Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 02. Aug. 2018 - 5 Sa 298/17

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2018:0802.5Sa298.17.00
bei uns veröffentlicht am02.08.2018

Tenor

1. Das Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. April 2018, Az. 5 Sa 298/17, wird aufrechterhalten.

2. Die Klägerin hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Schmerzensgeld-, Schadensersatz- und Auslagenersatzansprüche.

2

Die 1979 geborene Klägerin ist seit 01.02.2013 im Einzelhandelsmarkt des Beklagten als Verkäuferin zu einem Monatsgehalt von zuletzt € 1.390,00 brutto bei einer vereinbarten Arbeitszeit von 37,5 Stunden wöchentlich angestellt.

3

Am 28.11.2014 erlitt die Klägerin im Betrieb des Beklagten einen Arbeitsunfall, als ihr eine von ihr wegzuräumende Europalette auf den rechten Fuß fiel. Sie prellte sich den Mittelfuß und brach sich zwei Zehen. Nach diesem Arbeitsunfall war sie bis 08.01.2015 arbeitsunfähig erkrankt. Am 12.04.2016 musste die Klägerin den Markt des Beklagten erschöpft verlassen und war für mehrere Tage arbeitsunfähig krankgeschrieben. Nach Wiederantritt der Arbeit erlitt sie einen weiteren Zusammenbruch. Seit dem 03.05.2016 ist die Klägerin ohne Unterbrechung arbeitsunfähig krankgeschrieben und in ärztlicher Behandlung. Die gesetzliche Krankenkasse gewährte ihr vom 14.06.2016 bis zum 30.10.2017 Krankengeld iHv. kalendertäglich € 28,16 netto. Vom 14.11.2017 bis zum 15.12.2017 nahm die Klägerin an einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahme teil, der gesetzliche Rentenversicherungsträger gewährte ihr Übergangsgeld. Ab 16.12.2017 bezieht die Klägerin von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld I iHv. kalendertäglich € 20,59 netto. Die Bezugsdauer endet laut Bewilligungsbescheid vom 03.01.2018 am 30.11.2018. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 24.04.2018 ordentlich zum 31.08.2018 wegen Schließung des Einkaufsmarktes. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage der Klägerin (Az. 8 Ca 1267/18) ist noch beim Arbeitsgericht Koblenz anhängig. Außerdem ist beim Arbeitsgericht Koblenz noch eine Klage gegen den Beklagten auf Zahlung von € 576.000,00 (Az. 8 Ca 3768/17) anhängig. Ein einstweiliges Verfügungsverfahren auf Pfändung des Geschäftskontos des Beklagten (Az. 8 Ga 32/18) schwebt in zweiter Instanz (Az. 5 SaGa 6/18).

4

Die zuständige Berufsgenossenschaft BGHW hat mit Bescheid vom 20.03.2018 (Bl. 1198 d.A.) im Widerspruchsverfahren ein Karpaltunnel-Syndrom beidseits als Berufskrankheit (Nr. 2113 der Berufskrankheitenliste) anerkannt. Im Widerspruchsverfahren sind nach dem Vortrag der Klägerin bei derselben Berufsgenossenschaft noch zwei Verfahren wegen Erkrankungen der Hals- und Lendenwirbelsäule anhängig: Ein Verfahren auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Berufskrankheitenliste, ein Verfahren auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII.

5

Im vorliegenden Verfahren machte die Klägerin mit Klageerweiterungsschriftsatz vom 31.10.2016 (Bl. 131 ff d.A.) erstinstanzlich zuletzt wegen "grob fahrlässig zugefügten Körperschäden" wegen "gesetzlich verbotener körperlicher Fehl- und Überbelastung" am Arbeitsplatz Schmerzensgeld und Schadensersatz in Höhe von vorläufig € 23.000,00 geltend. Außerdem verlangte sie Aufwendungsersatz für mehrere Fahrten zur Apotheke und zum Arzt, auch nach Bonn, den sie mit vorläufig € 500,00 bezifferte.

6

Im Schriftsatz vom 16.04.2017 (Bl. 548 ff d.A.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, führte sie erstinstanzlich abschließend aus, ihr gehe es nicht ausschließlich um Schmerzensgeld für den am 28.11.2014 erlittenen Arbeitsunfall, sondern um Schadensersatz wegen Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, der gegen gesetzliche Vorschriften, ua. das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitssicherheitsgesetz, das Arbeitsschutzgesetz und die Lastenhandhabungsverordnung, verstoßen habe. Der Beklagte habe arbeitnehmerschützende gesetzliche Vorschriften entweder überhaupt nicht oder nur unzureichend eingehalten. Sie habe am 28.11.2014 keinen Arbeitsunfall in Ausübung einer "üblichen" Arbeitstätigkeit, sondern im Verlauf eines vom Beklagten erzwungenen 13-stündigen Arbeitstags erlitten. Ihr sei nach 10-stündigem Durcharbeiten bei Regen - ohne Wetter- und Arbeitsschutzkleidung - gegen 16:30 Uhr eine über 30 kg schwere Europalette aus den Händen geglitten und auf den Fuß gefallen. Obwohl sie sich den Mittelfuß geprellt und zwei Zehen gebrochen habe, habe sie wegen personeller Unterbesetzung noch bis nach 20:00 Uhr weitergearbeitet. Erst am Folgetag habe sie einen Arzt aufgesucht. Der Beklagte habe den Arbeitsunfall zunächst nicht registriert, dieser sei erst am Folgetag vom behandelnden Arzt der Berufsgenossenschaft gemeldet worden. Der Beklagte habe sich zunächst geweigert, die Verletzungen und den sechswöchigen Arbeitsausfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Dem Beklagten seien nach dem Unfall vom 28.11.2014 weder von der zuständigen Berufsgenossenschaft (BGHW) noch von der zuständigen regionalen Gewerbeaufsicht bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord unfallvermeidende und gesundheitsschützende Auflagen (wie Bereitstellung von Arbeitssicherheitsschuhen und Wetterschutzkleidung) auferlegt worden. Außerdem seien keine Maßnahmen ergriffen worden, damit sie keine Getränkeanlieferungen mehr verräumen müsse. Diese Missstände hätten mindestens bis zum 03.05.2016 angedauert. Schwerwiegender sei, dass der Beklagte im Zeitraum von Februar 2013 bis zum 02.05.2016 "vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig" die Schädigung ihrer Gesundheit als Folge rechtswidriger, gesundheitsschädigender Arbeitsbedingungen "verursacht bzw. billigend in Kauf genommen" habe. Seit dem 03.05.2016 sei sie infolgedessen arbeitsunfähig erkrankt und inzwischen zweimal operiert worden. Der Beklagte habe ihr gegenüber unfair agiert, er habe ihre gesundheitliche Schädigung billigend in Kauf genommen und dabei seine Machtstellung ausgenutzt. Der Beklagte werde entgegen § 5 ff ASiG erst seit dem 01.06.2016 arbeitsmedizinisch betreut, also erst nachdem sie am 28.11.2014 verunfallt und ab 03.05.2016 dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt sei.

7

Mit Schriftsätzen vom 12.04.2017 (Bl. 547 d.A.) und vom 16.04.2017 (Bl. 548 ff d.A.) hat die Klägerin beim Arbeitsgericht Koblenz den Erlass eines Anerkenntnisurteils gegen den Beklagten beantragt. Diesen Antrag hat sie im erstinstanzlichen Kammertermin vom 26.04.2017 erneut zu Protokoll erklärt (Bl. 590 ff d.A.). Das Arbeitsgericht hat diesem Antrag nicht entsprochen.

8

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, ihr Schmerzensgeld, Schadensersatz und den Ersatz der damit verbundenen Aufwendungen für Auslagen in vorläufig bezifferter Höhe von € 23.500,00 zu zahlen.

10

Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

12

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 26.04.2017 Bezug genommen.

13

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage abgewiesen und - zusammengefasst - ausgeführt, der Beklagte sei wegen des Haftungsausschlusses nach § 104 Abs. 1 SGB VII nicht zur Zahlung von Schmerzensgeld, Schadens- oder Auslagenersatz für die von der Klägerin erlittenen Personenschäden verpflichtet. Die Klägerin habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergebe, dass der Beklagte ihre Gesundheitsschäden vorsätzlich iSv. § 104 Abs. 1 SGB VII herbeigeführt habe. Ihr Vortrag komme über bloße Behauptungen nicht hinaus. Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 26.04.2017 (Bl. 624 d.A.) Bezug genommen.

14

Gegen das am 18.05.2017 zugestellte Urteil hat der anwaltliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der sich zweitinstanzlich bestellt hat, mit einem am 15.06.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Der Schriftsatz vom 15.06.2017 (Bl. 681 ff d.A.) lautet:

15

"In dem Rechtsstreit [...] lege ich namens und in Vollmacht der Klägerin/Berufungsklägerin im Rahmen bewilligter und beantragter Prozesskostenhilfe gegen das durch das Arbeitsgericht Koblenz am 26.04.2017 ergangene und am 18.05.2017 zugestellte Urteil, Az. 2 Ca 3267/16, Berufung ein."

16

Auch die Klägerin persönlich legte mit Schriftsatz vom 14.06.2017 (Bl. 682 d.A.) Berufung ein. Dieser lautet:

17

"Im Rahmen bewilligter und hiermit beantragter Prozesskostenhilfe lege ich gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.4.2017, Az. 2 Ca 3267/16, Berufung ein.

18

Wegen menschenrechtswidrigen Anwalts- und Kontrahierungszwangs beantrage ich für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe. ..."

19

Am 11.07.2017 ging die Berufungsbegründungsschrift per Telefax beim Landesarbeitsgericht ein, die vom anwaltlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterzeichnet ist. Dieser Schriftsatz (Bl. 712 ff d.A.) hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

20

"Namens und in Vollmacht der Klägerin Frau [...] wird im Rahmen bewilligter und hiermit beantragter Prozesskostenhilfe das eingelegte Rechtsmittel Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.4.2017, zu Az. 2 Ca 3267/16, wie folgt begründet und es wird beantragt

21

1. die Aufhebung des am 26.04.2017, Az. 2 Ca 3267/16, verkündeten Urteils,

22

2. die Stattgabe des vom 16.04.2017 gestellten Antrags auf den Erlass eines Anerkenntnisurteils,

23

3. dem Beklagten die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten aus dem erstinstanzlichen und dem Berufungsverfahren, incl. seiner Anwalts und die gegnerischen Anwaltskosten aus dem Berufungsverfahren und die notwendigen Auslagen der Rechtsverteidigung der Klägerin aus dem erstinstanzlichen Verfahren in Höhe von € 500,00 zu ersetzen hat

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4. auf Recht zu erkennen, dass der Beklagte gemäß der Klageerweiterungsschrift vom 31.10.2017, gemäß Ziff. 2, der Klägerin Schadensersatz und Schmerzensgeld in geforderter Höhe von € 23.500,00 verpflichtet ist

25

5. und unter Beachtung der Anpassung des Mindestlohns zum 1. Januar 2017, für die Erstattung monatlich entgangenen Lohns seit Wegfall der Lohnfortzahlung wegen Krankheit ab Mitte Juni 2016 zur Ausgleichszahlung verpflichtet ist. Das seit Mitte Juni 2016, seit 13 Monaten bezogene Krankengeld für die Klägerin beläuft sich gerundet auf € 840,00 monatlich. Der entgangene Lohn beläuft sich bei der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 163,5 Stunden seit dem 1. Januar 2017 und dem geltenden Mindestlohn von € 8,86/ Stunde gemäß dem Lohnrechner und einem Nettolohn von monatlich € 1.077,43 für den Zeitraum von Januar bis einschließlich Juli 2017 auf 237 × 7 = € 1.659,00 und für den Zeitraum Juni bis Dezember 2016 und dem geltenden Mindestlohn von € 8,50 bei 163,5 Arbeitsstunden gemäß Lohnrechner einem monatlichen Nettolohn von € 1.040,41 beläuft sich die Forderung für das KJ 2016 auf 6,5 Monate x € 200,00 = € 1.300,00, so dass sich die anerkannte Forderung aus entgangenem Lohn auf insgesamt € 2.959,00, Stand 31.07.2017, beläuft.

26

6. Es wird beantragt festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist der Klägerin nach Wegfall des Anspruchs auf Krankengeld nach 18 Monaten die Differenz für entgangenen Lohn fortzuzahlen und aus ihrer Berufsunfähigkeit den weitergehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen hat.

27

7. Es wird die Verzinsung in Höhe von 6 % über dem Basiszins gemäß der Forderung Ziff. 4 wegen entgangenem Lohn beantragt.
..."

28

Die Klägerin macht nach Maßgabe der Schriftsätze, die ihr anwaltlicher Prozessbevollmächtigter unterzeichnet hat, dh. vom 11.07.2017 (Bl. 712 ff d.A.), vom 02.01.2018 (Bl. 1088 ff d.A.) und vom 17.04.2018 (Bl. 1255 ff d.A.), auf die vollinhaltlich Bezug genommen wird, zusammengefasst geltend, der Beklagte habe ihre Gesundheit vorsätzlich geschädigt. Sie habe als Folge unzulässiger körperlicher Zwangsarbeit ua. ein beidseits, operativ behandeltes Karpaltunnel-Syndrom sowie Schädigungen und Bandscheibenvorfälle an der Hals- und Lendenwirbelsäule erlitten.

29

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.04.2018 ist der anwaltliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin zwar erschienen, er hat jedoch ausweislich der Sitzungsniederschrift (Bl. 1245 ff d.A.) keine Sachanträge gestellt. Deshalb hat die Kammer die Berufung der Klägerin durch Versäumnisurteil zurückgewiesen (Bl. 1252 d.A.). Gegen das Versäumnisurteil, das dem Rechtsanwalt der Klägerin am 24.04.2018 zugestellt worden ist, hat er am 24.04.2018 Einspruch eingelegt (Bl. 1312 d.A.) und diesen mit Schriftsatz vom 26.04.2018, auf dessen Inhalt vollumfänglich Bezug genommen wird, begründet. (Bl. 1334 ff d.A.). Eine weitere Begründung erfolgte mit Schriftsatz vom 24.07.2018 (Bl. 1375 ff d.A.), auf den wegen aller Einzelheiten ebenfalls Bezug genommen wird.

30

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin führt zur Begründung des Einspruchs im Schriftsatz vom 26.04.2018 (Bl. 1334 d.A.) - zusammengefasst - aus, die Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils am 19.04.2018 hätten nicht vorgelegen. Die Verfahrensrechte der Klägerin seien auch zweitinstanzlich grob verletzt worden, ua. weil sich die Vorsitzende geweigert habe, den erheblichen Beweisanträgen, ua. auf Anhörung von Zeugen und Sachverständigen, Vorlage von Urkunden, Beiziehung von Behördenakten und handschriftlichen Korrespondenzen, die er im Schriftsatz vom 02.01.2018 (Bl. 1088 ff. d.A.) gestellt habe, rechtszeitig vor dem Termin vom 19.04.2018 nachzugehen. Das Arbeitsgericht Koblenz hätte auf Antrag der Klägerin ein Anerkenntnisurteil erlassen müssen. Die Annahme des Arbeitsgerichts, dass der Beklagte nicht für die Gesundheitsschäden der Klägerin haften müsse, weil er in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert und nach § 104 Abs. 1 SGB VII die Haftung für Personenschäden ausgeschlossen sei, sei unrichtig. Der Haftungsausschluss greife nicht bei Vorsatz, auch bei bedingtem Vorsatz. Der Beklagte habe zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt. Den Beklagten, der arbeitnehmerschützende Vorschriften nicht eingehalten habe, treffe die alleinige Darlegungs- und Beweislast, dass er die Klägerin keinen Arbeitsbedingungen ausgesetzt und ihr keinen Arbeitsplatz zugemutet habe, infolgedessen sie schwere Körperschäden davongetragen habe. Im Einzelhandelsunternehmen des Beklagten habe es bis zum Zeitpunkt ihrer Arbeitsunfähigkeit ab 03.05.2016 weder einen Betriebsarzt noch einen arbeitsmedizinischen Betreuer gegeben. Der Beklagte habe auch die gesetzlichen Auflagen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht erfüllt, weil er keine Schulungen im Hinblick auf Gesundheitsschutz und Unfallverhütung durchgeführt und dokumentiert habe. Der Beklagte habe im Rechtsstreit keine Nachweise vorgelegt, die ihn von seiner Verantwortung für die vorsätzliche Schädigung der Gesundheit der Klägerin entschuldigen könnten. Der Beklagte bestreite alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Er habe seit Klageerhebung auf die Klage nicht erwidert, er bestreite lediglich die Klägerin in ihrer Gesundheit geschädigt und zum Verräumen von Getränkelastzügen ohne technische Hilfsmittel gezwungen zu haben. Der Beklagte, der die Gesundheit der Klägerin vorsätzlich zerstört habe, entziehe sich jetzt seiner Verantwortung, indem er seinen Betrieb verkauft und das Arbeitsverhältnis gekündigt habe. Der Beklagte habe Widerspruch gegen behördliche Auflagen wegen Verstößen ua. gegen das Arbeitszeit- und Arbeitsschutzgesetz erhoben. Über seinen Rechtsanwalt habe er nach Akteneinsicht davon Kenntnis erlangt, dass die Gewerbeaufsicht bei der SGD Nord im Juni 2015 vom Verlobten der Klägerin über die bei ihm vorherrschenden gesundheitsgefährdenden und rechtswidrigen Arbeitsbedingungen schriftlich in Kenntnis gesetzt worden sei. Der Beklagte habe die Klägerin aus Rache und verletzter Eitelkeit in ihrer Gesundheit geschädigt. Aus ihren handschriftlichen Aufzeichnungen gehe hervor, dass der Beklagte sie gemobbt habe. Als Bestrafung habe er sie verstärkt gezwungen, an bis zu zwei Tagen in der Woche (jeweils dienstags und donnerstags), die auf bis zu 20 Europaletten mit je 36 bis 40 Kästen angelieferten Getränke mit einem Einzelgewicht je Getränkekasten zwischen 17,5 kg und über 20 kg ohne technische Hilfsmittel, also mehrere 100 Getränkekästen je Anlieferung, einzeln zu verräumen. Der Beklagte habe sie am 05.02.2016 gegen 20:15 Uhr gefragt, ob ihr "Mann" beim Gewerbeaufsichtsamt angerufen habe. Am 15.02.2016 habe er gefragt, ob sie ihrem "Mann" gesagt habe, dass sie zum 01.04.2016 gekündigt sei. Am 16.03.2016 gegen 11:00 Uhr sei der Beklagte in die Getränkeabteilung gekommen und habe sie angewiesen, bis 13:30 Uhr alle Getränke, auch das Bier, zu verräumen. Am 07.04.2016 um 7:20 Uhr sei die Getränkelieferung, bestehend aus 18 Paletten "gemischt", bereits eingetroffen gewesen. Die Klägerin und ein 14-jähriger Praktikant hätten die Kästen von der Palette runterstapeln müssen. Am 12.04.2016 sei die Klägerin trotz Erkältung zur Arbeit gekommen. Die Filialleitung habe ihr gesagt, sie sehe schlecht aus und sie gefragt, ob sie krank sei. Die Klägerin habe ihr erklärt, dass sie trotz Erkältung wegen der Getränkelieferung zur Arbeit gekommen sei, sie habe die Lieferung angenommen und dem Lieferanten das Leergut mitgegeben. Dann habe sie trotz ihrer fiebrigen Erkältung die Getränke verräumen müssen. Die Filialleitung habe ihr mitgeteilt, dass der 14-jährige Praktikant kommen werde, um zu helfen. Die Klägerin habe vor Erschöpfung nicht mehr arbeiten können. Der Beklagte sei erschienen und habe erklärt, dass die Klägerin und der Praktikant noch 40 Bierkästen verräumen könnten. Die Klägerin sei zur Filialleiterin gegangen und habe ihr erklärt, dass sie nicht mehr könne. Daraufhin habe die Filialleiterin erklärt, dass sie nach Hause gehen könne. Am 28.11.2014 habe die Klägerin bei einer unzulässigen 11,5-stündigen Arbeitsschicht von morgens 7:30 Uhr bis abends 20:00 Uhr gegen 16:30 Uhr nach neun Stunden Arbeitszeit den Arbeitsunfall beim Hantieren mit der Getränkepalette erlitten. Der Beklagte habe den Arbeitsunfall später mit Nichtwissen bestritten, weil er angeblich nicht anwesend gewesen sei. Auch die Schichtleiterin sei vom Beklagten im Hinblick auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht geschult und eingewiesen worden. Ein Unfallbuch sei beim Beklagten nicht existent. Der Beklagte habe sie nicht nur zu gesundheitsschädigender körperlicher Arbeit, sondern auch zu verbotener Arbeit von über 10 Stunden täglich gezwungen. Die tägliche Arbeitszeit sei vom Beklagten nicht erfasst worden, sie habe für die geleistete Mehrarbeit regelmäßig keine Vergütung oder Freizeitausgleich erhalten. Der Beklagte habe die Mehrarbeit bestritten.

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Mit Schriftsatz vom 24.07.2018 (Bl. 1375 ff d.A.) führt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin - zusammengefasst - weiter aus, der Beklagte sei nicht willens gewesen, arbeitnehmerschützende gesetzliche Vorschriften einzuhalten. Er habe fortlaufend und bewusst das Arbeitsschutzgesetz und die Lastenhandhabungsverordnung nicht eingehalten. Die Ansicht des Arbeitsgerichts, dass die Verletzung von Arbeitnehmerschutzvorschriften "freilich keinen Vorsatz" indiziere, sei unzutreffend. Diese Schlussfolgerung stehe mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht im Einklang. Der Beklagte habe gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung im Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren unwahre Angaben gemacht. Der Klägerin werde aufgrund dieser wahrheitswidrigen Angaben von der Berufsgenossenschaft und von der Deutschen Rentenversicherung bisher jede Unterstützungsleistung und Rehabilitation verweigert. Lediglich die Erkrankung am Karpaltunnel-Syndrom (beidseits) sei als Berufskrankheit anerkannt worden; dies habe im Hinblick auf eine Erwerbsminderung und Rehabilitation jedoch keine Folgen. Der Einkaufsmarkt des Beklagten sei zweimal wöchentlich, je nach Jahreszeit und Kundennachfrage, mit jeweils bis zu 20 Europaletten Getränkekästen, also bis zu 1000 Kästen pro Anlieferung, beliefert worden. Der Beklagte selbst habe nur in seltenen Fällen die angelieferten Getränkekästen mittels Ziehhaken auf den Boden des Parkplatzes gehievt und in das Lager oder den Verkaufsraum transportiert und einzeln einsortiert. Die Getränkelieferungen seien ohne technische Hilfsmittel, bis auf einen Ziehhaken, einen defekten Handhubwagen und eine antiquierte Sackkarre, auch im Außenbereich des Geschäftsgebäudes, bei Wind und Wetter - ohne Arbeits- und Wetterschutzkleidung - verräumt worden. Diese Arbeiten habe bis zu ihrer andauernden Arbeitsunfähigkeit ab 03.05.2016 - außer einer weiteren Mitarbeiterin - allein die Klägerin verrichtet. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt übereinandergestapelte Getränkekästen von einer Palette nach vorn gekippt und mittels Ziehhaken von der Palette gezogen, sondern die - in der Regel fünf - auf den Paletten übereinandergestapelten Kästen jeweils einzeln von den Paletten auf dem Fußboden abgesetzt und übereinander gestapelt und anschließend mittels Ziehhaken oder Sackkarre in den Verkaufsraum oder das Warenlager transportiert. Das freie Heben schwerer Lasten bis zu über 20 kg durch die Klägerin - und nicht wie vom Beklagten behauptet von nur 15 kg - über Kopf und Schulter bei 100-facher Wiederholung in einer Arbeitsschicht, zweimal wöchentlich, bei stark und bis über 90 Grad nach vorn oder weit zurückgeneigtem Oberkörper belaste die Hals- und Lendenwirbelsäule, die Arme, die Hand- und die Schultergelenke außerordentlich. Diese zu hohe Belastungsdosis habe zwangsläufig zur Schädigung der Hals- und Lendenwirbelsäule, der Gliedmaßen und Gelenke binnen weniger Jahre geführt. Der Beklagte sei gem. §§ 3, 4, 5 ArbSchG verpflichtet gewesen, vor der Anweisung Arbeiten mit erhöhtem Gesundheitsgefährdungspotenzial zu verrichten, zu prüfen, ob die Klägerin bei nur 1,52 m Körpergröße und als Frau überhaupt dazu geeignet sei, bis zu zweimal wöchentlich bis zu jeweils 1000 auf Paletten angelieferte Getränkekästen zu verräumen, indem sie mit nach vorn und nach hinten gebeugtem Oberkörper Getränkekästen mit einem Einzelgewicht bis zu 20 kg über Kopf und Schulter beim Absetzen von den Paletten habe stemmen und wieder aufstapeln müssen. Der Beklagte habe somit ihre Gesundheitsgefährdung nicht nur billigend in Kauf genommen, er habe sie vielmehr wissentlich und wollentlich, ua. wegen Rachegelüsten, schikaniert und gemobbt und auch in ihrer Gesundheit schädigen wollen. Er habe sie auch deswegen geschädigt, weil ihr Verlobter den Behörden die Verletzung von arbeits- und gesundheitsschutzrechtlichen Vorschriften angezeigt habe.

32

Der Verlobte der Klägerin, der im Termin vom 02.08.2018 als Beistand neben dem anwaltlichen Prozessbevollmächtigten aufgetreten ist, führte in der mündlichen Verhandlung (Bl. 1498 ff d.A.) ergänzend aus, die Ansicht des Arbeitsgerichts, dass eine Verletzung arbeitsrechtlicher Vorschriften, zB. des Arbeitsschutzgesetzes, freilich noch keinen Vorsatz bedinge, sei unzutreffend. Ein Arbeitgeber müsse, um ein Gewerbe ausüben zu dürfen, den Nachweis führen, dass er geeignet sei, in fachlicher und persönlicher Hinsicht personelle Verantwortung zu übernehmen. Diesem Anspruch habe der Beklagte nicht genügt, weil er fortlaufend und bewusst Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz und die Lastenhandhabungverordnung billigend in Kauf genommen habe. Auch dann, als er von der SGD Nord aufgefordert worden sei, diese Vorschriften einzuhalten, habe er sich geweigert. Im Juli 2017 sei beim Getränkeräumen eine Kollegin der Klägerin verunfallt und habe sich den Fuß gebrochen. Die Einhaltung der Lastenhandhabungsverordnung sehe vor, dass Frauen beim häufigen Heben von Lasten niemals die Grenzhublast von 10 kg überschreiten dürften. Die Klägerin habe zuletzt permanent, zweimal wöchentlich, je nach Schichtdienst bis maximal 800 Getränkekästen mit einem Einzelgewicht zwischen 15 und 20 kg von fünf übereinandergestapelten Kästen absetzen, wieder übereinanderstapeln und dann mit einem Ziehhaken über 15 bis 20 Meter in den Verkaufsraum oder ins Lager ziehen müssen. Nach Feierabend, nach der Ableistung von 14-stündigen unbezahlten Doppelschichten, habe sie das auf dem Hof befindliche Leergut - mit bis 40 Europaletten mit einer Bestückung von 36 bis 40 Kästen mit einem Einzelgewicht pro Palette bis 700 kg - mit einem Handhubwagen leicht ansteigendes Gelände zwischen die Regale in den Verkaufsraum ziehen müssen. Er (der Verlobte) habe selbst dabei geholfen. Weil die Klägerin keinen Führerschein besitze, habe er sie jeden Tag zur Arbeit gebracht und geholt. Abends habe er der Klägerin geholfen; er habe an ihrer Stelle mitgeholfen die schweren Paletten mit dem Leergut in den Markt reinzuziehen. Der Beklagte sei von der zuständigen Berufsgenossenschaft im Rahmen des Berufskrankheiten-Feststellungsverfahrens im Hinblick auf die Erkrankung der Klägerin, aufgefordert worden, eine Gefährdungsbeurteilung seines Betriebs durchzuführen. Dies sei am 09.08.2016 geschehen. Der Beklagte habe sich dabei fotografieren lassen, wie er selbst fünf übereinandergestapelte Kästen nach vorn gebeugt und unten mit einem Gegenstand arretiert habe. Der Beklagte habe die Kästen jedoch nicht von der Palette herunterbewegt (siehe Anlage 5sa-3 zum Schriftsatz vom 24.07.2018, Bl. 1397 d.A.). Der Beklagte habe hierbei gegenüber einer Behörde wissentlich falsche Angaben gemacht. Dies habe dazu geführt, dass der Klägerin die Erkrankung ihrer Hals- und Lendenwirbelsäule aufgrund des Nichterreichens der Mindestdosis der Belastung nicht als Berufskrankheit anerkannt worden sei. Die Arbeitsplatzbeschreibung seitens des Arbeitgebers bildet dafür mit die Grundlage.

33

Der anwaltliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragte im Termin vom 02.08.2018 zunächst,

34

das Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19.04.2018 aufzuheben und nach den Anträgen aus dem Schriftsatz vom 11.07.2017 zu erkennen.

35

Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten beantragte,

36

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

37

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 04.09.2017 (Bl. 797 ff d.A.).

38

Nach Antragstellung hat der anwaltliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer am 02.08.2018 den Klageantrag zu 5. aus dem Schriftsatz vom 11.07.2017 zurückgenommen. Außerdem stellte er die Höhe des Schmerzensgeldes in das Ermessen des Gerichts und reduzierte die Zinsforderung. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten äußerte sich zur teilweisen Klagerücknahme nicht.

39

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

40

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld, Schadens- und Auslagenersatz iHv. € 23.500,00 zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsgericht war auf Antrag der Klägerin nicht verpflichtet, ein Anerkenntnisurteil zu erlassen. Die in zweiter Instanz vorgenommene Klageerweiterung war zwar zulässig, sämtliche Klageanträge aus dem Schriftsatz vom 11.07.2017 sind jedoch unbegründet. Den zweitinstanzlich gestellten Klageantrag zu 5. hat die Klägerin im Termin vom 02.08.2018 mangels Einwilligung des Beklagten nicht wirksam zurückgenommen; über ihn war daher zu entscheiden.

I.

41

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

42

1. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Schriftsatz ihres anwaltlichen Prozessbevollmächtigten vom 15.06.2017 als unbedingte Berufungsschrift, der Schriftsatz vom 11.07.2017 als unbedingte Berufungsbegründung auszulegen.

43

Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, der die Berufungskammer folgt, ist die Einreichung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe verbunden mit einem Schriftsatz, der die gesetzlichen Anforderungen an eine Berufungsschrift oder an eine Berufungsbegründung erfüllt, regelmäßig als unbedingt eingelegtes und begründetes Rechtsmittel zu behandeln. Die Annahme, ein entsprechender Schriftsatz sei nicht als unbedingte Berufung oder Berufungsbegründung bestimmt, ist in solchen Fällen nur dann gerechtfertigt, wenn sich dies entweder aus dem Schriftsatz selbst oder sonst aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt; denn im Allgemeinen will keine Partei die mit einer Fristversäumung verbundenen Nachteile in Kauf nehmen (vgl. BGH 03.05.2018 - IX ZB 72/17 - Rn. 6 mwN; BGH 30.05.2017 - VIII ZB 15/17 - Rn. 15 mwN).

44

Im Schriftsatz vom 15.06.2017 hat der anwaltliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, dass er "im Rahmen bewilligter und beantragter" Prozesskostenhilfe gegen das am 18.05.2018 zugestellte erstinstanzliche Urteil Berufung einlegt. Im Schriftsatz vom 11.07.2017 hat er formuliert, dass er "im Rahmen bewilligter und hiermit beantragter Prozesskostenhilfe" das "eingelegte Rechtsmittel Berufung" begründe. Beide Schriftsätze sind als unbedingt eingelegtes Rechtsmittel und als unbedingte Rechtsmittelbegründung auszulegen, denn sie erschöpfen sich nicht in einem Prozesskostenhilfegesuch. Der anwaltliche Prozessbevollmächtigte hat die Einlegung und Begründung der Berufung nicht von der Bedingung abhängig gemacht, dass der Klägerin Prozesskostenhilfe gewährt werde. Die Schriftsätze sind nicht als bloßes Prozesskostenhilfegesuch bezeichnet worden, sondern der Schriftsatz vom 15.06.2017 als Berufung, die - in Fettdruck und zentriert - namens und in Vollmacht der Klägerin eingelegt worden ist. Mit Schriftsatz vom 11.07.2017 wurde "das eingelegte Rechtsmittel Berufung" begründet. Vor diesem Hintergrund lässt der Zusatz, dass "im Rahmen bewilligter und (hiermit) beantragter Prozesskostenhilfe" Berufung eingelegt wird, für sich genommen nicht die erforderliche zweifelsfreie Deutung zu, dass die Berufung nur bedingt unter der Voraussetzung der Gewährung von Prozesskostenhilfe erfolgen sollte. Die paradoxe Wendung "im Rahmen bewilligter und (hiermit) beantragter Prozesskostenhilfe" wiederholt die Klägerin bzw. ihr Verlobter - und zweitinstanzlich auch ihr anwaltlicher Prozessbevollmächtigter - stereotyp zu Beginn fast jeden Schriftsatzes.

45

2. Das sich aus § 11 Abs. 4 Satz 1 ArbGG ergebende Vertretungserfordernis war (gerade noch) gewahrt. Die Klägerin war anwaltlich vertreten. Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift tragen den Briefkopf eines Rechtsanwalts und die Unterschrift eines Angehörigen dieses Berufsstandes.

46

Das Erfordernis, sich vor bestimmten Gerichten, ua. den Landesarbeitsgerichten, durch Rechtsanwälte oder andere postulationsfähige Personen vertreten zu lassen, ist nicht gewahrt, wenn Schriftsätze zwar durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet wurden, sie jedoch nicht „aus sich heraus“ erkennen lassen, dass der postulationsfähige Prozessbevollmächtigte selbst den Streitstoff gesichtet, geprüft und rechtlich durchdrungen bzw. durchgearbeitet hat. Die Berufungsbegründung muss Ergebnis der geistigen Arbeit des Berufungsanwalts sein. Das Gebot der eigenständigen Sichtung, Prüfung und Durcharbeitung des Streitstoffs wird nicht nur dann missachtet, wenn die postulationsfähige Person eine von dritter Seite -namentlich durch den Mandanten selbst - verfasste Schrift ausdrücklich (zB. durch eine Bezugnahme hierauf) lediglich „weitergibt“; ein Verstoß gegen das Vertretungserfordernis liegt vielmehr auch dann vor, wenn die Ausführungen der nicht postulationsfähigen Person unter dem Briefkopf eines Rechtsanwalts in Erscheinung treten und durch dessen Unterschrift abgeschlossen werden, aufgrund der Diktion oder des Inhalts des Texts jedoch feststeht, dass der Prozessbevollmächtigte sie „ohne erkennbare eigenständige Würdigung“ unverändert übernommen hat. Ein dahingehender Schluss ist namentlich dann gerechtfertigt, wenn in solchen Schriftsätzen enthaltene Ausführungen in juristischer Hinsicht abwegig und unhaltbar sind oder aus ihnen hervorgeht, dass dem Verfasser die für ein bestimmtes Rechtsmittel geltenden Begründungsanforderungen nicht geläufig sind (vgl. BayVGH 04.06.2018 - 22 C 18.780 - Rn. 34 ff mwN; BGH 14.03.2017 - VI ZB 34/16 - Rn. 7 ff; BGH 24.01.2008 - IX ZB 258/05 - Rn. 7 ff mwN).

47

Dass die Klägerin bzw. ihr Verlobter im Streitfall Urheber der Schriftsätze des anwaltlichen Prozessbevollmächtigten sind, folgt aus einem Vergleich der Wortwahl, des Satzbaus sowie des sonstigen Sprachstils dieser Zuschriften mit den Schreiben, die die Unterschrift der Klägerin und ihres Verlobten tragen und die sich in großer Zahl in den Gerichtsakten befinden, die dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vorliegen. Denn die stilistischen und typografischen Eigentümlichkeiten, die für die von der Klägerin und ihrem Verlobten stammenden Schreiben kennzeichnend sind, finden sich auch in den Schriftsätzen, die der Rechtsanwalt unter seinem Briefkopf unterzeichnet und eingereicht hat. Im Übrigen haben die Klägerin und ihr Verlobter im ersten Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende der Berufungskammer vom 26.09.2017 (dort Seite 12 oben, Bl. 906 d.A.) ausgeführt, dass die Klagebegründungsschrift [offensichtlich gemeint: Berufungsbegründung] zwar von Rechtsanwalt B. eingereicht, jedoch nicht von diesem gefertigt worden sei, sondern von der Klägerin mit Hilfe ihres - nach seiner Einschätzung "als Autodidakt juristisch vorgebildeten"- Verlobten.

48

Obwohl nach den Umständen vieles dafür spricht, dass Rechtsanwalt B. die von der Klägerin bzw. ihrem Verlobten verfassten Schriftsätze ohne eigene Prüfung unterschrieben hat, weil auch die zweitinstanzlichen Schriftsätze in weiten Teilen durch Ausführungen geprägt sind, die juristisch abwegig und unhaltbar sind, geht die Berufungskammer - bei der auch hier gebotenen rechtsschutzfreundlichen Auslegung - davon aus, dass Rechtsanwalt B. die volle Verantwortung für den Inhalt der von ihm unterzeichneten Schriftsätze übernehmen wollte. Er hat die Schriftsätze ohne Vorbehalte und Zusätze unterzeichnet. In den mündlichen Verhandlungen vor der Berufungskammer wurde deutlich, dass er sich dem Verlobten der Klägerin, der als Beistand iSv. § 11 Abs. 6 ArbGG das Wort führte, im Willen untergeordnet hat.

II.

49

In der Sache hat die Berufung der Klägerin keinen Erfolg. Sämtliche Klageanträge sind unbegründet.

50

1. Das Arbeitsgericht hat den erstinstanzlich allein gestellten Klageantrag (Berufungsantrag zu 4.) auf Zahlung von Schmerzensgeld, Schadens- und Auslagenersatz in vorläufig bezifferter Höhe von € 23.500,00 zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.

51

a) Entgegen der abwegigen Rechtsansicht der Klägerin war das Arbeitsgericht nicht verpflichtet, ihrem Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils zu entsprechen. Der Beklagte hat keine Anerkenntniserklärung iSd. § 307 ZPO abgegeben. Er hat vielmehr ausdrücklich und unmissverständlich Klageabweisung beantragt.

52

b) Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Ersatz materieller oder immaterieller Schäden, weil sie behauptet, dass der Beklagte ihre gesundheitlichen Beschwerden, die zu mehreren Berufskrankheiten geführt haben sollen, vorsätzlich herbeigeführt habe. Das Arbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Beklagte nicht nach §§ 823, 847 BGB bzw. nach §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 618 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, der Klägerin Schmerzensgeld, Schadens- oder Auslagenersatz wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit zu leisten.

53

Nach der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts ist ein Anspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen, weil dem Beklagten nicht vorgeworfen werden kann, die behaupteten Versicherungsfälle vorsätzlich herbeigeführt zu haben. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung sind unbegründet.

54

aa) Nach § 104 SGB VII sind die Ansprüche eines Versicherten auf Ersatz des Personenschadens gegen den Unternehmer grundsätzlich ausgeschlossen. Ausnahmen gelten nur, wenn der Unternehmer den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Versicherungsfälle iSd. § 104 Abs. 1 SGB VII sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII sowohl Arbeitsunfälle als auch Berufskrankheiten.

55

Vorliegend unterfielen die von der Klägerin beschriebenen körperlichen Beschwerden - deren Vorhandensein und der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit bei dem Beklagten zu ihren Gunsten unterstellt - entweder dem Katalog der Berufskrankheitenverordnung (Berufskrankheit Nr. 2113 und Nr. 2108) bzw. wären als sog. Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen. Die Klägerin behauptet, sie habe sich durch ihre rund dreijährige Tätigkeit im Einkaufsmarkt des Beklagten ein Karpaltunnel-Syndrom (beidseits) sowie bandscheibenbedingte und sonstige gesundheitliche Schäden an der Hals- und Lendenwirbelsäule zugezogen. Außerdem - dies ist unstreitig - habe sie sich bei dem Arbeitsunfall am 28.11.2014 den rechten Mittelfuß geprellt und zwei Zehen gebrochen. Die Haftung des Beklagten ist vor diesem Hintergrund auf die vorsätzliche Herbeiführung der betreffenden Gesundheitsstörungen beschränkt.

56

bb) Die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatz-, Schmerzensgeld- und Aufwendungsersatzansprüche sind Personenschäden iSd. § 104 VII, für die der Haftungsausschluss des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII gilt. Eine Vermögensbeeinträchtigung ist dann ein Personenschaden, wenn sie durch die Verletzung eines Menschen verursacht wird; hierunter fällt nicht nur der immaterielle Schaden (Schmerzensgeld), sondern auch jeder mittelbare materielle Vermögensschaden - wie beispielsweise Verdienstausfallschäden, Fahrtkosten im Zusammenhang mit Arzt-, Krankenhaus- oder Apothekenbesuchen - als Folge der Körperverletzung (vgl. BGH 08.03.2012 - III ZR 191/11 - Rn. 8, 9; BAG 22.04.2004 - 8 AZR 159/03 - Rn. 22 mwN).

57

Die gesetzliche Unfallversicherung verlagert den Schadensausgleich bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten aus dem individualrechtlichen in den sozialrechtlichen Bereich. Die zivilrechtliche Haftung des Unternehmers für fahrlässiges Verhalten bei Personenschäden gegenüber dem Arbeitnehmer wird durch die öffentlich-rechtliche Leistungspflicht der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung abgelöst (§ 104 SGB VII). Mit dieser Ablösung einher geht eine entsprechende Haftungsfreistellung des Unternehmers.

58

cc) Zu Unrecht wendet sich die Berufung gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts, der Beklagte habe die Gesundheit der Klägerin nicht vorsätzlich geschädigt.

59

(1) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. unter vielen BAG 22.04.2004 - 8 AZR 159/03 - Rn. 36 mwN) ist Vorsatz das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs. Der Handelnde muss den rechtswidrigen Erfolg vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Der Erfolg muss von dem Handelnden billigend in Kauf genommen worden sein. Nicht erforderlich ist, dass der Erfolg gewünscht oder beabsichtigt worden ist. Dabei genügt es nicht, dass sich der Vorsatz nur auf die Verletzungshandlung bezieht, sondern dieser muss sich auch auf den Verletzungserfolg, den Personenschaden erstrecken (vgl. nur BGH 08.03.2012 - III ZR 191/11 - Rn. 14 mwN.). Für den Ausschlusstatbestand des Vorsatzes ist - entgegen der Rechtsansicht der Berufung - der Anspruchsteller darlegungs- und beweisbelastet (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 27.06.2014 - 7 Sa 112/14 - Rn. 32 mwN; BeckOK SozR/Stelljes SGB VII § 104 Rn. 38 mwN.), also hier die Klägerin.

60

Allein die ggf. vorsätzliche Missachtung von Unfallverhütungsvorschriften - oder hier der Lastenhandhabungsverordnung - genügt nicht, um ein vorsätzliches Handeln anzunehmen (vgl. BAG 28.04.2011 - 8 AZR 769/09 - Rn. 50; BAG 10.10.2002 - 8 AZR 103/02; LAG Rheinland-Pfalz 27.06.2014 - 7 Sa 112/14 - Rn. 33 mwN). Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, indiziert allein der Verstoß gegen zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzpflichten keinen Vorsatz. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz. Es verbietet sich, die vorsätzliche Pflichtverletzung mit einer ungewollten Folge mit einem gewollten Arbeitsunfall oder einer gewollten Berufskrankheit gleichzusetzen (vgl. BAG 20.06.2013 - 8 AZR 471/12 - Rn. 23 ff.; LAG Rheinland-Pfalz 10.11.2016 - 6 Sa 247/16 - Rn. 33 mwN). Ließe man es für Vorsatz - worauf die Argumentation der Berufung hinausläuft - ohne weiteres ausreichen, dass der Arbeitgeber wissentlich und willentlich in Kenntnis der maßgebenden Umstände durch die Missachtung von Arbeitnehmerschutzvorschriften (zB. keine Bereitstellung von Fußschutz bei Arbeiten mit Paletten oder Getränkekästen) eine Gefahrerhöhung vorgenommen hat, so wären kaum noch Fälle denkbar, in denen lediglich grob fahrlässiges Verhalten des Arbeitgebers in Betracht kommt. Die Ausdehnung des Vorsatzbegriffs auf praktisch alle bewussten Handlungen, wie ihn die Klägerin vertritt, würde zu einer Haftung in nahezu allen denkbaren Fällen führen. Das wäre mit dem Haftungsausschluss nach § 104 Abs. 1 SGB VII nicht vereinbar.

61

Es gibt allerdings keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der vorsätzlich eine zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzvorschrift missachtet, eine Schädigung oder eine mögliche Berufskrankheit des Arbeitnehmers nicht billigend in Kauf nimmt. Es kann naheliegen, dass der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt hat, wenn er sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht (vgl. BAG 20.06.2013 - 8 AZR 471/12 - Rn. 28, 29 mwN). Allerdings kann der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nicht allein das Kriterium für die Frage sein, ob der Handelnde mit dem Erfolg auch einverstanden war (vgl. BGH 20.12.2011 - VI ZR 309/10 - Rn. 11 mwN). Deshalb ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich die Berufungskammer anschließt, immer eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles erforderlich.

62

(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen kann im Streitfall bei einer umfassenden Würdigung sämtlicher Umstände nach Überzeugung der Berufungskammer nicht angenommen werden, dass der Beklagte die von der Klägerin vorgetragenen Gesundheitsschäden zumindest billigend in Kauf genommen hat.

63

Dem umfangreichen, sich wiederholenden und teilweise widersprüchlichen Vorbringen der Klägerin lassen sich auch zweitinstanzlich keine ausreichend konkreten Tatsachen dafür entnehmen, dass der Beklagte den Arbeitsunfall vom 28.11.2014 oder die aufgeführten Berufskrankheiten, die - bis auf das beidseitige Karpaltunnel-Syndrom - von der zuständigen Berufsgenossenschaft BGHW im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren bisher nicht anerkannt worden sind, vorsätzlich herbeigeführt hat. Die bloße Wertung der Klägerin, der Beklagte habe vorsätzlich gehandelt, ersetzt im Zivilprozess keinen Tatsachenvortrag aus dem das Gericht einen entsprechenden Schluss ziehen müsste.

64

Dem Beklagten ist, was die Berufung bei ihrer Argumentation ausblendet, auch nur bedingter Vorsatz selbst dann nicht zwangsläufig vorzuwerfen, wenn man unterstellt, dass Verstöße gegen die von der Klägerin ins Feld geführten Schutzvorschriften (Arbeitszeitgesetz, Arbeitsschutzgesetz, Arbeitssicherheitsgesetz, Lastenhandhabungsverordnung) objektiv vorgelegen haben. Die Klägerin hat auch zweitinstanzlich nichts Substanzielles dafür vorgetragen, dass der Beklagte die von ihr vorgetragenen Schadensfolgen gebilligt hat.

65

Weshalb den Beklagten am Karpaltunnel-Syndrom (beidseits), das als Berufskrankheit (Listenkrankheit Nr. 2113) von der zuständigen Berufsgenossenschaft mit Bescheid vom 20.03.2018 anerkannt worden ist, ein vorsätzliches Verschulden treffen soll, hat die Klägerin nicht ansatzweise vorgetragen. Hierfür ist auch sonst nichts ersichtlich.

66

Soweit die Berufung auf die - bisher nicht als Berufskrankheit anerkannten - bandscheibenbedingten Erkrankungen an der Hals- und Lendenwirbelsäule abstellt, macht sie geltend, die Klägerin habe im Einkaufsmarkt des Beklagten, in dem sie nur etwa drei Jahre tatsächlich gearbeitet hat, "Getränkelastzüge" bzw. zweimal wöchentlich mehrere 100 Getränkekästen, bis zu jeweils 1000 Kästen, mit einem Einzelgewicht zwischen 17,5 kg und über 20 kg verräumen müssen. Diese pauschalen Behauptungen werden zwar ständig wiederholt, aber nicht durch konkreten Tatsachenvortrag untermauert. Darüber hinaus wechseln die lediglich pauschalen Behauptungen der Klägerin zur Länge ihrer täglichen Arbeitszeit, zum Gewicht der einzelnen Getränkekästen, zur Menge der angelieferten Getränkekästen, zur Anzahl der Personen, die mit dem Verräumen der Getränkekästen beschäftigt worden sind und zu den technischen Hilfsmitteln von Schriftsatz zu Schriftsatz. Zuletzt gab der Verlobte und Beistand der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 02.08.2018 noch weitere Erklärungen ab. Gleichwohl fehlt es an konkreten Tatsachenbehauptungen, die das Gericht in die Lage versetzen könnten, nachzuprüfen, der Beklagte habe jedenfalls bedingt vorsätzlich die Gesundheit der Klägerin geschädigt.

67

Zum einen ist nicht konkret vorgetragen, an welchen Arbeitstagen genau der Beklagte die Klägerin zu Arbeitsschichten von über 10 Stunden täglich gezwungen haben soll. Es kann deshalb auch nicht geprüft werden, ob die Klägerin an diesen Arbeitstagen die Lieferung von Getränkekästen zu verräumen hatte. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, mit welchen Mitteln der Beklagte den behaupteten "Zwang" ausgeübt haben soll, zumal sie - nach dem Vortrag ihres Beistands in der mündlichen Verhandlung vom 02.08.2018, den sie sich gem. § 11 Abs. 6 Satz 5 ArbGG zurechnen lassen muss - täglich von ihrem Verlobten zur Arbeit gefahren und wieder abgeholt worden ist. Da diesem die gesetzlichen Vorschriften zum Arbeitnehmerschutz bekannt sind, ist nach dem Eindruck der Kammer nicht vorstellbar, dass er die Verletzung der werktäglichen Höchstarbeitszeit widerspruchslos geduldet hätte. Für die vom Verlobten der Klägerin zuletzt behaupteten 14-stündigen unbezahlten Doppelschichten fehlt es an jedweden Anhaltspunkten.

68

Hinzu kommt, dass die Klägerin nach ihren handschriftlichen Aufzeichnungen zu der erstinstanzlich geltend gemachten Überstundenvergütung (Anlage OAL 2 Seite 1-23 zum Schriftsatz vom 31.10.2016, Bl. 192-214 d.A.), im angegebenen Zeitraum vom 09.01.2015 bis zum 16.01.2016 an insgesamt 263 Arbeitstagen an 10 Arbeitstagen über 10 Stunden im Einkaufsmarkt des Beklagten gearbeitet haben will: nämlich am Montag, 26.01.2015 11,5 Stunden; am Montag, 09.02.2015 11,5 Stunden; am Dienstag, 17.02.2015 11,5 Stunden; am Donnerstag, 26.02.2015 11,5 Stunden; am Freitag, 06.03.2015 11,5 Stunden; am Samstag, 04.04.2015 12,5 Stunden; am Freitag, 17.04.2015 12,5 Stunden mit ¾ Pause, am Freitag, 26.06.2015, 11,5 Stunden; am Montag, 06.07.2015 11,5 Stunden und am Samstag, 25.07.2015 13,0 Stunden. Die Richtigkeit dieser Zeitangaben unterstellt, hätte der Beklagte an 10 von 263 Arbeitstagen objektiv gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen, darunter (nur) an 2 Arbeitstagen (dienstags, donnerstags) mit Getränkelieferung. Tatsachen, die im subjektiven Tatbestand auf einen zumindest bedingten Vorsatz schließen lassen, lassen sich daraus nicht ableiten. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass es dem Beklagten als ernsthaft möglich erscheinen musste, dass die Klägerin wegen dieser Überschreitungen der werktäglichen Höchstarbeitszeiten Berufskrankheiten mit schweren und irreversiblen Körperschäden davonträgt.

69

Zum anderen hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen, wie viele Stunden sie an welchen Tagen vom Beklagten konkret damit beschäftigt worden ist, Getränkekästen zu heben, zu stapeln und zu tragen. Ihrem Vortrag lässt sich auch nicht entnehmen, welche konkreten Personen sie wann in welchem Umfang beim Verräumen der Getränkekästen unterstützt haben. Zur personellen Unterstützung gibt die Berufung lediglich an, ohne dies nach der Anzahl der Tage und Arbeitsstunden auch nur annähernd zu konkretisieren, dass der Klägerin teilweise ein 14-jähriger Praktikant geholfen habe, teilweise auch der Beklagte selbst und teilweise eine weitere Mitarbeiterin. Zudem hat der Verlobte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 02.08.2018 erklärt, dass auch er persönlich mitgeholfen habe, um die Klägerin zu entlasten.

70

Schließlich macht die Klägerin keine konkreten Angaben zum Einzelgewicht der Getränkekästen (Voll- oder Leergut) sowie zur Menge und zum Gesamtgewicht der angelieferten Getränkekästen, die von ihr selbst gehoben, getragen und gestapelt worden sein sollen. Da die Anzahl der Getränkekästen nach der Darstellung der Klägerin je nach Jahreszeit und Kundennachfrage variierte, wären hier konkrete Mengen- und Gewichtsangaben je Lieferung erforderlich gewesen, um die Berufungskammer überhaupt in die Lage zu versetzen, zu prüfen, ob und ggf. wie häufig und mit welcher Intensität, die in der Lastenhandhabungsverordnung oder sonstigen Arbeitnehmerschutzvorschriften geregelten Grenzwerte überschritten worden sind. Es ist auch unklar, welche Hilfsmittel der Klägerin für welche konkrete Tätigkeit an welchen Tagen zur Verfügung gestanden haben (Ziehhaken, Sackkarre, Handhubwagen) und ggf. weshalb sie diese nicht benutzen konnte. Ausmaß, Häufigkeit und Dauer des erforderlichen Kraftaufwandes lassen sich nicht ansatzweise beurteilen. Es ist auch nicht vorgetragen worden, aufgrund welcher konkreten Umstände dem Beklagten bekannt gewesen sein soll, dass die Klägerin aufgrund ihrer Körpergröße und ihrer geschlechtsspezifisch geringeren Muskelmaximalkraft körperlich nicht in der Lage gewesen ist, Getränkekästen im behaupteten Umfang zu verräumen, ohne ihre Gesundheit dauerhaft zu ruinieren. Unter diesen Umständen kann im Streitfall nicht angenommen werden, dass der Beklagte eine starke Gefährdung der Gesundheit der Klägerin für ernstlich möglich gehalten hat. Das Bewusstsein einer ernstlichen Gefahr oder die Billigung des schädigenden Erfolgs liegt nicht nahe. Ein bedingter Vorsatz des Beklagten ist deshalb zu verneinen.

71

Soweit sich die Klägerin bei dem anerkannten Arbeitsunfall vom 28.11.2014 den rechten Mittelfuß geprellt und zwei Zehen gebrochen hat, weil ihr eine nasse Europalette aus den Händen geglitten und auf den Fuß gefallen ist, kann nicht davon ausgegangen werden, der Beklagte habe den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt. Selbst wenn der Beklagte seine Pflicht verletzt haben sollte, der Klägerin eine persönliche Schutzausrüstung (Sicherheitsschuhe und Regenbekleidung) zur Verfügung zu stellen, spricht nach Auffassung der Berufungskammer alles dafür, dass der Beklagte davon ausgegangen ist, dass sich eine eventuelle Gefahr zu Lasten der Klägerin jedenfalls nicht realisieren werde und daher kein bedingter Vorsatz, sondern allenfalls bewusste Fahrlässigkeit vorgelegen hat, die den Haftungsausschluss nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht zu verhindern vermag. Substantiierter Sachvortrag zu Tatsachen, die Rückschlüsse auf die Erfüllung des subjektiven Vorsatztatbestandes beim Beklagten hätten rechtfertigen können, fehlt auch zum Arbeitsunfall vom 28.11.2014.

72

(3) Mangels konkreten Tatsachenvortrags bedurfte es im Streitfall – entgegen der Ansicht der Berufung - keiner Beweiserhebung. Hinzu kommt, dass die handschriftlichen Aufzeichnungen der Klägerin vom 16.03., 07.04. und 12.04.2016, die mehrfach, ua. als Anlagen "n-out 7 bis "n-out 10" (Bl. 747-749 d.A.) zur Berufungsbegründung vorgelegt worden sind, als Beweismittel ungeeignet sind. Sie ersetzen auch keinen konkreten Sachvortrag. Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich bei umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nicht, dass dem Beklagten Vorsatz zur Last gelegt werden kann. Es ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt. Fahrlässigkeit, auch grobe Fahrlässigkeit, reicht indes nicht aus, um das gesetzliche Haftungsprivileg des § 104 SGB VII zu entsperren.

73

Entgegen der Ansicht der Berufung war die Berufungskammer insbesondere nicht gehalten, den Beweisanträgen der Klägerin aus dem Schriftsatz vom 02.01.2018 (Bl. 1089 d.A.) nachzugehen. Den Anträgen auf Beiziehung der Akten, die in Angelegenheiten der Klägerin bei der BGHW unter den Aktenzeichen 37 B 10786-16 S und 37 B 19888 - 16 S, bei der SGD Nord (regionale Gewerbeaufsicht) unter dem Aktenzeichen 23/1-132 41.0 - 194/15, beim Sozialgericht Koblenz unter dem Aktenzeichen S 2 U 122/17 und beim Landessozialgericht Rheinland-Pfalz unter dem Aktenzeichen L 2 U 191/17 geführt werden, war nicht nachzugehen. Es ist nicht vorgetragen noch sonst ersichtlich, weshalb der Inhalt dieser Akten für das vorliegende Verfahren relevant sein könnte. Die Berufung verkennt, dass allein die zuständige Berufsgenossenschaft und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit darüber zu befinden haben, ob die von der Klägerin angegebenen Berufskrankheiten anerkannt werden und ihr eine Versichertenrente gewährt wird.

74

Die Berufungskammer war auch nicht verpflichtet, den Verlobten der Klägerin oder die anderen benannten Zeugen (G. von der SGD Nord; W. von der BGHW; G. vom Referat IV 4a des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Dr. med. L. von der Fachgruppe 3.1. der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin; Dr. med. R. vom Universitätsklinikum Bonn sowie K., S., M. und Sch.) zu vernehmen. Gem. § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll. Entsprechen die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderungen, hat die Beweiserhebung aufgrund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben (vgl. BAG 25.03.2015 - 5 AZR 368/13 - Rn. 23 mwN). Danach waren auch die Zeugenbeweisantritte der Klägerin unbeachtlich. Sie hat lediglich angegeben, dass sie mit den Zeugenaussagen den Nachweis führen könne, dass der Beklagte ihre Gesundheit vorsätzlich habe schädigen wollen und geschädigt habe. Damit hat die Klägerin kein konkretes Beweisthema zu den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des behaupteten (bedingten) Vorsatzes des Beklagten bezeichnet.

75

Es war auch nicht erforderlich, den im Termin vom 02.08.2018 als Zuschauer im Sitzungssaal anwesenden (in Deutschland niedergelassenen rumänischen Avocat definitiv) C. P. als Zeugen zu vernehmen. Der im Termin gestellte Beweisantrag war schon mangels Behauptung einer bestimmten Beweistatsache unerheblich. Zum anderen ist es für das zweitinstanzliche Verfahren unerheblich, was der sistierte Zeuge zum Ablauf der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Koblenz am 26.04.2017 zu bekunden hat. Seine schriftliche Aussage vom 24.05.2017 befindet sich mehrfach in der Gerichtsakte (zuletzt als Anlage 5sa-1 zum Schriftsatz vom 24.07.2018, Bl. 1393 d.A.). Seine Ausführungen sind für die Entscheidungsfindung der Berufungskammer belanglos.

76

2. Auch die in der Berufungsinstanz erstmals mit Schriftsatz vom 11.07.2017 gestellten Klageanträge zu 3., 5., 6. und 7. sind unbegründet.

77

a) Auf die hier vorliegende nachträgliche Klageerweiterung sind die Grundsätze der Klageänderung nach §§ 533, 263,264 ZPO entsprechend anzuwenden (vgl. BAG 14.06.2017 - 10 AZR 308/15 - Rn. 38 mwN). Besteht zwischen mehreren Streitgegenständen ein innerer rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang, so ist es regelmäßig sachdienlich, diese Streitgegenstände auch in einem Verfahren zu erledigen (vgl. BAG 13.04.2016 - 4 AZR 13/13 - Rn. 87 mwN).

78

Danach ist die von der Klägerin vorgenommene Klageerweiterung in der Berufungsbegründungsschrift vom 11.07.2017 sachdienlich. Sie steht in einem inneren tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang mit den bereits anhängigen Streitgegenständen. Auch aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit führt die Zulassung der zweitinstanzlichen Klageerweiterung zu einer Erledigung des Streits zwischen den Parteien über diese Streitgegenstände.

79

b) Der Klageantrag zu 3. ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr der Beklagte die außergerichtlichen Kosten für das erstinstanzliche Verfahren erstattet. Die gesetzliche Vorschrift des § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG schließt auch einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch aus, der als Schadensersatzanspruch entstanden ist, gleichgültig, worauf er gestützt wird (vgl. BAG 27.10.2005 - 8 AZR 546/03). Über die Verpflichtung, die Gerichtskosten erster Instanz und die Rechtsmittelkosten zu tragen hat das Berufungsgericht nach § 308 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zu entscheiden, also ohne Rücksicht auf Anträge oder Anregungen der Parteien als Folge der letztlich zwischen ihnen ergehenden Sachentscheidung. Da die Klägerin in vollem Umfang unterlegen ist, hat sie die Kosten zu tragen.

80

c) Der Klageantrag zu 5. ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr der Beklagte in der Zeit des Krankengeldbezugs - vom 14.06.2016 bis zum 30.10.2017 - die Differenz zwischen dem fiktiven Nettolohn und dem Krankengeld als Verdienstausfallschaden ersetzt.

81

aa) Über den Klageantrag zu 5. war zu befinden, weil ihn die Klägerin im Termin vom 02.08.2018 nicht wirksam zurückgenommen hat.

82

Die Klägerin hat zwar - nach Stellung der Anträge - in der mündlichen Verhandlung vom 02.08.2018 ausdrücklich gegenüber dem Gericht erklärt, dass sie den Klageantrag zu 5. zurücknimmt. Die Zurücknahme der Klage ohne Einwilligung des Beklagten ist jedoch gem. § 269 Abs. 1 ZPO nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache möglich. Da der Beklagte bereits den Antrag auf Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils vom 19.04.2018 gestellt hatte, war er bereits in die mündliche Verhandlung zur Hauptsache eingetreten. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat keine Einwilligung in die Klagerücknahme erklärt, sondern sich hierzu nicht geäußert. Damit gilt seine Zustimmung als verweigert (vgl. Zöller/Greger ZPO 32. Aufl. § 269 Rn. 15; MüKoZPO/Becker-Eberhard 5. Aufl. § 269 Rn. 31).

83

Die Frage, ob eine doppelte Rechtshängigkeit nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO vorliegt, ist im erstinstanzlich anhängigen Verfahren auf Zahlung von € 576.000,00 (Az. 8 Ca 3768/17) zu prüfen.

84

bb) Für den Klageantrag zu 5. fehlt eine Anspruchsgrundlage. Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist bei derselben Erkrankung nach § 3 Abs. 1 EntgFG bis zur Dauer von sechs Wochen beschränkt. Dieser Zeitraum ist hier am 13.06.2016 abgelaufen. Seit dem 14.06.2016 leistete die gesetzliche Krankenkasse Krankengeld nach Maßgabe der §§ 44 SGB V ff. Ein Schadensersatzanspruch auf entgangene Arbeitsvergütung (§ 252 BGB) scheitert unter anderem daran, dass dem Beklagten - wie oben unter Ziff. 1b) der Entscheidungsgründe ausgeführt - keine vorsätzliche Verletzung der Gesundheit der Klägerin vorzuwerfen ist.

85

d) Der Klageantrag zu 6., der darauf gerichtet ist, festzustellen, dass der Beklagte nach dem Wegfall des Anspruchs auf Krankengeld verpflichtet ist, der Klägerin zukünftig den Lohn ohne Arbeitsleistung fortzuzahlen und ihr wegen Berufsunfähigkeit weitergehende materielle oder immaterielle Schäden zu ersetzen, ist ebenfalls unbegründet. Wie bereits oben - unter Ziff. 1b) der Entscheidungsgründe - ausgeführt, liegen die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs für Personenschäden nicht vor. Die Haftung des Beklagten ist nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen.

86

e) Der Klageantrag zu 7. ist unbegründet. Der Klägerin steht in Ermangelung einer Hauptforderung auch kein Zinsanspruch zu.

87

3. Die Berufung ist auch nicht deshalb erfolgreich, weil das Versäumnisurteil vom 19.04.2018 - wie die Klägerin meint - zu Unrecht ergangen ist.

88

Unabhängig davon, dass dies gem. § 342 ZPO für das weitere Verfahren prozessual unbeachtlich ist, LAG am 19.04.2018 Säumnis vor. Ein Termin ist von einer Partei auch dann versäumt, wenn ihr Rechtsanwalt zwar anwesend ist, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aber nicht verhandelt, weil er die Stellung der Anträge verweigert. Eine mündliche Verhandlung wird dadurch eingeleitet, dass die Parteien ihre Anträge stellen, §§ 137 Abs. 1, 297 ZPO. Ein Verhandeln iSd. §§ 333, 345 ZPO liegt nicht vor, wenn eine Partei lediglich Gesuche zur Ablehnung von Richtern anbringt (vgl. BGH 27.05.1986 - IX ZR 152/85 - Rn. 25 mwN).

89

Gemessen hieran war die Klägerin am 19.04.2018 säumig. Ausweislich der Sitzungsniederschrift (Bl. 1245 ff d.A.) hat der als Prozessbevollmächtigter der Klägerin zweitinstanzlich aufgetretene Rechtsanwalt B. trotz Aufforderung keinen Sachantrag gestellt, sondern vielmehr ausdrücklich erklärt, keine Anträge stellen zu wollen. Dass die Klägerin und ihr als Beistand iSd. § 11 Abs. 6 ArbGG aufgetretener Verlobter im gleichen Termin nach Zurückweisung der weiteren Befangenheitsanträge weitere Ablehnungsgesuche gegen die Vorsitzende angebracht haben, vermochte ein Verhandeln in der Sache nicht zu ersetzen.

III.

90

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

91

Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 02. Aug. 2018 - 5 Sa 298/17 zitiert 37 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis


(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Re

Zivilprozessordnung - ZPO | § 269 Klagerücknahme


(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden. (2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, a

Zivilprozessordnung - ZPO | § 308 Bindung an die Parteianträge


(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen. (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch oh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 533 Klageänderung; Aufrechnungserklärung; Widerklage


Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn1.der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und2.diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidu

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 252 Entgangener Gewinn


Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrschei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 261 Rechtshängigkeit


(1) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet. (2) Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung ge

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 44 Krankengeld


(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41)

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 9 Berufskrankheit


(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 104 Beschränkung der Haftung der Unternehmer


(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften

Zivilprozessordnung - ZPO | § 307 Anerkenntnis


Erkennt eine Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch ganz oder zum Teil an, so ist sie dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es insoweit nicht.

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 7 Begriff


(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. (2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 11 Prozessvertretung


(1) Die Parteien können vor dem Arbeitsgericht den Rechtsstreit selbst führen. Parteien, die eine fremde oder ihnen zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretene Geldforderung geltend machen, müssen sich durch einen Rechtsanwalt als Bevoll

Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG | § 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen


(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. (2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigke

Zivilprozessordnung - ZPO | § 373 Beweisantritt


Der Zeugenbeweis wird durch die Benennung der Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll, angetreten.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 342 Wirkung des zulässigen Einspruchs


Ist der Einspruch zulässig, so wird der Prozess, soweit der Einspruch reicht, in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 12a Kostentragungspflicht


(1) In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistands. Vor Abschluß der Vereinbaru

Zivilprozessordnung - ZPO | § 137 Gang der mündlichen Verhandlung


(1) Die mündliche Verhandlung wird dadurch eingeleitet, dass die Parteien ihre Anträge stellen. (2) Die Vorträge der Parteien sind in freier Rede zu halten; sie haben das Streitverhältnis in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung zu umfassen.

Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG | § 3 Grundpflichten des Arbeitgebers


(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamk

Zivilprozessordnung - ZPO | § 345 Zweites Versäumnisurteil


Einer Partei, die den Einspruch eingelegt hat, aber in der zur mündlichen Verhandlung bestimmten Sitzung oder in derjenigen Sitzung, auf welche die Verhandlung vertagt ist, nicht erscheint oder nicht zur Hauptsache verhandelt, steht gegen das Versäum

Entgeltfortzahlungsgesetz - EntgFG | § 3 Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall


(1) Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeits

Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG | § 4 Allgemeine Grundsätze


Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen: 1. Die Arbeit ist so zu gestalten, daß eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die

Zivilprozessordnung - ZPO | § 333 Nichtverhandeln der erschienenen Partei


Als nicht erschienen ist auch die Partei anzusehen, die in dem Termin zwar erscheint, aber nicht verhandelt.

Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit - ASiG | § 5 Bestellung von Fachkräften für Arbeitssicherheit


(1) Der Arbeitgeber hat Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Sicherheitsingenieure, -techniker, -meister) schriftlich zu bestellen und ihnen die in § 6 genannten Aufgaben zu übertragen, soweit dies erforderlich ist im Hinblick auf 1. die Betriebsart und

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(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Ein Forderungsübergang nach § 116 des Zehnten Buches findet nicht statt.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die als Leibesfrucht durch einen Versicherungsfall im Sinne des § 12 geschädigt worden sind.

(3) Die nach Absatz 1 oder 2 verbleibenden Ersatzansprüche vermindern sich um die Leistungen, die Berechtigte nach Gesetz oder Satzung infolge des Versicherungsfalls erhalten.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Ein Forderungsübergang nach § 116 des Zehnten Buches findet nicht statt.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die als Leibesfrucht durch einen Versicherungsfall im Sinne des § 12 geschädigt worden sind.

(3) Die nach Absatz 1 oder 2 verbleibenden Ersatzansprüche vermindern sich um die Leistungen, die Berechtigte nach Gesetz oder Satzung infolge des Versicherungsfalls erhalten.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.

(2) Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten

1.
für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen sowie
2.
Vorkehrungen zu treffen, daß die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können.

(3) Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz darf der Arbeitgeber nicht den Beschäftigten auferlegen.

Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen:

1.
Die Arbeit ist so zu gestalten, daß eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird;
2.
Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen;
3.
bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen;
4.
Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluß der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen;
5.
individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen;
6.
spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen sind zu berücksichtigen;
7.
den Beschäftigten sind geeignete Anweisungen zu erteilen;
8.
mittelbar oder unmittelbar geschlechtsspezifisch wirkende Regelungen sind nur zulässig, wenn dies aus biologischen Gründen zwingend geboten ist.

(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.

(2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.

(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch

1.
die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
2.
physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
3.
die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
4.
die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
5.
unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten,
6.
psychische Belastungen bei der Arbeit.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

6
a) Der Senat hat die prozessualen Erklärungen des Beklagten im Schriftsatz vom 14. Februar 2017 selbst zu würdigen und unter Heranziehung aller für das Beschwerdegericht erkennbaren Umstände und unter Beachtung der durch die gewählten Formulierungen bestehenden Auslegungsgrenzen zu ermitteln, welcher Sinn ihnen aus objektiver Sicht beizumessen ist (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012 - IX ZB 86/10, WM 2012, 519 Rn. 11; Urteil vom 26. September 2007 - XII ZB 80/07, FamRZ 2008, 43 Rn. 11). Bei der Auslegung ist nicht allein auf den Wortlaut der Erklärung abzustellen. Vielmehr ist im Zweifel dasjenige gewollt, was nach Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urteil vom 22. September 2011 - IX ZR 209/10, WM 2011, 2237 Rn. 7 mwN; vom 7. April 2016 - IX ZR 216/14, WM 2016, 982 Rn. 11 mwN). Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Einreichung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe verbunden mit einem Schriftsatz, der die gesetzlichen Anforderungen an eine Berufungsschrift oder an eine Berufungsbegründung erfüllt, regelmäßig als unbedingt eingelegtes und begründetes Rechtsmittel zu behandeln. Die Annahme, ein entsprechender Schriftsatz sei nicht als unbedingte Berufung oder Berufungsbegründung bestimmt, ist in solchen Fällen nur dann gerechtfertigt, wenn sich dies entweder aus dem Schriftsatz selbst oder sonst aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt; denn im Allgemeinen will keine Partei die mit einer Fristversäumung verbundenen Nachteile in Kauf nehmen (BGH, Beschluss vom 30. Mai 2017, aaO Rn. 14 f mwN; Urteil vom 25. Oktober 2017, aaO Rn. 16 f mwN). Es kommt allein auf den vom Berufungskläger erklärten, nach Außen hervorgetretenen Willen im Zeitpunkt der Einreichung des Schriftsatzes an. Klarstellende Parteierklä- rungen nach Ablauf der Begründungsfrist bleiben grundsätzlich unberücksichtigt (BGH, Beschluss vom 30. Mai 2017, aaO Rn. 14; Urteil vom 25. Oktober 2017, aaO Rn. 16). Spätere Prozessvorgänge können jedoch als Auslegungsmittel herangezogen werden (BGH, Urteil vom 22. September 2011 - IX ZR 209/10, WM 2011, 2237 Rn. 7 mwN).
15
bb) Hiervon ausgehend ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Einreichung eines Prozesskostenhilfeantrags verbunden mit einem Schriftsatz, der die gesetzlichen Anforderungen an eine Berufungsschrift oder an eine Berufungsbegründung erfüllt, regelmäßig als unbedingt eingelegtes und begründetes Rechtsmittel zu behandeln (BGH, Beschluss vom 25. September 2007 - XII ZB 6/07, aaO Rn. 7). Die Annahme, ein entsprechender Schriftsatz sei nicht als unbedingte Berufung oder Berufungsbegründung bestimmt, ist in sol- chen Fällen nur dann gerechtfertigt, wenn sich dies entweder aus dem Schriftsatz selbst oder sonst aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (BGH, Beschlüsse vom 31. Mai 1995 - VIII ZR 267/94, aaO unter I 2 b aa mwN; vom 19. Mai 2004 - XII ZB 25/04, aaO; vom 21. Dezember 2005 - XII ZB 33/05, aaO; vom 18. Juli 2007 - XII ZB 31/07, NJW-RR 2007, 1565 Rn. 10; vom 25. September 2007 - XII ZB 6/07, aaO; vom 17. Dezember 2008 - XII ZB 185/08 - NJW-RR 2009, 433 Rn. 9; vom 27. Mai 2009 - III ZB 30/09, aaO; vom 7. März 2012 - XII ZB 421/11, aaO Rn. 11; vom 22. Juli 2015 - XII ZB 131/15, aaO; vom 16. Juni 2016 - IX ZB 22/15, juris Rn. 5). Denn im Allgemeinen will keine Partei die mit einer Fristversäumung verbundenen Nachteile in Kauf nehmen (BGH, Beschlüsse vom 16. August 2000 - XII ZB 65/00, NJW-RR 2001, 789 unter II mwN; vom 19. Mai 2004 - XII ZB 25/04, aaO; vom 21. Dezember 2005 - XII ZB 33/05, aaO; vom 5. März 2008 - XII ZB 182/04, NJW 2008, 1740 Rn. 12; vom 27. Mai 2009 - III ZB 30/09, aaO; vom 22. Juli 2015 - XII ZB 131/15, aaO mwN).

(1) Die Parteien können vor dem Arbeitsgericht den Rechtsstreit selbst führen. Parteien, die eine fremde oder ihnen zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretene Geldforderung geltend machen, müssen sich durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur Vertretung des Gläubigers befugt wären oder eine Forderung einziehen, deren ursprünglicher Gläubiger sie sind.

(2) Die Parteien können sich durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Arbeitsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte der Partei oder eines mit ihr verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
4.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
5.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 4 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesarbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht müssen sich die Parteien, außer im Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter und bei Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind außer Rechtsanwälten nur die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 bezeichneten Organisationen zugelassen. Diese müssen in Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Eine Partei, die nach Maßgabe des Satzes 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten; Satz 3 bleibt unberührt.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) In der Verhandlung können die Parteien mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Parteien den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von der Partei vorgebracht, soweit es nicht von dieser sofort widerrufen oder berichtigt wird.

Tenor

I. Die Anhörungsrüge wird verworfen.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens über die Anhörungsrüge zu tragen.

Gründe

I.

Durch Beschluss vom 17. Oktober 2017 (M 16 S7 17.250) lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht München den Antrag der Antragstellerin als unzulässig ab, in einem Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO die Rechtswidrigkeit von Gaststättenerlaubnissen, die die Antragsgegnerin dem Beigeladenen erteilt hatte (bzw. die Rechtswidrigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit derartiger Erlaubnisse) festzustellen. Die hiergegen erhobene Beschwerde der Antragstellerin wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 8. Mai 2018 (22 CS 17.2291), gegen den die Antragstellerin erfolglos Anhörungsrüge erhoben hat (Beschluss des BayVGH vom 12.6.2018 – 22 CS 18.1218), zurück.

Bereits zuvor hatte das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 16. Februar 2018 den Antrag der Antragstellerin verworfen, den Beschluss vom 17. Oktober 2017 gemäß § 120 i.V.m. § 122 Abs. 1 VwGO zu ergänzen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 4. Juni 2018 (22 CS 18.780) zurück.

Gegen die letztgenannte Entscheidung richtet sich die mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 28. Juni 2018 erhobene Anhörungsrüge der Antragstellerin.

II.

Über den Rechtsbehelf nach § 152a VwGO kann ohne Anhörung der übrigen Beteiligten entschieden werden, da er nach § 152a Abs. 4 Satz 1 VwGO unzulässig ist. Denn das Vorbringen im Schriftsatz vom 28. Juni 2018 ist entgegen dem sich aus § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO ergebenden Erfordernis nicht einmal im Ansatz geeignet, aufzuzeigen, dass der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 4. Juni 2018 den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat.

Die Antragstellerin macht vor allem geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe in jenem Beschluss – ebenso wie bereits zuvor das Verwaltungsgericht – ihr in der Sache M 16 S7 17.250 und im zugehörigen Beschwerdeverfahren 22 CS 17.2291 verfolgtes Rechtsschutzbegehren zu eng ausgelegt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in den Randnummern 25 f. des Beschlusses vom 4. Juni 2018 ausgeführt hat, kann ein Verlangen auf Beschlussergänzung nach § 120 i.V.m. § 122 Abs. 1 VwGO nicht auf ein solches Vorbringen gestützt werden; über diesen Einwand sei vielmehr bereits in der rechtskräftigen Beschwerdeentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Mai 2018 in verneinendem Sinne befunden worden. Das Vorbringen der Antragstellerin wurde mithin ausdrücklich verbeschieden. Die Anhörungsrüge stellt sich vor diesem Hintergrund als bloße, im Verfahren nach § 152a VwGO nicht zulässige Geltendmachung der inhaltlichen Unrichtigkeit des Beschlusses vom 4. Juni 2018 dar.

Ebenfalls ein im Verfahren nach § 152a VwGO unzulässiger Angriff gegen einen in der letztgenannten Entscheidung eingenommenen gerichtlichen Rechtsstandpunkt liegt in dem Vorbringen, mit dem die Antragstellerin die Einschlägigkeit des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 16. Februar 2005 (VIII ZR 133/04 – juris) in Abrede stellt, auf das der Verwaltungsgerichtshof in der Randnummer 24 des Beschlusses vom 4. Juni 2018 Bezug genommen hat. Lediglich ergänzend ist deshalb anzumerken, dass sich die vom Senat befürwortete Anwendung der Rechtsauffassung, die im genannten Urteil des Bundesgerichtshofs zum Ausdruck gelangt, auf den vorliegenden Fall nicht zu Ungunsten der Antragstellerin auswirkte, da der Anwendungsbereich des § 120 VwGO damit über die im Gesetz erwähnte Fallgestaltung des Übergehens eines im Tatbestand erwähnten Sachantrags auf eine normativ nicht geregelte Konstellation (nämlich das Fehlen eines Tatbestands) erstreckt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da über die Anhörungsrüge ohne Einholung einer Stellungnahme der übrigen Verfahrensbeteiligten entschieden wurde, können beim Beigeladenen insoweit keine außergerichtlichen Kosten angefallen sein, so dass sich eine ausdrückliche Entscheidung hierüber erübrigt.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO unanfechtbar.

7
a) Mit den Regelungen über den Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 ZPO) und über den notwendigen Inhalt einer Berufungsbegründung (§ 520 Abs. 3 ZPO) soll erreicht werden, dass ein mit dem Verfahren vertrauter Rechtsanwalt dem Gericht und dem Gegner den Sachverhalt unter bestimmter Bezeichnung der im Einzelnen anzuführenden Anfechtungsgründe nach persönlicher Durcharbeitung des Prozessstoffes vorträgt. Die Berufungsbegründung muss deshalb Ergebnis der geistigen Arbeit des Berufungsanwalts sein (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 1988 - IVb ZR 5/88, NJW 1989, 394, 395; Beschluss vom 23. Juni 2005 - V ZB 45/04, NJW 2005, 2709). Zwar ist der Anwalt nicht gehindert, die Berufungsbegründung von anderen Personen, etwa von einem Referendar, vorbereiten zu lassen. Erforderlich ist aber, dass der unterzeichnende Anwalt die Berufungsbegründung selbständig prüft und aufgrund der Prüfung die volle Verantwortung für den Schriftsatz übernimmt (BGH, Urteil vom 19. Oktober 1988 - IVb ZR 5/88, NJW 1989, 394, 395; Beschluss vom 24. Januar 2008 - IX ZB 258/05, NJW 2008, 1311 Rn. 5).

(1) Die Parteien können vor dem Arbeitsgericht den Rechtsstreit selbst führen. Parteien, die eine fremde oder ihnen zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretene Geldforderung geltend machen, müssen sich durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur Vertretung des Gläubigers befugt wären oder eine Forderung einziehen, deren ursprünglicher Gläubiger sie sind.

(2) Die Parteien können sich durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Arbeitsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte der Partei oder eines mit ihr verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
4.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
5.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 4 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesarbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht müssen sich die Parteien, außer im Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter und bei Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind außer Rechtsanwälten nur die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 bezeichneten Organisationen zugelassen. Diese müssen in Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Eine Partei, die nach Maßgabe des Satzes 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten; Satz 3 bleibt unberührt.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) In der Verhandlung können die Parteien mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Parteien den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von der Partei vorgebracht, soweit es nicht von dieser sofort widerrufen oder berichtigt wird.

Erkennt eine Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch ganz oder zum Teil an, so ist sie dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es insoweit nicht.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Ein Forderungsübergang nach § 116 des Zehnten Buches findet nicht statt.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die als Leibesfrucht durch einen Versicherungsfall im Sinne des § 12 geschädigt worden sind.

(3) Die nach Absatz 1 oder 2 verbleibenden Ersatzansprüche vermindern sich um die Leistungen, die Berechtigte nach Gesetz oder Satzung infolge des Versicherungsfalls erhalten.

(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Ein Forderungsübergang nach § 116 des Zehnten Buches findet nicht statt.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die als Leibesfrucht durch einen Versicherungsfall im Sinne des § 12 geschädigt worden sind.

(3) Die nach Absatz 1 oder 2 verbleibenden Ersatzansprüche vermindern sich um die Leistungen, die Berechtigte nach Gesetz oder Satzung infolge des Versicherungsfalls erhalten.

8
a) Eine Vermögensbeeinträchtigung ist dann ein Personenschaden, wenn sie durch die Verletzung oder Tötung eines Menschen verursacht wird; hierunter fällt nicht nur der immaterielle Schaden (Schmerzensgeld), sondern auch jeder mittelbare materielle Vermögensschaden als Folge der Körperverletzung (vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom 6. Februar 2007 - VI ZR 55/06, NJW-RR 2007, 1395 Rn. 8; Urteil vom 12. Juni 2007 - VI ZR 70/06, VersR 2007, 1131 Rn. 11; BAG, NJW 1989, 2838; 2003, 1890; 2004, 3360, 3361 f; OLG Saarbrücken r + s 1999, 374, 375; Geigel/Wellner, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., § 31 Rn. 16; Krasney in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Bd. 3, 13. Aufl., Stand September 2010, § 104, Rn. 17 f; Waltermann in Eichenhofer/Wenner, Kommentar zum Sozialgesetzbuch VII, § 104 Rn. 17 f; Rapp in LPK-SGB VII, 2. Aufl., § 104 Rn. 24). Soweit das Oberlandesgericht Dresden (6. Zivilsenat, NJW-RR 1999, 902, 904) in einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung (anders OLG Dresden 3. Zivilsenat , NJW-RR 2001, 747, 748) materielle Schäden wie beispielhaft Verdienstausfallschäden - dort als Folge eines Skiunfalls - als Sach- und nicht als Personenschaden eingestuft hat, widerspricht dies dem Wortlaut des Gesetzes und wird im Übrigen durch die zitierte Literaturstelle auch nicht bestätigt.

(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Ein Forderungsübergang nach § 116 des Zehnten Buches findet nicht statt.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die als Leibesfrucht durch einen Versicherungsfall im Sinne des § 12 geschädigt worden sind.

(3) Die nach Absatz 1 oder 2 verbleibenden Ersatzansprüche vermindern sich um die Leistungen, die Berechtigte nach Gesetz oder Satzung infolge des Versicherungsfalls erhalten.

8
a) Eine Vermögensbeeinträchtigung ist dann ein Personenschaden, wenn sie durch die Verletzung oder Tötung eines Menschen verursacht wird; hierunter fällt nicht nur der immaterielle Schaden (Schmerzensgeld), sondern auch jeder mittelbare materielle Vermögensschaden als Folge der Körperverletzung (vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom 6. Februar 2007 - VI ZR 55/06, NJW-RR 2007, 1395 Rn. 8; Urteil vom 12. Juni 2007 - VI ZR 70/06, VersR 2007, 1131 Rn. 11; BAG, NJW 1989, 2838; 2003, 1890; 2004, 3360, 3361 f; OLG Saarbrücken r + s 1999, 374, 375; Geigel/Wellner, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., § 31 Rn. 16; Krasney in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Bd. 3, 13. Aufl., Stand September 2010, § 104, Rn. 17 f; Waltermann in Eichenhofer/Wenner, Kommentar zum Sozialgesetzbuch VII, § 104 Rn. 17 f; Rapp in LPK-SGB VII, 2. Aufl., § 104 Rn. 24). Soweit das Oberlandesgericht Dresden (6. Zivilsenat, NJW-RR 1999, 902, 904) in einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung (anders OLG Dresden 3. Zivilsenat , NJW-RR 2001, 747, 748) materielle Schäden wie beispielhaft Verdienstausfallschäden - dort als Folge eines Skiunfalls - als Sach- und nicht als Personenschaden eingestuft hat, widerspricht dies dem Wortlaut des Gesetzes und wird im Übrigen durch die zitierte Literaturstelle auch nicht bestätigt.

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Az.: 2 Ca 1260/13 - vom 9. Januar 2014 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über dem Kläger infolge eines schweren Arbeitsunfalls entstandenen Fahrtkosten.

2

Der am ... Januar 1950 geborene Kläger war bei der Beklagten als Lkw-Fahrer beschäftigt. Er erlitt am 16. November 2009 einen schweren Arbeitsunfall, bei dem seine linke Hand unter einem hydraulischen Wagenheber zerquetscht wurde. Dies führte zu einem nahezu vollständigen Funktionsverlust der linken Hand. Über diesen Unfall wurde der Unfalluntersuchungsbericht (Bl. 12 d. A.) gefertigt. In diesem heißt es auszugsweise:

3

"Bei technischen Arbeitsmitteln         

        

Hersteller           

nicht mehr lesbar

Type        

        

Baujahr           

        

GS-Zeichen?           

Nein   

ggf. Prüfstelle           

        

ggf. Prüf-Nr           

        

Ist die Betriebseinrichtung prüfpflichtig?           

Ja    

ggf. nach welcher Vorschrift?           

BGV A1 § 2 Abs. (1) und
BetrSichV § 10 Abs. (2)

Wird ein Prüfbuch geführt?           

Nein   

Wann war die letzte Prüfung?"       

        

4

Seit dem Unfall ist der Kläger arbeitsunfähig. Ab dem 29. Dezember 2009 bis zum 15. Mai 2011 erhielt der Kläger Verletztengeld. Vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2012 bezog er Arbeitslosengeld I (Bescheid der Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit Kaiserslautern vom 11. Januar 2012, Bl. 33 ff. d. A.) sowie eine Berufsunfähigkeitsrente. Seither erhält er Rentenbezüge.

5

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 30. November 2012 hat der Kläger Ansprüche aus dem Arbeitsunfall gegenüber der Beklagten in einer Gesamthöhe von 41.047,39 € geltend gemacht. Er hat sodann am 3. Mai 2013 beim Landgericht Kaiserslautern Klage auf Zahlung der Differenz zwischen dem erhaltenen Verletztengeld und seinem Gehalt, Arbeitslosengeld zuzüglich Berufsunfähigkeitsrente und seinem Gehalt, Rentenbezügen und Gehalt, auf Ersatz entstandener Fahrtkosten und auf Zahlung von Schmerzensgeld sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schadens erhoben. Das Landgericht Kaiserslautern hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 29. August 2013, Az. 3 O 326/13 (Bl. 89 ff. d. A.) an das Arbeitsgericht Kaiserslautern verwiesen.

6

Der Kläger hat - soweit im Berufungsverfahren noch von Bedeutung - vorgetragen,
bei der Beklagten handele es sich um einen prüfpflichtigen Betrieb, der die Arbeitsmittel einer regelmäßigen Kontrolle unterziehen müsse. Die erforderliche Prüfung sei bei dem Wagenheber noch nie vorgenommen worden. Die Beklagte habe den Wagenheber wahrscheinlich aus Altbeständen der US-Streitkräfte übernommen, als dieser dort ausgemustert worden sei. Der Wagenheber habe sich ohne sein Zutun gelöst, als er gerade dabei gewesen sei, an einem Fahrzeug die Unterbauung nach dem Reifenwechsel zu entfernen. Mit einem geprüften, fehlerfreien Wagenheber wäre dies nicht geschehen. Er sei Rechtshänder. Es sei jedoch seine linke Hand verletzt worden. Daher sei davon auszugehen, dass er den Wagenheber nicht selbst habe lösen können. Es sei auch nicht wirklich möglich, die linke Hand oben auf dem Griff zu haben und gleichzeitig die Verriegelung zu lösen.

7

Er war der Ansicht, ein Haftungsausschluss nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII sei nicht gegeben. Indem die Beklagte es unterlassen habe, den prüfpflichtigen Wagenheber der vorgeschriebenen Kontrolle zu unterziehen, habe sie billigend in Kauf genommen, dass mit dem nicht geprüften Arbeitsmittel Unfälle passieren könnten. Zudem sei seine Arbeitsleistung mit diesem ungeprüften Wagenheber angewiesen worden. Diese Anweisung in dem Bewusstsein, dass der hierzu benutzte Wagenheber noch nie überprüft worden sei und sich deswegen Verletzungserfolge ergeben könnten, reiche für die Annahme bedingten Vorsatzes aus. Die Beklagte habe den Wagenheber sogar in beschädigtem Zustand nach dem Unfall noch einsetzen lassen (Beweis: Zeuge N. N.). Hieraus sei ersichtlich, dass die Beklagte sogar ein weiteres Unglück in Kauf genommen hätte. Wenn mit einem Wagenheber gearbeitet werde, müsse zuweilen mit der Hand unter das Fahrzeug gegriffen werden, um Unterbauungen auf- und abzubauen. Daher sei es ausgesprochen wahrscheinlich, dass bei einem Unfall mit einem Wagenheber eine Handverletzung eintrete. Daher seien die Verletzungsfolge und der eingetretene Verletzungsschaden auch vom Vorsatz der Beklagten mitumfasst gewesen.

8

Aufgrund der Verletzungen habe er vom 24. November 2009 bis zum 20. Juli 2012 fast jeden zweiten Tag zur Krankengymnastik gemusst. Hierzu kämen weiterhin Fahrten zur Unfallklinik Z, zu Ärzten, zum Krankenhaus und zur Ergotherapie. Für die hierdurch entstandenen Fahrtkosten (Fahrtennachweise zur Vorlage bei der Berufsgenossenschaft, Bl. 38 ff. d. A.) seien ihm 20 Cent pro Kilometer von der Berufsgenossenschaft gezahlt worden. Da er jedoch ein Auto fahre, bei dem dieser Betrag nicht ausreiche, um die angefallenen Kosten zu decken, stünden ihm darüber hinaus 17,8 Cent pro gefahrenen Kilometer zu. Den von der Berufsgenossenschaft erhaltenen Betrag abgezogen, verbleibe ein Restschaden in Höhe von circa 1.632,26 €.

9

Er habe schon im Jahr 2012 die Verhandlungen mit der Beklagten und deren Versicherung aufgenommen. Die Verhandlungen seien bis zur Klageerhebung gelaufen.

10

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

11

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 41.047,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. November 2009 zu zahlen;
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm den ihm in Folge des Unfalls vom 16. September 2009 entstandenen und zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen.

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Sie hat vorgetragen,
der Wagenheber sei zum Unfallzeitpunkt in einem ordnungsgemäßen und mangelfreien Zustand gewesen. Ursächlich für den Arbeitsunfall sei eine falsche Bedienung des Wagenhebers durch den Kläger gewesen. Eine Haftung von ihr, der Beklagten, scheitere jedenfalls am Haftungsausschluss gemäß § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Sie habe keinen Vorsatz hinsichtlich der Verletzungsfolgen und des Schadensumfangs gehabt. Hilfsweise hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

15

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 9. Januar 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, dem Kläger stehe aus dem Arbeitsunfall am 16. November 2009 kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu, weil deren Haftung für Personenschäden gemäß §§ 104 Abs. 1, 105 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen sei. Unstreitig liege ein Arbeitsunfall vor, den auch die zuständige Berufsgenossenschaft anerkannt habe. Die geltend gemachten Lohnausfälle seien auch Personenschäden im Sinn des § 104 SGB VII, für die der Haftungsausschluss gelte. Da der Haftungsausschluss bezwecke, den Arbeitgeber und den Arbeitskollegen von der Haftung wegen Personenschäden freizustellen, fielen unter diese Personenschäden nicht nur immaterielle Schäden (Schmerzensgeld), sondern auch Vermögensbeeinträchtigungen wegen Verletzung oder Tötung des Versicherten (BAG, Urteil vom 10. Oktober 2002). Dieser Haftungsausschluss scheitere auch nicht aufgrund eines vorsätzlichen Verhaltens der Beklagten. Der Vorsatz des Schädigers müsse nicht nur die Verletzungshandlung, sondern auch den Verletzungserfolg umfassen. Deshalb sei es für die Begründung der Haftung nicht ausreichend, wenn der Schädiger nur vorsätzlich gegen Unfallverhütungsvorschriften verstoße. Auch der Schadenseintritt müsse gewollt oder zumindest billigend in Kauf genommen worden sein. Derjenige, der vorsätzlich eine zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzvorschrift missachte, wolle in aller Regel aber nicht die Schädigung und den Arbeitsunfall des Arbeitnehmers selbst, sondern hoffe, dass diesem kein Unfall widerfahren werde. Die Kammer sehe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den schweren Unfall des Klägers bewusst in Kauf genommen habe. Soweit der Kläger behauptet habe, die Beklagte habe den Wagenheber sogar in beschädigtem Zustand nach dem Unfall einsetzen lassen, sei dieser Vortrag unsubstantiiert. Beweis habe die Beklagte nicht angeboten. Auch der Feststellungsantrag sei nicht begründet.

16

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern (Bl. 104 ff. d. A.) Bezug genommen.

17

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 4. Februar 2014 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 4. März 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit am 16. April 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 15. April 2014 innerhalb der durch Beschluss vom 1. April 2014 bis zum 22. April 2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet. Mit der Berufung wendet sich der Kläger allein gegen die Klageabweisung, soweit diese 1.632,26 € angefallene Fahrtkosten zu den ärztlichen Besuchen nebst Zinsen betrifft.

18

Zur Begründung der Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 135 ff. d. A.) zusammengefasst geltend,
der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2002 könne nur schwer in der heutigen Lebenssituation gefolgt werden. Der Haftungsausschluss des § 104 SGB VII wurzele im Sozialrecht, welches jedoch im Laufe der letzten Jahre immer wieder einem Wandel unterlegen habe.

19

Indem die Beklagte es unterlassen habe, den prüfpflichtigen Wagenheber der vorgeschriebenen Kontrolle zu unterziehen, habe sie billigend in Kauf genommen, dass mit dem nicht geprüften Arbeitsmittel Unfälle passieren können. Sein Vortrag, die Beklagte habe den Wagenheber sogar in beschädigtem Zustand nach dem Unfall habe einsetzen lassen, hätte weiter ausgeführt werden können, wenn er einen Hinweis des Gerichts erhalten hätte. Die Beklagte habe seinen Vortrag auch nicht bestritten. Im Fall des Bestreitens wäre die Benennung des Zeugen natürlich erfolgt.

20

Der Kläger beantragt,

21

unter Abänderung des am 9. Januar 2014 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.632,26 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16. November 2009 zu zahlen.

22

Die Beklagte beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 3. Juni 2014, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 148 ff. d. A.) als rechtlich zutreffend. Sie ist der Ansicht, ungeachtet weiterer Umstände sei jedenfalls ihre Haftung gemäß § 104 SGB VII ausgeschlossen. Sie habe den Arbeitsunfall nicht verursacht, insbesondere habe sie auch keinen Vorsatz hinsichtlich der Verletzungsfolgen und des Schadensumfangs gehabt.

25

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 27. Juni 2014 (Bl. 151 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

26

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

II.

27

In der Sache hatte die Berufung des Klägers keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Nach der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts, auf die gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen wird, ist der vom Kläger in der Berufungsinstanz noch verfolgte Anspruch auf Ersatz weiterer Fahrtkosten nebst Zinsen nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII ausgeschlossen. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung sind unbegründet. Die §§ 104, 105 SGB VII finden Anwendung. Nach diesen Vorschriften sind die Ansprüche eines Versicherten auf Ersatz des Personenschadens gegen den Unternehmer oder eine andere im Betrieb tätige versicherte Person grundsätzlich ausgeschlossen. Ausnahmen gelten nur in den Fällen, dass der Unternehmer oder die andere im Betrieb tätige Person den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat oder der Versicherungsfall auf versichertem Weg (Wegeunfall) eingetreten ist.

28

Ein Versicherungsfall im Sinn des § 104 SGB VII liegt vor. Der Kläger hat bei Ausübung seiner betrieblichen Tätigkeit einen Unfall erlitten, den die zuständige Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anerkannt hat.

29

Die von dem Kläger geltend gemachten, aufgrund des Unfalls entstandenen Fahrtkosten sind auch Personenschäden im Sinn der §§ 104, 105 SGB VII, für die der Haftungsausschluss des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII gilt. Eine Vermögensbeeinträchtigung ist dann ein Personenschaden, wenn sie durch die Verletzung oder Tötung eines Menschen verursacht wird; hierunter fällt nicht nur der immaterielle Schaden (Schmerzensgeld), sondern auch jeder mittelbare materielle Vermögensschaden als Folge der Körperverletzung (BGH, Urteil vom 8. März 2012 - III ZR 191/11 - NZS 2012, 546, Rz. 89). Der Haftungsausschluss bezweckt, den Arbeitgeber von der Haftung wegen Personenschäden insgesamt freizustellen (BAG, Urteil vom 22. April 2004 - 8 AZR 159/03 - NJW 2004, 3360, 3362). Hierzu zählen Benzin und Unterhaltungskosten seines Privat-Pkw für die Wahrnehmung von Terminen bei Ärzten, im Krankenhaus oder bei der Ergotherapie. Insoweit handelt es sich gerade nicht um Sach-, sondern vielmehr um Personenschäden, da diese erst und nur durch die Verletzung des Klägers verursacht worden sind (vgl. BAG, Urteil vom 22. April 2004 - 8 AZR 159/03 - NJW 2004, 3360, 3362).

30

Der Begriff des Personenschadens ist auch nicht einschränkend dahingehend zu interpretieren, dass hiervon nur Schäden erfasst sind, für die dem Geschädigten kompensatorische Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zustehen. Die gesetzliche Unfallversicherung verlagert den Schadensausgleich bei Arbeitsunfällen aus dem individualrechtlichen in den sozialrechtlichen Bereich. Die zivilrechtliche Haftung des Unternehmers für fahrlässiges Verhalten bei Personenschäden gegenüber dem Arbeitnehmer wird durch die öffentlich-rechtliche Leistungspflicht der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung abgelöst (§ 104 SGB VII). Die gesetzliche Regelung dient zum einen dem Schutz des Geschädigten durch Einräumung eines vom Verschulden unabhängigen Anspruchs gegen einen leistungsfähigen Schuldner. Der Geschädigte muss weder ein Verschulden des Schädigers nachweisen noch sich ein eigenes Verschulden auf seine Ansprüche anrechnen lassen. Diese werden vielmehr ohne Verzögerung durch langwierige und mit einem Prozessrisiko behaftete Auseinandersetzungen mit dem Schädiger von Amts wegen festgestellt. Zum anderen dienen die Enthaftung des Unternehmers, der durch seine Beiträge die gesetzliche Unfallversicherung mitträgt und für den dadurch auch das Unfallrisiko kalkulierbar wird, und die Enthaftung der Betriebsangehörigen dem Betriebsfrieden. Hinzukommt, dass die Betriebsgemeinschaft auch eine Gefahrengemeinschaft darstellt. Wer heute als Geschädigter auf Leistungen der Unfallversicherung verwiesen wird, kann morgen schon derjenige sein, dem die Enthaftung für Fahrlässigkeiten zugute kommt. Diese Kombination stellt einen gerechten Ausgleich in der Gefahrengemeinschaft dar. Dass sich das den §§ 104, 105 SGB VII zu Grunde liegende Prinzip mal zugunsten des Geschädigten, mal zu dessen Lasten auswirken kann, ist dabei systemimmanent, da die Anspruchsvoraussetzungen und die Leistungen im zivilrechtlichen Schadensersatzrecht und im sozialrechtlichen Unfallversicherungsrecht nicht deckungsgleich sind. Dessen ungeachtet ist dieses System, auch soweit es im Einzelfall zu einer Benachteiligung des Geschädigten führt, verfassungsgemäß (BGH, Urteil vom 8. März 2012 - III ZR 191/11 - NZS 2012, 546, 547, Rz. 10; BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2009 - 1 BvR 3505/08 - NZA 2009, 509, 510 unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 7. November 1972 - 1 BvL 4 und 17/71, 1 BvR 355/71 - NJW 1973, 502 ff. und BVerfG [2. Kammer des 1. Senats], Beschluss vom 8. Februar 1995 - 1 BvR 753/94 - NJW 1995, 1607, beide zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 636 Abs. 1 S. 1 und 637 Abs. 1 RVO, insoweit als sie den bürgerlich-rechtlichen Anspruch auf Ersatz des Nichtvermögensschadens [Schmerzensgeld] ausgeschlossen haben). Der Umstand, dass nach dem Vortrag des Klägers nicht seine vollständigen Fahrtkosten von der gesetzlichen Unfallversicherung übernommen worden sind, begründet daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2012 - III ZR 191/11 - NZS 2012, 546, 547, Rz. 12).

31

Die Beklagte hat den Unfall des Klägers nicht vorsätzlich im Sinn von § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII herbeigeführt. Selbst wenn ihrer gesetzlichen Vertreterin oder gegebenenfalls Erfüllungsgehilfen (§ 278 S. 1 BGB, vgl. hierzu BAG, Urteil vom 28. April 2011 - 8 AZR 769/09 - NZA-RR 2012, 290, 292 f., Rz. 41 ff.) bekannt gewesen sein sollte, dass der vom Kläger verwendete Wagenheber nicht geprüft war, lässt dies nicht den Schluss auf eine (bedingt) vorsätzliche Herbeiführung des Arbeitsunfalls zu.

32

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 22. April 2004 - 8 AZR 159/03 - NJW 2004, 3360, 3364 m. w. N.) ist Vorsatz das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs. Der Handelnde muss den rechtswidrigen Erfolg vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Der Erfolg muss von dem Handelnden billigend in Kauf genommen worden sein. Nicht erforderlich ist, dass der Erfolg gewünscht oder beabsichtigt worden ist. Dem Arbeitnehmer ist ein Ausschluss von den Schadensersatzansprüchen nicht mehr zuzumuten, wenn er durch ein vorsätzliches Verhalten des Arbeitgebers, also durch ein besonders zu missbilligendes Verhalten, geschädigt worden ist. Eine Privilegierung des Arbeitgebers muss deshalb gegenüber dem geschädigten Arbeitnehmer in einem solchen Fall ausscheiden (BAG, Urteil vom 28. April 2011 - 8 AZR 769/09 - NZA-RR 2012, 290, 292). Dabei genügt es nicht, dass sich der Vorsatz nur auf die Verletzungshandlung bezieht, sondern dieser muss sich auch auf den Verletzungserfolg, den Personenschaden erstrecken (vgl. nur BGH, Urteil vom 8. März 2012 - III ZR 191/11 - NZS 2012, 546, 548, Rz. 14 m. w. N.). Für den Ausschlusstatbestand des Vorsatzes ist der den Anspruch stellende Geschädigte darlegungs- und beweisbelastet (BeckOK SozR/Stelljes, SGB VII, § 104 Rn. 38 m. w. N.).

33

Demgemäß genügt die gegebenenfalls vorsätzliche Missachtung von Unfallverhütungsvorschriften allein nicht, um ein vorsätzliches Handeln zu anzunehmen (BAG, Urteil vom 28. April 2011 - 8 AZR 769/09 - NZA-RR 2012, 290, 293, Rz. 50; vom 10. Oktober 2002 - 8 AZR 103/02 - NJW 2003, 1890, 1891; LAG Köln, Urteil vom 29. September 1994 - 6 Sa 763/94 - NZA 1995, 470; BeckOK SozR/Stelljes, SGB VII, § 104 Rn. 24).

34

Die Geschäftsführerin der Beklagten oder etwa ein von dem Kläger nicht näher bezeichneter Erfüllungsgehilfe hat den erheblichen Personenschaden des Klägers jedenfalls nicht billigend in Kauf genommen. Der bedingte Vorsatz unterscheidet sich hierbei von der bewussten Fahrlässigkeit dadurch, dass der bewusst fahrlässig handelnde Täter darauf vertraut, der als möglich vorausgesehene Erfolg werde nicht eintreten, und aus diesem Grund die Gefahr in Kauf nimmt, während der bedingt vorsätzlich handelnde Täter sie deshalb in Kauf nimmt, weil er, wenn er sein Ziel nicht anders erreichen kann, es auch durch das unerwünschte Mittel verwirklichen will (BGH, Urteil vom 8. März 2012 - III ZR 191/11 - NZS 2012, 546, 548, Rz. 14). Vorsatz ist nur dann zu bejahen, wenn der Schädiger den als möglich vorgestellten Erfolg in seinen Willen aufnimmt und mit ihm für den Fall seines Eintritt einverstanden ist (BAG, Urteil vom 18. April 2002 - 8 AZR 348/01 - AP Nr. 122 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers m. w. N.). Die Einstellung, es werde schon nichts passieren, begründet lediglich den Vorwurf der groben (bewussten) Fahrlässigkeit. Selbst wenn seitens der Beklagten dem Kläger bewusst ein nicht geprüfter Wagenheber zur Verfügung gestellt worden sein sollte, ist dennoch davon auszugehen, dass die Verantwortlichen bei der Beklagten darauf vertraut haben, dass der Kläger hierdurch nicht verletzt wird. Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitgeberin auch um den Preis der schwerwiegenden Handverletzung eines gesunden und leistungsfähigen Mitarbeiters und seiner daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit Kosten sparen oder ein anderes Ziel erreichen wollte, liegen nicht vor.

35

Auch aus einem erneuten Einsatz des Wagenhebers nach dem Arbeitsunfall des Klägers kann nach Ansicht der Kammer nicht gefolgert werden, dass die Verantwortlichen der Beklagten bereits im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls (bedingten) Vorsatz (auch) im Hinblick auf den Verletzungserfolg hatten.

36

Schließlich hat der Kläger ebenfalls nicht substantiiert zur Höhe des ihm entstandenen Schadens vorgetragen. Er hat sich zur Anspruchsbegründung darauf beschränkt, allgemein vorzutragen, er habe in der Zeit vom 24. November 2009 bis zum 20. Juli 2012 infolge der Verletzungen diverse Wege zur Unfallklinik Z, zu Ärzten, zum Krankenhaus und zur Ergotherapie zurücklegen müssen. Hinsichtlich der Ermittlung der Anzahl der zurückgelegten Kilometer hat der Kläger nur auf die Fahrtennachweise zur Vorlage bei der Berufsgenossenschaft (Bl. 38 ff. d. A.) Bezug genommen. Hinsichtlich der Höhe der ihm entstandenen Fahrtkosten hat er lediglich darauf hingewiesen, dass er ein Auto fahre, bei dem der von der Berufsgenossenschaft ersetzte Betrag von 20 ct pro Kilometer nicht ausreiche, um die angefallenen Kosten zu decken. Die Beklagte hat die geltend gemachte Schadenshöhe bestritten.

37

Die Berufung des Klägers hatte daher keinen Erfolg.

III.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Ein Forderungsübergang nach § 116 des Zehnten Buches findet nicht statt.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die als Leibesfrucht durch einen Versicherungsfall im Sinne des § 12 geschädigt worden sind.

(3) Die nach Absatz 1 oder 2 verbleibenden Ersatzansprüche vermindern sich um die Leistungen, die Berechtigte nach Gesetz oder Satzung infolge des Versicherungsfalls erhalten.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 10. Juli 2009 - 9 Sa 348/08 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Stadt (im Folgenden: Beklagte) verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche künftigen Schäden zu ersetzen, die er aufgrund einer vom 1. Februar bis zum 5. Mai 1995 durchgeführten Bearbeitung asbestbelasteter Bauteile erleiden sollte.

2

Der Kläger ist seit dem 1. Februar 1992 bei der Beklagten als Angestellter tätig. Von 1994 bis Mai 1995 war er bei dem Sozialamt der Beklagten in der Abteilung Obdachlosenhilfe beschäftigt und als Betreuer für Asylbewerber, Asylanten und Flüchtlinge im Asylbewerberheim A in D eingesetzt. Dieses Gebäude war bis Januar 1990 als Kindereinrichtung genutzt worden. Zum 1. Februar 1990 war diese Nutzung wegen der möglichen Freisetzung von Asbestfasern in einer die Gesundheit gefährdenden Konzentration eingestellt worden. Die Asbestkontamination der Innenwände des Gebäudes infolge der Verwendung des Baustoffes Sokalit war dem Bürgermeister der beklagten Stadt aufgrund eines Schreibens des Hochbauamtes vom 11. November 1991 bekannt.

3

Die Beklagte beabsichtigte, Anfang des Jahres 1995 das Gebäude des Asylbewerberheims grundlegend zu sanieren. Der Kläger führte mit drei weiteren Angestellten der Beklagten, drei Zivildienstleistenden sowie 12 bis 15 Asylbewerbern auf Weisung des Abteilungsleiters des Sozialamtes S sowie des Heimleiters Sch in der Zeit vom 1. Februar bis zum 5. Mai 1995 dort folgende Sanierungsarbeiten durch:

        

-       

Demontage der Rippenheizkörper,

        

-       

Abspachteln der aufgeblühten Wandoberflächen,

        

-       

Entfernen vorhandener Tapetenreste,

        

-       

Aufbringen der Klebemasse,

        

-       

Anbringen von Gipskartonplatten auf den Wänden,

        

-       

Verspachteln der Fugen zum Aufbringen eines Farbanstrichs.

4

Insgesamt leisteten die eingesetzten Personen etwa 800 Arbeitsstunden. Eine besondere Aufklärung über die Art und Weise der durchzuführenden Tätigkeiten sowie die Anweisung zum Tragen von Schutzbekleidung und Atemschutzgeräten erfolgte nicht.

5

Anfang Mai 1995 wies ein Mitarbeiter eines Bauunternehmens, der Folgearbeiten abstimmen sollte, den Kläger darauf hin, dass bei den Sanierungsarbeiten asbesthaltiger Staub freigesetzt werde und derartige Arbeiten nur von spezialisierten Unternehmen ausgeführt werden dürften. Der Kläger leitete diese Information an den zuständigen Abteilungsleiter S weiter. Dieser erklärte, das Vorhandensein asbesthaltigen Materials sei allgemein bekannt und drängte auf die Fortsetzung der Arbeiten.

6

Einer der beteiligten Zivildienstleistenden schaltete daraufhin das staatliche Gewerbeaufsichtsamt D ein. Dieses stellte fest, dass durch das Abkratzen und Abschaben der verbauten Sokalitverkleidungen eine extreme Exposition von Asbestfasern aus dem lockeren Faserverband bewirkt worden sei. Materialproben der Sokalitplatten ergaben einen Fasergehalt von bis zu 40 % Chrysotilasbest. Das Gewerbeaufsichtsamt verfügte am 5. Mai 1995 die sofortige Einstellung der Arbeiten und die Versiegelung des Gebäudes.

7

Anlässlich einer Erkrankung des Klägers im Jahre 2006 vermutete der behandelnde Arzt das Vorhandensein von Krebserregern als Auslöser. Dieser Verdacht, der sich letztlich nicht bestätigte, veranlasste den Kläger, sich näher mit der Problematik auseinanderzusetzen, ob die damaligen Sanierungsarbeiten, während derer er Asbestfasern eingeatmet hatte, für ihn das Risiko einer Krebserkrankung erhöht haben oder in Zukunft zum Ausbruch einer Krebserkrankung führen könnten.

8

Mit Anwaltsschreiben vom 6. September 2006 ließ der Kläger die Beklagte auffordern, ihre uneingeschränkte Schadensersatzpflicht dem Grunde nach für alle materiellen und immateriellen Schäden, die ihm aufgrund der in der Zeit vom 1. Februar bis 5. Mai 1995 geleisteten Sanierungsarbeiten im Asylbewerberheim D, A, entstanden sind und noch entstehen werden, anzuerkennen. Die Beklagte lehnte eine Haftung unter Hinweis auf den Haftungsausschluss nach § 104 Abs. 1 SGB VII mit Schreiben vom 20. Dezember 2006 ab.

9

Der Kläger meint, die die Sanierung anordnenden leitenden Mitarbeiter der Beklagten hätten seine gesundheitliche Schädigung zumindest billigend in Kauf genommen. Da die eingeatmeten Staubfasern dauerhaft in seinem Körper verblieben, sei durch die Sanierungsarbeiten das Risiko einer zukünftigen Erkrankung an Asbestose sowie der Ausbildung von Brustfell- und Lungentumoren begründet worden. Ein das Risiko einer Krebserkrankung ausschließender staubanalytischer Grenzwert bezüglich der Anzahl der Asbestkörperchen pro Kubikzentimeter Lungengewebe könne wissenschaftlich nicht definiert werden. Bereits eine einzige Asbestfaser im Lungengewebe könne ausreichen, den Krebs zu erzeugen.

10

Der Kläger ist der Ansicht, das Einatmen gesundheitsgefährdender, insbesondere krebserregender Stoffe aus asbesthaltigen Materialien für die Dauer von etwa drei Monaten stelle unabhängig von einem darauf beruhenden tatsächlichen Ausbruch einer Krebserkrankung bzw. Begünstigung einer anderweitigen Krankheit eine Gesundheitsverletzung iSd. § 823 Abs. 1 BGB dar. Bei dem eingeatmeten Chrysotilasbest handele es sich um einen körperfremden Giftstoff. Die Asbestfasern hakten sich im Lungengewebe ein. Bereits dies stelle einen vom normalen und gesunden Organzustand abweichenden Zustand dar. Körpereigene Zellen - sogenannte Fresszellen - versuchten die Fasern zu entfernen und würden hierbei überstrapaziert und zerstört. Hierdurch komme es zu einer schnellen Zellvermehrung, wodurch die Wahrscheinlichkeit von Zellmutationen und damit die Entstehung von Krebszellen erheblich gesteigert werde. Da es nach wissenschaftlichen Erkenntnissen durchschnittlich 34,5 Jahre dauere, bis nach einer Asbestbelastung ein Tumor entstehe, wäre ihm zum Zeitpunkt eines eventuellen Erkrankungsausbruches eine Beweisführung zu den Umständen seines Arbeitseinsatzes und zur Intensität der Asbestbelastung nicht mehr oder nur noch unter äußerst erschwerten Bedingungen möglich. Daher gebiete die verfassungsrechtlich geschützte Rechtsschutzgarantie eine Feststellung der Schadensersatzpflicht bereits ohne konkrete Anzeichen einer asbestbedingten Krebserkrankung.

11

Letztlich meint der Kläger, es lägen auch die Voraussetzungen einer körperlichen Misshandlung iSv. § 223 StGB vor.

12

Der Kläger hat in der Revisionsinstanz beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, welche er aufgrund der nach Weisung der Beklagten im Zeitraum vom 1. Februar bis 5. Mai 1995 an asbestfaserhaltigen Bauteilen im damaligen Asylbewerberheim in D, A, ausgeführten Arbeiten erleidet, unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 100 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie behauptet, die die Sanierungsarbeiten anordnenden Mitarbeiter S und Sch hätten mit der Anordnung ihre Befugnisse überschritten. Zwar habe dem Abteilungsleiter S die Dienstaufsicht und der konkrete Einsatz der Mitarbeiter des Sozialamtes oblegen, die Anordnung der Durchführung von Sanierungsarbeiten habe aber nicht zu seinem Aufgabenbereich gehört. Wegen der Befugnisüberschreitung seien auch arbeitsrechtliche Schritte gegen die handelnden Mitarbeiter ergriffen worden.

14

Die Beklagte bestreitet, dass die anordnenden Mitarbeiter vorsätzlich gehandelt haben. So habe insbesondere auch niemand den Eintritt eines Gesundheitsschadens bei dem Kläger billigend in Kauf genommen. Daher stünde einem Schadensersatzanspruch des Klägers bereits der Haftungsausschluss des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII entgegen. Außerdem lägen keine begründeten Anhaltspunkte dafür vor, dass bei dem Kläger als Folge des Umstandes, dass er asbesthaltiger Luft ausgesetzt gewesen sei, ein Gesundheitsschaden eingetreten sei. Auch habe der Kläger keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen den behaupteten Gesundheitsschäden und den im Jahre 1995 durchgeführten Sanierungsarbeiten dargelegt.

15

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

17

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Voraussetzung für den deliktischen Anspruch sei, dass der Kläger darlege und beweise, dass ein Personenschaden (Gesundheitsschaden) durch ein schuldhaft pflichtverletzendes Handeln der Beklagten bzw. einer für diese betrieblich tätigen Person zumindest fahrlässig verursacht worden sei. Der Kläger habe zwar ein zumindest fahrlässiges Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten dargelegt, welches diese sich nach § 831 BGB zurechnen lassen müsse. Dieses könnte auch zu einer Gesundheitsverletzung bei ihm führen. Für eine solche Gesundheitsverletzung im Sinne einer Störung der physischen, psychischen oder mentalen Befindlichkeit mit Krankheitscharakter gebe es jedoch keine begründeten Anhaltspunkte. Es fehle an einem medizinischen Untersuchungsergebnis, aus dem auf eine physische oder psychische Krankheit des Klägers geschlossen werden könne. Die Ansicht des Klägers, dass jeder, der über eine gewisse Zeit asbesthaltige Raumluft einatme, unweigerlich eine Gesundheitsverletzung erleide, überzeuge nicht. Allein die subjektive Vermutung bzw. Befürchtung des Klägers, bei ihm hätten sich Asbestfasern im Lungengewebe verhakt, genüge nicht, um auf das Vorliegen eines Gesundheitsschadens bei ihm schließen zu können. Die Feststellung, ob der Straftatbestand des § 223 StGB erfüllt sei, falle nicht in die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen.

18

II. Die Revision des Klägers ist zulässig.

19

Sie ist gemäß § 74 Abs. 1 ArbGG frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.

20

1. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist dem Kläger am 20. August 2009 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 18. September 2009, eingegangen an demselben Tag, hat der Kläger unter Beifügung der erforderlichen Anlagen die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Revisionsverfahren nebst der Beiordnung von Rechtsanwalt H beantragt. Mit Beschluss des Senats vom 21. Oktober 2009, dem Kläger am 2. November 2009 zugestellt, ist dem Kläger für das Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt H beigeordnet worden.

21

Die Revisionsschrift des Klägers vom 10. November 2009 ist am 11. November 2009 eingegangen. Sie enthält den Antrag, ihm gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

22

2. Dem Kläger war die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO zu gewähren. Er war ohne sein Verschulden verhindert, die einmonatige Revisionsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG(Notfrist, § 548 ZPO) und die zweimonatige (§ 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) Frist zur Begründung der Revision einzuhalten. Als unverschuldete Verhinderung ist die Bedürftigkeit der Partei anzusehen, wenn diese innerhalb der Rechtsmittelfrist einen vollständigen Prozesskostenhilfeantrag stellt (vgl. BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 106/09 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 17).

23

III. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Ob dem Kläger der geltend gemachte Feststellungsanspruch zusteht, konnte der Senat aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen allerdings nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden.

24

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das nach § 256 ZPO für Feststellungsklagen erforderliche Feststellungsinteresse gegeben.

25

a) Das besondere Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens und auch noch in der Revisionsinstanz gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen (BAG 19. August 2004 - 8 AZR 349/03 - AP SGB VII § 104 Nr. 4).

26

Dieses besondere Feststellungsinteresse ist bei einer Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden grundsätzlich dann gegeben, wenn Schadensfolgen in der Zukunft möglich sind, auch wenn ihre Art, ihr Umfang und sogar ihr Eintritt noch ungewiss sind. Es muss allerdings eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt bestehen (BAG 19. August 2004 - 8 AZR 249/03 - mwN, AP SGB VII § 104 Nr. 4).

27

Das bedeutet, dass ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung iSd. § 256 Abs. 1 ZPO wegen eines erst künftig aus einem Rechtsverhältnis erwachsenden Schadens angenommen werden kann, wenn nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge der Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich ist(BGH 15. Oktober 1992 - IX ZR 43/92 - mwN, NJW 1993, 648).

28

b) Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen ist ein Feststellungsinteresse des Klägers gegeben. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, dass eine Gesundheitsverletzung des Klägers derzeit nicht vorliegt, stehen dem nicht entgegen.

29

aa) Ausweislich der Feststellungen des Arbeitsgerichts im Tatbestand, auf welche im Berufungsurteil ausdrücklich verwiesen wird, ist unstreitig, dass der Kläger bei seiner Beteiligung an den Sanierungsarbeiten Asbestfasern eingeatmet hat, dass das Einatmen asbesthaltiger Raumluft für die Dauer von ca. 100 Stunden zu Ablagerungen von Asbestfasern im Lungengewebe führt und dass hierdurch die Risiken einer chronischen Entzündung in der Lunge und der Ausbildung von Krebszellen erhöht werden. Weiterhin ist ausweislich der Feststellungen unstreitig, dass ein staubanalytischer Grenzwert für die Anzahl der eine Asbesterkrankung auslösenden Asbestpartikel nicht definiert werden kann, dass aber das Risiko einer solchen Erkrankung mit der Intensität und der Dauer der Einatmung asbesthaltiger Luft ansteigt.

30

bb) Damit steht zwar nicht fest, dass beim Kläger durch die Asbestbelastung bereits eine Gesundheitsschädigung eingetreten ist. Allerdings besteht nach der allgemeinen Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eine gewisse, dh. hinreichende Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer solchen. Dies folgt zum einen daraus, dass nach § 1 iVm. Anlage 1 Nr. 4103, 4104 und 4105 der Berufskrankheitenverordnung vom 31. Oktober 1997 durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen als Berufskrankheiten anerkannt sind und somit auch der Verordnungsgeber davon ausgeht, dass Asbestbelastungen Erkrankungen hervorrufen können. Zum anderen ist auch die Schließung der Kindereinrichtung und die durch das Gewerbeaufsichtsamt angeordnete Einstellung der Arbeiten an dem fraglichen Gebäude in D, A, wegen Asbestbelastung ein Anhaltspunkt für das erhebliche Gesundheitsrisiko von dort zu verrichtenden Arbeiten unter Asbeststaubbelastung. Letztlich war die Tätigkeit des Klägers im Asylbewerberheim vom 1. Februar bis 5. Mai 1995 auch nicht von solch kurzer Dauer, dass eine Gesundheitsschädigung nach allgemeiner Lebenserfahrung als unwahrscheinlich anzusehen wäre.

31

2. Ob eine Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen eines Verstoßes der Beklagten gegen ihre arbeitsvertraglichen Schutzpflichten (§ 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 618 Abs. 1 BGB) wegen des Haftungsausschlusses nach § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO unbegründet ist, kann der Senat aufgrund der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.

32

a) Entgegen der Auffassung der Parteien ist hinsichtlich eines Haftungsausschlusses § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht anwendbar. Diese Bestimmung ist erst zum 1. Januar 1997 in Kraft getreten. Für vor diesem Zeitpunkt liegendes Unfallgeschehen kann sich ein Haftungsausschluss deshalb nur aus §§ 636 ff. RVO in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung (im Folgenden nur: RVO) ergeben.

33

b) Gemäß § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO ist der Unternehmer den in seinem Unternehmen tätigen Versicherten zum Ersatz des durch einen Arbeitsunfall erlittenen Personenschadens nach anderen gesetzlichen Vorschriften nur dann verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat oder wenn der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist.

34

aa) Die beklagte Stadt ist Unternehmer (vgl. BGH 22. Februar 1989 - III ZR 234/88 - VersR 1990, 404; OLG Dresden 14. Oktober 1998 - 6 U 1485/98 - NJW-RR 1999, 902; LG Fulda 9. April 1987 - 2 O 389/86 - NJW-RR 1987, 1438). Der Kläger ist ein im Unternehmen der Beklagten tätiger Versicherter iSd. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO.

35

bb) Ob ein Arbeitsunfall anzuerkennen ist, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO gelten Berufskrankheiten als Arbeitsunfälle. Berufskrankheiten sind allerdings nur solche Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet hat. Nach § 1 iVm. Anlage 1 Nr. 4103, 4104 und 4105 der Berufskrankheitenverordnung vom 31. Oktober 1997 sind als Berufskrankheiten ua. anerkannt:

        

- Nr. 4103

Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen der Pleura,

        

- Nr. 4104

Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs

                          

-       

in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose),

                          

-       

in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder

                          

-       

bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren (25 x 106 [(Fasern/m3) x Jahre]),

        

- Nr. 4105

durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells und des Bauchfells oder des Perikards.

36

Die vom Kläger dargelegten befürchteten asbeststaubbedingten Erkrankungen entsprechen den Erkrankungen der Nr. 4103 bis 4105 der Anlage 1 zu § 1 der Berufskrankheitenverordnung und sind somit Berufskrankheiten iSv. § 551 Abs. 1 RVO.

37

cc) Der Ausschluss der Haftung entfällt lediglich im Falle einer vorsätzlichen Herbeiführung des Arbeitsunfalls durch den Unternehmer (§ 636 Abs. 1 Satz 1 RVO).

38

Die Beklagte als Gebietskörperschaft kann als juristische Person des öffentlichen Rechts Arbeitsunfälle nicht selbst verursachen. Eine solche Verursachung kann nur durch die für sie handelnden Personen erfolgen. Als solche kommen für eine juristische Person deren Organe, gesetzlichen Vertreter sowie Verrichtungs- und Erfüllungsgehilfen in Betracht.

39

Die Regelungen des Unfallversicherungsrechts bezwecken zum einen den Schutz des Arbeitnehmers. Diesem steht bei einem Arbeitsunfall stets ein leistungsfähiger Schuldner gegenüber. Er ist in der Lage, schnell und wirksam die zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit und der wirtschaftlichen Sicherung des Arbeitnehmers erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Ansprüche des Arbeitnehmers werden ohne Verzögerung durch langwierige Streitigkeiten über Verschulden und Mitverschulden und ohne Prozessrisiko von Amts wegen festgestellt. Zum anderen dient der Haftungsausschluss nach §§ 636 ff. RVO auch dem Arbeitgeber. Dieser soll von der zivilrechtlichen Schadensersatzpflicht freigestellt werden, weil allein die Arbeitgeber die Aufwendungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu tragen haben. Durch die Haftungsersetzung wird das Risiko von Arbeitsunfällen für den Arbeitgeber kalkulierbar. Weiterhin soll der Haftungsausschluss sicherstellen, dass gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer um die Haftung aus Arbeitsunfällen nicht den Betriebsfrieden gefährden. Wenn der Haftungsausschluss auch nicht schlechthin den Frieden zwischen den Arbeitsvertragsparteien garantieren kann, so ist er doch geeignet, Anlässe zu Konflikten im Betrieb einzuschränken. Dass der Haftungsausschluss Schadensersatzansprüche aus vorsätzlicher Verletzung des Arbeitnehmers nicht erfasst, rechtfertigt sich aus der Rücksicht auf den Unrechtsgehalt der Tat (vgl. BVerfG 7. November 1972 - 1 BvL 4/71, 1 BvL 17/71, 1 BvL 10/72, 1 BvR 355/71 - BVerfGE 34, 118 = AP RVO § 636 Nr. 6).

40

Dem Arbeitnehmer ist ein Ausschluss von den Schadensersatzansprüchen nicht mehr zuzumuten, wenn er durch ein vorsätzliches Verhalten des Unternehmers, also durch ein besonders zu missbilligendes Verhalten, geschädigt worden ist. Eine Privilegierung des Unternehmers muss deshalb gegenüber dem geschädigten Arbeitnehmer in einem solchen Falle ausscheiden.

41

dd) Der Unternehmer hat nach § 278 Satz 1 BGB allerdings das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, derer er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten gegenüber dem Arbeitnehmer bedient(Erfüllungsgehilfen), in gleichem Umfange zu vertreten, wie eigenes Verschulden.

42

Dies widerspricht nicht dem Sinn und Zweck der Haftungsprivilegierung des § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO. Der Grund dafür, dass nach § 278 Satz 1 BGB der Schuldner, der sich bei der Erbringung seiner Leistung der Hilfe eines Dritten bedient, für dessen Verschulden einzustehen hat, liegt darin, dass der Geschäftskreis des Schuldners und damit sein eigener Risikobereich durch die Einschaltung einer solchen Hilfsperson eine Erweiterung erfährt(BGH 8. Februar 1974 - V ZR 21/72 - BGHZ 62, 119). § 278 BGB will den Gläubiger vor möglichen haftungsausschließenden Folgen einer arbeitsteiligen Wirtschaft schützen. Der Schuldner soll sich der Haftung für Leistungsstörungen nicht dadurch entziehen können, dass er Gehilfen einsetzt (BGH 27. Juni 1985 - VII ZR 23/84 - BGHZ 95, 128). Für die Haftung des Schuldners nach § 278 Satz 1 BGB ist es insbesondere nicht von Bedeutung, ob er bei der Auswahl, Anleitung, Unterweisung oder Beaufsichtigung des Dritten die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt oder gelassen hat. Er muss das Risiko eines fehlerhaften Verhaltens seines Erfüllungsgehilfen deshalb tragen, weil dieser objektiv eine Aufgabe übernimmt, die im Verhältnis zum Gläubiger dem Schuldner selbst obliegt (BGH 8. Februar 1974 - V ZR 21/72 - aaO). Dieser, das gesamte Vertragsrecht beherrschende Grundsatz erfährt durch § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO nur insoweit eine Einschränkung, als der Unternehmer nicht für die fahrlässige Verursachung eines Arbeitsunfalls durch ihn selbst oder durch seinen Erfüllungsgehilfen haftet. Ist allerdings der Arbeitsunfall des Versicherten (dh. des Arbeitnehmers) durch ein vorsätzliches Verhalten, also ein besonders zu missbilligendes Verhalten eines Erfüllungsgehilfen verursacht worden, gebieten Sinn und Zweck des § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO nicht, zugunsten des Unternehmers, der nicht in persona tätig geworden ist, weil er dies nicht wollte oder nicht konnte(zB bei einer juristischen Person als Unternehmer), die Haftungszurechnungsnorm des § 278 Satz 1 BGB nicht anzuwenden. Eine solche, im Übrigen auch durch den Gesetzeswortlaut nicht gebotene Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 278 Satz 1 BGB wäre dem geschädigten Arbeitnehmer auch aufgrund des Unrechtsgehalts der Tat nicht zumutbar.

43

Auch der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seiner Entscheidung vom 8. Dezember 1970 (- 1 AZR 81/70 - AP RVO § 636 Nr. 4 = EzA BGB § 611 Gefahrgeneigte Arbeit Nr. 6) keine Bedenken gegen eine Anwendbarkeit des § 278 BGB im Rahmen des § 636 RVO bei der Verursachung eines Arbeitsunfalls durch einen Erfüllungsgehilfen erkennen lassen(ebenso: LAG Rheinland-Pfalz 8. September 2004 - 10 Sa 263/04 -; LAG Schleswig-Holstein 2. Juni 2009 - 5 Sa 41/09 - LAGE § 104 SGB VII Nr. 2 zu §§ 104 f. SGB VII).

44

ee) Die Beklagte bediente sich zur Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Kläger ua. des Abteilungsleiters S. Diesem oblag die Dienstaufsicht und der konkrete Einsatz der Mitarbeiter des Sozialamtes. Damit war er Vorgesetzter des Klägers. Ob er sich im konkreten Streitfalle bei der Anweisung des Arbeitseinsatzes des Klägers innerhalb der ihm zustehenden Befugnisse gehalten hat, ist für seinen Status als Erfüllungsgehilfe der Beklagten ohne Belang. Die Stellung als Erfüllungsgehilfe erlischt nämlich nicht dadurch, dass der durch den Arbeitgeber mit gegenüber dem Arbeitnehmer unbeschränkter Weisungsbefugnis ausgestattete Vorgesetzte die ihm im Innenverhältnis eingeräumten Befugnisse überschreitet. Eine solche Überschreitung wird im Regelfalle immer vorliegen, wenn der Vorgesetzte Weisungen erteilt, durch welche der Arbeitnehmer Schäden erleidet, da nicht anzunehmen ist, dass solche Weisungen sich im Rahmen der dem Vorgesetzten vom Arbeitgeber eingeräumten Befugnisse halten.

45

ff) Nach § 278 BGB hat die Beklagte das Verschulden des Abteilungsleiters wie eigenes zu vertreten.

46

Der Arbeitgeber haftet dem geschädigten Arbeitnehmer gegenüber gemäß § 278 Satz 1 BGB für schuldhaft begangene Rechtsverletzungen, die für ihn als Erfüllungsgehilfen eingesetzte Mitarbeiter oder Vorgesetzte begehen(allgemeine Meinung; vgl. BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - BAGE 124, 295 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7). Dabei ist es jedoch erforderlich, dass die schuldhafte Handlung des als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers handelnden Mitarbeiters in einem engen sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die der Arbeitgeber ihm als Erfüllungsgehilfen zugewiesen hat. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Erfüllungsgehilfe gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers konkretisiert bzw. wenn er ihm gegenüber Weisungsbefugnis besitzt (BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - aaO).

47

Die Beklagte hatte die sich aus § 618 Abs. 1 BGB ergebende arbeitsvertragliche Verpflichtung, die unter ihrer Anordnung vom Kläger vorzunehmenden Dienstleistungen so zu regeln, dass dieser gegen Gefahren für Leben und Gesundheit so weit geschützt war, als es die Natur der Dienstleistung gestattete. Daraus ergab sich für die Beklagte die Pflicht, den Kläger nicht mit Tätigkeiten zu beauftragen, bei denen er mit Asbestfasern in Kontakt kam, so dass für ihn die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bestand. Da die Beklagte den Arbeitseinsatz des Klägers durch dessen Abteilungsleiter S, der auch die Dienstaufsicht über den Kläger besaß, anordnen ließ, hat sie sich dessen Verschulden zurechnen zu lassen, wenn dieser den Kläger zu arbeitsvertraglich unzulässigen Arbeiten mit asbesthaltigen Materialien angewiesen hat.

48

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war dem Abteilungsleiter S das Vorhandensein asbesthaltigen Materials im Asylbewerberheim bekannt. Dennoch drängte er auf die Fortsetzung der Sanierungsarbeiten durch den Kläger. Deshalb steht fest, dass der Abteilungsleiter den Kläger vorsätzlich mit Tätigkeiten betraut hat, bei denen er mit gesundheitsgefährdenden Materialien in Berührung kam.

49

Damit ist aber noch nicht zwingend davon auszugehen, dass der Abteilungsleiter als Erfüllungsgehilfe der Beklagten und damit letztlich die Beklagte einen möglicherweise noch eintretenden Arbeitsunfall in Form eines Gesundheitsschadens des Klägers aufgrund der Asbestbelastung vorsätzlich iSd. § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO verschuldet hat.

50

Allein der Verstoß gegen zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzpflichten indiziert keinen Vorsatz bezüglich der Herbeiführung eines Arbeitsunfalls iSd. § 636 Abs. 1 RVO. Ein solcher ist nur dann vorsätzlich herbeigeführt, wenn dieser gewollt war (dolus directus) oder sein Eintritt billigend in Kauf genommen wurde (dolus eventualis, vgl. BAG 31. Oktober 1991 - 8 AZR 637/90 - EzB RVO §§ 636, 637 Nr. 5). Der Vorsatz des Schädigers muss nämlich nicht nur die Verletzungshandlung, sondern auch den Verletzungserfolg umfassen. Demnach verbietet es sich, die vorsätzliche Pflichtverletzung mit einer ungewollten Unfallfolge mit einem gewollten Arbeitsunfall gleichzubehandeln (vgl. BAG 19. Februar 2009 - 8 AZR 188/08 - AP SGB VII § 105 Nr. 4 = EzA SGB VII § 105 Nr. 5). Diese Rechtsprechung zu §§ 636, 637 RVO ist auch entsprechend auf die Haftungsfreistellung nach §§ 104, 105 SGB VII erstreckt worden(vgl. BAG 19. August 2004 - 8 AZR 349/03 - AP SGB VII § 104 Nr. 4 = EzA SGB VII § 104 Nr. 2; 19. Februar 2009 - 8 AZR 188/08 - aaO).

51

gg) Ob eine vorsätzliche Herbeiführung eines möglichen Arbeitsunfalls des Klägers in Form einer Gesundheitsschädigung aufgrund der angeordneten Arbeiten unter Asbestbelastung durch den Abteilungsleiter des Klägers im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung vorgelegen hat, kann der Senat nicht feststellen. Dies ist Aufgabe des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz. Aus diesem Grunde war die Sache gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Dieses wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Schulz    

        

    Wroblewski    

                 

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Az.: 2 Ca 1260/13 - vom 9. Januar 2014 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über dem Kläger infolge eines schweren Arbeitsunfalls entstandenen Fahrtkosten.

2

Der am ... Januar 1950 geborene Kläger war bei der Beklagten als Lkw-Fahrer beschäftigt. Er erlitt am 16. November 2009 einen schweren Arbeitsunfall, bei dem seine linke Hand unter einem hydraulischen Wagenheber zerquetscht wurde. Dies führte zu einem nahezu vollständigen Funktionsverlust der linken Hand. Über diesen Unfall wurde der Unfalluntersuchungsbericht (Bl. 12 d. A.) gefertigt. In diesem heißt es auszugsweise:

3

"Bei technischen Arbeitsmitteln         

        

Hersteller           

nicht mehr lesbar

Type        

        

Baujahr           

        

GS-Zeichen?           

Nein   

ggf. Prüfstelle           

        

ggf. Prüf-Nr           

        

Ist die Betriebseinrichtung prüfpflichtig?           

Ja    

ggf. nach welcher Vorschrift?           

BGV A1 § 2 Abs. (1) und
BetrSichV § 10 Abs. (2)

Wird ein Prüfbuch geführt?           

Nein   

Wann war die letzte Prüfung?"       

        

4

Seit dem Unfall ist der Kläger arbeitsunfähig. Ab dem 29. Dezember 2009 bis zum 15. Mai 2011 erhielt der Kläger Verletztengeld. Vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2012 bezog er Arbeitslosengeld I (Bescheid der Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit Kaiserslautern vom 11. Januar 2012, Bl. 33 ff. d. A.) sowie eine Berufsunfähigkeitsrente. Seither erhält er Rentenbezüge.

5

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 30. November 2012 hat der Kläger Ansprüche aus dem Arbeitsunfall gegenüber der Beklagten in einer Gesamthöhe von 41.047,39 € geltend gemacht. Er hat sodann am 3. Mai 2013 beim Landgericht Kaiserslautern Klage auf Zahlung der Differenz zwischen dem erhaltenen Verletztengeld und seinem Gehalt, Arbeitslosengeld zuzüglich Berufsunfähigkeitsrente und seinem Gehalt, Rentenbezügen und Gehalt, auf Ersatz entstandener Fahrtkosten und auf Zahlung von Schmerzensgeld sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schadens erhoben. Das Landgericht Kaiserslautern hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 29. August 2013, Az. 3 O 326/13 (Bl. 89 ff. d. A.) an das Arbeitsgericht Kaiserslautern verwiesen.

6

Der Kläger hat - soweit im Berufungsverfahren noch von Bedeutung - vorgetragen,
bei der Beklagten handele es sich um einen prüfpflichtigen Betrieb, der die Arbeitsmittel einer regelmäßigen Kontrolle unterziehen müsse. Die erforderliche Prüfung sei bei dem Wagenheber noch nie vorgenommen worden. Die Beklagte habe den Wagenheber wahrscheinlich aus Altbeständen der US-Streitkräfte übernommen, als dieser dort ausgemustert worden sei. Der Wagenheber habe sich ohne sein Zutun gelöst, als er gerade dabei gewesen sei, an einem Fahrzeug die Unterbauung nach dem Reifenwechsel zu entfernen. Mit einem geprüften, fehlerfreien Wagenheber wäre dies nicht geschehen. Er sei Rechtshänder. Es sei jedoch seine linke Hand verletzt worden. Daher sei davon auszugehen, dass er den Wagenheber nicht selbst habe lösen können. Es sei auch nicht wirklich möglich, die linke Hand oben auf dem Griff zu haben und gleichzeitig die Verriegelung zu lösen.

7

Er war der Ansicht, ein Haftungsausschluss nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII sei nicht gegeben. Indem die Beklagte es unterlassen habe, den prüfpflichtigen Wagenheber der vorgeschriebenen Kontrolle zu unterziehen, habe sie billigend in Kauf genommen, dass mit dem nicht geprüften Arbeitsmittel Unfälle passieren könnten. Zudem sei seine Arbeitsleistung mit diesem ungeprüften Wagenheber angewiesen worden. Diese Anweisung in dem Bewusstsein, dass der hierzu benutzte Wagenheber noch nie überprüft worden sei und sich deswegen Verletzungserfolge ergeben könnten, reiche für die Annahme bedingten Vorsatzes aus. Die Beklagte habe den Wagenheber sogar in beschädigtem Zustand nach dem Unfall noch einsetzen lassen (Beweis: Zeuge N. N.). Hieraus sei ersichtlich, dass die Beklagte sogar ein weiteres Unglück in Kauf genommen hätte. Wenn mit einem Wagenheber gearbeitet werde, müsse zuweilen mit der Hand unter das Fahrzeug gegriffen werden, um Unterbauungen auf- und abzubauen. Daher sei es ausgesprochen wahrscheinlich, dass bei einem Unfall mit einem Wagenheber eine Handverletzung eintrete. Daher seien die Verletzungsfolge und der eingetretene Verletzungsschaden auch vom Vorsatz der Beklagten mitumfasst gewesen.

8

Aufgrund der Verletzungen habe er vom 24. November 2009 bis zum 20. Juli 2012 fast jeden zweiten Tag zur Krankengymnastik gemusst. Hierzu kämen weiterhin Fahrten zur Unfallklinik Z, zu Ärzten, zum Krankenhaus und zur Ergotherapie. Für die hierdurch entstandenen Fahrtkosten (Fahrtennachweise zur Vorlage bei der Berufsgenossenschaft, Bl. 38 ff. d. A.) seien ihm 20 Cent pro Kilometer von der Berufsgenossenschaft gezahlt worden. Da er jedoch ein Auto fahre, bei dem dieser Betrag nicht ausreiche, um die angefallenen Kosten zu decken, stünden ihm darüber hinaus 17,8 Cent pro gefahrenen Kilometer zu. Den von der Berufsgenossenschaft erhaltenen Betrag abgezogen, verbleibe ein Restschaden in Höhe von circa 1.632,26 €.

9

Er habe schon im Jahr 2012 die Verhandlungen mit der Beklagten und deren Versicherung aufgenommen. Die Verhandlungen seien bis zur Klageerhebung gelaufen.

10

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

11

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 41.047,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. November 2009 zu zahlen;
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm den ihm in Folge des Unfalls vom 16. September 2009 entstandenen und zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen.

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Sie hat vorgetragen,
der Wagenheber sei zum Unfallzeitpunkt in einem ordnungsgemäßen und mangelfreien Zustand gewesen. Ursächlich für den Arbeitsunfall sei eine falsche Bedienung des Wagenhebers durch den Kläger gewesen. Eine Haftung von ihr, der Beklagten, scheitere jedenfalls am Haftungsausschluss gemäß § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Sie habe keinen Vorsatz hinsichtlich der Verletzungsfolgen und des Schadensumfangs gehabt. Hilfsweise hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

15

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 9. Januar 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, dem Kläger stehe aus dem Arbeitsunfall am 16. November 2009 kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu, weil deren Haftung für Personenschäden gemäß §§ 104 Abs. 1, 105 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen sei. Unstreitig liege ein Arbeitsunfall vor, den auch die zuständige Berufsgenossenschaft anerkannt habe. Die geltend gemachten Lohnausfälle seien auch Personenschäden im Sinn des § 104 SGB VII, für die der Haftungsausschluss gelte. Da der Haftungsausschluss bezwecke, den Arbeitgeber und den Arbeitskollegen von der Haftung wegen Personenschäden freizustellen, fielen unter diese Personenschäden nicht nur immaterielle Schäden (Schmerzensgeld), sondern auch Vermögensbeeinträchtigungen wegen Verletzung oder Tötung des Versicherten (BAG, Urteil vom 10. Oktober 2002). Dieser Haftungsausschluss scheitere auch nicht aufgrund eines vorsätzlichen Verhaltens der Beklagten. Der Vorsatz des Schädigers müsse nicht nur die Verletzungshandlung, sondern auch den Verletzungserfolg umfassen. Deshalb sei es für die Begründung der Haftung nicht ausreichend, wenn der Schädiger nur vorsätzlich gegen Unfallverhütungsvorschriften verstoße. Auch der Schadenseintritt müsse gewollt oder zumindest billigend in Kauf genommen worden sein. Derjenige, der vorsätzlich eine zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzvorschrift missachte, wolle in aller Regel aber nicht die Schädigung und den Arbeitsunfall des Arbeitnehmers selbst, sondern hoffe, dass diesem kein Unfall widerfahren werde. Die Kammer sehe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den schweren Unfall des Klägers bewusst in Kauf genommen habe. Soweit der Kläger behauptet habe, die Beklagte habe den Wagenheber sogar in beschädigtem Zustand nach dem Unfall einsetzen lassen, sei dieser Vortrag unsubstantiiert. Beweis habe die Beklagte nicht angeboten. Auch der Feststellungsantrag sei nicht begründet.

16

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern (Bl. 104 ff. d. A.) Bezug genommen.

17

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 4. Februar 2014 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 4. März 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit am 16. April 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 15. April 2014 innerhalb der durch Beschluss vom 1. April 2014 bis zum 22. April 2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet. Mit der Berufung wendet sich der Kläger allein gegen die Klageabweisung, soweit diese 1.632,26 € angefallene Fahrtkosten zu den ärztlichen Besuchen nebst Zinsen betrifft.

18

Zur Begründung der Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 135 ff. d. A.) zusammengefasst geltend,
der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2002 könne nur schwer in der heutigen Lebenssituation gefolgt werden. Der Haftungsausschluss des § 104 SGB VII wurzele im Sozialrecht, welches jedoch im Laufe der letzten Jahre immer wieder einem Wandel unterlegen habe.

19

Indem die Beklagte es unterlassen habe, den prüfpflichtigen Wagenheber der vorgeschriebenen Kontrolle zu unterziehen, habe sie billigend in Kauf genommen, dass mit dem nicht geprüften Arbeitsmittel Unfälle passieren können. Sein Vortrag, die Beklagte habe den Wagenheber sogar in beschädigtem Zustand nach dem Unfall habe einsetzen lassen, hätte weiter ausgeführt werden können, wenn er einen Hinweis des Gerichts erhalten hätte. Die Beklagte habe seinen Vortrag auch nicht bestritten. Im Fall des Bestreitens wäre die Benennung des Zeugen natürlich erfolgt.

20

Der Kläger beantragt,

21

unter Abänderung des am 9. Januar 2014 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.632,26 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16. November 2009 zu zahlen.

22

Die Beklagte beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 3. Juni 2014, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 148 ff. d. A.) als rechtlich zutreffend. Sie ist der Ansicht, ungeachtet weiterer Umstände sei jedenfalls ihre Haftung gemäß § 104 SGB VII ausgeschlossen. Sie habe den Arbeitsunfall nicht verursacht, insbesondere habe sie auch keinen Vorsatz hinsichtlich der Verletzungsfolgen und des Schadensumfangs gehabt.

25

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 27. Juni 2014 (Bl. 151 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

26

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

II.

27

In der Sache hatte die Berufung des Klägers keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Nach der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts, auf die gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen wird, ist der vom Kläger in der Berufungsinstanz noch verfolgte Anspruch auf Ersatz weiterer Fahrtkosten nebst Zinsen nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII ausgeschlossen. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung sind unbegründet. Die §§ 104, 105 SGB VII finden Anwendung. Nach diesen Vorschriften sind die Ansprüche eines Versicherten auf Ersatz des Personenschadens gegen den Unternehmer oder eine andere im Betrieb tätige versicherte Person grundsätzlich ausgeschlossen. Ausnahmen gelten nur in den Fällen, dass der Unternehmer oder die andere im Betrieb tätige Person den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat oder der Versicherungsfall auf versichertem Weg (Wegeunfall) eingetreten ist.

28

Ein Versicherungsfall im Sinn des § 104 SGB VII liegt vor. Der Kläger hat bei Ausübung seiner betrieblichen Tätigkeit einen Unfall erlitten, den die zuständige Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anerkannt hat.

29

Die von dem Kläger geltend gemachten, aufgrund des Unfalls entstandenen Fahrtkosten sind auch Personenschäden im Sinn der §§ 104, 105 SGB VII, für die der Haftungsausschluss des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII gilt. Eine Vermögensbeeinträchtigung ist dann ein Personenschaden, wenn sie durch die Verletzung oder Tötung eines Menschen verursacht wird; hierunter fällt nicht nur der immaterielle Schaden (Schmerzensgeld), sondern auch jeder mittelbare materielle Vermögensschaden als Folge der Körperverletzung (BGH, Urteil vom 8. März 2012 - III ZR 191/11 - NZS 2012, 546, Rz. 89). Der Haftungsausschluss bezweckt, den Arbeitgeber von der Haftung wegen Personenschäden insgesamt freizustellen (BAG, Urteil vom 22. April 2004 - 8 AZR 159/03 - NJW 2004, 3360, 3362). Hierzu zählen Benzin und Unterhaltungskosten seines Privat-Pkw für die Wahrnehmung von Terminen bei Ärzten, im Krankenhaus oder bei der Ergotherapie. Insoweit handelt es sich gerade nicht um Sach-, sondern vielmehr um Personenschäden, da diese erst und nur durch die Verletzung des Klägers verursacht worden sind (vgl. BAG, Urteil vom 22. April 2004 - 8 AZR 159/03 - NJW 2004, 3360, 3362).

30

Der Begriff des Personenschadens ist auch nicht einschränkend dahingehend zu interpretieren, dass hiervon nur Schäden erfasst sind, für die dem Geschädigten kompensatorische Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zustehen. Die gesetzliche Unfallversicherung verlagert den Schadensausgleich bei Arbeitsunfällen aus dem individualrechtlichen in den sozialrechtlichen Bereich. Die zivilrechtliche Haftung des Unternehmers für fahrlässiges Verhalten bei Personenschäden gegenüber dem Arbeitnehmer wird durch die öffentlich-rechtliche Leistungspflicht der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung abgelöst (§ 104 SGB VII). Die gesetzliche Regelung dient zum einen dem Schutz des Geschädigten durch Einräumung eines vom Verschulden unabhängigen Anspruchs gegen einen leistungsfähigen Schuldner. Der Geschädigte muss weder ein Verschulden des Schädigers nachweisen noch sich ein eigenes Verschulden auf seine Ansprüche anrechnen lassen. Diese werden vielmehr ohne Verzögerung durch langwierige und mit einem Prozessrisiko behaftete Auseinandersetzungen mit dem Schädiger von Amts wegen festgestellt. Zum anderen dienen die Enthaftung des Unternehmers, der durch seine Beiträge die gesetzliche Unfallversicherung mitträgt und für den dadurch auch das Unfallrisiko kalkulierbar wird, und die Enthaftung der Betriebsangehörigen dem Betriebsfrieden. Hinzukommt, dass die Betriebsgemeinschaft auch eine Gefahrengemeinschaft darstellt. Wer heute als Geschädigter auf Leistungen der Unfallversicherung verwiesen wird, kann morgen schon derjenige sein, dem die Enthaftung für Fahrlässigkeiten zugute kommt. Diese Kombination stellt einen gerechten Ausgleich in der Gefahrengemeinschaft dar. Dass sich das den §§ 104, 105 SGB VII zu Grunde liegende Prinzip mal zugunsten des Geschädigten, mal zu dessen Lasten auswirken kann, ist dabei systemimmanent, da die Anspruchsvoraussetzungen und die Leistungen im zivilrechtlichen Schadensersatzrecht und im sozialrechtlichen Unfallversicherungsrecht nicht deckungsgleich sind. Dessen ungeachtet ist dieses System, auch soweit es im Einzelfall zu einer Benachteiligung des Geschädigten führt, verfassungsgemäß (BGH, Urteil vom 8. März 2012 - III ZR 191/11 - NZS 2012, 546, 547, Rz. 10; BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2009 - 1 BvR 3505/08 - NZA 2009, 509, 510 unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 7. November 1972 - 1 BvL 4 und 17/71, 1 BvR 355/71 - NJW 1973, 502 ff. und BVerfG [2. Kammer des 1. Senats], Beschluss vom 8. Februar 1995 - 1 BvR 753/94 - NJW 1995, 1607, beide zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 636 Abs. 1 S. 1 und 637 Abs. 1 RVO, insoweit als sie den bürgerlich-rechtlichen Anspruch auf Ersatz des Nichtvermögensschadens [Schmerzensgeld] ausgeschlossen haben). Der Umstand, dass nach dem Vortrag des Klägers nicht seine vollständigen Fahrtkosten von der gesetzlichen Unfallversicherung übernommen worden sind, begründet daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2012 - III ZR 191/11 - NZS 2012, 546, 547, Rz. 12).

31

Die Beklagte hat den Unfall des Klägers nicht vorsätzlich im Sinn von § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII herbeigeführt. Selbst wenn ihrer gesetzlichen Vertreterin oder gegebenenfalls Erfüllungsgehilfen (§ 278 S. 1 BGB, vgl. hierzu BAG, Urteil vom 28. April 2011 - 8 AZR 769/09 - NZA-RR 2012, 290, 292 f., Rz. 41 ff.) bekannt gewesen sein sollte, dass der vom Kläger verwendete Wagenheber nicht geprüft war, lässt dies nicht den Schluss auf eine (bedingt) vorsätzliche Herbeiführung des Arbeitsunfalls zu.

32

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 22. April 2004 - 8 AZR 159/03 - NJW 2004, 3360, 3364 m. w. N.) ist Vorsatz das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs. Der Handelnde muss den rechtswidrigen Erfolg vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Der Erfolg muss von dem Handelnden billigend in Kauf genommen worden sein. Nicht erforderlich ist, dass der Erfolg gewünscht oder beabsichtigt worden ist. Dem Arbeitnehmer ist ein Ausschluss von den Schadensersatzansprüchen nicht mehr zuzumuten, wenn er durch ein vorsätzliches Verhalten des Arbeitgebers, also durch ein besonders zu missbilligendes Verhalten, geschädigt worden ist. Eine Privilegierung des Arbeitgebers muss deshalb gegenüber dem geschädigten Arbeitnehmer in einem solchen Fall ausscheiden (BAG, Urteil vom 28. April 2011 - 8 AZR 769/09 - NZA-RR 2012, 290, 292). Dabei genügt es nicht, dass sich der Vorsatz nur auf die Verletzungshandlung bezieht, sondern dieser muss sich auch auf den Verletzungserfolg, den Personenschaden erstrecken (vgl. nur BGH, Urteil vom 8. März 2012 - III ZR 191/11 - NZS 2012, 546, 548, Rz. 14 m. w. N.). Für den Ausschlusstatbestand des Vorsatzes ist der den Anspruch stellende Geschädigte darlegungs- und beweisbelastet (BeckOK SozR/Stelljes, SGB VII, § 104 Rn. 38 m. w. N.).

33

Demgemäß genügt die gegebenenfalls vorsätzliche Missachtung von Unfallverhütungsvorschriften allein nicht, um ein vorsätzliches Handeln zu anzunehmen (BAG, Urteil vom 28. April 2011 - 8 AZR 769/09 - NZA-RR 2012, 290, 293, Rz. 50; vom 10. Oktober 2002 - 8 AZR 103/02 - NJW 2003, 1890, 1891; LAG Köln, Urteil vom 29. September 1994 - 6 Sa 763/94 - NZA 1995, 470; BeckOK SozR/Stelljes, SGB VII, § 104 Rn. 24).

34

Die Geschäftsführerin der Beklagten oder etwa ein von dem Kläger nicht näher bezeichneter Erfüllungsgehilfe hat den erheblichen Personenschaden des Klägers jedenfalls nicht billigend in Kauf genommen. Der bedingte Vorsatz unterscheidet sich hierbei von der bewussten Fahrlässigkeit dadurch, dass der bewusst fahrlässig handelnde Täter darauf vertraut, der als möglich vorausgesehene Erfolg werde nicht eintreten, und aus diesem Grund die Gefahr in Kauf nimmt, während der bedingt vorsätzlich handelnde Täter sie deshalb in Kauf nimmt, weil er, wenn er sein Ziel nicht anders erreichen kann, es auch durch das unerwünschte Mittel verwirklichen will (BGH, Urteil vom 8. März 2012 - III ZR 191/11 - NZS 2012, 546, 548, Rz. 14). Vorsatz ist nur dann zu bejahen, wenn der Schädiger den als möglich vorgestellten Erfolg in seinen Willen aufnimmt und mit ihm für den Fall seines Eintritt einverstanden ist (BAG, Urteil vom 18. April 2002 - 8 AZR 348/01 - AP Nr. 122 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers m. w. N.). Die Einstellung, es werde schon nichts passieren, begründet lediglich den Vorwurf der groben (bewussten) Fahrlässigkeit. Selbst wenn seitens der Beklagten dem Kläger bewusst ein nicht geprüfter Wagenheber zur Verfügung gestellt worden sein sollte, ist dennoch davon auszugehen, dass die Verantwortlichen bei der Beklagten darauf vertraut haben, dass der Kläger hierdurch nicht verletzt wird. Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitgeberin auch um den Preis der schwerwiegenden Handverletzung eines gesunden und leistungsfähigen Mitarbeiters und seiner daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit Kosten sparen oder ein anderes Ziel erreichen wollte, liegen nicht vor.

35

Auch aus einem erneuten Einsatz des Wagenhebers nach dem Arbeitsunfall des Klägers kann nach Ansicht der Kammer nicht gefolgert werden, dass die Verantwortlichen der Beklagten bereits im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls (bedingten) Vorsatz (auch) im Hinblick auf den Verletzungserfolg hatten.

36

Schließlich hat der Kläger ebenfalls nicht substantiiert zur Höhe des ihm entstandenen Schadens vorgetragen. Er hat sich zur Anspruchsbegründung darauf beschränkt, allgemein vorzutragen, er habe in der Zeit vom 24. November 2009 bis zum 20. Juli 2012 infolge der Verletzungen diverse Wege zur Unfallklinik Z, zu Ärzten, zum Krankenhaus und zur Ergotherapie zurücklegen müssen. Hinsichtlich der Ermittlung der Anzahl der zurückgelegten Kilometer hat der Kläger nur auf die Fahrtennachweise zur Vorlage bei der Berufsgenossenschaft (Bl. 38 ff. d. A.) Bezug genommen. Hinsichtlich der Höhe der ihm entstandenen Fahrtkosten hat er lediglich darauf hingewiesen, dass er ein Auto fahre, bei dem der von der Berufsgenossenschaft ersetzte Betrag von 20 ct pro Kilometer nicht ausreiche, um die angefallenen Kosten zu decken. Die Beklagte hat die geltend gemachte Schadenshöhe bestritten.

37

Die Berufung des Klägers hatte daher keinen Erfolg.

III.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. März 2012 - 3 Sa 313/11 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revision hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Stadt (im Folgenden: Beklagte) verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche künftigen Schäden zu ersetzen, die er aufgrund an asbestfaserhaltigen Bauteilen durchgeführter Arbeiten erleiden sollte.

2

Der Kläger ist seit 1992 bei der Beklagten als Angestellter tätig. Von 1994 bis Mai 1995 war er bei dem Sozialamt der Beklagten in der Abteilung Obdachlosenhilfe beschäftigt und als Betreuer für Asylbewerber, Asylanten und Flüchtlinge im Asylbewerberheim A in D eingesetzt. Dieses Gebäude war bis Januar 1990 als Kindereinrichtung genutzt worden. Zum 1. Februar 1990 war diese Nutzung wegen der möglichen Freisetzung von Asbestfasern in einer die Gesundheit gefährdenden Konzentration eingestellt worden. Die Asbestkontamination der Innenwände des Gebäudes infolge der Verwendung des Baustoffes Sokalit war dem Bürgermeister der Beklagten aufgrund eines Schreibens des Hochbauamtes vom 11. November 1991 bekannt.

3

Die Beklagte beabsichtigte, Anfang des Jahres 1995 das Gebäude des Asylbewerberheims grundlegend zu sanieren. Der Kläger führte mit drei weiteren Angestellten der Beklagten, drei Zivildienstleistenden sowie zwölf bis 15 Asylbewerbern auf Weisung des Abteilungsleiters des Sozialamtes S sowie des Heimleiters Sch in der Zeit vom 1. Februar bis zum 5. Mai 1995 dort folgende Sanierungsarbeiten durch:

        

-       

Demontage der Rippenheizkörper,

        

-       

Abspachteln der aufgeblühten Wandoberflächen,

        

-       

Entfernen vorhandener Tapetenreste,

        

-       

Aufbringen der Klebemasse,

        

-       

Anbringen von Gipskartonplatten auf den Wänden,

        

-       

Verspachteln der Fugen zum Aufbringen eines Farbanstrichs.

4

Insgesamt leisteten die eingesetzten Personen etwa 800 Arbeitsstunden. Eine besondere Aufklärung über die Art und Weise der durchzuführenden Tätigkeiten sowie die Anweisung zum Tragen von Schutzbekleidung und Atemschutzgeräten erfolgte nicht.

5

Anfang Mai 1995 wies ein Mitarbeiter eines Bauunternehmens, der Folgearbeiten abstimmen sollte, den Kläger darauf hin, dass bei den Sanierungsarbeiten asbesthaltiger Staub freigesetzt werde und derartige Arbeiten nur von spezialisierten Unternehmen ausgeführt werden dürften. Der Kläger leitete diese Information an den zuständigen Abteilungsleiter S weiter. Dieser erklärte, das Vorhandensein asbesthaltigen Materials sei allgemein bekannt und drängte auf die Fortsetzung der Arbeiten.

6

Einer der beteiligten Zivildienstleistenden schaltete daraufhin das staatliche Gewerbeaufsichtsamt D ein. Dieses stellte fest, dass durch das Abkratzen und Abschaben der verbauten Sokalitverkleidungen eine extreme Exposition von Asbestfasern aus dem lockeren Faserverband bewirkt worden sei. Materialproben der Sokalitplatten ergaben einen Fasergehalt von bis zu 40 % Chrysotilasbest. Das Gewerbeaufsichtsamt verfügte am 5. Mai 1995 die sofortige Einstellung der Arbeiten und die Versiegelung des Gebäudes.

7

Anlässlich einer Erkrankung des Klägers im Jahre 2006 vermutete der behandelnde Arzt das Vorhandensein von Krebserregern als Auslöser. Dieser Verdacht, der sich letztlich nicht bestätigte, veranlasste den Kläger, sich näher mit der Problematik auseinanderzusetzen, ob die damaligen Sanierungsarbeiten, während derer er Asbestfasern eingeatmet hatte, für ihn das Risiko einer Krebserkrankung erhöht haben oder in Zukunft zum Ausbruch einer Krebserkrankung führen könnten.

8

Mit Anwaltsschreiben vom 6. September 2006 ließ der Kläger die Beklagte auffordern, ihre uneingeschränkte Schadensersatzpflicht dem Grunde nach für alle materiellen und immateriellen Schäden, die ihm aufgrund der in der Zeit vom 1. Februar bis 5. Mai 1995 geleisteten Sanierungsarbeiten im Asylbewerberheim entstanden sind und noch entstehen werden, anzuerkennen. Die Beklagte lehnte eine Haftung unter Hinweis auf den Haftungsausschluss nach § 104 Abs. 1 SGB VII mit Schreiben vom 20. Dezember 2006 ab.

9

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass er bereits jetzt mit einer Feststellungsklage die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Schadensersatzes grundsätzlich feststellen lassen könne.

10

Weiter meint er, der Beklagten sei der Vorwurf vorsätzlichen Handelns zu machen. Die Kenntnis der Beklagten über die gesundheitsschädigende Wirkung des asbestfaserhaltigen Materials gehe zum einen aus dem Schreiben des Hochbauamtes vom 11. November 1991 und zum anderen aus den vom Ausschuss für Gefahrstoffe bereits 1994 beschlossenen Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 519) hervor. Sein direkter Vorgesetzter, der Abteilungsleiter S, habe sogar, nachdem der Kläger ihn über die Aussage des Mitarbeiters der Baufirma D informiert hatte, erklärt, dass das Vorhandensein asbesthaltigen Materials allgemein bekannt sei, und auf die Fortführung der Arbeiten gedrängt. Dieses Verhalten seines Vorgesetzten müsse sich die Beklagte zurechnen lassen.

11

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, welche er aufgrund der nach Weisung der Beklagten im Zeitraum vom 1. Februar bis 5. Mai 1995 an asbestfaserhaltigen Bauteilen im damaligen Asylbewerberheim in D, A, ausgeführten Arbeiten erleidet, unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 100 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

12

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

13

Sie hat gemeint, es fehle bereits an einem Feststellungsinteresse für den Feststellungsantrag. Dem Kläger sei es auch nicht gelungen, die haftungsbegründende Kausalität für einen eventuellen Schaden aufzuzeigen.

14

Die Beklagte bestreitet ferner, dass die die Arbeiten im Asylbewerberheim anordnenden Mitarbeiter vorsätzlich gehandelt haben. Es habe niemand den Eintritt eines Gesundheitsschadens billigend in Kauf genommen. Daher stünde einem Schadensersatzanspruch des Klägers auch der Haftungsausschluss des § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO entgegen. Die Mitarbeiter Sch und S hätten gerade darauf vertraut, dass kein Gesundheitsschaden bei dem Kläger eintreten werde. Die Annahme eines bedingten Vorsatzes sei lebensfremd.

15

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 28. April 2011 (- 8 AZR 769/09 - AP SGB VII § 104 Nr. 6 = EzA RVO § 636 Nr. 14) das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Nach erneuter Verhandlung hat das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag des Klägers stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf die beantragte Feststellung.

17

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse sei zu bejahen. Der Feststellungsantrag sei auch begründet. § 636 Abs. 1 RVO stehe einem Schadensersatzanspruch des Klägers nicht entgegen, da sich die Beklagte die Kenntnis des damaligen Vorgesetzten des Klägers, des Abteilungsleiters S, zurechnen lassen müsse. Dieser habe eine Schädigung des Klägers zumindest billigend in Kauf genommen. Dies ergebe sich daraus, dass das Gebäude zum 1. Februar 1990 geschlossen worden sei, weil sowohl die Außen- als auch die Innenwände des Gebäudes mit asbesthaltigem Material verkleidet gewesen seien. Dass auch der Abteilungsleiter S über dieses Wissen konkret verfügt habe, folge aus seiner Antwort, die er dem Kläger gegeben habe, nachdem dieser ihn darüber informiert gehabt habe, dass ihn ein Mitarbeiter der Firma D darauf aufmerksam gemacht habe, an den Wänden dürfe nur mit einer besonderen Schutzausrüstung gearbeitet werden. Der Abteilungsleiter habe geantwortet, das Vorhandensein asbesthaltigen Materials sei allgemein bekannt. Er habe jedoch nicht eine sofortige Einstellung der Arbeiten verfügt, sondern auf die weitere Fortsetzung derselben gedrängt. Der Abteilungsleiter habe nach alledem so leichtfertig gehandelt, dass er eine mögliche Gesundheitsverletzung der mit den Sanierungsarbeiten Beschäftigten, darunter auch des Klägers, in Kauf genommen haben müsse. Es habe auch keiner fundierten wissenschaftlichen Kenntnisse bedurft, um die von den Sanierungsarbeiten ausgehende Gefahr zu erkennen. Allein das Wissen, dass die ehemals in dem Gebäude betriebene Kindereinrichtung wegen der Asbestgefahr geschlossen werden musste und die Sanierungsarbeiten allein von spezialisierten Fachfirmen durchgeführt werden durften, genüge, um auf die besonders große Leichtfertigkeit des Handelns des verantwortlichen Abteilungsleiters zu schließen.

18

B. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

19

I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Das besondere Feststellungsinteresse ist nach § 256 Abs. 1 ZPO gegeben. Dies hat der Senat in der vorliegenden Streitsache bereits entschieden (BAG 28. April 2011 - 8 AZR 769/09 - Rn. 24 ff., AP SGB VII § 104 Nr. 6 = EzA RVO § 636 Nr. 14).

20

II. Die Feststellungsklage ist auch begründet.

21

1. Die Beklagte haftet dem Kläger grundsätzlich für solche Schäden, die dieser aufgrund der Arbeiten vom 1. Februar bis 5. Mai 1995 an asbestfaserhaltigen Bauteilen im damaligen Asylbewerberheim der Beklagten erleidet. Der Senat hat im vorliegenden Rechtsstreit entschieden, dass eine Haftung der Beklagten (nur noch) von der Frage abhängt, ob eine Herbeiführung eines möglichen Arbeitsunfalls in Form einer Gesundheitsschädigung durch den Abteilungsleiter des Klägers, S, vorsätzlich erfolgt ist. Zur diesbezüglichen Feststellung hat er den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen (BAG 28. April 2011 - 8 AZR 769/09 - Rn. 31 ff., AP SGB VII § 104 Nr. 6 = EzA RVO § 636 Nr. 14).

22

2. Der Abteilungsleiter S handelte mit Vorsatz in Bezug auf die Pflichtverletzung und in Bezug auf eine in Zukunft möglicherweise noch auftretende Gesundheitsschädigung des Klägers.

23

a) Das Eingreifen des Haftungsprivilegs nach § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO in der bis 31. Dezember 1996 geltenden Fassung erfordert einen „doppelten“ Vorsatz. Der Vorsatz des Handelnden muss sich zum einen auf die Verletzungshandlung beziehen. Zum anderen muss der Vorsatz aber auch den Verletzungserfolg umfassen. Allein der Verstoß gegen zugunsten von Arbeitnehmern bestehende Schutzpflichten indiziert noch keinen Vorsatz bezüglich der Herbeiführung eines Arbeitsunfalls iSd. § 636 Abs. 1 RVO. Es verbietet sich, die vorsätzliche Pflichtverletzung mit einer ungewollten Unfallfolge mit einem gewollten Arbeitsunfall oder einer gewollten Berufskrankheit gleichzusetzen (vgl. BAG 28. April 2011 - 8 AZR 769/09 - Rn. 50, AP SGB VII § 104 Nr. 6 = EzA RVO § 636 Nr. 14).

24

Vorsatz enthält ein „Wissens“- und ein „Wollenselement“. Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss, gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben (BGH 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10 - Rn. 10). Die Annahme eines bedingten Vorsatzes setzt voraus, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Die objektive Erkennbarkeit der Tatumstände reicht nicht aus (vgl. BGH 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10 - aaO). Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen vor, wenn der Handelnde darauf vertraut, der Schaden werde nicht eintreten (Palandt/Grüneberg 72. Aufl. § 276 Rn. 10).

25

b) Das Verschulden und die einzelnen Arten des Verschuldens, insbesondere auch der Begriff der Fahrlässigkeit, sind Rechtsbegriffe. Die Feststellung ihrer Voraussetzungen liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet, wobei dem Tatrichter ein erheblicher Beurteilungsspielraum zusteht. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob der Tatrichter von den richtigen rechtlichen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigt sowie Denkgesetze, Erfahrungssätze und Verfahrensvorschriften verletzt hat (vgl. BAG 15. September 2011 - 8 AZR 846/09 - Rn. 43, AP BGB § 280 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 611 Krankenhausarzt Nr. 4). Eine Aufhebung des Berufungsurteils durch das Revisionsgericht darf nur erfolgen, wenn eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums durch den Tatsachenrichter festzustellen ist (BAG 19. Februar 2009 - 8 AZR 188/08 - Rn. 48, AP SGB VII § 105 Nr. 4 = EzA SGB VII § 105 Nr. 5). Dagegen genügt es für die Aufhebung eines landesarbeitsgerichtlichen Urteils nicht, wenn im Streitfall auch eine andere Beurteilung als die des Landesarbeitsgerichts möglich wäre und das Revisionsgericht, hätte es die Beurteilung des Verschuldensgrades selbst vorzunehmen, zu dem Ergebnis gekommen wäre, es liege ein anderer Verschuldensgrad als der vom Berufungsgericht angenommene vor (BAG 15. September 2011 - 8 AZR 846/09 - aaO).

26

c) Nach diesen Grundsätzen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht angenommen hat, dem Vorgesetzten des Klägers, S, sei der Vorwurf vorsätzlichen Verhaltens zu machen, weil er es billigend in Kauf genommen habe, dass neben den übrigen Betroffenen der Kläger infolge der angewiesenen Sanierungsarbeiten eine durch Asbest bewirkte Gesundheitsschädigung erfährt.

27

Das Landesarbeitsgericht hat dies damit begründet, es sei der Leitungsebene der Beklagten und dem Abteilungsleiter S bekannt gewesen, dass das fragliche Gebäude, welches früher als Kindereinrichtung gedient hatte, deshalb zum 1. Februar 1990 geschlossen wurde, weil sich herausgestellt hatte, dass die Innenwände mit asbesthaltigem Material verkleidet waren und von Asbest eine Gesundheitsgefährdung für die sich in dem Gebäude aufhaltenden Personen ausging. Auf Vorhalt des Klägers Anfang Mai 1995, dass derartige Arbeiten nur von einer Fachfirma ausgeführt werden dürften, habe der Abteilungsleiter geantwortet, dass das Vorhandensein asbesthaltigen Materials allgemein bekannt sei, und auf die weitere Fortsetzung der Arbeiten gedrängt. Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Tatsachengericht nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob es eine Tatsache, wozu auch innere Tatsachen gehören, als wahr oder unwahr erachtet. Revisionsrechtlich ist nur zu prüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze verstößt (vgl. BGH 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10 - Rn. 13). Im vorliegenden Fall ist ein Fehler des Berufungsgerichts nicht zu erkennen. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil diese vom Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegten Tatsachen im Wesentlichen unstreitig sind.

28

Einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der vorsätzlich eine zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzvorschrift missachtet, eine Schädigung oder eine mögliche Berufskrankheit des Arbeitnehmers nicht billigend in Kauf nimmt, gibt es nicht. Zwar hat der Senat entschieden, dass ein Arbeitgeber trotz eines Verstoßes gegen Arbeitsschutzvorschriften meistens darauf hoffen wird, es werde kein Unfall eintreten (vgl. BAG 19. Februar 2009 - 8 AZR 188/08 - Rn. 50, AP SGB VII § 105 Nr. 4 = EzA SGB VII § 105 Nr. 5). Diese Ausführungen sind einer Verallgemeinerung im Sinne eines Erfahrungssatzes auf tatsächlichem Gebiet allerdings nicht zugänglich. Stets kommt es vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an.

29

Es kann naheliegen, dass der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt hat, wenn er sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht (vgl. BGH 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10 - Rn. 11). Davon ist das Landesarbeitsgericht im Ergebnis ausgegangen, indem es entscheidend auf die Tatsache abgestellt hat, dass der Abteilungsleiter den Kläger mit der Sanierung der Räume in der oberen Etage des Asylbewerberheims beauftragt hat, obwohl die gesundheitsschädliche und krebserzeugende Wirkung, die durch das Einatmen von Asbeststaub hervorgerufen werden kann, bereits seit 1995 bekannt war.

30

Dass das Berufungsgericht aufgrund dieser Tatsache und dem Drängen des Abteilungsleiters auf Fortsetzung der Sanierungsarbeiten, nachdem er durch den Kläger auf die Asbestgefahren hingewiesen worden war, angenommen hat, der Abteilungsleiter habe eine mögliche Gesundheitsschädigung des Klägers billigend in Kauf genommen, lässt eine Überschreitung des dem Landesarbeitsgericht zustehenden Beurteilungsspielraumes nicht erkennen und ist revisionsrechtlich daher nicht zu beanstanden.

31

C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Andreas Henninger    

        

    Umfug    

                 

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Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 29. April 2016 - 4 Ca 1511/15 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen eines Arbeitsunfalls.

2

Der 1962 geborene Kläger ist seit 1981 als Weinbergsfacharbeiter bei der Beklagten beschäftigt, die ein Weingut mit Anbauflächen an Mosel, Saar und Ruwer betreibt. Zu den Aufgaben des Klägers gehören neben den im Weinberg anfallenden Arbeiten auch Schlosserarbeiten, dh. die Wartung und Reparatur von Maschinen, ua. im Weinberg eingesetzter Kettenraupen.

3

Am 28. Mai 2014, dem Unfalltag, war der Kläger beauftragt, in der Weinlage „T A“ in einer Steillage mit ca. 60-65 % Hangneigung einen Weinberg zu mulchen. Die Parzelle grenzt an eine rund fünf Meter hohe Weinbergsmauer an. Es war zum Unfallzeitpunkt ein ca. 30 cm hoher Anfahrsockel und ein Geländer vorhanden, das der Personenabsturzsicherung, nicht jedoch der Fahrzeugabsturzsicherung dient. Der Kläger führte die Arbeiten weisungsgemäß mit einer Kettenraupe der Marke Goldoni, Typ ITMA 3.60 mit hoher Auflagefläche und angebautem Schlegelmulcher durch. Die Kettenraupe hat verzahnte Kettenstege, eine eigene Bremsanlage und eine Motorbremse. In der vom Kläger bearbeiteten Parzelle kommt ansonsten - ob ausnahmslos oder nicht, ist zwischen den Parteien streitig - eine antriebs- und bremslose Raupe mit sog. SMS-System zum Einsatz, die an einem Stahlseil den Hang heruntergelassen wird und am Unfalltag in Reparatur war. Der Kläger wurde am Tag der Mulcharbeiten im Rahmen einer gemeinsamen Teambesprechung vom Gutsverwalter B angewiesen, beim Bearbeiten des Weinbergs mit der Raupe rückwärts hinaufzufahren, das Mulchen ausschließlich in Talfahrt vorzunehmen und die Seitenflächen nicht zu befahren.

4

Am Unfalltag erklärte der Kläger, der in seinem privaten Nebenerwerbsweingut (ohne Steillagen wie die vorliegende) ebenfalls über eine Goldoni-Raupe verfügt, gegen 11.00 Uhr dem Gutsverwalter B auf telefonische Nachfrage, er komme mit den Arbeiten sehr gut voran und es gebe keine Probleme. Nachdem er etwa ¾ der Parzelle bearbeitete hatte, hörte der Kläger, der in Rückwärtsfahrt ca. die Hälfte der Zeilenlänge erreicht hatte, ein Geräusch. Daraufhin rollte die Raupe im Leerlauf den Hang hinab, nahm Fahrt auf, durchbrach nach ca. 55 m das Geländer und den Anfahrsockel, stürzte von der Weinbergsmauer ab und landete auf den Raupenketten. Der Kläger wurde dabei schwer verletzt und erlitt eine tiefe axilläre Weichteilverletzung links mit traumatisierter Durchtrennung der arteria axillaris, Acromionfraktur links, Coracoidabriss links, sowie Risswunden an beiden Oberschenkeln und der rechten Hand, eine Schädelprellung mit Nasenbein- und Jochbeinfraktur links, sowie Kompressionsfrakturen des zweiten BWK und dritten LWK. Er ist seither erwerbsunfähig und nimmt gegen nach wie vor bestehende Schmerzen ein Morphiumpräparat. Der Kläger erhält Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, nachdem die Berufsgenossenschaft das Schadensereignis als Arbeitsunfall anerkannt hat.

5

Nach den auf Ermittlungen am Unfalltag beruhenden Feststellungen im Unfalluntersuchungsbericht der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau vom 23. Juni 2014 bzw. 01. September 2014 (Bl. 12 ff. d. A.) war der technische Zustand der am Unfalltag eingesetzten Kettenraupe als gut zu bezeichnen und Mängel konnten nicht festgestellt werden. Der Kläger selbst hat bei seiner Befragung angegeben, nachdem sich bei der Rückwärtsfahrt der Gang aus der Arretierung gelöst habe, sei beim Versuch, das Fahrzeug abzubremsen, keine Bremswirkung vorhanden gewesen, möglicherweise hab sich der Stamm einer Rebpflanze im Bremsgestänge eingeklemmt und somit die Funktion der Bremse außer Kraft gesetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Berichts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. In der Betriebsanleitung des Herstellers werden keine Angaben über die Einsatzgrenzen (maximale Hangneigung) für die am Unfalltag eingesetzte Kettenraupe getroffen.

6

Der Kläger hat am 01. Dezember 2015 beim Arbeitsgericht Trier gegen die Beklagte Klage auf Schmerzensgeld und Feststellung der Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz erhoben.

7

Er hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, die in Rede stehenden Mulcharbeiten seien zuvor mit einer für die Weinbergslage geeigneten Raupe mit SMS-System durchgeführt worden, während die am Unfalltag zur Verfügung gestellte Raupe sich als völlig ungeeignet für die Tätigkeit in der steilen Weinbergslage herausgestellt habe. Dem Gutsverwalter B seien die Situation, das Gelände, die Steilheit des Weinbergs und die Ungeeignetheit des Arbeitsgerätes bewusst gewesen. Die Beklagte habe gegen §§ 4, 5 und 12 ArbSchG und § 4 BetrSichV verstoßen und sowohl den Unfall, als auch die damit verbundenen schweren Verletzungsfolgen billigend in Kauf genommen. Bei einer Hanglage von 60 bis 65 % könne nur mit einer Raupe gearbeitet werden, die mit einem Seil gegen Abrutschen gesichert sei. Es sei keine Absturzsicherung vorhanden gewesen (eine solche sei erst nach dem Unfall angebracht worden). Ob der Boden griffig gewesen sei oder nicht, sei unerheblich. Sie sei ihm zur Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz verpflichtet.

8

Der Kläger hat beantragt,

9

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, welches den Betrag von 50.000,00 Euro nicht unterschreiten sollte, nebst 5 Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen,

10

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aufgrund des Betriebsunfalls auf der Weinbergparzelle oberhalb der L 156 Gemarkung T, Flur Nr. 32 "T A" vom 28.05.2014 entsteht, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen ist.

11

Die Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, sie bestreite, gegen die vom Kläger genannten Normen verstoßen zu haben und habe dem Kläger auch kein völlig ungeeignetes Arbeitsgerät zur Verfügung gestellt. Die benutzte Kettenraupe sei aufgrund ihrer hohen Auflagefläche, die Verzahnung der Kettenstege mit dem Boden, des tiefen Schwerpunkts des Fahrzeuges, die gute Gewichtsverteilung, die breite Spur und die gute Steigfähigkeit für einen sicheren Einsatz in Steillagen geeignet. Sie habe keinerlei Mängel gehabt, insbesondere die Bremsen seien voll funktionstüchtig gewesen. Auch die Bodenverhältnisse seien am Unfalltag einwandfrei gewesen, es sei nicht zum Schlupf gekommen, die Raupe habe sich weder beim Anfahren in den Steilhang eingegraben, noch sei sie ins Rutschen geraten. Der Gutsverwalter B, der den Kläger als erfahrenen Weinbergsmitarbeiter eingesetzt habe, habe nicht den bedingten Vorsatz gehabt, den Kläger zu verletzen, weshalb eine Haftung ausscheide. Das vom Kläger angeführte SMS-System sei nicht sicherer als eine Raupe mit Bremseinrichtung, da auch das Seil reißen könne. Auch die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren mangels Straftat eingestellt.

14

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29. April 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine vorsätzliche Unfallverursachung durch die Arbeitgeberin könne nicht festgestellt werden. Es sei schon nicht ersichtlich, dass die Beklagte überhaupt, geschweige denn bewusst gegen die vom Kläger und vom Unfallbericht der BG zitierten Schutzvorschriften verstoßen habe. Selbst wenn man einen solchen Verstoß annehme, ergebe sich hieraus jedoch kein Vorsatz bezüglich der Herbeiführung eines Arbeitsunfalls. Es habe keinen Hinweis auf die mit der Arbeit im Steilhang verbundenen Gefahren in der Betriebsanleitung oder aus anderen Informationen oder Erfahrungen gegeben. Selbst wenn man der Beklagten Fahrlässigkeit zur Last legen wollte, genüge dies nicht, um den Haftungsausschluss nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII zu verhindern. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 54 ff. d. A. verwiesen.

15

Das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10. Mai 2016 zugestellte klageabweisende Urteil enthielt zunächst eine Rechtsmittelbelehrung, nach der nur die Beklagte, nicht jedoch der Kläger Berufung einlegen könne. Das Arbeitsgericht hat die Rechtsmittelbelehrung mit Beschluss vom 23. Mai 2016 berichtigt und dem Klägervertreter das berichtigte Urteil mit Berichtigungsbeschluss am 30. Mai 2016 erneut zugestellt. Der Kläger hat mit am 06. Juni 2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 03. Juni 2016 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 21. Juni 2016, bei Gericht eingegangen am 23. Juni 2016, begründet.

16

Der Kläger macht zweitinstanzlich nach Maßgabe seiner Berufungsbegründungsschrift (Bl. 80 ff. d. A.) und seines Schriftsatzes vom 15. September 2016 (Bl. 125 ff. d. A.), auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird, im Wesentlichen geltend,

17

das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe nicht gegen Schutzvorschriften verstoßen und keinen Vorsatz gehabt. Die vom Gericht in Bezug genommene Betriebsanleitung und die „Informationen“ seien nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Die Beklagte habe gegen § 618 BGB verstoßen, indem sie ihm die wegen des fehlenden Stahlseils zur Sicherung völlig ungeeignete Raupe (Beweis Sachverständigengutachten) für die Steillage zur Verfügung gestellt habe. Durch die Benutzung der völlig ungeeigneten Maschine habe zu erwarten gestanden, dass es zu einem Unfall mit erheblichem Schaden komme. Es gebe nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der eine Schutzvorschrift missachte, eine Schädigung nicht billigend in Kauf nehme. Das Arbeitsgericht habe sein Beweisangebot auf Einholung eines Sachverständigengutachtens übergangen.

18

Der Kläger beantragt,

19

das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 19.04.2016 - 4 Ca 1511/15 - wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

20

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, welches den Betrag von 50.000,00 Euro nicht unterschreiten sollte, nebst 5 Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen,

21

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aufgrund des Betriebsunfalls auf der Weinbergparzelle oberhalb der L 156 Gemarkung T, Flur Nr. "T A" vom 28.05.2014 entsteht, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen ist.

22

Die Beklagte beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Sie verteidigt das vom Kläger angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 01. August 2016 (Bl. 112 ff. d. A.), hinsichtlich derer auf den Akteninhalt Bezug genommen wird, zweitinstanzlich im Wesentlichen wie folgt,

25

die Berufung sei bereits als unzulässig zu verwerfen, da sie sich nicht mit den Argumenten des arbeitsgerichtlichen Urteils auseinandersetze und nach wie vor nicht dargelegt habe, weshalb von einem Pflichtenverstoß auszugehen sei und welche Gefahr die Beklagte gesehen und billigend in Kauf genommen haben solle. Die Einholung des Sachverständigengutachtens sei zu Recht unterblieben, da sie zu einer reinen Sachverhaltsausforschung geführt hätte. Soweit der Kläger die fehlende Vorlage der Bedienungsanleitung bemängele, aus der sich ergebe, dass es keine maximale Hangneigung als Einsatzgrenze gebe, sei dies in der mündlichen Verhandlung erörtert und vom Kläger nicht bestritten worden, vorsorglich werde der entsprechende Teil der Bedienungsanleitung vorgelegt (Bl. 117 ff. d. A.). Die bloße Behauptung des Klägers, die Raupe sei „völlig ungeeignet“ gewesen, sei nicht geeignet, die Berufung zu begründen.

26

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A

27

Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht erfolgreich.

I.

28

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG), wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 30. Mai 2016 mit am 06. Juni 2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 03. Juni 2016 form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO). Die Fehlerhaftigkeit der ursprünglich erteilten Rechtsmittelbelehrung hatte gemäß § 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG zur Folge, dass die Frist des § 66 Abs. 1 ArbGG für das Rechtsmittel der Berufung nicht mit der am 10. Mai 2016 erfolgten Urteilszustellung zu laufen begann (§ 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG); erst die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils samt Berichtigungsbeschluss zur zutreffenden Rechtsmittelbelehrung an den Klägervertreter am 30. Mai 2016 führte dazu, dass der Lauf der Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt wurde (vgl. BAG 13. April 2005 - 5 AZB 76/04 - Rn. 15; 08. Juni 2000 - 2 AZR 584/99 - Rn. 12, jeweils zitiert nach juris). Der Kläger hat die Berufung mit Schriftsatz vom 21. Juni 2016, bei Gericht eingegangen am 23. Juni 2016, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, 5, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 ZPO), insbesondere hat sich der Kläger nach Auffassung der Berufungskammer noch hinreichend mit den tragenden Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt. Der Kläger bemängelt, dass das Arbeitsgericht seine Entscheidung auf Angaben aus der ihm nicht bekannten Betriebsanleitung der streitgegenständlichen Kettenraupe gestützt habe und macht zudem geltend, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die völlige Ungeeignetheit der Kettenraupe für Einsätze in Steilhängen, zu der ein Sachverständigengutachten einzuholen gewesen sei, auf den bedingten Vorsatz der Beklagten rückschließen lasse. Ob die vom Kläger vertretene Rechtsauffassung zutreffend ist oder nicht, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Berufung.

II.

29

Die Berufung ist nicht begründet. Die Beklagte ist nicht nach §§ 823, 847 BGB bzw. nach §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 618 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Kläger Schmerzensgeld oder Schadensersatz wegen des durch den Arbeitsunfall am 28. Mai 2014 erlittenen Personenschadens zu leisten. Ein Anspruch ist nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen, da der Beklagten nicht vorgeworfen werden kann, den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt zu haben. Hiervon ist das Arbeitsgericht in Ergebnis und Begründung zu Recht ausgegangen. Die auch im Antrag zu 2) zulässige Klage (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 471/12 - Rn. 19 mwN, zitiert nach juris) ist nicht begründet. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos.

30

1. Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Unternehmer den gesetzlich Unfallversicherten, die für ihr Unternehmen tätig sind, zum Ersatz von Personenschäden nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 - 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Die Norm bezieht sich auf alle Haftungsgründe des bürgerlichen Rechts einschließlich der Gefährdungshaftung (BAG 19. August 2004 - 8 AZR 349/03 - Rn. 16, zitiert nach juris).

31

2. Bei dem Unfall vom 28. Mai 2014, der zur streitgegenständlichen Schädigung des Klägers geführt hat, handelt es sich um einen Versicherungsfall iSd. § 104 SGB VII. Als ein solcher gilt auch ein Arbeitsunfall, § 7 Abs. 1 SGB VII. Dass es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt hat, steht zwischen den Parteien außer Streit. Die zuständige Berufsgenossenschaft hat nach unbestrittenen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer eine entsprechende Entscheidung getroffen. Nach § 108 Abs. 1 SGB VII sind die Gerichte, die über Ersatzansprüche der in den §§ 104 bis 107 SGB VII genannten Art zu entscheiden haben, an eine unanfechtbare Entscheidung nach dem SGB VII gebunden, ob ein Versicherungsfall vorliegt. Diese Bindungswirkung erstreckt sich auch auf die Frage, ob der Verletzte versichert war und darauf, in welchem Betrieb sich der Unfall ereignet hat. Die Zivilgerichte können nur noch eine Feststellung darüber treffen, dass der Unfall auch einem anderen Betrieb als Arbeitsunfall zuzurechnen ist und dass insoweit die Haftungsfreistellung gegeben ist; insoweit besteht keine Bindung (BAG 19. Februar 2009 - 8 AZR 188/08 - Rn. 27, 12. Dezember 2002 - 8 AZR 94/02 - Rn. 25, zitiert nach juris).

32

3. Der Beklagten ist im Hinblick auf den vom Kläger am 28. Mai 2014 erlittenen Arbeitsunfall Vorsatz iSd. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht vorzuwerfen. Dies steht auch für die Berufungskammer unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen nach freier Überzeugung gemäß § 286 ZPO fest.

33

a) Ein Ausschluss der Haftung des Unternehmers kommt nur in Betracht, wenn ein „doppelter“ Vorsatz vorliegt. Der Vorsatz des Handelnden muss sich zum einen auf die Verletzungshandlung beziehen. Zum anderen muss der Vorsatz aber auch den Verletzungserfolg umfassen. Allein der Verstoß gegen zugunsten von Arbeitnehmern bestehende Schutzpflichten indiziert noch keinen Vorsatz bezüglich der Herbeiführung eines Arbeitsunfalls. Es verbietet sich, die vorsätzliche Pflichtverletzung mit einer ungewollten Unfallfolge mit einem gewollten Arbeitsunfall oder einer gewollten Berufskrankheit gleichzusetzen (vgl. zu § 636 Abs. 1 RVO: BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 471/12 - Rn. 23 f., zitiert nach juris). Vorsatz enthält ein „Wissens“- und ein „Wollenselement“. Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss, gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben; die Annahme eines bedingten Vorsatzes setzt voraus, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat; dagegen genügt es nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (vgl. BGH 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10 - Rn. 10, zitiert nach juris). Bewusste Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Handelnde darauf vertraut, der Schaden werde nicht eintreten (vgl. zu § 636 Abs. 1 RVO: BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 471/12 - Rn. 24., zitiert nach juris).

34

Von den materiellen Voraussetzungen des bedingten Vorsatzes sind die Anforderungen zu unterscheiden, die an seinen Beweis zu stellen sind. So kann es im Einzelfall beweisrechtlich naheliegen, dass der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt hat, wenn er sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht; allerdings kann der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nicht allein das Kriterium für die Frage sein, ob der Handelnde mit dem Erfolg auch einverstanden war; vielmehr ist immer eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles erforderlich (vgl. BGH 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10 - Rn. 11, mwN, aaO). Einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der vorsätzlich eine zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzvorschrift missachtet, eine Schädigung oder eine mögliche Berufskrankheit des Arbeitnehmers nicht billigend in Kauf nimmt, gibt es nicht. Zwar wird ein Arbeitgeber trotz eines Verstoßes gegen Arbeitsschutzvorschriften meistens darauf hoffen, es werde kein Unfall eintreten (vgl. BAG 19. Februar 2009 - 8 AZR 188/08 - Rn. 50, zitiert nach juris). Dies ist jedoch einer Verallgemeinerung im Sinne eines Erfahrungssatzes auf tatsächlichem Gebiet nicht zugänglich; stets kommt es vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an (BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 471/12 - Rn. 28, aaO).

35

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Arbeitsgericht zu Recht angenommen, dass der Beklagten bzw. dem für die Arbeitgeberin verantwortlich handelnden Gutsverwalter B auch nur bedingter Vorsatz selbst dann nicht zuzuschreiben ist, wenn man unterstellt, dass ein Verstoß gegen die vom Kläger ins Feld geführten Schutzvorschriften des §§ 4, 5 und 12 ArbSchG, 4 BetrSichV, 618 Abs. 1 BGB objektiv vorgelegen hat. Auch wenn man zu Gunsten des Klägers annimmt, dass die ihm von der Beklagten zugewiesene Kettenraupe objektiv für die Arbeiten in der streitgegenständlichen Steilhanglage nicht geeignet gewesen ist, hat der Kläger keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Beklagte bzw. ihr Gutsverwalter diesen Umstand gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen hat und den Kläger trotz starker Gefährdung seiner Rechtsgüter zum Einsatz mit der Kettenraupe im Steilhang bestimmt hat, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können. Vielmehr spricht nach Auffassung der Berufungskammer alles dafür, dass die Beklagte bzw. der für sie verantwortlich Handelnde davon ausgegangen ist, dass sich eine eventuelle Gefahr zu Lasten des Klägers jedenfalls nicht realisieren werde und daher kein bedingter Vorsatz, sondern allenfalls bewusste Fahrlässigkeit vorgelegen hat, die den Haftungsausschluss nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht zu verhindern vermag. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass sich - basierend auf den Feststellungen der Berufsgenossenschaft im Unfalluntersuchungsbericht vom 23. Juni 2014 bzw. 01. September 2014 - der Bedienungsanleitung für die vom Kläger eingesetzte Kettenraupe keinerlei Belege entnehmen lassen, dass diese für einen Einsatz in Steillagen wie der streitgegenständlichen Parzelle nicht geeignet ist und daher der Beklagten hätte Veranlassung geben müssen, von einer starken Gefährdung von Leib oder Leben des Klägers auszugehen. Hiervon konnte sich auch die Berufungskammer überzeugen, nachdem die Beklagte die relevanten Passagen der Bedienungs- und Instandhaltungsanleitung auf Rüge des Klägers in der Berufungsschrift im Berufungsverfahren zur Akte gereicht hat (Bl. 117 ff. d. A.). Aus welchen Gründen die Beklagte eine fehlende Eignung der Kettenraupe hätte annehmen müssen, hat der Kläger auch im Berufungsverfahren nicht schlüssig vorgetragen. Allein sein pauschaler Vortrag, die Kettenraupe sei „völlig ungeeignet“ gewesen, konnte substantiierten Sachvortrag zu Tatsachen, die Rückschlüsse auf die Erfüllung des subjektiven Vorsatztatbestandes bei der Beklagten bzw. dem Gutsverwalter B hätten rechtfertigen können, nicht ersetzen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, ob die Kettenraupe „völlig ungeeignet“ für den Einsatz in Steillagen war, hätte vor diesem Hintergrund zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweise zu den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des bedingten Vorsatzes der Beklagten geführt und kam nicht in Betracht. Auch der Kläger, der selbst Weinbau (wenn auch ohne Steillagen) im Nebenerwerb betreibt, eine Kettenraupe wie die zum Einsatz gebrachte besitzt und als über 30 Jahre bei der Beklagten beschäftigter Mitarbeiter über reichlich Erfahrung verfügte, hat die Aufforderung der Beklagten, die Steillage - nach seinem Vortrag: ausnahmsweise - mit der Kettenraupe anstatt mit der in Reparatur befindlichen Stahlseil-gesicherten Raupe mit SMS-System zu mulchen, nicht zum Anlass genommen, auf Bedenken hinzuweisen. Dies hätte - auch wenn man ein gesteigertes Pflichtbewusstsein des Klägers annimmt - bei einer erheblichen Gefährdungslage, wie vom Kläger behauptet, nahegelegen. Nach dem vom Kläger nicht substantiiert in Abrede gestellten Vortrag der Beklagten, den diese in Übereinstimmung mit dem Unfalluntersuchungsbericht der Berufungsgenossenschaft gehalten hat, befand sich die Kettenraupe in einem technisch guten Zustand und wies keinerlei Mängel auf. Die Witterung am Unfalltag war nach den unbestrittenen Behauptungen der Beklagten nicht zu beanstanden und der Kläger hat ca. ¾ der Parzelle mit der über eine breite Auflagefläche verfügenden Kettenraupe unfallfrei gemulcht, bis es zum streitigen Unfall gekommen ist. All diese Umstände sprechen nicht dafür, dass die Beklagte von einer starken Rechtsgutgefährdung des Klägers ausgehen musste und ausgegangen ist. Auch der Kläger selbst hat anlässlich seiner Befragung ausweislich des Unfalluntersuchungsberichts angegeben, dass sich möglicherweise der Stamm einer Rebpflanze im Bremsgestänge eingeklemmt und die Funktion der Bremse außer Kraft gesetzt hat. Sollte dies tatsächlich der Fall gewesen sein, liegt ein tragisches Unfallgeschehen vor, ohne dass Rückschlüsse auf eine von vorneherein für die Beklagte oder ihren Vertreter erkennbare erhebliche Rechtsgutgefährdung gerechtfertigt wären. Im Übrigen vermochte die Berufungskammer auch nicht anzunehmen, dass der Gutsverwalter B es dem Zufall überlassen hätte, ob sich eine - unterstellt: - von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht. Es ist zwischen den Parteien nicht streitig, dass der Kläger am Unfalltag die Anweisung erhalten hat, beim Bearbeiten des Weinbergs mit der Raupe rückwärts hinaufzufahren, das Mulchen ausschließlich in Talfahrt vorzunehmen und die Seitenflächen nicht zu befahren. Dies zeigt, dass der für die Beklagte verantwortlich Handelnde gerade die nach seiner Auffassung erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hat, um eine Gefährdung des Klägers auszuschließen. Vor diesem Hintergrund vermochte auch die Berufungskammer nicht anzunehmen, dass er den Eintritt des schädigenden Ereignisses billigend in Kauf genommen hat. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass am Fuße des Weinbergs - nach dem Vortrag des Klägers: vor seinem Unfall - lediglich eine Personenabsturzsicherung, nicht jedoch eine Absturzsicherung für Fahrzeuge angebracht gewesen ist und der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer - ohne dass dies protokolliert worden wäre - bemängelt hat, dass die zum Einsatz gebrachte Kettenraupe über eine Notbremse nicht verfügt habe. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte bzw. ihr Gutsverwalter B aufgrund von Empfehlungen der zuständigen Berufsgenossenschaft oder aus sonstigen Gründen vor dem streitigen Unfall solche Maßnahmen hätten für erforderlich halten müssen.

B

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

37

Die Zulassung der Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht veranlasst.

(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Ein Forderungsübergang nach § 116 des Zehnten Buches findet nicht statt.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die als Leibesfrucht durch einen Versicherungsfall im Sinne des § 12 geschädigt worden sind.

(3) Die nach Absatz 1 oder 2 verbleibenden Ersatzansprüche vermindern sich um die Leistungen, die Berechtigte nach Gesetz oder Satzung infolge des Versicherungsfalls erhalten.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. März 2012 - 3 Sa 313/11 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revision hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Stadt (im Folgenden: Beklagte) verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche künftigen Schäden zu ersetzen, die er aufgrund an asbestfaserhaltigen Bauteilen durchgeführter Arbeiten erleiden sollte.

2

Der Kläger ist seit 1992 bei der Beklagten als Angestellter tätig. Von 1994 bis Mai 1995 war er bei dem Sozialamt der Beklagten in der Abteilung Obdachlosenhilfe beschäftigt und als Betreuer für Asylbewerber, Asylanten und Flüchtlinge im Asylbewerberheim A in D eingesetzt. Dieses Gebäude war bis Januar 1990 als Kindereinrichtung genutzt worden. Zum 1. Februar 1990 war diese Nutzung wegen der möglichen Freisetzung von Asbestfasern in einer die Gesundheit gefährdenden Konzentration eingestellt worden. Die Asbestkontamination der Innenwände des Gebäudes infolge der Verwendung des Baustoffes Sokalit war dem Bürgermeister der Beklagten aufgrund eines Schreibens des Hochbauamtes vom 11. November 1991 bekannt.

3

Die Beklagte beabsichtigte, Anfang des Jahres 1995 das Gebäude des Asylbewerberheims grundlegend zu sanieren. Der Kläger führte mit drei weiteren Angestellten der Beklagten, drei Zivildienstleistenden sowie zwölf bis 15 Asylbewerbern auf Weisung des Abteilungsleiters des Sozialamtes S sowie des Heimleiters Sch in der Zeit vom 1. Februar bis zum 5. Mai 1995 dort folgende Sanierungsarbeiten durch:

        

-       

Demontage der Rippenheizkörper,

        

-       

Abspachteln der aufgeblühten Wandoberflächen,

        

-       

Entfernen vorhandener Tapetenreste,

        

-       

Aufbringen der Klebemasse,

        

-       

Anbringen von Gipskartonplatten auf den Wänden,

        

-       

Verspachteln der Fugen zum Aufbringen eines Farbanstrichs.

4

Insgesamt leisteten die eingesetzten Personen etwa 800 Arbeitsstunden. Eine besondere Aufklärung über die Art und Weise der durchzuführenden Tätigkeiten sowie die Anweisung zum Tragen von Schutzbekleidung und Atemschutzgeräten erfolgte nicht.

5

Anfang Mai 1995 wies ein Mitarbeiter eines Bauunternehmens, der Folgearbeiten abstimmen sollte, den Kläger darauf hin, dass bei den Sanierungsarbeiten asbesthaltiger Staub freigesetzt werde und derartige Arbeiten nur von spezialisierten Unternehmen ausgeführt werden dürften. Der Kläger leitete diese Information an den zuständigen Abteilungsleiter S weiter. Dieser erklärte, das Vorhandensein asbesthaltigen Materials sei allgemein bekannt und drängte auf die Fortsetzung der Arbeiten.

6

Einer der beteiligten Zivildienstleistenden schaltete daraufhin das staatliche Gewerbeaufsichtsamt D ein. Dieses stellte fest, dass durch das Abkratzen und Abschaben der verbauten Sokalitverkleidungen eine extreme Exposition von Asbestfasern aus dem lockeren Faserverband bewirkt worden sei. Materialproben der Sokalitplatten ergaben einen Fasergehalt von bis zu 40 % Chrysotilasbest. Das Gewerbeaufsichtsamt verfügte am 5. Mai 1995 die sofortige Einstellung der Arbeiten und die Versiegelung des Gebäudes.

7

Anlässlich einer Erkrankung des Klägers im Jahre 2006 vermutete der behandelnde Arzt das Vorhandensein von Krebserregern als Auslöser. Dieser Verdacht, der sich letztlich nicht bestätigte, veranlasste den Kläger, sich näher mit der Problematik auseinanderzusetzen, ob die damaligen Sanierungsarbeiten, während derer er Asbestfasern eingeatmet hatte, für ihn das Risiko einer Krebserkrankung erhöht haben oder in Zukunft zum Ausbruch einer Krebserkrankung führen könnten.

8

Mit Anwaltsschreiben vom 6. September 2006 ließ der Kläger die Beklagte auffordern, ihre uneingeschränkte Schadensersatzpflicht dem Grunde nach für alle materiellen und immateriellen Schäden, die ihm aufgrund der in der Zeit vom 1. Februar bis 5. Mai 1995 geleisteten Sanierungsarbeiten im Asylbewerberheim entstanden sind und noch entstehen werden, anzuerkennen. Die Beklagte lehnte eine Haftung unter Hinweis auf den Haftungsausschluss nach § 104 Abs. 1 SGB VII mit Schreiben vom 20. Dezember 2006 ab.

9

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass er bereits jetzt mit einer Feststellungsklage die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Schadensersatzes grundsätzlich feststellen lassen könne.

10

Weiter meint er, der Beklagten sei der Vorwurf vorsätzlichen Handelns zu machen. Die Kenntnis der Beklagten über die gesundheitsschädigende Wirkung des asbestfaserhaltigen Materials gehe zum einen aus dem Schreiben des Hochbauamtes vom 11. November 1991 und zum anderen aus den vom Ausschuss für Gefahrstoffe bereits 1994 beschlossenen Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 519) hervor. Sein direkter Vorgesetzter, der Abteilungsleiter S, habe sogar, nachdem der Kläger ihn über die Aussage des Mitarbeiters der Baufirma D informiert hatte, erklärt, dass das Vorhandensein asbesthaltigen Materials allgemein bekannt sei, und auf die Fortführung der Arbeiten gedrängt. Dieses Verhalten seines Vorgesetzten müsse sich die Beklagte zurechnen lassen.

11

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, welche er aufgrund der nach Weisung der Beklagten im Zeitraum vom 1. Februar bis 5. Mai 1995 an asbestfaserhaltigen Bauteilen im damaligen Asylbewerberheim in D, A, ausgeführten Arbeiten erleidet, unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 100 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

12

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

13

Sie hat gemeint, es fehle bereits an einem Feststellungsinteresse für den Feststellungsantrag. Dem Kläger sei es auch nicht gelungen, die haftungsbegründende Kausalität für einen eventuellen Schaden aufzuzeigen.

14

Die Beklagte bestreitet ferner, dass die die Arbeiten im Asylbewerberheim anordnenden Mitarbeiter vorsätzlich gehandelt haben. Es habe niemand den Eintritt eines Gesundheitsschadens billigend in Kauf genommen. Daher stünde einem Schadensersatzanspruch des Klägers auch der Haftungsausschluss des § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO entgegen. Die Mitarbeiter Sch und S hätten gerade darauf vertraut, dass kein Gesundheitsschaden bei dem Kläger eintreten werde. Die Annahme eines bedingten Vorsatzes sei lebensfremd.

15

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 28. April 2011 (- 8 AZR 769/09 - AP SGB VII § 104 Nr. 6 = EzA RVO § 636 Nr. 14) das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Nach erneuter Verhandlung hat das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag des Klägers stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf die beantragte Feststellung.

17

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse sei zu bejahen. Der Feststellungsantrag sei auch begründet. § 636 Abs. 1 RVO stehe einem Schadensersatzanspruch des Klägers nicht entgegen, da sich die Beklagte die Kenntnis des damaligen Vorgesetzten des Klägers, des Abteilungsleiters S, zurechnen lassen müsse. Dieser habe eine Schädigung des Klägers zumindest billigend in Kauf genommen. Dies ergebe sich daraus, dass das Gebäude zum 1. Februar 1990 geschlossen worden sei, weil sowohl die Außen- als auch die Innenwände des Gebäudes mit asbesthaltigem Material verkleidet gewesen seien. Dass auch der Abteilungsleiter S über dieses Wissen konkret verfügt habe, folge aus seiner Antwort, die er dem Kläger gegeben habe, nachdem dieser ihn darüber informiert gehabt habe, dass ihn ein Mitarbeiter der Firma D darauf aufmerksam gemacht habe, an den Wänden dürfe nur mit einer besonderen Schutzausrüstung gearbeitet werden. Der Abteilungsleiter habe geantwortet, das Vorhandensein asbesthaltigen Materials sei allgemein bekannt. Er habe jedoch nicht eine sofortige Einstellung der Arbeiten verfügt, sondern auf die weitere Fortsetzung derselben gedrängt. Der Abteilungsleiter habe nach alledem so leichtfertig gehandelt, dass er eine mögliche Gesundheitsverletzung der mit den Sanierungsarbeiten Beschäftigten, darunter auch des Klägers, in Kauf genommen haben müsse. Es habe auch keiner fundierten wissenschaftlichen Kenntnisse bedurft, um die von den Sanierungsarbeiten ausgehende Gefahr zu erkennen. Allein das Wissen, dass die ehemals in dem Gebäude betriebene Kindereinrichtung wegen der Asbestgefahr geschlossen werden musste und die Sanierungsarbeiten allein von spezialisierten Fachfirmen durchgeführt werden durften, genüge, um auf die besonders große Leichtfertigkeit des Handelns des verantwortlichen Abteilungsleiters zu schließen.

18

B. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

19

I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Das besondere Feststellungsinteresse ist nach § 256 Abs. 1 ZPO gegeben. Dies hat der Senat in der vorliegenden Streitsache bereits entschieden (BAG 28. April 2011 - 8 AZR 769/09 - Rn. 24 ff., AP SGB VII § 104 Nr. 6 = EzA RVO § 636 Nr. 14).

20

II. Die Feststellungsklage ist auch begründet.

21

1. Die Beklagte haftet dem Kläger grundsätzlich für solche Schäden, die dieser aufgrund der Arbeiten vom 1. Februar bis 5. Mai 1995 an asbestfaserhaltigen Bauteilen im damaligen Asylbewerberheim der Beklagten erleidet. Der Senat hat im vorliegenden Rechtsstreit entschieden, dass eine Haftung der Beklagten (nur noch) von der Frage abhängt, ob eine Herbeiführung eines möglichen Arbeitsunfalls in Form einer Gesundheitsschädigung durch den Abteilungsleiter des Klägers, S, vorsätzlich erfolgt ist. Zur diesbezüglichen Feststellung hat er den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen (BAG 28. April 2011 - 8 AZR 769/09 - Rn. 31 ff., AP SGB VII § 104 Nr. 6 = EzA RVO § 636 Nr. 14).

22

2. Der Abteilungsleiter S handelte mit Vorsatz in Bezug auf die Pflichtverletzung und in Bezug auf eine in Zukunft möglicherweise noch auftretende Gesundheitsschädigung des Klägers.

23

a) Das Eingreifen des Haftungsprivilegs nach § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO in der bis 31. Dezember 1996 geltenden Fassung erfordert einen „doppelten“ Vorsatz. Der Vorsatz des Handelnden muss sich zum einen auf die Verletzungshandlung beziehen. Zum anderen muss der Vorsatz aber auch den Verletzungserfolg umfassen. Allein der Verstoß gegen zugunsten von Arbeitnehmern bestehende Schutzpflichten indiziert noch keinen Vorsatz bezüglich der Herbeiführung eines Arbeitsunfalls iSd. § 636 Abs. 1 RVO. Es verbietet sich, die vorsätzliche Pflichtverletzung mit einer ungewollten Unfallfolge mit einem gewollten Arbeitsunfall oder einer gewollten Berufskrankheit gleichzusetzen (vgl. BAG 28. April 2011 - 8 AZR 769/09 - Rn. 50, AP SGB VII § 104 Nr. 6 = EzA RVO § 636 Nr. 14).

24

Vorsatz enthält ein „Wissens“- und ein „Wollenselement“. Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss, gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben (BGH 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10 - Rn. 10). Die Annahme eines bedingten Vorsatzes setzt voraus, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Die objektive Erkennbarkeit der Tatumstände reicht nicht aus (vgl. BGH 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10 - aaO). Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen vor, wenn der Handelnde darauf vertraut, der Schaden werde nicht eintreten (Palandt/Grüneberg 72. Aufl. § 276 Rn. 10).

25

b) Das Verschulden und die einzelnen Arten des Verschuldens, insbesondere auch der Begriff der Fahrlässigkeit, sind Rechtsbegriffe. Die Feststellung ihrer Voraussetzungen liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet, wobei dem Tatrichter ein erheblicher Beurteilungsspielraum zusteht. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob der Tatrichter von den richtigen rechtlichen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigt sowie Denkgesetze, Erfahrungssätze und Verfahrensvorschriften verletzt hat (vgl. BAG 15. September 2011 - 8 AZR 846/09 - Rn. 43, AP BGB § 280 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 611 Krankenhausarzt Nr. 4). Eine Aufhebung des Berufungsurteils durch das Revisionsgericht darf nur erfolgen, wenn eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums durch den Tatsachenrichter festzustellen ist (BAG 19. Februar 2009 - 8 AZR 188/08 - Rn. 48, AP SGB VII § 105 Nr. 4 = EzA SGB VII § 105 Nr. 5). Dagegen genügt es für die Aufhebung eines landesarbeitsgerichtlichen Urteils nicht, wenn im Streitfall auch eine andere Beurteilung als die des Landesarbeitsgerichts möglich wäre und das Revisionsgericht, hätte es die Beurteilung des Verschuldensgrades selbst vorzunehmen, zu dem Ergebnis gekommen wäre, es liege ein anderer Verschuldensgrad als der vom Berufungsgericht angenommene vor (BAG 15. September 2011 - 8 AZR 846/09 - aaO).

26

c) Nach diesen Grundsätzen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht angenommen hat, dem Vorgesetzten des Klägers, S, sei der Vorwurf vorsätzlichen Verhaltens zu machen, weil er es billigend in Kauf genommen habe, dass neben den übrigen Betroffenen der Kläger infolge der angewiesenen Sanierungsarbeiten eine durch Asbest bewirkte Gesundheitsschädigung erfährt.

27

Das Landesarbeitsgericht hat dies damit begründet, es sei der Leitungsebene der Beklagten und dem Abteilungsleiter S bekannt gewesen, dass das fragliche Gebäude, welches früher als Kindereinrichtung gedient hatte, deshalb zum 1. Februar 1990 geschlossen wurde, weil sich herausgestellt hatte, dass die Innenwände mit asbesthaltigem Material verkleidet waren und von Asbest eine Gesundheitsgefährdung für die sich in dem Gebäude aufhaltenden Personen ausging. Auf Vorhalt des Klägers Anfang Mai 1995, dass derartige Arbeiten nur von einer Fachfirma ausgeführt werden dürften, habe der Abteilungsleiter geantwortet, dass das Vorhandensein asbesthaltigen Materials allgemein bekannt sei, und auf die weitere Fortsetzung der Arbeiten gedrängt. Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Tatsachengericht nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob es eine Tatsache, wozu auch innere Tatsachen gehören, als wahr oder unwahr erachtet. Revisionsrechtlich ist nur zu prüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze verstößt (vgl. BGH 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10 - Rn. 13). Im vorliegenden Fall ist ein Fehler des Berufungsgerichts nicht zu erkennen. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil diese vom Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegten Tatsachen im Wesentlichen unstreitig sind.

28

Einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der vorsätzlich eine zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzvorschrift missachtet, eine Schädigung oder eine mögliche Berufskrankheit des Arbeitnehmers nicht billigend in Kauf nimmt, gibt es nicht. Zwar hat der Senat entschieden, dass ein Arbeitgeber trotz eines Verstoßes gegen Arbeitsschutzvorschriften meistens darauf hoffen wird, es werde kein Unfall eintreten (vgl. BAG 19. Februar 2009 - 8 AZR 188/08 - Rn. 50, AP SGB VII § 105 Nr. 4 = EzA SGB VII § 105 Nr. 5). Diese Ausführungen sind einer Verallgemeinerung im Sinne eines Erfahrungssatzes auf tatsächlichem Gebiet allerdings nicht zugänglich. Stets kommt es vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an.

29

Es kann naheliegen, dass der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt hat, wenn er sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht (vgl. BGH 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10 - Rn. 11). Davon ist das Landesarbeitsgericht im Ergebnis ausgegangen, indem es entscheidend auf die Tatsache abgestellt hat, dass der Abteilungsleiter den Kläger mit der Sanierung der Räume in der oberen Etage des Asylbewerberheims beauftragt hat, obwohl die gesundheitsschädliche und krebserzeugende Wirkung, die durch das Einatmen von Asbeststaub hervorgerufen werden kann, bereits seit 1995 bekannt war.

30

Dass das Berufungsgericht aufgrund dieser Tatsache und dem Drängen des Abteilungsleiters auf Fortsetzung der Sanierungsarbeiten, nachdem er durch den Kläger auf die Asbestgefahren hingewiesen worden war, angenommen hat, der Abteilungsleiter habe eine mögliche Gesundheitsschädigung des Klägers billigend in Kauf genommen, lässt eine Überschreitung des dem Landesarbeitsgericht zustehenden Beurteilungsspielraumes nicht erkennen und ist revisionsrechtlich daher nicht zu beanstanden.

31

C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Andreas Henninger    

        

    Umfug    

                 
11
b) Von den materiellen Voraussetzungen des bedingten Vorsatzes sind die Anforderungen zu unterscheiden, die an seinen Beweis zu stellen sind (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2000 - 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 35; Staudinger/ Oechsler, BGB, Neubearbeitung 2009, § 826 Rn. 96). So kann sich im Rahmen des § 826 BGB aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns, insbesondere dem Grad der Leichtfertigkeit des Schädigers, die Schlussfolgerung ergeben , dass er mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat (vgl. BGH, Urteile vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 39 mwN; vom 17. Mai 2011 - XI ZR 300/08, juris Rn. 18). Auch kann es im Einzelfall beweisrechtlich naheliegen , dass der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt hat, wenn er sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht (vgl. BGH, Urteile vom 13. Dezember 2001 - VII ZR 305/99, NJW-RR 2002, 740; vom 11. November 2003 - VI ZR 371/02, VersR 2004, 210, 212; vom 26. August 2003 - 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 346). Allerdings kann der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nicht allein das Kriterium für die Frage sein, ob der Handelnde mit dem Erfolg auch einverstanden war (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2001 - VI ZR 350/00, aaO, S. 322; BGH, Urteile vom 6. April 2000 - 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 35; vom 26. August 2003 - 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 346 f.; Beschlüsse vom 3. Oktober1989 - 5 StR 208/89, Wistra 1990, 20; vom 16. April 2008 - 5 StR 615/07, NStZ-RR 2008, 239, 240). Vielmehr ist immer eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles erforderlich (vgl. Senatsurteile vom 27. März 1984 - VI ZR 246/81, WM 1984, 744, 745; vom 11. Februar 2003 - VI ZR 34/02, aaO, S. 20 f.; BGH, Urteile vom 26. August 2003 - 5 StR 145/03, aaO, S. 348; vom 12. Mai 2005 - 5 StR 283/04, NJW 2005, 2242, 2244).

(1) Die Parteien können vor dem Arbeitsgericht den Rechtsstreit selbst führen. Parteien, die eine fremde oder ihnen zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretene Geldforderung geltend machen, müssen sich durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur Vertretung des Gläubigers befugt wären oder eine Forderung einziehen, deren ursprünglicher Gläubiger sie sind.

(2) Die Parteien können sich durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Arbeitsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte der Partei oder eines mit ihr verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
4.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
5.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 4 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesarbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht müssen sich die Parteien, außer im Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter und bei Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind außer Rechtsanwälten nur die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 bezeichneten Organisationen zugelassen. Diese müssen in Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Eine Partei, die nach Maßgabe des Satzes 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten; Satz 3 bleibt unberührt.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) In der Verhandlung können die Parteien mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Parteien den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von der Partei vorgebracht, soweit es nicht von dieser sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Ein Forderungsübergang nach § 116 des Zehnten Buches findet nicht statt.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die als Leibesfrucht durch einen Versicherungsfall im Sinne des § 12 geschädigt worden sind.

(3) Die nach Absatz 1 oder 2 verbleibenden Ersatzansprüche vermindern sich um die Leistungen, die Berechtigte nach Gesetz oder Satzung infolge des Versicherungsfalls erhalten.

Der Zeugenbeweis wird durch die Benennung der Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll, angetreten.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 16. Januar 2013 - 3 Sa 744/12 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 7. Mai 2012 - 15 Ca 144/12 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay.

2

Der 1967 geborene Kläger war vom 12. Februar 2007 bis zum 4. März 2008 bei der Beklagten, die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Monteur beschäftigt. Der Kläger erhielt von Februar bis April 2007 einen Bruttostundenlohn einschließlich Zulage von 8,20 Euro, ab Mai 2007 bis Februar 2008 von 8,80 Euro.

3

Dem Arbeitsverhältnis lag ein Formulararbeitsvertrag vom 6. Februar 2007 zugrunde, in dem es ua. heißt:

        

㤠1 Vertragsgegenstand/Tarifanwendung

        

…       

        

4. Auf das Arbeitsverhältnis finden die für den Arbeitgeber fachlich einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Dies sind zurzeit die zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. abgeschlossenen Tarifverträge (Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifvertrag und Beschäftigungssicherungstarifvertrag). Im Falle eines Verbandswechsels des Arbeitgebers gelten die Bestimmungen des dann einschlägigen Tarifwerks. Für den Fall, dass ein Firmentarifvertrag abgeschlossen wird gilt dessen Inhalt. Soweit die nachfolgenden Regelungen mit den Bestimmungen der in Bezug genommenen Tarifverträge wörtlich übereinstimmen, dient dies der besseren Verständlichkeit dieses Vertrages. Wortlautwiederholungen tariflicher Bestimmungen sind demnach nur deklaratorisch. Ausgenommen hiervon ist § 12 (Geltendmachung und Ausschluss von Ansprüchen) dieses Vertrages; diese Regelung wirkt konstitutiv. Soweit die Regelungen dieses Vertrages den in Bezug genommenen Tarifverträgen derzeit oder zukünftig widersprechen sollten, gelten vorrangig die jeweils maßgeblichen tariflichen Bestimmungen. Dies gilt nicht, soweit die Tarifverträge eine Abweichung ausdrücklich zulassen oder sich aus den Regelungen dieses Arbeitsvertrages eine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung ergibt.

        

…       

        

§ 4 Vergütung

        

…       

        

5. Die Vergütung wird monatlich nachträglich bis spätestens zum 20. des Folgemonats auf ein von dem Arbeitnehmer anzugebendes Konto überwiesen. …

        

…       

        

§ 12 Geltendmachung und Ausschluss von Ansprüchen

        

1. Beide Parteien können sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nur schriftlich innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten ab Fälligkeit geltend machen.

        

2. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen, es sei denn, dass der Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutender Sorgfalt verhindert war, diese Frist einzuhalten. Diese Ausschlussfrist gilt nicht für Ansprüche, die auf eine unerlaubte Handlung gestützt werden.“

4

Im Streitzeitraum 12. Februar 2007 bis 13. Februar 2008 wurde der Kläger folgenden Entleihern überlassen:

        

-       

12. Februar bis 5. April 2007 der Firma M

        

-       

9. bis 13. April 2007 der Firma R

        

-       

24. April bis 20. Juli 2007 der Firma W

        

-       

23. Juli bis 3. August 2007 der Firma G

        

-       

22. August bis 13. September 2007 der Firma E

        

-       

7. bis 11. Januar 2008 der Firma Ri

        

-       

14. bis 17. Januar 2008 der Firma B

        

-       

28. Januar bis 13. Februar 2008 der Firma Ma

5

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung im Dezember 2010 hat der Kläger mit der am 28. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage - zunächst im Wege der Stufenklage - von der Beklagten Auskunft über die Höhe der Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer verlangt. In der zweiten Stufe hat er unter Berufung auf § 10 Abs. 4 AÜG die Differenz zwischen der erhaltenen Vergütung und dem Arbeitsentgelt begehrt, das - entsprechend der von der Beklagten zu erteilenden Auskunft - die Entleiherinnen im Streitzeitraum vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährt haben sollen. Hilfsweise hat er einen bezifferten Zahlungsantrag gestellt. Im Berufungsverfahren hat er allein diesen in reduzierter Höhe weiterverfolgt und vorgetragen, nach den zwischenzeitlich von den Entleiherinnen erteilten Auskünften seien vergleichbare Stammarbeitnehmer nach „Tarif“ vergütet worden. Lege man die jeweils gezahlten Tariflöhne zugrunde, könne er Differenzvergütung in Höhe von 4.229,71 Euro beanspruchen. Hiervon habe er erst mit Bekanntgabe der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 2010 zur fehlenden Tariffähigkeit der CGZP Kenntnis erhalten. Bis dahin habe er auf die Wirksamkeit der arbeitsvertraglich vereinbarten Tarifverträge vertrauen dürfen. Es sei ihm deshalb nicht zumutbar gewesen, die Forderungen innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist geltend zu machen und bei der zu erwartenden Ablehnung ein mit einem nicht unerheblichen Kostenrisiko verbundenes Arbeitsgerichtsverfahren einzuleiten. Im Übrigen könne sich die Beklagte nicht auf die Ausschlussfrist berufen, weil sie gegen ihre nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 6 NachwG bestehende Pflicht verstoßen habe, die Höhe des Arbeitsentgelts der Stammarbeitnehmer auszuweisen.

6

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.229,71 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Dezember 2010 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, mögliche Ansprüche seien jedenfalls nach § 12 Arbeitsvertrag verfallen. Sie bestreite, dass die Entleiherinnen vergleichbaren Stammarbeitnehmern die vom Kläger seiner Berechnung zugrunde gelegten Tariflöhne gezahlt hätten. Welche Tätigkeiten er bei den einzelnen Entleiherinnen ausgeübt habe, sei seinem Vortrag nicht zu entnehmen. Die Überlassung als Monteur besage nichts über die vom Kläger tatsächlich ausgeführten Tätigkeiten und die Stammarbeitnehmern hierfür geleistete Vergütung. Etwaige Ansprüche des Klägers seien verjährt.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht dem Zahlungsantrag stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist unbegründet.

10

I. Die Beklagte war nach § 10 Abs. 4 AÜG verpflichtet, dem Kläger für die streitgegenständlichen Zeiten der Überlassung das gleiche Arbeitsentgelt zu zahlen, wie es die Entleiherinnen ihren Stammarbeitnehmern gewährten. Eine nach § 9 Nr. 2 AÜG zur Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung berechtigende Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen. § 1 Nr. 4 Arbeitsvertrag verweist auf wegen der fehlenden Tariffähigkeit der CGZP unwirksame Tarifverträge(vgl. dazu im Einzelnen BAG 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 12 ff., BAGE 144, 306).

11

II. Der Kläger hat aber die Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG nicht substantiiert dargelegt.

12

1. Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG ist ein die vertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch, der mit jeder Überlassung entsteht und jeweils für die Dauer der Überlassung besteht. Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs ist deshalb ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen (BAG 23. März 2011 - 5 AZR 7/10 - Rn. 35 f., BAGE 137, 249).

13

2. Darlegungs- und beweispflichtig für die Höhe des Anspruchs ist der Leiharbeitnehmer.

14

a) Seiner Darlegungslast kann der Leiharbeitnehmer zunächst dadurch genügen, dass er sich auf eine ihm nach § 13 AÜG erteilte Auskunft beruft und diese in den Prozess einführt. Denn die - ordnungsgemäße - Auskunft des Entleihers über das einem vergleichbaren Stammarbeitnehmer gewährte Arbeitsentgelt ist das gesetzlich vorgesehene Mittel, das dem Leiharbeitnehmer ermöglichen soll, die Einhaltung des Gebots der Gleichbehandlung zu überprüfen und die Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG zu berechnen. Es obliegt dann im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast dem Verleiher, die maßgeblichen Umstände der Auskunft in erheblicher Art und im Einzelnen zu bestreiten. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der Inhalt der vom Leiharbeitnehmer vorgetragenen Auskunft als zugestanden. Gelingt es dem Verleiher, die Auskunft des Entleihers zu erschüttern, bleibt es bei dem Grundsatz, dass der Anspruchsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen muss (vgl. BAG 23. März 2011 - 5 AZR 7/10 - Rn. 36, BAGE 137, 249; 13. März 2013 - 5 AZR 146/12 - Rn. 22).

15

b) Die Höhe der Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer ist nicht nachvollziehbar dargelegt worden.

16

aa) Der Kläger hat sich zwar bezogen auf die einzelnen Überlassungen auf von den Entleiherinnen erteilte Auskünfte berufen, diese sind jedoch unzulänglich.

17

(1) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dies nicht schon deshalb anzunehmen, weil darin nicht auf vergleichbare Stammarbeitnehmer Bezug genommen wird. Die Rechtswirkungen einer Auskunft nach § 13 AÜG hängen nicht davon ab, ob der Entleiher vergleichbare Stammarbeitnehmer beschäftigt. Gibt es beim Entleiher keine vergleichbaren Stammarbeitnehmer, muss der Entleiher dem Leiharbeitnehmer auf der Grundlage einer hypothetischen Betrachtung Auskunft darüber erteilen, welche Arbeitsbedingungen für ihn gölten, wenn er für die gleiche Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre (vgl. 19. Februar 2014 - 5 AZR 1046/12 - Rn. 31, 33).

18

(2) Die bei hypothetischer Betrachtung für den Kläger geltenden Arbeitsbedingungen können den von ihm im Rechtsstreit wiedergegebenen Auskünften nicht entnommen werden. Aus ihnen ergibt sich nicht, welche Tarifverträge die jeweiligen Entleiherinnen im Überlassungszeitraum angewendet haben und wie der Kläger danach einzugruppieren gewesen wäre. Es kann deshalb nicht nachvollzogen und überprüft werden, welches Arbeitsentgelt der Kläger erzielt hätte, wenn er für die gleiche Tätigkeit bei den Entleiherinnen angestellt worden wäre. Die Beklagte konnte sich deshalb auf ein Bestreiten mit Nichtwissen beschränken. Der Vortrag des Klägers war und ist nicht weiter einlassungsfähig.

19

bb) Angesichts der unzulänglichen Auskünfte hätte der Kläger zur Darlegung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt alle für dessen Berechnung erforderlichen Tatsachen vortragen müssen.

20

(1) Stützt sich der Leiharbeitnehmer im Prozess nicht auf eine - ausreichende - Auskunft nach § 13 AÜG, muss er zur Darlegung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt alle für dessen Berechnung erforderlichen Tatsachen vortragen, soweit diese sich nicht aus der Auskunft ergeben. Dazu gehören vorrangig die Benennung eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers und das diesem vom Entleiher gewährte Arbeitsentgelt. Beruft sich der Leiharbeitnehmer - alternativ - auf ein allgemeines Entgeltschema, hat er dieses konkret zu benennen, seinen Inhalt vorzutragen und darzulegen, dass ein solches im Betrieb des Entleihers im Überlassungszeitraum tatsächlich Anwendung fand und wie er danach fiktiv einzugruppieren gewesen wäre (vgl. BAG 13. März 2013 - 5 AZR 146/12 - Rn. 23).

21

(2) Auch diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des Klägers nicht. Vergleichbare Stammarbeitnehmer hat er nicht konkret benannt. Er hat lediglich behauptet, bei den Entleiherinnen sei „Tariflohn“ gezahlt worden, ohne konkret vorzutragen, welche Tarifverträge und damit welches allgemeine Entgeltschema von den einzelnen Entleiherinnen im jeweiligen Überlassungszeitraum angewendet worden wäre. Es ist deshalb nicht ersichtlich, wie der Kläger fiktiv einzugruppieren gewesen wäre.

22

(3) Der Kläger hatte nach dem Verfahrensverlauf ausreichend Gelegenheit und Veranlassung, seinen Sachvortrag zu präzisieren und zu ergänzen. Die Beklagte hat erstinstanzlich im Schriftsatz vom 13. Januar 2011 und in der Berufungserwiderung vom 15. Oktober 2012 ausdrücklich beanstandet, der Sachvortrag des Klägers sei nicht hinreichend substantiiert. Es ist schon deshalb nicht geboten, die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, um dem Kläger eine Ergänzung seines Sachvortrags zu ermöglichen.

23

(4) Eine Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht ist auch nicht im Hinblick auf den vom Kläger für einzelne Überlassungszeiträume angebotenen Zeugenbeweis geboten. Den fehlenden Sachvortrag konnte er hierdurch nicht ersetzen. Die Beweisantritte des Klägers waren - unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Beweisantritts - bereits deshalb unzulässig, weil die Vernehmung von Zeugen einen Ausforschungsbeweis dargestellt hätte. Wird ein Beweis angetreten, bei dem es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsache fehlt und sollen durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, ist dieser Beweisantritt unzulässig und unbeachtlich. Gemäß § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll. Entsprechen die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderungen, hat die Beweiserhebung aufgrund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben (BAG 15. Dezember 1999 - 5 AZR 566/98 - zu II 2 a aa der Gründe). Danach waren die Beweisantritte des Klägers unbeachtlich, denn er hat, wie bereits ausgeführt, die Höhe des Vergleichsentgelts nicht substantiiert dargelegt.

24

III. Die Klage ist zudem unbegründet, weil die Ansprüche des Klägers auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 12 Arbeitsvertrag verfallen sind. Der Kläger war zwar nicht gehalten, Ausschlussfristen aus unwirksamen Tarifverträgen der CGZP, die auch nicht kraft Bezugnahme als Allgemeine Geschäftsbedingung Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden sind, einzuhalten (BAG 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 35, BAGE 144, 306; 24. September 2014 - 5 AZR 506/12 - Rn. 14). Jedoch musste er die in § 12 Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussfrist beachten.

25

1. Diese Klausel, bei der es sich nach der nicht angegriffenen Feststellung des Landesarbeitsgerichts um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt (§ 305 Abs. 1 BGB), enthält eine eigenständige arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung. Das folgt schon aus dem grundsätzlichen Vorrang einer ausdrücklich in den Arbeitsvertrag aufgenommenen Klausel vor einer nur durch die pauschale Bezugnahme auf einen Tarifvertrag anwendbaren Regelung (BAG 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 40, BAGE 144, 306). Eine abweichende anderweitige Regelung haben die Parteien nicht getroffen. Sie haben im Gegenteil in § 1 Nr. 4 Satz 7 Arbeitsvertrag ausdrücklich festgehalten, § 12 Arbeitsvertrag solle konstitutiv wirken. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den weiteren Regelungen in § 1 Nr. 4 Arbeitsvertrag. Diese sehen zwar an sich vor, dass eine ausdrücklich in den Vertrag aufgenommene Regelung nicht in jedem Falle eigenständige Bedeutung habe und bei sich widersprechenden Regelungen die tariflichen Bestimmungen maßgeblich sein sollten, es sei denn, der Arbeitsvertrag enthielte eine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung. Das führt aber nicht zur Unanwendbarkeit von § 12 Arbeitsvertrag. Denn die Kollisionsregeln in § 1 Nr. 4 Arbeitsvertrag setzen - für den durchschnittlichen Vertragspartner des Klauselverwenders erkennbar - voraus, dass auf arbeitsvertraglicher Ebene überhaupt eine in Bezug genommene tarifliche und eine ausdrücklich in den Arbeitsvertrag aufgenommene Regelung Anwendung finden und kollidieren können. Das ist vorliegend nicht der Fall. Wegen der Unwirksamkeit der CGZP-Tarifverträge geht die Bezugnahmeklausel insgesamt ins Leere: Die in Bezug genommenen Tarifverträge können auf arbeitsvertraglicher Ebene keine Wirkung entfalten, damit sind die dazugehörigen Kollisionsregeln hinfällig (vgl. BAG 25. September 2013 - 5 AZR 778/12 - Rn. 16).

26

2. Die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung ist weder intransparent (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) noch unangemessen benachteiligend (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

27

a) Der Arbeitnehmer kann ersehen, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, „ausgeschlossen“ sind, wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen in der in der Klausel bezeichneten Weise geltend gemacht werden (BAG 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 48 f., BAGE 144, 306). Die Einschränkung der Rechtsfolge in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die erste Stufe der Ausschlussfristenregelung einzuhalten, führt nicht zur Intransparenz der Klausel. Sie hält den Arbeitnehmer nicht davon ab, alle erforderlichen Schritte zur Verhinderung des Untergangs eines Anspruchs zu unternehmen, sondern entlastet ihn, wenn er jene trotz Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht ergreifen konnte (vgl. BAG 25. September 2013 - 5 AZR 778/12 - Rn. 20; 24. September 2014 - 5 AZR 506/12 - Rn. 23).

28

b) Die Ausschlussfristenregelung lässt dem Gläubiger eine faire Chance, seine Ansprüche durchzusetzen. Eine schriftliche Geltendmachung des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG „dem Grunde nach“ reicht nach dem Wortlaut der Klausel aus und ermöglicht es auch dem Leiharbeitnehmer, der die Entgeltregelung für vergleichbare Stammarbeitnehmer noch nicht im Einzelnen kennt, innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist sich für jede Überlassung den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt zu sichern(vgl. dazu im Einzelnen BAG 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 50 ff., BAGE 144, 306).

29

3. Der Kläger hat die Ausschlussfrist nicht eingehalten. Er hat den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt, der mit der Überlassung entsteht und ratierlich zu dem im Arbeitsvertrag für die Vergütung bestimmten Zeitpunkt fällig wird (BAG 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 42, BAGE 144, 306), erstmals mit Schreiben vom 22. Dezember 2010 gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war der Anspruch aus § 10 Abs. 4 AÜG für den gesamten Streitzeitraum bereits untergegangen.

30

a) Der Anspruchsverfall war nicht nach § 12 Nr. 2 Satz 1 Arbeitsvertrag ausgeschlossen. Danach bestehen Ansprüche fort, wenn der Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die dreimonatige Geltendmachungsfrist einzuhalten. Ein derartiger Ausnahmefall liegt nicht vor.

31

Die bloße Unkenntnis über das Bestehen eines Anspruchs oder die objektiv unzutreffende rechtliche Würdigung der arbeitsvertraglichen Klausel, mit der der Verleiher von der nach § 9 Nr. 2 AÜG eröffneten Möglichkeit Gebrauch macht, von dem Gebot der Gleichbehandlung abzuweichen, reicht für eine Verhinderung im Sinne von § 12 Nr. 2 Satz 1 Arbeitsvertrag nicht aus. Vertraut der Leiharbeitnehmer auf die Rechtswirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Gestaltung und in diesem Zusammenhang auf die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition, ist dieses Vertrauen ebenso wenig geschützt wie das des Verleihers (BAG 25. September 2013 - 5 AZR 778/12 - Rn. 25 f.; vgl. auch - zur Verjährung - BAG 13. März 2013 - 5 AZR 424/12 - Rn. 25, BAGE 144, 322; 24. September 2014 - 5 AZR 506/12 - Rn. 30).

32

Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn sich der im Rechtlichen irrende Arbeitnehmer von kompetenter Stelle eine falsche Rechtsauskunft oder unzutreffenden Rechtsrat erhalten hätte (vgl. zur nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage in einem solchen Falle ErfK/Kiel 15. Aufl. § 5 KSchG Rn. 17 mwN). Dazu hat der Kläger nichts vorgetragen.

33

b) Dem Verfall steht § 12 Nr. 2 Satz 2 Arbeitsvertrag nicht entgegen. Danach gilt die Ausschlussfrist nicht für Ansprüche, die auf eine unerlaubte Handlung gestützt werden. Ein solcher ist der Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nicht (BAG 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 56, BAGE 144, 306).

34

4. Die Berufung der Beklagten auf die in § 12 Arbeitsvertrag geregelte Ausschlussfrist ist nicht rechtsmissbräuchlich, weil sie aus dem NachwG folgende Pflichten missachtet hätte.

35

a) Eine Verpflichtung der Beklagten zum Nachweis der Höhe des Stammarbeitnehmern der Entleiherinnen gezahlten Entgelts ergibt sich weder aus dem Nachweisgesetz noch aus dem AÜG. Nach § 2 Abs. 1 NachwG sind dem Leiharbeitnehmer nur die Vertragsbedingungen, darunter die Höhe des Entgelts(§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 NachwG), als die in seinem Vertragsverhältnis zum Verleiher geltenden Bedingungen nachzuweisen. Eine Pflicht des Verleihers, die wesentlichen Arbeitsbedingungen des Entleiherbetriebs nachzuweisen, ist auch im AÜG nicht normiert. Das AÜG unterscheidet zwischen „Vertragsbedingungen“, die das Vertragsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Verleiher betreffen, und „Arbeitsbedingungen“, die in der Rechtssphäre zwischen Entleiher und Stammarbeitnehmern gelten. Diese Unterscheidung wird vom Gesetz in dem System der aufeinander abgestimmten Informations-, Dokumentations- und Auskunftspflichten im Dreiecksverhältnis Entleiher/Verleiher/Leiharbeitnehmer konsequent umgesetzt. § 11 Abs. 1 Satz 2 AÜG bestimmt zwar ergänzende Nachweispflichten im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, diese betreffen aber nur das Vertragsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer(BAG 23. März 2011 - 5 AZR 7/10 - Rn. 16 ff., BAGE 137, 249). Die Vergleichsmöglichkeit zwischen den Leistungen des Verleihers und den nach dem Gleichbehandlungsgebot zustehenden Leistungen wird für den Leiharbeitnehmer durch den allein gegenüber dem Entleiher bestehenden und gerichtlich einklagbaren gesetzlichen Auskunftsanspruch nach § 13 AÜG gewährleistet(vgl. BAG 24. April 2014 - 8 AZR 1081/12 - Rn. 18).

36

b) Zudem begründet eine Verletzung von Nachweispflichten für sich genommen den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht (vgl. BAG 17. April 2002 - 5 AZR 89/01 - zu III 3 b der Gründe, BAGE 101, 75; 21. Februar 2012 - 9 AZR 486/10 - Rn. 30). Ein individueller Rechtsmissbrauch der Beklagten ist nicht ersichtlich. Dem Vortrag des Klägers ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte ihn bei Abschluss des Arbeitsvertrags bewusst über die Entgelthöhe getäuscht hätte oder durch unredliches Verhalten den Vertragsschluss, insbesondere die Vereinbarung der in § 1 Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge, herbeigeführt hätte.

37

5. Mit der Obliegenheit, Ansprüche auf Differenzvergütung nach Maßgabe von § 12 Arbeitsvertrag schriftlich geltend zu machen, wurden für den Kläger keine den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen erschwerenden, im Widerspruch zu Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 GG stehenden Kostenbarrieren aufgestellt.

38

Die ausschließlich zum Tragen kommende vertragliche Ausschlussfrist sieht keine Obliegenheit vor, Ansprüche im Fall der Ablehnung innerhalb einer bestimmten Frist gerichtlich geltend zu machen.

39

IV. Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Buschmann    

        

    Feldmeier    

                 

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und
2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 30. März 2015 - 17 Sa 1195/14 - aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juni 2014 - 17 Ca 8929/13 - wird insgesamt zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin mit Stationierungsort Frankfurt am Main zu beschäftigen ist.

2

Die Klägerin arbeitet seit dem 12. September 2001 als Flugbegleiterin bei der Beklagten. Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 10. August 2001 kann die Klägerin von der Beklagten an einem anderen Ort sowie vorübergehend bei einem anderen Unternehmen eingesetzt werden. Ferner werden die bei der Beklagten jeweils geltenden Tarifverträge für das Kabinenpersonal sowie Betriebsvereinbarungen in Bezug genommen.

3

Nachdem die Klägerin in Frankfurt am Main stationiert war, wurde sie mit nicht unterzeichnetem Schreiben der Beklagten vom 21. November 2011 auf eigenen Wunsch an den Stationierungsort Düsseldorf versetzt.

4

Im Jahr 2012 traf die Beklagte die Entscheidung, die dezentralen Stationierungsorte Hamburg, Berlin und Stuttgart zu schließen und dort kein fliegendes Personal mehr zu stationieren sowie am Stationierungsort Düsseldorf nur noch die Teilstationierung einer Gemischtgruppe aufrechtzuerhalten.

5

Am 8. Mai 2013 schloss die Beklagte mit der bei ihr bestehenden Gesamtvertretung für das fliegende Personal einen „Interessenausgleich und Sozialplan zur Schließung und Einschränkung von dezentralen Stationierungsorten für das Kabinenpersonal in Deutschland“ (IA/SP). In diesem heißt es auszugsweise:

        

ERSTER ABSCHNITT: INTERESSENAUSGLEICH

        

…       

        

§ 3 Ziele und Maßnahmen

        

Erklärung der L zu den Zielen und Maßnahmen:

        

3.1 ,…

        

3.2. Der Arbeitgeber wird die von der Schließung bzw. Einschränkung ihres Stationierungsortes betroffenen Mitarbeiter zur Weiterbeschäftigung nach Frankfurt oder München versetzen bzw. ggf. eine Änderungskündigung aussprechen.‘

        

3.3. Die Betriebspartner begleiten diesen Prozess, indem sie für die von den Maßnahmen betroffenen Mitarbeitern sozialverträgliche und die Folgen abmildernde Lösungen wie z.B. Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung, Arbeitnehmerüberlassung gemäß Schlichtungsvereinbarung, befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell) entwickeln. Näheres regelt der Sozialplan.

        

§ 4 Mitarbeiterbefragung

        

Die von der Schließung bzw. der Einschränkung der Stationierungsorte Düsseldorf, Hamburg, Berlin und Stuttgart betroffenen Mitarbeiter werden über die Einzelheiten ihrer Weiterbeschäftigung bzw. die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung individuell befragt.

        

Die Befragung wird von L schriftlich durchgeführt. Entsprechende Musteranschreiben an die betroffenen Mitarbeiter sind als Anlage dem Interessenausgleich und Sozialplan beigefügt. Die Mitarbeiter haben sich verbindlich innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Zugang des Befragungsbogens gegenüber der L zu äußern. Sollte keine bzw. keine fristgemäße Äußerung erfolgen - maßgebend ist hierbei das Datum des Eingangs bei L - erfolgt die Stationierung nach Bedarf in FRA oder MUC.

        

…       

        

ZWEITER ABSCHNITT: SOZIALPLAN

        

§ 6 Ziele des Sozialplans

        

Der Sozialplan dient dem Ausgleich und der Milderung wirtschaftlicher Nachteile und sozialer Härten, die aus Anlass der im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen und deren Folgen für das Kabinenpersonal entstehen.

        

§ 7 Geltungsbereich

        

Dieser Sozialplan gilt für alle Stewardessen und Stewards bzw. Purseretten und Purser der L AG, die in einem Arbeitsverhältnis mit der L AG stehen und auf die der Manteltarifvertrag für das Kabinenpersonal in seiner jeweiligen Fassung Anwendung findet und die von der strukturellen Reform des Direktverkehrs durch die Schließung bzw. Einschränkung ihres Stationierungsortes betroffen sind. Voraussetzung ist, dass die Betroffenen zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung in einem nicht wirksam gekündigten Arbeitsverhältnis stehen.

        

…       

        

§ 8 Abmilderung der Folgen

        

Alle Mitarbeiter können zur Abmilderung der Folgen der Betriebsänderung zwischen nachfolgend beschriebenen Alternativen a) - e) wählen, Mitarbeiter mit Stationierungsort Düsseldorf darüber hinaus Alternative f):

        

…       

        

Mit diesen Angeboten sind alle Ansprüche aus der Betriebsänderung abgegolten.

        

…       

                 

a) Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung

                 

…       

                 

b) Direkter Einsatz aus FRA oder MUC

        

Auslagenpauschale oder Ersatzleistungen

        

Zur Abmilderung der Folgen des Wechsels des Stationierungsorts erhält der Mitarbeiter in einem Vollzeitarbeitsverhältnis eine Auslagenpauschale in Höhe von 15.000 €.

        

…       

        

Zusätzlich erhalten alle Mitarbeiter - ungeachtet des Arbeitszeitanteils - einen Zuschlag zur Auslagenpauschale von 3700 € als Ausgleich für Mehraufwendungen in Folge des Wechsels des Stationierungsortes FRA oder MUC.

        

Alternativ zu der oben in Absatz 1 genannten Auslagenpauschale werden anfallende Umzugskosten … erstattet … .

                 
        

Dienstliche Anreise zum neuen Stationierungsort

        

Zusätzlich erhalten die Mitarbeiter zur An- und Abreise zu ihrem neuen Stationierungsort ab dem Zeitpunkt der Versetzung, wahlweise

                 

-       

für 5 Jahre Dienstreisetickets mit dem Status S7. Die Möglichkeit S7 Tickets elektronisch zu buchen, wird für jeden betroffenen Mitarbeiter mit Versetzungstermin zur Verfügung gestellt. …

                          

oder   

                          

…       

        

Bereitschaftsdienste

        

Der Mitarbeiter ist für den Zeitraum von 6 Monaten nach Versetzung von jeglichen Bereitschaftsdiensten befreit.

                 
        

Wahl des Stationierungsortes und des Competence Teams

        

…       

        

Der Einsatz an dem in der Befragung von dem Mitarbeiter angegebenen Stationierungsort erfolgt, soweit das Verhältnis von 3 (FRA) zu 1 (MUC) mit einer zulässigen Abweichung von 15 Prozent eingehalten wird. Sollte sich diese Zielverteilung als Ergebnis der Mitarbeiterbefragungen nicht ergeben, erfolgt die Zuteilung gemäß den gültigen Senioritätsregeln (Flugbegleiterseniorität bzw. Vergaberang für Purser).

        

Für den Stationierungsort Frankfurt besteht freie Wahl des Competence Teams. Die Zuteilung erfolgt ohne Berücksichtigung der Seniorität und bedarfsneutral.

        

…       

        

Hotel und Reisekostenübernahme für Schulungen

        

…       

        

IKK Schulungen

        

…       

        

Befristete Versetzung aus sozialen Gründen

        

…       

                 
        

Urlaub und Teilzeit

        

…       

        

Privilegierte Rückkehroption

        

…       

                 

c)    

Arbeitnehmerüberlassung (inklusive der Möglichkeit Arbeitgeberwechsel im Zeitraum der ANÜ) gemäß Tarifvereinbarung in Ergänzung zur Schlichtungsschlussempfehlung vom 14.10.2012 und dem Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 12.04.2013 zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsschlussempfehlung vom 12.11.2012

                          

…       

                 

d)    

Sofortiger Arbeitgeberwechsel zur G gemäß dem Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 12.04.2013 zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsschlussempfehlung vom 12.11.2012

                          

       

                 

e)    

Befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell)

                          

       

                 

f)    

Verbleib am bisherigen Stationierungsort Düsseldorf (nur DUS)

                          

Da der Stationierungsort Düsseldorf lediglich von einer Einschränkung betroffen ist, haben die dort stationierten Mitarbeiter - zusätzlich zu oben genannten Optionen - die Möglichkeit, am bisherigen Stationierungsort zu verbleiben. Sollten sich mehr Mitarbeiter für diese Möglichkeit entscheiden, als Bedarf besteht, erfolgt der Verbleib der Arbeitsplätze in Düsseldorf nach den in der Anlage beigefügten sozialen Auswahlkriterien.“

6

Mit Schreiben vom 27. Mai 2013 übersandte die Beklagte der Klägerin einen Fragebogen, in dem sie diese zur Äußerung hinsichtlich der Wahlmöglichkeiten aufforderte. Das Schreiben beruht auf einem Musterschreiben mit identischem Text, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob dieses von der Gesamtvertretung mitbestimmt wurde, und ob es eine Anlage zum IA/SP darstellt. In dem Schreiben heißt es ua.:

        

„…    

        

Die L bietet allen betroffenen Mitarbeitern der dezentralen Stationierungsorte eine Weiterbeschäftigung in Frankfurt oder München im Wege einer Versetzung an. Für den größten Teil der Düsseldorfer Kollegen besteht die Möglichkeit, in DUS weiterhin stationiert zu bleiben. Sollte mehr Interesse an einer Weiterbeschäftigung am Standort DUS als Bedarf bestehen, erfolgt die Auswahl gemäß beiliegenden sozialen Auswahlkriterien. Sollten sich mehr Kollegen als notwendig für einen Wechsel nach FRA oder MUC entscheiden werden die Wechselwünsche nach positiver Seniorität bearbeitet, bis die angestrebte Kapazitätsmenge erreicht ist.

        

Wir freuen uns, Ihnen im Rahmen des beigefügten Interessenausgleichs/Sozialplans diverse Wahlmöglichkeiten anbieten zu können, um die Folgen der Schließung der dezentralen Basen bzw. Einschränkung des Stationierungsortes DUS abzumildern. Diese Wahlmöglichkeiten finden Sie in einer allgemeinen Übersicht erläutert. Maßgeblich sind jedoch die Regelungen aus dem IASP.

        

Wir bitten Sie daher, sich mit den Wahlmöglichkeiten vertraut zu machen und sich gegenüber der L innerhalb 6 Wochen nach Erhalt zu äußern, welche der Wahlmöglichkeiten Sie in Anspruch nehmen möchten.

        

Wir weisen nachdrücklich darauf hin, dass Sie, sollten Sie sich gar nicht oder nicht fristgerecht äußern, nach Bedarf in Frankfurt oder München stationiert werden.

        

Bitte füllen Sie daher den beigefügten Fragebogen aus …

        

…       

        

Hier die Übersicht der zur Auswahl stehenden Wahlmöglichkeiten:

        

…       

        
                 

b)    

Direkter Einsatz aus Frankfurt oder München

                 

Sie werden wahlweise an einen der beiden HUBs FRA oder MUC versetzt. Zur Abmilderung der Versetzungsfolgen erhalten Sie …“

7

Im übersandten „Fragebogen zur Schließung bzw. Einschränkung der dezentralen Basen“ kreuzte die Klägerin unter der Wahlmöglichkeit „1. Wechsel in den HUB MUC oder FRA“ die Alternative „In Ausfüllung des beigefügten Sozialplans beantrage ich die Versetzung an den Standort: FRA“ an. Sie entschied sich hierbei für die Reiseregelung „5 Jahre S7, mit Selbstbuchungstool“ und das Competence Team „GCT“.

8

Mit Schreiben vom 8. August 2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass Ihrem Wunsch aus Kapazitätsgründen nicht entsprochen werden könne. Die Einschränkung des Stationierungsorts Düsseldorf sehe nur eine begrenzte Anzahl von Personen vor, welche nach Frankfurt am Main oder München wechseln könnten. Diese Anzahl sei bereits erreicht. Die Klägerin werde daher auch weiterhin in Düsseldorf stationiert sein.

9

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe einen Anspruch aus § 8 Buchst. b IA/SP auf Versetzung an den Stationierungsort Frankfurt am Main unter Gewährung der in § 8 Buchst. b IA/SP geregelten Leistungen. Ihre Wahl sei gemäß § 8 IA/SP für die Beklagte verbindlich. Bezüglich der Anzahl der zu versetzenden Mitarbeiter existiere kein Bedarfsvorbehalt. Hinsichtlich der im Berufungsrechtszug eingeführten Hilfsanträge hat sie gemeint, bereits ihre Versetzung mit Schreiben vom 21. November 2011 von Frankfurt am Main nach Düsseldorf sei unwirksam gewesen. Der anzuwendende Manteltarifvertrag sehe ein konstitutives Schriftformerfordernis für Nebenabreden und Vertragsänderungen vor.

10

Die Klägerin hat - nach Klageerweiterung in der Berufungsinstanz um die Hilfsanträge zu 3. und 4. - zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, sie ab dem 1. Januar 2015 gemäß § 8 b des Interessenausgleichs/Sozialplans zur Schließung und Einschränkung der dezentralen Stationierungsorte für das Kabinenpersonal in Deutschland als Flugbegleiterin mit Stationierungsort Frankfurt am Main im Global Competence Team, mit der Option der Dienstreisetickets mit dem Status S7 für 5 Jahre mit Selbstbuchungspool, zu beschäftigen;

        

2.    

festzustellen, dass die mit Schreiben vom 8. August 2013 ausgesprochene Verweigerung der Versetzung nach Frankfurt am Main unwirksam ist;

        

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1. und 2.,

        

3.    

festzustellen, dass die mit Schreiben vom 21. November 2011 ausgesprochene Versetzung nach Düsseldorf zum 1. April 2012 unwirksam ist;

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, sie als Flugbegleiterin mit Stationierungsort Frankfurt am Main zu beschäftigen.

11

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei, da sie nach wie vor in Düsseldorf eingesetzt werde, nicht von den im Interessenausgleich festgelegten Maßnahmen betroffen und falle daher nicht in den Anwendungsbereich des Sozialplans. Ferner seien die Optionen in § 8 IA/SP nicht verbindlich. Der Versetzungswunsch stehe unter einem Bedarfsvorbehalt. Hinsichtlich der Hilfsanträge hat die Beklagte der Klageerweiterung nicht zugestimmt und die Auffassung vertreten, das tarifvertragliche Schriftformerfordernis erfasse keine im Wege des Direktionsrechts angeordnete Versetzung. Im Übrigen sei es treuwidrig, eine selbst beantragte Versetzung zunächst über mehr als zwei Jahre hinzunehmen und sich dann auf einen Formmangel zu berufen.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr hinsichtlich des Klageantrags zu 1. teilweise - soweit er sich nicht auf die Vergangenheit bezieht - stattgegeben und den Klageantrag zu 2. abgewiesen.

13

Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

14

A. Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin müsse von der Beklagten mit Stationierungsort Frankfurt am Main beschäftigt werden, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Sie erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Die Sache ist allerdings nicht an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), da der Senat in der Sache selbst entscheiden kann (§ 563 Abs. 3 ZPO).

15

I. Der Hauptantrag der Klägerin auf Beschäftigung am Stationierungsort Frankfurt am Main gemäß § 8 Buchst. b IA/SP ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, die Beklagte sei aufgrund § 8 Buchst. b IA/SP iVm. der von der Klägerin getroffenen Wahl in der Ausübung ihres Direktionsrechts dahingehend gebunden, dass sie die Klägerin nach Frankfurt am Main versetzen müsse. Der Klägerin stehen aus dem IA/SP keine Ansprüche zu, da er nicht auf sie anwendbar ist. Die Klägerin ist keine „betroffene“ Mitarbeiterin iSv. § 7 Abs. 1 Satz 1 IA/SP.

16

1. Die Klägerin ist nicht von der strukturellen Reform des Direktverkehrs durch die Einschränkung des Stationierungsorts Düsseldorf betroffen. „Betroffenheit“ iSd. Sozialplanregelung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer am bisherigen Stationierungsort Düsseldorf nicht weiterbeschäftigt, sondern im Wege des Direktionsrechts oder durch Änderungskündigung versetzt werden soll, was auf die Klägerin nicht zutrifft. Dies ergibt die Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 1 IA/SP.

17

a) Der Wortlaut der Geltungsbereichsregelung in § 7 Abs. 1 Satz 1 IA/SP ist nicht völlig eindeutig. Von der Einschränkung eines Stationierungsorts „betroffen“ kann in einem weit verstandenen abstrakten Sinn jeder dort tätige Mitarbeiter sein, der die Veränderungen wahrnimmt, auch wenn sie ihn selbst nicht berühren. Allerdings spricht der Wortlaut eher für das Erfordernis einer eigenen konkreten Betroffenheit im Sinne unmittelbarer Auswirkungen auf den Arbeitnehmer. „Betroffen“ als Partizip zu „betreffen“ ist eine Umschreibung von „sich beziehen auf“ oder „Bezug haben“.

18

b) Die Systematik des IA/SP spricht klar dafür, als „betroffene“ Mitarbeiter iSd. Sozialplanregelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 IA/SP nur solche anzusehen, denen gegenüber die Beklagte eine Versetzung anordnet oder eine Änderungskündigung ausspricht.

19

aa) Der im Abschnitt „Interessenausgleich“ geregelte Geltungsbereich in § 1 Satz 1 IA/SP entspricht der Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 1 IA/SP und setzt auch voraus, dass die Mitarbeiter von der strukturellen Reform des Direktverkehrs durch die Schließung bzw. Einschränkung ihres Stationierungsorts „betroffen“ sind. Der Interessenausgleich stellt dabei klar, dass der Sozialplan keine Regelungen für „abstrakt“ betroffene Mitarbeiter beinhaltet, sondern nur für solche, in deren Arbeitsverhältnis in bestimmter Weise eingegriffen wird. Denn gemäß § 3.3. IA/SP soll der Sozialplan „für die von den Maßnahmen betroffenen Mitarbeiter sozialverträgliche und die Folgen abmildernde Lösungen … entwickeln“. Nach der Interessenausgleichsregelung in § 3.2. IA/SP sind Versetzungen und Änderungskündigungen „Maßnahmen“ im Rahmen der Betriebsänderung. Damit ist zugleich klargestellt, dass die Versetzung eine durch den Sozialplan abzumildernde Maßnahme des Interessenausgleichs im Rahmen der Betriebsänderung ist und nicht etwa selbst eine Sozialplanregelung.

20

bb) Dies ergibt sich ferner aus § 6 IA/SP. Danach dient der Sozialplan „dem Ausgleich und der Milderung wirtschaftlicher Nachteile und sozialer Härten, die aus Anlass der im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen und deren Folgen für das Kabinenpersonal entstehen“. Das macht deutlich, dass nur die Mitarbeiter Anspruch auf Sozialplanleistungen haben, die von den Maßnahmen des Interessenausgleichs „Versetzung“ oder „Änderungskündigung“ betroffen sind.

21

cc) Schließlich ist im Gesamtzusammenhang der Regelung zu berücksichtigen, dass § 8 Buchst. b IA/SP weder einen Anspruch auf Versetzung beinhaltet noch diese selbst regelt. Vielmehr setzt § 8 Buchst. b IA/SP eine Versetzung als Maßnahme voraus und listet vielfältige daraus resultierende Ansprüche etwa auf Zahlung von Auslagenpauschalen, Umzugskosten, Fahrtkostenzuschüssen und weitere begleitende Leistungen auf.

22

c) Sinn und Zweck des Sozialplans sprechen gleichfalls dagegen, die Klägerin in seinen Geltungsbereich einzubeziehen.

23

aa) Interessenausgleich und Sozialplan unterscheiden sich deutlich nach Inhalt, Funktion, Zustandekommen und Wirkungsweise (vgl. Fitting 28. Aufl. §§ 112, 112a Rn. 2).

24

(1) Gegenstand des Interessenausgleichs ist die Frage, ob, wann und wie eine Betriebsänderung durchgeführt wird. Der Betriebsrat soll die Möglichkeit haben, im Interesse der Arbeitnehmer auf Modalitäten der Betriebsänderung Einfluss zu nehmen. Dabei geht es auch und gerade um die Frage, ob die Betriebsänderung gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern in einer Weise durchgeführt werden kann, dass diesen möglichst keine oder doch nur geringe wirtschaftliche Nachteile entstehen. Der Interessenausgleich vermittelt grundsätzlich keine normative Wirkung für die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer, er hat keine unmittelbare und zwingende Wirkung auf die Einzelarbeitsverhältnisse (vgl. BAG 14. November 2006 - 1 AZR 40/06 - Rn. 16 mwN, BAGE 120, 173). Bereits dies spricht gegen die Annahme, die Interessenausgleichsregelung des § 3.2. IA/SP räume den Mitarbeitern einen Anspruch auf eine Versetzung ein.

25

(2) Der Sozialplan knüpft hingegen an diejenigen wirtschaftlichen Nachteile an, die den von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern trotz einer möglichst schonungsvollen Durchführung der Betriebsänderung tatsächlich entstehen. Diese sind im Rahmen der zukunftsbezogenen Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion von Sozialplänen im Rahmen des Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums der Betriebsparteien auszugleichen (vgl. BAG 30. November 2016 - 10 AZR 805/15 - Rn. 26 mwN).

26

bb) § 6 IA/SP zeigt bereits deutlich, dass nicht jedwede wirtschaftlichen Nachteile und sozialen Härten durch den Sozialplan ausgeglichen und gemildert werden sollen, sondern nur solche, die aus Anlass der im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen und deren Folgen entstehen. Damit dient der Sozialplan ua. dem Ausgleich der Folgen einer Versetzung, aber nicht der Begründung eines Anspruchs auf Versetzung.

27

cc) Nach § 8 IA/SP muss der Mitarbeiter von einer Versetzung „betroffen“ sein, damit ihm aus § 8 Buchst. b IA/SP Ansprüche zustehen können. Nach § 8 Buchst. b Abs. 1 IA/SP wird die dort geregelte Auslagenpauschale zur „Abmilderung der Folgen des Wechsels des Stationierungsorts“ gezahlt. Auch der Zuschlag zur Auslagenpauschale in § 8 Buchst. b Abs. 3 IA/SP dient dem „Ausgleich für Mehraufwendungen in Folge des Wechsels des Stationierungsortes“. Entsprechendes gilt für die weiteren in § 8 Buchst. b IA/SP geregelten Leistungen. Damit ist klargestellt, dass die Versetzung (bzw. die Änderungskündigung) eine durch den Sozialplan auszugleichende Maßnahme des Interessenausgleichs ist, aber nicht selbst eine Sozialplanleistung.

28

dd) Dies wird durch die Regelung in § 8 Buchst. f IA/SP bestätigt. Insoweit regelt der Sozialplan nur das weitere Vorgehen, wenn mehr Mitarbeiter am Stationierungsort Düsseldorf verbleiben wollen, als aus Sicht der Beklagten erforderlich sind. Soweit ein Mitarbeiter aber - wie zuvor - am Stationierungsort Düsseldorf verbleibt, sieht der Sozialplan diesbezüglich keine Leistungen vor. Diesem Mitarbeiter entstehen aus Sicht der Parteien des Sozialplans keine wirtschaftlichen Nachteile und soziale Härten, die einen Ausgleich oder eine Milderung erforderlich machen würden.

29

d) Der Sache nach läuft das Begehren der Klägerin darauf hinaus, von der Betriebsänderung betroffen zu sein, damit die Maßnahme der Versetzung ihr gegenüber ergriffen wird. Wie aber auch das vollständige Unterlassen einer bereits beschlossenen Betriebsänderung zu keinem Nachteilsausgleichsanspruch des Arbeitnehmers nach § 113 BetrVG führt(vgl. Fitting 28. Aufl. § 113 Rn. 10 mwN; NK-GA/Spirolke § 113 BetrVG Rn. 2), gibt es keinen Anspruch darauf, von einer Betriebsänderung betroffen zu sein.

30

2. Die Klägerin ist auch nicht „betroffene“ Mitarbeiterin iSv. § 7 Abs. 1 Satz 1 IA/SP, weil die Beklagte ein Schreiben zusammen mit einem Fragebogen an sie verschickt hat, um in Erfahrung zu bringen, welche Regelung die Klägerin wünscht. Dem steht entgegen, dass die Beklagte durch die Befragung bezüglich eines Verbleibs in Düsseldorf zunächst nur ein Stimmungsbild ermittelt hat, das sie nach Maßgabe des in § 8 Buchst. f IA/SP nicht näher bestimmten „Bedarfs“ und nach festgelegten sozialen Kriterien zur Auswahl der Arbeitnehmer ermächtigt hat, die am Stationierungsort Düsseldorf von der Betriebsänderung durch die Maßnahmen der Versetzung oder Änderungskündigung im Ergebnis „betroffen“ sein sollten. Jeder „betroffene Mitarbeiter“ ist nach § 4 IA/SP zu befragen, aber nicht jeder befragte Mitarbeiter ist später iSd. Sozialplanregelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 IA/SP „betroffen“, da hinsichtlich des Stationierungsorts Düsseldorf auch die Möglichkeit des Verbleibs bestand. Angesichts dieser aufgrund der Befragung erst zu klärenden Möglichkeit, ist der Kreis der „Befragten“ notwendigerweise größer als der Kreis der „Betroffenen“. Die Befragung selbst vermittelt nicht den Status eines „Betroffenen“.

31

3. Das der Klägerin von der Beklagten übersandte Anschreiben vom 27. Mai 2013 iVm. dem beigefügten Fragebogen begründet keinen eigenständigen Anspruch der Klägerin auf Versetzung an den Stationierungsort Frankfurt am Main. Es handelt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht um ein „Angebot“ iSv. § 145 BGB, das sie hätte annehmen können, da einerseits der Bedarfsvorbehalt klar angesprochen ist und ferner ausdrücklich die alleinige Verbindlichkeit des IA/SP herausgestellt wird. Ferner hat die Klägerin ausweislich des von ihr ausgefüllten Fragebogens kein Angebot der Beklagten angenommen, sondern ihrerseits der Beklagten ein Angebot unterbreitet.

32

4. Die Klägerin macht ihren in der Revisionsinstanz angefallenen Hauptantrag zu 1. nicht auf arbeitsvertraglicher Grundlage geltend oder mit der Begründung, die Beklagte sei nach billigem Ermessen dazu verpflichtet, sie nach Frankfurt am Main zu versetzen. Die Klägerin enthält sich insbesondere jedweden Vortrags zu Kriterien einer Ermessensentscheidung oder zum Ergebnis der Ermessensausübung durch die Beklagte, sie nicht zu versetzen. Sie leitet einen unbedingten Anspruch auf Versetzung allein aus den Regelungen des IA/SP ab, der sich daraus aber nicht ergibt.

33

II. Da der Hauptantrag der Klägerin abzuweisen ist, fallen die erstmals in der Berufungsinstanz gestellten und dort nicht beschiedenen Hilfsanträge in der Revision zur Entscheidung an (vgl. BAG 20. Mai 2010 - 8 AZR 68/09 - Rn. 45), ohne dass es einer Anschlussrevision der Klägerin bedürfte (vgl. BGH 18. Mai 2009 - II ZR 124/08 - Rn. 23 mwN). Die Hilfsanträge sind jedoch ebenfalls unbegründet und als Gegenstand der klägerischen Berufung gemeinsam mit ihr zurückzuweisen.

34

1. Die Klägerin hat die Hilfsanträge erstmals in der Berufungsinstanz gestellt. Das Landesarbeitsgericht hat über sie nicht entschieden, da es dem ersten Hauptantrag der Klägerin im Wesentlichen stattgegeben hat.

35

2. Den Hilfsanträgen steht nicht bereits entgegen, dass sie von der zeitlichen Reihenfolge früher ansetzen als der Hauptantrag und bereits die Wirksamkeit der Versetzung der Klägerin von Frankfurt am Main nach Düsseldorf im Jahr 2011 bestreiten sowie im Gegensatz zum Hauptantrag stehen, mit dem sie gerade eine Versetzung nach Frankfurt am Main erst erreichen will.

36

a) Über das Verhältnis der Anträge als Haupt- bzw. Hilfsantrag entscheidet allein der Kläger. Das Gericht darf sie nicht umtauschen (vgl. BGH 10. Juli 1975 - III ZR 28/73 - zu I 1 der Gründe).

37

b) Haupt- und Hilfsantrag dürfen sich, ohne dass darin bereits ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht zu erblicken wäre, in der Begründung widersprechen oder gegenseitig ausschließen (vgl. BGH 4. Juli 2014 - V ZR 298/13 - Rn. 16 mwN).

38

3. Die nachträgliche Geltendmachung eines Hilfsantrags ist eine objektive Klagehäufung, auf die die Vorschriften über die Klageänderung nach §§ 533, 263, 264 ZPO entsprechend anwendbar sind(BGH 22. Januar 2015 - I ZR 127/13 - Rn. 13). Über die Zulässigkeit der Klageänderung in der Berufungsinstanz ist auch im Revisionsverfahren nach dem Maßstab des § 533 ZPO zu entscheiden(vgl. BAG 12. Juli 2016 - 9 AZR 51/15 - Rn. 44). Vorliegend ist die Klageänderung zulässig.

39

a) Zwar liegt keine Einwilligung des Gegners iSv. § 533 Nr. 1 ZPO vor. Die Beklagte hat der Klageänderung in der Berufungsinstanz vielmehr ausdrücklich widersprochen. Jedoch ist die „Sachdienlichkeit“ iSv. § 533 Nr. 1 ZPO zu bejahen. Für den Fall, dass sich das Berufungsgericht mit der Frage der „Sachdienlichkeit“ nicht beschäftigt hat, besteht eine eigene Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts (vgl. BGH 7. Mai 1987 - VII ZR 158/86 - zu II der Gründe). Maßgeblich für die nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende Sachdienlichkeit ist der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit, für den es entscheidend darauf ankommt, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung zu einer sachgemäßen und endgültigen Erledigung des Streits zwischen den Parteien führt, der den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bildet und einem andernfalls zu erwartenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt (BGH 6. April 2004 - X ZR 132/02 - zu II 2 a der Gründe). Dies ist vorliegend zu bejahen.

40

b) Die Klageänderung wird auch iSv. § 533 Nr. 2 ZPO auf Tatsachen gestützt, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte. Zwar haben die Hilfsanträge einen anderen Klagegrund und damit einen anderen Streitgegenstand als der Hauptantrag, selbst wenn es sich um ein einheitliches Klageziel handeln sollte (vgl. BGH 5. Juli 2016 - XI ZR 254/15 - Rn. 24 f.). Allerdings sind die neu vorgetragenen Tatsachen selbst unstreitig und damit im Berufungsrechtszug zu berücksichtigen (vgl. BGH 18. November 2004 - IX ZR 229/03 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 161, 138).

41

4. Die Hilfsanträge sind unbegründet.

42

a) Der auf Feststellung der Unwirksamkeit der Versetzung gerichtete erste Hilfsantrag ist unschlüssig. Die Klägerin beruft sich darauf, dass nach § 1 Abs. 3 Satz 2 des zwischen der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. und der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation e.V. abgeschlossenen Manteltarifvertrags Nr. 1a für das Kabinenpersonal der L AG gültig ab 1. Juli 1995 idF vom 8. Mai 2005 sowie des nachfolgenden Manteltarifvertrags Nr. 2 vom 20. Dezember 2011 (gültig ab 16. Januar 2011) Nebenabreden und Vertragsänderungen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürfen und das Versetzungsschreiben der Beklagten vom 21. November 2011 mangels Unterschrift dieses Formerfordernis nicht erfülle. Eine Versetzung ist aber keine Nebenabrede oder Vertragsänderung, sondern Ausübung des arbeitgeberischen Weisungsrechts nach § 106 GewO.

43

b) Der auf Beschäftigung am Stationierungsort Frankfurt am Main gerichtete zweite Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet, da die Klägerin die Unwirksamkeit der Versetzung nicht schlüssig dargelegt hat. Die Klägerin leitet den Beschäftigungsanspruch allein aus der angeblichen Unwirksamkeit der Versetzung nach Düsseldorf im Jahr 2011 und ihrem deshalb immer noch in Frankfurt am Main bestehenden Stationierungsort ab.

44

c) Angesichts dessen bedurfte es keiner Entscheidung, ob sich die Hilfsanträge auch wegen treuwidrigen Verhaltens der Klägerin als unbegründet erweisen, was allerdings nicht fernliegend ist. Die Klägerin hatte die Versetzung vom Stationierungsort Düsseldorf nach Frankfurt am Main selbst beantragt und mehrere Jahre von dort aus gearbeitet, ehe sie sich auf den angeblichen Formmangel berief.

45

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Linck    

        

    W. Reinfelder    

        

    Schlünder    

        

        

        

    Schürmann    

        

    A. Effenberger    

                 

Tenor

1. Die Revisionen der Beklagten und des Nebenintervenienten gegen das Teilurteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 11. Dezember 2012 - 4 Sa 535/11 - werden zurückgewiesen.

2. Auf die Revision des Klägers wird das Teilurteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 11. Juli 2014 - 4 Sa 535/11 - aufgehoben und unter weiterer Aufhebung des Schlussurteils des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 28. April 2015 - 4 Sa 535/11 - die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des gesamten Rechtsstreits, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Tarifgebundenheit der Beklagten und damit zusammenhängende tarifvertragliche Vergütungsansprüche des Klägers sowie über dessen zutreffende Eingruppierung.

2

Der Kläger ist seit 1993 bei der Beklagten tätig und wird auf unterschiedlichen Entsorgungsfahrzeugen eingesetzt. Seit März 1997 ist er Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Er ist Mitglied des Betriebsrats der Beklagten und Vorsitzender des Gesamt- und des Konzernbetriebsrats. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 17. August 1993 ist seine Tätigkeit mit „Müllwerker“ angegeben.

3

Die Beklagte, ein Unternehmen der Abfall- und Entsorgungswirtschaft mit ca. 550 Arbeitnehmern in mehreren Niederlassungen, war seit dem Jahr 1991 Vollmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungswirtschaft e.V. (BDE), einem „Wirtschafts- und Arbeitgeberverband“. Dessen Verbandssatzung (§ 5 Abs. 2 Satz 2) sieht seit 1995 die Möglichkeit vor, auf besonderen Antrag „nur die Mitgliedschaft im Wirtschaftsverband“ zu erwerben.

4

Mit Schreiben vom 22. April 2002 kündigte die Beklagte ihre „Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband“ mit sofortiger Wirkung und erklärte, dass von dieser Kündigung selbstverständlich „die Mitgliedschaft im BDE nicht betroffen“ sei. Nach mehreren Telefonaten mit der Geschäftsführerin der Beklagten sowie verbandsinterner Beratung und Beschlussfassung bestätigte der BDE mit Schreiben vom 10. Juni 2002 den Austritt aus dem Arbeitgeberverband bei Fortführung der Mitgliedschaft im Wirtschaftsverband.

5

Am 21. Juni 2002 übersandte der BDE unter Bezugnahme auf den entsprechenden Präsidiumsbeschluss und verbunden mit einem Hinweis auf § 3 Abs. 3, § 4 Abs. 5 TVG einen neuen Mitgliedsausweis mit dem Vermerk „Mitglied nur im Wirtschaftsverband ab 1.5.2002“. Nachdem der BDE dies auch der Gewerkschaft ver.di mitgeteilt hatte, forderte diese die Beklagte zu Verhandlungen über einen Haustarifvertrag auf.

6

Auf der Mitgliederversammlung vom 26. Oktober 2006 beschloss der BDE eine Änderung der Verbandssatzung (§§ 3, 5 und 11). Diese Änderungen wurden am 5. Februar 2007 in das Vereinsregister eingetragen (Satzung 2006/2007).

7

Zwischen der Gewerkschaft ver.di und dem BDE wurden ua. folgende Tarifverträge vereinbart:

        

-       

Bundesmanteltarifvertrag vom 9. Januar 2001 (BMTV 2001)

        

-       

Bundesmanteltarifvertrag vom 12. November 2008 (in Kraft ab 1. Januar 2009 - BMTV 2009)

        

-       

Bundesentgeltrahmentarifvertrag vom 24./31. Oktober 2001 (BERT)

        

-       

Bundesentgelttarifvertrag

                 

-       

vom 10. Januar 2008 (BETV 2007 - Laufzeit Januar bis Dezember 2007)

                 

-       

vom 3. Juni 2008 (BETV 2008 - Laufzeit Januar 2008 bis Dezember 2010)

                 

-       

vom 15. März 2011 (BETV 2011 - Laufzeit ab Januar 2011)

8

Zum 30. November 2012 beendete die Beklagte ihre Mitgliedschaft im BDE vollständig.

9

Die vom Kläger im Streitzeitraum April 2010 bis Dezember 2011 ausgeübte Tätigkeit ist im Einzelnen streitig. Jedenfalls setzte die Beklagte den Kläger bis Juni 2010 ua. als Fahrer von Sonderabfalltransporten ein, für die eine Berechtigung nach der Gefahrgutverordnung Straße/Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (GGVS/ADR) erforderlich ist. Im Folgenden war sein Einsatz bei solchen Transporten unstreitig rückläufig. Die Beklagte begründete dies und die Übertragung anderer Tätigkeiten mit der Funktionsausübung des Klägers in verschiedenen Betriebsratsgremien (BR, GBR, KBR) und dessen damit verbundener teilweise ganzwöchiger Abwesenheit im Betrieb. Seit April 2010 zahlte sie deshalb an den Kläger einen Bruttostundenlohn von 11,73 Euro, was ca. 2.030,00 Euro brutto monatlich entspricht.

10

Mit Schreiben vom 12. Juli 2010 wandte sich der Klägervertreter gegen einen Lohnabzug für den Monat April 2010. Weiter heißt es in dem Schreiben:

        

„Des Weiteren sind wir der Auffassung, dass aufgrund der Mitgliedschaft unseres Mandanten in der Gewerkschaft ver.di eine Tarifbindung zwischen Ihrem Unternehmen und unserem Mandanten besteht. Zur Wahrung von Ausschlussfristen machen wir hiermit folgende Ansprüche Ihnen gegenüber geltend:

                 

…       

                 

-       

gemäß § 2 BMTV der Vergütungsgruppe 5 Stufe 5 Stundenlohn in Höhe von 13,06 € i.V.m. Ziffer 4 des Arbeitsvertrages vom 17.08.1993 i.V.m. der Anlage rückwirkend ab April 2010 bis heute und in die Zukunft.

        

…“    

                 
11

Entgegen dem Wortlaut des Schreibens entsprach der angegebene Stundenlohn dem der Vergütungsgruppe 8 Stufe 5 BERT. Der Kläger hat später - unwidersprochen - ausgeführt, es habe sich um einen Schreibfehler gehandelt und es habe ein Entgelt nach der Vergütungsgruppe 8 BERT geltend gemacht werden sollen.

12

In einem weiteren Schreiben vom 4. Oktober 2010 heißt es auszugsweise:

        

„Zur Wahrung von Ausschlussfristen melden wir hiermit weitere Zahlungsansprüche unseres Mandanten gegenüber Ihrer Mandantin an. Folgende Zahlungsansprüche sind hiervon unter anderem betroffen:

                 

…       

                 

-       

gemäß § 2 BMTV der Vergütungsgruppe 8, Stufe 5, Stundenlohn in Höhe von mindestens 13,37 € i.V.m. Ziffer 4 des Arbeitsvertrages vom 17.08.1993 i.V.m. der Anlage rückwirkend ab April 2010 bis heute und in die Zukunft.“

13

Mit der der Beklagten am 8. März 2011 zugestellten Klage hat der Kläger Ansprüche aus dem BETV iVm. dem BERT geltend gemacht. Die Beklagte sei an diese Tarifverträge gebunden. Die „Kündigung“ ihrer Mitgliedschaft im „Arbeitgeberverband“ des BDE habe nicht zur Beendigung ihrer Tarifgebundenheit geführt. Die Vereinssatzung des BDE stelle nicht sicher, dass Mitglieder des Wirtschaftsverbands keinen Einfluss und keine Entscheidungsmöglichkeit auf die Tarifpolitik des Arbeitgeberverbands hätten. Aufgrund der beiderseitigen Tarifgebundenheit fänden daher sowohl der jeweilige BETV als auch der BERT und der BMTV 2009 unmittelbar und zwingend Anwendung. Danach habe er einen Anspruch auf Entgelt nach der Vergütungsgruppe 8 BERT. Als Fahrer von Sonderabfalltransporten, für die eine besondere Berechtigung (GGVS/ADR) erforderlich sei, erfülle er das dieser Vergütungsgruppe zugeordnete Richtbeispiel. Auch die allgemeinen Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals seien gegeben. Er sei mit der Schadstoffsammlung beauftragt und benötige dafür eine besondere Qualifikation und erweiterte Kenntnisse, die durch mehrjährige Berufserfahrung erlangt worden seien. Soweit ihm nach dem Juni 2010 im Hinblick auf seine Betriebsratstätigkeit nur noch Tätigkeiten als Fahrer unterhalb der Vergütungsgruppe 8 BERT zugewiesen worden seien, habe er einen Anspruch auf seine bisherige Vergütung nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG. Für den Zeitraum von April bis Dezember 2010 ergebe sich dabei eine Vergütungsdifferenz zu dem ihm gezahlten Entgelt in Höhe von 4.232,61 Euro. Für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2011 betrage die Differenz 4.297,32 Euro, wobei für das Jahr 2011 in der Berufungsinstanz alternative Berechnungen mit niedrigeren Beträgen für den Fall eine niedrigeren Eingruppierung - in Vergütungsgruppe 7, 6 oder 5 BERT - konkret vorgenommen worden sind. Die Ausschlussfrist des § 19 BMTV 2009 sei mit der Geltendmachung einer Vergütung nach Vergütungsgruppe 8 BERT auch für die darunter liegenden Vergütungsgruppen gewahrt.

14

Der Kläger hat, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt

        

1.    

festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ab 1. Januar 2009 der Bundesmanteltarifvertrag (BMTV) vom 12. November 2008, der Bundesentgeltrahmentarifvertrag (BERT) vom 31. Oktober 2001 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 3. Juni 2008 sowie der Bundesentgelttarifvertrag (BETV) vom 7. Mai 2008 sowie ab 1. Januar 2011 der BETV vom 15. März 2011, jeweils abgeschlossen zwischen BDE Entsorgungswirtschaft e. V. und der Gewerkschaft ver.di, kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung findet;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.232,61 Euro brutto sowie weitere 4.297,32 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

15

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, eine Tarifgebundenheit sei nicht mehr gegeben. Ihre Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband des BDE habe zum 30. April 2002 geendet. Der BDE habe ihr Schreiben vom 22. April 2002 zutreffend als Antrag auf eine Mitgliedschaft im Wirtschaftsverband verstanden (OT-Mitgliedschaft). Durch die Satzung des BDE sei sichergestellt, dass die Mitglieder im Wirtschaftsverband keine Entscheidungskompetenz in tarifpolitischen Fragen hätten. Den entsprechenden verbandlichen Institutionen der Großen und der Kleinen Tarifkommission gehörten ausschließlich Mitglieder des Arbeitgeberverbands an. Mit dem Austritt der Beklagten aus dem Arbeitgeberverband zum 30. April 2002 sei auch deren Geschäftsführer aus der Kleinen Tarifkommission ausgeschieden. Gleiches gelte für die Geschäftsführerin Frau B in Bezug auf die Mitgliedschaft in der Großen Tarifkommission. Die BDE-Satzung begründe ein sog. Aufteilungsmodell und kein Stufenmodell. Wirtschaftsverband und Arbeitgeberverband seien zwei selbständige Rechtsobjekte, die lediglich gemeinsam nach außen aufträten. Vom Geltungsbereich der Tarifverträge seien nur Unternehmen erfasst, die Mitglied des Arbeitgeberverbands des BDE seien. Die Tarifgebundenheit der Beklagten sei mit dem Ende der Tarifverträge erloschen. Der BMTV 2001 habe zum 31. Juli 2007 geendet. Die Bundesentgelttarifverträge hätten aufgrund befristeter Laufzeiten geendet. Im Übrigen bestehe nach der Verbandssatzung keine Tarifzuständigkeit des BDE für die Mitglieder des Wirtschaftsverbands. Erforderlichenfalls sei das Verfahren gem. § 97 Abs. 5 ArbGG zur Klärung sowohl der Tarifzuständigkeit als auch der Tariffähigkeit des BDE auszusetzen. Auch bei Anwendbarkeit der Tarifverträge stehe dem Kläger kein Entgelt nach der Vergütungsgruppe 8 BERT zu. Er übe keine Tätigkeit aus, die den Anforderungen dieser Vergütungsgruppe entspreche. Er sei nicht als Fahrer und Bediener eines Sonderabfalltransporters beschäftigt, sondern als Müllwerker. Er habe im Übrigen die tarifliche Ausschlussfrist nicht gewahrt.

16

Der BDE, der als Nebenintervenient nach einer Streitverkündung durch die Beklagte in der Berufungsinstanz dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten ist, hat sich zur Begründung seiner Klageabweisungsanträge formal und inhaltlich auf die Ausführungen der Beklagten bezogen.

17

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Auf die Berufung beider Parteien hat das Landesarbeitsgericht in insgesamt vier Teilurteilen das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Revision gegen seine Teilurteile teilweise zugelassen. Die Beklagte und der Nebenintervenient greifen mit ihren zugelassenen Revisionen die berufungsgerichtliche Stattgabe des Antrags zu 1. sowie das Kostenschlussurteil des Landesarbeitsgerichts, der Kläger mit seinen zugelassenen Revisionen die Abweisung der Anträge zu 2. und 3. sowie das Kostenschlussurteil an.

18

Der Senat hat die vier selbständigen Rechtsmittelverfahren durch Beschluss vom 27. Juli 2015 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässigen Revisionen der Beklagten und des Nebenintervenienten sind unbegründet, soweit sie das Teilurteil vom 11. Dezember 2012 betreffen. Die Revision gegen das Teilurteil vom 15. Oktober 2013 hat der Kläger in der Revisionsverhandlung zurückgenommen. Seine Revision gegen das Teilurteil vom 11. Juli 2014 hat dagegen Erfolg. Dieses ist aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Kostenentscheidung des Landesarbeitsgerichts, die Gegenstand des Kostenschlussurteils vom 28. April 2015 ist, ist von Amts wegen aufzuheben.

20

A. Die Revisionen sind zulässig.

21

I. Auch der Nebenintervenient ist selbst zur Revisionseinlegung befugt (vgl. BAG 18. September 2014 - 8 AZR 733/13 - Rn. 16). Nach dem von ihm am 11. April 2012 erklärten Beitritt auf Seiten der Beklagten als Reaktion auf die erfolgte Streitverkündung mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2011 sind die Regelungen der Nebenintervention zur Bestimmung des Verhältnisses zwischen den Parteien maßgebend (§ 74 Abs. 1 ZPO iVm. § 46 Abs. 2 ArbGG). Form und Frist für Einlegung und Begründung der Revisionen sind jeweils gewahrt.

22

II. Die regelmäßig von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Zulässigkeit von Teilurteilen iSv. § 301 ZPO(vgl. nur BAG 17. April 2013 - 4 AZR 361/11 - Rn. 15 mwN; 19. November 2014 - 4 AZR 996/12 - Rn. 11) ist vorliegend nicht erforderlich. Sinn und Zweck dieser Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht ist die Verhinderung von widersprüchlichen Entscheidungen des Berufungsgerichts. Da alle vier Teilurteile des Landesarbeitsgerichts in die Revision gelangt und vom Senat nach Verbindung der Rechtsmittelverfahren einheitlich zu überprüfen sind, steht fest, dass sich die - vor Erlass des Schlussurteils - seinerzeit bestehende Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen nicht (mehr) verwirklichen kann. Aufgrund dieser Prozesslage sind die Teilurteile der Vorinstanz in keinem Fall wegen eines möglichen Verstoßes gegen § 301 ZPO aufzuheben(vgl. BGH 10. Juli 1991 - XII ZR 109/90 - zu 1 der Gründe mwN).

23

B. Die Revisionen der Beklagten und des Nebenintervenienten gegen das Teilurteil vom 11. Dezember 2012 bleiben ohne Erfolg. Die Revision des Klägers gegen das Teilurteil vom 11. Juli 2014 ist dagegen begründet. Das Kostenschlussurteil vom 28. April 2015 ist von Amts wegen aufzuheben.

24

I. Die Revisionen der Beklagten und des Nebenintervenienten gegen das Teilurteil vom 11. Dezember 2012 sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die im klägerischen Antrag zu 1. bezeichneten Tarifverträge Anwendung finden.

25

1. Das Landesarbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag des Klägers in der Sache im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, dass die Beklagte, die nach ihrer eigenen Auffassung jedenfalls bis zum 30. April 2002 tarifgebundenes Mitglied des BDE gewesen sei, nicht wirksam in eine OT-Mitgliedschaft gewechselt sei. Die Satzung des BDE sehe, auch nach der Satzungsänderung von 2006/2007, die notwendige und strikte Trennung von T- und OT-Mitgliedern nicht vor. Entgegen der Auffassung der Beklagten werde sie auch vom Geltungsbereich der im Antrag genannten Tarifverträge erfasst.

26

2. Die Revisionen der Beklagten und des Nebenintervenienten sind zurückzuweisen, weil die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts insoweit keine Rechtsfehler aufweist.

27

a) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die Zulässigkeit des Feststellungsantrags des Klägers angenommen. Evtl. Fehlbezeichnungen der Tarifverträge hinsichtlich ihres Abschlussdatums sind in der Berufungsinstanz berichtigt worden. Soweit die Tarifverträge aufgrund Zeitablaufs bzw. der Vereinbarung von Anschlussentgelttarifverträgen zum Zeitpunkt der Revisionsverhandlung nicht mehr galten, ist dies unbeachtlich. Die Feststellung der Geltung der Tarifverträge umfasst auch deren Laufzeit. Im Übrigen sind sie ua. auf Zeiträume bezogen, die den auf ihrer Geltung beruhenden Leistungsanträgen zugrunde liegen.

28

b) Der im vorliegenden Rechtsstreit vor allem streitige „Übertritt“ der Beklagten in den Status eines Mitglieds des „Wirtschaftsverbands“ des BDE, die von der Beklagten geltend gemachte fehlende Erfassung des Arbeitsverhältnisses der Parteien vom Geltungsbereich sowie die von der Beklagten wiederum erhobene Rüge der mangelnden Tarifzuständigkeit betreffend die streitigen Tarifverträge waren bereits Gegenstand mehrerer Entscheidungen des Senats, die nach dem Berufungsurteil in dieser Sache ergangen sind. Darin ist das - weitestgehend identische - Vorbringen der Beklagten auch aus dem vorliegenden Rechtsstreit ausführlich gewürdigt worden. Zusammenfassend hat der Senat im Urteil vom 21. Januar 2015 (- 4 AZR 797/13 - Rn. 14 bis 73, BAGE 150, 304, vgl. dazu Stein Anm. zu AP TVG § 3 Verbandszugehörigkeit Nr. 30; Gaul/Jessen/Müller ArbRB 2015, 372; Niklas/de Diego/Weishaupt ArbR 2016, 158) die Erklärung der Beklagten vom 22. April 2002 auch im Zusammenhang mit den folgenden Ereignissen als nicht geeignet angesehen, den Status eines tarifgebundenen Vollmitglieds des BDE zu beenden. Auch die Auffassungen der Beklagten im Zusammenhang mit dem Geltungsbereich des BMTV 2009 sowie der fehlenden Tarifzuständigkeit des BDE wurden zurückgewiesen.

29

aa) Die Satzung eines Arbeitgeberverbands kann auch eine Mitgliedsform vorsehen, die die Gebundenheit an die vom Verband abgeschlossenen Tarifverträge ausschließt (OT-Mitgliedschaft). Voraussetzung hierfür ist eine Satzung, die eine klare Trennung der beiden Formen der Mitgliedschaft regelt. Eine solche ist dann gegeben, wenn eine auch nur mögliche unmittelbare Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf tarifpolitische Entscheidungen des Verbands ausgeschlossen ist. Dies ist ua. dann nicht der Fall, wenn die Satzung vorsieht, dass die konkrete Besetzung eines tarifpolitischen Gremiums (zB Tarifkommission) auch durch OT-Mitglieder bestimmt wird.

30

Diesen Anforderungen wurde die Satzung 2000 des BDE ua. deshalb nicht gerecht, weil sie vorsah, dass die - zwingend tarifgebundenen - Mitglieder der Tarifkommissionen durch ein Gremium bestimmt werden, dem auch OT-Mitglieder angehören (können). Weiterhin sah die Satzung nicht vor, dass der Präsident des Verbands, der satzungsgemäß die Große Tarifkommission führt, zwingend ein tarifgebundenes Mitgliedsunternehmen repräsentiert, was auch in mindestens zwei Fällen dazu geführt hat, dass ein Tarifvertrag durch einen Präsidenten unterzeichnet wurde, dessen Unternehmen an den Tarifvertrag selbst nicht gebunden war (vgl. dazu ausf. BAG 21. Januar 2015 - 4 AZR 797/13 - Rn. 16 bis 33 mwN, BAGE 150, 304).

31

bb) Die erforderliche Trennung und deren Absicherung der unterschiedlichen Mitgliedsbereiche muss in der Satzung selbst erfolgen. „Unterrangiges Vereinsrecht“, wie zB die Geschäftsordnung eines Gremiums, reicht hierfür nicht aus. Die Beklagte kann sich deshalb bereits grundsätzlich nicht auf die „Geschäftsordnung für die Große und Kleine Tarifkommission“ des BDE berufen. Auch diese Geschäftsordnung sieht im Übrigen eine hinreichende Trennung der beiden Mitgliedsbereiche nicht vor (vgl. dazu ausf. BAG 21. Januar 2015 - 4 AZR 797/13 - Rn. 35 bis 44 mwN, BAGE 150, 304).

32

cc) Die Änderungen der Satzung in den Jahren 2006/2007 sind für die Tarifgebundenheit der Beklagten ohne Bedeutung, weil sie an den für die mangelnde Trennung der Mitgliedsbereiche des BDE maßgebenden Satzungsregelungen substantiell nichts geändert haben (vgl. dazu ausf. BAG 21. Januar 2015 - 4 AZR 797/13 - Rn. 45 bis 50 mwN, BAGE 150, 304).

33

dd) Die Erklärung der Beklagten vom 22. April 2002 kann auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass mit ihr zumindest hilfsweise der vollständige Austritt aus dem BDE erklärt werden sollte (vgl. dazu ausf. BAG 21. Januar 2015 - 4 AZR 797/13 - Rn. 52 bis 55 mwN, BAGE 150, 304).

34

ee) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Recht des Klägers, sich auf deren Tarifgebundenheit zu berufen, nicht „verwirkt“. Für eine solche Annahme fehlt es an jeder Rechtsgrundlage (vgl. dazu ausf. BAG 21. Januar 2015 - 4 AZR 797/13 - Rn. 56 bis 60, BAGE 150, 304).

35

ff) Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird von der Geltungsbereichsbestimmung des BMTV 2009 erfasst. Die Auslegung ergibt, dass die Tarifvertragsparteien eine Erfassung der Mitglieder des Wirtschaftsverbands des BDE nicht ausgeschlossen haben. Für eine solche Beschränkung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrags auf nur einen Teil der tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen des tarifschließenden Arbeitgeberverbands bedarf es einer ausdrücklichen und unmissverständlichen Regelung. Eine solche liegt hier nicht vor (vgl. dazu ausf. BAG 21. Januar 2015 - 4 AZR 797/13 - Rn. 61 bis 70 mwN, BAGE 150, 304).

36

gg) Auch gegen eine Tarifzuständigkeit des BDE für den BMTV 2009 bestehen keine Bedenken. Die Tarifzuständigkeit eines Verbands richtet sich nach seiner Satzung. Die Satzung 2000 des BDE begründet die Tarifzuständigkeit für Unternehmen und Betriebe der Kreislauf- und Entsorgungswirtschaft sowie der Wasser- und Abwasserwirtschaft einschließlich der mit diesen verbundenen Servicebetriebe. Hierzu gehört auch die Beklagte als ordentliches Mitglied des BDE (vgl. dazu ausf. BAG 21. Januar 2015 - 4 AZR 797/13 - Rn. 71 bis 73 mwN, BAGE 150, 304).

37

c) Zu einer Änderung dieser Rechtsauffassung oder des Ergebnisses der Rechtsanwendung gibt das Vorbringen der Beklagten im Streitfall auch nach nochmaliger Überprüfung durch den Senat keinen Anlass.

38

aa) Die Ausführungen zur Tarifgebundenheit der Beklagten iSv. § 3 Abs. 1 TVG werden durch den Parteivortrag nicht wesentlich betroffen. Dass die Satzung 2006/2007 insoweit nicht beachtlich ist, wurde dargelegt. Eine weitere Änderung der Satzung im Jahre 2012 betrifft die vom Kläger begehrte Feststellung nicht, da sie erst mit Eintragung in das Vereinsregister am 23. Januar 2013 wirksam geworden ist und die Bindung an die hier streitigen, im Tenor genannten Tarifverträge schon deshalb nicht ändern konnte.

39

bb) Die Ausführungen zur Tarifzuständigkeit sind gleichfalls durch die Satzungsänderungen nicht betroffen.

40

cc) Auch die Erwägungen zur jeweiligen Geltungsbereichsbestimmung der genannten Tarifverträge haben weiter Bestand.

41

(1) Der insoweit gegenüber dem Senatsurteil vom 21. Januar 2015 neu zu beurteilende BETV 2011 formuliert für seinen Geltungsbereich, dass er

        

„für alle Entsorgungsunternehmen (gilt), die Mitglied des Arbeitgeberverbandes BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. sind.“

42

Der einzige Unterschied in der Formulierung gegenüber der in dem Urteil vom 21. Januar 2015 behandelten Regelung besteht damit in der Präzisierung von „Unternehmen“ auf „Entsorgungsunternehmen“, was ersichtlich der zuvor erfolgten Erweiterung der Verbandstätigkeit auf die Wasser- und Rohstoffwirtschaft geschuldet ist, die sich auch in der Verbandsbezeichnung niedergeschlagen hat. Die Änderung führt im Ergebnis deshalb dazu, dass trotz Änderung des Verbandsnamens weiterhin - wie vorher auch - nur Entsorgungsunternehmen an den BETV gebunden sind.

43

(2) Der den BETV 2011 ablösende BETV 2012, der am 1. April 2012 in Kraft trat, ist im Wortlaut der Geltungsbereichsbestimmung zwar insofern deutlich abweichend; er ist jedoch für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ohne Bedeutung.

44

dd) Soweit sich die Revisionen der Beklagten und des Nebenintervenienten erneut auf Art. 9 Abs. 3 GG berufen, wonach die OT-Mitglieder eines Verbands aufgrund der sog. negativen Koalitionsfreiheit davor geschützt wären, einer Tarifbindung unterworfen zu werden, die sie nicht gewollt haben und auf deren Bestand und Inhalt sie weder ernsthaft Einfluss nehmen konnten noch Einfluss genommen haben, verkennen sie die Struktur der Ausgestaltung des Grundrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG durch das Tarifvertragsgesetz. Danach sind die Mitglieder eines Arbeitgeberverbands, der einen Tarifvertrag schließt, in dessen Geltungsbereich die bei einem Mitgliedsunternehmen geschlossenen Arbeitsverhältnisse fallen, grundsätzlich tarifgebunden (§ 3 Abs. 1 TVG). Eine Ausnahme gilt nach der Rechtsprechung dann, wenn die Satzung des Verbands einen gesonderten Mitgliedsstatus vorsieht, der eine Tarifgebundenheit ausschließt. Ein solcher Status mit der Folge, von der grundsätzlich vorgesehenen Tarifgebundenheit ausnahmsweise ausgeschlossen zu sein, ist jedoch nur dann möglich, wenn diesen Mitgliedern jeder unmittelbare Einfluss auf tarifpolitische Entscheidungen des Verbands durch hierfür geeignete Satzungsregeln verwehrt ist. Ob ein Arbeitgeber Mitglied eines Verbands wird, bleibt ihm überlassen. Wenn er es wird, hat er die gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgen zu tragen. Ob und inwieweit sich ein Arbeitgeber in die innerverbandliche Willensbildung einbringt, ist für die Frage der Tarifgebundenheit danach ohne Bedeutung. Insofern kommt es allein auf die Satzung an. Weist diese nicht die erforderliche klare und strenge Abgrenzung der beiden Mitgliederbereiche auf, bleibt es bei der gesetzlich vorgesehenen Tarifgebundenheit aller Mitglieder, auch der Tarifunwilligen. Art. 9 Abs. 3 GG enthält insoweit das Freiheitsrecht, sich einer Koalition anzuschließen und die ihr zugebilligten Rechte wahrzunehmen. Art. 9 Abs. 3 GG schützt jedoch nicht davor, dass die mit der Mitgliedschaft in einer Koalition verbundenen, gesetzlich geregelten Rechte und Pflichten auch dann bestehen, wenn sie im Einzelfall vom Mitglied nicht beabsichtigt sind oder subjektiv abgelehnt werden.

45

d) Einer von der Revision beantragten Aussetzung des Rechtsstreits gem. § 97 Abs. 5 ArbGG zur Klärung der Tariffähigkeit - bei unterstellter Tarifzuständigkeit - im gesonderten Beschlussverfahren nach § 97 Abs. 1 ArbGG bedarf es nicht. Für das Vorliegen der erforderlichen „vernünftigen Zweifel“ (so zB BAG 24. Juli 2012 - 1 AZB 47/11 - Rn. 7, BAGE 142, 366) gibt es keine Anhaltspunkte. Die Tariffähigkeit des BDE ist von keinem der Verfahrensbeteiligten bestritten worden. Die Revision führt unter Berufung auf Löwisch/Rieble (TVG 3. Aufl. § 2 Rn. 119) lediglich an, der Anteil derjenigen Verbandsmitglieder, deren Tarifgebundenheit aufgrund einer unzureichenden Satzungstrennung nicht beendet sei, die aber gleichwohl nicht an der tariflichen Willensbildung des Verbands beteiligt seien, dürfe eine bestimmte, noch zu bestimmende „Erheblichkeitsschwelle“ nicht überschreiten, da andernfalls die Tariffähigkeit des Verbands gefährdet sei. Für die Annahme der Tariffähigkeit eines Verbands kommt es dagegen allein auf die Tariffähigkeit der Gemeinsamkeit der - objektiv - tarifgebundenen Mitglieder an. Dagegen kann sie nicht davon abhängen, dass eine beabsichtigte, aber satzungsmäßig nicht wirksam abgesicherte OT-Mitgliedschaft von mehr oder weniger Mitgliedsunternehmen - letztlich vergeblich - in Anspruch genommen wird. Im Übrigen fehlt es bereits an jeglichen tatsächlichen Grundlagen dafür, auch unter diesem Gesichtspunkt die Tariffähigkeit des Nebenintervenienten grundsätzlich in Frage zu stellen.

46

e) Auch die Rügen formellen Rechts der Beklagten bleiben erfolglos.

47

aa) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nicht ersichtlich. Die insoweit erhobenen Rügen der Beklagten befassen sich lediglich mit vorgeblichen Auslegungsfehlern des Landesarbeitsgerichts. Im Ergebnis laufen sie allein darauf hinaus, das Landesarbeitsgericht habe bei seinen Erwägungen in den Entscheidungsgründen den Sachvortrag der Beklagten nicht hinreichend bzw. angemessen gewürdigt. Damit beruft sich die Beklagte in der Sache lediglich darauf, dass das Landesarbeitsgericht ihrer Rechtsansicht nicht gefolgt sei. Da es sich bei den von der Revision aufgeworfenen Punkten ausschließlich um Rechts- und Auslegungsfragen handelt, die vom Senat bei seiner Entscheidung über das Berufungsurteil und die Revisionsangriffe ohnehin heranzuziehen waren, bleibt dieser „Verfahrensrüge“ schon deshalb der Erfolg versagt.

48

bb) Die weiteren gerügten Verfahrensmängel hat der Senat geprüft und sie nicht als durchgreifend erachtet (§ 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 564 Satz 1 ZPO).

49

f) Die Revision des Nebenintervenienten gegen das Teilurteil 1 ist gleichfalls unbegründet. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden, weil der Nebenintervenient keine anderweitigen oder ergänzenden Anhaltspunkte für eine andere Sichtweise vorgetragen hat.

50

II. Die gegen das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts vom 11. Juli 2014 gerichtete Revision des Klägers, mit der er die Zahlung von Vergütungsdifferenzen in Höhe von 4.232,61 Euro brutto für die Monate April bis Dezember 2010 (Antrag zu 2.) und von 4.297,32 Euro brutto für die Monate Januar bis Dezember 2011 (Antrag zu 3.) auf der Grundlage der Vergütungsgruppe 8 BERT erstrebt, ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger habe die Anspruchsvoraussetzungen nicht ausreichend dargelegt. Das Teilurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).

51

1. Für die Eingruppierung des Klägers sind die allgemeinen Eingruppierungsvorschriften und die Tätigkeitsmerkmale der hier streitigen Vergütungsgruppen des BERT maßgebend, die auszugsweise folgenden Wortlaut haben:

        

§ 2 Eingruppierungsgrundsätze

        

(1)     

Für die Eingruppierung sind allein die übertragenen und ausgeführten Arbeiten und nicht etwaige Berufsbezeichnungen maßgebend.

        

(2)     

Für die Eingruppierung in eine der in § 3 genannten Vergütungsgruppen ist die überwiegend ausgeübte Tätigkeit entscheidend (Stammvergütungsgruppe).

                 

Bewertungszeitraum ist der Kalendermonat. Die aufgeführten Richtbeispiele erfüllen die Tätigkeitsmerkmale auch.

        

 § 3 Vergütungsgruppen (VG) für Arbeitnehmer

        

Es werden folgende Vergütungsgruppen gebildet:

        

…       

        

Vergütungs-

                 
        

gruppe 5 (100 v.H.)

Tätigkeiten, die erhöhte Kenntnisse oder Fertigkeiten mit Umsicht und Zuverlässigkeit erfordern; eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung ohne Berufserfahrung erfüllt diese Voraussetzung auch

                 

Richtbeispiele:            

                 

Lader/Müllwerker; Fahrer von Flurförderfahrzeugen, Radladern und Baumaschinen; Fahrer von Kraftfahrzeugen und Arbeitsmaschinen, für die Führerscheinklassen B, C1 erforderlich sind; Beifahrer von Sonderabfalltransporten; Ver- und Entsorger; Kranführer mit Ausbildungsnachweis;

                 

technische oder kaufmännische Sachbearbeitung, z. B. in Rechnungswesen, Vertrieb, Einkauf, Personalwesen, Technik, Labor

        

Vergütungs-

        
        

gruppe 6 (102 v.H.) (bisher VG 5a)

Tätigkeiten und Qualifikationen, die über die Anforderungen der Vergütungsgruppe 5 hinausgehen.

                 

Richtbeispiele:            

                 

Fahrer von Lastkraftwagen und Arbeitsmaschinen, für die die Führerscheinklassen C, CE erforderlich sind.

                 

…       

        

Vergütungs-

        
        

gruppe 7 (105 v.H.) (bisher VG 6)

Tätigkeiten mit Qualifikationen, die über die Anforderungen der Vergütungsgruppe 6 hinausgehen.

                 

Richtbeispiele:            

                 

Fahrer von Raupen und Kompaktoren auf Deponien, Fahrer von mobilen Behandlungsanlagen, die diese auch bedienen, Fahrer von Saugefahrzeugen, Hochdruckspülfahrzeugen und kombinierten Gruben- und Kanalreinigungsfahrzeugen nach DIN 30702, Blatt 5 (Stand: November 1974), Kesselbediener mit Zertifikat;

                 

alleinfahrende Fahrer von Seitenlader- oder Frontladerfahrzeugen, die in Sammeltouren eingesetzt sind und zeitlich überwiegend Ladetätigkeiten verrichten;

                 

Angestellte wie in der Vergütungsgruppe 5 beschrieben mit zusätzlichen Spezialaufgaben.

                 

…       

        

Vergütungs-

        
        

gruppe 8 (107,5 v.H.)
(bisher VG 7)

Tätigkeiten mit besonderer Qualifikation und erweiterten Kenntnissen, die durch eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung und mehrjährige Berufserfahrung (in der Regel drei Jahre) oder durch gesicherte Berufserfahrung erlangt werden können

                 

Richtbeispiele:            

                 

Fahrer von Sonderabfalltransporten, für die die Berechtigung nach GGVS/ADR erforderlich ist; Fahrer, die dauerhaft dazu eingesetzt werden, bei den Vergütungsgruppen 6 und 7 genannte Funktionen wechselnd auszuüben (sog. Multifunktionsfahrer); Schichtführer; Klärwärter mit abgeschlossener Ausbildung als Ver- und Entsorger; Rauchgaswäscher; Kesselläufer; Bediener von Kanal-TV-Geräten; Roboter-Geräte-Führer;

                 

Angestellte wie in Vergütungsgruppe 7 beschrieben mit Teilverantwortung.“

52

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Revision des Klägers betreffend den Klageantrag zu 3. nicht bereits deshalb unbegründet, weil das Landesarbeitsgericht die Zulässigkeit der Berufung des Klägers rechtsfehlerhaft bejaht hätte.

53

a) Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessfortsetzungsvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung. Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sie verworfen wird. Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist hierbei ohne Bedeutung (BAG 16. Mai 2012 - 4 AZR 245/10 - Rn. 9 mwN).

54

b) Das Landesarbeitsgericht hat die vom Kläger gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegte Berufung rechtsfehlerfrei für zulässig gehalten.

55

aa) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll (vgl. ausf. BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 552/09 - Rn. 14 mwN).

56

bb) Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Berufungsbegründung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz diese Anforderungen erfüllt. Danach hat das Arbeitsgericht die Klageabweisung im streitigen Punkt der Erfüllung der tariflichen Anforderungen „ausschließlich“ auf die nicht hinreichende Darlegung des Klägers betreffend den Umfang derjenigen Tätigkeiten gestützt, die nach seiner Auffassung dem Tätigkeitsmerkmal der Vergütungsgruppe 8 BERT entsprächen. Dem habe der Kläger in der Berufungsbegründung entgegengehalten, sein Sachvortrag sei dahingehend zu verstehen, er habe „nur“ - damit ausschließlich - diese von ihm der Vergütungsgruppe 8 BERT zugeordneten Tätigkeiten ausgeübt. An anderer Stelle habe er dies dahingehend konkretisiert, dass er „mehr als 90 % seiner Arbeitszeit als sog. Schadstoffsammler mit einem Schadstoffmobil durch Sachsen fahre und Schadstoffe einsammle“. Soweit das Arbeitsgericht die Zahlungsansprüche teilweise mit der Begründung verneint habe, die Ansprüche seien wegen der Nichteinhaltung der tariflichen Ausschlussfrist verfallen, weil die vom Kläger dargelegten Geltendmachungsschreiben den Anforderungen nicht genügten, habe der Kläger sich in der Berufung auf eine fehlerhafte Beurteilung der entsprechenden Schreiben durch das Arbeitsgericht berufen. Dies ist ausreichend. Auch die Beklagte trägt hierzu keine speziellen Erwägungen vor, die sich mit den detaillierten Ausführungen des Landesarbeitsgerichts befassen.

57

3. Das Landesarbeitsgericht hat seine in der Sache klageabweisende Entscheidung auf folgende Erwägungen gestützt:

58

a) Der Kläger begründe seine Vergütungsansprüche mit der Eingruppierung in der Vergütungsgruppe 8 BERT und daraus erwachsenden Vergütungsdifferenzen zu dem ihm gezahlten Lohn. Sein Sachvortrag ermögliche jedoch nicht die Feststellung, dass er ein Tätigkeitsmerkmal der Vergütungsgruppe 8 BERT erfülle. Mangels hinreichender konkreter zeitlicher Angaben zu seiner Tätigkeit sei nicht erkennbar, dass seine „überwiegend ausgeübte Tätigkeit“ eine solche der Vergütungsgruppe 8 BERT sei. Zwar habe er über mehr als anderthalb Jahre, darunter der gesamte Streitzeitraum, tagesbezogen sowohl Anfang und Ende der Arbeitszeit sowie das im Rahmen der Tätigkeit eingesetzte Fahrzeug und damit die Art der Tätigkeit dargetan. Die Beklagte habe jedoch ausgeführt, er sei nicht stets ganztägig mit einer einheitlichen Arbeit beschäftigt worden, sondern habe unterschiedliche und auch unterschiedlich zu bewertende Tätigkeiten verrichtet. Angesichts dessen hätte der Kläger weiter vortragen müssen, an welchen Arbeitstagen er welche einheitlichen Arbeiten bzw. unterschiedlichen Tätigkeiten erbracht habe. Dies sei nicht geschehen.

59

b) Auch eine Zuordnung der Tätigkeit des Klägers zu einer der - niedrigeren - Vergütungsgruppen 7, 6 oder 5 des BERT sei nicht möglich gewesen. Hierauf habe sich der Kläger erstinstanzlich nicht berufen. Deren Geltendmachung sei auch nicht als „minus“ in dem entsprechenden Zahlungsantrag enthalten gewesen. Die Vergütungsgruppen 5, 6, 7 und 8 BERT bauten nicht aufeinander auf, es lägen weder „echte Aufbaufallgruppen“ noch lediglich höhere Anforderungen in den höheren Vergütungsgruppen vor. Die Vergütungsgruppe 8 BERT enthalte eigenständige, von den niedrigeren Vergütungsgruppen unabhängige Anforderungen.

60

c) Soweit der Kläger sich im Laufe des Berufungsverfahrens ausdrücklich auf die niedrigeren Vergütungsgruppen berufen und die sich aus ihnen ergebenden jeweiligen Lohnansprüche gleichsam zum „Hilfsantrag“ bezogen auf den Zahlungsantrag gemacht habe, liege darin eine unzulässige Klageerweiterung in der Berufungsinstanz. Die Beklagte habe dieser nicht zugestimmt. Sie sei auch nicht als sachdienlich anzusehen, da es hierfür eines gänzlich neuen Vortrags hinsichtlich der Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppen 5, 6 und 7 BERT bedurft hätte und erstinstanzlicher Vortrag insoweit nicht verwertbar gewesen wäre.

61

d) Hinsichtlich des Zahlungsantrags für das Jahr 2011 gelte dies auch für die Vergütungsgruppe 8 BERT, weil der Kläger diesen Anspruch ebenfalls erstmals in der Berufung vorgebracht habe. Die Voraussetzungen für eine zulässige Klageerweiterung lägen deshalb nicht vor.

62

4. Das Landesarbeitsgericht hat die Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers rechtsfehlerhaft überspannt. Es hat nicht beachtet, dass die Darlegungslast jeweils konkret und notwendig unter Einbeziehung des streitigen Tätigkeitsmerkmals zu bestimmen ist. Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang die für die Erfüllung des Richtbeispiels heranzuziehenden Tätigkeiten nicht ausdrücklich bestimmt. Soweit die Darlegungen des Landesarbeitsgerichts einen Rückschluss auf die von ihm als bedeutsam erachteten Einzeltätigkeiten ermöglichen, geht es von einer unzutreffenden Auslegung des Richtbeispiels aus.  

63

a) Grundsätzlich trägt der Kläger einer auf eine Eingruppierung gestützten Zahlungsklage die volle Darlegungs- und ggf. Beweislast für die seinen Anspruch begründenden Tatsachen. Dazu gehört ein Sachvortrag, der es dem Gericht ermöglicht, die Erfüllung der Anforderungen des angestrebten Tätigkeitsmerkmals oder die Zuordnung der Einzeltätigkeiten zu der in einem Richtbeispiel genannten Tätigkeit zu überprüfen. Dabei sind die allgemeinen Eingruppierungsbestimmungen zu beachten, aus denen sich die tariflich zu bewertende Arbeitseinheit ergibt. Ferner hängt es von dem konkreten Tätigkeitsmerkmal ab, wie umfangreich und detailliert der Klägervortrag sein muss, um als schlüssig angesehen zu werden.

64

Dies gilt grundsätzlich auch für die Tätigkeitsmerkmale nach § 3 BERT. Die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast bestimmen sich im vorliegenden Fall nach den konkreten Eingruppierungsregelungen und Tätigkeitsmerkmalen.

65

b) Für das vom Kläger geltend gemachte Richtbeispiel „Fahrer von Sonderabfalltransporten, für die die Berechtigung nach GGVS/ADR erforderlich ist“ bedeutet dies, dass er schlüssig darlegen muss, die konkret von ihm ausgeübte Tätigkeit erfülle dieses Richtbeispiel zu mehr als der Hälfte seiner Arbeitszeit. Hierfür genügt es in einem ersten Schritt, wenn der Kläger vorträgt, an einem bestimmten Tag ganztägig mit einem Fahrzeug, das ein Sonderabfalltransporter im oa. Sinne ist, unterwegs gewesen zu sein. Diesen Anforderungen hat der Kläger jedenfalls grundsätzlich mit seiner tagesbezogenen Übersicht über mehr als 18 Monate Genüge getan.

66

c) Soweit das Landesarbeitsgericht ihn nicht für ausreichend gehalten hat, ist dies erkennbar auf die Erwiderung der Beklagten zurückzuführen, er habe arbeitstäglich unterschiedliche und auch unterschiedlich zu bewertende Arbeiten verrichtet. Ein solcher Vortrag mag im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich geeignet sein, den schlüssigen Vortrag eines klagenden Arbeitnehmers in Frage zu stellen und diesen dazu zu veranlassen, detaillierter zu den konkreten, von ihm im Lauf des Tages verrichteten unterschiedlichen Arbeiten vorzutragen.

67

d) Allerdings ist dies hier nicht der Fall.

68

aa) Die Beklagte hat nicht bestritten, dass der Kläger in der Regel ganztägig mit den von ihm genannten Sonderfahrzeugen unterwegs war. Sie hat im Wesentlichen lediglich angemerkt, der Kläger habe während dieser Fahrten Arbeiten verrichtet, die das Richtbeispiel der Vergütungsgruppe 8 BERT nicht erfüllten. Dabei geht sie offenbar davon aus, dass für die Zuordnung zu der Richtbeispielstätigkeit „Fahrer von Sonderabfalltransporten“ mit besonderer Fahrerlaubnis (GGVS/ADR) lediglich diejenigen Tätigkeitszeiten heranzuziehen sind, in denen der Kläger ein solches Sonderfahrzeug tatsächlich fährt bzw. gefahren hat. So hat sie zur Tätigkeit als Fahrer bei einer sog. Schadstoffkleinmengensammlung ausgeführt, dazu gehöre auch die Anreise mit dem Sonderfahrzeug von der Betriebsstätte zum Sammelgebiet. Für eine solche „Leerfahrt“ bedürfe es aber keiner Sonderberechtigung nach der GGVS/ADR. Deshalb erfülle die dafür aufgewandte Tätigkeitszeit nicht die Anforderungen des Richtbeispiels der Vergütungsgruppe 8 BERT. Auch seien die Zeiten, in denen das Sonderfahrzeug an den jeweiligen Sammelorten stehe, nicht dieser Tätigkeit zuzurechnen. Lediglich für die Weiterfahrt zum nächsten Sammelort sei die Sonderfahrerlaubnis erforderlich, für die dort dann anfallenden Stand- sowie Auf- und Abbauzeiten jedoch nicht. Auch für die Entladung des Fahrzeugs nach seiner Rückkehr zum Sonderabfallzwischenlager bedürfe es der tariflich vorausgesetzten Sondererlaubnis nicht. Gleiches gelte für die vom Kläger durchgeführten Gefahrguttransporte, bei denen auch nur die reine Fahrzeit bzw. bei Leerfahrten nicht einmal diese auf die Erfüllung des Richtbeispiels anzurechnen sei.

69

bb) Diese Auffassung, die sich das Landesarbeitsgericht offensichtlich zu eigen gemacht hat, weil es die konkrete Darlegungslast des Klägers mit dem Beklagtenvortrag begründet hat, ist rechtsfehlerhaft. Lediglich die erlaubnispflichtigen „Netto-Fahrzeiten“ des Schadstoffmobils bzw. des Sonderabfalltransporters bei der Zurechnung zu dem Richtbeispiel der Vergütungsgruppe 8 BERT heranzuziehen widerspricht dem „Atomisierungsverbot“ bei der Eingruppierung.

70

(1) In vielen Tarifverträgen ist für die Bestimmung der tariflich zu bewertenden Arbeitseinheit das sog. Atomisierungsverbot ausdrücklich normiert (vgl. zB Protokollnotiz zu § 22 Abs. 2 BAT: „Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangarbeiten), die … zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen“). Aber auch ohne ausdrückliche Regelung entspricht es einem allgemein gültigen und auch im Bereich der Eingruppierung in der Privatwirtschaft anzuwendenden Grundsatz. Dabei geht es um die Einbeziehung unselbständiger Teiltätigkeiten, die der Hauptarbeit zu- oder untergeordnet sind und in einem engen inneren Zusammenhang mit dieser stehen (Schaub/Treber ArbR-HdB 16. Aufl. § 64 Rn. 44). Der hierbei angewandte Grundsatz gilt sinngemäß auch für die Auslegung von Richtbeispielen.

71

(2) Danach ist der Begriff „Fahrer von Sonderabfalltransporten, für die die Berechtigung nach GGVS/ADR erforderlich ist“ nicht so zu verstehen, dass diesem Richtbeispiel nur diejenigen Tätigkeiten zuzuordnen sind, die unmittelbar ohne eine Sondererlaubnis nicht verrichtet werden dürfen. Das folgt zunächst bereits aus dem Wortlaut des Richtbeispiels, das die Erlaubnispflichtigkeit nicht dem Fahren als solchem, sondern den Fahrzeugen zuordnet. Bereits dies legt nahe, dass die tariflich gemeinte Tätigkeit das Fahren eines solchen Fahrzeugs ist, das bei bestimmungsgemäßer Benutzung einer Sondererlaubnis bedarf, und nicht ausschließlich und minutengenau das sondererlaubnispflichtige Fahren selbst. In der Konsequenz würde die Auffassung des Landesarbeitsgerichts dazu führen, dass zB nicht einmal die Fahrtunterbrechung zum Zwecke des Tankens oder der notwendigen Fahrtunterbrechung nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 oder einer kurzen Rast, der Tätigkeit als „Fahrer von Sonderabfalltransporten …“ zugerechnet werden könnte. Denn auch für diesen Zeitraum bedarf es der entsprechenden Sondererlaubnis nicht, weil das Fahrzeug nicht fährt. Eine solche Auffassung lässt den Grundgedanken des Atomisierungsverbots außer Betracht.

72

(3) Die Klage durfte deshalb nicht mit dem Argument abgewiesen werden, der Kläger habe zu dieser - rechtfehlerhaft angenommenen - Anforderung nichts dargelegt. Das Landesarbeitsgericht hätte vielmehr den anhand der Tageslisten konkretisierten Sachvortrag des Klägers würdigen müssen, er sei im gesamten Anspruchszeitraum von April 2010 bis Dezember 2011 regelmäßig ganztägig als Fahrer auf einem bestimmten Fahrzeug, das jeweils durch das Kennzeichen benannt wurde, eingesetzt worden. Er hat dazu weiter ausgeführt, dass die mit diesen Fahrzeugen durchgeführten Transporte einer der im Richtbeispiel zu Vergütungsgruppe 8 BERT genannten Erlaubnisse bedurfte.

73

e) Zudem hat sich das Landesarbeitsgericht mit dem vom Kläger gleichfalls in Anspruch genommenen und der Vergütungsgruppe 8 BERT zugeordneten Richtbeispiel „Fahrer, die dauerhaft dazu eingesetzt werden, bei den Vergütungsgruppen 6 und 7 genannte Funktionen wechselnd auszuüben (sog. Multifunktionsfahrer)“ nicht befasst. Hierzu hätte aber schon deshalb Anlass bestanden, weil bereits die Beklagte selbst dargelegt hat, der Kläger sei ab Juni 2010 nach Aufnahme von Betriebsratstätigkeiten „nicht mehr überwiegend auf dem Schadstoffmobil der Beklagten, sondern fast ausschließlich nur noch auf anderen Entsorgungsfahrzeugen der Beklagten arbeitsmäßig eingeteilt (worden)“, bzw. „… auf anderen Spezialfahrzeugen …“ eingesetzt worden.

74

Da - soweit ersichtlich - lediglich Lastkraftwagen und Arbeitsmaschinen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von unter 7,5 t von den Richtbeispielen der Vergütungsgruppe 5 BERT erfasst werden, im Übrigen aber in den Richtbeispielen zu den Vergütungsgruppen 6 und 7 BERT genannt sind, konnte das Landesarbeitsgericht die mögliche Erfüllung dieses Richtbeispiels der Vergütungsgruppe 8 BERT nicht ohne weitere Begründung außer Acht lassen.

75

III. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, da dem Senat aufgrund fehlender hinreichender tatsächlicher Feststellungen eine eigene Sachentscheidung nicht möglich ist. Bei der weiteren Sachbehandlung der Zahlungsanträge des Klägers und der Kostenentscheidung wird das Landesarbeitsgericht Folgendes zu beachten haben:

76

1. Das Landesarbeitsgericht wird nach Maßgabe der oben dargelegten Ausführungen zu prüfen haben, ob die vom Kläger dargelegten und ggf. nach Erteilung eines richterlichen Hinweises noch darzulegenden Tatsachen für die Erfüllung der Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der Vergütungsgruppe 8 BERT ausreichen, namentlich ob er eines der Richtbeispiele „Fahrer von Sonderabfalltransporten, für die die Berechtigung nach GGVS/ADR erforderlich ist“ oder „Fahrer, die dauerhaft dazu eingesetzt werden, bei den Vergütungsgruppen 6 und 7 genannte Funktionen wechselnd auszuüben (sog. Multifunktionsfahrer)“ erfüllt. Dabei wird es ggf. in Betracht zu ziehen haben, ob der Kläger hinsichtlich des von der Beklagten angeordneten Einsatzes seit Juni 2010 wegen seiner Betriebsratstätigkeit eine Benachteiligung nach § 78 Satz 2 BetrVG erlitten hat(zu den sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen vgl. BAG 17. August 2005 - 7 AZR 528/04 -).

77

2. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Vergütungsgruppe 8 BERT keine „Aufbaufallgruppe“ zu den Vergütungsgruppen 5, 6 und 7 BERT im tariflichen Sinne ist. Jedenfalls baut die Vergütungsgruppe 8 BERT auf die darunter liegenden Vergütungsgruppen 5, 6 und 7 BERT nicht in dem Sinne auf, dass die niedrigeren Vergütungsgruppen jeweils als Streitgegenstand in demjenigen der höheren Vergütungsgruppe notwendig enthalten sind und von daher eine Geltendmachung eines Betrags aus einer höheren Vergütungsgruppe notwendig die Begründung eines - möglicherweise niedrigeren - Betrags aus einer niedrigeren Vergütungsgruppe (als „minus“) beinhaltet.

78

a) Grundsätzlich umfasst die gerichtliche Geltendmachung eines quantifizierten Leistungsanspruchs einen Anspruch, der in seiner Höhe unterhalb des bezifferten (Haupt-)Anspruchs liegt. Aus § 308 Abs. 1 ZPO ergibt sich, dass das Gericht deshalb ein Weniger zuerkennen darf und muss, wenn es in dem nicht in voller Höhe begründeten Sachantrag des Klägers enthalten ist. Dies begründet die Pflicht des Gerichts, bei einer auf eine bestimmte Vergütungsgruppe gerichteten Klage auch ohne gesonderten Antrag zu prüfen, ob die Klage nicht teilweise deshalb begründet ist, weil die qualitativ niedrigeren Anforderungen einer niedrigeren Vergütungsgruppe, auf die sie nicht ausdrücklich gestützt wird, erfüllt sind. Dies gilt jedoch nicht, wenn es sich bei dem - möglicherweise - begründeten Teil der Klage nicht um ein Weniger, sondern um etwas Anderes handelt. Bei einer auf eine bestimmte Vergütungsgruppe gestützten Zahlungsklage bedeutet dies, dass eine solche Prüfungsverpflichtung durch das Gericht nur dann besteht, wenn die - evtl. gegebene - niedrigere Vergütungsgruppe als ein Weniger in der höheren Vergütungsgruppe materiell enthalten ist. Dies ist der Fall, wenn es sich um eine sog. Aufbaufallgruppe handelt, die Erfüllung der Anforderungen des höherwertigen Tätigkeitsmerkmals also zwingend die Erfüllung der Anforderungen des niedrigeren Tätigkeitsmerkmals voraussetzt (vgl. dazu ausf. BAG 6. Juni 2007 - 4 AZR 505/06  -). Nicht ausreichend ist dagegen, wenn ein Tätigkeitsmerkmal im Verhältnis zu einem anderen lediglich höhere Anforderungen stellt (BAG 12. Mai 2004 - 4 AZR 371/03 -; 25. Februar 2009 - 4 AZR 41/08 - Rn. 34 ff., BAGE 129, 355).

79

b) Das Verhältnis der Vergütungsgruppe 8 BERT zu den Vergütungsgruppen 7, 6 und 5 BERT ist kein solches einer Aufbaufallgruppe. Bereits aus dem Wortlaut des Tätigkeitsmerkmals ergibt sich, dass die Vergütungsgruppe 8 BERT nicht auf alle alternativen Voraussetzungen der darunterliegenden Vergütungsgruppe 7 BERT Bezug nimmt und deshalb denknotwendig die Erfüllung dieser nächstniedrigeren Vergütungsgruppe voraussetzt.

80

aa) Die allgemeinen Anforderungen an eine Tätigkeit der Vergütungsgruppe 8 BERT werden ohne jeden Bezug zu den allgemeinen Anforderungen der Vergütungsgruppen 7, 6 und 5 BERT bestimmt. Das Niveau der Tätigkeit wird durch eine besondere Qualifikation und erweiterte Kenntnisse (diese wiederum durch das Erfordernis des Abschlusses einer Berufsausbildung und einer mehr-, in der Regel dreijährigen Berufserfahrung oder durch „gesicherte Berufserfahrung“) definiert. Der Natur der Sache nach sind die Anforderungen dieser Vergütungsgruppe höher als die der Darunterliegenden. Gleichwohl umfassen sie nicht automatisch die Anforderungen dieser Vergütungsgruppe(n) als logische und zwingende Voraussetzung. So können für konkrete Tätigkeiten nach der Vergütungsgruppe 5 BERT „erhöhte Kenntnisse“ erforderlich sein, die von der „besonderen Qualifikation und erweiterten Kenntnissen“ der Vergütungsgruppe 8 BERT nicht erfasst sind. Dies ist bereits deshalb evident, weil sich die allgemeinen Anforderungen nicht nur auf verschiedene Tätigkeiten, sondern auf unterschiedliche Tätigkeitsbereiche beziehen, nämlich die gewerblichen Arbeitnehmer, die kaufmännischen Angestellten und die technischen Angestellten.

81

bb) Entgegen der Auffassung des Klägers bauen auch die Richtbeispiele nicht aufeinander auf. Es mag sein, dass die Tarifvertragsparteien das Verhältnis der Richtbeispiele der verschiedenen Vergütungsgruppen zueinander in einer bestimmten Relation bewertet und hierarchisch strukturiert haben. Von einem „Aufeinander-Aufbauen“ im tariflichen Sinne kann jedoch keine Rede sein. Nach allgemeinen Grundsätzen ist das Tätigkeitsmerkmal einer Vergütungsgruppe erfüllt, wenn ein dem Tätigkeitsmerkmal zugewiesenes Richtbeispiel erfüllt ist. Das Richtbeispiel ist dann regelmäßig ohne jeden Rückbezug auf die allgemeinen Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals, insbesondere auf eine niedrigere Vergütungsgruppe oder auf dessen Richtbeispiele, zu überprüfen. Etwas Anderes kann nur bei ausdrücklich tariflich geregelten Abweichungen im Einzelfall, wie bspw. beim Multifunktionsfahrer der Vergütungsgruppe 8 BERT, gelten. Übt der Arbeitnehmer eine Tätigkeit aus, die das Richtbeispiel erfüllt, ist er der entsprechenden Vergütungsgruppe zuzuordnen.

82

3. Der auf die Vergütungsgruppen 5, 6 und 7 BERT bezogene, hilfsweise Zahlungsantrag des Klägers wird ggf. gleichwohl näher zu prüfen sein. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts liegt, auch wenn die Merkmale der niedrigeren Vergütungsgruppen in derjenigen der Vergütungsgruppe 8 BERT nicht enthalten sind, keine unzulässige Klageerweiterung in der Berufungsinstanz vor. Das Berufungsgericht hat insoweit den Begriff der Sachdienlichkeit iSv. § 263 ZPO verkannt.

83

a) Nach § 263 ZPO ist eine nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgte Änderung der Klage nur zulässig, wenn - was vorliegend nicht zutrifft - der Beklagte einwilligt oder wenn das Gericht sie für sachdienlich erachtet. Die Beurteilung der Sachdienlichkeit einer Klageänderung iSv. § 263 ZPO eröffnet dem Berufungsgericht einen Ermessensspielraum. In der Revisionsinstanz kann grundsätzlich nur überprüft werden, ob der Rechtsbegriff der Sachdienlichkeit verkannt oder die Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (BGH 7. Juli 1993 - IV ZR 190/92 - mwN, BGHZ 123, 132).

84

b) Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil nicht stand.

85

aa) Das Landesarbeitsgericht hat die - hilfsweise - Geltendmachung der Entgeltzahlungspflicht nach den Vergütungsgruppen 7, 6 und 5 BERT, die vom Kläger in der Berufungsinstanz eingebracht worden ist, als nicht sachdienlich und damit unzulässig angesehen. Danach hätte es für diese neu geltend gemachten Anspruchsgrundlagen eines vom bisherigen Vorbringen abweichenden neuen Tatsachenvortrags hinsichtlich der Erfüllung der entsprechenden Richtbeispiele, insbesondere der jeweiligen Zeitanteile, bedurft. Erstinstanzlicher Sachvortrag sei insoweit nicht verwertbar.

86

bb) Dies verkennt den Begriff der Sachdienlichkeit iSv. § 263 ZPO.

87

(1) Nach ständiger Rechtsprechung kommt es für die Frage der Sachdienlichkeit allein auf die objektive Beurteilung der Frage an, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einem andernfalls zu gewärtigenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt (BGH 30. November 1999 - VI ZR 219/98 - mwN, BGHZ 143, 189). Dabei sind auf die - hier vorliegende - nachträgliche Klageerweiterung die Grundsätze der Klageänderung entsprechend anzuwenden (BAG 12. September 2006 - 9 AZR 271/06 - Rn. 16 mwN, BAGE 119, 238). Unter diesem Gesichtspunkt ist nicht die beschleunigte Erledigung des Rechtsstreits, sondern die Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien bedeutsam. Deshalb kommt es nicht entscheidend darauf an, ob neuer Tatsachenvortrag erforderlich ist. Der Sachdienlichkeit einer Klageänderung stünde nicht einmal entgegen, dass im Falle ihrer Zulassung Beweiserhebungen nötig werden und dadurch die Erledigung des Rechtsstreits verzögert würde (BGH 21. Dezember 1989 - VII ZR 84/89 - zu II 4 a der Gründe mwN; BAG 26. Februar 1986 - 7 AZR 503/84 -). Die Sachdienlichkeit kann unter diesem Blickpunkt im Allgemeinen nur dann verneint werden, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann. Besteht zwischen mehreren Streitgegenständen ein innerer rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang, so ist es regelmäßig sachdienlich, diese Streitgegenstände auch in einem Verfahren zu erledigen (BAG 6. Dezember 2001 - 2 AZR 733/00 - zu B I 2 a und b der Gründe mwN).

88

(2) Danach ist die vom Kläger vorgenommene Klageerweiterung sachdienlich. Sie steht in einem inneren tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang mit den bereits anhängigen Streitgegenständen.

89

(a) Auch wenn keine Aufbaufallgruppe im engeren Sinn vorliegt, bei der sich die Frage einer Klageerweiterung gar nicht stellen würde, handelt es sich vorliegend bei der hilfsweisen Geltendmachung der niedrigerwertigen tariflichen Tätigkeitsmerkmale auf der tatsächlichen Ebene weitgehend um dieselbe Tätigkeit und lediglich um eine abweichende rechtliche Bewertung derselben. Es besteht ein innerer und tatsächlicher Zusammenhang. Auch muss kein neuer sachlicher Streitstoff eingeführt werden. Im Vordergrund steht vielmehr die rechtliche Bewertung einer ohnehin tatsächlich festzustellenden Arbeitseinheit.

90

(b) Darüber hinaus ergibt sich im Entscheidungsfall ein weiterer innerer Zusammenhang aus dem Umstand, dass der Kläger ausdrücklich anführt, das weitere Richtbeispiel des „Multifunktionsfahrers“ der Vergütungsgruppe 8 BERT sei erfüllt. Dieses setzt materiell eine dauerhafte Übertragung von Tätigkeiten nach den Vergütungsgruppen 6 und 7 BERT voraus. Dadurch gehört die Erfüllung von deren Tätigkeitsmerkmalen zum notwendigen Vortrag des bereits vorher geltend gemachten Anspruchs.

91

(c) Zudem wäre andernfalls auch ein Folgeprozess zu erwarten, der uU Entscheidungen über die rechtlichen Vorfragen, soweit sie nicht Gegenstand des Tenors und nicht nur der Entscheidungsgründe der letztlich rechtskräftig gewordenen Entscheidung des Rechtsstreits geworden wäre, erneut und ggf. mit abweichendem Resultat erzwingen könnte. Derartige Vorfragen sind in diesem Rechtsstreit mannigfach vorhanden und von den verschiedenen Kammern des Landesarbeitsgerichts auch unterschiedlich beantwortet worden.

92

(d) Gegen die Sachdienlichkeit der Klageerweiterung lässt sich schließlich nicht einwenden, dass eine Verzögerung des Rechtsstreits zu erwarten war. Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Rechtsstreit insgesamt vier Teilurteile erlassen, das letzte am 28. April 2015, mithin mehr als vier Jahre nach Klageeingang bzw. drei Jahre und acht Monate nach Berufungseinlegung bzw. - zuletzt - mehr als drei Jahre und sechs Monate nach Eingang der klägerischen Berufungsbegründung, mit der zweifelsfrei die niedrigeren Vergütungsgruppen als Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt worden sind. Angesichts dessen sollte eine prozessrechtlich korrekte Sachverhaltsaufklärung, ggf. auch unter Einschluss einer evtl. Beweisaufnahme, ohne Weiteres möglich gewesen sein.

93

4. Bei seiner weiteren auf die niedrigeren Vergütungsgruppen bezogenen Prüfung wird das Landesarbeitsgericht ggf. zu berücksichtigen haben, dass aufgrund des Arbeitsvertrags der Parteien und der darin vereinbarten und vom Kläger geschuldeten Tätigkeit als Müllwerker jedenfalls eine Vergütungspflicht der Beklagten nach Vergütungsgruppe 5 BERT bestehen kann.

94

a) Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 BERT mag zunächst ein Abstellen allein auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit des Arbeitnehmers - bezogen auf jeweils einen Kalendermonat in der Vergangenheit - nahelegen.

95

b) Aufgrund allgemeiner Grundsätze ist jedoch nur eine solche Tätigkeit des Arbeitnehmers für die tarifliche Bewertung heranzuziehen, die ihm im Rahmen der vertraglich vereinbarten Arbeitspflicht zugewiesen worden ist. Die tatsächliche Beschäftigung mit untervertraglichen Tätigkeiten kann nicht dazu führen, den Arbeitnehmer in dem betreffenden Kalendermonat entsprechend niedriger „einzugruppieren“ bzw. zu entlohnen.

96

aa) Dass auch der BERT von einer solchen „grundsätzlichen“ Zuweisung einer bestimmten, tariflich zu bewertenden Tätigkeit ausgeht, ergibt sich bereits aus § 2 Abs. 2 Satz 1 BERT. Dort ist nach der Definition der entscheidenden Tätigkeit („überwiegend ausgeübte“) in Klammern der Begriff „Stammvergütungsgruppe“ eingefügt. Dies verdeutlicht, dass nach dem BERT auch bei einer - vergütungsgruppenübergreifenden - wechselnden Tätigkeit von einer jedenfalls grundsätzlich zutreffenden Vergütungsgruppe auszugehen ist. Das ist auch angesichts der zum Beispiel in den Vergütungsgruppen 5 bis 7 BERT aufgeführten Richtbeispiele nachvollziehbar, da sich hier die Zuordnung mit der Zuweisung des entsprechenden Fahrzeugs arbeitstäglich oder gar innerhalb eines Arbeitstages ändern kann, ohne dass eine Änderung des Arbeitsvertrags vorliegt.

97

bb) Besonders deutlich wird dies am Beispiel der arbeitsvertraglich vereinbarten und damit vom Kläger geschuldeten Tätigkeit eines Müllwerkers.

98

(1) Diese Tätigkeit umfasst ein weites Spektrum an Einzeltätigkeiten. Sie lässt sich in ihrer tariflichen Bewertung nicht ohne Rückbezug auf die jeweils entsprechenden Tarifregelungen bestimmen. Deshalb sind die Ausführungen des Senats in seiner Entscheidung vom 11. Oktober 2006 (- 4 AZR 534/05 - Rn. 25) zum Begriff des Müllwerkers im Sinne des seinerzeit anzuwendenden Lohngruppenverzeichnisses eines Bezirkstarifvertrags im Rahmen der Anwendung des BMT-G II ohne unmittelbare Bedeutung. Das dort erwähnte Richtbeispiel eines Müllwerkers war einer Lohngruppe zugeordnet, deren abstrakte Anforderungen „Arbeiter mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von weniger als zweieinhalb Jahren, die in ihrem oder einem diesem verwandten Beruf beschäftigt werden“ erfasste. Im Unterschied dazu wird bei dem von Vergütungsgruppe 5 BERT erfassten Richtbeispiel eine abgeschlossene Berufsausbildung zumindest als geeignet zur Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals angesehen. Auch der Vergleich mit den weiteren Richtbeispielen bestätigt diese Differenz.

99

(2) Die Parteien haben vertraglich die Tätigkeit des Klägers mit „Müllwerker“ bezeichnet. Damit ist mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der Kläger zumindest solche Tätigkeiten schuldet, die grundsätzlich die Anforderungen der Vergütungsgruppe 5 BERT erfüllen, ohne dass dies im Einzelnen anhand der allgemeinen Anforderungen noch nachzuprüfen ist. Durch das Richtbeispiel eines „Müllwerkers“ in der Vergütungsgruppe 5 BERT verdeutlicht der BERT, dass mit der arbeitsvertraglichen Vereinbarung einer solchen Tätigkeit und entsprechendem Einsatz als geschuldete vertragliche Leistung das Tätigkeitsmerkmal grundsätzlich auch als erfüllt gilt.

100

(3) Der weitere Einwand der Beklagten, die vertraglich vereinbarte Tätigkeit des Klägers als „Müllwerker“ umfasse Tätigkeiten verschiedener Vergütungsgruppen, nämlich ua. auch solche der Vergütungsgruppe 3 BERT, ist nicht begründet. Er suggeriert, es gebe neben dem „Müllwerker“ iSd. BERT noch einen „Müllwerker“ iSd. Arbeitsvertrags. Ein „Müllwerker“ iSd. Arbeitsvertrags führe nicht zwingend zu einer Eingruppierung als „Müllwerker“ iSd. BERT, sondern umfasse Tätigkeiten mehrerer verschiedener Vergütungsgruppen des BERT. Dies widerspricht der zutreffenden Auslegung des Arbeitsvertrags der Parteien. Es ist davon auszugehen, dass Arbeitsvertragsparteien bestimmte Begriffe so verstehen, wie sie in der jeweiligen Branche üblicherweise verstanden werden. Für dieses Verständnis ist die jeweilige Begriffsbestimmung in einem einschlägigen bundesweiten Verbandstarifvertrag von zentraler Bedeutung. Dies gilt umso mehr als die Beklagte jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags an diesen Tarifvertrag auch nach ihrer eigenen Auffassung als Verbandsmitglied der tarifschließenden Partei auf Arbeitgeberseite unmittelbar gebunden war.

101

5. Das Landesarbeitsgericht wird ferner zu überprüfen haben, inwieweit der Kläger hinsichtlich der einzelnen Teil-Klagebeträge die nach den oa. Ausführungen unter B II anzuwendende tarifliche Ausschlussfrist des § 19 BMTV 2009 gewahrt hat.

102

IV. Über die Kosten des Rechtsstreits kann ebenfalls noch nicht abschließend entschieden werden. Aus diesem Grund war das Kostenschlussurteil des Landesarbeitsgerichts vom 28. April 2015 ungeachtet der gegen diese Entscheidung eingelegten Revisionen der Parteien und des Nebenintervenienten von Amts wegen aufzuheben.

103

1. Durch die Verbindung der durch die Teilurteile getrennten Sachen gem. Beschluss des Senats vom 27. Juli 2015 ist ein einheitliches Revisionsverfahren begründet worden. Das Revisionsgericht hat deshalb über die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts von Amts wegen zu entscheiden und sie bei Fehlerhaftigkeit von Amts wegen aufzuheben (BAG 21. Oktober 2015 - 4 AZR 649/14 - Rn. 52; BGH 5. Mai 2015 - XI ZR 406/13 - Rn. 32 mwN, BGHZ 205, 249).

104

2. Das Kostenschlussurteil des Landesarbeitsgerichts kann keinen Bestand haben, da aufgrund der noch nicht entscheidungsreifen Anträge zu 2. und 3. die Kostenquote noch nicht endgültig feststeht. Diese ist einer abschließenden rechtskräftigen Entscheidung in der Sache vorbehalten.

105

3. Bei der Kostenentscheidung wird das Landesarbeitsgericht zu beachten haben, dass diese einheitlich zu ergehen hat und eine Trennung nach Zeitabschnitten, wie sie im Kostenschlussurteil vom 28. April 2015 vorgenommen worden ist, unzulässig ist (vgl. nur Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 74. Aufl. Übers § 91 Rn. 38).

        

    Eylert    

        

    Rinck    

        

    Creutzfeldt    

        

        

        

    Pieper    

        

    Redeker    

                 

(1) In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistands. Vor Abschluß der Vereinbarung über die Vertretung ist auf den Ausschluß der Kostenerstattung nach Satz 1 hinzuweisen. Satz 1 gilt nicht für Kosten, die dem Beklagten dadurch entstanden sind, daß der Kläger ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanz- oder Sozialgerichtsbarkeit angerufen und dieses den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen hat.

(2) Werden im Urteilsverfahren des zweiten und dritten Rechtszugs die Kosten nach § 92 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung verhältnismäßig geteilt und ist die eine Partei durch einen Rechtsanwalt, die andere Partei durch einen Verbandsvertreter nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 vertreten, so ist diese Partei hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten so zu stellen, als wenn sie durch einen Rechtsanwalt vertreten worden wäre. Ansprüche auf Erstattung stehen ihr jedoch nur insoweit zu, als ihr Kosten im Einzelfall tatsächlich erwachsen sind.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.

(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.

(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.

(1) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet.

(2) Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 entsprechender Schriftsatz zugestellt wird.

(3) Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen:

1.
während der Dauer der Rechtshängigkeit kann die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden;
2.
die Zuständigkeit des Prozessgerichts wird durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt.

(1) Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so verliert er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Anspruch nach Satz 1 für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nicht, wenn

1.
er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder
2.
seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.

(2) Als unverschuldete Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Absatzes 1 gilt auch eine Arbeitsverhinderung, die infolge einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder eines nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwangerschaft eintritt. Dasselbe gilt für einen Abbruch der Schwangerschaft, wenn die Schwangerschaft innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis durch einen Arzt abgebrochen wird, die schwangere Frau den Abbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff von einer anerkannten Beratungsstelle hat beraten lassen.

(3) Der Anspruch nach Absatz 1 entsteht nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) behandelt werden.

(2) Keinen Anspruch auf Krankengeld haben

1.
die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a, 5, 6, 9, 10 oder 13 sowie die nach § 10 Versicherten; dies gilt nicht für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 Versicherten, wenn sie Anspruch auf Übergangsgeld haben, und für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13, sofern sie abhängig beschäftigt und nicht nach den §§ 8 und 8a des Vierten Buches geringfügig beschäftigt sind oder sofern sie hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und eine Wahlerklärung nach Nummer 2 abgegeben haben,
2.
hauptberuflich selbständig Erwerbstätige, es sei denn, das Mitglied erklärt gegenüber der Krankenkasse, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll (Wahlerklärung),
3.
Versicherte nach § 5 Absatz 1 Nummer 1, die bei Arbeitsunfähigkeit nicht mindestens sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts auf Grund des Entgeltfortzahlungsgesetzes, eines Tarifvertrags, einer Betriebsvereinbarung oder anderer vertraglicher Zusagen oder auf Zahlung einer die Versicherungspflicht begründenden Sozialleistung haben, es sei denn, das Mitglied gibt eine Wahlerklärung ab, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll. Dies gilt nicht für Versicherte, die nach § 10 des Entgeltfortzahlungsgesetzes Anspruch auf Zahlung eines Zuschlages zum Arbeitsentgelt haben,
4.
Versicherte, die eine Rente aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe oder von anderen vergleichbaren Stellen beziehen, die ihrer Art nach den in § 50 Abs. 1 genannten Leistungen entspricht. Für Versicherte nach Satz 1 Nr. 4 gilt § 50 Abs. 2 entsprechend, soweit sie eine Leistung beziehen, die ihrer Art nach den in dieser Vorschrift aufgeführten Leistungen entspricht.
Für die Wahlerklärung nach Satz 1 Nummer 2 und 3 gilt § 53 Absatz 8 Satz 1 entsprechend. Für die nach Nummer 2 und 3 aufgeführten Versicherten bleibt § 53 Abs. 6 unberührt. Geht der Krankenkasse die Wahlerklärung nach Satz 1 Nummer 2 und 3 zum Zeitpunkt einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit zu, wirkt die Wahlerklärung erst zu dem Tag, der auf das Ende dieser Arbeitsunfähigkeit folgt.

(3) Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach arbeitsrechtlichen Vorschriften.

(4) Versicherte haben Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkasse, welche Leistungen und unterstützende Angebote zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind. Maßnahmen nach Satz 1 und die dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit schriftlicher oder elektronischer Einwilligung und nach vorheriger schriftlicher oder elektronischer Information des Versicherten erfolgen. Die Einwilligung kann jederzeit schriftlich oder elektronisch widerrufen werden. Die Krankenkassen dürfen ihre Aufgaben nach Satz 1 an die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen übertragen.

Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Ein Forderungsübergang nach § 116 des Zehnten Buches findet nicht statt.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die als Leibesfrucht durch einen Versicherungsfall im Sinne des § 12 geschädigt worden sind.

(3) Die nach Absatz 1 oder 2 verbleibenden Ersatzansprüche vermindern sich um die Leistungen, die Berechtigte nach Gesetz oder Satzung infolge des Versicherungsfalls erhalten.

Ist der Einspruch zulässig, so wird der Prozess, soweit der Einspruch reicht, in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand.

(1) Die mündliche Verhandlung wird dadurch eingeleitet, dass die Parteien ihre Anträge stellen.

(2) Die Vorträge der Parteien sind in freier Rede zu halten; sie haben das Streitverhältnis in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung zu umfassen.

(3) Eine Bezugnahme auf Dokumente ist zulässig, soweit keine der Parteien widerspricht und das Gericht sie für angemessen hält. Die Vorlesung von Dokumenten findet nur insoweit statt, als es auf ihren wörtlichen Inhalt ankommt.

(4) In Anwaltsprozessen ist neben dem Anwalt auch der Partei selbst auf Antrag das Wort zu gestatten.

Als nicht erschienen ist auch die Partei anzusehen, die in dem Termin zwar erscheint, aber nicht verhandelt.

Einer Partei, die den Einspruch eingelegt hat, aber in der zur mündlichen Verhandlung bestimmten Sitzung oder in derjenigen Sitzung, auf welche die Verhandlung vertagt ist, nicht erscheint oder nicht zur Hauptsache verhandelt, steht gegen das Versäumnisurteil, durch das der Einspruch verworfen wird, ein weiterer Einspruch nicht zu.

(1) Die Parteien können vor dem Arbeitsgericht den Rechtsstreit selbst führen. Parteien, die eine fremde oder ihnen zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretene Geldforderung geltend machen, müssen sich durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur Vertretung des Gläubigers befugt wären oder eine Forderung einziehen, deren ursprünglicher Gläubiger sie sind.

(2) Die Parteien können sich durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Arbeitsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte der Partei oder eines mit ihr verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
4.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
5.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 4 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesarbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht müssen sich die Parteien, außer im Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter und bei Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind außer Rechtsanwälten nur die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 bezeichneten Organisationen zugelassen. Diese müssen in Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Eine Partei, die nach Maßgabe des Satzes 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten; Satz 3 bleibt unberührt.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) In der Verhandlung können die Parteien mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Parteien den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von der Partei vorgebracht, soweit es nicht von dieser sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.