen.

20

3. Diese Rechtsprechung ist in der Literatur überwiegend auf Ablehnung gestoßen(aus der Kommentarliteratur ErfK/Dieterich 10. Aufl. Art. 9 GG Rn. 85; ErfK/Franzen § 4 TVG Rn. 71; DFL/Krebber 2. Aufl. § 4 TVG Rn. 55 ff.; Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 4 Rn. 132 ff.; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 271 ff.; Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 156 ff.; Däubler/Zwanziger TVG 2. Aufl. § 4 Rn. 940 ff.; weiterhin Wiedemann Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 11; ders. Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 12; Konzen RdA 1978, 146 ff.; Müller NZA 1989, 449, 451 ff.; Reuter JuS 1992, 105 ff.; Kraft RdA 1992, 161 ff.; Vogg Anm. EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 7; Hohenstatt DB 1992, 1678 ff.; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; Reuter JuS 1992, 105 ff.; Salje SAE 1993, 79 ff.; Loritz ZTR 1993, 91, 98; Merten BB 1993, 572 ff.; Wiedemann/Arnold ZTR 1994, 399, 402 ff.; Fenn FS Kissel 1994 S. 213 ff.; Reichold SAE 1995, 21 ff.; Wank Anm. EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 9; Kohte SAE 1996, 14 ff.; Däubler NZA 1996, 225, 230; B. Gaul NZA 1998, 9, 15; Hanau RdA 1998, 65, 69 f.; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 334 ff.; ders. in Jacobs/Krause/Oetker Tarifvertragsrecht § 7 Rn. 228 ff.; ders. NZA 2008, 325 ff.; ders. FS Buchner 2009 S. 343, 343 f.; Waas Tarifkonkurrenz und Tarifpluralität 1999 S. 123 ff., 133 ff.; Wendeling-Schröder Anm. zu LAG Niedersachsen 12. November 1999 - 3 Sa 780/99 - LAGE TVG § 4 Tarifpluralität Nr. 3; Franzen RdA 2001, 1, 7 f.; Band Tarifkonkurrenz, Tarifpluralität und der Grundsatz der Tarifeinheit 2003 S. 84 ff., 119 ff.; Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 370 ff.; ders. BB 2005, 2633, 2639 f.; s. auch ders. NZA 2006, 642, 644 f.; Lindemann/Simon BB 2006, 1852, 1855 ff.; Harwart Tarifkollision S. 318 ff.; Reichold RdA 2007, 321, 324 f.; ders. in Lehmann Tarifverträge der Zukunft 2008 S. 146 ff.; Lautenschläger Der Grundsatz der Tarifeinheit bei Tarifpluralität nach dem Employment Relations Act 1999, 2009 S. 32 ff.; Zachert Anm. AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66; Franzen ZfA 2009, 297, 305 ff.; Niebeling/Gründel NZA 2009, 1003 ff.; Deinert NZA 2009, 1176 ff.; Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 535 ff.; Brecht-Heitzmann Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 503, 505 ff.; Braun ArbRB 2010, 115 ff.; kritisch auch Schaub BB 1995, 2003, 2005; Friedrich FS Schaub 1998 S. 183, 203; Richardi FS Buchner 2009 S. 731, 736; Greiner Rechtsfragen der Koalitions-, Tarif- und Arbeitskampfpluralität 2010 S. 302 ff., 337 ff.; jedenfalls bei sogenannter gewillkürter Tarifpluralität kritisch Bayreuther in Lehmann Tarifverträge der Zukunft 2008 S. 130, 140 f.; ders. NZA 2007, 187 ff.; Schubert FS Wendeling-Schröder 2009 S. 59, 76 f.; Schliemann Beil. zu NZA 24/2000 S. 24, 32; ders. FS Hromadka 2008 S. 359, 369 ff.; für Tarifverträge zwischen Gewerkschaften, die nicht sämtlich dem Deutschen Gewerkschaftsbund angehören abl. auch HWK/Henssler 4. Aufl. § 4 TVG Rn. 58 ff.; den Grundsatz der Tarifeinheit bei Tarifpluralität dagegen befürwortend Säcker/Oetker ZfA 1993, 1 ff.; Heinze/Ricken ZfA 2001, 159 ff.; Buchner BB 2003, 2121, 2122 ff.; kritisch noch ders. RdA 1997, 259, 267; Hromadka Gedächtnisschrift Heinze 2005 S. 383 ff.; weiterhin Meyer DB 2006, 1271 ff.; Wallisch FS Löwisch 2007 S. 429 ff., Feudner RdA 2008, 104 ff. ; Kempen FS Hromadka 2008 S. 177, 182 ff.; anders noch ders. NZA 2003, 415, 417; Giesen NZA 2009, 11 ff.; Koch Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes 1994 Rn. 203 ff.; Scholz FS Buchner 2009 S. 827, 828 ff.; Hromadka/Schmitt-Rolfes NZA 2010, 687 ff.; wohl auch Oetker NZA 2010 Beil. Nr. 1 S. 13, 26; für eine Auflösung einer Tarifpluralität nach dem Mehrheitsprinzip statt nach dem Spezialitätsprinzip Berg/Platow/Schoof/Unterhinninghofen Tarifvertragsgesetz und Arbeitskampfrecht 2. Aufl. § 4 TVG Rn. 58 ff.).

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4. Der Senat gibt seine bisherige Rechtsprechung zur Auflösung einer Tarifpluralität nach dem Grundsatz der Tarifeinheit zu Gunsten des spezielleren Tarifvertrages im Falle einer unmittelbaren Tarifgebundenheit des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG auf. Die Rechtsnormen eines Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen(§ 1 Abs. 1 TVG),gelten nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG in den jeweiligen von seinem Geltungsbereich erfassten Arbeitsverhältnissen eines Betriebes unmittelbar und zwingend. Diese durch das Tarifvertragsgesetz vorgesehene, auf das einzelne Arbeitsverhältnis bezogene Bindung wird nicht dadurch verdrängt, dass für den Betrieb kraft Tarifgebundenheit des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG mehr als ein Tarifvertrag für Arbeitsverhältnisse derselben Art gilt, für die jeweiligen Arbeitsverhältnisse im Falle einer Tarifgebundenheit eines oder mehrerer Arbeitnehmer allerdings jeweils nur ein Tarifvertrag. Eine solche aufgrund unmittelbarer Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG eingetretene Tarifpluralität kann für die genannten Rechtsnormen nicht nach dem Grundsatz der Tarifeinheit dahingehend aufgelöst werden, dass hinsichtlich dieser Normen nur ein Tarifvertrag „für den Betrieb“ gilt. Ein solcher Rechtsgrundsatz besteht nicht. Eine Verdrängung der nach § 4 Abs. 1 TVG in den jeweiligen Arbeitsverhältnissen geltenden tariflichen Normen ist weder aufgrund praktischer Schwierigkeiten noch wegen einer sonst erforderlichen Abgrenzung von Inhalts- und Betriebsnormen geboten. Die Voraussetzungen einer Rechtsfortbildung, die zur Verdrängung tariflicher Normen führt, sind vorliegend nicht gegeben. Die Verdrängung eines Tarifvertrages ist auch mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren. Ob es sich bei dem TVöD um einen gegenüber dem BAT spezielleren Tarifvertrag handelt, wie die Beklagte meint, kann deshalb dahinstehen.

22

a) Das Tarifvertragsgesetz ordnet in § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG die unmittelbare und zwingende Wirkung der Normen eines Tarifvertrages im Arbeitsverhältnis beiderseits Tarifgebundener an. Sofern der Tarifvertrag von tariffähigen Koalitionen im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit geschlossen wurde, entfalten die Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen(§ 1 Abs. 1 TVG), unmittelbare und zwingende Wirkung zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen. Die Bindung eines Arbeitsverhältnisses an einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG beruht dabei auf privatautonomen Entscheidungen. Der Inhalt und die gesetzlich angeordnete Wirkungsweise des Tarifvertrages erlangen Legitimation durch die freie Entscheidung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Mitglied einer Koalition zu werden (BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 140/01 - zu B I 1 der Gründe mwN, BAGE 102, 65). Der Abschluss von Tarifverträgen und die damit bewirkte Normsetzung ist kollektiv ausgeübte Privatautonomie (BAG 18. Juli 2006 - 1 ABR 36/05 - Rn. 55, BAGE 119, 103; 27. November 2002 - 7 AZR 414/01 - zu B I 3 a der Gründe mwN, AP BGB § 620 Altersgrenze Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 1; 30. August 2000 - 4 AZR 563/99 - zu I 2 c der Gründe, BAGE 95, 277; weiterhin BAG 26. August 2009 - 4 AZR 294/08 - Rn. 30). Die Tarifvertragsparteien und ihre Mitglieder haben dadurch ihr Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG wahrgenommen und Regelungen zu bestimmten Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen geschaffen. Wer Mitglied in der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft ist, will insbesondere an den von dieser in Tarifverträgen vereinbarten Mindestbedingungen teilhaben.

23

Der Umstand, dass Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 TVG an verschiedene Tarifverträge gebunden sein können, hindert die unmittelbare und zwingende Wirkung nach § 4 Abs. 1 TVG nicht. Damit ist es nach dem eindeutigen Wortlaut des Tarifvertragsgesetzes möglich, dass für verschiedene Arbeitnehmer im Betrieb unterschiedliche Tarifverträge gelten(Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 379). Tarifpluralität ist im System des Tarifvertragsgesetzes angelegt (s. nur Fenn FS Kissel 1994 S. 213, 229; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 375 f.; Konzen RdA 1978, 146, 150; Kraft RdA 1992, 161, 166).

24

b) Eine Rechtsgrundlage, die gesetzlich angeordnete Rechtsfolge einer Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien auszuschließen, obwohl deren gesetzliche Voraussetzungen vorliegen, besteht nicht.

25

aa) Der Grundsatz der Tarifeinheit, für den weder eine ausdrückliche noch eine gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtsgrundlage besteht(anders nur Heinze/Ricken ZfA 2001, 159, 174  ff.), kann nicht auf übergeordnete Prinzipien der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gestützt werden (so schon Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; s. auch Kraft RdA 1992, 162, 166; Konzen RdA 1978, 146, 150 ff.; Reuter JuS 1992, 105 ff.). Rechtsprinzipien sind leitende Gedanken einer möglichen oder bestehenden rechtlichen Regelung, jedoch nicht die positive Regelung selbst. Ihnen fehlt die der Anwendung auf den Einzelfall fähige Norm mit bestimmtem Tatbestand und bestimmter Rechtsfolge (Bydlinski Juristische Methodenlehre 1982 S. 132; Esser Grundsatz und Norm in der richterlichen Rechtsfortbildung des Privatrechts Neuauflage 1970 S. 20, 259 ff.; ebenso Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 390 ff.; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; Kraft RdA 1991, 161, 166; alle mwN). Sie können deshalb eine rechtliche Regelung nicht unmittelbar außer Kraft setzen.

26

bb) Darüber hinaus handelt der dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip zuzuordnende Grundsatz der Rechtssicherheit von der Klarheit und Bestimmtheit der Normen, und das Prinzip der Rechtsklarheit davon, dass den Normunterworfenen die auf sie und ihr Verhalten anzuwendenden Regeln so klar, bestimmt und eindeutig vor Augen geführt werden, dass sie disponieren können(BVerfG 12. Januar 1967 - 1 BvR 169/63 - zu C III 1 a der Gründe, BVerfGE 21, 73; weiterhin BVerfG 19. Februar 1962 - 2 BvR 650/60 - zu II 2 a der Gründe, BVerfGE 14, 13; 14. Februar 1978 - 2 BvR 406/77 - zu B I 2 a der Gründe, BVerfGE 47, 239). Es geht bei beiden Prinzipien nicht um die praktischen Auswirkungen der Anwendung von Normen, wie sie die Befürworter des Grundsatzes der Tarifeinheit vor Augen haben.

27

cc) Hinzu kommt, dass Rechtsklarheit und Rechtssicherheit durch die Auflösung einer Tarifpluralität häufig nicht erreicht werden können. Bis zur rechtskräftigen Klärung, welcher „speziellere“ Tarifvertrag im Betrieb gilt(zu den unterschiedlichen Maßstäben anlässlich der Tarifauseinandersetzung bei der Deutschen Bahn AG im Jahre 2007 s. nur die Nw. bei Franzen ZfA 2009, 297, 306, Fn. 53), bestehen Unsicherheiten über den Inhalt des Arbeitsverhältnisses (Fenn FS Kissel 1994 S. 213, 230 f.; Reuter JuS 1992, 105, 106 f.; Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 164; ebenso Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 390 f.; Franzen ZfA 2009, 297, 306).

28

c) Die Verdrängung bestehender Tarifverträge im Falle einer Tarifpluralität, an die die Arbeitsvertragsparteien nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar gebunden sind, kann nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung durch einen Grundsatz der Tarifeinheit begründet werden. Es besteht nicht die hierfür notwendige planwidrige Lücke im Gesetz. Die durch den Grundsatz der Rechts- und Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 GG gezogenen Grenzen(dazu BVerfG 19. Oktober 1983 - 2 BvR 485/80 und 486/80 - zu II 1 der Gründe, BVerfGE 65, 182) stehen einer solchen Rechtsfortbildung entgegen.

29

aa) Eine planwidrige Gesetzeslücke liegt nicht schon dann vor, wenn ein Sachverhalt nicht geregelt ist. Vielmehr ist erforderlich, dass für den mit dem Gesetz verfolgten Zweck - den „gesetzgeberischen Plan“ - eine Regelung erforderlich wäre, diese aber nicht getroffen wurde(s. nur Fenn FS Kissel 1994 S. 213, 229). Ein eventuelles rechtspolitisches Versäumnis des Gesetzgebers begründet keine der Rechtsfortbildung zugängliche Regelungslücke. Maßgebend ist dabei, ob das Gesetz nach seiner eigenen Regelungsabsicht tatsächlich unvollständig ist oder ob die in ihm getroffene Entscheidung nur rechtspolitisch kritisiert werden kann (s. nur Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft S. 192 ff., 195).

30

bb) Nach diesen Maßstäben weist das Tarifvertragsgesetz keine planwidrige Regelungslücke hinsichtlich der Anwendbarkeit mehrerer in einem Betrieb nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG geltenden Tarifverträge auf, soweit die einzelnen Arbeitsverhältnisse jeweils nur einem Tarifvertrag unterliegen.

31

(1) Eine Lücke im Tarifvertragsgesetz lässt sich nicht anhand der Entstehungsgeschichte des Tarifvertragsgesetzes begründen(statt vieler Franzen ZfA 2009, 297, 305; Richardi FS Buchner 2009 S. 731, 736; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; sowie ausf. Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 64 ff.) . Die Annahme, der Gesetzgeber habe eine Tarifpluralität wegen der Entwicklung der Gewerkschaften zu Einheitsgewerkschaften als nicht regelungsbedürftig angesehen und eine abweichende Entwicklung nicht gesehen (so Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 7 ff.; ebenso Hromadka NZA 2008, 384, 386; s. auch Oetker NZA 2010 Beil. Nr. 1, S. 13, 26), weshalb man nicht davon ausgehen könne, er habe eine Tarifpluralität durch § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG „abgesegnet“(Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 8), lässt sich auf die Entstehungsgeschichte des Tarifvertragsgesetzes nicht stützen.

32

Der „Stuttgarter Entwurf“ des Arbeitsrechtsausschusses des Länderrates vom Juli 1948 kann entgegen der früheren Senatsrechtsprechung(BAG 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330) hierzu nicht herangezogen werden. Soweit dieser in § 8 eine Kollisionsregel für den Fall vorgeschlagen hatte, dass „ein Arbeitsverhältnis in den Geltungsbereich mehrerer Tarifverträge fällt“(Materialien zur Entstehung des TVG abgedruckt in ZfA 1973, 129 ff.), behandelt er eine Tarifkonkurrenz. Die im Verlauf der Gesetzgebung getroffene Erwägung, eine nähere Ausgestaltung der Konkurrenzproblematik der Wissenschaft und der Rechtsprechung zu überlassen, bezieht sich auf diese Tarifkonkurrenz und gerade nicht auf die der Rechtsprechung und Wissenschaft schon damals bekannte (dazu ausf. etwa Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 376 f.; Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 159) Frage der Tarifpluralität (Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 378 f.; Franzen ZfA 2009, 296, 305; Jacobs aaO S. 374 ff. mwN in Fn. 250; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20).

33

Der historische Gesetzgeber ist auch nicht davon ausgegangen, dass eine Tarifpluralität im Betrieb ohnehin nicht eintreten werde, weil sie durch das „Ordnungsprinzip der Gewerkschaften“ ausgeschlossen sei(so Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 7 ff., 9). Dem steht schon entgegen, dass die DAG bereits im Jahre 1945 gegründet worden war, der Deutsche Gewerkschaftsbund aber erst am 13. Oktober 1949, mithin mehr als ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des TVG. Damit war das angeführte Ordnungsprinzip der Gewerkschaften bereits auf die Möglichkeit von Tarifpluralität angelegt (vgl. zB Schliemann FS Hromadka 2008 S. 359, 371).

34

(2) Auch die gesetzliche Systematik spricht gegen die Annahme einer Gesetzeslücke. Das folgt auch aus § 3 Abs. 2 TVG, selbst wenn man der Regelung einen „(sehr verhaltenen) Hinweis auf eine Tarifeinheit im Betrieb“(so Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 379) entnehmen wollte. § 3 Abs. 2 TVG spricht gerade dafür, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, Individualnormen aus unterschiedlichen Tarifverträgen fänden in einem Betrieb nebeneinander Anwendung. Denn nur dann ist es erforderlich, für die Betriebsnormen, bei denen es eine fortbestehende Tarifpluralität nicht geben kann, eine notwendig betriebseinheitliche Regelung vorzusehen (s. nur Franzen ZfA 2009, 297, 305). Gleiches gilt für die Geltung betriebsverfassungsrechtlicher Normen nach § 3 Abs. 2 TVG(Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 379; Kraft FS Zöllner 1998 S. 831, 836; Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 538; aA Hromadka/Schmitt-Rolfes NZA 2010, 687, 688 ).

35

(3) Schließlich hat der Gesetzgeber an dieser Unterscheidung zwischen Individualnormen iSd. § 1, § 3 Abs. 1 TVG und Betriebs- und betriebsverfassungsrechtlichen Normen nach § 3 Abs. 2 TVG bei den zwischenzeitlich erfolgten Änderungen des Tarifvertragsgesetzes(idF der Bekanntmachung vom 25. August 1969 [BGBl. I S. 1323], zuletzt geändert Artikel 223 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 [BGBl. I S. 2407]) festgehalten, weshalb auch nicht von einer sekundären oder nachträglichen Gesetzeslücke ausgegangen werden kann (s. nur Franzen ZfA 2009, 279, 306; aA Hromadka NZA 2008, 384, 385 f., 389; Oetker NZA 2010 Beil. 1, S. 13, 26; Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 8 f.).

36

(4) Der Gesetzgeber geht zudem, wie § 613a Abs. 1 BGB zeigt, davon aus, dass zwei verschiedene Tarifverträge im Betrieb Anwendung finden können. Die Ablösung der nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformierten Regelungen(dazu BAG 22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - Rn. 61 ff., EzA BGB 2002 § 613a Nr. 110)erfordert die kongruente Tarifgebundenheit beider Arbeitsvertragsparteien. Danach kann es durch einen Betriebsübergang zu verschiedenen im Betrieb anwendbaren Tarifverträgen kommen. Ein Ordnungsprinzip der betrieblichen Tarifeinheit steht dem nicht entgegen (BAG 21. Februar 2001 - 4 AZR 18/00 - zu B I 2 b ee [5] der Gründe, BAGE 97, 107). Die Existenz parallel anwendbarer tarifvertraglicher Regelungswerke in einem Betrieb wird dadurch anerkannt (s. dazu auch Kohte SAE 1996, 14, 17: Koexistenz als „gesetzliches Leitbild“; ähnlich Kania DB 1996, 1921, 1923).

37

d) Die Auflösung einer Tarifpluralität durch den Grundsatz der Tarifeinheit ist nicht im Wege einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung möglich. Deren Voraussetzungen liegen nicht vor.

38

aa) Angesichts des beschleunigten Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse und der begrenzten Reaktionsmöglichkeiten des Gesetzgebers gehört die Anpassung des geltenden Rechts an veränderte Umstände zu den Aufgaben der Dritten Gewalt(BVerfG 12. November 1997 - 1 BvR 479/92, 307/94 - zu B I 2 a der Gründe, BVerfGE 96, 375), die nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO dem Bundesarbeitsgericht zugewiesen ist. Die Befugnis zur Rechtsfortbildung besteht jedoch nicht schrankenlos, sondern wird durch Art. 20 Abs. 2 und 3 GG begrenzt. Mit den Grundsätzen der Gewaltenteilung und Gesetzesbindung wäre es nicht vereinbar, wenn sich die Gerichte aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begäben, also objektiv betrachtet sich der Bindung an Gesetz und Recht entzögen (BVerfG 3. November 1992 - 1 BvR 1243/88 - zu B II 2 b der Gründe, BVerfGE 87, 273, 279 ff.). Die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung setzt deshalb voraus, dass das Gesetz lückenhaft ist, wobei sich die Unvollständigkeit der rechtlichen Regelung nicht wie bei der Analogie am Plan des Gesetzes selbst, sondern an den Erfordernissen der Gesamtrechtsordnung misst (BVerfG 14. Februar 1973 - 1 BvR 112/65 - zu C IV 1 der Gründe mwN, BVerfGE 34, 269). Diese kann sich aus der Verfassung, insbesondere den Grundrechten (BVerfG 12. November 1997 - 1 BvR 479/92, 307/94 - zu B I 2 a der Gründe, aaO) oder einem unabweisbaren Bedürfnis des Rechtsverkehrs ergeben (etwa BGH 14. Dezember 2006 - IX ZR 92/05 - zu II 2 c bb [1] der Gründe, BGHZ 170, 187). Es muss einsichtig gemacht werden können, dass das geschriebene Gesetz seine Funktion, ein Rechtsproblem zu lösen, nicht mehr erfüllt (BVerfG 14. Februar 1973 - 1 BvR 112/65 - zu C IV 1 der Gründe mwN, aaO). Fragen der Zweckmäßigkeit, insbesondere der Praktikabilität, können eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung grundsätzlich nicht begründen (BAG 12. November 1992 - 8 AZR 157/92 - zu I 2 der Gründe, BAGE 71, 355).

39

bb) Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung nicht vor.

40

(1) Die für den Grundsatz der Tarifeinheit angeführten „unüberwindlichen praktischen Probleme“(Zusammenstellung der verschiedenen verwendeten Begrifflichkeiten etwa bei Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 393 f. mwN in Fn. 364 ff.) bei der Anwendung verschiedener Tarifverträge im Betrieb können die Verdrängung geltender Tarifnormen nicht begründen. Sie bestehen teilweise nicht oder sind - ggfl. durch die Rechtsprechung - zu lösen.

41

(a) Dabei ist schon fraglich, ob die Anwendung von verschiedenen Tarifverträgen in einem Betrieb auch unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts wie etwa der elektronischen Datenverarbeitung bei der Anwendbarkeit der unterschiedlichen Rechtsnormen zu größeren Problemen bei der betrieblichen Durchführung der Bestimmungen führt(s. nur Bayreuther NZA 2007, 187, 188 ff.; Meyer DB 2006, 1271, 1272; Hromadka Gedächtnisschrift Heinze S. 283, 287; Reichold RdA 2007, 321, 325; anders Buchner BB 2003, 2121, 2122). Solche werden auch vorliegend von der Beklagten weder angeführt noch sind sie sonst ersichtlich.

42

(b) Selbst wenn man bei Aufrechterhaltung einer Tarifpluralität generell von Anwendungs- und Durchführungsproblemen für den Arbeitgeber ausgehen wollte, können diese keine Grundlage für eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung sein. Schwierigkeiten bei der Anwendung einer Norm rechtfertigen nicht deren Derogation(BAG 10. März 1987 - 8 AZR 146/84 - zu I 7 a der Gründe, BAGE 54, 232, 240; 26. Januar 1993 - 1 AZR 303/92 - zu II 2 b ee der Gründe, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 102 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 109). Auch reichen Zweckmäßigkeitsgründe oder das Koordinierungsinteresse des Arbeitgebers allein nicht aus (Kraft RdA 1992, 161, 166; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; Reichold RdA 2007, 321, 324 f.; Wiedemann/Wank TVG § 4 Rn. 277 ). Eine zweckmäßigere Handhabung vermag auch kein unabweisbares Verkehrsbedürfnis zu begründen.

43

(c) Ebenso kann die angeführte „tatsächlich auch nicht durchzuführende Abgrenzung zwischen Inhalts- und Betriebsnormen eines Tarifvertrages“(BAG 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330) nicht zur Verdrängung tariflicher Regelungen herangezogen werden.

44

Die Trennung der beiden Normbereiche ist in § 3 TVG gesetzlich vorgesehen. Es ist Aufgabe der Rechtsprechung, diese differenzierende gesetzliche Vorschrift anzuwenden(Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG § 4 Rn. 160; Merten BB 1993, 572, 574). Diese wird in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch wahrgenommen (vgl. etwa 27. April 1988 - 7 AZR 593/87 - zu I 3 b der Gründe, BAGE 58, 183; 26. April 1990 - 1 ABR 84/87 - zu B V der Gründe, BAGE 64, 368). Ein Tarifvertrag kann stets Inhaltsnormen, betriebliche Normen und betriebsverfassungsrechtliche Normen enthalten. Aufgrund der unterschiedlichen Bindungswirkung nach § 3 Abs. 1 TVG und § 3 Abs. 2 TVG(dazu BAG 26. April 1990 - 1 ABR 84/87 - zu B V 2 a der Gründe, aaO) ist für jede Tarifnorm getrennt zu prüfen, um welche Art von Norm es sich handelt (BAG 21. Januar 1987 - 4 AZR 486/86 - AP GG Art. 9 Nr. 46). Das gilt schon für Betriebe, in denen der Arbeitgeber nur an einen Tarifvertrag gebunden ist. Auch dann muss aufgrund der unterschiedlichen Gebundenheit nach § 3 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 TVG festgestellt werden, welche Art von tariflicher Regelung vorliegt. Das Erfordernis würde in gleicher Weise im Falle eines nach dem Grundsatz der Tarifeinheit verdrängten Tarifvertrages bestehen, weil für die an ihn gebundenen Arbeitnehmer festgestellt werden müsste, welche Betriebs- und betriebsverfassungsrechtlichen Normen des anderen Tarifvertrages im Verhältnis zu ihnen normativ gelten und welche Normen dieses Tarifvertrages, weil es sich um Inhaltsnormen handelt, nicht ohne Weiteres.

45

(2) Die unzulässige Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit bei der Einstellung(dazu BAG 2. Juni 1987 - 1 AZR 651/85 - BAGE 54, 353; 28. März 2000 - 1 ABR 16/99 - BAGE 94, 169) führt im Falle einer Tarifpluralität nicht zu „tatsächlichen Unzuträglichkeiten“.

46

Die Gewerkschaftsmitgliedschaft ist stets von Bedeutung, wenn der Arbeitnehmer tarifliche Leistungspflichten des Arbeitgebers kraft unmittelbarer Tarifgeltung beansprucht(s. nur Wank Anm. EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 9). Auch im Falle der Auflösung der Tarifpluralität durch Verdrängung eines Tarifvertrages wäre zu ermitteln, wer an den spezielleren Tarifvertrag gebunden ist (Wiedemann/Arnold ZTR 1994, 443, 445). Selbst wenn man trotz des Schutzes durch § 612a BGB(dazu Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20)eine Offenbarungspflicht im laufenden Arbeitsverhältnis nicht anerkennt, bleibt es dem Arbeitgeber unbenommen, zunächst nur diejenigen Leistungen zu erbringen, die den Nicht- oder Andersorganisierten zustehen (Wiedemann/Wank TVG § 4 Rn. 277; Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG § 4 Rn. 162; Danne SAE 1998, 111, 115; Bayreuther BB 2005, 2633, 2640 m. Fn. 68). Im Streitfalle ist der Arbeitnehmer nach den allgemeinen Grundsätzen gehalten, seine Tarifgebundenheit darzulegen und ggf. zu beweisen, wenn er tarifvertragliche Rechte geltend macht (s. nur jüngst Nebeling/Gründel NZA 2009, 1003, 1004). Nichts anderes gilt im Übrigen im Recht der schwerbehinderten Menschen. Soweit dort einschlägige Rechte oder Ansprüche geltend gemacht werden, sind auch in diesem Rechtsbereich keine Unzuträglichkeiten angemahnt worden ( Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 407).

47

(3) Der Grundsatz der Tarifeinheit in Fällen einer Tarifpluralität kann als gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung nicht deshalb gerechtfertigt werden, weil sonst durch drohende „ständige kaum sinnvoll handhabbare Tarifauseinandersetzungen und ständige Streiks mit verheerenden Auswirkungen“(Hromadka NZA 2008, 383, 387) eine Funktionsunfähigkeit des Tarifvertragssystems eintrete. Allein ein als möglich angesehener „Überbietungswettbewerb“ der Gewerkschaften oder Funktionsverlust der Friedenspflicht bei nicht abgestimmten Tarifverhandlungen (Hromadka Gedächtnisschrift Heinze 2005, S. 384, 388; ähnlich Meyer DB 2006, 1271, 1272 f.; ders. NZA 2006, 1387, 1390; Otto FS Konzen 2006 S. 663 ff.; s. auch Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Jahresgutachten 2007/2008 [2007] S. 36 ff.) oder eine befürchtete Vervielfachung von Arbeitskämpfen (Giesen NZA 2009, 11, 15 f., 17; s. auch Feudner RdA 2008, 104, 105) sind keine hinreichenden Gesichtspunkte, die die Verdrängung eines geltenden Tarifvertrages im Wege der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung legitimieren könnten.

48

(a) Unabhängig von der Frage, ob tatsächlich Anhaltspunkte für einen Funktionsverlust des Tarifvertragssystems aus den vorgebrachten Besorgnissen gefolgert werden können, handelt es sich hierbei um Rechtsfragen des Arbeitskampfrechts, nicht aber um solche des Tarifrechts zur Auflösung einer möglichen Tarifpluralität.

49

Der Arbeitskampf gehört zu den verfassungsrechtlich geschützten Mitteln, weil von ihm die Verfolgung eines wesentlichen Koalitionszwecks, der Abschluss von Tarifverträgen, abhängt. Arbeitskampfmaßnahmen werden jedenfalls insoweit vom Grundrecht der Koalitionsfreiheit geschützt, als sie allgemein erforderlich sind, um eine funktionierende Tarifautonomie sicherzustellen( BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 84, 212; BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 33, EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 143 ). Schon aufgrund dieser Funktionsbezogenheit des Arbeitskampfrechts folgt nicht das Tarifrecht dem Arbeitskampfrecht, sondern vielmehr das Arbeitskampfrecht dem Tarifrecht (ebenso Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 540; Deinert NZA 2009, 1176, 1182 mwN in Fn. 101; Franzen ZfA 2009, 297, 311; wohl auch Bayreuther NZA 2008, 12, 15 ff.). Etwaige Rechtsfragen des Arbeitskampfrechts infolge einer bestehenden Tarifpluralität sind in diesem Rechtsbereich zu lösen (s. im hiesigen Zusammenhang etwa die Beiträge von Bayreuther NZA 2008, 12 ff.; Giesen NZA 2009, 11, 14 ff.; Hirdina NZA 2009, 997 ff.; Jacobs FS Buchner 2009 S. 342 ff.; Meyer FS Adomeit 2008 S. 459 ff.; von Steinau-Steinrück/Glanz NZA 2009, 113 ff.). Sie sind nicht geeignet, die Auflösung einer Tarifpluralität durch Verdrängung der Regelungen eines vollwirksamen Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit zu rechtfertigen.

50

Deshalb muss der Senat vorliegend auch nicht darüber befinden, ob die Verdrängung eines Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit überhaupt geeignet wäre, die angeführten Szenarien zu verhindern oder ob er nicht vielmehr zunächst einmal Tarifpluralität, also den Abschluss mehrerer Tarifverträge über denselben Regelungsgegenstand, gerade voraussetzt(so BAG 14. Dezember 2004 - 1 ABR 51/03 - Rn. 63, BAGE 113, 82; s. auch BAG 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 67, 330, wonach es der Koalition unbenommen ist, sich um den Abschluss eines spezielleren, den konkurrierenden Tarifvertrag verdrängenden Tarifvertrages zu bemühen). Es kann weiterhin dahinstehen, ob einer konkurrierenden Koalition im Hinblick auf das nach Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Grundrecht der kollektiven Koalitionsfreiheit die Befugnis zur im Zweifel kampfweisen Durchsetzung eines Tarifvertrages tatsächlich abgesprochen werden kann(ablehnend Bayreuther NZA 2006, 642, 646 f.; Deinert NZA 2009, 1176, 1180 f., 1182; Franzen ZfA 2009, 297, 311 mwN in Fn. 78; Jacobs NZA 2008, 325, 329; deutlich Reichold RdA 2007, 321, 327: „waghalsige, dogmatisch mehrfach unschlüssige Konstruktion“; s. auch die Fallgestaltung in BAG 26. Oktober 1971 - 1 AZR 113/68 - zu A II 3 b der Gründe, BAGE 23, 484).

51

(b) Es ist derzeit auch nicht ersichtlich, dass das geltende Tarifvertragssystem seine Funktion im Falle von Tarifpluralitäten, zu denen es tatsächlich schon gekommen ist und die auch tatsächlich praktiziert werden, nicht mehr wahrnehmen kann, so dass eine Rechtsfortbildung nach den genannten Grundsätzen vorliegend auch deshalb ausscheidet.

52

e) Ungeachtet der fehlenden Voraussetzungen für eine Rechtsfortbildung, die zur Verdrängung eines nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend geltenden Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit führen könnte, wäre eine solche mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG auch nicht zu vereinbaren.

53

aa) Die in den Entscheidungen des Senats zur Begründung des Grundsatzes der Tarifeinheit vertretene Auffassung einer Beschränkung des Grundrechtsschutzes der Koalition durch Art. 9 Abs. 3 GG auf einen „Kernbereich des Tarifvertragssystems“(oben unter 2 mwN) kann nicht mehr herangezogen werden. Der Schutzbereich von Art. 9 Abs. 3 GG ist nicht von vornherein auf einen Kernbereich solcher koalitionsgemäßer Betätigungen beschränkt, die für die Erreichung des Koalitionszwecks unerlässlich sind. Er erstreckt sich vielmehr auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen (grdl. BVerfG 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - zu B I 3 b der Gründe, BVerfGE 93, 352; weiterhin BVerfG 24. Februar 1999 - 1 BvR 123/93 - zu B II 2 b aa der Gründe, BVerfGE 100, 214; 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe, NZA 2007, 394; BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 33, EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 143 ; 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08 - Rn. 39, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96; 18. März 2009 -  4 AZR 64/08 - Rn. 117, AP TVG § 3 Nr. 41 = EzA GG Art. 9 Nr. 98; 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 40, BAGE 117, 137) . Soweit die Verfolgung des Koalitionszwecks von dem Einsatz bestimmter Mittel abhängt, werden auch diese vom Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst(BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 84, 212) . Die Koalitionen müssen ihren verfassungsrechtlich anerkannten Zweck, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern, insbesondere durch den Abschluss von Tarifverträgen erfüllen können (s. nur BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 365; ebenso BVerfG 10. Januar 1995 - 1 BvF 1/90 ua. - zu B II 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 26).

54

bb) Die Verdrängung eines von einer Gewerkschaft geschlossenen Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit stellt sowohl einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die kollektive Koalitionsfreiheit der tarifschließenden Gewerkschaft als auch in die individuelle Koalitionsfreiheit des an diesen gebundenen Gewerkschaftsmitglieds dar.

55

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts schützt das Doppelgrundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG zum einen den Einzelnen in seiner Freiheit, eine Vereinigung zur Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu gründen, ihr beizutreten oder sie zu verlassen. Geschützt ist zum anderen auch die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen(s. nur BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe mwN, NZA 2007, 394; BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 11 mwN, BAGE 123, 134). Der Schutz erstreckt sich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen und umfasst insbesondere die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht (BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 365; 29. Dezember 2004 - 1 BvR 2283/03 ua. - zu C II 3 a der Gründe, AP AEntG § 3 Nr. 2; 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - zu B II 1 der Gründe mwN, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 136; BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 33, EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 143 ). Beim Abschluss von Tarifverträgen sollen die Gewerkschaften frei sein ( BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 84, 212 ). Sie können daher selbst bestimmen, mit wem, für welchen Arbeitnehmerkreis und für welche Unternehmen oder welchen Betrieb sie im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit einen Tarifvertrag abschließen möchten. Sie sind nicht auf einen Kernbereich unerlässlicher koalitionsspezifischer Maßnahmen und damit möglicherweise auf den Abschluss speziellerer Tarifverträge beschränkt.

56

In diese Grundrechtsposition der Gewerkschaften greift die Auflösung einer Tarifpluralität nach dem Grundsatz der Tarifeinheit ein, da sie die unmittelbare und zwingende Wirkung des weniger speziellen Tarifvertrages außer Kraft setzt. Die Verdrängung eines nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG geltenden Tarifvertrages zur Auflösung einer Tarifpluralität nach dem Grundsatz der Tarifeinheit stellt einen Eingriff in das Grundrecht der Koalitionsfreiheit dar(so auch BVerfG 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - zu C I 2 der Gründe, BVerfGE 94, 268, im Falle des § 57a HRG, der die Nr. 1 und 2 SR 2y BAT außer Kraft setzte; weiterhin BVerfG 3. April 2001 - 1 BvL 32/97 - zu B 2 der Gründe, BVerfGE 103, 293, zur Regelung in § 10 BUrlG aF; sowie BVerfG 10. Januar 1995 - 1 BvF 1/90 ua. - zu B II 1 c aa der Gründe, BVerfGE 92, 26, zu § 21 Abs. 4 Satz 3 FlRG; BAG 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 91, 210). Durch die Verdrängung eines geltenden Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit wird in das durch das Tarifvertragsgesetz bereits ausgestaltete Grundrecht der Koalitionsfreiheit (zur Ausgestaltung von Art. 9 Abs. 3 GG durch das TVG s. nur BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b aa der Gründe, BVerfGE 4, 96, 106 ), von dem die Tarifvertragsparteien durch den Abschluss eines Tarifvertrages bereits Gebrauch gemacht haben, dergestalt eingegriffen, dass die konkrete Rechtsposition - die Geltung des Tarifvertrages - nur aufgrund der Koalitionsrechtsausübung einer anderen konkurrierenden Gewerkschaft wieder entzogen wird (Engels RdA 2008, 331, 334 f. mwN in Fn. 75; Burkiczak Grundgesetz und Deregulierung des Tarifvertragsrechts 2006 S. 171, 253 ff.; Franzen ZfA 2009, 297, 304, 309; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 439; aA Hromadka/Schmitt-Rolfes NZA 2010, 687, 689; Hromadka NZA 2008, 384, 387; Buchner BB 2003, 2121, 2128; die lediglich eine Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit annehmen).

57

Damit wird ein von den Tarifvertragsparteien erstrittenes Verhandlungsergebnis zulasten der Gewerkschaft abgeändert und ihr Erfolg nachträglich bei einem Firmentarifvertrag ganz oder bei einem Flächentarifvertrag zumindest teilweise entwertet. Der Abschluss von Tarifverträgen für alle bei einer Gewerkschaft organisierten Arbeitnehmer ist aber zentraler Bestandteil ihrer Koalitionsfreiheit(BVerfG 10. Januar 1995 - 1 BvF 1/90 ua. - zu B II 1 c bb der Gründe, BVerfGE 92, 26). Die Entwertung dieser ihrer Koalitionsrechtsausübung kann ihre Verhandlungsposition für die Zukunft ebenso schwächen wie ihre Attraktivität, Mitglieder zu werben oder zu erhalten. Durch solche Folgen wird die Tarifautonomie beeinträchtigt (BVerfG 3. April 2001 - 1 BvL 32/97 - zu B 2 der Gründe, BVerfGE 103, 293). Durch die Verdrängung derjenigen tariflichen Regelungen, die gegenüber einem bereits für den Arbeitgeber geltenden Tarifvertrag nicht spezieller sind, kann der Zugang zu einem bestimmten Betrieb, Unternehmen, uU zu einem ganzen Wirtschaftszweig versperrt werden (Wiedemann/Wank TVG § 4 Rn. 277), wodurch auch die Koalitionsbestandsgarantie betroffen werden kann. Denn die Erhaltung und der Ausbau des Mitgliederbestandes sind als bestandssichernde Maßnahmen vom Grundrecht der Koalitionsfreiheit erfasst ( BVerfG 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 93, 352 ) .

58

(2) Die Auflösung einer Tarifpluralität greift zudem in die individuelle positive Koalitionsfreiheit der Mitglieder derjenigen Gewerkschaft ein, die den verdrängten Tarifvertrag geschlossen hat(Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 442 mwN in Fn. 646; so schon Konzen RdA 1978, 145, 148: „Verkürzung des Tarifschutzes“) . Die individuelle Koalitionsfreiheit umfasst nicht nur das Recht, sich zu Koalitionen zusammenzuschließen und sich für sie zu betätigen, sondern - als Hauptzweck der Mitgliedschaft - den Schutz der von der ausgewählten Koalition geschlossenen Tarifverträge in Anspruch nehmen zu können.

59

cc) Allenfalls zum Schutz von gleichermaßen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsgütern und Gemeinwohlbelangen könnte die von Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Koalitionsfreiheit, obwohl ohne Gesetzesvorbehalt verbürgt, eingeschränkt werden(BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe mwN, NZA 2007, 394; 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 3 a der Gründe mwN, BVerfGE 84, 212) . Allerdings dürfen dem Betätigungsrecht der Koalition nur solche Schranken gezogen werden, die im konkreten Fall zum Schutz der betroffenen Rechtsgüter von der Sache her geboten sind (BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - aaO; 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - zu B I 3 b der Gründe mwN, BVerfGE 93, 352). Die dazu erforderliche Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit durch die Rechtsordnung obliegt in erster Linie dem Gesetzgeber ( BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - zu B II 1 b bb der Gründe mwN, BVerfGE 44, 322; BAG 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08 - Rn. 40, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96). Dort, wo die gesetzlichen Vorgaben - wie etwa auf dem Gebiet des Arbeitskampfrechts - unzureichend sind oder fehlen, haben anstelle des Gesetzgebers die Gerichte für eine sachgerechte Ausgestaltung der Betätigungsfreiheit zu sorgen (BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 2 a der Gründe, BVerfGE 84, 212) .

60

Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass Einschränkungen der verfassungsrechtlich garantierten Betätigungsfreiheit der Koalitionen nur dann mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar sind, wenn sie entweder dem Schutz des jeweiligen Koalitionspartners und damit gerade der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie oder dem Schutz der Grundrechte Dritter dienen oder sie durch die Rücksicht auf andere Rechte mit Verfassungsrang gerechtfertigt sind(BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 3 a der Gründe, aaO; 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - zu C II 1 der Gründe, BVerfGE 94, 368) .

61

dd) Der durch eine Verdrängung tariflicher Regelungen erfolgte Eingriff in die individuelle und die kollektive Koalitionsfreiheit ist nach den vorgenannten Maßstäben nicht gerechtfertigt.

62

(1) Die Notwendigkeit der Auflösung einer Tarifpluralität kann nicht damit begründet werden, es handele sich bei dem Grundsatz der Tarifeinheit um einen „richtungweisenden Maßstab rechtlicher Normierung“, der vor Art. 9 Abs. 3 GG bestehen könne(Hromadka Gedächtnisschrift Heinze 2005 S. 383, 393; anders bereits Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20 ). Weiterhin kann auch nicht eine „verfassungsrechtlich anerkannte Ordnungsfunktion des Tarifwesens“ als mögliche Grundlage herangezogen werden (so aber Hanau RdA 2008, 98, 99). Weder dem Tarifvertragsgesetz noch dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG kann eine rechtlich verbindliche Vorgabe der betriebseinheitlichen Geltung von denjenigen Tarifnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, entnommen werden. Die mit dem Koalitionsgrundrecht verbundene Zielvorstellung der „sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens“ beinhaltet keine rechtlich vorgegebene Ordnung, wonach tarifliche Normen betriebseinheitlich gelten müssten, die vorliegend eine Einschränkung der grundrechtlichen Freiheiten rechtfertigen könnte. Die Ordnungsfunktion von Tarifverträgen ist entsprechend der von Verfassungs wegen vorgegebenen mitgliedschaftlichen Struktur der Koalitionen nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG auf die unmittelbar Tarifgebundenen beschränkt.

63

(a) Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verfolgt den im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, dem von der staatlichen Rechtssetzung ausgesparten Raum des Arbeitslebens im einzelnen durch Tarifverträge autonom zu regeln(BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - zu B II 1 b bb der Gründe, BVerfGE 44, 322; grdl. BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b bb der Gründe, BVerfGE 4, 96; weiterhin etwa BVerfG 6. Mai 1964 - 1 BvR 79/62 - zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 18, 18; 1. März 1979 - 1 BvR 532/77 ua. - zu C IV 1, 2 b cc der Gründe, BVerfGE 50, 290; 20. Oktober 1981 - 1 BvR 404/78 - zu B I der Gründe, BVerfGE 58, 233; 2. März 1993 - 1 BvR 1213/85 - zu C II 1 der Gründe, BVerfGE 88, 103; 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 - zu C I 2 c der Gründe, BVerfGE 92, 365). Bei dieser Zweckverfolgung durch den Abschluss von Tarifverträgen sollen die Vereinigungen nach dem Willen des Grundgesetzes frei sein (BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 84, 212 ).

64

Mit dem Tarifvertragsgesetz hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen für ein gesetzlich gesichertes tarifvertragliches Regelungsverfahren in Ausgestaltung der verfassungsrechtlich abgesicherten Tarifautonomie geschaffen(so schon BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b aa der Gründe, BVerfGE 4, 96). Die Tarifvertragsparteien regeln auf dessen Grundlage (privat-)autonom, mit welchen tarifpolitischen Forderungen (dazu BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 99, BAGE 122, 134) sie für ihre Mitglieder tarifvertragliche Regelungen mit welchem Tarifvertragspartner setzen wollen und letztlich vereinbaren.

65

Dabei regelt das Tarifvertragsgesetz das Zustandekommen und die Wirkung von Tarifverträgen. Es enthält dafür - gerade anders als § 3 Abs. 2 und 3 TVG für betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Rechtsnormen eines Tarifvertrages - keine gesetzlichen Vorgaben, die auf eine bestimmte inhaltliche Ordnung des Tarifvertragssystems iSe. tarifeinheitlichen Regelung der Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen im jeweiligen Betrieb ausgerichtet sind oder eine solche gar rechtlich vorschreiben. Es kann deshalb offenbleiben, ob der einfache Gesetzgeber eine Regelung überhaupt schaffen könnte, die in einer derart weit reichenden Weise in die verfassungsrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit eingreift.

66

Die Ordnungsfunktion eines Tarifvertrages ist durch die nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG auf die Mitglieder beschränkte Rechtssetzungsmacht der Tarifvertragsparteien begrenzt. Insoweit wird der Tarifvertrag im Hinblick auf die von ihm gesetzten Rechtsnormen - wie jeder Vertrag - seiner Ordnungsfunktion gerecht(Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 374, 393 f.; Koop Das Tarifvertragssystem zwischen Koalitionsmonopolismus und Koalitionspluralismus 2009 S. 277 ff., 281). Eine über die Ordnung der Vertragsbeziehungen seiner Mitglieder hinausgehende Ordnungsfunktion des Tarifvertrages, namentlich in Richtung auf eine „sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens“ dergestalt, die Arbeitsverhältnisse im Betrieb einheitlich zu regeln, ist durch das Tarifvertragsgesetz rechtlich nicht vorgegeben (Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 153; Däubler in ders. [Hrsg.] TVG 2. Aufl. Rn. 81; Dieterich AuR 2001, 390, 391; ders. Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 539 ff.; Jacobs aaO; Kempen in ders./Zachert [Hrsg.] TVG 4. Aufl., Einl. Rn. 99; Konzen RdA 1978, 146, 153; Koop Das Tarifvertragssystem zwischen Koalitionsmonopolismus und Koalitionspluralismus 2009 S. 283; Schliemann FS Hromadka 2008 S. 359, 371, 377 f.: „korrespondiert kein rechtlich fundierter Grundsatz“; ähnlich Richardi FS Buchner 2009 S. 731, 740).

67

(b) Der Grundsatz der betrieblichen Tarifeinheit ist auch kein verfassungsrechtliches Element der grundgesetzlich geschützten Tarifautonomie, welches die Verdrängung von Rechtsnormen eines Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, begründen könnte.

68

Der Annahme einer von Verfassungs wegen vorgesehenen notwendigen tarifeinheitlichen Regelung für den jeweiligen Betrieb steht bereits entgegen, dass die Koalitionsfreiheit in erster Linie als Freiheitsgrundrecht strukturiert(s. nur BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 365) und auf einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Koalitionen angelegt ist. Art. 9 Abs. 3 GG überlässt es den tariffähigen Koalitionen, in Ausübung ihrer kollektiven Privatautonomie im Rahmen der Verfahrensregelungen des Tarifvertragsrechts autonom durch Tarifverträge die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu regeln. Dieses Zurücktreten des Staates zugunsten der Tarifparteien gewinnt seinen Sinn ebenso sehr aus dem Gesichtspunkt, dass die unmittelbar Betroffenen besser wissen und besser aushandeln können, was ihren beiderseitigen Interessen und dem gemeinsamen Interesse entspricht, als der demokratische Gesetzgeber, wie aus dem Zusammenhang mit dem für die Gestaltung nicht öffentlich-rechtlicher Beziehungen charakteristischen Prinzip der Privatautonomie, im Grunde also der Entscheidung des Grundgesetzes zugunsten des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats (BVerfG 27. Februar 1973 - 2 BvL 27/69 - zu B II 4 a der Gründe, BVerfGE 34, 307). Dabei hat der Gesetzgeber den Koalitionen im Tarifvertragsgesetz das Mittel des Tarifvertrages an die Hand gegeben, damit sie die von Art. 9 Abs. 3 GG intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens verwirklichen können (BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - zu B II 1 b aa der Gründe, BVerfGE 44, 322).

69

Dies erfolgt auch im Wettbewerb mit anderen Koalitionen(BVerfG 6. Mai 1964 - 1 BvR 79/62 - zu B III 2 c der Gründe, BVerfGE 18, 18; 15. Juli 1980 - 1 BvR 24/74 ua. - zu B II 2 c der Gründe, BVerfGE 55, 7). Zu dem durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionspluralismus gehört, dass die Koalitionen in Konkurrenz treten(BAG 31. Mai 2005 - 1 AZR 141/04 - Rn. 31, BAGE 115, 58). Dieser Wettbewerb wird auch im Rahmen der durch das Tarifvertragsgesetz ausgestalteten kollektiven Privatautonomie ausgetragen. Tarifpluralität ist deshalb Folge des verfassungsrechtlich vorgesehenen und geschützten Koalitionspluralismus (s. dazu nur Franzen ZfA 2009, 297, 307 f.; Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 539; Kraft RdA 1992, 159, 168; Konzen RdA 1978, 146, 154).

70

Der in frühen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts verwendete Begriff der „sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens“ steht diesem Verständnis nicht entgegen. Die sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens ist „einer der Zwecke des Tarifvertragssystems“(BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b bb der Gründe, BVerfGE 4, 96), nicht aber eine verfassungsrechtlich verbindliche Vorgabe, die den Grundsatz der betrieblichen Tarifeinheit rechtfertigen könnte. Die in Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich verankerte Tarifautonomie verfolgt den im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, den von der staatlichen Rechtssetzung ausgesparten Raum des Arbeitslebens im Einzelnen durch Tarifverträge „autonom“ zu regeln(oben unter [aa] mwN). Nur insoweit dient die Koalitionsfreiheit der sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens (BVerfG 1. März 1979 - 1 BvR 532/77 ua. - zu C IV 1 der Gründe, BVerfGE 50, 290; zu dieser Rechtsprechung des BVerfG s. auch Richardi FS Buchner 2008 S. 731, 739 f.). Auf welchem Wege die Koalitionen die verfassungsrechtliche Erwartung der sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens verwirklichen, ist im Rahmen der rechtlichen Ausgestaltung des Tarifvertragswesens ihnen überlassen und fordert von Verfassungs wegen keine betriebseinheitlichen Tarifregelungen.

71

(2) Soweit weiterhin angenommen wird, die „Kartellfunktion“ des Tarifvertrages und das Ziel einer „regelmäßigen Ordnung“ der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen erforderten funktionell, dass am Ende des Koalitionswettbewerbs eine tarifeinheitliche Regelung für das konkrete betriebliche Arbeitsfeld bestehe(Kempen FS Hromadka 2008 S.  177, 185  ff.; s. auch ders. FS 50 Jahre BAG 2005 S. 729 f., 733; ebenso Scholz FS Buchner 2009 S.  827, 828  ff.; ähnlich Berg/Platow/Schoof/Unterhinninghofen Tarifvertragsgesetz und Arbeitskampfrecht 2. Aufl. § 4 TVG Rn. 58b ), ist dies in dem Art. 9 Abs. 3 GG konkretisierenden Tarifvertragsgesetz für die hier ausschließlich infrage stehenden Rechtsnormen eines Tarifvertrages nicht geregelt. Die sogenannte Kartellfunktion, die in der Vereinheitlichung von Arbeitsbedingungen liegt, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, beruht als solche nicht auf einer normativen Festlegung durch das geltende Tarifvertragsrecht (Däubler in ders. [Hrsg.] TVG Rn.  83, so auch Kempen in ders./Zachert [Hrsg.] TVG Einl. I Rn.  103; Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 145; abl. auch Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 540 f. ). Ein solches funktionelles Erfordernis kann aus den bereits genannten Gründen (unter [a] [bb] ) dem Koalitionsgrundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG nicht entnommen werden. Eine mögliche Kartellwirkung ergibt sich lediglich über § 4 Abs. 1 TVG auf der Ebene der an den einzelnen Tarifvertrag Gebundenen und auch hier nur hinsichtlich der Geltung von Mindestarbeitsbedingungen(§ 4 Abs. 3 TVG).

72

(3) Die angeführten Zweckmäßigkeits- oder Praktikabilitätserwägungen stellen keine mit der Koalitionsfreiheit kollidierenden Rechtsgüter des Arbeitgebers von gleichermaßen verfassungsrechtlichem Rang(zu diesem Erfordernis BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe, NZA 2007, 394) dar, die nach den genannten Maßstäben einen Eingriff in die individuelle und die kollektive Koalitionsfreiheit rechtfertigen können (s. nur Reichold RdA 2007, 321, 324 f.; Engels RdA 2008, 331, 335; Jacobs NZA 2008, 325, 329). Ein Ordnungsziel der betriebseinheitlichen Tarifgeltung wäre allein auf den einzelnen Betrieb bezogen und betriebswirtschaftlich ausgerichtet ( Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 439 ) . Ebenso wenig können etwaige „Effizienzgewinne tarifvertraglich installierter allgemeiner Arbeitsbedingungen“ (Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 12) eine Einschränkung des Koalitionsgrundrechts begründen; allein ordnungspolitische Vorstellungen, die nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen (oben unter [3]), können eine solche nicht rechtfertigen (in diese Richtung aber Buchner BB 2003, 2121, 2127; ebenso Hromadka NZA 2008, 384, 392: „Tarifeinheit … ist geeignet, eine sinnvolle Ordnung im Betrieb herzustellen“).

73

(4) Es sind auch derzeit keine Anzeichen dafür erkennbar, dass ein solcher Eingriff in die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften und ihrer Mitglieder zur Wahrung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie(zu diesem Kriterium als mögliche Rechtfertigung eines Eingriffs BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C I 2 c der Gründe, BVerfGE 92, 365) erforderlich wäre. Soweit angeführt wird, im Falle einer Tarifpluralität könne das Tarifvertragssystem seine Aufgabe nicht mehr wahrnehmen (Hromadka Gedächtnisschrift Heinze S. 383, 394, unter Hinweis auf die Gefahr „ständiger Tarifverhandlungen und Streiks“, dazu oben unter dd [2] [a] [cc]; Buchner BB 2003, 2121, 2128; Feudner BB 2007, 2459, 2462; Scholz FS Buchner 2009 S. 827, 828 f.; s. auch Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 11: „Gemeinwohlinteresse an einem funktionierenden Tarifsystem zur sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens“), ohne die Funktionsunfähigkeit der Tarifautonomie näher zu begründen, wird übersehen, dass Tarifeinheit keine Funktionsbedingung der Tarifautonomie ist (ErfK/Dieterich 10. Aufl. Art. 9 GG Rn. 68a; Reichold RdA 2007, 321, 324; s. auch Richardi FS Buchner 2009 S. 731, 740 ). Eine Bedrohung des Bestandes der Tarifverträge der Mehrheitsgewerkschaften, die Scholz anlässlich des Tarifkonflikts bei der Deutschen Bahn ausmachen und daraus einen „verfassungsunmittelbaren Konflikt“ auf der Ebene der Koalitionsrechtsgarantie folgern will (FS Buchner 2009 S. 827, 829), ist rechtstatsächlich nicht erkennbar. Auch sind keine schwer überwindbaren Schwierigkeiten für die Gestaltung des Tarifrechts in Richtung auf Tarifklarheit und Rechtssicherheit erkennbar oder absehbar (dazu BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b bb der Gründe, BVerfGE 4, 96), die die Verdrängung eines Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit begründen könnten.

74

(5) Für eine Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Gemeinwohlbelange(dazu BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C II 2 a der Gründe, BVerfGE 92, 365) durch eine Pluralität tariflicher Regelungen im Betrieb gibt es derzeit keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte.

75

ee) Schließlich ist die in den Entscheidungen zum Grundsatz der Tarifeinheit herangezogene Parallele zu § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG nicht geeignet, den Eingriff in die Koalitionsfreiheit derjenigen Arbeitnehmer (mit) zu begründen, die der Gewerkschaft angehören, die den verdrängten Tarifvertrag geschlossen hat. § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG bezweckt den Schutz der Tarifautonomie und setzt dabei das Rangverhältnis zwischen Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung voraus. Demgegenüber hindert der Grundsatz der Tarifeinheit die Koalitionsbetätigung im Betrieb, indem er zumindest einen Tarifvertrag verdrängt und betrifft zudem ranggleiche Regelungen. Die Vorschrift kann nicht dazu herangezogen werden, Tarifgebundene von den sie schützenden Tarifnormen auszuschließen(zB Kraft RdA 1993, 161, 168; Hanau RdA 1998, 65, 69; Merten BB 1993, 572, 575). Bei den tariflichen Regelungen iSd. § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG handelt es sich zudem häufig um Betriebs- oder Betriebsverfassungsnormen im Sinne von § 3 Abs. 2 TVG. Bei diesen ist die gleichzeitige Geltung verschiedener tarifvertraglicher Normen, die für dasselbe Arbeitsverhältnis denselben Regelungsgegenstand betreffen (Tarifkonkurrenz), ausgeschlossen. Arbeitnehmern, die an den bei der hier notwendigen Kollisionsauflösung verdrängten Tarifvertrag gebunden sind, bleibt aufgrund der hierfür allein erforderlichen Tarifgebundenheit des Arbeitgebers zumindest der Schutz des verdrängenden Tarifvertrages, auch wenn sie nicht Mitglied der hieran beteiligten Gewerkschaft sind.

76

5.Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die nach alledem auch weiterhin zu Grunde zu legende Geltung des BAT kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit nicht aufgrund der individualvertraglichen Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien ausgeschlossen. Selbst wenn diese sich - wie die Revision meint - nach Inkrafttreten des TVöD auf diesen erstrecken sollte, bestünde bei dem Kläger keine Tarifkonkurrenz, die zur Verdrängung des BAT führen würde. Die individualvertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrages führt nicht zu dessen tarifrechtlicher Geltung mit der Folge, dass seine Bestimmungen infolge einer Tarifkonkurrenz nach dem Spezialitätsprinzip verdrängt werden könnten. Es handelt sich vielmehr um eine einzelvertragliche Regelung von Arbeitsbedingungen. Deshalb kann es auch nicht zu einer Konkurrenz kommen, weil nicht zwei Tarifverträge gleichzeitig für das Arbeitsverhältnis des Klägers Geltung beanspruchen (BAG 29.  August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 20, BAGE 124, 34, unter Aufgabe von BAG 23. März 2005 - 4 AZR 203/04 - BAGE 114, 186). Ist der Arbeitnehmer an einen Tarifvertrag gebunden, gilt im Verhältnis zu den vertraglichen Regelungen, auch wenn sie tarifvertragliche Bestimmungen zum Gegenstand des Arbeitsvertrages machen, das tarifrechtliche Günstigkeitsprinzip gemäß § 4 Abs. 3 TVG(s. auch BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 34, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 39), im anderen Fall bleibt es bei der unmittelbaren und zwingenden Wirkung kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit.

77

Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 23. März 2005(- 4 AZR 203/04 - BAGE 114, 186) geltend gemacht hat, das Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 3 TVG sei vorliegend nicht anwendbar und sie habe bei Verwendung der Bezugnahmeklausel auf diese Rechtsprechung vertraut, ist dies in mehrfacher Hinsicht ohne Bedeutung. Es ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit die Beklagte bei Abschluss des Arbeitsvertrages am 12. März 2004 auf diese erst später ergangene Entscheidung vertraut haben will. Der Senat hat in der genannten Entscheidung eine Verdrängung des Günstigkeitsprinzips zudem nur für den Fall angenommen, dass beide konkurrierenden Tarifverträge - Verbandstarifvertrag zum einen und Firmentarifvertrag zum anderen - auch vertraglich in Bezug genommen waren und von derselben Gewerkschaft geschlossen wurden (23. März 20054 AZR 203/04 - zu I 1 b cc [2] der Gründe, aaO). Beide Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Abgesehen davon reicht eine einzelne höchstgerichtliche Entscheidung nicht aus, die Gewährung von Vertrauensschutz zu begründen (BAG 29. August 2007 - 4 AZR 765/06 - Rn. 32, SAE 2008, 365).

78

III. Der Kläger hat durch die E-Mail vom 31. Januar 2006 die tarifvertragliche Ausschlussfrist nach § 70 Satz 1 BAT gewahrt. Diese genügte dem Schriftformerfordernis iSd. § 70 BAT.

79

1. Das zwischen den Parteien unstreitige Vorbringen des Klägers zur Geltendmachung seines Anspruchs konnte vom Senat berücksichtigt werden.

80

a) Zwar unterliegt nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Dazu gehört auch das Parteivorbringen in Schriftsätzen und Anlagen, auf die im Berufungsurteil Bezug genommen wird. Neues tatsächliches Vorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen. Es kann aber ausnahmsweise berücksichtigt werden, wenn das Revisionsgericht erstmals gemäß § 139 Abs. 2 ZPO auf eine bisher nicht beachtete, entscheidungserhebliche Rechtslage hingewiesen hat. Die Parteien können dann an der Rechtslage ausgerichtete Tatsachen vortragen, die auch eine Sachentscheidung rechtfertigen können(BAG 9. Oktober 1973 - 1 ABR 6/73 - zu III 2 der Gründe, BAGE 25, 325; GK-ArbGG/Mikosch Stand November 2009 § 73 Rn. 81; ebenso Müller-Glöge in Germelmann ua. ArbGG 7. Aufl. § 74 Rn. 121, für den Fall eines unstreitigen Vorbringens).

81

b) Danach konnte der Kläger ergänzend zur rechtzeitigen Geltendmachung vortragen. Die Vorinstanzen haben weder den Umstand berücksichtigt, dass der Kläger zur Wahrung der Ausschlussfrist nichts vorgetragen hatte, noch ihm einen dahingehenden rechtlichen Hinweis erteilt und der Klage gleichwohl stattgegeben. Insoweit war - wie durch den Senat geschehen - den Parteien nach § 139 Abs. 2 ZPO Gelegenheit zu geben, ergänzend vorzutragen. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Empfang der beiden E-Mails des Klägers bestätigt.

82

2. Der Kläger hat seinen Anspruch auf Urlaubsaufschlag durch seine E-Mail vom 31. Januar 2006 und damit nach Fälligkeit des Anspruchs(dazu BAG 24. Oktober 1990 - 6 AZR 37/89 - zu B V 2 der Gründe, BAGE 66, 154) geltend gemacht.

83

a) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Dies braucht zwar nicht wörtlich, muss jedoch hinreichend klar geschehen. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung bestehen wird(BAG 5. April 1995 - 5 AZR 961/93 - zu 2 b der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 130 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 111). Die Geltendmachung nach § 70 Satz 1 BAT setzt voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und dessen Höhe, dh. der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Klarheit ersichtlich gemacht wird. Der Sinn und Zweck der Regelung besteht darin, dem Schuldner den behaupteten Anspruch so zu kennzeichnen, dass er sich über Inhalt und Umfang klar werden kann und dem Gläubiger die Erhebung einer formellen Klage zunächst erspart wird. Deshalb müssen für den Arbeitgeber die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, erkennbar sein. Eine rechtliche Begründung ist nicht erforderlich (BAG 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 - zu II 3 b der Gründe mwN, AP BAT-O § 70 Nr. 2 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 136).

84

b) Es bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, ob der Kläger bereits mit seiner E-Mail vom 1. Januar 2006 einen Anspruch auf Urlaubsaufschlag entsprechend den genannten Anforderungen geltend gemacht hat. Jedenfalls mit der E-Mail vom 31. Januar 2006 hat er gegenüber der Beklagten mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen gegeben, dass er nicht nur eine bloße Überprüfung der Urlaubsabrechnung erbittet, sondern auch die Zahlung der noch ausstehenden Urlaubsvergütung von ihr erwartet.

85

aa) Mit einer E-Mail vom 1. Januar 2006 wandte sich der Kläger an die zuständige Mitarbeiterin der Beklagten. Darin heißt es ua.:

        

„Zu meiner aktuellen Abrechnung bleiben … auf jeden Fall noch zwei Fragen zur Seite 7, die den Monat Oktober 2005 betrifft:

        

1.   

Wann ist mit der Auszahlung der entsprechenden Urlaubsvergütung für die 11 Urlaubstage im Zeitraum vom 15.-31.10. zu rechnen? (kann ich hier dann gleich auf die 3 Urlaubstage vom 01.11. bis 06.11. hinweisen?)

        

…       

        

Mit freundlichen Grüßen

        

H G

        

**********************************************

        

Dr. med H G

        

Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie

        

und operative Intensivmedizin

        

Universitätsklinikum M

        

… “

86

Die Beklagte teilte dem Kläger am 4. Januar 2006 gleichfalls durch E-Mail mit, dass seine Fragen zum Urlaubsaufschlag an den Leiter des Entgeltbereichs weitergeleitet würden. Der Kläger fragte am 31. Januar 2006 unter Verwendung der Antwortfunktion des E-Mail-Programms bei der Beklagten nach:

        

„… möchte ich kurz … nachfragen,

        

a) wann ich mit einer Rückmeldung bezüglich der im Vormonat nicht überwiesenen Urlaubsvergütung (kein Urlaubsgeld) für die 11 Urlaubstage im Zeitraum 15.-31.10.2005 … und der Überweisung des entsprechenden Betrages rechnen kann?

        

…       

        

Mit freundlichen Grüßen

        

H G

        

**********************************

        

Dr. med. H G

        

…“   

87

bb) Das ist für eine Geltendmachung zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfristen ausreichend. Grund und Höhe des Anspruchs sind dabei mit der Benennung des maßgebenden Zeitraums und der geforderten Urlaubsvergütung hinreichend deutlich bezeichnet. Die fehlende Verwendung des tariflichen Begriffs „Urlaubsaufschlag“ ist unschädlich. Der Beklagten wurde diejenige Kenntnis vermittelt, die erforderlich ist, um sich mit der Berechtigung eines bestimmten Anspruchs auseinandersetzen zu können. Da der Kläger sich auf seine im Vormonat Dezember 2005 nicht ausgezahlte Urlaubsvergütung für den Urlaub im Monat Oktober 2005 bezieht, ist erkennbar, dass sich sein Verlangen auf den im Monat Dezember fällig gewordenen Teil der Urlaubsvergütung, den nicht zur Auszahlung gelangten Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 BAT bezieht. In diesem Sinne hat die Beklagte bereits die ähnlich lautende E-Mail des Klägers vom 1. Januar 2006 verstanden. Das zeigt ihre Antwort vom 4. Januar 2006, in der sie selbst den Urlaubsaufschlag nennt.

88

3. Die tarifliche Ausschlussfrist hat der Kläger nicht deshalb versäumt, weil er seinen entstandenen Anspruch(dazu BAG 22. Januar 2009 - 6 AZR 5/08 - Rn. 13 ff., AP BAT § 70 Nr. 39)lediglich durch eine E-Mail geltend gemacht hat. Zur Wahrung der Ausschlussfrist und des Schriftlichkeitsgebots nach § 70 Satz 1 BAT bedarf es nicht der Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB. Es genügt die Einhaltung der Textform des § 126b BGB. Deren Anforderungen wird die E-Mail vom 31. Januar 2006 gerecht.

89

a) Die E-Mail vom 31. Januar 2006 erfüllt nicht die Voraussetzungen, die § 126 Abs. 1 BGB an die Form einer Urkunde stellt, wenn durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben ist. Es bedarf dann der eigenhändigen Unterzeichnung der Urkunde durch Namensunterschrift von Seiten des Ausstellers. Daran fehlt es hier.

90

b) Der Formwirksamkeit der E-Mail nach § 70 Satz 1 BAT steht dieser Umstand allerdings nicht entgegen. Für sie genügt die Einhaltung der Textform des § 126b BGB(ebenso LAG Düsseldorf 25. Juli 2007 - 12 Sa 944/07 -; Hessisches LAG 6. August 2009 - 14 Sa 563/09 - zu 1 der Gründe; ArbG Krefeld 31. Oktober 2005 - 5 Ca 2199/05 - m. abl. Anm. Peetz/Rose DB 2006, 2346; Gotthardt/Beck NZA 2002, 876, 883; Röger NJW 2004, 1764, 1767; wohl auch ErfK/Preis § 218 BGB Rn. 62; aA Schmitt SAE 2001, 306 f.; wie hier für die Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG: BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 29 ff., AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12).

91

aa) Die §§ 126 ff. BGB gelten unmittelbar nur für Rechtsgeschäfte. Die Geltendmachung eines Anspruchs zur Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist ist kein Rechtsgeschäft, sondern rechtsgeschäftsähnliche Handlung. Auf eine solche sind die §§ 126 ff. BGB allenfalls analog anwendbar. Das setzt jeweils die gleiche Interessenlage wie bei Rechtsgeschäften voraus. Diese ist bei der schriftlichen Geltendmachung nach § 70 Satz 1 BAT nur im Hinblick auf § 126b BGB gegeben.

92

(1) Die Geltendmachung im Sinne einer tariflichen Ausschlussfrist ist keine Willenserklärung, sondern rechtsgeschäftsähnliche Handlung(BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 313/99 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 96, 28; 20. Februar 2001 - 9 AZR 46/00 - zu II 2 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Gaststätten Nr. 11 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 139; 6. September 2001 - 8 AZR 59/01 - zu 5 b aa der Gründe, EzBAT §§ 22, 23 BAT M Nr. 91; 17. September 2003 - 4 AZR 540/02 - zu III 1 der Gründe, BAGE 107, 304).

93

(2) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das in § 126 BGB vorgesehene Formerfordernis trotz des offenen Wortlauts der Vorschrift auf Rechtsgeschäfte beschränkt. Auf rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen ist die Bestimmung nicht unmittelbar anzuwenden(BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 32, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12; 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 27, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11; 17. September 2003 - 4 AZR 540/02 - zu III 3 der Gründe, BAGE 107, 304; 11. Juni 2002 - 1 ABR 43/01 - zu B IV 1 b aa der Gründe mwN, BAGE 101, 298; 11. Oktober 2000 - 5 AZR 313/99 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 96, 28; Soergel/Hefermehl BGB Bd. 2 13. Aufl. § 126 Rn. 2; Gragert/Wehe NZA 2001, 311, 312; Köhler AcP 182 (1982) 126, 151; Anschütz/Kohte JR 2001, 263, 264; aA Gotthardt/Beck NZA 2002, 876, 883; Röger NJW 2004, 1764, 1765; die jedoch alle eine Auslegung der die Schriftform anordnenden Regelung für zulässig erachten). Daran hat die Ergänzung des § 126 BGB um § 126a und § 126b BGB durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001 (BGBl. I S. 1542) nichts geändert (aA Röger NJW 2004, 1764, 1765). Auch die neu eingefügten §§ 126a, 126b BGB sind vielmehr wegen des fortbestehenden Sachzusammenhangs mit den Bestimmungen über Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte unmittelbar nur auf Willenserklärungen anwendbar. Für rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen gelten sie allenfalls entsprechend (BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 33, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12; 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 27 ff., AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11; vgl. dagegen BGH 14. März 2006 - VI ZR 335/04 - zu II 1 a aa der Gründe, NJW 2006, 2482: „Vorschriften über das Wirksamwerden von Willenserklärungen gelten im Fall von § 12 Abs. 3 VVG entsprechend“).

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(3) Eine entsprechende Anwendung von § 126 BGB(zu den Voraussetzungen BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 36, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11)auf die Geltendmachung eines Anspruchs zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist des § 70 BAT ist nicht geboten. Normzweck und Interessenlage verlangen nicht nach einer eigenhändigen Unterzeichnung der schriftlichen Erklärung durch Namensunterschrift des Beschäftigten. Ausschlussfristen dienen dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit im Vertragsverhältnis. Der Schuldner soll binnen einer angemessenen Frist darauf hingewiesen werden müssen, ob und welche Ansprüche gegen ihn noch geltend gemacht werden (BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 313/99 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 96, 28). Sinn und Zweck einer Ausschlussfrist erfordern es deshalb nicht, dass bei Anordnung einer schriftlichen Geltendmachung das Schreiben die eigenhändige Namensunterschrift trägt. Entscheidend ist vielmehr, dass dem Geltendmachungsschreiben die Erhebung bestimmter, als noch offen bezeichneter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch Lesen einer textlichen Nachricht entnommen werden kann.

95

Diesem Informations- und Klarstellungszweck genügt eine dem Arbeitgeber zugegangene schriftliche Erklärung auch ohne eigenhändige Namensunterschrift des Beschäftigten. Die Gewährleistung der Identitäts- und die Vollständigkeitsfunktion ist zwar auch für eine Geltendmachung nach § 70 Satz 1 BAT unverzichtbar. Sie verlangt aber nicht notwendig nach einer Originalunterschrift. Person und Identität des Erklärenden stehen schon dann fest, wenn dessen Name angegeben wird. Der Arbeitgeber kann dann erkennen, von wem die Erklärung abgegeben wurde. Vollständigkeit und inhaltlicher Abschluss der Erklärung lassen sich durch die Anbringung einer Grußformel, die maschinenschriftliche Namenswiedergabe oder Ähnliches unmissverständlich kenntlich machen(zu § 99 Abs. 3 BetrVG BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 40, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11). Damit wird die Identität dessen, der etwas verlangt, ausgewiesen und durch die Abschlusserklärung noch hinreichend legitimiert (nicht eindeutig BAG 17. September 2003 - 4 AZR 540/02 - zu III 4 der Gründe, BAGE 107, 304). Das ohne eine Originalunterschrift möglicherweise geringfügig höhere Fälschungsrisiko einer Geltendmachung durch eine E-Mail, welches zumindest den unberechtigten Zugriff auf die Zugangsberechtigung zur Nutzung des E-Mail-Kontos erfordern würde, kann angesichts der rechtlichen Unschädlichkeit einer falschen Mitteilung (s. auch BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 41, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11) und der geringen Wahrscheinlichkeit einer (böswilligen) Wahrnehmung fremder Rechte (Gotthardt/Beck NZA 2002, 876, 883) vernachlässigt werden.

96

(4) Nach der objektiven Sach- und Interessenlage bei der Geltendmachung nach § 70 Satz 1 BAT ist die entsprechende Anwendung von § 126b BGB geboten und ausreichend. Nach dieser Bestimmung muss, wenn eine Textform vorgeschrieben ist, die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden. Auf diese Weise stellt § 126b BGB auch ohne das Erfordernis eigenhändiger Unterzeichnung sicher, dass die Identitäts- und Vollständigkeitsfunktionen einer schriftlichen Erklärung neben der ohnehin gegebenen Dokumentationsfunktion gewahrt sind(BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 45, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11).

97

bb) Die E-Mail vom 31. Januar 2006 genügt den Erfordernissen des § 126b BGB. Sie ist zwar keine „Urkunde“. Die in ihr enthaltene Erklärung ist aber auf eine andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben worden. Der Inhalt einer elektronischen Datei mit Schriftzeichen kann vom Empfänger entweder gespeichert und damit bei Bedarf jederzeit aufgerufen oder zumindest ausgedruckt und auf diese Weise dauerhaft wiedergegeben werden. Die E-Mail des Klägers enthält seinen Namen und seine Anschrift. Der Abschluss der Erklärung ist durch eine Grußformel und die Wiederholung des Namens eindeutig kenntlich gemacht.

98

IV. Der Senat ist nicht an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil er nicht von der Rechtsprechung eines anderen Senats abweicht. Der Einleitung eines Vorlageverfahrens an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 4 ArbGG bedarf es nicht.

99

1. Der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat auf den Anfragebeschluss des Senats von 27. Januar 2010(- 4 AZR 549/08 (A) -) mit Beschluss vom 23. Juni 2010 entschieden, dass er sich der Auffassung des Senats anschließt, wonach „die Rechtsnormen eines Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG in den jeweiligen Arbeitsverhältnissen eines Betriebes unmittelbar gelten und diese durch das Tarifvertragsgesetz vorgesehene Geltung nicht dadurch verdrängt wird, dass für den Betrieb kraft Tarifbindung des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG mehr als ein Tarifvertrag gilt, für Arbeitsverhältnisse derselben Art im Falle einer Tarifbindung eines oder mehrerer Arbeitnehmer allerdings jeweils nur ein Tarifvertrag („Tarifpluralität“)“. Es bestehe „kein hinreichender Grund, die damit im Gesetz angelegte Möglichkeit auszuschließen, dass für verschiedene Arbeitnehmer im Betrieb unterschiedliche Tarifverträge gelten“ (BAG 23. Juni 2010 - 10 AS 3/10 -).

100

2. Eine Anfrage an den Ersten Senat ist nicht erforderlich.

101

a) Die Entscheidung des Ersten Senats vom 29. März 1957 behandelt einen Fall der Tarifkonkurrenz. Der Senat führt zwar aus, der Grundsatz der Tarifeinheit besage auch, dass in jedem Betrieb grundsätzlich für alle in diesem Betrieb begründeten Arbeitsverhältnisse nur ein Tarifvertrag anzuwenden ist(- 1 AZR 208/55 - BAGE 4, 37, 38). Diese Ausführungen waren allerdings nicht entscheidungserheblich im Hinblick auf die Auflösung einer eventuellen Tarifpluralität. In einer weiteren Entscheidung war eine Tarifpluralität nicht aufzulösen (19. Dezember 1958 - 1 AZR 55/58 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 6), so dass es an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage fehlt. Das gilt auch für die Entscheidungen des Ersten Senats vom 22. März 1994 (- 1 ABR 47/93 - zu B III 1 a der Gründe, EzA TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 10),vom 14. Dezember 2004 (- 1 ABR 51/03 - zu III 2 h der Gründe, BAGE 113, 82) und vom 28. März 2006 (- 1 ABR 58/04 - zu B III 3 b bb [1] [a] der Gründe, BAGE 117, 308).

102

b) Zudem ist hinsichtlich der Entscheidung vom 29. März 1957(- 1 AZR 208/55 - BAGE 4, 37, 38) der Vierte Senat aufgrund einer Änderung in der Geschäftsverteilung mittlerweile anstelle des damals zuständigen Ersten Senats für die vorliegende Rechtsfrage allein zuständig. Nach I Nr. 1 des damals maßgebenden Geschäftsverteilungsplans waren dem Ersten Senat die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG zugewiesen, bei denen es sich um das Rechtsgebiet des „Allgemeinen Tarifrechts“ handelt. Für das Tarifvertragsrecht ist nach Nr. 4.1 des maßgebenden Geschäftsverteilungsplans der Vierte Senat ausschließlich zuständig. Eine Anfrage beim Ersten Senat, ob er an seiner Rechtsauffassung festhält, wäre auch deshalb entbehrlich, § 45 Abs. 3 Satz 2 ArbGG(vgl. dazu auch BAG 20. August 2002 - 9 AZR 750/00 - zu I 4 c cc der Gründe, BAGE 102, 260; 7. November 2000 - 1 ABR 55/99 - zu B IV 2 der Gründe, BAGE 96, 200).

103

3. Der Einleitung eines Vorlageverfahrens an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 4 ArbGG bedarf es nicht.

104

a) § 45 Abs. 4 ArbGG setzt voraus, dass eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Vorlage erforderlich machen.

105

Eine grundsätzliche Bedeutung kann nicht schon dann angenommen werden, dass sich die hier zu entscheidende Rechtsfrage auf eine Vielzahl von Fällen auswirkt. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht bisher für den hinsichtlich der Zulassung der Revision maßgeblichen Begriff der grundsätzlichen Bedeutung in § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG angenommen, diese könne sich auch aus der Anzahl der von einer Rechtsfrage betroffenen Rechtsverhältnisse ergeben(vgl. etwa BAG 26. September 2000 - 3 AZN 181/00 - zu II 2 der Gründe mwN, BAGE 95, 372). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf die Voraussetzungen für eine Vorlage nach § 45 Abs. 4 ArbGG übertragen werden. Während § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Frage regelt, wann eine vereinheitlichende Entscheidung durch das Revisionsgericht herbeizuführen ist, dient die Vorlage an den Großen Senat dazu, in den besonderen Fällen, in denen eine Entscheidung durch die einzelnen Senate der Bedeutung der Rechtsfrage nicht gerecht wird, eine Klärung herbeizuführen(BAG 28. Juli 2009 - 3 AZR 250/07 - Rn. 24; s. auch Prütting in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 45 Rn. 29 mwN auch zur Gegenauffassung).

106

b) Die vorliegende Rechtsfrage berührt - neben der Zuständigkeit des Zehnten Senats, an den die Divergenzanfrage gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG gestellt wurde - allein die Zuständigkeit des für das Tarifrecht zuständigen Fachsenats, dem als Spruchkörper eines obersten Bundesgerichts in erster Linie die Aufgabe der Sicherung der Rechtseinheit und der Rechtsfortbildung übertragen ist. Es handelt sich nicht um eine Rechtsfrage, die sich für die Rechtsprechung anderer Senate des Bundesarbeitsgerichts in gleicher Weise stellt oder stellen wird(zu diesem Kriterium GK-ArbGG/Dörner Stand April 2009 § 45 Rn. 54 mwN; Schwab/Weth/Liebscher ArbGG 2. Aufl. § 45 Rn. 34; zu § 132 Abs. 4 GVG MünchKommZPO/Zimmermann Bd. 3 § 132 GVG Rn. 23; vgl. auch Prütting/Gehrlein/Arenhövel ZPO 2. Aufl. § 132 GVG Rn. 12). Stellt die Rechtsfrage nach dem Fortbestand oder der Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit den rechtlichen Schwerpunkt eines Rechtsstreits dar, ist hierfür stets der Vierte Senat zuständig (Geschäftsverteilungsplan des Bundesarbeitsgerichts für das Geschäftsjahr 2010 A. 1; ebenso für die Vorjahre).

107

c) Ob § 45 Abs. 4 ArbGG wegen Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter(Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verfassungswidrig ist (dazu ausführlich GK-ArbGG/Dörner Stand April 2009 § 45 Rn. 36 ff. mwN), kann vorliegend dahinstehen.

108

V. Die Kosten der erfolglosen Revision hat die Beklagte nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Bepler    

        

    Creutzfeldt    

        

    Treber    

        

        

        

    Hardebusch    

        

    Vorderwülbecke    

                 

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Zur Sicherung der Schutzfunktion, Verteilungsfunktion, Befriedungsfunktion sowie Ordnungsfunktion von Rechtsnormen des Tarifvertrags werden Tarifkollisionen im Betrieb vermieden.

(2) Der Arbeitgeber kann nach § 3 an mehrere Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften gebunden sein. Soweit sich die Geltungsbereiche nicht inhaltsgleicher Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften überschneiden (kollidierende Tarifverträge), sind im Betrieb nur die Rechtsnormen des Tarifvertrags derjenigen Gewerkschaft anwendbar, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des zuletzt abgeschlossenen kollidierenden Tarifvertrags im Betrieb die meisten in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitglieder hat (Mehrheitstarifvertrag); wurden beim Zustandekommen des Mehrheitstarifvertrags die Interessen von Arbeitnehmergruppen, die auch von dem nach dem ersten Halbsatz nicht anzuwendenden Tarifvertrag erfasst werden, nicht ernsthaft und wirksam berücksichtigt, sind auch die Rechtsnormen dieses Tarifvertrags anwendbar. Kollidieren die Tarifverträge erst zu einem späteren Zeitpunkt, ist dieser für die Mehrheitsfeststellung maßgeblich. Als Betriebe gelten auch ein Betrieb nach § 1 Absatz 1 Satz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes und ein durch Tarifvertrag nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 des Betriebsverfassungsgesetzes errichteter Betrieb, es sei denn, dies steht den Zielen des Absatzes 1 offensichtlich entgegen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Betriebe von Tarifvertragsparteien unterschiedlichen Wirtschaftszweigen oder deren Wertschöpfungsketten zugeordnet worden sind.

(3) Für Rechtsnormen eines Tarifvertrags über eine betriebsverfassungsrechtliche Frage nach § 3 Absatz 1 und § 117 Absatz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes gilt Absatz 2 Satz 2 nur, wenn diese betriebsverfassungsrechtliche Frage bereits durch Tarifvertrag einer anderen Gewerkschaft geregelt ist.

(4) Eine Gewerkschaft kann vom Arbeitgeber oder von der Vereinigung der Arbeitgeber die Nachzeichnung der Rechtsnormen eines mit ihrem Tarifvertrag kollidierenden Tarifvertrags verlangen. Der Anspruch auf Nachzeichnung beinhaltet den Abschluss eines die Rechtsnormen des kollidierenden Tarifvertrags enthaltenden Tarifvertrags, soweit sich die Geltungsbereiche und Rechtsnormen der Tarifverträge überschneiden. Die Rechtsnormen eines nach Satz 1 nachgezeichneten Tarifvertrags gelten unmittelbar und zwingend, soweit der Tarifvertrag der nachzeichnenden Gewerkschaft nach Absatz 2 Satz 2 nicht zur Anwendung kommt.

(5) Nimmt ein Arbeitgeber oder eine Vereinigung von Arbeitgebern mit einer Gewerkschaft Verhandlungen über den Abschluss eines Tarifvertrags auf, ist der Arbeitgeber oder die Vereinigung von Arbeitgebern verpflichtet, dies rechtzeitig und in geeigneter Weise bekanntzugeben. Eine andere Gewerkschaft, zu deren satzungsgemäßen Aufgaben der Abschluss eines Tarifvertrags nach Satz 1 gehört, ist berechtigt, dem Arbeitgeber oder der Vereinigung von Arbeitgebern ihre Vorstellungen und Forderungen mündlich vorzutragen.

(1) Dieses Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

(2) Tarifverträge, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeschlossen sind, unterliegen diesem Gesetz.

(3) § 4a ist nicht auf Tarifverträge anzuwenden, die am 10. Juli 2015 gelten.

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 17. Juni 2009 - 12 Sa 8/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Hemmung der Stufenlaufzeit im TVöD während der Inanspruchnahme von Elternzeit.

2

Die Klägerin war vom 8. September 2003 bis zum 31. Dezember 2009 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft einzelvertraglicher Vereinbarung zunächst der Bundesmanteltarifvertrag für die Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) Anwendung, seit dem 1. Oktober 2005 der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 (TVöD). Die Klägerin war in der Kostümabteilung des von der beklagten Stadt unterhaltenen Theaters tätig. Dort verrichtete sie zusammen mit etwa sieben weiteren Beschäftigten Schneiderarbeiten und Änderungsarbeiten. Bei Bedarf bügelte, wusch und reparierte sie auch Kostüme.

3

Nach der Geburt ihres zweiten Kindes und Ablauf der Mutterschutzfrist nahm die Klägerin Elternzeit vom 28. April 2005 bis zum 29. Februar 2008. Bei der Überleitung in den TVöD gruppierte die Beklagte die Klägerin tarifgerecht in die Entgeltgruppe 5 ein. Nach Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit am 1. März 2008 ordnete die Beklagte die Klägerin der Entgeltstufe 2 dieser Entgeltgruppe zu.

4

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA richtet sich der weitere Stufenaufstieg der Arbeiter nach ihrer ersten Zuordnung in das Entgeltsystem des TVöD nach den Regelungen des TVöD, die wie folgt lauten:

        

§ 15 Tabellenentgelt.

        

(1) Die/Der Beschäftigte erhält monatlich ein Tabellenentgelt. Die Höhe bestimmt sich nach der Entgeltgruppe, in die sie/er eingruppiert ist, und nach der für sie/ihn geltenden Stufe.

        

...     

        

§ 16 (VKA) Stufen der Entgelttabelle.

        

(1) 1Die Entgeltgruppen 2 bis 15 umfassen sechs Stufen. ...

        

(3) 1Die Beschäftigten erreichen - von Stufe 3 an die jeweils nächste Stufe in Abhängigkeit von ihrer Leistung gemäß § 17 Abs. 2 - nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit):

        

-       

Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1,

        

-       

Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2,

        

…       

        

§ 17 Allgemeine Regelungen zu den Stufen.

        

…       

        

(3) 1Den Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit im Sinne des ... § 16 Abs. 3 Satz 1 stehen gleich:

        

a)    

Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz,

        

b)    

Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit nach § 22 bis zu 39 Wochen,

        

c)    

Zeiten eines bezahlten Urlaubs,

        

d)    

Zeiten eines Sonderurlaubs, bei denen der Arbeitgeber vor dem Antritt schriftlich ein dienstliches bzw. betriebliches Interesse anerkannt hat,

        

e)    

Zeiten einer sonstigen Unterbrechung von weniger als einem Monat im Kalenderjahr,

        

f)    

Zeiten der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit.

        

2Zeiten der Unterbrechung bis zu einer Dauer von jeweils drei Jahren, die nicht von Satz 1 erfasst werden, und Elternzeit bis zu jeweils fünf Jahren sind unschädlich, werden aber nicht auf die Stufenlaufzeit angerechnet. …“

5

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Elternzeit müsse auf die Stufenlaufzeit angerechnet werden. Sie habe deshalb bereits seit Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit der Stufe 3 ihrer Entgeltgruppe zugeordnet werden müssen. Nach wie vor würden Frauen, die Elternzeit nähmen, mittelbar diskriminiert, weil sie durchschnittlich Elternzeit länger in Anspruch nähmen als Männer. Längere Unterbrechungen der Berufstätigkeit führten nicht zwingend zum Verlust von Erfahrungswissen. Jedenfalls sei nicht verständlich, warum Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz, nicht aber die Elternzeit auf die Stufenlaufzeit angerechnet würden. Auch sei es nicht gerechtfertigt, dass eine Arbeitsunfähigkeit bis zu 39 Wochen anders als eine Elternzeit von gleicher Dauer für den Stufenaufstieg unschädlich sei. Ebenso wenig sei Sonderurlaub aus betrieblichen Gründen zwingend mit einem Gewinn an einschlägiger Berufserfahrung verbunden. Elternzeit könne nicht als „Nullum“ an beruflich verwertbarer Erfahrung betrachtet werden. Erfahrungen in der Erziehung vermittelten eine soziale Kompetenz, die für die konkrete Tätigkeit der Klägerin nützlich sei. Dies kompensiere auch ein Weniger an Berufserfahrung. Ohnehin habe die Klägerin während der Elternzeit zumindest teilweise ihre beruflichen Fertigkeiten fortentwickelt.

6

Die Klägerin hat zuletzt unter Klagerücknahme im Übrigen beantragt:

        

Es wird festgestellt, dass die Beklagte die Klägerin bereits ab 1. März 2008 (Wiederaufnahme der Arbeitsleistung der Klägerin nach Rückkehr aus der Elternzeit) bis zum 31. Dezember 2009 nach Stufe 3 der Entgeltgruppe 5 TVöD zu vergüten hat.

7

Sie hat weiter sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für die Monate März 2008 bis August 2008 jeweils 97,94 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen und der Klägerin für die Monate März 2008 bis August 2008 eine ordnungsgemäße Gehaltsabrechnung, basierend auf einem Gesamtbrutto-Gehalt in Höhe von 2.289,83 Euro, zu erteilen.

8

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag darauf gestützt, dass eine ununterbrochene Tätigkeit zu mehr Wissen, Arbeitspraxis und Routine führe, weswegen Arbeitsvorgänge schneller und besser erledigt werden könnten. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz mache der TVöD nur für Zeiten kürzerer Unterbrechungen, bei denen von einer Erweiterung bzw. Erhaltung des bisherigen Wissens ausgegangen werden könne. Längere Unterbrechungen der Tätigkeit führten dagegen nach allgemeiner Lebenserfahrung zu Wissenseinbußen. Eine mittelbare Diskriminierung weiblicher Arbeitnehmer erfolge dadurch nicht. Eine klare Gruppenbildung dahin, dass von der Gesamtregelung wesentlich mehr Frauen als Männer betroffen seien, sei angesichts der Vielzahl anderer schädlicher Unterbrechungstatbestände nicht möglich. Im Gegensatz zu den anderen Unterbrechungstatbeständen sei die Elternzeit mit einer Unschädlichkeitsfrist von fünf Jahren privilegiert. Jedenfalls rechtfertige das Ruhen des Arbeitsverhältnisses die Hemmung der Stufenlaufzeit.

9

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Erstmals in der Revision rügt sie eine unmittelbare Diskriminierung von Frauen, die Elternzeit beanspruchen, durch die Regelung des § 17 Abs. 3 TVöD-AT. Zwischen Elternzeit und Mutterschaft lasse sich keine eindeutige Abgrenzung finden. Es müsse sichergestellt werden, dass kein Wertungswiderspruch zu den in § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG genannten Tatbeständen der Schwangerschaft bzw. Mutterschaft auftrete.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet.

11

A. Die Feststellungsklage ist nur teilweise zulässig.

12

I. Der Eingruppierungsfeststellungsklage fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, soweit der Antrag den Zeitraum vom 1. März 2008 bis zum 31. August 2008 erfasst, für den die Klägerin die Vergütungsdifferenz zwischen der von ihr erhaltenen und der begehrten Vergütung beziffert geltend macht. Sie hat nicht vorgetragen, welches über die mit der Leistungsklage verfolgten Zahlungen hinausgehende Interesse für diesen Zeitraum an der begehrten Feststellung besteht. Die Klage ist dagegen hinsichtlich der Monate September 2008 bis Dezember 2009, für die keine Überschneidung mit der Leistungsklage vorliegt, als Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig (Senat 27. Januar 2011 - 6 AZR 578/09 - Rn. 14, 18). Das gilt ungeachtet des Umstands, dass sich diese Klage auf einen abgeschlossenen Zeitraum in der Vergangenheit bezieht (Senat in st. Rspr. seit 13. August 2009 - 6 AZR 330/08 - Rn. 13, AP BGB § 241 Nr. 4).

13

II. Die Klage ist für die Zeit der Überschneidung von Leistungs- und Feststellungsantrag auch nicht als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Die Frage, ab wann die Klägerin die begehrte Vergütung aus der Stufe 3 der Entgeltgruppe 5 verlangen kann, wirkt sich infolge ihres Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis zur Beklagten am 31. Dezember 2009 nicht mehr auf den Zeitpunkt ihres Aufstiegs in die höheren Stufen ihrer Entgeltgruppe aus. Auch unter Zugrundelegung ihrer Rechtsauffassung wäre sie erst zum 1. März 2011 in die Stufe 4 aufgestiegen. Rechtsfolgen aus der begehrten Feststellung, die über das mit der erfolgreichen Leistungsklage Erreichte hinausgehen, sind damit nicht mehr möglich (vgl. Senat 27. Januar 2011 - 6 AZR 578/09 - Rn. 15 - 17).

14

B. Die Elternzeit der Klägerin vom 28. April 2005 bis zum 29. Februar 2008 ist nach § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT nicht auf die Stufenlaufzeit des § 16 Abs. 3 TVöD-AT (VKA) anzurechnen. Diese Hemmung der Stufenlaufzeit ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

15

I. Die Klägerin wird durch § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT nicht wegen ihres Geschlechts diskriminiert. Diese Bestimmung entfaltet weder unmittelbar noch mittelbar geschlechtsdiskriminierende Wirkung.

16

1. Eine unmittelbare Diskriminierung der Klägerin wegen ihres Geschlechts liegt nicht vor.

17

a) Nur Vorschriften, die nicht gleichermaßen für Männer und Frauen gelten, können unmittelbar diskriminierende Wirkung wegen des Geschlechts entfalten (EuGH 7. Dezember 2000 - C-79/99 - [Schnorbus] Rn. 33, Slg. 2000, I-10997). § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT knüpft nicht an das Geschlecht, sondern an die Elternzeit an, die gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BEEG von Männern und Frauen in Anspruch genommen werden kann. Damit kann die tarifliche Regelung zur Hemmung der Stufenlaufzeit allenfalls zu einer mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung führen (vgl. v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 41).

18

b) Entgegen der Auffassung der Revision folgt aus § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG nichts anderes. Danach liegt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft und Mutterschaft vor. Der von der Revision aus dem Begriff „Mutterschaft“ über die Brücke des früher im Mutterschutzgesetz geregelten Mutterschaftsurlaubs gezogene Rückschluss, damit sei auch die Elternzeit erfasst, trägt nicht.

19

aa) Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch unterfällt in vollem Umfang dem zeitlichen Geltungsbereich des AGG. Anknüpfungszeitpunkt für die von der Klägerin behauptete Benachteiligung ist die Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit am 1. März 2008. Zu diesem Zeitpunkt galt das AGG bereits.

20

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stellt jede im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft erfolgende Schlechterstellung von Frauen eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar (EuGH 18. November 2004 - C-284/02 - [Sass] Rn. 35 f., Slg. 2004, I-11143; v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 137 mwN). Das hat Eingang in Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 3 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (RL 76/207/EWG) idF der Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG (RL 2002/73/EG) sowie später in Art. 2 Abs. 2 Buchst. c der die Richtlinie 76/207/EWG ablösenden Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (RL 2006/54/EG) gefunden (siehe nur Erwägungsgrund 23 RL 2006/54/EG). Dies beruht darauf, dass Schwangerschaft und Mutterschaft untrennbar mit dem Geschlecht verbunden sind, diese Differenzierungsmerkmale also ausschließlich Frauen nachteilig treffen können.

21

cc) Einen weitergehenden Bedeutungsinhalt hat § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG nicht. Der nationale Gesetzgeber wollte damit unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH lediglich klarstellen, dass eine unmittelbare Benachteiligung auch dann vorliegt, wenn die Unterscheidung wegen eines Merkmals erfolgt, das mit dem Geschlecht in untrennbarem Zusammenhang steht. Er hat angenommen, dass dies für die Situation von „Schwangerschaft und Mutterschaft“ einer Frau der Fall ist (BT-Drucks. 16/1780 S. 32). § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG geht also nicht über die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hinaus(v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 149; vgl. auch Wendeling-Schröder/Stein AGG § 1 Rn. 25).

22

dd) Aus Art. 11 Abs. 2 des 1985 ratifizierten UN-Übereinkommens vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau - CEDAW - (BGBl. 1985 II S. 648) folgt entgegen der Auffassung der Revision nichts anderes.

23

Art. 11 Abs. 2 CEDAW bestimmt:

        

„Um eine Diskriminierung der Frau wegen Eheschließung oder Mutterschaft zu verhindern und ihr ein wirksames Recht auf Arbeit zu gewährleisten, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen

        

a)    

zum - mit der Androhung von Sanktionen verbundenen - Verbot der Entlassung wegen Schwangerschaft oder Mutterschaftsurlaub sowie der Diskriminierung aufgrund des Familienstands bei Entlassungen;

        

b)    

zur Einführung des bezahlten oder mit vergleichbaren sozialen Vorteilen verbundenen Mutterschaftsurlaubs ohne Verlust des bisherigen Arbeitsplatzes, des Dienstalters oder sozialer Zulagen;

        

...“   

        
24

Auch diese Verpflichtungen - die im Übrigen die Bundesrepublik Deutschland und nicht die Tarifvertragsparteien treffen - beziehen sich nur auf Schwangerschaft und Mutterschaftsurlaub, nicht dagegen auf die hier allein streitbefangenen Nachteile durch die Inanspruchnahme von Elternzeit.

25

2. § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT führt auch nicht zu einer nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 AGG iVm. §§ 1, 3 Abs. 2 AGG untersagten mittelbaren Diskriminierung von Frauen, die Elternzeit in Anspruch nehmen.

26

a) Die Klägerin hat eine mittelbare Diskriminierung bereits nicht hinreichend dargelegt.

27

aa) Für die Annahme einer mittelbaren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG ist nicht zwingend ein statistischer Nachweis erforderlich, dass Träger eines der Merkmale des § 1 AGG zahlenmäßig wesentlich stärker von einer Vorschrift benachteiligt werden als Personen, bei denen dieses Merkmal nicht vorliegt. Mittelbare Diskriminierungen können statistisch nachgewiesen werden, können sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. Eine derartige Auslegung des § 3 Abs. 2 AGG entspricht dem unionsrechtlichen Gebot des effet utile. Eine mittelbare Diskriminierung ist danach gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften ihrem Wesen nach geeignet sind, Personen oder Personengruppen aus den in § 1 AGG genannten Gründen in besonderer Weise zu benachteiligen. Dies kann der Fall sein, wenn Vorschriften im wesentlichen oder ganz überwiegend Personen, die eines der verpönten Merkmale erfüllen, betreffen, wenn sie an Voraussetzungen knüpfen, die von Personen, die von § 1 AGG nicht erfasst sind, leichter erfüllt werden oder wenn sich die Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm besonders zum Nachteil von Personen, für die ein Merkmal des § 1 AGG gilt, auswirken(Senat 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 20 f. mwN, AP GG Art. 3 Nr. 322 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 5 Abs. 2 Ortszuschlag Nr. 20).

28

bb) Zur Feststellung dieser Voraussetzungen sind Vergleichsgruppen zu bilden, die dem persönlichen Geltungsbereich der Differenzierungsregel entsprechend zusammengesetzt sind. Bei Tarifverträgen ist deshalb auf den gesamten Kreis der von der fraglichen Bestimmung erfassten Normunterworfenen abzustellen (für Gesetze siehe EuGH 30. November 1993 - C-189/91 - [Kirsammer-Hack] Slg. 1993, I-6185; allgemein 13. Januar 2004 - C-256/01 - [Allonby] Rn. 73 f., Slg. 2004, I-873). Der Gesamtheit der Personen, die von der Regelung erfasst werden, ist die Gesamtheit der Personen gegenüber zu stellen, die durch die Regelung benachteiligt werden. Im Vergleich dieser Gruppen ist zu prüfen, ob die Träger eines Merkmals des § 1 AGG im oben genannten Sinn besonders benachteiligt sind(vgl. Schiek Anm. zu Senat 3. April 2004 - 6 AZR 633/01 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 185; dies. Frauengleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder 2. Aufl. Rn. 36, 929).

29

cc) Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass durch § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT weibliche Beschäftigte, die Elternzeit in Anspruch nehmen, im Vergleich zu anderen Beschäftigten, bei denen wegen Unterbrechungen in der tatsächlichen Tätigkeit die Stufenlaufzeit ebenfalls gehemmt wird, in besonderer Weise nachteilig betroffen sind.

30

§ 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT erfasst nicht nur weibliche Beschäftigte, die Elternzeit nehmen, sondern unabhängig von ihrem Geschlecht auch alle Beschäftigten, denen Sonderurlaub aus privaten Gründen bewilligt worden ist, die eine Rente auf Zeit beziehen, weswegen gemäß § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD-AT das Arbeitsverhältnis ruht, oder die arbeitsunfähig erkrankt sind, ohne dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b TVöD-AT erfüllt sind. Weder hat das Landesarbeitsgericht festgestellt noch hat die Klägerin behauptet, dass weibliche Beschäftigte, die Elternzeit beanspruchen, deutlich stärker, sei es überproportional häufig oder materiell besonders gravierend, durch die Hemmung der Stufenlaufzeit betroffen werden als der übrige von § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT erfasste Personenkreis. Dies ist auch nicht offenkundig. Immerhin haben die Tarifvertragsparteien bei der Elternzeit einen Zeitraum von fünf Jahren als lediglich hemmend angesehen, während bei den übrigen Unterbrechungstatbeständen gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT bereits nach drei Jahren eine Rückstufung erfolgt.

31

b) Die Hemmung der Stufenlaufzeit durch § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT führt aber auch dann nicht zu einer unzulässigen mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung, wenn nur auf die von dieser Vorschrift erfasste Teilgruppe der Beschäftigten, die Elternzeit beanspruchen, abgestellt wird. Dabei kann aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass Frauen von Nachteilen durch die Inanspruchnahme von Elternzeit immer noch stärker getroffen werden als Männer, weil insbesondere die Dauer der von Männern genommenen Elternzeit deutlich kürzer ist als die von Frauen.

32

aa) Der Aufstieg aus der Stufe 2 in die Stufe 3 der Entgeltgruppe erfolgt unabhängig von der Leistung des Beschäftigten nach zwei Jahren. Erst ab der Stufe 3 kann gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 TVöD-AT (VKA) iVm. § 17 Abs. 2 TVöD-AT leistungsabhängig eine Verkürzung oder Verlängerung der Stufenlaufzeit erfolgen. Die Kriterien dafür, ob eine nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 AGG iVm. §§ 1, 3 Abs. 2 AGG verbotene mittelbare Geschlechtsdiskriminierung vorliegt, sind deshalb nicht Art. 157 AEUV zu entnehmen, sondern der durch das AGG umgesetzten RL 76/207/EWG idF der RL 2002/73/EG bzw. für die Ansprüche seit dem 15. August 2009 der RL 2006/54/EG. Letzten Endes verwehrt § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT den Elternzeitern nicht den Stufenaufstieg, sondern verzögert ihn nur. Es geht also nicht um das „ob“ des Stufenaufstiegs, sondern dessen „wann“. Eine derartige Präzisierung der Bedingungen des Zugangs zu einer höheren Stufe der beruflichen Rangordnung unterfällt dem Anwendungsbereich der RL 76/207/EWG bzw. der RL 2006/54/EG (vgl. für den Bewährungsaufstieg nach § 23a BAT-O EuGH 18. November 2004 - C-284/02 - [Sass] Rn. 30 f., Slg. 2004, I-11143 in Abgrenzung zur Entscheidung vom 7. Februar 1991 - C-184/89 - [Nimz] Rn. 9 f., Slg. 1991, I-297). Darüber hinaus sind etwaige weitergehende Vorschriften des nationalen Rechts heranzuziehen.

33

bb) Das Verbot mittelbarer Diskriminierung ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes, wonach gleiche Sachverhalte nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden dürfen. Eine mittelbare Diskriminierung kann daher nur vorliegen, wenn die benachteiligten und die begünstigten Personen vergleichbar sind (EuGH 12. Oktober 2004 - C-313/02 - [Wippel] Rn. 55 f., Slg. 2004, I-9483; vgl. auch 16. Juli 2009 - C-537/07 - [Gómez-Limón] Rn. 56, Slg. 2009, I-6525; v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 15, 181 mwN).

34

(1) Die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis während der Elternzeit unter Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten ruht, und die aktiven Beschäftigten sind grundsätzlich nicht vergleichbar (vgl. EuGH 21. Oktober 1999 - C-333/97 - [Lewen] Rn. 37, Slg. 1999, I-7243; 16. Juli 2009 - C-537/07 - [Gómez-Limón] Rn. 57, Slg. 2009, I-6525). Die Elternzeit darf darum bei Entgeltbestandteilen, die auf das aktive Arbeitsverhältnis abstellen, anspruchsmindernd berücksichtigt werden (vgl. EuGH 21. Oktober 1999 - C-333/97 - [Lewen] Rn. 38, aaO; BAG 20. April 2010 - 3 AZR 370/08 - Rn. 30 mwN, EzA GG Art. 3 Nr. 109; 21. Mai 2008 - 5 AZR 187/07 - Rn. 25, BAGE 126, 375). Der Stufenaufstieg im TVöD knüpft in rechtlich zulässiger Weise an den Erfahrungsgewinn im aktiven Arbeitsverhältnis. Bereits deswegen führt die Hemmung der Stufenlaufzeit für die Dauer der Elternzeit im Ausgangspunkt nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung (v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 40).

35

Der Stufenaufstieg im Entgeltsystem des TVöD soll die gewonnene Berufserfahrung honorieren. Die Tarifvertragsparteien sind davon ausgegangen, dass die Beschäftigten durch die Ausübung der ihnen übertragenen Tätigkeit laufend Kenntnisse und Erfahrungen sammeln, die die Arbeitsqualität und -quantität verbessern (Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Januar 2011 § 16 [VKA] Rn. 13 f.). Erfahrungswissen kann auch nach längerer Dauer des Arbeitsverhältnisses noch wachsen (BAG 21. Mai 2008 - 5 AZR 187/07 - Rn. 25, BAGE 126, 375). Diese Annahme einer Produktivitätssteigerung durch Erfahrungsgewinn entspricht der Lebenserfahrung (vgl. BAG 21. Oktober 1992 - 4 AZR 73/92 - zu III 2 c aa der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Milch-Käseindustrie Nr. 1 = EzA TVG § 4 Milchindustrie Nr. 1; vgl. auch 4. Mai 2010 - 9 AZR 184/09 - Rn. 45, AP BAT-O § 23a Nr. 4) und steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, wonach Berufserfahrung Arbeitnehmer befähigt, ihre Arbeit besser zu verrichten (EuGH 3. Oktober 2006 - C-17/05 - [Cadman] Rn. 34 f., Slg. 2006, I-9583).

36

In der Zeit, in der das Arbeitsverhältnis wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit unter Suspendierung der beiderseitigen Hauptpflichten ruht, wird keine Berufserfahrung gewonnen. Die Tarifvertragsparteien durften darum regeln, dass der Arbeitgeber für die Zeit, in der das Arbeitsverhältnis ruht, auch keine indirekten Leistungen durch die Anrechnung dieser Zeit auf die Stufenlaufzeit erbringen muss (vgl. BAG 18. Juni 1997 - 4 AZR 647/95 - AP BAT § 23b Nr. 3 = EzA EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 49). Die Tarifvertragsparteien haben auf die konkrete Tätigkeit am zugewiesenen Arbeitsplatz und nicht auf den unbestrittenen Zuwachs an allgemeiner Lebenserfahrung, sozialer Kompetenz und Organisationsfähigkeit durch Mutterschaft und Erziehung von Kindern abgestellt, auf den die Klägerin verweist. Der Zuwachs an solchen Fähigkeiten wird nach dem ihre Einschätzungsprärogative nicht überschreitenden Willen der Tarifvertragsparteien bei der Stufenlaufzeit nicht berücksichtigt.

37

(2) Differenzierungskriterium in § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT ist im Übrigen nicht das Geschlecht, sondern das Ruhen des Arbeitsverhältnisses und das damit verbundene Fehlen eines Zuwachses an Erfahrungswissen. Das sind objektive Kriterien ohne Bezug zu einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, die die Nichtberücksichtigung der Elternzeit bei der Stufenlaufzeit zulassen (vgl. EuGH 21. Oktober 1999 - C-333/97 - [Lewen] Rn. 37 f., Slg. 1999, I-7243; BAG 21. Mai 2008 - 5 AZR 187/07 - Rn. 25, BAGE 126, 375; 18. Juni 1997 - 4 AZR 647/95 - zu II 2 d der Gründe, AP BAT § 23b Nr. 3 = EzA EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 49; 9. November 1994 - 10 AZR 3/94 - zu II 2 a der Gründe, AP BAT § 23a Nr. 33 = EzA BAT § 23a Nr. 3; Senat 10. November 1994 - 6 AZR 486/94 - BAGE 78, 264, 271; vgl. auch BFH 5. Dezember 2000 - VII R 18/00 - zu II 2 der Gründe, BFHE 193, 234 für die fehlende Anrechnung des Erziehungsurlaubs auf die nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG vorgeschriebene Dauer einer berufspraktischen Tätigkeit).

38

cc) Allerdings wäre die Gleichstellung der Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit ruht, und der aktiven Beschäftigten anzunehmen, wenn es Vorschriften gäbe, die bei einer Fortsetzung der Berufstätigkeit nach Beendigung der Elternzeit ungeachtet des grundsätzlichen Unterschiedes zwischen ruhendem und aktivem Arbeitsverhältnis die Fiktion des Erwerbs von Berufserfahrung während der Elternzeit geböten (vgl. zur Anrechnung des Wochenurlaubs nach § 244 AGB-DDR auf die Beschäftigungszeit für den Fall, dass es sich dabei um einen gesetzlichen Urlaub zum Schutz der Frau nach der Entbindung gehandelt hätte EuGH 18. November 2004 - C-284/02 - [Sass] Rn. 48, Slg. 2004, I-11143; v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 37 ff., 160). Derartige Bestimmungen finden sich jedoch weder im Unions- noch im nationalen Recht.

39

(1) Das Unionsrecht verlangt allerdings in Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 2 RL 76/207/EWG idF der RL 2002/73/EG sowie in Art. 15 RL 2006/54/EG die Anrechnung des Mutterschaftsurlaubs auf Beschäftigungszeiten(vgl. für die Zeit vor Inkrafttreten dieser Richtlinien bereits EuGH 21. Oktober 1999 - C-333/97 - [Lewen] Rn. 41 f., Slg. 1999, I-7243). Dieser Urlaub bezweckt den Schutz der körperlichen Verfassung der Frau während und nach der Schwangerschaft sowie der besonderen Beziehung von Mutter und Kind während der Zeit unmittelbar nach der Entbindung (EuGH 14. April 2005 - C-519/03 - [Kommission/Luxemburg] Rn. 32, Slg. 2005, I-3067). Demselben Zweck dienen die Schutzfristen nach dem MuSchG (vgl. Senat 16. Juni 2005 - 6 AZR 108/01 - BAGE 115, 113), die Art. 8 RL 92/85/EWG ins nationale Recht umsetzen(vgl. BT-Drucks. 13/2763 S. 9; BT-Drucks. 14/8525 S. 8). Diese Zeiten werden nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a TVöD-AT auf die Stufenlaufzeit angerechnet und sind nicht streitbefangen.

40

(2) Die Anrechnung der Elternzeit auf die Stufenlaufzeit im Entgeltsystem des TVöD ist dagegen unionsrechtlich nicht geboten. Nach Paragraph 2 Nr. 6 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub im Anhang zur Richtlinie 96/34/EG des Rates vom 3. Juni 1996 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub bleiben die Rechte, die der Arbeitnehmer zu Beginn des Elternurlaubs erworben hatte oder dabei war zu erwerben, bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen. Im Anschluss an den Elternurlaub finden diese Rechte mit den Änderungen Anwendung, die sich aus den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten ergeben.

41

(a) Diese Bestimmung verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, den Arbeitnehmern während der Zeit des Elternurlaubs zu garantieren, dass sie Rechte auf künftige Leistungen des Arbeitgebers in demselben Umfang erwerben, als ob sie weiterhin eine (Vollzeit-)Tätigkeit ausgeübt hätten (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-537/07 - [Gómez-Limón] Rn. 40, 43, Slg. 2009, I-6525; BAG 20. April 2010 - 3 AZR 370/08 - Rn. 47, EzA GG Art. 3 Nr. 109). Es muss lediglich sichergestellt sein, dass die Rechte, die der Arbeitnehmer bei Antritt des Elternurlaubs bereits erworben hatte oder dabei war, zu erwerben, bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen bleiben und sich der Arbeitnehmer im Anschluss an den Elternurlaub im Hinblick auf diese Rechte in derselben Situation befindet wie vor dem Urlaub (EuGH 22. Oktober 2009 - C-116/08 - [Meerts] Rn. 38 f., Slg. 2009, I-10063). Alle übrigen Regelungen hinsichtlich des Status des Arbeitsverhältnisses während des Elternurlaubs überlässt Paragraph 2 Nr. 7 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub den Mitgliedstaaten und/oder den Sozialpartnern. Dazu gehört auch die Frage, ob und inwieweit ein Arbeitnehmer, der Elternurlaub beansprucht, während der Dauer des Elternurlaubs weiterhin Anwartschaften oder sonstige Ansprüche gegen seinen Arbeitgeber erwirbt.

42

(b) § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT genügt diesen Anforderungen. Die vor Beginn der Elternzeit absolvierte Stufenlaufzeit bleibt erhalten, nur ihr weiterer Ablauf wird für die Zeit der Unterbrechung gehemmt und setzt nach Wiederaufnahme der Tätigkeit nahtlos wieder ein (Fieberg GKÖD Stand Dezember 2010 § 17 TVöD/TV-L Rn. 35; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Januar 2011 § 17 Rn. 32). Damit befinden sich die Beschäftigten im Anschluss an die Elternzeit im Hinblick auf die Stufenlaufzeit in derselben Situation wie vor der Elternzeit. Ob auch § 17 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT, wonach bei Elternzeiten von mehr als fünf Jahren eine Rückstufung erfolgt, mit Paragraph 2 Nr. 6 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub vereinbar ist, hatte der Senat nicht zu entscheiden.

43

(3) Auch Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 2 und 3 RL 76/207/EWG idF der RL 2002/73/EG bzw. Art. 16 der diese mit Wirkung zum 15. August 2009 ersetzenden RL 2006/54/EG lässt sich kein Anspruch auf eine Fiktion der Berufserfahrung während der Dauer der Elternzeit und damit der Anrechnung dieser Zeit auf die Stufenlaufzeit entnehmen. Nach diesen Bestimmungen bleibt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, Vaterschaftsurlaub und/oder Adoptionsurlaub anzuerkennen. Haben sie derartige Rechte zugebilligt, müssen sie sicherstellen, dass den Arbeitnehmern nach ihrer Rückkehr an ihren Arbeitsplatz alle Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, auf die sie während ihrer Abwesenheit Anspruch gehabt hätten, zugute kommen.

44

(a) Aus diesen Bestimmungen folgt nicht, dass Beschäftigte nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit Anspruch auf Gleichstellung mit den Beschäftigten haben, die durch ihre aktive Tätigkeit Berufserfahrung gewonnen haben. Die für den Vaterschafts- und Adoptionsurlaub geltenden Normen in den RL 76/207/EWG und 2006/54/EG sind nicht auf den Elternurlaub und damit nicht auf die Elternzeit nach § 15 BEEG zu übertragen. Sie erfassen ausschließlich Arbeitnehmer, die aus dem Männern vorbehaltenen Vaterschaftsurlaub bzw. dem Adoptionsurlaub zurückkehren. Vaterschafts- und Adoptionsurlaub kennt das deutsche Recht nicht. Das Unionsrecht verpflichtet die Mitgliedstaaten auch nicht dazu, diese Institute zu schaffen. Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 3 RL 76/207/EWG und Art. 16 RL 2006/54/EG haben daher für das deutsche Recht aktuell keine Bedeutung(aA v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 40 f., 157, 160 f., 324; ders. Anm. zu EuGH 22. Oktober 2009 - C-116/08 - [Meerts] jurisPR-ArbR 49/2009 Anm. 1 unter D; ders. BGleiG § 15 BGleiG Stand Oktober 2010 Rn. 10a, 62a).

45

(aa) Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 3 RL 76/207/EWG bezieht sich nur auf den Vaterschafts- und Adoptionsurlaub, nicht aber auch auf den Eltern- und Mutterschaftsurlaub (aA möglicherweise v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 155). Nur Vaterschafts- bzw. Adoptionsurlaub können von den Mitgliedstaaten anerkannt werden, während Eltern- und Mutterschaftsurlaub für Arbeitnehmer im nationalen Recht zwingend vorzusehen sind. Etwaige Zweifel am Verständnis dieser Norm sind jedenfalls durch die RL 2006/54/EG geklärt. Nach Art. 15 bzw. Art. 16 dieser Richtlinie haben nur die Arbeitnehmer, die aus dem Mutter- oder Vaterschaftsurlaub bzw. dem Adoptionsurlaub zurückkehren, Anspruch auf die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, auf die sie während ihrer Abwesenheit Anspruch gehabt hätten. Art. 16 RL 2006/54/EG übernimmt unverändert Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 zweiter Teil der RL 76/207/EWG, soweit dieser festgelegt hat, dass das Recht der Mitgliedstaaten unberührt bleibt, eigene Rechte auf Vaterschafts- und/oder Adoptionsurlaub anzuerkennen (Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen vom 21. April 2004 KOM (2004) 279 endgültig S. 31). Nach der Entsprechungstabelle im Anhang II der RL 2006/54/EG entspricht Art. 16 (nur) der früheren Bestimmung in Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Sätze 2 und 3, während Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 1 RL 76/207/EWG sich nunmehr in Art. 28 Abs. 2 RL 2006/54/EG wiederfindet. Soweit in Art. 16 Satz 2 RL 2006/54/EG - auf den ersten Blick irritierend - von „männlichen und weiblichen Arbeitnehmern“ die Rede ist, erklärt sich dies daraus, dass Art. 16 auch den Adoptionsurlaub erfasst. Dieser wiederum kommt für Männer und Frauen in Betracht (vgl. Erwägungsgrund 27 RL 2006/54/EG).

46

(bb) Das Unionsrecht verwendet die Begrifflichkeiten „Mutterschaftsurlaub“, „Vaterschaftsurlaub“, „Adoptionsurlaub“ und „Elternurlaub“. Der Elternurlaub ist sowohl nach dem Kreis der Personen, die ihn in Anspruch nehmen können, als auch hinsichtlich Dauer und Zeitraum seiner Inanspruchnahme sowie der mit ihm verfolgten Zwecke streng vom Mutterschafts-, Vaterschafts- und Adoptionsurlaub zu unterscheiden.

47

(aaa) Mutterschaftsurlaub iSv. Art. 8 RL 92/85/EWG sind die 14 Wochen vor und/oder nach der Entbindung, die der Mutter als Arbeitsbefreiung zu gewähren sind. Dieser Urlaub kann begriffsnotwendig nur von Frauen in Anspruch genommen werden. Er dient wie ausgeführt dem Schutz der körperlichen Verfassung der Frau während und nach der Schwangerschaft sowie dem Schutz der besonderen Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Kind während der Zeit unmittelbar nach der Entbindung.

48

(bbb) Vaterschaftsurlaub ist im unionsrechtlichen Kontext ein individuelles, nicht übertragbares Recht männlicher Arbeitnehmer, das nach der Geburt oder Adoption eines Kindes unter Wahrung der bestehenden arbeitsbezogenen Rechte gleichzeitig mit dem Mutterschaftsurlaub in Anspruch genommen werden kann (vgl. Ziff. 2b i der Entschließung des Rates und der im Rat Vereinigten Minister für Beschäftigung und Sozialpolitik vom 29. Juni 2000 über eine ausgewogene Teilhabe von Frauen und Männern am Berufs- und Familienleben, ABl. EG C 218 vom 31. Juli 2000 S. 5; vgl. auch Erwägungsgrund 13 RL 2002/73/EG und Erwägungsgrund 26 RL 2006/54/EG). Dieser Urlaub korrespondiert mit dem Mutterschaftsurlaub. Es handelt sich um einen kurzen Urlaub für Väter zur Zeit der Geburt bzw. Adoption eines Kindes (3.1 der Mitteilung der Kommission vom 3. Oktober 2008 an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Bessere Work-Life-Balance). Dadurch soll der Vater ab der Geburt eines Kindes in die häuslichen und familiären Verpflichtungen eingebunden werden (3.2 des Berichts der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zur Gleichstellung von Frauen und Männern - 2007 vom 7. Februar 2007).

49

Bisher gibt es bezüglich des Vaterschaftsurlaubs noch keine unionsrechtlichen Rechtsvorschriften (Erwägung C der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2010 zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Europäischen Union - 2009, ABl. EU C 341E vom 16. Dezember 2010 S. 35). Das Europäische Parlament hat in Nr. 23 der Entschließung vom 10. Februar 2010 die Notwendigkeit unterstrichen, de lege ferenda die Frage des Vaterschaftsurlaubs „anzugehen“ und die Kommission ersucht, jeden Vorstoß zu unterstützen, der dazu diene, einen Vaterschaftsurlaub auf europäischer Ebene einzuführen. Es hat dabei die Auffassung vertreten, Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub müssten dergestalt verknüpft werden, dass die in der Gesellschaft vorherrschenden Klischeevorstellungen in Bezug auf die Inanspruchnahme dieses Urlaubs bekämpft würden. De lege lata erkennt das Unionsrecht in Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 2 RL 76/207/EWG bzw. in Art. 16 RL 2006/54/EG lediglich die bestehenden nationalen Regelungen über Vaterschaftsurlaub an und setzt dafür rechtliche Mindestbedingungen. Derartige Regelungen bestehen etwa in Frankreich, Großbritannien und Schweden (Rüling/Kassner Familienpolitik aus der Gleichstellungsperspektive - Ein europäischer Vergleich S. 97 bis 99), nicht dagegen in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Hadeler NZA 2003, 77, 80; Rüling/Kassner aaO S. 95).

50

(ccc) Adoptionsurlaub ist eine neue Urlaubsform, die wie der Vaterschaftsurlaub bisher keine unionsrechtliche Ausgestaltung erfahren hat (siehe nur 2.1 des Vorschlags der Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Durchführung der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub und zur Aufhebung der RL 96/34/EG und 2 des Vorschlags für eine Richtlinie zur Änderung der RL 92/85/EWG). Nach dem Verständnis der Kommission soll dieser wie Mutterschutzurlaub zur Zeit der Adoption eines Kindes gewährt werden (3.1 der Mitteilung der Kommission vom 3. Oktober 2008 an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Bessere Work-Life-Balance). Auch diesen Urlaub gibt es bisher im deutschen Recht nicht.

51

(ddd) Demgegenüber ist der Elternurlaub ein seit langem im Unionsrecht anerkanntes Institut. Gemäß Paragraph 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub kann er von erwerbstätigen Männern und Frauen im Fall der Geburt oder der Adoption eines Kindes genommen werden, damit sie sich mindestens drei Monate um dieses Kind kümmern können. Gemäß Art. 28 Abs. 2 RL 2006/54/EG bleibt dieser Urlaub von den Bestimmungen der Gleichbehandlungsrichtlinie unberührt. Ungeachtet des Art. 16 der RL 2006/54/EG kann also nach wie vor im Falle der Adoption eines Kindes Elternurlaub genommen werden. Damit ist nach den eindeutigen unionsrechtlichen Bestimmungen zu unterscheiden zwischen Elternurlaub, der wegen der Adoption eines Kindes genommen wird einerseits und Adoptionsurlaub, der - bei Bestehen entsprechender Regelungen im nationalen Recht - wegen der Adoption eines Kindes beansprucht wird.

52

Elternurlaub soll gemäß der Präambel der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben und die Chancengleichheit von Männern und Frauen fördern. Die Rahmenvereinbarung legt Mindestanforderungen und Vorschriften für einen vom Mutterschutz getrennten Elternurlaub fest (Erwägungsgrund 9). Dieser Urlaub muss nicht im zeitlichen Zusammenhang mit dem Mutterschaftsurlaub genommen werden, sondern kann bis zu einem Alter von acht Jahren des Kindes beansprucht werden.

53

(cc) Auch in Paragraph 5 Nr. 2 der Neufassung der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub aus dem Jahr 2009 im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom 8. März 2010 zur Durchführung der von BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG ist wie bisher in Paragraph 2 Nr. 6 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub lediglich vorgesehen, dass erworbene Rechte und Anwartschaften erhalten bleiben. Einen Anspruch auf die Anrechnung von Zeiten des Elternurlaubs als Beschäftigungszeit sieht auch die überarbeitete Rahmenvereinbarung über Elternurlaub nicht vor. Es stünde jedoch in unauflöslichem Widerspruch, wenn einerseits in Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 1 RL 76/207/EWG bzw. in Art. 28 Abs. 2 RL 2006/54/EG bestimmt wird, dass die Richtlinien zum Elternurlaub und Mutterschutz unberührt bleiben, andererseits aber die Gleichbehandlungsrichtlinie weit darüber hinausgehende Ansprüche der Elternurlauber vorsähe.

54

(dd) Dementsprechend ist unter den Beispielen für Diskriminierungen in Art. 9 RL 2006/54/EG unter Buchst. g lediglich die Unterbrechung der Aufrechterhaltung oder des Erwerbs von Ansprüchen während eines gesetzlich oder tarifvertraglich festgelegten Mutterschutzurlaubs oder Urlaubs aus familiären Gründen, der vom Arbeitgeber bezahlt wird, aufgeführt. Zeiten des (unbezahlten) Elternurlaubs iSd. Rahmenvereinbarung über Elternurlaub sind nicht genannt.

55

(b) Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV zur Reichweite von Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 3 RL 76/207/EWG bzw. Art. 16 RL 2006/54/EG bedurfte es nicht(aA v. Roetteken Anm. zu EuGH 22. Oktober 2009 - C-116/08 - [Meerts] jurisPR-ArbR 49/2009 Anm. 1).

56

(aa) Ist die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel auch unter Berücksichtigung der Eigenheiten dieses Rechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Entscheidungen innerhalb der Europäischen Union keinerlei Raum verbleibt, ist eine Vorlage auch durch ein letztinstanzliches Gericht wie das Bundesarbeitsgericht entbehrlich. Ob ein sog. „acte clair“ vorliegt, bleibt allein der Beurteilung des nationalen letztinstanzlichen Gerichts überlassen (EuGH 6. Oktober 1982 - C-283/81 - [CILFIT] Rn. 16 ff., Slg. 1982, I-3415; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, 37, Slg. 2005, I-8151).

57

(bb) Die Voraussetzungen eines „acte clair“ sind hier erfüllt. Die Unterscheidung zwischen Mutterschafts-, Vaterschafts-, Adoptions- und Elternurlaub im Unionsrecht ist so eindeutig, dass sowohl für den EuGH als auch für die Gerichte der Mitgliedstaaten der Europäischen Union Gewissheit bestünde, dass Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 3 RL 76/207/EWG und Art. 16 RL 2006/54/EG auf die unionsrechtlichen Bestimmungen über den Elternurlaub und die diese in das nationale Recht umsetzenden Regelungen keine Anwendung findet. Die unterschiedlichen Sprachfassungen der RL 2006/54/EG erlauben keinerlei Zweifel daran, dass es sich bei Mutterschafts-, Vaterschafts-, Adoptions- und Elternurlaub um vier unterschiedliche Institute handelt:

-       

in der französischen Fassung der RL 2006/54/EG ist Art. 15 mit „Retour de congé de maternité“, Art. 16 mit „congé de paternité ou d'adoption“ überschrieben. Für den Elternurlaub wird dagegen die Bezeichnung „congé parental“ benutzt (s. nur Erwägungsgrund 24);

-       

in der englischen Fassung ist von „maternity leave“ für den Mutterschaftsurlaub, von „paternity leave“ für den Vaterschaftsurlaub, „adoption leave“ für den Adoptionsurlaub und schließlich von „paternal leave“ für den Elternurlaub die Rede;

-       

die niederländische Fassung verwendet die Bezeichnungen „zwangerschaps en bevallingsverlof“ für den Mutterschaftsurlaub, „vaderschapsverlof“ für den Vaterschaftsurlaub, „adoptieverlof“ für den Adoptionsurlaub und schließlich „ouderschapsverlof“ für den Elternurlaub;

-       

die italienische Fassung unterscheidet zwischen „congedo di maternità“, „congedo di paternità“, „congedo di adozione“ und „congedo parentale“;

-       

die spanische Fassung verwendet die Begriffe „permiso de maternidad“, „permiso de paternidad“, „permiso de adopción“ und „permiso parental“;

-       

die portugiesische Fassung differenziert zwischen „licença de maternidade“, „licença de paternidade“, „licença por adopção“ und „licença parental“;

-       

in der griechischen Fassung heißt es „άδεια μητρότητας“ für Mutterschaftsurlaub, „άδεια πατρότητας“ für Vaterschaftsurlaub, „άδεια υιοθεσίας“ für Adoptionsurlaub und schließlich „γονική άδεια“ für Elternurlaub.

58

In allen ausgewerteten Sprachfassungen wird also streng zwischen den vier Instituten differenziert. Regelungen, die sich auf den Vaterschaftsurlaub bzw. den Adoptionsurlaub beziehen, können darum nicht auf das gänzlich anders gelagerte Institut des „Elternurlaubs“ übertragen werden.

59

(cc) Soweit in der Literatur abweichend von diesem eindeutigen Auslegungsergebnis die Auffassung vertreten wird, Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 3 RL 76/207/EWG bzw. Art. 16 RL 2006/54/EG fände auf die Elternzeit gemäß § 15 BEEG Anwendung, wird nicht ansatzweise begründet, warum Bestimmungen des Unionsrechts, die sich auf den Vaterschafts- bzw. Adoptionsurlaub beziehen, auf das rechtlich davon zu unterscheidende Institut des Elternurlaubs zu übertragen sein sollen. Dieser vereinzelt gebliebenen, wenn auch breit gestreuten Meinung (v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 40 f., 157, 160 f., 324; ders. Anm. zu EuGH 22. Oktober 2009 - C-116/08 - [Meerts] jurisPR-ArbR 49/2009 Anm. 1; ders. BGleiG § 15 BGleiG Stand Oktober 2010 Rn. 10a, 62a) ist darum gegenüber der vom Senat vertretenen nicht eindeutig der Vorzug zu geben (vgl. BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 19, 21, EzA KSchG § 17 Nr. 21).

60

(c) Die Elternzeit nach § 15 BEEG entspricht dem Elternurlaub im Sinne der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub, wobei sie in zeitlicher Hinsicht weit über das unionsrechtlich verlangte Mindestmaß hinausgeht(Buchner/Becker Mutterschutzgesetz Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz 8. Aufl. Vor §§ 15 - 21 BEEG Rn. 17; v. Roetteken AGG Stand November 2010 Rn. 156), nicht aber dem Vaterschafts- oder Adoptionsurlaub iSv. Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 RL 76/207/EWG bzw. Art. 16 RL 2006/54/EG.

61

(aa) Die Elternzeit verfolgt einen anderen Zweck als der Vaterschaftsurlaub im unionsrechtlichen Sinn. Der Anspruch auf Elternzeit soll sicherstellen, dass das Kind eine ständige Betreuungsperson hat (BT-Drucks. 10/3792 S. 19 für den Erziehungsurlaub). Er soll die Ausübung des Erziehungsrechts ohne Verlust des Arbeitsplatzes erleichtern und dient der Förderung der Betreuung und Erziehung des Kindes in den ersten Lebensjahren durch die Eltern sowie der besseren Vereinbarung von Familie und Beruf (Senat 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 30, BAGE 129, 93).

62

(bb) Auch in den Fällen, in denen Arbeitnehmer Elternzeit ab Aufnahme eines adoptierten Kindes in ihren Haushalt in Anspruch nehmen können (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BEEG), handelt es sich nicht um Adoptionsurlaub iSv. Art. 16 RL 2006/54/EG, sondern um Elternzeit, die nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers entsprechend den Vorgaben in Paragraph 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub auch Adoptiveltern gewährt werden kann. § 15 BEEG setzt insoweit die Vorgaben der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub ausreichend in deutsches Recht um. Ein weitergehender Umsetzungsbedarf besteht nicht, weil Art. 16 RL 2006/54/EG keinen zwingenden Charakter hat. Ein Arbeitnehmer, der ein Kind adoptiert und Elternzeit in Anspruch genommen hat, kann damit nicht unter Berufung auf Art. 16 RL 2006/54/EG die Anrechnung seiner Zeit der Abwesenheit auf die Stufenlaufzeit verlangen.

63

(4) Die weiteren unionsrechtlichen Bestimmungen über den Elternurlaub sind nicht rechtlich bindend und begründen daher keinen Anspruch der Klägerin, während der Elternzeit den Gewinn von Berufserfahrung für den Stufenaufstieg zu fingieren.

64

(a) Art. 33 Abs. 2 GRC sieht lediglich den Anspruch auf Elternurlaub vor, ohne daran rechtliche Vorgaben zu knüpfen.

65

(b) Die Empfehlung des Rates vom 31. März 1992 zur Kinderbetreuung (92/241/EWG) (ABl. EG L 123 vom 8. Mai 1992 S. 16) entfaltet gemäß Art. 288 AEUV ebenfalls keine verbindliche Wirkung. Im Übrigen wird auch darin nur vorgeschlagen, Initiativen zu ergreifen, die es Frauen und Männern ermöglichen, ihre beruflichen, familiären und erzieherischen Pflichten im Hinblick auf die Kindesbetreuung miteinander in Einklang zu bringen.

66

(5) Nationale, über den Gewährleistungsinhalt des Unionsrechts hinausgehende Gleichstellungsvorschriften, die es geböten, die Elternzeit auf die Stufenlaufzeit anzurechnen, bestehen nicht.

67

(a) Aus dem Gesetz zur Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst des Landes Baden-Württemberg vom 11. Oktober 2005 (Chancengleichheitsgesetz - ChancenG, GBl. 650) lässt sich kein Anspruch der Klägerin auf Anrechnung der Elternzeit auf die Stufenlaufzeit ableiten. Gemäß § 3 Abs. 2 ChancenG gilt dieses Gesetz ua. für Kommunen nur eingeschränkt. Aus §§ 23 und 24 ChancenG lassen sich keine konkreten Ansprüche einzelner Beschäftigter ableiten.

68

(b) Das Bundesgleichstellungsgesetz findet auf die bei einer Kommune beschäftigte Klägerin keine Anwendung. Darum kann dahinstehen, ob § 9 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG und/oder § 15 Abs. 3 und Abs. 4 BGleiG Beschäftigten des Bundes Anspruch auf die Anrechnung der Elternzeit auf die Stufenlaufzeit gewähren(in diesem Sinne v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 161; das BMI geht davon aus, dass nur keine Rückstufung gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 TVöD erfolgen darf [Rundschreiben vom 8. Dezember 2005 - D II 2-220-210-2/0 - S. 44]).

69

(6) Auch § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG gebietet keine Berücksichtigung der Elternzeit für den Stufenaufstieg im Entgeltsystem des TVöD(vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 370/08 - Rn. 49, EzA GG Art. 3 Nr. 109; 21. Mai 2008 - 5 AZR 187/07 - Rn. 29, BAGE 126, 375). Zwar kann von den Vorschriften über den Erziehungsurlaub auch nicht durch Tarifvertrag abgewichen werden. Die Tarifvertragsparteien müssen aber nicht für einen Ausgleich der Nachteile sorgen, die sich aus der gesetzlichen Ausgestaltung des Erziehungsurlaubs für die Arbeitnehmer ergeben (BAG 15. Dezember 1998 - 3 AZR 251/97 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 25 = EzA BErzGG § 15 Nr. 12).

70

dd) Der Gleichberechtigungsgrundsatz in seiner Ausprägung durch Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Zwar verbieten auch diese Bestimmungen sowohl eine unmittelbare als auch mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts (BVerfG 27. November 1997 - 1 BvL 12/91 - BVerfGE 97, 35, 43; 18. Juni 2008 - 2 BvL 6/07 - Rn. 48 f., BVerfGE 121, 241). Die Gewährleistungen des Art. 3 GG gehen insoweit jedoch nicht über das Unionsrecht hinaus(vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 370/08 - Rn. 28, EzA GG Art. 3 Nr. 109; BFH 5. Dezember 2000 - VII R 18/00 - zu II 3 der Gründe, BFHE 193, 234 ).

71

II. Auch Art. 6 GG ist nicht verletzt.

72

1. Die Tarifvertragsparteien haben nicht die Pflicht, durch tarifliche Regelungen zum besonderen Schutz von Ehe und Familie beizutragen. Der Schutzauftrag aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG richtet sich nicht an die Tarifvertragsparteien, sondern an den Staat(Senat 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 20, BAGE 129, 93). Gleichwohl darf die von ihnen vorgenommene Gruppenbildung die durch Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützten Belange von Ehe und Familie nicht gleichheits- und sachwidrig außer Betracht lassen(vgl. zu dieser Grenze der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien Senat 30. Oktober 2008 - 6 AZR 712/07 - Rn. 15, BAGE 128, 219). Diesen Anforderungen genügt § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT.

73

Das neue Entgeltsystem des TVöD stellt durch den Stufenaufstieg innerhalb der Entgeltgruppe auf die Berufserfahrung und die darin zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit ab. Diese Entgeltkomponente hat keinerlei Bezug zu den Gewährleistungen des Art. 6 GG. Die Tarifvertragsparteien durften typisierend annehmen, dass während der Elternzeit kein Zuwachs an Erfahrungswissen erfolgt und durften darum vorsehen, dass diese Zeit nicht auf die Stufenlaufzeit anzurechnen ist. Nach ihrer typisierenden Betrachtung unterscheidet sich die Arbeitsleistung durchgehend aktiv Beschäftigter und der Beschäftigten, die nach einer Elternzeit die Beschäftigung wieder aufnehmen. Nach Sinn und Zweck der Entgeltsteigerung durch den Aufstieg in den Stufen war es daher nicht geboten, die Elternzeit auf die Stufenlaufzeit anzurechnen. Im Gegenteil würde es dem Sinn und Zweck des Stufenaufstiegs widersprechen, wenn Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung, die über die in § 17 Abs. 3 Satz 1 TVöD-AT aufgezählten hinausgehen, berücksichtigt würden.

74

2. Die Rechtslage bei Sozialplanabfindungen gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Würdigung. Danach widerspricht es den in Art. 6 GG enthaltenen Wertungen, die über § 75 BetrVG auch in die Prüfung von Sozialplänen Eingang finden, wenn die Betriebspartner bei der Höhe der Abfindung zwar auch die Dauer der Beschäftigung berücksichtigen, nicht aber Zeiten des Erziehungsurlaubs(BAG 12. November 2002 - 1 AZR 58/02 - BAGE 103, 321). Die Sozialplanabfindung hat keinen Entgeltcharakter und soll nicht die geleisteten Dienste vergüten. Ihr kommt vielmehr eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion zu (vgl. nur BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 29, AP BetrVG 1972 § 75 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 35). Sinn und Zweck der Sozialplanabfindung bedingen also gerade nicht das Außerachtlassen von Elternzeiten (vgl. BAG 12. November 2002 - 1 AZR 58/02 - BAGE 103, 321, 327 f.). Darin liegt der Unterschied zur Stufenlaufzeit.

75

3. Art. 6 Abs. 4 GG scheidet als Prüfungsmaßstab aus. Aus dieser Norm können für Sachverhalte, die nicht allein Mütter betreffen, keine besonderen Rechte hergeleitet werden. § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT gilt jedoch für alle Beschäftigten, die Elternzeit in Anspruch nehmen, egal ob sie Väter oder Mütter sind. Auch wenn sich die Hemmung des Stufenaufstiegs tatsächlich vor allem zulasten der Mütter auswirkt, weil diese auch heute noch durch die Inanspruchnahme von Elternzeit jedenfalls länger als die Väter ihre Berufstätigkeit unterbrechen, ist der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 4 GG nicht berührt(vgl. BVerfG 12. März 1996 - 1 BvR 609/90, 1 BvR 692/90 - BVerfGE 94, 241; BAG 20. April 2010 - 3 AZR 370/08 - Rn. 42, EzA GG Art. 3 Nr. 109).

76

III. Art. 3 Abs. 1 GG ist durch den Zuschnitt der Personenkreise, bei denen in § 17 Abs. 3 Satz 1 TVöD-AT Unterbrechungen der Arbeitsleistung mit Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit gleichgestellt worden sind, nicht verletzt.

77

1. Die Klägerin macht insoweit geltend, es sei nicht verständlich, warum eine Arbeitsunfähigkeit bis zu 39 Wochen als Zeit einer ununterbrochenen Tätigkeit angesehen werde, während eine Elternzeit von gleicher Dauer schädlich sei. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b TVöD-AT werden die Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit bis zu 39 Wochen angerechnet. Das gilt für jeden Fall der Arbeitsunfähigkeit, wobei bei Fortsetzungserkrankungen alle rechtlich im Fortsetzungszusammenhang stehenden Zeiten als eine Arbeitsunfähigkeit gelten (Fieberg GKÖD Stand Dezember 2010 § 17 TVöD/TV-L Rn. 32). In Einzelfällen kann daher die anrechnungsfähige Zeit mehrerer unterschiedlicher Arbeitsunfähigkeiten die Dauer der die Stufenlaufzeit hemmenden Elternzeit übersteigen. Das führt jedoch nicht dazu, dass jedenfalls 39 Wochen der Elternzeit der Klägerin auf die Stufenlaufzeit anzurechnen wären.

78

a) Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 GG verletzen. Dabei kommt den Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern allerdings aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser reicht, hängt von den im Einzelfall vorliegenden Differenzierungsmerkmalen ab, wobei den Tarifvertragsparteien in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative zusteht (Senat 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - BAGE 129, 93). Art. 3 GG untersagt auch einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss. Auch wenn man berücksichtigt, dass sich die Regelung in § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT auf die grundrechtlich geschützte Freiheit, Elternzeit zu beanspruchen, auswirken kann, und deshalb einen Rechtfertigungsgrund verlangt, der im angemessenen Verhältnis zum Grad der Ungleichbehandlung steht(vgl. BVerfG 15. März 2000 - 1 BvL 16/96 ua. - BVerfGE 102, 68, 87), begünstigt die Regelung in § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b TVöD-AT unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien Arbeitsunfähige nicht gleichheitswidrig gegenüber den Beschäftigten, die nach einer Elternzeit ihre Tätigkeit wieder aufnehmen.

79

b) Zwar kann während der Zeit einer Arbeitsunfähigkeit ebenso wie während der Elternzeit, in der das Arbeitsverhältnis ruht, kein für den Stufenaufstieg relevantes Erfahrungswissen erworben werden. Die Tarifvertragsparteien durften aber davon ausgehen, dass typischerweise auch im öffentlichen Dienst Zeiten langdauernder ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit Ausnahmefälle darstellen. Weniger als 5 % aller Arbeitsunfähigkeitsfälle der in den gesetzlichen Krankenkassen Versicherten dauern über die gesetzliche Entgeltfortzahlung von sechs Wochen hinaus (Badura/Schröder/Klose/Macco Fehlzeiten-Report 2010 S. 439 Abb. 29.6). Auch die Dauer der Arbeitsunfähigkeit der AOK-Mitglieder im öffentlichen Dienst überstieg nur in 11,5 % aller Arbeitsunfähigkeitsfälle 21 Tage. Lediglich in 4,2 % aller Fälle lag dabei eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als 42 Tagen vor (Badura/Schröder/Klose/Macco aaO S. 400 Tabelle 28.10.5). Die durchschnittliche Dauer eines Arbeitsunfähigkeitsfalles unter den bei der AOK Versicherten ist von etwas mehr als 12 Tagen im Jahr 2004 auf knapp unter 12 Tagen im Jahr 2009 gesunken (Badura/Schröder/Klose/Macco aaO S. 398 Tabelle 28.10.1). Das gilt trotz des Umstandes, dass die in den öffentlichen Verwaltungen beschäftigten AOK-Mitglieder eine ungünstigere Altersstruktur aufweisen als die in der freien Wirtschaft Beschäftigten und in der AOK die Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes mit einer besonders hohen Arbeitsbelastung überrepräsentiert sind (Badura/Schröder/Klose/Macco aaO S. 279). Selbst bei den Berufsgruppen mit den höchsten Fehlzeiten lag die Dauer der Arbeitsunfähigkeit je Fall bei knapp unter 16 Tagen (Badura/Schröder/Klose/Macco aaO S. 399 Tabelle 28.10.4).

80

Zwischen einzelnen Krankheiten oder Krankheitsphasen kommt es also auch im öffentlichen Dienst typischerweise, gerade auch bei Fortsetzungserkrankungen, immer wieder zu Zeiten tatsächlicher Arbeitsleistung und damit des Erfahrungsgewinns. Durch die Inanspruchnahme von Elternzeit, bei der das Arbeitsverhältnis ruht, tritt also bei typisierender Betrachtung eine erheblich längere Unterbrechung des Erfahrungsgewinns ein als durch Arbeitsunfähigkeit. Das durften die Tarifvertragsparteien ihrer Regelung zugrunde legen.

81

Des Weiteren durften die Tarifvertragsparteien darauf abstellen, dass Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von 39 Wochen nicht zur gänzlichen Suspendierung der Vergütungspflicht führt. Nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums steht dem Beschäftigten gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 TVöD-AT bei einer Beschäftigungszeit von mehr als drei Jahren nach § 22 Abs. 2 TVöD-AT ein Krankengeldzuschuss bis zum Ende der 39. Woche der Arbeitsunfähigkeit zu. Demgegenüber ruht das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit unter Suspendierung aller wechselseitigen Pflichten. Bei der notwendigerweise pauschalisierenden Bewertung, welche Zeiten der Unterbrechung der Tätigkeit sie einer tatsächlichen Beschäftigung gleichstellen wollten, hält es sich noch im Rahmen des Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien, solche Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit, für die noch ein Anspruch auf Krankengeldzuschuss bestehen kann und damit die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auf Arbeitgeberseite nicht gänzlich suspendiert sind, auf die Stufenlaufzeit anzurechnen und demgegenüber auch Elternzeiten von weniger als 39 Wochen als Hemmung der Stufenlaufzeit zu werten (vgl. BAG 9. November 1994 - 10 AZR 3/94 - AP BAT § 23a Nr. 33 = EzA BAT § 23a Nr. 3 für die Anrechnung der Arbeitsunfähigkeit auf die Bewährungszeit nach § 23a BAT).

82

2. Auch der Einwand der Klägerin, Sonderurlaub aus betrieblichen Gründen sei nicht zwingend mit einem Gewinn an einschlägiger Berufserfahrung verbunden, ist nicht geeignet, eine gleichheitswidrige Begünstigung des von § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. d TVöD-AT erfassten Personenkreises aufzuzeigen.

83

Sonderurlaub, bei dem der Arbeitgeber vor dem Antritt schriftlich ein dienstliches oder betriebliches Interesse anerkannt hat, wird gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. d TVöD-AT unabhängig von seiner Dauer auf die Stufenlaufzeit angerechnet. Ein solcher Sonderurlaub wird typischerweise dann gewährt, wenn sich der einzelne Beschäftigte qualifizieren will und der Arbeitgeber sich diese Qualifikation später zunutze machen will (Künzl GKÖD Stand Dezember 2010 § 34 TVöD/TV-L Rn. 424). Gleiches gilt, wenn die Übernahme der Tätigkeit, für die die Beurlaubung erfolgt, im dienstlichen Interesse liegt (Fieberg GKÖD Stand Dezember 2010 § 28 TVöD/TV-L Rn. 28). So liegt die Tätigkeit von Bundesbediensteten in öffentlichen zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisationen im deutschen Interesse. Die Beurlaubung (Entsendung) zur Dienstleistung bei Internationalen Organisationen fördert das Leistungsniveau und die Verwendbarkeit auch im nationalen Dienst. Darum ist Beschäftigten des Bundes bei einer solchen Entsendung Sonderurlaub nach § 28 TVöD zu gewähren, der im dienstlichen Interesse liegt und daher bei Erfüllung der formellen Anforderungen auf die Beschäftigungszeit anzurechnen ist(I und IV der Richtlinien für die Entsendung von Bundesbediensteten in öffentliche zwischenstaatliche oder überstaatliche Organisationen (Entsendungsrichtlinien - EntsR -) vom 26. September 2005, GMBl. S. 1074). Aus denselben Gründen ist Beschäftigten des Bundes Sonderurlaub für Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit zu gewähren (I und IV der Richtlinien für die Beurlaubung von Bundesbediensteten zur Übernahme von Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit (Beurlaubungsrichtlinien - BeurlR) vom 25. Oktober 2000, GMBl. S. 1112). Die Anrechnung der Zeiten des Sonderurlaubs auf die Stufenlaufzeit erklärt sich also daraus, dass sich während der Beurlaubung typischerweise die berufliche Qualifikation und Verwendbarkeit verbessern. Darauf durften die Tarifvertragsparteien bei typisierender Betrachtung abstellen.

84

IV. Eine Altersdiskriminierung rügt die Klägerin nicht. Ein auf Berufserfahrung abstellendes Entgeltsystem wie das des TVöD ist nicht per se altersdiskriminierend. Es ist vielmehr ein legitimes Ziel der Entgeltpolitik, Berufserfahrung zu honorieren, die den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten (EuGH 3. Oktober 2006 - C-17/05 - [Cadman] Rn. 34, Slg. 2006, I-9583). Da die Klägerin keine Indizien für eine auch nur mittelbare Altersdiskriminierung durch das auf Berufserfahrung abstellende Stufensystem des TVöD aufgezeigt hat, war keine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über die Vorlage des Senats vom 20. Mai 2010 (- 6 AZR 319/09 (A) -) geboten.

85

C. Auf den von der Klägerin angeführten besonderen Umstand, dass sie ihre beruflichen Fertigkeiten während der Elternzeit weiter entwickelt haben will, kommt es nicht an. Darüber hinaus ist ihr Vortrag insoweit unsubstantiiert.

86

I. Die Tarifvertragsparteien haben typisierend darauf abgestellt, dass bei der Mehrzahl der vom TVöD erfassten Berufsbilder während der Elternzeit keine für die geschuldete Tätigkeit förderliche Berufserfahrung erworben wird. Dies gilt auch für die Entgeltgruppe 5, in die die Klägerin eingruppiert war. In dieser Entgeltgruppe sind die frühere Vergütungsgruppe VII des BAT sowie die Lohngruppen 5 (mit Aufstieg nach 5a) und 4 (mit Aufstieg nach 5 und 5a) und damit eine Vielzahl von Berufsbildern nicht nur häuslichen Zuschnitts zusammengefasst worden (Anlage 3 zum TVÜ-VKA). Darauf, ob im Einzelfall bei Beschäftigten während der Elternzeit bezogen auf ihre berufliche Tätigkeit ein Erfahrungszuwachs eintritt, kommt es damit nicht an, zumal es auch in diesen Fällen an der Eingliederung in die betriebliche Organisation fehlt, die essentiell für die von den Tarifvertragsparteien angenommene Verbesserung von Arbeitsqualität und -quantität ist.

87

II. Der Hinweis der Klägerin, sie habe während der Elternzeit zumindest teilweise ihre beruflichen Fertigkeiten als Schneiderin fortentwickelt, ist darüber hinaus unsubstantiiert. Sie behauptet nicht konkret, dass sie ihre Kerntätigkeit als Schneiderin auch während der Elternzeit in einem Maße verrichtet habe, das dem Erwerb weiterer Berufserfahrung durch die von ihr geschuldete Tätigkeit gleichgekommen wäre.

88

D. Die Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass es sich bei den auf Gehaltsabrechnung bezogenen Anträgen um unechte Hilfsanträge für den Fall des Obsiegens mit den Zahlungsanträgen handelt. Diese Anträge sind darum nicht zur Entscheidung angefallen.

89

E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    D. Knauß    

        

    U. Lauth    

                 

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 22. Oktober 2013 - 5 Sa 81/13 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Stufenzuordnung der Klägerin nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses von der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf den Beklagten als zugelassenen kommunalen Träger gemäß § 6c SGB II.

2

Die Klägerin war nach Beendigung ihrer Ausbildung seit Juli 2005 für die BA tätig. Auf dieses Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) vom 28. März 2006 in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Die Klägerin erhielt seit Beendigung ihrer Ausbildung stets ein Entgelt der Tätigkeitsebene V und war in dieser Ebene zuletzt der Entwicklungsstufe 4 zugeordnet. Seit 2007 bis zum 31. Dezember 2011 war sie im Jobcenter des Landkreises N in der Leistungsabteilung als Fachassistentin Beratungsservice eingesetzt, ohne dass sich ihre Tätigkeit dadurch inhaltlich änderte. In den Jahren 2008/2009 befand sie sich zwölf Monate in Elternzeit.

3

Zum 1. Januar 2012 ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin - wie das von rund 200 weiteren Beschäftigten der BA - gemäß § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II auf den beklagten Landkreis über, der zum Kreis der zugelassenen kommunalen Träger zählt und ua. das Gebiet des ehemaligen Landkreises N umfasst. Dies führte zu keiner inhaltlichen Änderung der Tätigkeit der Klägerin.

4

Im SGB II ist die Grundsicherung für Arbeitsuchende geregelt. Zur Trägerschaft der Leistungen des SGB II und der Kostentragung für diese Leistungen heißt es darin:

        

§ 6 Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende

        

(1) Träger der Leistungen nach diesem Buch sind:

        

1.    

die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur), soweit Nummer 2 nichts Anderes bestimmt,

        

2.    

die kreisfreien Städte und Kreise für die Leistungen nach § 16a, das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld, soweit Arbeitslosengeld II und Sozialgeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, die Leistungen nach § 24 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2, § 27 Absatz 3 sowie für die Leistungen nach § 28, soweit durch Landesrecht nicht andere Träger bestimmt sind (kommunale Träger).

        

…       

        
        

§ 6a Zugelassene kommunale Träger

        

…       

        

(2) Auf Antrag wird eine begrenzte Zahl weiterer kommunaler Träger vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales als Träger im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zugelassen, wenn sie

        

1.    

geeignet sind, die Aufgaben zu erfüllen,

        

2.    

sich verpflichten, eine besondere Einrichtung nach Absatz 5 zu schaffen,

        

3.    

sich verpflichten, mindestens 90 Prozent der Beamtinnen und Beamten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur, die zum Zeitpunkt der Zulassung mindestens seit 24 Monaten in der im Gebiet des kommunalen Trägers gelegenen Arbeitsgemeinschaft oder Agentur für Arbeit in getrennter Aufgabenwahrnehmung im Aufgabenbereich nach § 6 Absatz 1 Satz 1 tätig waren, vom Zeitpunkt der Zulassung an, dauerhaft zu beschäftigen,

        

…       

        
        

(5) Zur Wahrnehmung der Aufgaben anstelle der Bundesagentur errichten und unterhalten die zugelassenen kommunalen Träger besondere Einrichtungen für die Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch.

        

…       

        

§ 6b Rechtsstellung der zugelassenen kommunalen Träger

        

(1) 1Die zugelassenen kommunalen Träger sind anstelle der Bundesagentur im Rahmen ihrer örtlichen Zuständigkeit Träger der Aufgaben nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 …2Sie haben insoweit die Rechte und Pflichten der Agentur für Arbeit.

        

(2) Der Bund trägt die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten mit Ausnahme der Aufwendungen für Aufgaben nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2. …

        

…       

        

§ 6c Personalübergang bei Zulassung weiterer kommunaler Träger und bei Beendigung der Trägerschaft

        

(1) Die … Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur, die am Tag vor der Zulassung eines weiteren kommunalen Trägers nach § 6a Absatz 2 und mindestens seit 24 Monaten Aufgaben der Bundesagentur als Träger nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 in dem Gebiet des kommunalen Trägers wahrgenommen haben, treten zum Zeitpunkt der Neuzulassung kraft Gesetzes in den Dienst des kommunalen Trägers über. …

        

(2) Endet die Trägerschaft eines kommunalen Trägers nach § 6a, treten die … Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des kommunalen Trägers, die am Tag vor der Beendigung der Trägerschaft Aufgaben anstelle der Bundesagentur als Träger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 durchgeführt haben, zum Zeitpunkt der Beendigung der Trägerschaft kraft Gesetzes in den Dienst der Bundesagentur über. …

        

(3) … 2Treten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund des Absatzes 1 oder 2 kraft Gesetzes in den Dienst eines anderen Trägers über, tritt der neue Träger unbeschadet des Satzes 3 in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen ein, die im Zeitpunkt des Übertritts bestehen. 3Vom Zeitpunkt des Übertritts an sind die für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des neuen Trägers jeweils geltenden Tarifverträge ausschließlich anzuwenden. …

        

…       

        

(5) 1Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die nach Absatz 1 oder 2 kraft Gesetzes in den Dienst eines anderen Trägers übertreten, soll grundsätzlich eine tarifrechtlich gleichwertige Tätigkeit übertragen werden. 2Wenn eine derartige Verwendung im Ausnahmefall nicht möglich ist, kann ihnen eine niedriger bewertete Tätigkeit übertragen werden. 3Verringert sich das Arbeitsentgelt nach den Sätzen 1 und 2, ist eine Ausgleichszahlung in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Arbeitsentgelt bei dem abgebenden Träger zum Zeitpunkt des Übertritts und dem jeweiligen Arbeitsentgelt bei dem aufnehmenden Träger zu zahlen.

        

§ 6d Jobcenter

        

Die … zugelassenen kommunalen Träger nach § 6a führen die Bezeichnung Jobcenter.

        

…       

        

§ 46 Finanzierung aus Bundesmitteln

        

(1) Der Bund trägt die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten, soweit die Leistungen von der Bundesagentur erbracht werden. …“

5

Der Beklagte gruppierte die Klägerin zum 1. Januar 2012 in die Entgeltgruppe 8 der für ihn geltenden Durchgeschriebenen Fassung des TVöD für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V) ein. Diese Eingruppierung steht zwischen den Parteien ebenso wenig im Streit wie die Höhe der Ausgleichszulage gemäß § 6c Abs. 5 SGB II, die die Klägerin erhält. Streitbefangen ist allein die Zuordnung der Klägerin zur Stufe 3 der Entgeltgruppe 8 TVöD-V, die der Beklagte vornahm. Mit ihrer im Juli 2012 erhobenen Klage begehrt die Klägerin - soweit für die Revision noch von Relevanz - ihre Zuordnung zur Stufe 4 ihrer Entgeltgruppe seit dem 1. Juli 2012.

6

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie sei nicht neu eingestellt worden. Vielmehr habe der Beklagte ihr Arbeitsverhältnis zur BA gemäß § 6c Abs. 3 Satz 2 SGB II in seinem Bestand übernommen. Darum sei sie so zu behandeln, als sei sie schon seit Juli 2005 bei dem beklagten Landkreis beschäftigt gewesen und dort entsprechend dem TVöD-V eingruppiert gewesen.

7

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass sie seit dem 1. Juli 2012 nach der Entgeltgruppe 8 Stufe 4 TVöD-V zu vergüten ist.

8

Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, gemäß § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II entfalteten die Tarifverträge des neuen Trägers erst ab dem Übergang des Arbeitsverhältnisses Wirkung. Das schließe eine in die Vergangenheit gehende Wirkung, wie sie die Klägerin begehre, aus. Durch § 6c Abs. 5 SGB II sei lediglich die im Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses bestehende Entgelthöhe als Besitzstand gewährleistet. Die Ansicht der Klägerin widerspreche dem Grundgedanken des § 16 Abs. 2 TVöD-V (= § 16 TVöD-AT (VKA)), mit dem sich die Tarifvertragsparteien von der Einheit des öffentlichen Dienstes verabschiedet hätten, und führe zu einem übermäßigen Eingriff in die Tarifautonomie.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage für die Zeit ab dem 1. Juli 2012 stattgegeben. Soweit die Klägerin die Zuordnung zur Stufe 4 ursprünglich bereits ab dem 1. Januar 2012 begehrt hat, hat es die Klage abgewiesen, weil die Elternzeit für die Stufenlaufzeit nicht zu berücksichtigen sei. Gegen dieses Urteil hat nur der Beklagte Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte verfolgt mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision sein Ziel der vollständigen Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben mit Recht erkannt, dass die Klägerin seit dem 1. Juli 2012 der Stufe 4 der Entgeltgruppe 8 TVöD-V zuzuordnen war. Die Stufenlaufzeit in der Stufe 3 dieser Entgeltgruppe begann nicht erst am 1. Januar 2012, sondern schon im Arbeitsverhältnis mit der BA zu laufen. Dies folgt unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben in § 6c SGB II aus einer analogen Anwendung des § 16 Abs. 3 iVm. § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V. Die Klage ist deshalb im zuletzt noch rechtshängigen Umfang begründet.

11

I. Die Ermächtigungsgrundlage des Art. 91e GG, auf der § 6c SGB II beruht, ist verfassungskonform(BVerfG 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 -). Mit §§ 6 ff. SGB II ist der Bundesgesetzgeber dem umfassend und weit zu verstehenden Gesetzgebungsauftrag des Art. 91e Abs. 3 GG nachgekommen.

12

II. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist gemäß § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II zum 1. Januar 2012 auf den Beklagten übergegangen. Die Klägerin ist damit kraft Gesetzes aus dem Arbeitsverhältnis mit der BA ausgeschieden und dem Beklagten als neuem Arbeitgeber zugewiesen worden (vgl. zu dieser Rechtsfolge BAG 26. September 2013 - 8 AZR 775/12 (A) - Rn. 22).

13

Der Beklagte ist zum 1. Januar 2012 als weiterer kommunaler Träger iSv. § 6a Abs. 2 SGB II zugelassen worden. Die Klägerin hat auch, wie von § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II verlangt, vor dem 1. Januar 2012 mindestens 24 Monate Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende in dem Gebiet des beklagten Landkreises wahrgenommen. Sie hat derartige Aufgaben unstreitig seit Juli 2005 ausgeübt, unterbrochen lediglich von einer zwölfmonatigen Elternzeit in den Jahren 2008/2009. Selbst wenn die Elternzeit bis zum Jahresende 2009 angedauert haben sollte, wäre die erforderliche Einsatzzeit von 24 Monaten am 31. Dezember 2011 erfüllt gewesen. Daher kann dahinstehen, ob die Stichtagsregelung des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II zwingend voraussetzt, dass die Tätigkeit ununterbrochen ausgeübt worden ist(zweifelnd: Rixen/Weißenberger in Eicher/Spellbrink SGB II 3. Aufl. § 6c Rn. 2; Münder in Münder SGB II 5. Aufl. § 6c Rn. 2 sieht nur Unterbrechungen als schädlich an, die so erheblich sind, dass von einem Vorhandensein von Fachkenntnissen nicht mehr gesprochen werden könne). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts umfasst das Gebiet des Beklagten auch das des früheren Landkreises N, für den die Klägerin bis zur Kreisgebietsreform durch Art. 1 des Gesetzes zur Schaffung zukunftsfähiger Strukturen der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Kreisstrukturgesetz) vom 12. Juli 2010 (GVOBl. M-V S. 366) tätig war.

14

III. Der Senat hat davon abgesehen, den Rechtsstreit im Hinblick auf das beim Bundesverfassungsgericht zur Frage der Verfassungskonformität des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II anhängige abstrakte Normenkontrollverfahren nach Art. 100 GG - 1 BvL 1/14 -(Vorlage BAG 26. September 2013 - 8 AZR 775/12 (A) -) in analoger Anwendung des § 148 ZPO auszusetzen(vgl. zu einer solchen Möglichkeit BGH 17. Juli 2013 - IV ZR 150/12 -; 25. März 1998 - VIII ZR 337/97 -). Die Entscheidung über die Aussetzung hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (BAG 22. Januar 2013 - 6 AZR 392/11 - Rn. 15). Die Aussetzung des Rechtsstreits bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht sachgerecht, weil das Interesse der Klägerin an einer Sachentscheidung überwiegt.

15

Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts beruhen allein darauf, dass dem Arbeitnehmer ein neuer Arbeitgeber aufgezwungen werde, ohne dass er einen Fortbestand des alten Arbeitsverhältnisses, sei es durch ein Rückkehrrecht, sei es durch ein Widerspruchsrecht, erreichen könne. Die Klägerin reklamiert solche Rechte jedoch nicht, obwohl ihr, wie die Revisionserwiderung zeigt, die Vorlage bekannt ist. Sie stellt lediglich die Rechtsansicht des Beklagten, zwischen den Parteien sei rechtsgeschäftlich ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, in Abrede. Im Übrigen will sie, solange sie bei dem Beklagten beschäftigt ist, ausdrücklich so gestellt werden, wie sie bei einer Wirksamkeit des gesetzlich angeordneten Betriebsübergangs zu stellen wäre. Damit hat sie zumindest für die Zeit bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ihr durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Recht, privatautonom zu entscheiden, welches Arbeitsverhältnis ihr mehr Vorteile bietet, und ihren Vertragspartner zu wählen(vgl. BVerfG 25. Januar 2011 - 1 BvR 1741/09 - Rn. 98, 69, BVerfGE 128, 157), ausgeübt und sich für den Beklagten als Arbeitgeber entschieden.

16

IV. Der TVöD-V findet seit dem 1. Januar 2012 uneingeschränkt auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

17

1. § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II ordnet die „ausschließliche“ Anwendung der für die weiteren zugelassenen kommunalen Träger jeweils geltenden Tarifverträge an. Damit gilt ab Übergang des Arbeitsverhältnisses ua. der TVöD-V dynamisch (ohne Problematisierung: BAG 26. September 2013 - 8 AZR 775/12 (A) - Rn. 41; für den TV Sonderzahlung 2011 BAG 10. Juli 2013 - 10 AZR 777/12 - Rn. 10).

18

2. Der gesetzlichen Anordnung der (sofortigen) Geltung des TVöD-V steht die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. EG L 82 vom 22. März 2001 S. 16 - künftig RL 2001/23/EG) nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob § 6c SGB II ein eigenständiges, § 613a BGB vorgehendes Umsetzungsgesetz ist. Selbst wenn es an einer innerstaatlichen Umsetzung fehlte, könnte die Richtlinie unmittelbar Anwendung finden, weil der Regelungsbereich des § 6c SGB II ausschließlich öffentliche Arbeitgeber betrifft(vgl. zur unmittelbaren Anwendung von Richtlinien gegenüber dem Staat EuGH 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 33; zur Eigenschaft öffentlicher Arbeitgeber als Staat im Sinne des Unionsrechts Sagan in Preis/Sagan Europäisches Arbeitsrecht § 1 Rn. 133). Der Anwendungsbereich der RL 2001/23/EG ist jedoch nicht eröffnet. Darum kommt es nicht darauf an, dass das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt hat, auf welcher Rechtsgrundlage der TV-BA bis zum 31. Dezember 2011 auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der BA Anwendung gefunden hat. Dahinstehen kann auch, welche Rechtsfolgen sich aus Art. 3 Abs. 1 bzw. Abs. 3 RL 2001/23/EG für die Weitergeltung kollektiv vereinbarter Normen im Hinblick auf die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 6. September 2011 (- C-108/10 - [Scattolon] Slg. 2011, I-7491) und vom 18. Juli 2013 (- C-426/11 - [Alemo-Herron]) ergeben (vgl. dazu die Problemübersicht bei Grau/Hartmann in Preis/Sagan Europäisches Arbeitsrecht § 11 Rn. 108 ff.).

19

a) Der Anwendung der Richtlinie steht allerdings nicht entgegen, dass der Übergang des Arbeitsverhältnisses unmittelbar durch Gesetz erfolgte (vgl. EuGH 6. September 2011 - C-108/10 - [ Scattolon ] Rn. 63 f., Slg. 2011, I-7491).

20

b) Als Teil der Übertragung hoheitlicher Befugnisse von einer Behörde auf eine andere ist der von § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II angeordnete Übergang der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer von der BA auf den zugelassenen kommunalen Träger jedoch gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. c RL 2001/23/EG von der Betriebsübergangsrichtlinie nicht erfasst.

21

aa) Die RL 2001/23/EG ist nach ihrem Art. 1 Abs. 1 nur auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben sowie Unternehmens- und Betriebsteilen anzuwenden. „Unternehmen“ in diesem Sinne sind nur solche wirtschaftlichen Einheiten, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Darunter ist jede Tätigkeit zu verstehen, die darin besteht, Waren oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten. Dazu zählen auch Dienste, die in allgemeinem Interesse und ohne Erwerbszweck im Wettbewerb mit den Diensten von Wirtschaftsteilnehmern erbracht werden, die einen Erwerbszweck verfolgen. Dagegen sind Tätigkeiten in Ausübung hoheitlicher Befugnisse grundsätzlich nicht als wirtschaftliche Tätigkeit einzustufen (EuGH 6. September 2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 42 bis 44, Slg. 2011, I-7491).

22

bb) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat bisher nicht im Einzelnen ausgeführt, was unter hoheitlichen Tätigkeiten im Sinne der Betriebsübergangsrichtlinie zu verstehen ist. Er hat jedoch im Zusammenhang mit dem Vergaberecht klargestellt, dass Tätigkeiten, die unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, als „Ausübung öffentlicher Gewalt“ iSv. Art. 45 Abs. 1 iVm. Art. 55 EG anzusehen sind. Erforderlich dafür ist eine hinreichend qualifizierte Ausübung von Sonderrechten, Hoheitsprivilegien oder Zwangsbefugnissen (EuGH 29. April 2010 - C-160/08 - [Kommission/Deutschland] Rn. 78 f., Slg. 2010, I-3713). Solche Tätigkeiten fallen nicht in den Schutzbereich von Bestimmungen des Unionsrechts, die der Durchführung der Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr dienen. Diese Definition kann zweifellos für das Verständnis, welche Tätigkeiten in Ausübung hoheitlicher Befugnisse erfolgen und auf die deshalb die RL 2001/23/EG keine Anwendung findet, herangezogen werden. Dies folgt bereits daraus, dass die vom Gerichtshof der Europäischen Union in Rn. 44 seiner Entscheidung vom 6. September 2011 (- C-108/10 - [Scattolon] Slg. 2011, I-7491) in Bezug genommene Entscheidung vom 1. Juli 2008 (- C-49/07 - [MOTOE] Slg. 2008, I-4863) nicht die RL 2001/23/EG, sondern das Wettbewerbsrecht betrifft (zur Heranziehung von Auslegungsergebnissen aus Urteilen zum Wettbewerbsrecht für die Auslegung von Begriffen der RL 2001/23/EG vgl. auch EuGH 14. September 2000 - C-343/98 - [Collino und Chiappero] Rn. 33, Slg. 2000, I-6659; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 1069/12 - Rn. 34 bis 36).

23

cc) Die Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die zum 1. Januar 2012 auf den Beklagten übergegangen ist, ist nach diesem Begriffsverständnis eine hoheitliche Tätigkeit iSd. Art. 1 Abs. 1 Buchst. c RL 2001/23/EG. Die Jobcenter sind darum keine Unternehmen im Sinne der Betriebsübergangsrichtlinie.

24

(1) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist eine Verwaltungsaufgabe im Sinne des Grundgesetzes. Art. 91e Abs. 2 GG räumt den Gemeinden die Chance ein, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende als kommunale Träger alleinverantwortlich wahrzunehmen und konkretisiert so die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG(BVerfG 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 - Rn. 77, 101).

25

(2) Mit der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden Arbeitslosen- und Sozialhilfe für den vom SGB II erfassten Personenkreis zusammengeführt (BVerfG 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 - Rn. 2). Zentrales Ziel des SGB II ist es, durch Fördermaßnahmen die Leistungsberechtigten zu einer Lebensführung unabhängig von der Grundsicherung zu befähigen (Voelzke in Hauck/Noftz SGB II Stand Oktober 2014 K § 1 Rn. 16). Hinter diesem Gedanken steht das Konzept des aktivierenden Sozialstaats. Der Leistungsberechtigte soll aktiv dabei unterstützt werden, vom passiven Objekt staatlicher Hilfe zum aktiven Subjekt und Gesellschaftsmitglied zu werden (Stölting in Eicher/Spellbrink SGB II 3. Aufl. § 1 Rn. 3).

26

(a) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist eine Basisabsicherung für die Personen, die objektiv noch einer Erwerbstätigkeit nachgehen können, weil sie nicht voll erwerbsgemindert sind (vgl. BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 2, BVerfGE 125, 175; Sauer in Sauer SGB II Vorbemerkungen zum Ersten Kapitel Rn. 2; Voelzke in Hauck/Noftz SGB II Stand September 2013 E 010 Rn. 225). Sie stellt die materielle Versorgung und Eingliederung erwerbsfähiger Leistungsberechtigter und der mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen sicher (Voelzke aaO Rn. 234).

27

(b) Zugleich hat der Gesetzgeber mit den Leistungen nach dem SGB II den von Art. 1 Abs. 1 GG dem Grunde nach vorgegebenen Leistungsanspruch zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gesetzlich gesichert und als subsidiäres System ausgestaltet, das nach seiner Zielrichtung sämtlichen Bedarfslagen, die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins gedeckt werden müssen, Rechnung tragen soll(BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 136, 138, 147, BVerfGE 125, 175). Dieses überragende Ziel des Leistungsrechts des SGB II macht § 1 Abs. 1 SGB II deutlich(vgl. Meyerhoff in Schlegel/Voelzke jurisPK-SGB II 4. Aufl. § 1 Rn. 8, 29; Voelzke in Hauck/Noftz SGB II Stand Oktober 2014 K § 1 Rn. 8).

28

(c) Im Gegensatz zu dem im SGB III geregelten Recht der Arbeitsförderung verfolgt das SGB II keine arbeitsmarktpolitische Zielsetzung. Vielmehr steht rein programmatisch der erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Mittelpunkt des Gesetzes. Er soll von den Transferleistungen des SGB II vollständig oder mindestens teilweise unabhängig werden (vgl. Voelzke in Hauck/Noftz SGB II Stand Oktober 2014 K § 1 Rn. 18; Meyerhoff in Schlegel/Voelzke jurisPK-SGB II 4. Aufl. § 1 Rn. 14). Gelingt dies nicht, werden (ausschließlich) staatliche Transferleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts des Leistungsberechtigten gewährt (Meyerhoff aaO Rn. 20). Damit gehört das SGB II wie die im SGB XII geregelte Sozialhilfe zum Recht der Fürsorge. Die Leistungen des SGB II werden unabhängig von einer Vorleistung des Leistungsberechtigten aus Steuermitteln gezahlt. Dies gilt gemäß § 6b Abs. 2 iVm. § 46 SGB II auch für die von den zugelassenen kommunalen Trägern betriebenen Jobcenter. Die Höhe der Leistungen richtet sich nicht nach dem zuvor erzielten Arbeitsentgelt im Sinne einer Lebensstandardsicherung, sondern maßgebend nach dem individuellen Bedarf (Voelzke aaO Stand September 2013 E 010 Rn. 234, 278; Sauer in Sauer SGB II Vorbemerkungen zum Ersten Kapitel Rn. 3). Als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten Alleinstehende und Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft, soweit sie das 15. Lebensjahr vollendet haben und iSv. § 8 Abs. 1 SGB II erwerbsfähig sind, Arbeitslosengeld II iSv. § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Liegen die Voraussetzungen für die Gewährung des Arbeitslosengeldes II nicht vor, erhalten Leistungsberechtigte Sozialgeld iSv. § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II, sofern kein Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß §§ 41 ff. SGB XII besteht. Dieser Zielsetzung und Ausgestaltung entspricht es, dass die Grundsicherung im Anhang X der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. EU L 166 vom 30. April 2004 S. 1) als „beitragsunabhängige Geldleistung“ iSv. Art. 70 Abs. 2 dieser Verordnung aufgeführt ist.

29

(d) Verletzen die nach dem SGB II Leistungsberechtigten die ihnen nach diesem Gesetz obliegenden Verhaltenspflichten, führt dies zu den in §§ 31 ff. SGB II geregelten Sanktionen, soweit dadurch nicht das Existenzminimum unterschritten wird (vgl. BVerfG 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Rn. 28 f., BVerfGK 5, 237). In diesem Rahmen ziehen die in § 31 SGB II aufgeführten Pflichtverletzungen, wie zB die Nichterfüllung der in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten oder die Weigerung, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, stufenweise Sanktionen nach sich. Das Arbeitslosengeld II wird nach den Maßgaben des § 31a SGB II und für den Hinderungszeitraum des § 31b SGB II, der grundsätzlich drei Monate beträgt, gekürzt. Meldeversäumnisse iSd. § 32 SGB II führen gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich zu einer Minderung des Arbeitslosengeldes II oder des Sozialgeldes von 10 % des maßgebenden Regelbedarfs.

30

(3) Mit dieser Ausgestaltung ist die Grundsicherung für Arbeitsuchende - anders als die in Form von Beratung und Vermittlung erbrachte Arbeitsvermittlung (zu deren Einstufung als wirtschaftliche Tätigkeit s. EuGH 23. April 1991 - C-41/90 - [Höfner und Elser] Rn. 20 ff., Slg. 1991, I-1979; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 1069/12 - Rn. 37 ff.) - keine wirtschaftliche Tätigkeit. Es handelt sich vielmehr um eine originäre, unmittelbar aus dem Grundgesetz erwachsende Aufgabe des Staats, die nicht im Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsteilnehmern, die einen Erwerbszweck verfolgen, erbracht wird und auch nicht erbracht werden kann. Zur Wahrnehmung und Durchsetzung dieser staatlichen Aufgabe stehen den Trägern der Grundsicherung iSd. § 6 Abs. 1 SGB II, zu denen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 iVm. § 6a Abs. 2 und § 6b Abs. 1 Satz 1 SGB II auch die zugelassenen weiteren kommunalen Träger und die von diesen betriebenen Jobcenter gehören, die in §§ 31 ff. SGB II geregelten Sanktionen zur Verfügung. Diese Befugnisse weichen vom allgemeinen Recht ab und haben eine solche Intensität, dass sie als „hinreichend qualifiziert“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eingestuft werden können (vgl. zu diesem Kriterium Schlussanträge vom 11. Februar 2010 in der Sache - C-160/08 - Rn. 57 f., Slg. 2010, I-3713).

31

(4) In der Gesamtschau erfolgt die Tätigkeit der Jobcenter bei der ihnen obliegenden Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach Wesen, Gegenstand und den dabei geltenden Regeln in Ausübung hoheitlicher Befugnisse und weist keinen wirtschaftlichen Charakter auf (vgl. EuGH 19. Januar 1994 - C-364/92 - [SAT Fluggesellschaft] Rn. 30, Slg. 1994, I-43).

32

V. Der TVöD-V regelt den Übergang des Arbeitsverhältnisses im Wege des (gesetzlichen) Übergangs nicht und enthält darum auch keine ausdrückliche Bestimmung zur Stufenzuordnung von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis gemäß § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II auf einen zugelassenen kommunalen Träger übergeht. Insoweit liegt eine unbewusste Regelungslücke vor.

33

1. Die Klägerin ist nicht (fiktiv) nach Maßgabe des § 6 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Überleitungsrechts (TVÜ-VKA) in den TVöD-V übergeleitet worden. Der Anwendungsbereich des Überleitungsrechts ist für gesetzlich angeordnete Übergänge grundsätzlich nicht eröffnet (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 512/12 - Rn. 32 ff. für einen Übergang nach § 613a BGB). § 6 TVÜ-VKA sieht keine Ausnahme von diesem Grundsatz für den Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II vor.

34

2. Ein gesetzlicher Übergang des Arbeitsverhältnisses auf einen dem TVöD-V unterfallenden Arbeitgeber führt nicht zu einer Einstellung iSd. § 16 Abs. 2 TVöD-V(noch offengelassen von BAG 12. September 2013 - 6 AZR 512/12 - Rn. 34 ff.).

35

a) Der Begriff „Einstellung“ bringt zum Ausdruck, dass ein Arbeitnehmer angestellt bzw. in ein Arbeitsverhältnis genommen wird. Maßgeblich ist, welche Bedeutung die Tarifvertragsparteien diesem Begriff im jeweiligen Regelungszusammenhang geben wollen (BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 524/11 - Rn. 9, BAGE 144, 263). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt eine Einstellung, die eine Stufenzuordnung iSd. § 16 Abs. 2 TVöD-AT (VKA) oder TV-L oder § 16 Abs. 2 bzw. Abs. 3 TVöD-AT (Bund) erforderlich macht, bei jeder, auch wiederholten Begründung eines Arbeitsverhältnisses vor (BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 524/11 - Rn. 11, aaO; 27. Januar 2011 - 6 AZR 382/09 - Rn. 17 ff.). Eine solche Einstellung setzt also voraus, dass durch Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags rechtlich ein neues Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber begründet wird (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 382/09 - Rn. 19).

36

b) An dieser Voraussetzung fehlt es im Falle eines gesetzlichen Übergangs des Arbeitsverhältnisses. Dieser führt lediglich zu einem gesetzlich angeordneten Schuldnerwechsel (Schaub/Koch ArbR-HdB 15. Aufl. § 118 Rn. 1). Das zwischen dem Arbeitnehmer und dem früheren Arbeitgeber bestehende Arbeitsverhältnis bleibt im Ausgangspunkt unverändert (vgl. allgemein zum Arbeitgeberwechsel bei einem gesetzlichen Übergang: ErfK/Preis 15. Aufl. § 613a BGB Rn. 66; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 613a Rn. 77; zum Arbeitgeberwechsel nach § 6c SGB II BAG 26. September 2013 - 8 AZR 775/12 (A) - Rn. 22).

37

3. Im Sonderfall des gesetzlichen Übergangs nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II ist die Regelungslücke in § 16 TVöD-V unbewusst(offengelassen für den Betriebsübergang nach § 613a BGB hinsichtlich der mit § 16 TVöD-V inhaltsgleichen Bestimmung in Nr. 3 Abs. 2 der Anlage D.12 zum TVöD-V von BAG 12. September 2013 - 6 AZR 512/12 - Rn. 60). § 6c SGB II hat erst durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 (BGBl. I S. 1112) seine aktuelle Bedeutung erhalten. Bis dahin eröffnete der durch das Gesetz zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Kommunales Optionsgesetz) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 2014) eingefügte § 6c SGB II als sogenannte „Experimentierklausel“ lediglich die Möglichkeit, die Wahrnehmung der Aufgaben durch zugelassene kommunale Träger im Vergleich zur Aufgabenwahrnehmung durch die Bundesagentur zu untersuchen. Die Tarifvertragsparteien konnten bei Abschluss des TVöD im September 2005 und der im Februar 2006 erfolgten Erstellung des TVöD-V diese gesetzliche Entwicklung und damit den Übergang der Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten der Jobcenter auf die kommunalen Träger nicht voraussehen und damit für diesen Fall keine Regelung treffen. Der regelungsbedürftige Fall ist erst nach Vereinbarung der Tarifbestimmung entstanden.

38

VI. Die unbewusste Regelungslücke in § 16 TVöD-V ist dahin zu schließen, dass die Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis aufgrund der Regelung des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II von der BA auf einen zugelassenen kommunalen Träger übergeht, jedenfalls dann bei der Stufenzuordnung so zu stellen sind, als hätte das Arbeitsverhältnis von seinem Beginn an mit dem kommunalen Träger bestanden, wenn sie weiterhin Tätigkeiten im Bereich der Grundsicherung verrichten. § 16 Abs. 3 und § 17 Abs. 3 TVöD-V sind darum jedenfalls für diesen Personenkreis analog anzuwenden(zur Analogie als Mittel der Lückenschließung vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 6 AZR 423/09 - Rn. 16). Die bei der BA erworbene Berufserfahrung ist dann bei der Stufenzuordnung nach der Überleitung uneingeschränkt zu berücksichtigen. Das gilt auch für angebrochene Stufenlaufzeiten (im Ergebnis ebenso LAG Hamm 2. Juli 2013 - 12 Sa 451/13 - Rn. 44 ff.) und unabhängig davon, ob der TV-BA einzelvertraglich vereinbart war oder normativ galt. Nur ein solches Verständnis entspricht § 6c SGB II als höherrangigem Recht und deckt sich mit der Rechtsauffassung des BMAS, wie sie in A V Ziff. 7 des Frage-Antwort-Katalogs des BMAS zum gesetzlichen Personalübergang nach § 6c SGB II (Stand 25. November 2011) wiedergegeben ist, wonach bei der Stufenzuordnung nach dem TVöD-V die Erfahrungszeiten bei der BA zu berücksichtigen sind.

39

1. Zwar verbleibt den Tarifpartnern zur Schließung der bei § 16 TVöD-V für den Fall des gesetzlichen Übergangs des Arbeitsverhältnisses nach § 613a BGB bestehenden Tariflücke grundsätzlich ein Entscheidungsspielraum, der es den Arbeitsgerichten verbietet, die bestehende Lücke zu schließen(vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 512/12 - Rn. 58 ff.). Es ist den Tarifvertragsparteien, insbesondere auch bei einem gesetzlichen Übergang des Arbeitsverhältnisses, grundsätzlich nicht verwehrt, der (einschlägigen) Berufserfahrung, die die Beschäftigten unmittelbar bei ihrem Arbeitgeber erworben haben, größere Bedeutung beizumessen als der Erfahrung, die sie bei anderen Arbeitgebern, insbesondere solchen außerhalb des öffentlichen Dienstes, erworben haben (vgl. für § 613a BGB BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 61, BAGE 124, 240; vgl. zur Differenzierungsmöglichkeit der Tarifvertragsparteien hinsichtlich der innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes erworbenen Berufserfahrung BAG 3. Juli 2014 - 6 AZR 1088/12 - Rn. 22; zu Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit einer solchen Differenzierung mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 45 Abs. 2 AEUV und dessen besonderer Ausprägung in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union [ABl. EU L 141 vom 27. Mai 2011 S. 1] allerdings ArbG Berlin 18. März 2015 - 60 Ca 4638/14 - unter Bezug auf EuGH 5. Dezember 2013 - C-514/12 - [Zentralbetriebsrat der gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken Betriebs GmbH]).

40

2. Im Sonderfall des gesetzlichen Übergangs der Arbeitsverhältnisse der im Jobcenter beschäftigten Arbeitnehmer nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II von der BA auf den zugelassenen kommunalen Träger trägt jedoch allein die uneingeschränkte Anrechnung der bei der BA erworbenen Berufserfahrung der gesetzlichen Regelung hinreichend Rechnung. Das gilt jedenfalls dann, wenn der übernommene Beschäftigte weiterhin Tätigkeiten der Grundsicherung verrichtet. Ein Regelungsspielraum verbleibt den Tarifvertragsparteien insoweit nicht, so dass der Senat die Regelungslücke des § 16 TVöD-V selbst schließen kann.

41

a) Die zugelassenen kommunalen Träger sind in den von ihnen geführten Jobcentern gemäß § 6b Abs. 1 SGB II anstelle der BA Träger der Grundsicherung und haben insoweit die Rechte und Pflichten der BA. Die hoheitliche Aufgabe der Grundsicherung wird von ihnen (weiter-)geführt.

42

b) § 6c Abs. 1 SGB II trägt dem Prinzip „Personal folgt der Aufgabe“ Rechnung. Die Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers sicherstellen, dass die Funktionsfähigkeit der Grundsicherung auch in den nunmehr von den zugelassenen kommunalen Trägern allein betriebenen Jobcentern gewährleistet bleibt. Er hat erkannt, dass die kommunalen Träger dafür auf personelle Kontinuität sowie die Erfahrung und Fachkompetenz der Beschäftigten der BA angewiesen sind. Vor diesem Hintergrund soll die Stichtagsregelung, wonach die Arbeitnehmer der BA mindestens 24 Monate vor dem Zeitpunkt der Zulassung Aufgaben der Grundsicherung wahrgenommen haben müssen, gewährleisten, dass die übertretenden Beschäftigten eine hinreichende Berufserfahrung aufweisen (BT-Drs. 17/1555 S. 19 f.; vgl. auch BAG 26. September 2013 - 8 AZR 775/12 (A) - Rn. 27). Es soll nur objektiv qualifiziertes Personal übergehen, das gründlich eingearbeitet ist (Sauer in Sauer SGB II § 6c Rn. 6). Zugleich macht § 6c SGB II deutlich, dass der tarifvertragliche Status der übergegangenen Beschäftigten abgesichert werden soll(Rixen/Weißenberger in Eicher/Spellbrink SGB II 3. Aufl. § 6c Rn. 1; Luthe in Hauck/Noftz SGB II Stand Januar 2013 K § 6c Rn. 4). Durch den Übergang sollen den Beschäftigten grundsätzlich keine Nachteile entstehen (Sauer aaO Rn. 3).

43

c) Zu dem durch § 6c SGB II nach dem Willen des Gesetzgebers geschützten Besitzstand gehört damit auch und gerade die bei der BA erworbene Berufserfahrung, die es den zugelassenen kommunalen Trägern überhaupt erst ermöglicht, die von ihnen übernommene hoheitliche Aufgabe zu erfüllen, und damit auch das an diese Erfahrung im abgelösten Entgeltsystem anknüpfende höhere Entgelt. Zwar begründet Berufserfahrung als solche kein Recht, das der übernommene Beschäftigte gegenüber seinem neuen Arbeitgeber geltend machen könnte. Ein Besitzstandsschutz kommt insoweit nur in Betracht, wenn die Erfahrung bereits gegenüber dem früheren Arbeitgeber Rechte begründete und diese Erfahrung dem neuen Arbeitgeber weiterhin zugutekommt (vgl. für § 613a BGB: BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 62, BAGE 124, 240; 1. Juni 1995 - 6 AZR 792/94 - zu II 3 der Gründe). Das war gemäß §§ 18, 19 TV-BA der Fall. § 6c Abs. 3 Satz 2 SGB II soll die Beschäftigten auch vor dem Verlust der finanziellen Honorierung erworbener Berufserfahrung schützen. Dem widerspräche es, wenn die vorhandene Berufserfahrung der auf die zugelassenen kommunalen Träger übergegangenen Beschäftigten, die dem Träger unmittelbar zugutekam, bei der Bemessung ihres Entgelts nicht uneingeschränkt berücksichtigt würde, obwohl die Höhe dieses Entgelts sowohl im alten als auch im neuen Entgeltsystem wesentlich von der Berufserfahrung abhing bzw. abhängt und diese Erfahrung dem neuen Arbeitgeber weiterhin zugutekommt (vgl. für die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen EuGH 11. November 2004 - C-425/02 - [Delahaye] Rn. 34, Slg. 2004, I-10823).

44

d) Die nach § 6c Abs. 5 SGB II zu gewährende Ausgleichszulage allein schützt diesen Besitzstand nicht hinreichend.

45

aa) Die Ausgleichszulage ist zwar bei Entgelteinbußen der übernommenen Beschäftigten auch zu gewähren, wenn diesen eine tariflich gleichwertige Tätigkeit übertragen wird (Rixen/Weißenberger in Eicher/Spellbrink SGB II 3. Aufl. § 6c Rn. 12; Münder in Münder SGB II 5. Aufl. § 6c Rn. 8; aA Meyerhoff in Schlegel/Voelzke jurisPK-SGB II 4. Aufl. § 6c Rn. 33; Sauer in Sauer SGB II § 6c Rn. 45 f.; ablehnend wohl auch - jedoch nicht tragend - BAG 10. Juli 2013 - 10 AZR 777/12 - Rn. 19). Das folgt aus dem eindeutigen Wortlaut des § 6c Abs. 5 Satz 3 SGB II, der ausdrücklich auch auf § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB II verweist. Satz 1 erfasst wiederum den Regelfall, in dem dem Arbeitnehmer eine tariflich gleichwertige Tätigkeit übertragen wird.

46

bb) Ungeachtet dessen wird die Zahlung der Zulage nach § 6c Abs. 5 SGB II weder isoliert betrachtet noch in Kombination mit der von der VKA empfohlenen(vgl. Ziff. 4.2 der Anlage zum Rundschreiben R 248/2011 vom 22. September 2011) und von dem Beklagten letztlich vorgenommenen analogen Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-V dem gesetzlichen Regelungsanliegen gerecht. Die Ausgleichszulage sichert das vor dem gesetzlichen Übergang gezahlte Arbeitsentgelt nur statisch. Spätere Erhöhungen des Grundgehalts beim aufnehmenden kommunalen Träger sind anzurechnen (BAG 10. Juli 2013 - 10 AZR 777/12 - Rn. 19). Die Ausgleichszulage kann den Verlust, der durch eine Stufenzuordnung eintritt, die die erworbene Berufserfahrung nicht vollständig abbildet, darum nicht dauerhaft ausgleichen. Demgegenüber kommt diese Erfahrung dem kommunalen Träger weiterhin uneingeschränkt zugute. Die Folgen der Aufzehrung der Zulage macht folgendes Beispiel deutlich: Wird auf die Stufenzuordnung eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitsverhältnis auf einen kommunalen Träger übergeht und der acht Jahre einschlägiger Berufserfahrung aufweist, § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-V analog angewendet, so wird dieser Arbeitnehmer der Stufe 3 zugeordnet. Damit werden im Ergebnis lediglich drei der acht Jahre Berufserfahrung berücksichtigt. Zudem beginnt die Stufenlaufzeit am Tag des gesetzlichen Übergangs neu zu laufen. Der Arbeitnehmer steigt darum nach drei Jahren in die Stufe 4 seiner Entgeltgruppe auf, die eine Berufserfahrung von lediglich sechs Jahren abbildet, während dieser Arbeitnehmer mittlerweile eine (einschlägige) Berufserfahrung von elf Jahren aufweist. Gleichwohl wird seine Ausgleichszulage, sofern sie nicht bereits durch tarifliche Entgelterhöhungen aufgezehrt ist, durch den Stufenaufstieg (weiter) abgeschmolzen. Die Zulage trägt damit dem gesetzlichen Regelungsziel, den Besitzstand auch hinsichtlich der Berufserfahrung zu sichern, nicht hinreichend Rechnung.

47

e) Das Entgeltsystem des TVöD-V weist in §§ 16 f. TVöD-V Einstufungskriterien auf, die mit der Entgeltstruktur des TV-BA hinreichend vergleichbar sind und es aufnehmenden kommunalen Trägern ermöglichen, die in einer Tätigkeit in der Grundsicherung bei der BA erworbene Berufserfahrung auch im Arbeitsverhältnis mit dem zugelassenen kommunalen Träger uneingeschränkt abzubilden. In beiden Tarifsystemen wird Berufserfahrung finanziell honoriert. Darum sind die von einem zugelassenen kommunalen Träger nach § 6c Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 SGB II übernommenen Arbeitnehmer im TVöD-V der Stufe zuzuordnen, die ihrer Berufserfahrung entspricht. Dabei sind die Stufen und -laufzeiten zugrunde zu legen, die sich bei analoger Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 4 sowie § 17 Abs. 3 TVöD-V ergeben. Eine „Deckelung“ auf die Stufe 3, wie sie § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-V bei der Einstellung vorsieht(vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 964/11 - Rn. 18), erfolgt nicht. Wie ausgeführt, liegt keine Einstellung vor. Vielmehr wird die erworbene Berufserfahrung in dem nach wie vor, wenn auch mit einem anderen Arbeitgeber, bestehenden Arbeitsverhältnis uneingeschränkt honoriert und fortgeschrieben. Im Ergebnis sind die übergegangenen Arbeitnehmer bei der Stufenzuordnung jedenfalls dann so zu stellen, als habe ihr Arbeitsverhältnis von Beginn an mit dem aufnehmenden kommunalen Träger bestanden und als hätten sie seit Beginn des Arbeitsverhältnisses Tätigkeiten dieser Entgeltgruppe ununterbrochen verrichtet, wenn sie nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses weiterhin Tätigkeiten der Grundsicherung verrichten. Das entspricht der Regelung, die die Tarifvertragsparteien des TV-BA in der Protokollerklärung Nr. 3 zu § 18 Abs. 3 TV-BA für den umgekehrten Fall der Wiederbegründung des Arbeitsverhältnisses mit der BA gemäß § 6c Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB II getroffen haben. Danach sind die Beschäftigten, die spätestens innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt der Neuzulassung wieder von der BA eingestellt werden müssen, weil die Kommune nur 90 % der übergeleiteten Beschäftigten endgültig übernimmt, bei der Entwicklungsstufenzuordnung und -laufzeit so zu stellen, als hätte das Arbeitsverhältnis mit der BA ununterbrochen bestanden.

48

VII. Nach vorstehenden Maßstäben war die Klägerin im Zeitpunkt des Übergangs ihres Arbeitsverhältnisses auf den Beklagten am 1. Januar 2012 in analoger Anwendung des § 16 Abs. 3 Satz 1 iVm. § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V der Stufe 3 ihrer Entgeltgruppe zuzuordnen. Am 1. Juli 2012 stieg sie in die Stufe 4 dieser Entgeltgruppe auf. Das haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt.

49

1. Die Klägerin war bereits seit Abschluss ihrer Ausbildung stets der Tätigkeitsebene V zugeordnet und hat eine inhaltsgleiche Tätigkeit ausgeübt. Maßgeblich für die Stufenzuordnung ist darum die Zeit seit Juli 2005. Das hat das Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, ohne dass die Revision dagegen Rügen erhebt.

50

2. Die zwölfmonatige Elternzeit der Klägerin führte gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V - ebenso wie gemäß § 19 Abs. 6 Satz 2 TV-BA - zur Hemmung der Stufenlaufzeit. Rechtliche Bedenken gegen diese Hemmung bestehen nicht (BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - BAGE 137, 80).

51

3. Am 1. Januar 2012 wies die Klägerin damit eine maßgebliche Berufserfahrung von 66 Monaten auf (78 Monate vom Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2011 abzüglich zwölf Monate Elternzeit). Darum war sie bei Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Beklagten zunächst der Stufe 3 ihrer Entgeltgruppe zuzuordnen, wobei eine angebrochene Stufenlaufzeit von 30 Monaten zu berücksichtigen war. Nach weiteren sechs Monaten und damit nach dem Erwerb von insgesamt weiteren drei Jahren Berufserfahrung stieg die Klägerin am 1. Juli 2012 gemäß § 16 Abs. 3, § 17 Abs. 1 TVöD-V in die Stufe 4 ihrer Entgeltgruppe auf. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass nach dem 1. Januar 2012 weitere Tatbestände, die zur Hemmung, Unterbrechung oder Verlängerung der Stufenlaufzeit geführt hätten, eingetreten sind. Auch insoweit erhebt die Revision keine Rügen.

52

VIII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Krumbiegel    

        

    Biebl    

        

        

        

    Klapproth    

        

    Uwe Zabel    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 25. Juli 2013 - 4 Sa 166/13 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf ein höheres Bruttoentgelt gegen die Beklagte zu 1. und eine weitere Abfindungszahlung gegen die Beklagte zu 2.

2

Die Klägerin war seit August 1988 bei der Beklagten zu 2. und deren Rechtsvorgängerin im Betrieb S-Straße in M gegen ein Bruttomonatsentgelt von zuletzt 6.962,00 Euro beschäftigt.

3

Zu Beginn des Jahres 2012 gab die Beklagte zu 2. die geplante Schließung dieses Betriebs bekannt. In den nachfolgenden Verhandlungen zwischen ihr sowie dem bei ihr bestehenden Betriebsrat und der zuständigen Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) hatte die Beklagte zu 2. als „Kompensation“ für einen Verzicht auf Betriebsschließung eine Aufhebung des manteltariflichen Sonderkündigungsschutzes sowie die Aufstellung einer Namensliste iSd. § 1 Abs. 5 KSchG verlangt und den Tarifvertragsabschluss von der Zustimmung von mindestens 90 vH der betroffenen Arbeitnehmer zum Verhandlungsergebnis abhängig gemacht. Die IG Metall hatte ihrerseits zusätzliche Leistungen für ihre Mitglieder gefordert.

4

Eine vollständige Betriebsschließung konnte, nachdem die Verhandlungsergebnisse auf einer Mitgliederversammlung der IG Metall am 22. März 2012 mitgeteilt worden waren, abgewendet werden. Von den bisher bei der Beklagten zu 2. beschäftigten Arbeitnehmern sollten 2.000 in vier Folgegesellschaften weiterbeschäftigt und weiteren 1.600 ein Wechsel in eine Transfergesellschaft angeboten werden.

5

Am 4. April 2012 schlossen die Beklagte zu 2. und die IG Metall einen Transfer- und Sozialtarifvertrag (nachfolgend TS-TV), der ua. regelte:

        

„PRÄAMBEL

        

(1)     

Infolge der Restrukturierungsmaßnahmen, die im Interessenausgleich vom 04.04.2012 beschrieben sind, entsteht die Notwendigkeit, die wirtschaftlichen und sozialen Nachteile, die für die Beschäftigten entstehen, abzumildern.

        

(2)     

Dieser Tarifvertrag soll die Bedingungen dafür schaffen, dass durch die Schaffung einer Auffangstruktur die von Entlassung bedrohten Beschäftigten der N GmbH & Co. KG bei ihrer notwendigen beruflichen Neuorientierung unterstützt werden.

                 

Zu diesem Zweck soll die Transfergesellschaft der S AG mit der Einrichtung einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit (beE) gem. § 216b SGB III beauftragt werden. Den von der Arbeitslosigkeit bedrohten Beschäftigten soll nach Maßgabe dieses Tarifvertrages der Abschluss von Transferarbeitsverhältnissen angeboten werden.

        

§ 1

        

GELTUNGSBEREICH

        

Dieser Tarifvertrag gilt

                 

(1)     

räumlich für den Betrieb der Firma N GmbH & Co. KG in M.

                 

(2)     

Persönlich: Für alle Beschäftigten des Betriebes S-Str. in M, sofern sie die individuellen Voraussetzungen für den Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld gemäß den §§ 169 ff SGB III erfüllen.

                 

…       

        
                                   
                                   
        

§ 2

        

EINRICHTUNG EINER BEE

        

Die N GmbH & Co. KG in M beauftragt die Abteilung Global Shared Services Human Resources Services der S AG mit der Einrichtung einer beE für die vom persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfassten Beschäftigten.

        

...     

        

§ 4

        

KOOPERATIONSVEREINBARUNG MIT DER TG

        

Zentrale Aufgabe der Transfergesellschaften ist es, die von Arbeitslosigkeit bedrohten Beschäftigten in neue, nach Inhalt, Qualifikationsanforderung und Einkommen möglichst gleichwertige Arbeitsverhältnisse zu vermitteln und dabei im Interesse der zu fordernden Nachhaltigkeit nach Möglichkeit prekäre Arbeitsverhältnisse zu vermeiden. …

        

§ 5

        

MINDESTBEDINGUNGEN DER TRANSFERARBEITSVERHÄLTNISSE

        

Der Übertritt in die Transfergesellschaft erfolgt auf Basis eines dreiseitigen Vertrages (= drei Vertragsparteien), der die Beendigung des mit der N GmbH & Co. KG bestehenden Arbeitsvertrages und die Begründung eines befristeten Transferarbeitsverhältnisses bei der N gesellschaft mbH beinhaltet.

        

Wesentliche Bestandteile dieses dreiseitigen Vertrages sind:

        

(1)     

Mindestlaufzeit des Transferarbeitsverhältnisses von vierundzwanzig Monaten

        

(2)     

ein Jahresurlaubsanspruch von 20 Tagen auf Basis einer 5-Tagearbeitswoche

        

(3)     

Die Beschäftigten erhalten innerhalb der BeE - unter Anrechnung der Zahlungen der Agentur für Arbeit - ein BeE-Monatsentgelt von monatlich 70 Prozent ihres Bruttomonatseinkommens. Das Bruttomonatseinkommen ist das 13,5-fache des bisherigen Bruttomonatsgehaltes dividiert durch zwölf.

        

…       

        
        

In dem Dreiseitigen Vertrag wird der Anspruch auf Abfindung und deren Fälligkeit festgehalten (§ 7).

        

...     

        

§ 7

        

ABFINDUNG

        

(1)     

Alle vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfassten Beschäftigten haben mit Unterzeichnung des dreiseitigen Vertrages (Zustimmung zum Eintritt  in die beE) einen Anspruch auf eine aus dem individuellen Bruttomonatsentgelt errechnete Abfindung:

                 

a.    

Beschäftigte, die vor 01.04.2007 in die N GmbH & Co. KG oder deren Rechtsvorgängerin eingetreten sind, erhalten ein Jahresgehalt als Abfindung (Basis 12 Monatsgehälter).

        

…       

        
        

e.    

Beschäftigte, die zwischen dem 01.04.2010 und vor 01.04.2011 … eingetreten sind, erhalten zwei Monatsgehälter als Abfindung.

        

(2)     

Der Höchstbetrag für eine Abfindung nach Abs. 1 beträgt EUR 110.000,00, … .

        

(3)     

…       

        

(4)     

Die Abfindung ist mit dem Ausscheiden aus der BeE zur Zahlung fällig.

        

…       

        
        

(7)     

Der Anspruch auf Abfindung und deren Fälligkeit ist in den Dreiseitigen Vertrag aufzunehmen.

        

§ 8

        

TARIFSCHIEDSSTELLE

        

Bei Nichteinigung über die Auslegung der Bestimmungen dieses Tarifvertrages entscheidet eine aus jeweils 2 Beisitzern/-innen (Arbeitgeberin/Gewerkschaft IG Metall) und einem neutralen Vorsitzenden bestehende Tarifschiedsstelle. …“

6

Ebenfalls am 4. April 2012 vereinbarten die Beklagte zu 2. und der Betriebsrat einen „Interessenausgleich“, der ua. die Gründung von vier neuen Unternehmen als Rechtsnachfolgerinnen einzelner betroffener Unternehmensbereiche, die Überleitung von Arbeitnehmern und eine Namensliste iSd. § 1 Abs. 5 KSchG zum Gegenstand hatte. Weiterhin ist unter der Überschrift „5. Sozialplan“ geregelt:

        

„Der Betriebsrat und das Unternehmen stimmen dahingehend überein, dass ein gesonderter Sozialplan nicht aufgestellt wird, weil in dem als

        

- Anlage 7

        

bezeichneten Transfer- und Sozialtarifvertrag vom 04.04.2012 Regelungen zur Milderung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen enthalten sind, die beide Betriebsparteien als Ausgleichsmaßnahmen i.S.d. § 112 BetrVG anerkennen und die sie für alle betroffenen Beschäftigten abschließend übernehmen. …“

7

Schließlich schlossen die Tarifvertragsparteien des TS-TV am gleichen Tag einen Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag (ETS-TV), der wie folgt lautet:

        

㤠1

        

GELTUNGSBEREICH

        

Dieser Tarifvertrag gilt

                 

(1)     

räumlich für den Betrieb S-Str. der Firma N GmbH & Co. KG in M.

                 

(2)     

Persönlich: Für alle Beschäftigten, die bis einschließlich 23.03.2012, 12.00 Uhr Mitglied der IG Metall geworden sind, sofern sie die individuellen Voraussetzungen für den Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld gemäß den §§ 169 ff SGB III erfüllen.

                 

(3)     

Sachlich: Für die Rechte, Regelungen und Maßnahmen im Zusammenhang mit der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit (beE).

        

§ 2

        

ERGÄNZUNG ZU DEN MINDESTBEDINGUNGEN DER TRANSFERARBEITSVERHÄLTNISSE

        

Vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfasste Beschäftigte erhalten unter Anrechnung ihrer Ansprüche aus § 5 Abs. 3 des Transfer- und Sozialtarifvertrages innerhalb der BeE - unter Anrechnung der Zahlungen der Agentur für Arbeit - ein BeE-Monatsentgelt von monatlich 80 Prozent ihres Bruttomonatseinkommens. Das Bruttomonatseinkommen ist das 13,5-fache des bisherigen Bruttomonatsgehaltes dividiert durch zwölf. Die weiteren Leistungen nach § 5 des Transfer- und Sozialtarifvertrages werden von dieser Regelung nicht berührt.

        

§ 3

        

ERGÄNZUNG ZU DER HÖHE DER ABFINDUNG

        

Vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfasste Beschäftigte erhalten als weiteren Bestandteil der Abfindung nach § 7 des Transfer- und Sozialtarifvertrages EUR 10.000,00 unabhängig vom Zeitpunkt ihres Unternehmenseintritts. Für diese Beschäftigten gilt ein Höchstbetrag von EUR 120.000,00.

        

§ 4

        

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

        

Die Regelungen des Transfer- und Sozialtarifvertrages gelten im Übrigen entsprechend. Dies gilt insbesondere für die Tarifschiedsstelle nach § 8 und die Patronatserklärung nach § 10.“

8

Mit Schreiben vom 4. April 2012 erhielt die Klägerin von den Beklagten einen „Dreiseitigen Vertrag“ (nachfolgend DV), der ua. folgenden Inhalt hat:

        

„Dreiseitiger Vertrag

        

zwischen

        

Frau … (Arbeitnehmer/in)

        

und     

        

N GmbH & Co. KG (NSN)

        

       

        

sowie 

        

N gesellschaft mbH
(NSN TG)

        

       

        

Präambel

        

1.    

Am 04.04.2012 wurden ein Transfer- und Sozialtarifvertrag und ein Interessenausgleich abgeschlossen. Die Bestimmungen dieser Vereinbarungen sind dem/der Arbeitnehmer/-in bekannt. Dem/der Arbeitnehmer/-in ist auch bekannt, dass sein/ihr Arbeitsplatz bei NSN entfällt und insoweit das Arbeitsverhältnis bei NSN mit Ablauf vom 30.04.2012 aus betriebsbedingten Gründen beendet werden muss. Aus diesem Grund wird dem/der Arbeitnehmer/-in ein befristetes Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnis mit der NSN TG angeboten, um eine betriebsbedingte Kündigung zu vermeiden.

        

2.    

Die NSN TG wird für den Arbeitnehmer Transferkurzarbeitergeld im Sinne des § 111 SGB III beantragen.

        

3.    

Die NSN TG bildet eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (beE) im Sinne des § 111 SGB III. Sie trägt die Bezeichnung beE NSN Mch.

        

4.    

Durch die Bildung der beE sollen Maßnahmen zur beruflichen Qualifizierung die Vermittlungschancen auf dem externen Arbeitsmarkt erhöhen.

        

Auf dieser Grundlage werden folgende Regelungen getroffen:

                 
                 

Abschnitt A: Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit NSN

        

1.    

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

                 

Das zwischen dem/der Arbeitnehmer/-in und NSN bestehende Arbeitsverhältnis wird aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des 30.04.2012 enden, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Der/die Arbeitnehmer/-in tritt zum 01.05.2012 in die NSN TG über.

        

2.    

Abfindungszahlung

                 

2.1.   

Die Höhe der Abfindung ist gem. § 7 Abs. 1 des

                          

Transfer- und Sozialtarifvertrags abhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Der Höchstbetrag für die Abfindung beträgt gem. § 7 Abs. 2 Transfer- und Sozialtarifvertrag EUR 110.000,00. Im Übrigen findet § 7 Abs. 3 Anwendung.

                          

Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrags fallen, erhalten gem. § 3 des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrags als weiteren Bestandteil der Abfindung zusätzlich EUR 10.000,00, der Höchstbetrag für die Abfindung beträgt EUR 120.000,00.

                          

Die Abfindungszahlung ist nach Abschluss des Dreiseitigen Vertrags und vor Fälligkeit vererbbar, jedoch nicht abtretbar. Die Abfindung ist mit dem Ausscheiden aus der NSN TG fällig.

                          

…       

        

...     

        
                          
        

Abschnitt B: Begründung eines Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnisses mit NSN TG

        

1.    

Vertragsdauer

                 

Der/die Arbeitnehmer/-in und NSN TG vereinbaren den Abschluss eines befristeten Vermittlungs- und Qualifizierungsvertrages ab dem 01.05.2012. Das Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnis endet mit Austritt aus der NSN TG, spätestens am 30.04.2014, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

                 

Es wird Kurzarbeit Null angeordnet und der Beschäftigungsanspruch entfällt.

        

...     

        
        

4.    

Monatliche Vergütung

                 

Der/die Arbeitnehmer/-in erhält gemäß § 5 Abs. 3 des Transfer- und Sozialtarifvertrags auf der Basis der von NSN an die NSN TG zur Verfügung gestellten Gehaltsdaten, ab Eintritt in die NSN TG - unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit - bis zu ihrem/seinem Ausscheiden monatlich 70 % ihres/seines BruttoMonatsEinkommens. Das BruttoMonatsEinkommen ist das 13,5-fache des bisherigen BruttoMonatsEinkommens dividiert durch zwölf.

                 

Der/die Arbeitnehmer/-in, die unter den Geltungsbereich des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag fallen, erhalten gem. § 2 des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrags ab Eintritt in die NSN TG - unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit - monatlich 80 % ihres/seines BruttoMonatsEinkommens.

        

...     

        
        

Abschnitt C: Allgemeine Regelungen

        

…       

        
        

5.    

Bedingung

                 

Dieser Dreiseitige Vertrag steht unter dem Vorbehalt, dass die schriftliche Annahme des Vertragsangebots entsprechend § 3 Abs. 4 des Interessenausgleichs vom 04.04.2012 durch den/die Arbeitnehmer/in spätestens am 13.04.2012 bis 12.00 Uhr vorliegt.“

9

Nach fristgerechter Annahme des Antrags durch die Klägerin ist diese seit dem 1. Mai 2012 bei der Beklagten zu 1. im Rahmen des „Vermittlungs- und Qualifizierungsvertrags“ beschäftigt.

10

In der Zeit vom 1. Juli 2012 bis zum 17. Januar 2013 war die Klägerin Mitglied der IG Metall. Das nach § 5 Abs. 3 TS-TV zu zahlende Entgelt berechnete die Beklagte zu 1., indem sie zusätzlich zum erhaltenen Kurzarbeitergeld ein Bruttoentgelt leistete, das insgesamt zu einer Nettolohnsumme führte, die die Klägerin erhalten hätte, wenn keine Kurzarbeit angeordnet worden wäre und sie einen Anspruch auf 70 vH ihres Bruttomonatsentgelts iSv. B. 4. Satz 2 DV gehabt hätte.

11

Mit ihrer Klage hat die Klägerin einen weiteren Abfindungsbetrag in Höhe von 10.000,00 Euro brutto sowie eine monatliche Bruttovergütung auf der Basis von 80 vH des maßgebenden Bruttomonatsentgelts nach den Regelungen des ETS-TV begehrt.

12

Am 14. Dezember 2012 entschied die von der IG Metall angerufene Tarifschiedsstelle durch Schiedsspruch nach § 8 TS-TV, dass deren Anträge, sowohl der TS-TV als auch der ETS-TV enthielten „eine Regelung, die Beschäftigten auch für die Zeit des Bezuges von KuG eine Bruttomonatsvergütung“ iHv. 70 vH (TS-TV) und von 80 vH (ETS-TV) „des 13,5-fachen des bisherigen Bruttomonatsgehaltes dividiert durch 12“ zusage, zurückgewiesen werden.

13

Die Klägerin ist der Auffassung, sie müsse als zwischenzeitliches Gewerkschaftsmitglied wie Arbeitnehmer der Beklagten zu 2. behandelt werden, die am 23. März 2012 Mitglied der IG Metall gewesen seien. Die Bevorzugung von „Alt-Mitgliedern“ der IG Metall verletze ihre negative Koalitionsfreiheit. Durch die Regelungen sei ein inadäquater Druck zum Beitritt in die Gewerkschaft entstanden. Die Differenzierungsklausel schränke nicht nur ihre Vertragsfreiheit ein, sondern verletze die Rechte und Interessen der Außenseiter. Die Stichtagsregelung im ETS-TV sei unzulässig. Für sie gebe es keine sachliche Rechtfertigung. Der ETS-TV verkürze zudem das für einen Sozialplan bestehende Verteilungsvolumen in unzulässiger Weise. Der im Interessenausgleich vom 4. April 2012 enthaltene Sozialplan verstoße gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Formulierung „für alle … abschließend übernehmen“ zeige, dass es nicht zu einer Differenzierung kommen sollte. Aufgrund der unwirksamen Stichtagsregelung habe sie auch einen Anspruch auf eine „Anpassung nach oben“. Jedenfalls könne sie von der Beklagten zu 1. ein höheres Bruttomonatsentgelt beanspruchen, eine Nettolohnvereinbarung sei im dreiseitigen Vertrag nicht vorgesehen.

14

Die Klägerin hat zuletzt beantragt:

        

1.    

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat Mai 2012 in Höhe von 89.809,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 49.624,08 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Juni 2012 zu bezahlen.

        

2.    

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat Juni 2012 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.098,97 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Juli 2012 zu bezahlen.

        

3.    

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat Juli 2012 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.098,97 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. August 2012 zu bezahlen.

        

4.    

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat August 2012 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.098,97 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. September 2012 zu bezahlen.

        

5.    

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat September 2012 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 1.630,44 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Oktober 2012 zu bezahlen.

        

6.    

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat Oktober 2012 in Höhe von 7.434,38 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.617,50 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. November 2012 zu bezahlen.

        

7.    

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat November 2012 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.098,97 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Dezember 2012 zu bezahlen.

        

8.    

Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an sie Abfindung in Höhe von 10.000,00 Euro brutto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit Klageerhebung zu bezahlen.

        

9.    

Festzustellen, dass die Beklagte zu 1. für den Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis längstens zum 30. April 2014 verpflichtet ist, die monatliche Vergütung nach Abschnitt B. 4. des unter dem Datum des 4. April 2012 geschlossenen Vertrages auf der Basis eines monatlichen Bruttoarbeitsentgelts iHv. 6.265,80 Euro hilfsweise 5.474,70 Euro brutto zu berechnen und Leistungen der Agentur für Arbeit erst aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag anzurechnen sind.

        

10.     

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat Dezember 2012 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.098,97 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Januar 2013 zu bezahlen.

        

11.     

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat Januar 2013 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.116,13 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Februar 2013 zu bezahlen.

        

12.     

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat Februar 2013 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.116,13 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. März 2013 zu bezahlen.

        

13.     

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat März 2013 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.122,46 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. April 2013 zu bezahlen.

        

14.     

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat April 2013 in Höhe von 10.238,97 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 5.003,81 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Mai 2013 zu bezahlen.

        

15.     

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat Juni 2013 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.118,24 Euro zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Juli 2013 zu bezahlen.

15

Die Beklagten haben zur Begründung ihrer Klageabweisungsanträge ausgeführt, aus dem dreiseitigen Vertrag der Parteien ergebe sich kein Anspruch der Klägerin auf die höheren Leistungen. Sie unterfalle nicht dem persönlichen Geltungsbereich des ETS-TV. Die durch die beiden Tarifverträge vorgenommene Differenzierung sei genauso zulässig wie die Wahl des Stichtags. Die Berechnung des geleisteten Zuschusses sei zutreffend. Geschuldet sei eine Vergütung gemäß § 5 Abs. 3 TS-TV, der von einem „BeE-Monatsentgelt“ handele.

16

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie hat weder gegen die Beklagte zu 2. einen Anspruch auf eine weitere Abfindungszahlung in Höhe von 10.000,00 Euro brutto nach A. 2.1. Abs. 2 DV iVm. § 3 ETS-TV noch gegen die Beklagte zu 1. einen Anspruch auf BeE-Einkommen von monatlich 80 vH ihres Bruttomonatseinkommens nach B. 4. Abs. 2 iVm. § 2 Satz 1 ETS-TV oder nach B. 4. Abs. 1 DV iVm. § 5 Abs. 2 Nr. 3 TS-TV einen Anspruch auf eine andere Berechnung von 70 vH ihres vormaligen, nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 TS-TV berechneten Bruttomonatseinkommens.

18

A. Die Revision ist nur teilweise zulässig. Soweit sich die Klägerin für ihr Begehren in der Revisionsinstanz gegenüber der Beklagten zu 2. erstmals auf Ansprüche aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit stützt, handelt es sich um einen in der Revisionsinstanz neuen Streitgegenstand (vgl. BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 457/09 - Rn. 15 mwN) und in der Folge um eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageerweiterung (BAG 17. Juni 2014 - 3 AZR 527/11 - Rn. 38; 16. Mai 2012 - 4 AZR 290/10 - Rn. 55).

19

B. Die Klagen sind unbegründet.

20

I. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist allerdings insoweit rechtsfehlerhaft und wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu korrigieren, als es einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2. auf Grund beiderseitiger Tarifgebundenheit abgelehnt hat.

21

1. Der Antragsgrundsatz nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei etwas zugesprochen wird, ohne dass sie dies beantragt hat, sondern auch, wenn ihr ein Anspruch aberkannt wird, den sie nicht zur Entscheidung gestellt hat(BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 657/08 - Rn. 28, 16. Dezember 1970 - 4 AZR 98/70 - BAGE 23, 146; BGH 29. November 1990
I ZR 45/89 - zu I 2 a der Gründe mwN).

22

2. Die Klägerin hat in den Tatsacheninstanzen ihren Anspruch gegen die Beklagte zu 2. nicht auf eine beiderseitige Tarifgebundenheit gestützt. Sie hat sich lediglich auf den dreiseitigen Vertrag und nur in diesem Zusammenhang auf Unwirksamkeit der tariflichen Stichtagsregelung berufen. Indem das Landesarbeitsgericht einen möglichen Anspruch der Klägerin aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit aberkannt hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen. Dieser Verfahrensverstoß kann nicht durch eine Klageerweiterung in der Revisionsinstanz geheilt werden. Eine solche ist unzulässig (vgl. BAG 25. April 2013 - 6 AZR 800/11 - Rn. 13; 28. August 2008 - 2 AZR 63/07 - Rn. 23, BAGE 127, 329; BGH 29. Juni 2006 - I ZR 235/03 - Rn. 24, BGHZ 168, 179).

23

3. Das Urteil ist daher - ohne dass es eines förmlichen Entscheidungsausspruchs bedurfte - zu berichtigen, um eine sonst eintretende Rechtskraft (BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 457/09 - Rn. 12; BGH 28. Mai 1998 - I ZR 275/95 - zu II 2 a der Gründe) auszuschließen.

24

II. Die Klage gegen die Beklagte zu 2. ist unbegründet. Das hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.

25

1. Die Klägerin kann auf Grundlage der Regelung in A. 2.1. DV keine weitere Abfindung verlangen. Die Voraussetzungen nach § 1 Nr. 2 ETS-TV sind nicht erfüllt. Sie wird nicht vom „Geltungsbereich des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrags“ gemäß A. 2.1. Abs. 2 DV erfasst, weil sie zum Zeitpunkt des tariflich wirksam geregelten Stichtags nicht Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft war. Die Regelung des ETS-TV verstößt weder gegen die negative Koalitionsfreiheit noch gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

26

a) Mit der Regelung über den persönlichen Geltungsbereich in § 1 Nr. 2 ETS-TV( zu den Kriterien der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags etwa BAG 23. Februar 2011 - 4 AZR 430/09 - Rn. 21   mwN), nach der lediglich die Beschäftigten, die am Stichtag, dem 23. März 2012, 12:00 Uhr, Mitglieder der Gewerkschaft IG Metall waren, eine weitere Abfindungszahlung erhalten, werden nicht nur „deklaratorisch“ die Voraussetzungen für eine normative Wirkung des Tarifvertrags nach § 4 Abs. 1 TVG wiederholt, sondern es wird vielmehr eine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung festgelegt(s. zu dieser Auslegung bereits BAG 21. August 2013 - 4 AZR 861/11 - Rn. 19; 5. September 2012 - 4 AZR 696/10 - Rn. 28 ff.). Anders als § 7 Abs. 1 TS-TV setzt ein Anspruch nach § 3 Satz 1 ETS-TV nicht nur eine Mitgliedschaft in der IG Metall iSe. Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG voraus, sondern verlangt für den ergänzenden Abfindungsanspruch nach § 3 ETS-TV eine zum vorgesehenen Stichtag bestehende Gewerkschaftsmitgliedschaft. Damit differenzieren die Tarifverträge zwischen zwei Gruppen von Gewerkschaftsmitgliedern.

27

Entgegen der Auffassung der Klägerin wird dabei nicht zwischen Mitgliedern einer Gewerkschaft einerseits und „Unorganisierten“ oder „Außenseitern“ andererseits unterschieden, sondern zwischen verschiedenen Gruppen von Mitgliedern der Gewerkschaft IG Metall (BAG 21. August 2013 - 4 AZR 861/11 - Rn. 21; 5. September 2012 - 4 AZR 696/10 - Rn. 27, 30) und damit allein zwischen tarifgebundenen Arbeitnehmern, also denjenigen, für die ein Tarifvertrag ohnehin nur Rechtsnormen nach § 1 Abs. 1 TVG setzen kann(BAG 5. September 2012 - 4 AZR 696/10 - Rn. 28; 22. September 2010 - 4 AZR 117/09 - Rn. 23; 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 25, BAGE 130, 43). Es handelt sich daher nicht um eine sog. einfache Differenzierungsklausel (zum Begriff BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 31 ff., aaO).

28

b) Diese von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Gruppenbildung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern orientiert sich an einem Stichtag, der im Rahmen der vorliegenden Tarifverträge mit sozialplanähnlichen Inhalten wirksam ist. Im Übrigen wäre ein von der Klägerin aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit geltend gemachter Anspruch im Entscheidungsfall unbegründet.

29

aa) Die Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, solchen Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 Abs. 1 GG verletzen.

30

(1) Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz idR verletzt, wenn eine Gruppe von Regelungsadressaten im Vergleich zu anderen unterschiedlich behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten ( zum Prüfungsmaßstab ausf. BVerfG 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06   ua. - Rn. 73 ff.,   BVerfGE 133, 377; 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 1 BvR 2464/07 - Rn. 78,   BVerfGE 126, 400; BAG 16. April 2014 - 4 AZR 802/11 - Rn. 21 mwN, BAGE 148, 139; 19. Juli 2011 - 3 AZR 398/09 - Rn. 25 mwN, BAGE 138, 332; 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 21 mwN, BAGE 129, 93; vgl. zu den Maßstäben weiterhin BAG 27. Oktober 2010 - 10 AZR 410/09 - Rn. 22   mwN; 21. September 2010 - 9 AZR 442/09 - Rn. 27; 25. Oktober 2007 - 6 AZR 95/07 - Rn. 24, BAGE 124, 284).

31

(2) Den Tarifvertragsparteien kommt als selbständigen Grundrechtsträgern aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser reicht, hängt von den im Einzelfall vorliegenden Differenzierungsmerkmalen und dem Zweck der Leistung ab. Dabei steht den Tarifvertragsparteien in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative zu (BAG 15. Januar 2015 - 6 AZR 646/13 - Rn. 32 mwN; 20. September 2012 - 6 AZR 211/11 - Rn. 15 mwN; 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 31 mwN, BAGE 140, 291).

32

(3) Nach der Konzeption des Grundgesetzes ist die Festlegung der Höhe des Entgelts wie auch der weiteren, den tarifgebundenen Arbeitnehmern zufließenden Leistungen grundsätzlich Sache der Tarifvertragsparteien, weil dies nach Überzeugung des Verfassungsgebers zu sachgerechteren Ergebnissen führt als eine staatlich beeinflusste Entgelt- und Leistungsfindung (vgl. auch BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 365; BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 32, BAGE 140, 291; 17. Dezember 2009- 6 AZR 665/08 - Rn. 19 mwN). Das schließt auch die Befugnis zur Vereinbarung von Regelungen ein, die den Betroffenen ungerecht und Außenstehenden nicht zwingend sachgerecht erscheinen mögen. Die Tarifvertragsparteien sind nicht dazu verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen.Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt (st. Rspr., BAG 11. Dezember 2013 - 10 AZR 736/12 - Rn. 14 mwN, BAGE 147, 33; 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 32, aaO; 30. Oktober 2008 - 6 AZR 712/07 - Rn. 15, BAGE 128, 219). Weiterhin können auch typische Sachzwänge der kollektiven Vertragsform sowie namentlich koalitionsspezifische Interessen berücksichtigt werden (BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - aaO; 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - zu B II 3 c aa der Gründe, BAGE 111, 8; 30. August 2000 - 4 AZR 563/99 - zu I 2 g der Gründe, BAGE 95, 277, jew. mwN; s. auch Deinert RdA 2014, 129, 134; Kocher NZA 2009, 119, 121; Leydecker AuR 2006, 11, 14; Seiwerth RdA 2014, 358, 362 f.).

33

bb) Die Tarifvertragsparteien sind daher innerhalb der Grenzen ihrer Regelungsmacht bei der Bestimmung der Voraussetzungen und der Festlegung der Höhe von Leistungen zur Abmilderung von wirtschaftlichen und sozialen Nachteilen anlässlich einer Betriebsänderung weitgehend frei (für eine Jahressonderzahlung BAG 5. September 2012 - 4 AZR 696/10 - Rn. 31; vgl. zur Entgelthöhe ua. BAG 16. Mai 2013 - 6 AZR 619/11 - Rn. 34 mwN; 24. Juni 2010 - 6 AZR 18/09 - Rn. 25).

34

(1) Tarifvertragliche Ansprüche differenzierend festzulegen, entspricht ihrer Regelungsmacht. Dabei sind Stichtagsregelungen als „Typisierungen in der Zeit“ mit ihren notwendigen Pauschalierungen aus Gründen der Praktikabilität grundsätzlich - ungeachtet der damit verbundenen Härten - zur Abgrenzung von begünstigten Personenkreisen gerechtfertigt, wenn sich die Wahl des Stichtags am gegebenen Sachverhalt orientiert und vertretbar erscheint (BAG 17. April 2013 - 4 AZR 770/11 - Rn. 26 mwN; für Sonderzahlungen etwa BAG 15. Januar 2014 - 10 AZR 297/13 - Rn. 16 ff.; zu Stichtagsregelungen hinsichtlich einer erforderlichen Gewerkschaftsmitgliedschaft BAG 21. August 2013 - 4 AZR 861/11 - Rn. 22). Die Tarifvertragsparteien dürfen dabei generalisieren und typisieren (BAG 14. November 2012 - 10 AZR 903/11 - Rn. 19; 25. Juni 2003 - 4 AZR 405/02 - Rn. 62, BAGE 106, 374; allgemein BAG 16. Juni 2010 - 4 AZR 928/08 - Rn. 39). Eine sich im Einzelfall aus einer knappen Verfehlung des Stichtags ergebende Härte ist dabei unvermeidbar (vgl. auch BVerfG 27. Februar 2007 - 1 BvL 10/00 - zu C II 3 a der Gründe, BVerfGE 117, 272; BAG 13. November 2014 - 6 AZR 1102/12 - Rn. 42; 8. Dezember 2011 - 6 AZR 319/09 - Rn. 43, BAGE 140, 83).

35

(2) Die Tarifparteien können auch eine Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft zu einem Stichtag als Anspruchsvoraussetzung formulieren. Dieser kann ein zulässiges Differenzierungskriterium sein, wenn er nicht willkürlich gewählt wurde, sondern es einen sachlichen Grund für ihn gibt (BAG 21. August 2013 - 4 AZR 861/11 - Rn. 22; 5. September 2012 - 4 AZR 696/10 - Rn. 31; 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 46 ff., BAGE 130, 43).

36

Bei Tarifverträgen mit sozialplanähnlichem Inhalt umfasst der den Tarifvertragsparteien zustehende Gestaltungsspielraum dabei auch die Entscheidung, welchen Zeitraum sie für die an den tatsächlich eintretenden Nachteilen orientierte Ausgestaltung der Leistungen wählen (für betriebliche Sozialpläne BAG 9. Dezember 2014 - 1 AZR 102/13 - Rn. 23). Ihnen steht es frei, je nach Art der Betriebsänderung und Art der dadurch entstehenden Nachteile unterschiedliche Leistungen zu vereinbaren und dabei etwa neben einmaligen Abfindungszahlungen auch andere Leistungen - zB laufende Überbrückungsgelder - vorzusehen (vgl. zu solchen Leistungen BAG 18. Dezember 1990 - 1 ABR 15/90 - BAGE 66, 328; bei Sozialplänen BAG 13. Februar 1975 - 3 AZR 24/74 -; Fitting BetrVG 28. Aufl. §§ 112, 112a Rn. 141).

37

cc) Unter Berücksichtigung des vorstehenden Maßstabs liegt keine Verletzung des Gleichheitssatzes vor. Den Tarifvertragsparteien des TS-TV und des ETS-TV war es nicht verwehrt, für diejenigen Arbeitnehmer, die bereits am 23. März 2012 (12.00 Uhr) Mitglied in der tarifschließenden IG Metall gewesen waren, eine im Verhältnis zum TS-TV jeweils um 10.000,00 Euro brutto höhere Abfindungszahlung vorzusehen.

38

(1) Entgegen der Auffassung der Klägerin steht die Stichtagsregelung in § 1 Nr. 2 ETS-TV nicht im Widerspruch zu § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG(BAG 5. September 2012 - 4 AZR 696/10 -; unter Aufgabe von 9. Mai 2007 - 4 AZR 275/06 - Rn. 32; s. auch bereits 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 123, BAGE 130, 43). Mit der Stichtagsregelung werden nicht - in unzulässiger Weise - die Voraussetzungen für eine unmittelbare Tarifgebundenheit relativiert (Franzen RdA 2008, 304, 306 f.). Durch § 1 Nr. 2 ETS-TV wird „lediglich“ der personelle Geltungsbereich und damit eine tatbestandliche Voraussetzung für eine einmalige tarifliche Leistung anlässlich eines Ereignisses festgelegt, der Betriebsänderung bei der Beklagten zu 2. im Betrieb in M.

39

(2) Durch die beiden Tarifverträge wollten die Tarifvertragsparteien diejenigen wirtschaftlichen und sozialen Nachteile verringern oder ggf. vermeiden, die sich für ihre Mitglieder infolge der im Interessenausgleich vom 4. April 2012 beschriebenen Restrukturierungsmaßnahmen ergeben (Präambel Abs. 1 TS-TV), und die Arbeitnehmer bei der beruflichen Neuorientierung unterstützen (Präambel Abs. 2 TS-TV). Auf Grund dieser zukunftsgerichteten Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion (zu diesem Zweck bei betrieblichen Sozialplänen s. nur BAG 9. Dezember 2014 - 1 AZR 102/13 - Rn. 23 mwN; 26. März 2013 - 1 AZR 813/11 - Rn. 33, BAGE 144, 378) stellen Abfindungszahlungen kein zusätzliches Entgelt für in der Vergangenheit erbrachte Dienste dar. Sie sollen vielmehr die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Folgen eines durch Betriebsänderung verursachten Arbeitsplatzverlusts möglichst ausgleichen oder doch zumindest mildern (für Sozialpläne BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 34/10 - Rn. 31,   BAGE 138, 107; 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 23, BAGE 131, 61).

40

(3) Die Tarifvertragsparteien konnten neben den Abfindungszahlungen nach § 7 TS-TV, die sich zwischen zwei Bruttomonatsgehältern und maximal 110.000,00 Euro brutto bewegen, eine weitere zusätzliche Abfindung von 10.000,00 Euro brutto nur für diejenigen Gewerkschaftsmitglieder vorsehen, die schon im Verlauf der Tarifvertragsverhandlungen und jedenfalls bis zu dem Tag, an dem sie ein Ergebnis über den TS-TV und den ETS-TV erzielt hatten, Mitglied der IG Metall waren.

41

(a) Die vereinbarte Stichtagsregelung orientiert sich an der geplanten Betriebsänderung als einmaligem Vorgang und den damit verbundenen Überbrückungsleistungen. Im Hinblick auf den tariflichen Regelungsgegenstand war es nicht sachlich ungerechtfertigt, für den persönlichen Geltungsbereich des ETS-TV einen Stichtag zu vereinbaren (§ 1 Abs. 2 ETS-TV), nach dem sich der Kreis der betroffenen Arbeitnehmer bestimmen sollte. Die Tarifvertragsparteien konnten unter Berücksichtigung der koalitionsspezifischen Interessen der IG Metall, die der Aufhebung eines bestehenden tariflichen Sonderkündigungsschutzes für bereits bei ihr organisierte Arbeitnehmer zustimmen sollte, die tariflich vorgesehenen „Ergänzungsleistungen“ nach §§ 2, 3 ETS-TV auf die Mitglieder beschränken, die am 23. März 2012 (12.00 Uhr) bereits der Gewerkschaft beigetreten waren und nicht erst, nachdem die Tarifverhandlungsergebnisse feststanden.

42

(b) Ohne eine solche Stichtagsregelung ließe sich zudem der Regelungszweck, allein einem bestimmten „berechenbaren“ Kreis von Mitgliedern einen Anspruch auf die Ergänzungsleistungen zu vermitteln, nicht erreichen. Der Anspruch auf eine Abfindungszahlung entstand nach § 5 TS-TV iVm. § 7 Abs. 1 und 2 TS-TV erst „mit Unterzeichnung des dreiseitigen Vertrags (Zustimmung zum Eintritt in die beE)“, der nach C. 5. DV allerdings bis zum 13. April 2012, 12:00 Uhr angenommen werden konnte. Es wäre dann nicht verlässlich zu bestimmen und planbar gewesen, wie viele Mitglieder einen Anspruch auf ergänzende Leistungen tatsächlich haben könnten und nach welchen abstrakten Kriterien das ausgehandelte Tarifvertragsvolumen des ETS-TV bei den ergänzenden Leistungen bestimmt werden soll (zu diesem Aspekt bei Stichtagsregelungen in betrieblichen Sozialplänen BAG 24. Januar 1996 - 10 AZR 155/95 - Rn. 44; s. auch Franzen RdA 2008, 304, 306 f.: Stichtagsregelungen als „Kompromiss zwischen gegenläufigen Gewerkschafts- und Arbeitgeberinteressen“).

43

(4) Entgegen der Auffassung der Klägerin bestand für die Tarifvertragsparteien keine rechtliche Pflicht, die „Ergänzung zur Höhe der Abfindung“ nach § 3 ETS-TV nur für die Mitglieder vorzusehen, deren tariflicher Sonderkündigungsschutz in Wegfall geraten sollte.

44

Die Ergebnisse von Tarifvertragsverhandlungen, die von widerstreitenden Interessen bestimmt sind, stellen regelmäßig einen Kompromiss dar (BAG 3. Mai 2006 - 4 AZR 795/05 - Rn. 24, BAGE 118, 159: „Kennzeichen des Tarifvertrages“; 30. August 2000 - 4 AZR 563/99 - zu I 2 g der Gründe, BAGE 95, 277; Dieterich FS Schaub 1998, S. 120, 129 ). Eine rechtliche Verpflichtung, etwaige „Kompensationen“ im Zusammenhang mit nachteiligen Regelungen nur für einen Teil der Mitglieder zu vereinbaren, besteht im Rahmen von Tarifvertragsverhandlungen als kollektiv ausgeübter Privatautonomie nicht. Maßgebend ist grundsätzlich nur, ob das gefundene Tarifergebnis mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Im Übrigen sind die Tarifvertragsparteien in Ausübung ihrer verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie frei (s. oben B II 1 b aa (2)).

45

c) Mit der unterschiedlich geregelten Höhe der Abfindungsleistungen und der „Überbrückungsgelder“ durch den TS-TV und den ETS-TV wird entgegen der Auffassung der Klägerin kein „unerträglicher Druck“ zum Gewerkschaftsbeitritt erzeugt. Ein von tariflichen Regelungen ausgehender bloßer Anreiz zum Beitritt einer Koalition ist unerheblich (BVerfG 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - Rn. 66, BVerfGE 116, 202) und lässt sich zudem ohne Weiteres durch die Gestaltung der individualvertraglichen Regelungen gänzlich minimieren (BAG 21. August 2013 - 4 AZR 861/11 - Rn. 25). Deshalb fehlt es auch an einem Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit, unabhängig davon, ob eine solche negative Freiheit in Art. 9 Abs. 3 GG oder in Art. 2 Abs. 1 GG begründet ist(dazu BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 35 mwN, BAGE 130, 43; s. auch Deinert RdA 2014, 129, 133 ff. mwN).

46

aa) Ohne eine gesonderte Rechtsgrundlage besteht für nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer kein Anspruch auf Anwendung von Tarifnormen auf ihr Arbeitsverhältnis, also auf eine „Gleichbehandlung“ mit tarifgebundenen Arbeitnehmern (s. dazu nur BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 54 mwN, BAGE 130, 43; sowie 23. März 2011 - 4 AZR 366/09 - Rn. 21, BAGE 137, 231 ; 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu B II 2 b bb der Gründe, BAGE 91, 210 ; 20. Juli 1960 - 4 AZR 199/59 - ). Die individuelle Vertragsfreiheit gibt allerdings sowohl dem Arbeitgeber als auch jedem Arbeitnehmer die rechtliche Möglichkeit, die Anwendbarkeit eines ganzen Tarifvertrags zu vereinbaren oder von einer vertraglichen Einbeziehung von Tarifrecht abzusehen. Ihnen steht es überdies grundsätzlich frei, tariflich vorgesehene Leistungen - etwa wie im Entscheidungsfall die begehrte weitere Abfindung - individualvertraglich zu vereinbaren (BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 54, aaO).

47

bb) Die negative Koalitionsfreiheit wird insbesondere nicht durch die nach § 1 Nr. 2 ETS-TV vorgenommene Gruppenbildung zwischen verschiedenen Gewerkschaftsmitgliedern verletzt. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die tarifliche Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien für Rechtsnormen iSd. § 1 Abs. 1 TVG von Verfassungs und von Gesetzes wegen(§ 3 Abs. 1 TVG)ausschließlich auf ihre Mitglieder beschränkt ist (BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - zu B II 2 b der Gründe, BVerfGE 44, 322). Die unmittelbare und zwingende Wirkung einer Tarifregelung auf Außenseiter ist danach ausgeschlossen (BAG 23. März 2011 - 4 AZR 366/09 - Rn. 21, BAGE 137, 231).

48

cc) Die hier vorliegende „Binnendifferenzierung“ zwischen Gewerkschaftsmitgliedern schränkt weiterhin weder die Handlungs- und insbesondere Vertragsfreiheit des Arbeitgebers noch die der sog. Außenseiter ein. Ihnen bleibt es unbenommen, ihre vertraglichen Beziehungen frei zu gestalten und durchzuführen. Soweit eine Tarifnorm sich auf das Arbeitsverhältnis von Außenseitern wie hier der Klägerin auswirkt, beruht dies vorliegend nicht auf der normativen Wirkung des Tarifvertrags, sondern auf der privatautonom gestalteten Arbeitsvertragsbeziehung der Arbeitsvertragsparteien (BAG 23. März 2011 - 4 AZR 366/09 - Rn. 21, BAGE 137, 231; 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 57, BAGE 130, 43; ebenso Deinert RdA 2014, 129, 131). Von einer solchen Regelung geht gegenüber den sog. Außenseitern kein „höherer Druck“ aus, als derjenige, der sich stets ergibt, wenn die individualvertraglichen Vereinbarungen hinter denjenigen Regelungen zurückbleiben, die durch einen Tarifvertrag für die Mitglieder der Tarifvertragsparteien geregelt werden.

49

dd) Die Unzulässigkeit einer Tarifnorm kann sich nur aus übergeordnetem Recht, nicht aber aus der Vertragspraxis der Individualvertragsparteien ergeben (BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 57, BAGE 130, 43). Will ein Arbeitnehmer am Inhalt eines Kollektivvertrags partizipieren, muss er, wenn er in den individuellen Vertragsverhandlungen seine Interessen nicht durchsetzen kann, in die tarifschließende Gewerkschaft eintreten (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1861; ähnlich Giesen NZA 2004, 1317, 1317 f.; Jacobs FS Bauer 2010, S. 488 f.; Franzen RdA 2008, 193, 199; Lobinger/Hartmann RdA 2010, 235, 239; s. auch Deinert RdA 2014, 129, 134, unter Hinweis auf die „Verhandlungsmacht des Individuums“; sowie Ulber/Strauß DB 2008, 1970, 1974). Im anderen Fall würde es von der individuellen Arbeitsvertragsgestaltung abhängen, ob eine ansonsten zulässige Regelung in einem Tarifvertrag, durch die das Grundrecht auf koalitionsgemäße Betätigung aus Art. 9 Abs. 3 GG ausgeübt wird, unwirksam ist. Den Tarifvertragsparteien wäre es unter Hinweis auf individualvertragliche Abreden verwehrt, abweichende, günstigere Inhaltsnormen für die Arbeitsverhältnisse ihrer Mitglieder zu vereinbaren oder - in im Übrigen sachlich gerechtfertigten Fallgestaltungen (dazu oben B II 1 b) - zwischen ihren Mitgliedern zu differenzieren.

50

d) Entgegen der Ansicht der Klägerin müssen Tarifvertragsregelungen nach § 1 Abs. 1 TVG nicht geeignet sein, an die Stelle einer staatlichen Regelung über Arbeitsbedingungen zu treten, daher angemessene und ausgewogene Regelungen für seinen Geltungsbereich enthalten und Rücksicht auf die Interessen von Außenseitern nehmen. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus den Erwägungen des Senats in der Entscheidung vom 18. März 2009 (- 4 AZR 64/08 - Rn. 60 ff., BAGE 130, 43; s. auch 23. März 2011 - 4 AZR 366/09 - Rn. 22, BAGE 137, 231; dazu krit. Schubert ZTR 2011, 579, 581; Ulber/Strauß EzA GG Art. 9 Nr. 104; anders wohl Waltermann Arbeitsrecht 17. Aufl. Rn. 546; sowie Kalb jM 2015, 107, 111). Insoweit handelte es sich um nicht tragende und nicht entscheidungserhebliche Erwägungen. Sie standen zur tragenden Begründung in einem rechtlichen Alternativverhältnis. An ihnen hält der Senat im Übrigen unter Hinweis auf die Begründung in seinem Urteil vom 7. Juli 2010 (- 4 AZR 549/08 - Rn. 63 ff. mwN, BAGE 135, 80) - klarstellend - nicht mehr fest.

51

aa) Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verfolgt den im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, dem von der staatlichen Rechtssetzung ausgesparten Raum des Arbeitslebens im Einzelnen durch Tarifverträge autonom zu regeln. Bei dieser Zweckverfolgung durch den Abschluss von Tarifverträgen sollen die Vereinigungen nach dem Willen des Grundgesetzes frei sein. Mit dem Tarifvertragsgesetz hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen für ein gesetzlich gesichertes tarifvertragliches Regelungsverfahren in Ausgestaltung der verfassungsrechtlich abgesicherten Tarifautonomie geschaffen. Die Tarifvertragsparteien regeln auf dessen Grundlage (privat-)autonom, mit welchen tarifpolitischen Forderungen (dazu BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 99 BAGE 122, 134 ) sie für ihre Mitglieder tarifvertragliche Regelungen mit welchem Tarifvertragspartner setzen wollen und letztlich vereinbaren. Anders als § 3 Abs. 2 und Abs. 3 TVG für betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Rechtsnormen eines Tarifvertrags enthält das Tarifvertragsgesetz grundsätzlich keine gesetzlichen Vorgaben, die auf eine bestimmte inhaltliche Ordnung des Tarifvertragssystems iSe. einheitlichen Regelung der Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen im jeweiligen Betrieb ausgerichtet sind (BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 549/08 - Rn. 65, BAGE 135, 80).

52

bb) Ebenso wenig besteht eine Regelungsverpflichtung der Tarifvertragsparteien in dem von der Klägerin angeführten Sinne. Dem steht schon die auf die Mitglieder beschränkte Regelungsmacht entgegen. Sie beschränkt die Ordnungsfunktion eines Tarifvertrags durch § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG auf ihre Mitglieder. Die in erster Linie als Freiheitsgrundrecht strukturierte Koalitionsfreiheit überlässt es den tariffähigen Koalitionen, in Ausübung ihrer kollektiven Regelungsmacht durch Tarifverträge mit Abschluss-, Inhalts- und Beendigungsnormen iSd. § 1 Abs. 1 TVG die Rechtsverhältnisse für ihre Mitglieder zu regeln(BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 549/08 - Rn. 68, BAGE 135, 80).

53

e) Die Verweisungen in dem dreiseitigen Vertrag unter A. 2.1. auf den TS-TV und den ETS-TV (zu den Maßstäben der Auslegung von AGB BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15 mwN, BAGE 134, 283) führen zu keinem anderen Ergebnis. Rechtsfolge dieser Verweisungsklauseln ist allein, die Anwendbarkeit der Tarifnormen im Arbeitsverhältnis mit den dort vorhandenen Voraussetzungen herbeizuführen. Die Vereinbarung unter A. 2.1. Abs. 2 DV nennt ausdrücklich die Bestimmungen über den Geltungsbereich des ETS-TV (§ 1 Abs. 2 ETS-TV) als eine Voraussetzung für eine zusätzliche Abfindungszahlung nach § 3 ETS-TV an. Sie substituiert schon deshalb nicht die weitere Anspruchsvoraussetzung einer Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft zu einem bestimmten Stichtag (vgl. auch BAG 21. August 2013 - 4 AZR 861/11 - Rn. 23; s. auch 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 27, BAGE 130, 43), die bei der Klägerin, die erst im Monat Juli 2012 Mitglied der IG Metall wurde, nicht vorliegt.

54

2. Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (ausf. zu dessen Inhalt BAG 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 19 ff., BAGE 148, 139) stützen. Die vertraglichen Vereinbarungen nach A. 2.1. Abs. 1 DV sind nicht an dessen Maßstab zu überprüfen.

55

a) Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beachtung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes besteht nicht bei jeder Form privatautonomen Handelns. Werden Rechte und Pflichten für ein Arbeitsverhältnis zwar privatautonom, aber unter den Bedingungen eines strukturellen Gleichgewichts vereinbart, bleibt der Anwendungsbereich des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verschlossen (ausf. BAG 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 29 ff. mwN, BAGE 148, 139).

56

b) Nach diesen Maßstäben unterliegen die differenzierenden arbeitsvertraglichen Regelungen unter A. 2.1. Abs. 1 und Abs. 2 DV als Teil der vertraglich erforderlichen Umsetzung der Abfindungs- und Mindestbedingungsregelungen des TS-TV und des ETS-TV durch den tariflich vorgegebenen dreiseitigen Vertrag keiner Kontrolle anhand der Kriterien des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Sie dienen allein der vertraglichen Umsetzung der im TS-TV und im ETS-TV genannten Bestimmungen über die Abfindungszahlung.

57

aa) Nach den Tarifregelungen des TS-TV und des ETS-TV hat die Beklagte zu 2., die selbst an beide Tarifverträge gebunden ist, in einem Antrag auf Abschluss eines dreiseitigen Vertrags (§ 145 BGB)einen Abfindungsanspruch nach den Bestimmungen des § 7 TS-TV und nach § 3 ETS-TV aufzunehmen, die mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu ihr(§ 5 Abs. 1 TS-TV)verbunden ist. § 5 Abs. 3 TS-TV sieht - ebenso wie § 7 Abs. 7 TS-TV - vor, dass „in dem dreiseitigen Vertrag … der Anspruch auf Abfindung und deren Fälligkeit festgehalten (§ 7)“ wird. Gleiches gilt für die weitere Abfindung nach § 3 ETS-TV gemäß § 4 Abs. 1 ETS-TV, der eine entsprechende Anwendung der Regelungen des TS-TV bestimmt.

58

bb) Damit ist das Vertragsangebot der Beklagten zu 2. (A. DV) auf eine Umsetzung der beiden Tarifverträge - TS-TV und ETS-TV - gerichtet. Diesen - hinsichtlich der Abfindung differenzierenden - tariflichen Regelungen kommt, da sie nicht wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam sind (oben B II 1 a bis c), jedenfalls im Rahmen einer vertraglichen Umsetzung durch die an sie gebundene Beklagte zu 2. (§ 3 Abs. 1 TVG) die Vermutung der Angemessenheit zu. Die Voraussetzungen für eine Begrenzung privatautonomen Handelns anhand des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (BAG 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 19 ff., 24 ff., BAGE 148, 139; s. auch 3. September 2014 - 5 AZR 6/13 - Rn. 23) liegen deshalb hier nicht vor.

59

3. Die Klägerin kann die von ihr geltend gemachten Ansprüche auch nicht auf den von der Beklagten zu 2. und dem bei ihr bestehenden Betriebsrat vereinbarten „Interessenausgleich“ vom 4. April 2012 stützen. Dabei kann zu ihren Gunsten davon ausgegangen werden, die Betriebsparteien hätten durch Nr. 5 des Interessenausgleichs („Sozialplan“) die Regelungen des TS-TV als eigenen Sozialplan übernommen. Die ausschließlich erfolgte Einbeziehung des TS-TV und nicht zugleich des ETS-TV in die betriebliche Vereinbarung verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 BetrVG. Deshalb kann offenbleiben, ob bei dessen Verletzung - wie die Klägerin meint - sich überhaupt ein Anspruch auf eine erhöhte Abfindungszahlung im Wege einer „Anpassung nach oben“ ergeben könnte (vgl. etwa BAG 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 23 ff., 42, BAGE 125, 366; 21. Oktober 2003 - 1 AZR 407/02 - zu III 1 der Gründe mwN, BAGE 108, 147).

60

a) Sozialpläne unterliegen wie andere Betriebsvereinbarungen der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Sie sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht, insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG), vereinbar sind. Danach haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in dieser Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden(st. Rspr., etwa BAG 26. März 2013 - 1 AZR 813/11 - Rn. 20, BAGE 144, 378; 7. Juni 2011 - 1 AZR 34/10 - Rn. 20, BAGE 138, 107; 12. April 2011 - 1 AZR 764/09 - Rn. 10 f.).

61

Nach § 75 Abs. 1 BetrVG können die Betriebsparteien daher auch bei der Festlegung von Leistungen in einem Sozialplan Arbeitnehmern nicht deswegen eine höhere Abfindung zuerkennen, weil diese Mitglied einer Gewerkschaft sind. Ein solches Vorgehen verstieße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Ein sog. Außenseiter könnte in einem solchen Falle ggf. die gleiche Behandlung verlangen, wie sie den Gewerkschaftsmitgliedern bei der Bemessung der Leistungen zukommt (vgl. BAG 12. Februar 1985 - 1 AZR 40/84 -).

62

b) Die Beklagte zu 2. und der Betriebsrat haben aber mit der alleinigen Übernahme der Regelungen des TS-TV nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 BetrVG verstoßen.

63

aa) Die in den „Interessenausgleich“ übernommenen Regelungen sehen - in Anwendung des persönlichen Geltungsbereichs nach § 1 Nr. 2 TS-TV - Leistungen für alle Beschäftigten vor, sofern sie, wie die Klägerin, die individuellen Voraussetzungen für den Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld erfüllen. Die Betriebsparteien haben gerade davon abgesehen, die Bestimmungen des ETS-TV - mit denen zwischen bestimmten Mitgliedern der IG Metall differenziert wird - zu übernehmen. Damit haben sie den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, der darauf abzielt, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen (BAG 12. April 2011 - 1 AZR 505/09 - Rn. 15), beachtet.

64

bb) Mit ihrem Hinweis, es wäre keine Ungleichbehandlung eingetreten, wenn der Betriebsrat seine ihm nach „§§ 111 ff. BetrVG obliegende Aufgabe selbst wahrgenommen“ hätte, verkennt die Revision das grundsätzlich mögliche „Nebeneinander“ von Tarifverträgen mit sozialplanähnlichem Inhalt und Sozialplänen nach § 112 BetrVG sowie den Umstand, dass für beide unterschiedliche Akteure verantwortlich sind und unterschiedliche rechtliche Maßstäbe gelten.

65

(1) Den Tarifvertragsparteien fehlt auch in Betrieben mit einem Betriebsrat nicht die Kompetenz zur Schaffung von Regelungen, die inhaltlich denen eines möglichen Sozialplans nach § 112 BetrVG entsprechen. Diese Materie ist nicht ausschließlich den Betriebsparteien vorbehalten. Die §§ 111 ff. BetrVG hindern den einvernehmlichen Abschluss eines Haustarifvertrags zum Ausgleich der mit einer konkreten Betriebsänderung verbundenen Nachteile nicht (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 81 ff., BAGE 122, 134). Ein Tarifvertrag mit sozialplanähnlichem Inhalt, der ohne Weiteres nur für die bei der tarifschließenden Gewerkschaft organisierten Arbeitnehmer des Betriebs gilt, und ein für alle betroffenen Arbeitnehmer des Betriebs unabhängig von ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit geltender Sozialplan der Betriebsparteien können prinzipiell nebeneinander bestehen. Die Tarifvertragsparteien sind zudem nicht darauf beschränkt, nur Regelungen zu treffen, die auch wirksamer Inhalt eines betrieblichen Sozialplans nach § 112 BetrVG sein könnten(BAG 6. Dezember 2006 - 4 AZR 798/05 - Rn. 30, BAGE 120, 281).

66

(2) Ebenso wie die Annahme einer Sperrwirkung eines betriebsverfassungsrechtlichen Sozialplans gegenüber dem Tarifvertrag systemfremd ist, weil sich aus dem BetrVG keine Einschränkung der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien ergibt (BAG 6. Dezember 2006 - 4 AZR 798/06 - Rn. 30, BAGE 120, 281), ist auch die Auffassung der Klägerin unzutreffend, die Betriebsparteien seien zur inhaltsgleichen Übernahme aller tariflichen Regelungen verpflichtet, die Inhalt von Tarifverträgen mit sozialplanähnlichem Inhalt anlässlich einer Betriebsänderung geworden sind. Dem steht bereits entgegen, dass den Betriebsparteien angesichts der Vielfalt ausgleichsfähiger und ausgleichsbedürftiger Nachteile ein Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zusteht (vgl. nur BAG 1. Februar 2011 - 1 AZR 472/09 - Rn. 17).

67

cc) Es ist schließlich nicht erkennbar, dass sich für nicht in einer Gewerkschaft organisierte Arbeitnehmer mittelbar ein Nachteil dadurch ergeben hat, dass aufgrund des Tarifvertragsabschlusses des ETS-TV für den betrieblichen Sozialplan keine oder erheblich geringere Mittel vorhanden gewesen wären, es also zu einer „Aufzehrung“ der zur Verfügung stehenden Mittel durch die beiden Tarifverträge gekommen wäre. Alle Arbeitnehmer haben nach dem Vorbringen der Parteien einen Anspruch auf eine Abfindung von bis zu 110.000,00 Euro brutto und ein „beE-Monatsentgelt“ iHv. 70 vH des bisherigen Bruttomonatseinkommens für die Dauer ihres Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten zu 1. Zudem ist eine etwaige Ungleichbehandlung von sog. Außenseitern und Gewerkschaftsmitgliedern in einer auf die Bildung von Zwangsorganisationen verzichtenden Tarifvertragsordnung immanent (Fischinger Anm. zu AP Nr. 2 zu § 1 TVG Sozialplan mwN). Eine Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien scheidet deshalb nicht aus (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 85, BAGE 122, 134).

68

dd) Soweit die Revision schließlich anführt, der bei der Beklagten zu 2. bestehende Betriebsrat habe „anstatt einen Interessenausgleich und Sozialplan selbst zu verhandeln“, der IG Metall ein „Mandat erteilt“, handelt es sich um einen in der Revisionsinstanz unzulässigen neuen Vortrag, der sich zudem auf eine pauschale und nicht durch nähere Tatsachen gestützte Behauptung beschränkt. Hinzu kommt, dass der Betriebsrat gesetzlich noch nicht einmal verpflichtet gewesen ist, überhaupt eine Sozialplanregelung zu vereinbaren.

69

4. Die Klägerin kann sich für ihren Anspruch schließlich nicht auf § 3 Abs. 2 TVG stützen. Entgegen ihrer Auffassung ist die Stichtagsregelung in § 1 Abs. 2 ETS-TV wirksam. Deshalb kann dahinstehen, ob die Auffassung der Klägerin, im Falle der Unwirksamkeit dieser Regelung sei der TS-TV insgesamt nichtig und bei den dann allein noch verbleibenden Regelungen des ETS-TV handele es sich nunmehr um Betriebsnormen iSd. § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, von denen auch die Klägerin erfasst werde, auch nur im Ansatz zutreffend sein könnte.

70

5. Einer Vorlage an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 3 ArbGG bedurfte es nicht. Bei der vom Großen Senat in der Entscheidung vom 29. November 1967 behandelten Rechtsfrage (- GS 1/67 - BAGE 20, 175) handelt sich um eine andere als diejenige nach der Zulässigkeit einer Differenzierung zwischen verschiedenen Gruppen von Gewerkschaftsmitgliedern (ausf. zu den behandelten Rechtsfragen BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 86 ff., BAGE 130, 43).

71

III. Der Klägerin steht auch gegen die - nicht tarifgebundene - Beklagte zu 1. weder einen Anspruch auf weitere Leistungen nach B. 4. Abs. 2 DV iVm. § 2 ETS-TV noch auf Zahlung eines Bruttomonatsentgelts iHv. 70 vH des nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 TS-TV ermittelten Bruttomonatseinkommens zu.

72

1. Die Klägerin hat auf Grund der Regelung in B. 4. Abs. 2 DV keinen Anspruch auf Zahlung eines Entgelts nach Maßgabe des § 2 Satz 1 ETS-TV (Ergänzung der Mindestbedingungen der Transferarbeitsverhältnisse). Die Tarifvertragsparteien haben in § 1 Nr. 2 ETS-TV eine wirksame Geltungsbereichsbestimmung vereinbart(oben B II 1 a bis c). Deshalb kann die Klägerin auch auf Grundlage der arbeitsvertraglichen Verweisung in B. 4. Abs. 2 DV nicht die in § 2 ETS-TV vorgesehene Leistung verlangen.

73

Bei dem „beE-Monatsentgelt“ handelt es sich um eine Überbrückungsleistung anlässlich einer Betriebsänderung sowie der damit verbundenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2., die lediglich auf die Dauer des bestehenden Transferarbeitsverhältnisses verteilt ist, und nicht um ein Entgelt (s. auch B II 1 b cc (2)). Entgegen der Auffassung der Revision greift daher die „Ergänzung zu den Mindestbedingungen der Transferarbeitsverhältnisse“ nach § 2 ETS-TV nicht differenzierend in das arbeitsvertragliche Synallagma ein. In dem mit der Beklagten zu 1. begründeten befristeten Transferarbeitsverhältnis (§ 5 TS-TV)ist „Kurzarbeit Null angeordnet“ (B. 1. Abs. 2 DV) und der Beschäftigungsanspruch entfallen. Es ist gerade keine (produktive) Arbeitsleistung zu erbringen (vgl. BAG 19. März 2014 - 5 AZR 299/13 (F) -
Rn. 21).

74

2. Die Klägerin kann sich für einen Anspruch auf eine erhöhte Zahlung nach § 2 Satz 1 ETS-TV nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen. Dessen Anwendungsbereich ist auch bezogen auf die tarifungebundene Beklagte zu 1. nicht eröffnet. Die Regelungen in B. 4. Abs. 1 und Abs. 2 DV unterliegen als tarifvertraglich vorgesehene notwendige Umsetzung von zwischen tariffähigen Vertragspartnern vereinbarten Regelungen nicht der Kontrolle anhand des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (zu den Grundsätzen ausf. BAG 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 29 ff. mwN, BAGE 148, 139; sowie oben B II 2 a).

75

a)  Der von der Beklagten zu 1. der Klägerin in Umsetzung der beiden Tarifverträge angebotene und von ihr angenommene Arbeitsvertrag (nach Abschnitt B. des Dreiseitigen Vertrags) dient vor allem der rechtlich erforderlichen Umsetzung der im TS-TV unter § 5 Abs. 2 Nr. 1 bis 12 festgelegten „Mindestbedingungen der Transferarbeitsverhältnisse“ sowie der in § 2 ETS-TV vorgesehenen Ergänzung zu den Mindestbedingungen der Transferarbeitsverhältnisse. Hierfür ist nach § 5 Abs. 1 TS-TV - der vermittelt über § 4 Satz 1 ETS-TV auch für die dort geregelten Ergänzungsleistungen gilt - der Abschluss eines dreiseitigen Vertrags des jeweiligen Arbeitnehmers mit dem bisherigen Arbeitgeber - der Beklagten zu 2. - zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Transfergesellschaft - der Beklagten zu 1. - zur Begründung eines sich unmittelbar anschließenden Transferarbeitsverhältnisses (Teil B. DV) vorgesehen. Die Transfergesellschaft war nach § 2 TS-TV von der Beklagten zu 1. als betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (beE) auf „Basis einer mit der IG Metall abgestimmten Kooperationsvereinbarung“ (§ 4 Abs. 2 TS-TV), deren wesentliche Bestandteile zudem in § 4 Abs. 3 TS-TV geregelt sind, zu errichten. Die Begründung eines Transferarbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2. als Träger der Transfermaßnahme und damit einem „Dritten“ entsprechend § 110 Abs. 1 Satz 1 SGB III(idF vom 20. Dezember 2011, in Kraft getreten am 1. April 2012, BGBl. I 2011, 2854; s. auch BT-Drucks. 15/1515, S. 91) schafft die betrieblichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld (s. auch Geschäftsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit Teil C Stand Juni 2013 S. 217 f.).

76

b) Aufgrund dieser rechtlichen Vorgaben des TS-TV und des ETS-TV hinsichtlich der Ausgestaltung der Transferarbeitsverhältnisse handelt es sich bei den differenzierenden Vergütungsregelungen B. 4. DV um eine Umsetzung von verbindlichen tariflichen Vorgaben der zwischen der Beklagten zu 2. und der IG Metall vereinbarten Transfer- und Sozialtarifverträge. Dabei ist unbeachtlich, dass die weitere Durchführung der Transferarbeitsverhältnisse allein durch die Beklagte zu 1. ohne zwingende rechtliche Beteiligung der IG Metall als Organisation erfolgt ist (vgl. auch BAG 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 35, 45, mwN, BAGE 148, 139).

77

3. Soweit sich die Klägerin weiterhin für ihren Anspruch auf den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 BetrVG sowie auf eine Geltung der Regelungen nach § 3 Abs. 2 TVG stützt, verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine vorstehenden Ausführungen(unter B II 3 und 4). Zudem übersieht die Klägerin in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte zu 1. an die beiden Tarifverträge nicht gebunden ist, weshalb eine Geltung der Regelungen nach § 3 Abs. 2 TVG auch deshalb ausscheiden würde.

78

4. Der Klägerin kann von der Beklagten zu 1. auch nicht die Zahlung der monatlichen Vergütung nach B. 4. Abs. 1 DV auf der Basis ihres (bisherigen) Bruttomonatseinkommens in Höhe von 70 vH unter Heranziehung des Berechnungsfaktors in § 5 Abs. 3 Satz 2 TS-TV(„13,5 fache des bisherigen Bruttomonatsgehalts dividiert durch 12“) beanspruchen. Das ergibt die Auslegung der im Formulararbeitsvertrag enthaltenen vertraglichen Regelung (zu den Maßstäben der Auslegung BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15, BAGE 134, 283).

79

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin haben die Parteien in B. 4. Abs. 1 Satz 2 DV nicht lediglich ein Bruttomonatseinkommen iHv. 70 vH der nach B. 4. Abs. 1 Satz 2 DV maßgebenden Bezugsgröße vereinbart. Zwar spricht die vertragliche Bestimmung von einem „BruttoMonatsEinkommen“. Dieses ist aber „gemäß § Abs. 3 des Transfers- und Sozialtarifvertrags“ zu zahlen, der von einem „BeE-Monatsentgelt“ und gerade nicht von einem Bruttomonatseinkommen - insbesondere dem bisherigen der Klägerin - handelt. Die ausdrückliche Bezugnahme auf § 5 Abs. 3 TS-TV bringt dabei hinreichend klar zum Ausdruck, dass die dort von den Tarifvertragsparteien getroffene Regelung maßgebend sein soll(„erhält gemäß § 5 Abs. 3 des Transfer- und Sozialtarifvertrags … - unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit - … monatlich 70 % ihres/seines BruttoMonatsEinkommens). Damit wird zur Berechnung der Höhe des monatlichen Entgelts ein „Referenz“-Bruttoeinkommen benannt, welches sich aus den Entgeltzahlungen der Arbeitgeberin und - sofern eine Zahlung erfolgt - aus den netto gewährten Leistungen der Bundesagentur für Arbeit nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 TS-TV zusammensetzt.

80

b) Die Klägerin kann sich nicht auf die Unklarheitenregelung des § 305c BGB stützen. Auf diese kann nur zurückgegriffen werden, wenn nach Ausschöpfung aller anerkannten Auslegungsmethoden „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen (BAG 16. Mai 2012 - 4 AZR 224/10 - Rn. 22; 21. Oktober 2009 - 4 AZR 880/07 - Rn. 36 mwN). Derartige Zweifel bestehen, wie die Auslegung zeigt, vorliegend nicht. Allein die entfernte Möglichkeit, auch zu einem anderen Auslegungsergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung von § 305c Abs. 2 BGB nicht(BAG 10. Dezember 2008 -  10 AZR 1/08  -
Rn. 15 ).

81

c) Die Beklagte zu 1. hat in rechtsfehlerfreier Anwendung von § 5 Abs. 3 TS-TV das der Klägerin zustehende Bruttomonatseinkommen berechnet.

82

Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die den Parteien bekannte Begründung des Spruchs der tariflichen Schiedsstelle vom 14. Dezember 2012. Deshalb kann es dahinstehen, ob dem Schiedsstellenspruch eine rechtliche Bindungswirkung nach § 108 Abs. 4 ArbGG iVm. § 9 TVG zukommt(so Düwell/Lipke/ Voßkühler ArbGG 3. Aufl. § 108 Rn. 28; GMP/ Germelmann ArbGG 8. Aufl. § 108 Rn. 29 f.; GK-ArbGG/ Mikosch ArbGG Stand 2013 § 108 Rn. 18; Schwab/Weth/ Zimmerling ArbGG 4. Aufl. § 108 Rn. 23; alle unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Mai 1960 - 1 AZR 268/57 - zu 1 b der Gründe; aA Däubler/Reinecke TVG 3. Aufl. § 9 Rn. 33; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 9 Rn. 49 f.).

83

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

Eylert

        

Rinck 

        

Treber

        
                 

Hannig

        

Kriegelsteiner

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 4. Oktober 2011 - 1 Sa 507 e/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe von Sonderzahlungen für die Jahre 2007 bis 2009.

2

Die Klägerin, die nicht Mitglied einer Gewerkschaft ist, ist seit 1994 bei der Beklagten als Krankenschwester gegen ein monatliches Bruttogehalt von zuletzt durchschnittlich 2.930,00 Euro beschäftigt.

3

In § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags der Parteien vom 28. September 1993 heißt es ua.:

        

„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem zwischen der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr und dem Arbeitgeber abgeschlossenen Tarifvertrag vom 1.7.1976 in der jeweils gültigen Fassung in Verbindung mit dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.02.1961 und den diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträgen. …“

4

Die im August 1998 gegründete Konzernobergesellschaft der Beklagten, die Damp Holding AG, schloss am 15. Dezember 1998 mit Wirkung vom 1. Januar 1999 mit der damaligen Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) einen Manteltarifvertrag sowie in den folgenden Jahren mehrere Tarifverträge, in denen Sonderzahlungen geregelt waren. Bis zum Jahre 2006 erhielt die Klägerin Jahressonderzahlungen, zuletzt iHv. 100 % ihres Bruttomonatsgehalts.

5

Die Damp Holding AG schloss am 27. März 2007 mit den Gewerkschaften ver.di und NGG den Tarifvertrag über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung (TV-Sonderzahlung Damp 2007), der am 1. Januar 2007 in Kraft trat und eine Sonderzahlung vorsah, deren Höhe zum einen von der Entwicklung des Konzernergebnisses im betreffenden Kalenderjahr und der Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie zum anderen von der Zugehörigkeit zu einer der Gewerkschaften ver.di oder NGG zu einem bestimmten Stichtag abhängig war. Die Beklagte zahlte der Klägerin hiernach für das Jahr 2007 eine Sonderzahlung iHv. 795,40 Euro.

6

Am 31. Oktober 2008 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag, in dem ua. geregelt ist:

        

5. Vergütung

        

(1) Gilt für die Arbeitgeberin ein Tarifvertrag, der das Entgelt regelt, richtet sich die Vergütung nach dem für die Arbeitgeberin jeweils gültigen Tarifvertrag in seiner jeweils gültigen Fassung. …

        

8. Tarifverträge, Betriebsvereinbarung, allgemeine Arbeitsbedingungen

        

(1) Ist die Mitarbeiterin an bei der Arbeitgeberin geltende Tarifverträge normativ gebunden (§ 3 Abs. 1 TVG), finden auf das Arbeitsverhältnis ausschließlich diese Tarifverträge Anwendung.

        

(2) Ist keine Tarifbindung der Mitarbeiterin an einen bei der Arbeitgeberin geltenden Tarifvertrag gegeben, finden auf das Arbeitsverhältnis die jeweils für eine relative Mehrheit der im jeweiligen Beschäftigungsbetrieb tätigen tarifgebundenen Arbeitnehmer geltenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. Das sind nach Kenntnis der Arbeitgeberin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses:

        

- der Manteltarifvertrag Damp Holding AG,

        

- der Tarifvertrag über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung,

        

…       

        
        

die die Damp Holding AG und die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di geschlossen haben.“

7

Für das Jahr 2008 erhielt die Klägerin eine Sonderzahlung iHv. 466,41 Euro und für das Jahr 2009 keine Sonderzahlung. Gegen die aus ihrer Sicht unzulässige Differenzierung der Sonderzahlung nach Gewerkschaftszugehörigkeit zu einem bestimmten Stichtag erhob die Klägerin Klage auf Nachzahlung von Differenzbeträgen für die Jahre 2007 und 2008, die vom Senat mit Urteil vom 18. November 2009 (- 4 AZR 491/08 - BAGE 132, 268) abgewiesen wurde, da der TV-Sonderzahlung Damp 2007 mangels wirksamer Vertretung der abhängigen Konzernunternehmen - wie der Beklagten - durch die Konzernobergesellschaft nicht für jene galt.

8

Am 2. März 2010 schlossen die Damp Holding AG und die Konzerngesellschaften - darunter die Beklagte - einerseits und die Gewerkschaften ver.di und NGG andererseits einen neuen Tarifvertrag über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung (TV-Sonderzahlung Damp 2010) mit Wirkung ab dem Jahre 2007, dessen Regelungen weitgehend denen im TV-Sonderzahlung Damp 2007 entsprachen.

9

Mit ihrer erneuten Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, ihr stünden für die Jahre 2007 bis 2009 weitere Sonderzahlungen nach dem TV-Sonderzahlung Damp 2010 zu. Sie hätte für das Jahr 2007 2.274,58 Euro, für das Jahr 2008 2.332,03 Euro und für das Jahr 2009 2.240,40 Euro, in dem gar keine Sonderzahlung geleistet worden sei, erhalten müssen. Sie habe einen Anspruch auf dieselben Sonderzahlungsbeträge wie vergleichbare Gewerkschaftsmitglieder, da die Differenzierungsklausel und die Stichtagsregelungen unwirksam seien.

10

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, Jahressonderzahlungen für 2007, 2008, 2009 iHv. insgesamt 5.583,25 Euro brutto nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz aus 1.028,03 Euro seit dem 1. Dezember 2007, aus 449,15 Euro seit dem 1. Mai 2008, aus 1.579,86 Euro seit dem 1. Dezember 2008 und aus 285,76 Euro ab dem 1. Mai 2009 und aus weiteren 2.240,45 Euro ab dem 1. Dezember 2009 an sie zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin habe für die Jahre 2007 bis 2009 die ihr zustehenden Sonderzahlungen nach dem TV-Sonderzahlung Damp 2010 erhalten.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Differenzbeträge.

14

I. Die von der Klägerin erhobene Klage ist insgesamt - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - zulässig. Einem Anspruch auf Leistung der Sonderzahlungen für die Jahre 2007 und 2008 steht nicht die Rechtskraft des Urteils vom 18. November 2009 - 4 AZR 491/08 - nach § 322 ZPO entgegen. Der TV-Sonderzahlung Damp 2010 ist erst nach dem Urteil des Senats vom 18. November 2009 und damit nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Vorprozess der Parteien abgeschlossen worden (zur Rechtskraft bei veränderten Rechtsgrundlagen: BAG 14. Juni 1995 - 4 AZR 250/94 - zu II 2 b der Gründe; vgl. auch 17. April 2002 - 5 AZR 400/00 - zu II 1 der Gründe; näher zur Rechtskraftwirkung etwa BGH 23. Februar 2006 - I ZR 272/02 - Rn. 23, BGHZ 166, 253; 2. März 2000 - IX ZR 285/99 - Rn. 9 f. mwN).

15

II. Die Klage ist unbegründet. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich eine Anwendung des TV-Sonderzahlung Damp 2010 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Bezugnahmeklausel in Nr. 5 Abs. 1 und Nr. 8 des Arbeitsvertrags vom 31. Oktober 2008 für den Zeitraum ab dem 1. November 2009 und aufgrund von § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 28. September 1993 für den vorangegangenen Zeitraum ergibt. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin hiervon ausginge, ist die Klage schon deshalb insgesamt unbegründet, weil die Klägerin nicht die Voraussetzungen für die Zahlung einer höheren Sonderzahlung in den Jahren 2007 bis 2009 nach § 5 Ziffern 5, 8 und 12 jeweils iVm. § 5 Ziff. 13 des in Bezug genommenen TV-Sonderzahlung Damp 2010 erfüllt. Sie war zum Zeitpunkt der tariflich geregelten Stichtage nicht Mitglied einer der Gewerkschaften ver.di oder NGG.

16

1. Der TV-Sonderzahlung Damp 2010 regelt in § 5 für die Wirtschaftsjahre 2007 bis 2009 ua. Folgendes:

        

„1.     

Basis zur Berechnung der Sonderzahlung für das Wirtschaftsjahr 2007 und folgende ist das Konzernergebnis vor Zinsen, Abschreibung, Steuern (EBITDA).

        

…       

        
        

4.    

In der folgenden Tabelle ist dem EBITDA der jeweilige Faktor für die Sonderzahlung 2007 zugeordnet:

                 

…       

        

5.    

In der folgenden Tabelle ist dem EBITDA der jeweilige Faktor für die Sonderzahlung 2007 für Mitglieder der Gewerkschaft ver.di bzw. NGG zugeordnet.

                 

…       

        

7.    

In der folgenden Tabelle ist dem EBITDA der jeweilige Faktor für die Sonderzahlung 2008 zugeordnet:

                 

…       

        

8.    

In der folgenden Tabelle ist dem EBITDA der jeweilige Faktor für die Sonderzahlung 2008 für Mitglieder der Gewerkschaft ver.di bzw. NGG zugeordnet.

                 

…       

        

9.    

In der folgenden Tabelle ist dem EBITDA der jeweilige Faktor für die Sonderzahlung 2009 zugeordnet.

                 

…       

        

12.     

Unabhängig von einer möglichen höheren Zahlung nach den Regelungen der Ziffern 4 bis 9 erhalten Mitglieder der Gewerkschaften ver.di sowie NGG in den Jahren 2007 bis 2009 mindestens eine garantierte Jahressonderzahlung in Abhängigkeit zu der am 31.12.2006 jeweils gültigen tariflichen Regelung nach folgender Tabelle:

                 

…       

        

13.     

Als Gewerkschaftsmitglied gilt, wer spätestens am 06.03.2007 in die Gewerkschaft eingetreten ist und dessen Mitgliedschaft am 30.11. des jeweiligen Wirtschaftsjahres noch besteht und im Anspruchsjahr die Gewerkschaftsmitgliedschaft nicht gekündigt wurde. Für die Jahre 2008 und folgende gilt jeweils der 01.01. des Jahres als spätestes Eintrittsdatum.“

17

2. Der am 2. März 2010 geschlossene TV-Sonderzahlung Damp 2010 konnte von den Tarifvertragsparteien rückwirkend für das Jahr 2007 in Kraft gesetzt werden. Dieser Neuabschluss diente der Korrektur von Fehlern beim Abschluss des TV-Sonderzahlung Damp 2007 für die abhängigen Unternehmen des Konzerns (zu den Fehlern beim Abschluss dieses Tarifvertrags vgl. BAG 18. November 2009 - 4 AZR 491/08 - BAGE 132, 268), sollte aber am Inhalt der Regelungen grundsätzlich nichts ändern, insbesondere nichts an der Möglichkeit der Erfüllung der Voraussetzungen bezogen auf das jeweilige Bezugsjahr der Zahlung (vgl. auch bereits BAG 5. September 2012 - 4 AZR 696/10 - Rn. 33).

18

3. Die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Zahlung einer jeweils höheren Sonderzahlung für die Jahre 2007 bis 2009. Sie war nicht an den tariflich geregelten Stichtagen nach § 5 Ziff. 13 TV-Sonderzahlung Damp 2010 Mitglied einer der genannten Gewerkschaften ver.di oder NGG.

19

a) Mit den Regelungen in § 5 Ziffern 5, 8 und 12 TV-Sonderzahlung Damp 2010, nach denen Mitglieder der Gewerkschaften ver.di und NGG, die über eine durch Stichtage bestimmte Dauer der Mitgliedschaft verfügen, eine höhere Sonderzahlung erhalten, wiederholen die Tarifnormen nicht nur deklaratorisch die Voraussetzungen der normativen Wirkung des Tarifvertrags nach § 4 Abs. 1 TVG, sondern legen eine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung fest(so schon BAG 5. September 2012 - 4 AZR 696/10 - Rn. 28 ff.). Für Gewerkschaftsmitglieder, die zu den geregelten Stichtagen noch nicht einer der genannten Gewerkschaften beigetreten waren, besteht lediglich ein geringerer Sonderzahlungsanspruch für die Jahre 2007 und 2008. Für die Sonderzahlung 2009 ergibt sich zwar durch § 5 Ziff. 9 ein nach EBITDA gleichmäßiger Anspruch unabhängig von einem Stichtag der Gewerkschaftszugehörigkeit. Jedoch bezieht sich auch für dieses Jahr der „Garantiebetrag“ nach § 5 Ziff. 12 ausdrücklich nur auf die Mitglieder der Gewerkschaften ver.di und NGG iSv. Ziff. 13 des § 5 TV-Sonderzahlung Damp 2010.

20

b) § 5 TV-Sonderzahlung Damp 2010 differenziert bei den Faktoren für die Sonderzahlungen der Wirtschaftsjahre 2007 bis 2009 in den Ziffern 4, 5, 7 und 8 sowie für eine garantierte Sonderzahlung in der Ziff. 12 jeweils iVm. Ziff. 13 zulässigerweise zwischen zwei Gruppen von Gewerkschaftsmitgliedern, je nachdem, ob sie vor dem jeweiligen Stichtag - 6. März 2007 für die Sonderzahlung 2007, 1. Januar 2008 bzw. 2009 für die Sonderzahlungen 2008 und 2009 - oder erst danach in einer der beiden Gewerkschaften Mitglied waren oder geworden sind.

21

aa) Die tariflichen Regelungen unterscheiden entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zwischen Mitgliedern einer Gewerkschaft einerseits und „Unorganisierten“ oder „anders Organisierten“ andererseits, sondern zwischen verschiedenen Gruppen von Mitgliedern der Gewerkschaften ver.di und NGG (vgl. dazu auch BAG 5. September 2012 - 4 AZR 696/10 - Rn. 27, 30) und damit allein zwischen tarifgebundenen Arbeitnehmern, also denen, denen ein Tarifvertrag ohnehin nur einen Anspruch verschaffen kann (BAG 5. September 2012 - 4 AZR 696/10 - Rn. 28; 22. September 2010 - 4 AZR 117/09 - Rn. 23; 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 25, BAGE 130, 43).

22

bb) Diese Differenzierung zwischen verschiedenen Gewerkschaftsmitgliedern ist wirksam. Die Tarifvertragsparteien sind innerhalb der Grenzen ihrer Regelungsmacht bei der Bestimmung der Voraussetzungen und der Festlegung der Höhe einer jährlichen Sonderzahlung weitgehend frei (BAG 5. September 2012 - 4 AZR 696/10 - Rn. 31; vgl. zur Entgelthöhe ua. 16. Mai 2013 - 6 AZR 619/11 - Rn. 34 mwN; 24. Juni 2010 - 6 AZR 18/09 - Rn. 25). Sie können deshalb ohne weiteres eine bestimmte vorherige Dauer der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft als Anspruchsvoraussetzung formulieren und als zulässiges Differenzierungskriterium vereinbaren (BAG 5. September 2012 - 4 AZR 696/10 - Rn. 31; 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 46 ff., BAGE 130, 43; zur zulässigen Berücksichtigung koalitionsspezifischer Interessen 30. August 2000 - 4 AZR 563/99 - BAGE 95, 277; 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - BAGE 111, 8). Tarifvertragliche Ansprüche differenzierend zu regeln, entspricht ihrer Regelungsmacht. Dies gilt umso mehr, wenn ein vereinbarter Stichtag nicht willkürlich gewählt wurde, sondern für ihn - wie im Entscheidungsfall - ein sachlicher Grund besteht, nämlich das Datum des ursprünglich abgeschlossenen TV-Sonderzahlung Damp 2007 für das Jahr 2007 und für die folgenden beiden Jahre jeweils den Jahresbeginn (s. bereits BAG 5. September 2012 - 4 AZR 696/10 - Rn. 31). Ob etwas anderes für die Zulässigkeit der weiter gehenden Stichtagsregelung in § 5 Ziff. 13 TV-Sonderzahlung Damp 2010 (Beendigung und/oder Kündigung der Gewerkschaftsmitgliedschaft) gilt, kann hier dahingestellt bleiben. Selbst wenn eine solche tarifliche Regelung unzulässig wäre, wäre der Eintrittsstichtag hiervon nicht betroffen und würde sich daraus auch kein Rechtsanspruch der Klägerin für die von ihr geltend gemachten Forderungen ergeben.

23

c) Die Bezugnahmeklauseln in den Arbeitsverträgen der Klägerin können zwar die Anwendbarkeit des TV-Sonderzahlung Damp 2010 bewirken, sie substituieren aber nicht die für eine höhere Sonderzahlung formulierte weitere Anspruchsvoraussetzung einer Mitgliedschaft einer Arbeitnehmerin in einer der genannten Gewerkschaften zu einem bestimmten Stichtag.

24

Rechtsfolge solcher Verweisungsklauseln ist allein, die Anwendbarkeit der Tarifnormen im Arbeitsverhältnis herbeizuführen und nicht etwa, dem Arbeitnehmer einen bestimmten Status zu verschaffen oder diesen zu fingieren. Die Beklagte wird, da arbeitsvertraglich nichts anderes festgelegt wird, nicht verpflichtet, die Klägerin so zu behandeln, als wäre sie bereits zu einem bestimmten Stichtag einer Gewerkschaft beigetreten (BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 27, BAGE 130, 43). Es verbleibt bei der Anwendung der tariflichen Bestimmungen, die auch für diejenigen Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaften gelten, die die besonderen Voraussetzungen nach § 5 Ziff. 13 TV-Sonderzahlung Damp 2010 nicht erfüllen.

25

Denn ebenso wie die Klägerin haben nicht alle Mitglieder der Gewerkschaften ver.di und NGG, sondern nur die Mitglieder iSv. Ziff. 13 des § 5 TV-Sonderzahlung Damp 2010, die eine bestimmte Dauer der Mitgliedschaft als zusätzliche Voraussetzung erfüllen, Anspruch auf die jeweils erhöhte Sonderzahlung oder den Garantiebetrag. Den „einfachen“ Gewerkschaftsmitgliedern wird die Klägerin aber „gleichgestellt“. Sie hat aufgrund ihrer arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel Anspruch auf die Höhe der Sonderzahlung, die auch Mitglieder der Gewerkschaften ver.di und NGG erhalten, die nicht die weiteren Voraussetzungen der Ziff. 13 des § 5 TV-Sonderzahlung Damp 2010 erfüllen. Diese sind - mit den Worten der Klägerin - die „vergleichbaren Gewerkschaftsmitglieder“. Über diesen Sonderzahlungsbetrag streiten die Parteien auch nicht, die Klägerin hat ihn erhalten. Weshalb darüber hinaus - mit der zwischen den gewerkschaftlich organisierten Mitarbeitern zulässigen tariflichen Unterscheidung (siehe oben) - eine unzulässige Differenzierung gegenüber „Unorganisierten“ vorliegen soll, erschließt sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht. Mit der differenzierenden Höhe der Sonderzahlung wird entgegen ihrer Auffassung kein „unerträglicher Druck“ zum Gewerkschaftseintritt erzeugt. Ein von solchen tariflichen Regelungen ausgehender bloßer Anreiz zum Beitritt einer Koalition ist unerheblich (BVerfG 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - Rn. 66, BVerfGE 116, 202) und lässt sich auch ohne weiteres durch die Gestaltung der Verweisungsklausel gänzlich minimieren.

26

4. Die weitere, von der Klägerin im Revisionsverfahren erhobene Rüge, das Landesarbeitsgericht habe seine Hinweispflicht nach § 139 ZPO verletzt, weil es überraschend die begehrte Sonderzahlungsdifferenz mit der Höhe des Gewerkschaftsbeitrags gegenübergestellt habe, um festzustellen, ob ein „unzulässiger Druck“ ausgeübt werde, der ihre negative Koalitionsfreiheit verletze, ist unbeachtlich. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es weder auf die Höhe der Differenz der Sonderzahlungen noch auf eine Gegenüberstellung mit der Höhe von Gewerkschaftsbeiträgen an.

27

III. Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten der Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Eylert    

        

    Treber    

        

    Winter    

        

        

        

    J. Ratayczak    

        

    Kriegelsteiner    

                 

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 9. November 2010 - 14 Sa 945/10 - aufgehoben, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 449,50 Euro brutto (Vergütungsdifferenz für August und September 2009) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 181,25 Euro brutto seit dem 16. September 2009 und aus weiteren 268,25 Euro brutto seit dem 16. Oktober 2009 zu zahlen.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.

2

Der Kläger war beim Beklagten, der ein Bauunternehmen betreibt, bis zum 11. September 2009 als Maurer beschäftigt.

3

Der Arbeitsvertrag vom 16. März 2009 regelt ua.:

        

㤠3

Arbeitszeit

        
        

1.    

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Vollzeitkräfte beträgt 40 Stunden, sofern der BRTV BAU - WEST DEUTSCHLAND keine anderen Regelungen vorsieht.

        

…       

        
        

§ 6

Arbeitsentgelt

        

1.    

Für die bei Einstellung vorgesehene Tätigkeit erhält der AN einen Stundenlohn von 14,50 Euro, der jeweils am 15. des Folgemonats bargeldlos zahlbar ist.

        

2.    

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, über seine tägliche Arbeitszeit nachvollziehbare Aufzeichnungen zu führen und diese spätestens bis zum 3. Werktag des Folgemonats bei dem Arbeitgeber einzureichen. Eine Vergütung erfolgt nur für nachgewiesene Stunden. Erfolgt keine Meldung, ist der Arbeitgeber zur Schätzung berechtigt. Eine spätere Korrektur ist nur in begründeten Ausnahmefällen möglich.“

4

In § 3 des allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe(BRTV-Bau) vom 4. Juli 2002 idF des Änderungstarifvertrags vom 20. August 2007 ist bestimmt:

        

„1.     

Allgemeine Regelung

        

1.1     

Durchschnittliche Wochenarbeitszeit

                 

Die durchschnittliche regelmäßige Wochenarbeitszeit im Kalenderjahr beträgt 40 Stunden.

        

1.2     

Tarifliche Arbeitszeit

                 

In den Monaten Januar bis März und Dezember beträgt die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit ausschließlich der Ruhepausen montags bis donnerstags 8 Stunden und freitags 6 Stunden, die wöchentliche Arbeitszeit 38 Stunden (Winterarbeitszeit). In den Monaten April bis November beträgt die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit ausschließlich der Ruhepausen montags bis donnerstags 8,5 Stunden und freitags 7 Stunden, die wöchentliche Arbeitszeit 41 Stunden (Sommerarbeitszeit).

        

1.3     

Arbeitszeitausgleich innerhalb von zwei Wochen

                 

Die nach betrieblicher Regelung an einzelnen Werktagen ausfallende Arbeitszeit kann durch Verlängerung der Arbeitszeit ohne Mehrarbeitszuschlag an anderen Werktagen innerhalb von zwei Kalenderwochen ausgeglichen werden (zweiwöchiger Arbeitszeitausgleich). Die Wochenarbeitszeit kann somit nach den betrieblichen Erfordernissen und den jahreszeitlichen Lichtverhältnissen im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat oder, wenn kein Betriebsrat besteht, im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer auf die Werktage verteilt werden.

        

1.4     

Betriebliche Arbeitszeitverteilung in einem zwölfmonatigen Ausgleichszeitraum

        

1.41   

Durchführung

                 

Durch Betriebsvereinbarung oder, wenn kein Betriebsrat besteht, durch einzelvertragliche Vereinbarung kann für einen Zeitraum von zwölf zusammenhängenden Lohnabrechnungszeiträumen (zwölfmonatiger Ausgleichszeitraum) eine von der tariflichen Arbeitszeitverteilung abweichende Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Werktage ohne Mehrarbeitszuschlag vereinbart werden, wenn gleichzeitig ein Monatslohn nach Nr. 1.42 gezahlt wird. Aus dieser Betriebsvereinbarung bzw. der einzelvertraglichen Vereinbarung muss sich ergeben, in welcher Form und mit welcher Ankündigungsfrist die jeweilige werktägliche Arbeitszeit festgelegt wird.

                 

…       

        

1.42   

Monatslohn

                 

Bei betrieblicher Arbeitszeitverteilung wird während des gesamten Ausgleichszeitraumes unabhängig von der jeweiligen monatlichen Arbeitszeit in den Monaten April bis November ein Monatslohn in Höhe von 178 Gesamttarifstundenlöhnen und in den Monaten Dezember bis März ein Monatslohn in Höhe von 164 Gesamttarifstundenlöhnen gezahlt.

                 

…“    

5

Für August 2009 rechnete der Beklagte 153,5 Stunden und ein Guthaben aus einem Arbeitszeitkonto ab. Für September 2009 erteilte er keine Abrechnung.

6

Der Kläger hat für August und September 2009 von ihm auf Vordrucken des Beklagten erstellte Arbeitszeiterfassungen mit Angabe des täglichen Arbeitsbeginns, des Arbeitsendes, der Pausendauer, der täglich und monatlich geleisteten Arbeitsstunden sowie der jeweiligen Baustellen vorgelegt und behauptet, er habe in diesen beiden Monaten weitere 31 Stunden gearbeitet.

7

Der Kläger hat, soweit für die Revision von Interesse, beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 449,50 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 181,50 Euro brutto seit dem 16. September 2009 und aus weiteren 268,25 Euro brutto seit dem 16. Oktober 2009 zu zahlen.

8

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, im August habe sich der Kläger an einzelnen Tagen krankgemeldet. Am 1. September 2009 habe der Kläger eine halbe Stunde weniger als behauptet und am 2. und 7. September 2009 gar nicht gearbeitet.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat ist an einer eigenen Sachentscheidung gehindert, weil das Landesarbeitsgericht hinsichtlich der streitigen 31 Stunden noch nicht die notwendigen Feststellungen getroffen hat (§ 563 Abs. 3 ZPO).

11

I. Der Kläger kann die Vergütung für die streitigen Stunden nicht gemäß § 3.1.42 BRTV-Bau beanspruchen. Hiernach hat der Arbeitnehmer in den Monaten April bis November Anspruch auf einen Monatslohn iHv. 178 Gesamttarifstundenlöhnen, wenn durch Betriebsvereinbarung oder einzelvertraglich ein zwölfmonatiger Ausgleichszeitraum für eine von der tariflichen Arbeitszeitverteilung abweichende Verteilung der Arbeitszeit unter gleichzeitiger Zahlung eines verstetigten Monatslohns vereinbart worden ist. Die Voraussetzungen dieser Tarifnorm liegen nicht vor, ein zwölfmonatiger Ausgleichszeitraum galt im Arbeitsverhältnis der Parteien nicht. Im Streitfall ist vielmehr davon auszugehen, dass für den Kläger auf der Grundlage des § 3.1.3 Satz 1 BRTV-Bau die nach betrieblicher Regelung an einzelnen Werktagen ausfallende Arbeitszeit durch Verlängerung der Arbeitszeit an anderen Werktagen innerhalb von zwei Kalenderwochen ausgeglichen werden konnte.

12

II. Der Kläger hat gemäß § 611 Abs. 1 BGB Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Stundenlohns für die im Klagezeitraum tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Für welche Arbeitsstunden dem Kläger noch Vergütungsansprüche zustehen, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht entscheiden.

13

1. Der Arbeitnehmer trägt für die Behauptung, er habe die geschuldete Arbeit verrichtet, die Darlegungs- und Beweislast.

14

a) Ausgehend von den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts iVm. § 614 BGB gilt im Arbeitsverhältnis der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“( BAG GS 17. Dezember 1959 - GS 2/59 - zu B IV der Gründe, BAGE 8, 285; vgl. auch BAG 13. Februar 2002 - 5 AZR 470/00 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 100, 256; 7. Juni 1988 - 1 AZR 597/86 - zu III 2 a der Gründe, BAGE 58, 332). Verlangt der Arbeitnehmer gemäß § 611 BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er deshalb darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt(zB § 1 BUrlG, §§ 615, 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 37 Abs. 2 BetrVG). Da die konkret zu leistende Arbeit idR vom Arbeitgeber durch Weisungen zu bestimmen ist (§ 106 GewO), genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, er habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten, um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern. Deshalb hat der Arbeitgeber im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und ob der Arbeitnehmer den Weisungen nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden.

15

b) Gelingt dem Arbeitnehmer die Darlegung und im Fall substantiierten Bestreitens der Beweis nicht, muss er das Risiko des Prozessverlustes tragen, wenn sich die sein Begehren tragenden Tatsachen nicht feststellen lassen. Denn die Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt, wer den Anspruch erhebt (BAG 24. Oktober 2001 - 5 AZR 245/00 - zu I 1 der Gründe, AP EntgeltFG § 2 Nr. 8 = EzA EntgeltfortzG § 2 Nr. 3; BGH 18. Mai 1999 - X ZR 158/97 - NJW 1999, 2887; Stein-Jonas/Leipold ZPO 22. Aufl. § 286 Rn. 61, 62; Rosenberg Die Beweislast 5. Aufl. S. 98). Ausgehend von den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Motive I, 383) wird im Anschluss an die Rechtsprechung des Reichsgerichts (RG 28. Februar 1898 - VI 352/97 - RGZ 41, 220; 6. November 1898 - VI 241/99 - RGZ 45, 356; 20. September 1910 - II 592/09 - JW 1910, 937 Nr. 10; 20. November 1928 - III 51/28 - HRR 1929 Nr. 373) dem Schuldner die Beweislast für die Erfüllung einer ihm obliegenden Verpflichtung auch dann zugewiesen, wenn der Gläubiger aus der Nichterfüllung Rechte herleitet bzw. wenn sich an die Nichterfüllung einer positiven vertraglichen Vereinbarung oder die nicht rechtzeitige Erfüllung ungünstige Rechtsfolgen knüpfen, die der Gläubiger geltend macht (BGH 29. Januar 1969 - IV ZR 545/68 - NJW 1969, 875; 17. Januar 2007 - VIII ZR 135/04 - MDR 2007, 703; vgl. auch BGH 15. November 2006 - XII ZR 120/04 - NJW 2007, 2394; Stein-Jonas/Leipold ZPO 22. Aufl. § 286 Rn. 87, 88; Rosenberg Die Beweislast 5. Aufl. S. 346).

16

2. Im Streitfall kommen vertragliche Besonderheiten hinzu.

17

a) Nach § 6 Ziff. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags hat der Kläger nachvollziehbare Tätigkeitsnachweise zu erstellen, die sich auch auf die Art der Tätigkeit erstrecken. Diese vertragliche Abrede ist wirksam. § 6 Ziff. 2 Satz 1 des Verbrauchervertrags (§ 310 Abs. 3 BGB) verstößt weder gegen eines der in §§ 308, 309 BGB bestimmten Klauselverbote, noch benachteiligt die Vereinbarung den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 BGB. Gerade weil der Kläger auf auswärtigen Baustellen in Abwesenheit von Vorgesetzten zu arbeiten hatte, konnte ihm vertraglich auferlegt werden, Tätigkeitsnachweise zu führen und dem Arbeitgeber vorzulegen.

18

b) Die vom Kläger für August und September 2009 vorgelegten Tätigkeitsnachweise sind zwar auf dem vom Beklagten hierfür vorgehaltenen Vordruck erstellt worden, enthalten aber nicht die in der rechten Spalte vorgesehenen Angaben zur „Art der Tätigkeit“ und „etwaigen Gründen von Arbeitsausfällen“. Ergänzenden Vortrag zu diesen Punkten hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und hat der Kläger auch nicht geltend gemacht. Die Vorinstanzen hätten der Klage deshalb nicht stattgeben dürfen. Da sie unzutreffend von der Darlegungs- und Beweislast des Beklagten ausgegangen sind, konnten sie dem Kläger keine sachdienlichen Hinweise erteilen. Dies ist nachzuholen. Dem Kläger muss Gelegenheit gegeben werden, die in den Tätigkeitsnachweisen fehlenden Angaben schriftsätzlich vorzutragen. Sodann wird der Beklagte im Sinne der gestuften Darlegungslast im Einzelnen zu erwidern haben. Sollte substantiierter Vortrag streitig bleiben, wird das Landesarbeitsgericht die angetretenen Beweise zu erheben haben.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Zorn    

        

    Rahmstorf    

                 

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug entgegen einer hierfür nach § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder § 61a Abs. 3 oder 4 gesetzten Frist nicht vorgebracht worden sind, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Landesarbeitsgerichts glaubhaft zu machen.

(3) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug entgegen § 282 Abs. 1 der Zivilprozessordnung nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 der Zivilprozessordnung nicht rechtzeitig mitgeteilt worden sind, sind nur zuzulassen, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei das Vorbringen im ersten Rechtszug nicht aus grober Nachlässigkeit unterlassen hatte.

(4) Soweit das Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel nach den Absätzen 2 und 3 zulässig ist, sind diese vom Berufungskläger in der Berufungsbegründung, vom Berufungsbeklagten in der Berufungsbeantwortung vorzubringen. Werden sie später vorgebracht, sind sie nur zuzulassen, wenn sie nach der Berufungsbegründung oder der Berufungsbeantwortung entstanden sind oder das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder nicht auf Verschulden der Partei beruht.

(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.

(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.