Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 08. Mai 2015 - 4 Sa 1058/14

ECLI:ECLI:DE:LAGK:2015:0508.4SA1058.14.00
08.05.2015

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.09.2014 – 18 Ca 2639/14 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Leistungen der Insolvenzsicherung in Höhe von 25.583,29 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.04.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 110 111 112 113 114 115 116 117

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Zivilprozessordnung - ZPO | § 319 Berichtigung des Urteils


(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen. (2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil un

Betriebsrentengesetz - BetrAVG | § 1 Zusage des Arbeitgebers auf betriebliche Altersversorgung


(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführ

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 247 Basiszinssatz


#BJNR001950896BJNE024003377 (1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gef

Betriebsrentengesetz - BetrAVG | § 7 Umfang des Versicherungsschutzes


(1) Versorgungsempfänger, deren Ansprüche aus einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht erfüllt werden, weil über das Vermögen des Arbeitgebers oder über seinen Nachlaß das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, und ihre Hinterbli

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1613 Unterhalt für die Vergangenheit


(1) Für die Vergangenheit kann der Berechtigte Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur von dem Zeitpunkt an fordern, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine

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Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 08. Mai 2015 - 4 Sa 1058/14

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Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.09.2014 – 18 Ca 2639/14 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert: Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Leistungen der Insolvenzsicherung in Höh

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 16. Dez. 2014 - 1 BvR 2142/11

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 03. Juli 2014 - 6 AZR 753/12

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Apr. 2014 - 4 AZR 802/11

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Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. September 2011 - 25 Sa 131/11, 25 Sa 151/11 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Okt. 2011 - 7 AZR 253/07

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Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. Januar 2007 - 17 Sa 1323/06 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 04. Mai 2010 - 9 AZR 181/09

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Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Januar 2009 - 26 Sa 1729/08 - wird zurückgewiesen.
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Tenor 1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.09.2014– 4 Ca 8969/13 – abgeändert.               Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.573,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem j

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Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.09.2014 – 18 Ca 2639/14 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert: Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Leistungen der Insolvenzsicherung in Höh

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(1) Versorgungsempfänger, deren Ansprüche aus einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht erfüllt werden, weil über das Vermögen des Arbeitgebers oder über seinen Nachlaß das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, und ihre Hinterbliebenen haben gegen den Träger der Insolvenzsicherung einen Anspruch in Höhe der Leistung, die der Arbeitgeber aufgrund der Versorgungszusage zu erbringen hätte, wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden wäre. Satz 1 gilt entsprechend,

1.
wenn Leistungen aus einer Direktversicherung aufgrund der in § 1b Abs. 2 Satz 3 genannten Tatbestände nicht gezahlt werden und der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nach § 1b Abs. 2 Satz 3 wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nachkommt,
2.
wenn eine Unterstützungskasse die nach ihrer Versorgungsregelung vorgesehene Versorgung nicht erbringt, weil über das Vermögen oder den Nachlass eines Arbeitgebers, der der Unterstützungskasse Zuwendungen leistet, das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist,
3.
wenn über das Vermögen oder den Nachlass des Arbeitgebers, dessen Versorgungszusage von einem Pensionsfonds oder einer Pensionskasse durchgeführt wird, das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und soweit der Pensionsfonds oder die Pensionskasse die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung nicht erbringt; ein Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht nicht, wenn eine Pensionskasse einem Sicherungsfonds nach dem Dritten Teil des Versicherungsaufsichtsgesetzes angehört oder in Form einer gemeinsamen Einrichtung nach § 4 des Tarifvertragsgesetzes organisiert ist.
§ 14 des Versicherungsvertragsgesetzes findet entsprechende Anwendung. Der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stehen bei der Anwendung der Sätze 1 bis 3 gleich
1.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse,
2.
der außergerichtliche Vergleich (Stundungs-, Quoten- oder Liquidationsvergleich) des Arbeitgebers mit seinen Gläubigern zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens, wenn ihm der Träger der Insolvenzsicherung zustimmt,
3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.

(1a) Der Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung entsteht mit dem Beginn des Kalendermonats, der auf den Eintritt des Sicherungsfalles folgt. Der Anspruch endet mit Ablauf des Sterbemonats des Begünstigten, soweit in der Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht etwas anderen bestimmt ist. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und 4 Nr. 1 und 3 umfaßt der Anspruch auch rückständige Versorgungsleistungen, soweit diese bis zu zwölf Monaten vor Entstehen der Leistungspflicht des Trägers der Insolvenzsicherung entstanden sind.

(2) Personen, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder bei Eintritt der nach Absatz 1 Satz 4 gleichstehenden Voraussetzungen (Sicherungsfall) eine nach § 1b unverfallbare Versorgungsanwartschaft haben, und ihre Hinterbliebenen haben bei Eintritt des Versorgungsfalls einen Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung, wenn die Anwartschaft beruht

1.
auf einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers,
2.
auf einer Direktversicherung und der Arbeitnehmer hinsichtlich der Leistungen des Versicherers widerruflich bezugsberechtigt ist oder die Leistungen auf Grund der in § 1b Absatz 2 Satz 3 genannten Tatbestände nicht gezahlt werden und der Arbeitgeber seiner Verpflichtung aus § 1b Absatz 2 Satz 3 wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nachkommt,
3.
auf einer Versorgungszusage des Arbeitgebers, die von einer Unterstützungskasse durchgeführt wird, oder
4.
auf einer Versorgungszusage des Arbeitgebers, die von einem Pensionsfonds oder einer Pensionskasse nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 durchgeführt wird, soweit der Pensionsfonds oder die Pensionskasse die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung nicht erbringt.

(2a) Die Höhe des Anspruchs nach Absatz 2 richtet sich

1.
bei unmittelbaren Versorgungszusagen, Unterstützungskassen und Pensionsfonds nach § 2 Absatz 1,
2.
bei Direktversicherungen nach § 2 Absatz 2 Satz 2,
3.
bei Pensionskassen nach § 2 Absatz 3 Satz 2.
Die Betriebszugehörigkeit wird bis zum Eintritt des Sicherungsfalls berücksichtigt. § 2 Absatz 5 und 6 gilt entsprechend. Veränderungen der Versorgungsregelung und der Bemessungsgrundlagen, die nach dem Eintritt des Sicherungsfalls eintreten, sind nicht zu berücksichtigen; § 2a Absatz 2 findet keine Anwendung.

(3) Ein Anspruch auf laufende Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung beträgt jedoch im Monat höchstens das Dreifache der im Zeitpunkt der ersten Fälligkeit maßgebenden monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Satz 1 gilt entsprechend bei einem Anspruch auf Kapitalleistungen mit der Maßgabe, daß zehn vom Hundert der Leistung als Jahresbetrag einer laufenden Leistung anzusetzen sind.

(4) Ein Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung vermindert sich in dem Umfang, in dem der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erbringt. Wird im Insolvenzverfahren ein Insolvenzplan bestätigt, vermindert sich der Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung insoweit, als nach dem Insolvenzplan der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung einen Teil der Leistungen selbst zu erbringen hat. Sieht der Insolvenzplan vor, daß der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung von einem bestimmten Zeitpunkt an selbst zu erbringen hat, so entfällt der Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung von diesem Zeitpunkt an. Die Sätze 2 und 3 sind für den außergerichtlichen Vergleich nach Absatz 1 Satz 4 Nr. 2 entsprechend anzuwenden. Im Insolvenzplan soll vorgesehen werden, daß bei einer nachhaltigen Besserung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers die vom Träger der Insolvenzsicherung zu erbringenden Leistungen ganz oder zum Teil vom Arbeitgeber oder sonstigen Träger der Versorgung wieder übernommen werden.

(5) Ein Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht nicht, soweit nach den Umständen des Falles die Annahme gerechtfertigt ist, daß es der alleinige oder überwiegende Zweck der Versorgungszusage oder ihre Verbesserung oder der für die Direktversicherung in § 1b Abs. 2 Satz 3 genannten Tatbestände gewesen ist, den Träger der Insolvenzsicherung in Anspruch zu nehmen. Diese Annahme ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn bei Erteilung oder Verbesserung der Versorgungszusage wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers zu erwarten war, daß die Zusage nicht erfüllt werde. Ein Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht bei Zusagen und Verbesserungen von Zusagen, die in den beiden letzten Jahren vor dem Eintritt des Sicherungsfalls erfolgt sind, nur

1.
für ab dem 1. Januar 2002 gegebene Zusagen, soweit bei Entgeltumwandlung Beträge von bis zu 4 vom Hundert der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für eine betriebliche Altersversorgung verwendet werden oder
2.
für im Rahmen von Übertragungen gegebene Zusagen, soweit der Übertragungswert die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigt.

(6) Ist der Sicherungsfall durch kriegerische Ereignisse, innere Unruhen, Naturkatastrophen oder Kernenergie verursacht worden, kann der Träger der Insolvenzsicherung mit Zustimmung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Leistungen nach billigem Ermessen abweichend von den Absätzen 1 bis 5 festsetzen.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

*

(1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bezugsgröße ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs.

(2) Die Deutsche Bundesbank gibt den geltenden Basiszinssatz unverzüglich nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkten im Bundesanzeiger bekannt.

(1) Versorgungsempfänger, deren Ansprüche aus einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht erfüllt werden, weil über das Vermögen des Arbeitgebers oder über seinen Nachlaß das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, und ihre Hinterbliebenen haben gegen den Träger der Insolvenzsicherung einen Anspruch in Höhe der Leistung, die der Arbeitgeber aufgrund der Versorgungszusage zu erbringen hätte, wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden wäre. Satz 1 gilt entsprechend,

1.
wenn Leistungen aus einer Direktversicherung aufgrund der in § 1b Abs. 2 Satz 3 genannten Tatbestände nicht gezahlt werden und der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nach § 1b Abs. 2 Satz 3 wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nachkommt,
2.
wenn eine Unterstützungskasse die nach ihrer Versorgungsregelung vorgesehene Versorgung nicht erbringt, weil über das Vermögen oder den Nachlass eines Arbeitgebers, der der Unterstützungskasse Zuwendungen leistet, das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist,
3.
wenn über das Vermögen oder den Nachlass des Arbeitgebers, dessen Versorgungszusage von einem Pensionsfonds oder einer Pensionskasse durchgeführt wird, das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und soweit der Pensionsfonds oder die Pensionskasse die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung nicht erbringt; ein Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht nicht, wenn eine Pensionskasse einem Sicherungsfonds nach dem Dritten Teil des Versicherungsaufsichtsgesetzes angehört oder in Form einer gemeinsamen Einrichtung nach § 4 des Tarifvertragsgesetzes organisiert ist.
§ 14 des Versicherungsvertragsgesetzes findet entsprechende Anwendung. Der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stehen bei der Anwendung der Sätze 1 bis 3 gleich
1.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse,
2.
der außergerichtliche Vergleich (Stundungs-, Quoten- oder Liquidationsvergleich) des Arbeitgebers mit seinen Gläubigern zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens, wenn ihm der Träger der Insolvenzsicherung zustimmt,
3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.

(1a) Der Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung entsteht mit dem Beginn des Kalendermonats, der auf den Eintritt des Sicherungsfalles folgt. Der Anspruch endet mit Ablauf des Sterbemonats des Begünstigten, soweit in der Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht etwas anderen bestimmt ist. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und 4 Nr. 1 und 3 umfaßt der Anspruch auch rückständige Versorgungsleistungen, soweit diese bis zu zwölf Monaten vor Entstehen der Leistungspflicht des Trägers der Insolvenzsicherung entstanden sind.

(2) Personen, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder bei Eintritt der nach Absatz 1 Satz 4 gleichstehenden Voraussetzungen (Sicherungsfall) eine nach § 1b unverfallbare Versorgungsanwartschaft haben, und ihre Hinterbliebenen haben bei Eintritt des Versorgungsfalls einen Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung, wenn die Anwartschaft beruht

1.
auf einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers,
2.
auf einer Direktversicherung und der Arbeitnehmer hinsichtlich der Leistungen des Versicherers widerruflich bezugsberechtigt ist oder die Leistungen auf Grund der in § 1b Absatz 2 Satz 3 genannten Tatbestände nicht gezahlt werden und der Arbeitgeber seiner Verpflichtung aus § 1b Absatz 2 Satz 3 wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nachkommt,
3.
auf einer Versorgungszusage des Arbeitgebers, die von einer Unterstützungskasse durchgeführt wird, oder
4.
auf einer Versorgungszusage des Arbeitgebers, die von einem Pensionsfonds oder einer Pensionskasse nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 durchgeführt wird, soweit der Pensionsfonds oder die Pensionskasse die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung nicht erbringt.

(2a) Die Höhe des Anspruchs nach Absatz 2 richtet sich

1.
bei unmittelbaren Versorgungszusagen, Unterstützungskassen und Pensionsfonds nach § 2 Absatz 1,
2.
bei Direktversicherungen nach § 2 Absatz 2 Satz 2,
3.
bei Pensionskassen nach § 2 Absatz 3 Satz 2.
Die Betriebszugehörigkeit wird bis zum Eintritt des Sicherungsfalls berücksichtigt. § 2 Absatz 5 und 6 gilt entsprechend. Veränderungen der Versorgungsregelung und der Bemessungsgrundlagen, die nach dem Eintritt des Sicherungsfalls eintreten, sind nicht zu berücksichtigen; § 2a Absatz 2 findet keine Anwendung.

(3) Ein Anspruch auf laufende Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung beträgt jedoch im Monat höchstens das Dreifache der im Zeitpunkt der ersten Fälligkeit maßgebenden monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Satz 1 gilt entsprechend bei einem Anspruch auf Kapitalleistungen mit der Maßgabe, daß zehn vom Hundert der Leistung als Jahresbetrag einer laufenden Leistung anzusetzen sind.

(4) Ein Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung vermindert sich in dem Umfang, in dem der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erbringt. Wird im Insolvenzverfahren ein Insolvenzplan bestätigt, vermindert sich der Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung insoweit, als nach dem Insolvenzplan der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung einen Teil der Leistungen selbst zu erbringen hat. Sieht der Insolvenzplan vor, daß der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung von einem bestimmten Zeitpunkt an selbst zu erbringen hat, so entfällt der Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung von diesem Zeitpunkt an. Die Sätze 2 und 3 sind für den außergerichtlichen Vergleich nach Absatz 1 Satz 4 Nr. 2 entsprechend anzuwenden. Im Insolvenzplan soll vorgesehen werden, daß bei einer nachhaltigen Besserung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers die vom Träger der Insolvenzsicherung zu erbringenden Leistungen ganz oder zum Teil vom Arbeitgeber oder sonstigen Träger der Versorgung wieder übernommen werden.

(5) Ein Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht nicht, soweit nach den Umständen des Falles die Annahme gerechtfertigt ist, daß es der alleinige oder überwiegende Zweck der Versorgungszusage oder ihre Verbesserung oder der für die Direktversicherung in § 1b Abs. 2 Satz 3 genannten Tatbestände gewesen ist, den Träger der Insolvenzsicherung in Anspruch zu nehmen. Diese Annahme ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn bei Erteilung oder Verbesserung der Versorgungszusage wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers zu erwarten war, daß die Zusage nicht erfüllt werde. Ein Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht bei Zusagen und Verbesserungen von Zusagen, die in den beiden letzten Jahren vor dem Eintritt des Sicherungsfalls erfolgt sind, nur

1.
für ab dem 1. Januar 2002 gegebene Zusagen, soweit bei Entgeltumwandlung Beträge von bis zu 4 vom Hundert der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für eine betriebliche Altersversorgung verwendet werden oder
2.
für im Rahmen von Übertragungen gegebene Zusagen, soweit der Übertragungswert die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigt.

(6) Ist der Sicherungsfall durch kriegerische Ereignisse, innere Unruhen, Naturkatastrophen oder Kernenergie verursacht worden, kann der Träger der Insolvenzsicherung mit Zustimmung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Leistungen nach billigem Ermessen abweichend von den Absätzen 1 bis 5 festsetzen.

Tenor

1. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Juli 2011 - III ZR 156/10 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Das Verfahren wird an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine Entscheidung auf dem Gebiet des Planungsschadensrechts, mit der der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zur "isolierten" eigentumsverdrängenden Planung fortentwickelt hat. Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens streiten über die Höhe der Entschädigung für den Verlust des Eigentums an einem Grundstück in B, nachdem aufgrund sanierungsrechtlicher Vorgaben eine Bebauung des Grundstücks nicht genehmigt und im Anschluss daran auf Antrag der Eigentümer die Übernahme des Grundstücks durch die Gemeinde erfolgt war.

I.

2

1. Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen sind Maßnahmen, durch die ein Gebiet zur Behebung städtebaulicher Missstände wesentlich verbessert oder umgestaltet wird (§ 136 Abs. 2 Satz 2 Baugesetzbuch). Soweit ihre einheitliche Vorbereitung und zügige Durchführung im öffentlichen Interesse liegen, werden sie nach den Vorschriften des Ersten Teils des Zweiten Kapitels des Baugesetzbuchs durchgeführt (§ 136 Abs. 1 BauGB).

3

Danach kann die Gemeinde ein Gebiet, in dem eine städtebauliche Sanierungsmaßnahme durchgeführt werden soll, durch eine Sanierungssatzung förmlich als Sanierungsgebiet festlegen (§ 142 BauGB). In einem solchen förmlich festgelegten Sanierungsgebiet bedürfen insbesondere Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 BauGB), der Genehmigung der Gemeinde. Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass das Vorhaben die Durchführung der Sanierung unmöglich machen, wesentlich erschweren oder den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwiderlaufen würde (vgl. § 145 Abs. 2 BauGB).

4

Wird die Genehmigung versagt, kann der Eigentümer von der Gemeinde die Übernahme des Grundstücks verlangen, wenn und soweit es ihm mit Rücksicht auf die Durchführung der Sanierung wirtschaftlich nicht mehr zuzumuten ist, das Grundstück zu behalten oder es in der bisherigen oder einer anderen zulässigen Art zu nutzen (§ 145 Abs. 5 Satz 1 BauGB). Kommt eine Einigung über die Übernahme nicht zustande, kann der Eigentümer die Entziehung des Eigentums an dem Grundstück verlangen (§ 145 Abs. 5 Satz 3 BauGB). Nach § 145 Abs. 5 Satz 4 und 5 BauGB sind für die Entziehung des Eigentums die Vorschriften des Fünften Teils des Ersten Kapitels des Baugesetzbuchs (§§ 85 bis 122 BauGB), § 43 Abs. 1, 4 und 5 sowie § 44 Abs. 3 und 4 BauGB entsprechend anzuwenden.

5

Nach § 145 Abs. 5 Satz 4 in Verbindung mit § 104 Abs. 1 BauGB wird die Entziehung des Eigentums von der höheren Verwaltungsbehörde (Enteignungsbehörde) durchgeführt. Einigen sich die Beteiligten zwar hinsichtlich der Übernahme des Eigentums an dem betreffenden Grundstück, nicht jedoch über die Höhe der Entschädigung, so steht die Beurkundung dieser Teileinigung (§ 145 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. § 111 Satz 1 und § 110 Abs. 2 Satz 1 BauGB) einem nicht mehr anfechtbaren Enteignungsbeschluss gleich (§ 145 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. § 111 Satz 1 und § 110 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Die Enteignungsbehörde entscheidet dann nur noch über die Höhe der Entschädigung (§ 145 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. § 112 Abs. 1 und § 113 Abs. 3 BauGB).

6

2. Die Entschädigung, die nach § 145 Abs. 5 Satz 4 in Verbindung mit § 93 Abs. 1 BauGB für die Entziehung des Eigentums zu leisten ist, bemisst sich nach dem Verkehrswert (§ 194 BauGB) des betroffenen Grundstücks (§ 145 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. § 95 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Für diesen ist der Zustand des Grundstücks in dem Zeitpunkt maßgebend, in dem die Enteignungsbehörde über den Antrag auf Entziehung des Eigentums entscheidet (§ 145 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. § 93 Abs. 4 Satz 1 BauGB).

7

a) Bei der Festsetzung der Entschädigung bleiben nach § 145 Abs. 5 Satz 4 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB bestimmte Bodenwerte unberücksichtigt. Diese sogenannte Reduktionsklausel koordiniert die Bemessung der Entschädigung in Enteignungsfällen mit dem Umfang der Entschädigung für planungsbedingte Vermögensnachteile und verweist ihrerseits auf Reduktions- und Harmonisierungsklauseln des Planungsschadensrechts.

8

§ 95 BauGB lautet auszugsweise:

§ 95

Entschädigung für den Rechtsverlust

(1) ...

(2) Bei der Festsetzung der Entschädigung bleiben unberücksichtigt

1. bis 6. ...

7. Bodenwerte, die nicht zu berücksichtigen wären, wenn der Eigentümer eine Entschädigung in den Fällen der §§ 40 bis 42 geltend machen würde.

9

Nach dem hiernach in Bezug genommenen § 42 BauGB können Eigentümer eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen, wenn die zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder geändert wird und dadurch eine nicht nur unwesentliche Wertminderung des Grundstücks eintritt. Die bisherige, insbesondere bauliche, Nutzung ist zulässig, wenn auf ihre Ausübung oder Verwirklichung nach einem der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitstatbestände - etwa nach § 34 BauGB für die Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile - ein Anspruch besteht.

10

§ 42 BauGB lautet auszugsweise:

§ 42

Entschädigung bei Änderung oder Aufhebung einer zulässigen Nutzung

(1) ...

(2) Wird die zulässige Nutzung eines Grundstücks innerhalb einer Frist von sieben Jahren ab Zulässigkeit aufgehoben oder geändert, bemisst sich die Entschädigung nach dem Unterschied zwischen dem Wert des Grundstücks auf Grund der zulässigen Nutzung und seinem Wert, der sich infolge der Aufhebung oder Änderung ergibt.

(3) 1Wird die zulässige Nutzung eines Grundstücks nach Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist aufgehoben oder geändert, kann der Eigentümer nur eine Entschädigung für Eingriffe in die ausgeübte Nutzung verlangen, insbesondere wenn infolge der Aufhebung oder Änderung der zulässigen Nutzung die Ausübung der verwirklichten Nutzung oder die sonstigen Möglichkeiten der wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks, die sich aus der verwirklichten Nutzung ergeben, unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden. 2

(4) ...

11

Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 40 BauGB oder des § 41 Abs. 1 BauGB vor, so erfolgt die Entschädigung zwar grundsätzlich nur nach diesen Bestimmungen (§ 43 Abs. 3 Satz 1 BauGB), § 43 Abs. 3 Satz 2 BauGB verweist aber auf § 42 BauGB und harmonisiert so die Bemessung der Entschädigung für alle Tatbestände des Planungsschadensrechts.

12

Die Vorschrift lautet auszugsweise:

§ 43

Entschädigung und Verfahren

(1) …

(2) …

(3) 1Liegen die Voraussetzungen der §§ 40 und 41 Abs. 1 vor, ist eine Entschädigung nur nach diesen Vorschriften zu gewähren. 2In den Fällen der §§ 40 und 41 sind solche Wertminderungen nicht zu berücksichtigen, die bei Anwendung des § 42 nicht zu entschädigen wären.

13

Die Bemessung der Entschädigung ist damit nach Maßgabe einer Sieben-Jahres-Frist abhängig vom Zeitpunkt der Aufhebung oder Änderung der zulässigen Nutzung des Grundstücks.

14

b) Die heute in § 42 BauGB getroffene Bestimmung geht zurück auf die Neufassung der Vorgängerregelung in § 44 des Bundesbaugesetzes (BBauG), die durch das Gesetz zur Änderung des Bundesbaugesetzes vom 18. August 1976 (BGBl I S. 2221) erfolgt ist. In der Begründung des zugrunde liegenden Gesetzentwurfs der Bundesregierung wird darauf hingewiesen, dass das 1960 verabschiedete Bundesbaugesetz den Anforderungen an eine zeitgemäße Entwicklung von Städten und Gemeinden nicht mehr gerecht werde (BTDrucks 7/2496, S. 1). Speziell zu den Regeln für die Entschädigung bei Planungsschäden (§§ 40 bis 44 BBauG) wird bemängelt, dass die damals geltende unbeschränkte Plangewährleistung zur Erstarrung der Planung führe. Dass Planungsschäden uneingeschränkt entschädigt würden, Planungsgewinne aber den Eigentümern weitgehend verblieben, habe zur Folge, dass "- allgemein gesprochen - die Gewinne 'privatisiert', die Verluste aber 'sozialisiert'" würden (BTDrucks 7/2496, S. 29). An der bis dahin fehlenden Befristung für die Entschädigung von Planungsschäden setzt der Entwurf zur Neufassung des § 44 BBauG an. Nach der Entwurfsbegründung sollen zwar die rechtmäßig ausgeübte Nutzung und die sich aus ihr ergebenden wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeiten weiterhin auch im Planungsschadensrecht geschützt sein. Nach Ablauf einer bestimmten - in der Fassung des Regierungsentwurfs vierjährigen - Frist stelle sich aber die eröffnete Möglichkeit der Nutzung im enteignungsrechtlichen Sinne nachträglich als eine nicht ausgenutzte Chance dar, die als solche nicht (mehr) zu entschädigen sei (BTDrucks 7/2496, S. 56).

15

Dem im Regierungsentwurf enthaltenen Ausschluss eines unbefristeten entschädigungsrechtlichen Schutzes in Fällen, in denen der Eigentümer von der städtebaulichen Nutzbarkeit keinen Gebrauch gemacht habe, stimmte der anschließend mit dem Entwurf befasste Ausschuss des Deutschen Bundestages für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau grundsätzlich zu. Allerdings wurde die Frist, innerhalb derer das Vertrauen auf die Bestandskraft eines Bebauungsplans unbedingt geschützt ist, auf Vorschlag des Ausschusses (vgl. Bericht und Antrag des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, BTDrucks 7/4793, S. 39) auf sieben Jahre verlängert.

16

3. Mit Blick auf die für das Planungsschadensrecht neu eingeführte Befristung entwickelte der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zur "isolierten" eigentumsverdrängenden Planung.

17

In einer ersten Entscheidung gelangte der Bundesgerichtshof im Jahr 1992 zu der Auffassung, dass einem Bebauungsplan eigentumsverdrängende Wirkung zukomme, wenn eine Gemeinde mit einer planungsrechtlichen Festsetzung "vorrangig fremdnützige Ziele" nach Maßgabe des § 40 Abs. 1 Satz 1 BauGB verfolge, indem sie etwa Flächen für den Gemeinbedarf, Verkehrsflächen, Grünflächen oder von der Bebauung freizuhaltende Flächen ausweise. Solche Festsetzungen würden die Privatnützigkeit des Eigentums im Wesentlichen aufheben (BGHZ 118, 11 <21>).

18

Diesen Ansatz führte der Bundesgerichtshof in drei weiteren Entscheidungen als Fälle einer "isolierten" eigentumsverdrängenden Planung fort. In diesen Konstellationen sei es notwendig, durch verfassungskonforme Auslegung von § 42 Abs. 3, § 43 Abs. 3 Satz 2 und § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB (BGHZ 141, 319 sowie Urteil vom 11. Juli 2002 - III ZR 160/01 -, juris) wie auch von § 246a Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 BauGB in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung (Urteil vom 19. Juli 2007 - III ZR 305/06 -, juris) eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der dort geregelten Entschädigungsreduktionen herbeizuführen.

19

Die den Urteilen zugrunde liegenden Sachverhalte weisen wesentliche Gemeinsamkeiten auf. So war die auf den jeweils betroffenen Grundstücken vorhandene Bebauung im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Nach Kriegsende blieben die Grundstücke zunächst innerstädtisches Bauland, wurden jedoch nicht wiederbebaut. Im Anschluss an die Einführung der planungsschadensrechtlichen Reduktionsregeln und nach mehr als sieben Jahren wurde jeweils durch Bebauungsplan eine dem Gemeinwohl dienende Nutzung - etwa als Kindertagesstätte oder öffentlicher Spielplatz - nur einzelner Grundstücke festgesetzt. Damit wurde aus Sicht des Bundesgerichtshofs eine Sonderbelastung für die Eigentümer geschaffen. In allen Fällen kam es zum Streit über die Höhe der geschuldeten Entschädigung.

20

Der Bundesgerichtshof vertrat hierzu stets die Auffassung, dass sich die Entschädigung ungeachtet des Ablaufs der Sieben-Jahres-Frist des § 42 Abs. 2 und 3 BauGB nach der vormaligen Nutzbarkeit der betroffenen Grundstücke, welche für die übrigen Grundstücke im Plangebiet erhalten geblieben sei, zu bemessen habe. Die (Wert-)Garantie des Eigentums und der in Art. 14 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz der Lastengleichheit verböten es, einzelne Eigentümer, die in einem Plangebiet von eigentumsverdrängenden Festsetzungen betroffen seien, im Falle der Enteignung mit einem Sonderopfer und im Verhältnis zu den übrigen Planbetroffenen ungleich und unzumutbar zu belasten. In solchen Fällen einer "isolierten" eigentumsverdrängenden Planung, die nicht von einer gleichzeitigen allgemeinen Nutzungsbeschränkung im Planungsgebiet begleitet werde, müsse die Enteignungsentschädigung daher zwangsläufig nach derjenigen Grundstücksqualität (Nutzbarkeit) bemessen werden, welche das enteignete Grundstück vor der es herabzonenden Ausweisung im Bebauungsplan besessen habe und die übrigen Grundstücke im Plangebiet weiterhin besäßen.

II.

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1. Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist die Höhe der Enteignungsentschädigung für den Verlust des Eigentums an einem 567 m² großen Grundstück im Ortsteil P.

22

a) Die nähere Umgebung des zentral gelegenen Grundstücks wird durch fünfgeschossige Wohnbebauung in geschlossener Bauweise geprägt. Die ursprünglich auch auf dem betroffenen Grundstück vorhandene Bebauung mit einem Mietwohnhaus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Von 1955 bis 1957 diente das Grundstück als Holz- und Kohlenlagerplatz; anschließend wurde es als Garagenhof benutzt. Zum Zeitpunkt des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland stand das Grundstück unter Verwaltung eines Volkseigenen Betriebs.

23

Auf dem Grundstück und einem angrenzenden, damals ebenfalls als Garagenhof benutzten Nachbargrundstück befindet sich bis heute keine Wohnbebauung. Beide sind die einzigen unbebauten Grundstücke des Straßenblocks.

24

Am 21. September 1993 erließ der Senat von B. die Neunte Verordnung über die förmliche Festlegung von Sanierungsgebieten (GVBl S. 403), die auch ein größeres Gebiet im Ortsteil P. einschließlich des hier betroffenen Grundstücks erfasst. In der Begründung zu dieser Verordnung ist für den hier maßgeblichen Bereich ausgeführt (Der S. von B., BauWohn IV C 2-1, Umdruck S. 53):

"Zur Sicherung der Wohnqualität sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die mangelhafte Grün- und Freiflächensituation quantitativ und qualitativ zu verbessern. Dies umfasst im einzelnen folgende Maßnahmen:

- Zur Sicherung der Grünflächenversorgung müssen unbebaute Grundstücke für öffentliche Freiflächen gesichert werden, wobei dadurch nur das Freiflächendefizit verringert werden kann. …"

25

Im beigefügten Rahmenplan ist das Grundstück als "öffentliche Grünfläche/Bestand mit Aufwertungsbedarf" eingezeichnet.

26

b) Am 8. März 1999 wurde das Eigentum an dem Grundstück an eine Erbengemeinschaft, bestehend aus den Beteiligten zu 1) bis 6) des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: die Beteiligten zu 1 bis 6), nach dem Vermögensgesetz zurückübertragen. Sie beantragten eine sanierungsrechtliche Genehmigung zur Bebauung entsprechend den Nutzungsmaßnahmen der Umgebungsbebauung.

27

Der Antrag wurde mit Bescheid vom 26. August 2004 abgelehnt. Wegen der Unterversorgung des Gebietes mit Freiflächen kämen nur noch vorhandene Baulücken als letzte Flächenreserven in Betracht. Vergleichbare Grundstücke könnten nicht herangezogen werden, weil diese ebenfalls für den Abbau von Defiziten in der Freiflächenversorgung und Ähnliches benötigt würden.

28

Am 22. November 2004 beantragten die Beteiligten zu 1) bis 6) die Übernahme des Grundstücks durch die Gemeinde nach § 145 Abs. 5 BauGB. Ein daraufhin erstelltes Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte kam zu dem Ergebnis, dass der Verkehrswert auf der Basis der zum Stichtag 29. November 1990 tatsächlich ausgeübten Nutzung 105.500 € betrage, während er sich auf der Basis der zu diesem Stichtag planungsrechtlich zulässigen Nutzung auf 225.000 € belaufe.

29

Nachdem die Eigentümer mit der Enteignungsbehörde und nunmehrigen Beschwerdeführerin im Zuge des Übernahmeverfahrens eine Teileinigung (§§ 111, 110 Abs. 2 und 3 BauGB) hinsichtlich des Eigentumsübergangs an dem Grundstück gegen eine Entschädigung von mindestens 105.500 € vereinbart hatten, stellte die Beschwerdeführerin durch nachfolgenden Beschluss die Entschädigung für den eingetretenen Rechtsverlust in Höhe lediglich dieses Betrages fest. Sie legte dabei die tatsächliche Nutzung des Grundstücks zugrunde. Nach § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB hätten bei der Feststellung der Entschädigung Bodenwerte unberücksichtigt zu bleiben, die nicht zu berücksichtigen seien, wenn der Eigentümer eine Entschädigung in den Fällen der §§ 40 bis 42 BauGB geltend gemacht hätte. Diese Reduktions- beziehungsweise Harmonisierungsklausel sei hier auf der Grundlage des § 246a Abs. 1 Nr. 9 BauGB a.F. anzuwenden. Für ein Sonderopfer sei nichts ersichtlich.

30

Gegen diesen Beschluss stellten die Beteiligten zu 1) bis 6) Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Die Bemessung der Entschädigung habe nicht auf Grundlage der tatsächlichen Nutzung, sondern auf Grundlage der planungsrechtlich zulässigen Nutzung zu erfolgen. § 246a BauGB a.F. sei nicht anwendbar. Ein Abstellen auf die tatsächliche Nutzung sei im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Garantie des Eigentums nicht hinzunehmen; ihnen sei vielmehr ein Sonderopfer abverlangt worden. Da der Verkehrswert auf Basis der planungsrechtlich zulässigen Nutzung 225.000 € betrage, stehe ihnen noch die Differenz zu den bereits aufgrund der Teileinigung gezahlten 105.500 € zu.

31

2. Das Landgericht hat dem Antrag stattgegeben und die Entschädigung auf insgesamt 225.000 € festgesetzt. Es hat sich hierbei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bezogen und eine verfassungskonforme einschränkende Auslegung von § 42 Abs. 3, § 43 Abs. 3 Satz 2, § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB befürwortet. Es liege eine "isolierte" eigentumsverdrängende Planung vor, die zu einem Sonderopfer der Grundstückseigentümer führe. Die vom Bundesgerichtshof dazu entwickelten Grundsätze seien ohne Weiteres auf die vorliegend nach sanierungsrechtlichen Maßnahmen erfolgte Übernahme des Eigentums anzuwenden; denn § 145 Abs. 5 Satz 4 BauGB verweise auf sämtliche Vorschriften des Fünften Teils des Baugesetzbuchs. Die Entschädigung sei daher nach dem höheren Wert zu bemessen, den das Grundstück bei der planungsrechtlich zulässigen Nutzung als Bauland habe.

32

Auf die Berufung der Beschwerdeführerin hat das Kammergericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und den Antrag der Beteiligten zu 1) bis 6) auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Sie hätten keinen Anspruch auf eine höhere Entschädigung wegen einer nach § 34 BauGB zulässigen Nutzung des Grundstücks als Bauland. Zwar sei der sachliche Anwendungsbereich des § 246a Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 BauGB a.F. im vorliegenden Fall nicht eröffnet. Aus den somit heranzuziehenden Regelungen von § 42 Abs. 3, § 93 Abs. 4 Satz 1, § 95 Abs. 2 Nr. 7, § 145 Abs. 5 Satz 4 BauGB folge aber, dass die Beteiligten zu 1) bis 6) nur nach der ausgeübten Nutzung des Grundstücks zu entschädigen seien. Die siebenjährige Frist des § 42 Abs. 2 BauGB für die zuvor zulässige Nutzung des Grundstücks sei bereits am 3. Oktober 1997 abgelaufen gewesen, die eigentumsverdrängende Maßnahme sei aber erst die Versagung der sanierungsrechtlichen Genehmigung durch den Bescheid vom 26. August 2004. Eine verfassungskonforme Einschränkung der genannten Normen sei hier nicht geboten, denn eine "isolierte" eigentumsverdrängende Planung habe nicht vorgelegen. Der einschlägige Rahmenplan habe nämlich nicht nur das betroffene und das benachbarte Grundstück, sondern noch mindestens zehn weitere Flächen im Planungsgebiet als "öffentliche Grünfläche/Bestand mit Aufwertungsbedarf" gekennzeichnet.

33

3. Auf die Revision der Beteiligten zu 1) bis 6) hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Kammergerichts aufgehoben und die Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen (BGHZ 190, 227). Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist die Klage in Höhe der geltend gemachten 119.500 € begründet, weil den Beteiligten zu 1) bis 6) ein Entschädigungsanspruch in Höhe von insgesamt 225.000 € zustehe.

34

Die Verweisung des § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB sei im Hinblick auf eine - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - vorliegende "isolierte" eigentumsverdrängende Planung wegen Art. 14 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG verfassungskonform einschränkend auszulegen. Wie der Senat bereits entschieden habe (Hinweis auf die Urteile vom 19. Juli 2007 - III ZR 305/06 -, vom 11. Juli 2002 - III ZR 160/01 - und BGHZ 141, 319 <322 f.>), stünden die (Wert-)Garantie des Eigentums und der in Art. 14 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz der Lastengleichheit einer Anwendung von § 42 Abs. 3, § 43 Abs. 3 Satz 2, § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB entgegen, wenn einzelne Eigentümer, die in einem Plangebiet von eigentumsverdrängenden Festsetzungen betroffen seien, im Fall der Enteignung mit einem (weiteren) Sonderopfer und im Verhältnis zu den übrigen Planbetroffenen ungleich und unzumutbar belastet würden. Bei "isolierter" eigentumsverdrängender Planung, wenn die die spätere Enteignung auslösende Planung also nicht von einer gleichzeitigen allgemeinen Nutzungsbeschränkung im Plangebiet begleitet werde, könne deshalb ungeachtet des Ablaufs der Sieben-Jahres-Frist des § 42 Abs. 2 und 3 BauGB eine Entschädigung nach derjenigen Grundstücksqualität (Nutzbarkeit) verlangt werden, welche das enteignete Grundstück vor der es herabzonenden Ausweisung im Bebauungsplan besessen habe und die übrigen Grundstücke im Plangebiet weiter besäßen.

35

Diese Grundsätze könnten auch auf die Entschädigung für die beantragte Entziehung des Eigentums angewendet werden, wenn sich infolge der Ablehnung eines Bebauungsantrags wegen entgegenstehender Ziele und Zwecke der Sanierung nach § 142 Abs. 1 Satz 1 BauGB die eigentumsbeeinträchtigende Wirkung in gleicher Weise konkretisiere wie bei einer herabzonenden Bebauungsplanung. Hiernach seien die Beteiligten zu 1) bis 6) von einer "isolierten" eigentumsverdrängenden Planung betroffen. Ihr Grundstück sei nach § 34 BauGB in dem Umfang bebaubar gewesen, in dem die Grundstücke in der näheren Umgebung bebaut seien. Das noch nicht bebaute Grundstück der Beteiligten zu 1) bis 6) sei dann aber von der Sanierungsplanung betroffen worden, deren Zweck es sei, zur Behebung des Mangels an Grünflächen in dem förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet die unbebauten Grundstücke für öffentliche Freiflächen zu sichern. Dies habe einer Bebauung entgegengestanden und zur Versagung der Genehmigung geführt. Den Beteiligten zu 1) bis 6) sei insofern ein Sonderopfer abverlangt worden, als sie ihr Grundstück nicht wie die Eigentümer der anderen Grundstücke hätten bebauen dürfen, die ihrerseits für ihre Grundstücke die Qualität als Bauland behalten hätten.

36

Zwar habe sich das Kammergericht an der Feststellung eines Sonderopfers und damit einer "isolierten" eigentumsverdrängenden Planung gehindert gesehen, weil alle Freiflächen im Plangebiet und damit neben dem Nachbargrundstück noch mindestens zehn weitere Grundstücke von der Ausweisung als "öffentliche Grünfläche/Bestand mit Aufwertungsbedarf" im förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet betroffen seien. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts berücksichtige jedoch nicht hinreichend die Reichweite der Eigentumsgarantie. Allein der Umstand, dass auch weiteren Grundstückseigentümern ein unzumutbares Sonderopfer abverlangt werde, nehme der konkreten Belastung nicht die Qualität eines Sonderopfers und lasse dies auch nicht als zumutbar erscheinen. Deshalb könne auch nicht allein auf die Anzahl der betroffenen Grundstücke abgestellt werden, um daraus folgend ein Sonderopfer zu bejahen oder zu verneinen. Vielmehr sei eine Gesamtbetrachtung des Plangebiets erforderlich und eine Beurteilung danach, wie sich die Situation nach der Entziehung des Eigentums für den Entschädigungsberechtigten konkret darstelle. Angesichts des Gesamtbestandes des Sanierungsgebiets gehe es hier bei den anderen Freiflächen nur um einzelne Grundstücke, die für sich genommen jeweils im Verhältnis zu ihrer Umgebung als von der Planung "isoliert betroffen" anzusehen seien.

III.

37

Mit ihrer gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihres grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 sowie eine Verletzung von Art. 14 und Art. 20 Abs. 2 und 3 GG.

38

1. Sie sei "aktivlegitimiert" im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könne sich jeder auf die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG berufen, der nach den einschlägigen Prozessnormen parteifähig sei. Dies treffe für sie zu; denn sie sei als Enteignungsbehörde gemäß § 222 Abs. 1 Satz 2 BauGB Beteiligte in sämtlichen der Verfassungsbeschwerde zugrunde liegenden gerichtlichen Verfahren gewesen.

39

Als Enteignungsbehörde komme ihr darüber hinaus eine besondere Stellung für die Wahrung der Rechte aus Art. 14 GG und den zu dessen Ausführung erlassenen Gesetzen zu. Die Beteiligung der Enteignungsbehörde folge dem Verfassungsauftrag aus Art. 14 Abs. 3 GG, bei der Entscheidung über die Entschädigung die Interessen der Allgemeinheit und der übrigen Beteiligten abzuwägen (Hinweis auf BVerfGE 4, 387<410 f.>). Daraus erlange die Enteignungsbehörde eine Stellung, die ihr nicht nur die Fähigkeit gebe, Rechtsmittel einzulegen (§ 222 Abs. 1 Satz 2 BauGB), sondern sie mit der Aufgabe betraue, auch die Interessen der Allgemeinheit bei ihrer Entscheidung über die Entschädigung zu beachten. Dies wiederum müsse der Enteignungsbehörde das Recht verleihen, die fachgerichtliche, höchstrichterliche Entscheidung mit der Verfassungsbeschwerde anzugreifen, wenn die richterliche Entscheidung nicht unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung zustande gekommen sei.

40

2. Ihre Verfassungsbeschwerde sei auch begründet, weil der Bundesgerichtshof mit dem angegriffenen Urteil die gesetzliche Reduktionsklausel für die Bemessung der Enteignungsentschädigung in § 40 Abs. 2, § 42 Abs. 3 Satz 1, § 43 Abs. 3 Satz 2, § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB für verfassungswidrig erachtet habe, ohne zur Gültigkeit dieser bundesgesetzlichen Regelung eine Vorlageentscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG einzuholen.

41

Der Bundesgerichtshof führe mit dem angegriffenen Urteil seine Sonderopferrechtsprechung aus den früheren Entscheidungen zur "isolierten" eigentumsverdrängenden Planung fort, nunmehr allerdings in unzulässiger Rechtsfortbildung. Er erstrecke die Argumentation aus den früheren Urteilen zum Recht der Bebauungsplanung jetzt auf das Recht der städtebaulichen Sanierung. Diese Herangehensweise an die gesetzliche Regelung des § 145 Abs. 5 Satz 3 und 4 in Verbindung mit § 42 Abs. 3 Satz 1, § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB verletze Verfassungsrecht. Sie bedeute einen Verstoß gegen die Abgrenzung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums einerseits gegenüber der Enteignung andererseits. Der Fehler des Bundesgerichtshofs bei der Auslegung von Art. 14 GG verletze die Gesetzesbindung der Gerichte, die Gewaltenteilung sowie das Verfahrensgrundrecht des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in der Ausprägung des Gesetzesverwerfungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG). Entgegen der Ansicht des Bundesgerichtshofs komme der Versagung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung niemals die Wirkung einer eigentumsverdrängenden Planung zu. Verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrechte an Grundstücken könne immer erst ein Bebauungsplan entziehen, der dem Grundstück die bisherige Nutzungsqualität ganz oder teilweise nehme.

42

Das Urteil des Bundesgerichtshofs verstoße aber selbst dann gegen die Verfassung, wenn eine eigentumsverdrängende Planung unterstellt werde. Dann sei sie als Enteignungsbehörde in ihrem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dadurch verletzt, dass der Bundesgerichtshof die Rechtsvorschriften aus § 42 Abs. 3 Satz 1, § 43 Abs. 3 Satz 2, § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB selbst verwerfe, obwohl er nach Art. 100 Abs. 1 GG verpflichtet gewesen sei, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Die nach Ansicht des Bundesgerichtshofs gebotene verfassungskonforme Auslegung von § 42 Abs. 3 Satz 1, § 43 Abs. 3 Satz 2, § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB führe im Ergebnis zur umfänglichen Nichtanwendung dieser Normen. Der einzige Fall, in dem der Bundesgerichtshof noch eine Anwendung dieser Regelungen zulasse, sei die allgemeine Herabzonung eines Plangebiets und damit gerade kein Regelanwendungsfall der Enteignungsentschädigung. Vielmehr sei es für eine entschädigungspflichtige eigentumsverdrängende Planung geradezu konstitutiv, dass sie nur eines oder wenige Grundstücke betreffe. Ein Fall des gleichzeitigen Betroffenseins von einer allgemeinen Herabzonung und einer eigentumsverdrängenden Planung sei praktisch kaum jemals gegeben.

IV.

43

Dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung, dem Bundesministerium der Justiz, dem Bundesministerium des Innern, den Landesregierungen, dem Präsidenten des Bundesgerichtshofs, der Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts, dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Städte- und Gemeindebund e.V., dem Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V., der Bundesrechtsanwaltskammer, dem Deutschen Anwaltverein und den Beteiligten zu 1) bis 6) des Ausgangsverfahrens wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

44

1. Die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Stellungnahme des 4. Revisionssenats vorgelegt. Dieser hält eine verfassungskonforme Auslegung von § 42 Abs. 3 und § 43 Abs. 3 Satz 2 BauGB, wie sie der Bundesgerichtshof vornimmt, nicht für geboten. Dem inhaltlichen Anliegen des Bundesgerichtshofs, das ihn zur Nichtanwendung der genannten Vorschriften im Falle einer "isolierten" eigentumsverdrängenden Planung veranlasst habe, könne und müsse vollständig im Rahmen des primären Rechtsschutzes Rechnung getragen werden.

45

Ausgangspunkt sei dabei die Erkenntnis, dass es sich bei der Regelung des § 42 Abs. 3 BauGB um eine verfassungsrechtlich zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums handele. Die dem Bundesgerichtshof als "Sonderopfer" erscheinenden Umstände, nämlich die Inanspruchnahme unbebauter Grundstücke für die Schaffung von Grünflächen, die als Wohnumfeldverbesserung den übrigen, bereits bebauten Grundstücken zugutekämen, sei nicht im Sinne eines "dulde und liquidiere" im Entschädigungsverfahren, sondern im Rahmen der Entscheidung über die Rechtsänderung zu berücksichtigen, die die Zulässigkeit der zukünftigen Grundstücksnutzungen beträfe. Insoweit müsse eine Überprüfung im Wege des primären Rechtsschutzes - hier gegen die Sanierungssatzung oder die verweigerte Genehmigung nach § 145 BauGB - stattfinden. Sei die Sieben-Jahres-Frist abgelaufen und erweise sich die Änderung der zulässigen Nutzung als abgewogen beziehungsweise sei Primärrechtsschutz insoweit durchgeführt oder nicht mehr zu erlangen, bestehe weder fachgesetzlicher noch verfassungsrechtlicher Anlass zu einer Entschädigung, die den Bodenwert der zulässigen, aber nicht verwirklichten Nutzung berücksichtige und die sich letztlich als bloßer Billigkeitsausgleich erweise.

46

2. Nach den Stellungnahmen der Bundesrechtsanwaltskammer und des Deutschen Anwaltvereins ist die Verfassungsbeschwerde zulässig, jedoch nicht begründet.

47

a) Beide Stellungnahmen gelangen zu dem Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend machen könne, durch das Urteil des Bundesgerichtshofs in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt zu sein. Die Vorschrift enthalte einen objektiven Verfahrensgrundsatz, der für jedes gerichtliche Verfahren gelte und daher auch jedem zugutekommen müsse, der nach den Verfahrensnormen parteifähig oder von dem Verfahren unmittelbar betroffen sei. Dies gelte auch für die Beschwerdeführerin, die vom Bundesgerichtshof als Beteiligte des Ausgangsverfahrens anerkannt worden sei.

48

b) Zur Begründetheit der Verfassungsbeschwerde führt die Bundesrechtsanwaltskammer aus, dass die Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs zur verfassungskonformen Auslegung der betroffenen Vorschriften erheblichen Zweifeln begegne. Sie erscheine mit dem Wortlaut der einfachrechtlichen Regelungen des Baugesetzbuchs kaum vereinbar. Daraus folgten auch Zweifel, ob die Grenzen einer zulässigen verfassungskonformen Auslegung noch gewahrt seien. Gleichwohl dürfte die Nichteinhaltung der Vorlagepflicht durch den Bundesgerichtshof die Schwelle objektiver Willkür nicht überschritten haben, so dass im Ergebnis eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu bejahen sei.

49

c) Auch der Deutsche Anwaltverein weist darauf hin, dass ein willkürliches Absehen von der Pflicht zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG unter Überschreitung der Grenzen verfassungskonformer Auslegung zwar Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzen könne, hiervon aber im konkreten Fall nicht auszugehen sei. Die vom Bundesgerichtshof in Fällen "isolierter" eigentumsverdrängender Planung durchweg vorgenommene verfassungskonforme Auslegung von § 42 Abs. 3, § 43 Abs. 3 Satz 2 und § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB gehe allerdings an die Grenzen der zulässigen Auslegung, weil sie mit dem Wortlaut der zu interpretierenden Vorschriften schwerlich in Einklang zu bringen sei und das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfälsche. Entgegen der Annahme des Bundesgerichtshofs betreffe seine verfassungskonforme Auslegung nicht nur besondere Einzelfälle; es handele sich vielmehr um typische Fälle des § 40 BauGB, die der Gesetzgeber - wie sich aus § 43 Abs. 3 Satz 2 BauGB ergebe - in den Anwendungsbereich seiner Regelung habe einbeziehen wollen. Allerdings dränge sich die Unhaltbarkeit der Argumentation des Bundesgerichtshofs nicht in einem Maße auf, dass seine Auffassung als schlechterdings unvertretbar eingeschätzt werden könne. Jedenfalls sei eine auf das Sanierungsrecht beschränkte verfassungskonforme Auslegung der in Rede stehenden Vorschriften methodisch möglich; denn § 145 Abs. 5 Satz 4 BauGB ordne keine direkte, sondern lediglich eine entsprechende Anwendung der §§ 85 ff. BauGB an. Dies ermögliche es dem Wortlaut nach, den Besonderheiten des Sanierungsrechts Rechnung zu tragen und bei einer Eigentumsentziehung nach § 145 Abs. 5 Satz 3 bis 5 BauGB die Reduktionsklausel des § 42 Abs. 3 BauGB zumindest im Regelfall nicht anzuwenden.

B.

50

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet.

I.

51

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Behörde handelt. Die Beschwerdeführerin ist in der vorliegenden Konstellation gleichwohl beschwerdefähig (1.). Dies gilt allerdings nur insoweit, als sie einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG rügt (a). Ihre weiteren mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen der Verletzung materieller Grundrechte sind hingegen unzulässig (b). Soweit ihre Beschwerdefähigkeit gegeben ist, ist die Beschwerdeführerin zudem beschwerdebefugt (2.).

52

1. Hinsichtlich der von ihr gerügten Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ist die Beschwerdeführerin beschwerdefähig.

53

a) Zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde zählt die Beschwerdefähigkeit des jeweiligen Beschwerdeführers. Nach § 90 Abs. 1 BVerfGG kann "jedermann" mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 20 Abs. 4, Art. 33, 38, 101, 103 und Art. 104 GG verletzt zu sein, Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben. Beschwerdefähig ist demnach, wer Träger eines als verletzt gerügten Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts sein kann (vgl. BVerfGE 28, 314 <323>; 129, 78 <91>). Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind hiernach hinsichtlich der justiziellen Gewährleistungen aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG beschwerdefähig, weil ihnen diese grundrechtsgleichen Rechte zustehen können (vgl. BVerfGE 6, 45 <49>; 61, 82 <104> m.w.N.).

54

Allerdings ist hier die Verfassungsbeschwerde nicht von einer juristischen Person, insbesondere nicht durch das Land B., erhoben worden. Die Beschwerdeführerin handelt im vorliegenden Verfahren vielmehr als Enteignungsbehörde im eigenen Namen. Obgleich sie nicht als juristische Person des öffentlichen Rechts errichtet wurde, sondern eine staatliche Verwaltungsbehörde (vgl. § 104 Abs. 1, § 246 Abs. 4 BauGB) ist, ist die Beschwerdeführerin als Enteignungsbehörde unter den vorliegenden Besonderheiten mit Blick auf die Garantie des gesetzlichen Richters beschwerdefähig. Dies ist aus den gleichen Erwägungen herzuleiten, aus denen bei Verletzung justizieller Gewährleistungen die Beschwerdefähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts gefolgert wird.

55

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können sich juristische Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie an einem Rechtsstreit in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben beteiligt sind, auf die Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG berufen. Im Unterschied zu den Grundrechten aus Art. 1 bis 17 GG, die juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich nicht beanspruchen können (dazu unten B. I. 1. b), enthalten Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG auch objektive Verfahrensgrundsätze, die für jedes gerichtliche Verfahren gelten und daher auch jedem zugutekommen müssen, der nach den maßgeblichen Verfahrensnormen parteifähig oder von dem Verfahren unmittelbar betroffen ist (vgl. BVerfGE 61, 82 <104> m.w.N.; auch BVerfGE 21, 362 <373>). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Funktion richterlicher Entscheidungen im Rechtsstaat nur dann gerechtfertigt ist, wenn sie unter Beachtung der Erfordernisse eines gehörigen Verfahrens gewonnen werden, die im Interesse gerechter richterlicher Urteilsfindung unverzichtbar sind (vgl. BVerfGE 61, 82 <105>).

56

bb) Diese rechtsstaatlich fundierten Erwägungen greifen auch dann, wenn - wie hier - eine Behörde nach dem einschlägigen Verfahrensrecht Beteiligte im fachgerichtlichen Verfahren sein kann. Entscheidend ist die Beteiligtenfähigkeit im konkreten Rechtsstreit vor dem Fachgericht. Erkennt die Rechtsordnung einer Behörde die Fähigkeit zu, anstelle ihres Rechtsträgers an einem gerichtlichen Verfahren beteiligt zu sein, so ist die Behörde aufgrund der ihr zuerkannten Beteiligtenfähigkeit - nicht anders als eine natürliche oder juristische Person - im konkreten Rechtsstreit uneingeschränkt prozessfähig und durch ihre gesetzlichen Vertreter in jeder Hinsicht handlungsfähig (vgl. etwa § 51 Abs. 1 ZPO, § 62 Abs. 3 VwGO). Sie kann hiernach insbesondere alle Prozesshandlungen vornehmen und für sich alle Verfahrensrechte beanspruchen. Dann dürfen der beteiligten Behörde in den betreffenden Verfahren aber die Gewährleistungen aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG nicht vorenthalten bleiben.

57

cc) Hieraus folgt für die justiziellen Gewährleistungen aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG Akzessorietät zwischen der Beteiligtenfähigkeit im fachgerichtlichen Verfahren und der Beschwerdefähigkeit im Verfahren der Verfassungsbeschwerde. Wenn sich eine durch Gesetz entsprechend legitimierte Behörde anstelle ihres Rechtsträgers im fachgerichtlichen Prozess auf die justiziellen Gewährleistungen berufen kann, muss ihr auch die Möglichkeit eröffnet sein, deren Verletzungen mittels einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht geltend zu machen.

58

Hier ist der Beschwerdeführerin für das Ausgangsverfahren durch § 222 Abs. 1 Satz 2 BauGB uneingeschränkt Beteiligtenfähigkeit eingeräumt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1975 - III ZR 17/73 -, juris, Rn. 13); denn sie hat als Enteignungsbehörde den angegriffenen Verwaltungsakt über die Höhe der Entschädigung für das übernommene Grundstück erlassen (§ 145 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. § 112 BauGB). Die Beschwerdeführerin kann daher insbesondere die Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) im Ausgangsverfahren für sich beanspruchen und eine Verletzung im Wege der Verfassungsbeschwerde rügen.

59

b) Der Beschwerdeführerin fehlt allerdings die Beschwerdefähigkeit, soweit sie mit Blick auf die Auslegung des einfachen Rechts durch den Bundesgerichtshof eine Verletzung der rechtsstaatlichen Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3 GG) und des Grundsatzes der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) rügt, weil nicht nur Art. 14 Abs. 1 und 3 GG fehlerhaft abgegrenzt, sondern auch die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten seien. Dass die Anwendung und Auslegung der Gesetze durch die Gerichte den verfassungsrechtlichen Vorgaben insbesondere durch das Rechtsstaatsprinzip genügt, ist zwar über Art. 2 Abs. 1 GG auch zugunsten der Einzelnen gewährleistet (vgl. BVerfGE 132, 99 <127, Rn. 73>). Geltend gemacht wird damit aber die Verletzung eines materiellen Grundrechts (vgl. BVerfGE 75, 192 <200>), als dessen Träger der Staat und seine organisatorischen Untergliederungen - von einzelnen, hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen (vgl. etwa BVerfGE 107, 299 <309 f.> m.w.N.) - ausgeschlossen sind.

60

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin folgt hier nichts anderes aus ihrer Stellung als Beteiligte im gerichtlichen Verfahren nach § 222 Abs. 1 Satz 2 BauGB; eine Beschwerdefähigkeit hinsichtlich materieller Grundrechte lässt sich zugunsten der Beschwerdeführerin darauf nicht stützen. Dass die Beschwerdeführerin bei der Festsetzung der Entschädigung Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit wahrnimmt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1975 - III ZR 17/73 -, juris, Rn. 15), beruft sie nicht zur selbst grundrechtsgeschützten "Sachwalterin" der Einzelnen bei der Wahrnehmung ihrer Grundrechte. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Einzelnen ihre Grundrechte selbst wahrnehmen und etwaige Verletzungen geltend machen (vgl. BVerfGE 61, 82 <103 f.>; 81, 310 <334>).

61

2. Die Beschwerdeführerin ist, soweit ihre Beschwerdefähigkeit reicht, beschwerdebefugt im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG. Um diese Zulässigkeitsvoraussetzung zu erfüllen, muss sie die Möglichkeit aufzeigen, durch die angegriffene Entscheidung in einem verfassungsbeschwerdefähigen Recht verletzt zu sein (vgl. BVerfGE 125, 39 <73>). Dem steht nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerin die im angegriffenen Urteil herangezogene Reduktionsklausel des Planungsschadensrechts im Gegensatz zum Bundesgerichtshof für verfassungsgemäß hält.

62

Eine Prüfung dieser einfachrechtlichen Bestimmungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit ist schon nicht unmittelbar Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Vielmehr kann die Beschwerdeführerin in zulässiger Weise allein eine Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) dadurch rügen, dass sich der Bundesgerichtshof auf der Grundlage seiner eigenen Überzeugung von der ansonsten gegebenen Verfassungswidrigkeit des Gesetzes einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht unter Missachtung des Art. 100 Abs. 1 GG durch eine fehlerhafte verfassungskonforme Auslegung entzogen habe.

63

Für diese Rüge ist es nicht erforderlich, dass die Beschwerdeführerin das zugrunde liegende Gesetzesrecht ihrerseits für verfassungswidrig hält. Für das Entstehen einer Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG ist im Gegenteil die Rechtsauffassung des jeweiligen Fachgerichts entscheidend. Dieses selbst hat von der Verfassungswidrigkeit der Norm überzeugt zu sein (vgl. BVerfGE 78, 104 <117>; 80, 54 <58>). Mit ihrer Rüge einer verfassungswidrigen Missachtung der Vorlagepflicht muss sich die Beschwerdeführerin demnach zwangsläufig auf die Überzeugung des Bundesgerichtshofs zur Verfassungswidrigkeit des betroffenen Gesetzesrechts beziehen. Ob die Beschwerdeführerin selbst diese Überzeugung teilt oder nicht, ist unerheblich.

II.

64

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.

65

Der Bundesgerichtshof hat durch das Unterlassen einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG das grundrechtsgleiche Recht der Beschwerdeführerin auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt.

66

1. Der Schutzbereich der Gewährleistung des gesetzlichen Richters kann auch dann betroffen sein, wenn ein Fachgericht seiner Verpflichtung zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht entgegen Art. 100 Abs. 1 GG nicht nachgekommen ist (vgl. BVerfGE 117, 330 <356>).

67

a) Das Verfassungsgebot des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf, gibt nicht nur den einzelnen Rechtsuchenden ein subjektives Recht, sondern enthält auch objektives Verfassungsrecht; der Grundsatz dient der Sicherung der Rechtsstaatlichkeit im gerichtlichen Verfahren schlechthin (vgl. BVerfGE 40, 356 <360 f.>). Es müssen daher von Verfassungs wegen allgemeine Regelungen darüber bestehen, welches Gericht, welcher Spruchkörper und welche Richter zur Entscheidung des Einzelfalles berufen sind. Erforderlich ist ein Bestand von Rechtssätzen, die für jeden Streitfall den Richter bezeichnen, der für die Entscheidung zuständig ist (vgl. BVerfGE 95, 322 <328> m.w.N.). An diese Regelungen sind die Gerichte durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gebunden (vgl. BVerfGE 95, 322 <327>). Sie dürfen sich nicht über sie hinwegsetzen, sondern haben von sich aus über deren Einhaltung zu wachen (vgl. BVerfGE 29, 45 <48>; 40, 356 <361>).

68

Zu den Rechtssätzen, die den zur Entscheidung berufenen Richter bestimmen, zählen auch Vorschriften, die ein Gericht zur Vorlage einer Sache an ein anderes Gericht verpflichten (vgl. BVerfGE 13, 132 <143>). Sie gewährleisten ebenfalls den gesetzlichen Richter innerhalb der Justiz (vgl. BVerfGE 101, 331 <359> m.w.N.). Dabei können sich Vorlageverpflichtungen nicht nur aus Regelungen des Gesetzesrechts ergeben, sondern erst recht auch aus verfassungsrechtlichen Bestimmungen wie der völkerrechtlichen Normenverifikation nach Art. 100 Abs. 2 GG (vgl. dazu BVerfGE 64, 1 <12 f.>; 96, 68 <77>) und der hier einschlägigen Vorlagepflicht im Fall der konkreten Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG (vgl. dazu BVerfGE 117, 330 <356>).

69

b) In seiner weiteren Funktion als subjektives Recht gibt Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG den Rechtsuchenden einen Anspruch darauf, dass der Rechtsstreit von ihrem gesetzlichen Richter entschieden wird (vgl. BVerfGE 17, 294 <299>; 26, 281 <291>). Sie können daher die Beachtung der gesetzlichen wie der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung fordern und deren Missachtung als Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts im Wege der Verfassungsbeschwerde rügen.

70

2. Durch die angegriffene Entscheidung wurde die Beschwerdeführerin ihrem gesetzlichen Richter entzogen.

71

Für die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG genügt nicht schon jede irrtümliche Überschreitung der den Fachgerichten gezogenen Grenzen (vgl. BVerfGE 87, 282 <284> m.w.N.). Durch einen schlichten error in procedendo wird niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen (vgl. BVerfGE 3, 359 <365>). Eine Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters kommt aber in Betracht, wenn das Fachgericht Bedeutung und Tragweite der Gewährleistung aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat (vgl. BVerfGE 82, 286 <299>; 87, 282 <284 f.>; 131, 268 <312>) oder wenn die maßgeblichen Verfahrensnormen in objektiv willkürlicher Weise fehlerhaft angewandt wurden (vgl. BVerfGE 42, 237 <241>; 76, 93 <96>; 79, 292 <301>). Ferner kann ein Fachgericht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, wenn es seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht nachkommt und die Betroffenen so ihrem gesetzlichen Richter entzieht, zu dem in diesem Fall das Bundesverfassungsgericht berufen ist. Ein Fachgericht verletzt die Garantie des gesetzlichen Richters insbesondere dann, wenn es die Vorlage einer Norm, von deren Verfassungswidrigkeit es ansonsten überzeugt wäre, unterlässt, weil es in nicht vertretbarer Weise die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des betreffenden Gesetzes annimmt.

72

Im vorliegenden Fall hat der Bundesgerichtshof zwar die Garantie des gesetzlichen Richters in ihrer Bedeutung und Tragweite erkannt (a), diese Gewährleistung aber gleichwohl dadurch verletzt, dass er seiner Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG aufgrund der unvertretbaren Annahme, eine verfassungskonforme Auslegung sei möglich, nicht nachgekommen ist (b). Das angegriffene Urteil beruht auch auf der Verletzung der grundrechtsgleichen Gewährleistung aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (c).

73

a) Die Bedeutung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG als einer grundrechtsgleichen Gewährleistung und die Tragweite der hieraus folgenden Garantie des gesetzlichen Richters hat der Bundesgerichtshof uneingeschränkt erkannt. Auch mit Blick auf die hier zur Bestimmung des gesetzlichen Richters maßgebliche Verpflichtung zur Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG ist die Relevanz der justiziellen Gewährleistung vom Bundesgerichtshof nicht nur gesehen (aa), sondern im Grundsatz auch in ihrer Bedeutung (vgl. dazu BVerfGE 18, 85 <93>; 72, 105 <115>; 102, 347 <362>; 129, 78 <102>) und insbesondere im Umfang ihres Schutzbereichs (vgl. dazu BVerfGE 132, 99 <132>) beachtet worden (bb).

74

aa) Auch wenn sich im angegriffenen Urteil hierzu keine Ausführungen finden, hat der Bundesgerichtshof die Frage nach einer Vorlagepflicht keineswegs übergangen, sondern in Fortführung seiner Judikatur zur "isolierten" eigentumsverdrängenden Planung wegen der - von ihm angenommenen - Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung inzident verneint. Das angegriffene Urteil verweist zudem auf eine Entscheidung aus dieser Rechtsprechung, in der vom Bundesgerichtshof eingehend erörtert wird, dass sich eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht erübrige, wenn und soweit auf dem Wege einer verfassungskonformen Auslegung die Nichtigerklärung einer Norm vermieden werden könne (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - III ZR 160/01 -, juris, Rn. 15).

75

bb) Ungeachtet der Frage, ob der Ansicht des Bundesgerichtshofs zu einer hier gegebenen Möglichkeit der verfassungskonformen Auslegung zu folgen ist (dazu B. II. 2. b bb <2> ), liegt diesem Ansatz mit Blick auf die Garantie des gesetzlichen Richters jedenfalls keine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung der grundrechtsähnlichen Gewährleistung zugrunde. Es ist im Gegenteil zutreffend, dass die Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG von der Prüfung der Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung abhängig ist (vgl. BVerfGE 80, 68 <72>; 85, 329 <333 f.>; 87, 114 <133>; 124, 251 <262>). Kann das Fachgericht nämlich seine verfassungsrechtlichen Bedenken auf dem Wege einer zulässigen verfassungskonformen Auslegung überwinden, so fehlt es zumindest für den konkreten Fall an seiner für die Entscheidung erheblichen Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes. Diese Überzeugung des Fachgerichts ist aber wiederum Voraussetzung eines Verfahrens zur Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG und entscheidet mithin darüber, ob das Bundesverfassungsgericht im jeweiligen Verfahren kraft Verfassungsrechts zum gesetzlichen Richter berufen ist.

76

b) Der Bundesgerichtshof hat jedoch gegen die Garantie des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dadurch verstoßen, dass er die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung in unvertretbarer Weise bejaht, daher die von ihm als verfassungswidrig angenommene Regelung des Planungsschadensrechts in § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB außer Anwendung gelassen und entgegen Art. 100 Abs. 1 GG nicht dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt hat. Es handelt sich hierbei nicht um einen nur rechtsirrtümlichen Verstoß gegen die Vorlagepflicht. Angesichts der im Range von Verfassungsrecht geregelten Vorlagepflicht gilt hier ein Maßstab, nach dem bereits bei mangelnder Vertretbarkeit einer verfassungskonformen Auslegung (aa) von einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auszugehen ist (bb).

77

aa) Beruht der Entzug des gesetzlichen Richters auf einer Verletzung der Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG, so gilt zwar auch hier der geschilderte Grundsatz, dass nicht schon jeder Fehler des Fachgerichts bei der Anwendung einer Zuständigkeitsnorm die Annahme eines Verfassungsverstoßes rechtfertigen kann. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass es bei Art. 100 Abs. 1 GG um die Beachtung einer Vorlageverpflichtung geht, die nicht nur - wie sonst üblich - aus dem einfachen Gesetzesrecht folgt, sondern die im Rang einer Verfassungsnorm steht. Zudem entscheidet die Beachtung der Vorlagepflicht über den Zugang zur verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle. Dies verlangt nach einer strengeren verfassungsrechtlichen Prüfung im Vergleich zu den Fällen, in denen lediglich einfachrechtliche Verpflichtungen zur Vorlage an ein anderes Gericht bestehen; es bleibt hier deutlich weniger Raum für die Annahme eines bloßen Rechtsirrtums ohne verfassungsrechtliche Relevanz (ähnlich BVerfGE 64, 1 <21>; 96, 68 <78>; 109, 13 <24> hinsichtlich einer Vorlage zur Normenverifikation nach Art. 100 Abs. 2 GG).

78

(1) Bereits der Standort der Regelung, ihre verfassungsrechtliche Verankerung in Art. 100 Abs. 1 GG, legt nahe, dass der Verfassungsgeber, der das Staatswesen grundlegend ordnet und den einzelnen Trägern staatlicher Gewalt Kompetenzen zuweist, der Vorlagepflicht eine herausgehobene Bedeutung zukommen lässt. Bestätigt wird dies durch den Zweck der Regelung, die dem Schutz der im Grundgesetz und in den Landesverfassungen konstituierten gesetzgebenden Gewalt dienen soll. Es gilt zu verhindern, dass sich die Fachgerichte über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen, indem sie seinem Gesetz die Anerkennung versagen (vgl. BVerfGE 10, 124 <127>; vgl. auch BVerfGE 1, 184 <198>; 114, 303 <310> m.w.N.). Das allgemeine richterliche Prüfungsrecht wird daher auf eine inzidente Bejahung der Verfassungsmäßigkeit beschränkt und ein Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts geschaffen, dem die Feststellung einer Verletzung des Grundgesetzes durch den zu seiner Beachtung verpflichteten Gesetzgeber vorbehalten bleibt. Damit wahrt die Vorschrift die Autorität des Gesetzgebers. Gesetze, die unter der Herrschaft des Grundgesetzes erlassen worden sind, sollen befolgt werden, solange nicht das Bundesverfassungsgericht ihre Nichtigkeit oder Unwirksamkeit allgemeinverbindlich festgestellt hat. Zudem soll es über die Gültigkeit von Gesetzen keine einander widersprechenden Gerichtsentscheidungen geben (vgl. BVerfGE 97, 117 <122>). Hierdurch dient die Vorlageverpflichtung noch dem weiteren Ziel, mittels der alleinigen Normverwerfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts Rechtsunsicherheit und Rechtszersplitterung infolge divergierender Entscheidungen der Fachgerichte zu vermeiden (vgl. BVerfGE 130, 1 <41 f.> m.w.N.).

79

(2) Beide Ziele, die Wahrung der Autorität des Gesetzesgebers und die Erhaltung der Rechtssicherheit, sind von entscheidender Bedeutung für das Funktionieren eines Staates, der sich gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG nach den Prinzipien der Gewaltenteilung und der Rechtsstaatlichkeit konstituiert hat. Die Bedeutung der mit der Vorlageverpflichtung verfolgten Verfassungsziele rechtfertigt es, bei Verletzung einer unmittelbar dem Schutz dieser Grundsätze dienenden verfassungsrechtlichen Verfahrensvorschrift wie Art. 100 Abs. 1 GG im Regelfall nicht von einem bloßen Rechtsanwendungsfehler, sondern von einem Entzug des gesetzlichen Richters auszugehen. Bezogen auf die Rechtsanwendung als solche muss kein besonders schwerer Fehler des Fachgerichts vorliegen, damit eine entgegen Art. 100 Abs. 1 GG unterlassene Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zugleich als eine Missachtung der Garantie des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG anzusehen ist. Entscheidend ist, ob die Rechtsanwendung im konkreten Fall - hier das Absehen von einer Vorlage mittels einer verfassungskonformen Auslegung - sachlich vertretbar ist.

80

bb) Daran gemessen hat der Bundesgerichtshof durch das Unterlassen der hier durch Art. 100 Abs. 1 GG geforderten Vorlage zur Normenkontrolle an das Bundesverfassungsgericht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen.

81

Sind die Voraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 GG gegeben, so folgt aus der Verfassung die Pflicht eines jeden Gerichts, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen (vgl. BVerfGE 6, 55 <63>; 80, 54 <58>), das insoweit zum gesetzlichen Richter berufen ist. Diese Verpflichtung zur Vorlage traf vorliegend den Bundesgerichtshof. Denn der für die Entscheidung zuständige Senat war von der Verfassungswidrigkeit der nach seiner Ansicht einschlägigen Norm des Planungsschadensrechts überzeugt, sofern keine verfassungskonforme Einschränkung ihres Anwendungsbereichs erfolge (<1>). Die Vorlagepflicht war indessen nicht durch die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung dieser Vorschriften ausgeschlossen. Ein solches Auslegungsergebnis lässt sich mit den anerkannten Methoden nicht erreichen (<2>). Der Bundesgerichtshof hat hiernach die Grenzen einer vertretbaren Rechtsanwendung mit der Folge überschritten, dass die Beschwerdeführerin entgegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ihrem gesetzlichen Richter entzogen wurde.

82

(1) Die Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG setzt voraus, dass das Fachgericht an der Verfassungsmäßigkeit eines entscheidungserheblichen Gesetzes nicht nur zweifelt, sondern - vorbehaltlich einer verfassungskonformen Auslegung - von der Verfassungswidrigkeit überzeugt ist (vgl. BVerfGE 80, 54 <59>; 86, 52 <57>).

83

(a) Diese Überzeugung hatte der Bundesgerichtshof gewonnen. In dem angegriffenen Urteil verweist der Bundesgerichtshof zunächst auf seine bisherige Rechtsprechung in Fällen "isolierter" eigentumsverdrängender Planung. Diese Grundsätze hat der Bundesgerichtshof gestützt auf seine Annahme von der Verfassungswidrigkeit der einschlägigen Reduktionsklauseln des Planungsschadensrechts entwickelt. Er erstreckt sie nun auf den vorliegenden Fall, bei dem ein Bebauungsantrag wegen entgegenstehender Ziele und Zwecke der Sanierung nach § 142 Abs. 1 Satz 1 BauGB abgelehnt worden ist. Auch von der Verfassungswidrigkeit der von ihm herangezogenen planungsschadensrechtlichen Vorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB ist der Bundesgerichtshof mithin überzeugt. Nur aufgrund der nach seiner Auffassung möglichen einschränkenden verfassungskonformen Auslegung, die im konkreten Fall zur Unanwendbarkeit der fraglichen Norm führen soll, konnte der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis gelangen, dass eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht geboten sei.

84

(b) Ob diese Überzeugung des Bundesgerichtshofs zutreffend ist, muss für die Prüfung einer Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG dahinstehen. Nicht nur für die Zulässigkeit einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (vgl. dazu BVerfGE 68, 337 <343>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 5/08 -, juris, Rn. 31), sondern auch für das Entstehen der Verpflichtung, ein Gesetz zum Verfahren der konkreten Normenkontrolle dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, ist im Grundsatz auf die Überzeugung des Fachgerichts von der Verfassungswidrigkeit dieses Gesetzes abzustellen (vgl. BVerfGE 117, 330 <356>). Dies folgt aus der Vorgabe, dass sich jedes Fachgericht zunächst eine eigene Überzeugung von der Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit einer Norm zu bilden hat (vgl. BVerfGE 2, 406 <410 f.>; 34, 320 <323>).

85

(2) Entgegen der Ansicht des Bundesgerichtshofs war seine Verpflichtung zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht durch die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung ausgeschlossen. Auf dem Weg einer verfassungskonformen Auslegung kann eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der - vom Bundesgerichtshof herangezogenen - Reduktionsbestimmung von § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB nicht mit dem Ergebnis vorgenommen werden, dass die Entschädigung ungeachtet der verstrichenen Sieben-Jahres-Frist (§ 42 Abs. 2 und 3 BauGB) auf Grundlage der planungsrechtlich zulässigen Nutzung als Bauland zu bemessen ist.

86

(a) Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden (vgl. BVerfGE 119, 247 <274>). Eine Norm ist nur dann für verfassungswidrig zu erklären, wenn keine nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung vereinbare Auslegung möglich ist. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelung und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, so ist diese geboten (vgl. BVerfGE 88, 145 <166>; 119, 247 <274>). Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung endet allerdings dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch träte (vgl. BVerfGE 95, 64 <93>; 99, 341 <358>; 101, 312 <329> m.w.N.; stRspr). Anderenfalls könnten die Gerichte der rechtspolitischen Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers vorgreifen oder diese unterlaufen (vgl. BVerfGE 8, 71 <78 f.>; 112, 164 <183>). Das Ergebnis einer verfassungskonformen Auslegung muss demnach nicht nur vom Wortlaut des Gesetzes gedeckt sein, sondern auch die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahren (vgl. BVerfGE 86, 288 <320>; 119, 247 <274>). Das gesetzgeberische Ziel darf nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht werden (vgl. BVerfGE 119, 247 <274> m.w.N.).

87

Diese Vorgaben gelten uneingeschränkt auch dann, wenn sich ein Fachgericht - wie hier - mit der Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung bei Prüfung der Voraussetzungen eines Normenkontrollverfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG auseinandersetzen muss. Entschließt sich das Fachgericht zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht, weil es von der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserheblichen Norm überzeugt ist, so muss es zwar nicht nur seine hierfür maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar und erschöpfend darlegen (vgl. BVerfGE 131, 88 <117 f.> m.w.N.), sondern zumindest bei naheliegender Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung auch vertretbar begründen, weshalb diese ausgeschlossen ist (vgl. BVerfGE 131, 88 <118> m.w.N.). Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts würde aber missverstanden, wollte man sie als Aufforderung an die Fachgerichte verstehen, die Möglichkeiten einer verfassungskonformen Auslegung zu überspannen, um auf diese Weise eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG tunlichst zu vermeiden. Solange das vorlegende Gericht eine naheliegende Möglichkeit zur verfassungskonformen Auslegung nicht übergeht, sondern mit zumindest vertretbaren Erwägungen verneint, verfehlt es nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Normenkontrollverfahrens.

88

(b) Gemessen daran ist die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung, wie sie der Bundesgerichtshof im Ausgangsverfahren vornehmen will, offensichtlich verstellt.

89

(aa) Es fehlt bereits an einer normativen Grundlage, die Anlass und Anknüpfungspunkt für eine verfassungskonforme Auslegung sein könnte. Der Wortlaut der herangezogenen Gesetzesnorm und die Systematik des Baugesetzbuchs sind vielmehr eindeutig, lassen mithin verschiedene Deutungsmöglichkeiten nicht zu.

90

Im Text der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils ist von einer verfassungskonformen Auslegung allein der Reduktionsnorm des § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB die Rede. Nur zur Begründung der Interpretation dieser Bestimmung nimmt der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung in Bezug, auch wenn diese auf einer Auslegung nicht nur des § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB, sondern insbesondere auch von § 42 Abs. 3 und § 43 Abs. 3 BauGB beruht. Schon der Wortlaut von § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB gibt indes keinen Anknüpfungspunkt für die vom Bundesgerichtshof vorgenommene einschränkende Auslegung, nach der einzelne Fälle von dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausgeschlossen sein sollen. Im Normtext wird lediglich bestimmt, dass Bodenwerte, die nicht zu berücksichtigen wären, wenn der Eigentümer eine Entschädigung in den Fällen der §§ 40 bis 42 BauGB geltend machen würde, bei der Festsetzung der Entschädigung im Falle der Enteignung unberücksichtigt bleiben. Ihrem Wortlaut nach lässt die Bestimmung für sich genommen keine alternative Deutungsmöglichkeit dahingehend zu, dass sie eine Regelung enthält, wonach Bodenwerte, die gemäß §§ 40 bis 42 BauGB ausgeschlossen sind, in bestimmten Konstellationen doch zu berücksichtigen seien. Als generelle Verweisungsnorm ermöglicht die Vorschrift auch nach dem Zusammenhang, in den sie gestellt ist, keine solche Einschränkung.

91

Für seine gegenteilige Auffassung vermag der Bundesgerichtshof keine überzeugenden Gründe anzuführen. Er verweist hierfür lediglich pauschal auf seine bisherige Rechtsprechung und lässt dabei außer Acht, dass seine dort zu findende Auslegung des § 43 Abs. 3 BauGB auf den vorliegenden Fall schon im Ansatz nicht übertragbar ist. Zunächst verweist § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB auf diese Bestimmung nicht, sondern nur auf die §§ 40 bis 42 BauGB. Auch nach § 145 Abs. 5 Satz 5 BauGB sind im vorliegenden Fall der Übernahme des Grundstückseigentums bei Sanierungsmaßnahmen ausdrücklich nur § 43 Abs. 1, 4 und 5 sowie § 44 Abs. 3 und 4 BauGB entsprechend anwendbar, während § 43 Abs. 3 BauGB nicht in Bezug genommen wird. Dass hiermit auf das Planungsschadensrecht nicht insgesamt, sondern bewusst nur hinsichtlich "eines Teils" verwiesen werden sollte, belegen zudem die Gesetzesmaterialien (vgl. Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zum Bau- und Raumordnungsgesetz 1998, BTDrucks 13/6392, S. 66).

92

Der Hinweis des Bundesgerichtshofs auf seine bisherige Rechtsprechung schließt überdies das Urteil vom 11. Juli 2002 ein. Darin führt der Bundesgerichtshof mit Blick auf seine einschränkende Interpretation von § 42 Abs. 3, § 43 Abs. 3 Satz 2 und § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB aus, es sei nicht ausgeschlossen, dass gesetzliche Bestimmungen über die Höhe der Enteignungsentschädigung - die an sich hinreichend bestimmt seien - durch richterliche Auslegung für einzelne Fallgruppen "einen anderen Inhalt erhalten, als ihn der Gesetzeswortlaut im allgemeinen auf den ersten Blick nahelegen" möge (BGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - III ZR 160/01 -, juris, Rn. 15; ähnlich auch bereits BGHZ 141, 319 <326>). Der Bundesgerichtshof selbst sah es danach zumindest als zweifelhaft an, dass der Wortlaut der von ihm herangezogenen Gesetzesnormen die vorgenommene Einschränkung des Anwendungsbereichs im Wege einer verfassungskonformen Auslegung ermöglichen konnte. Hiervon hat er sich in der Folgezeit und auch im hier angegriffenen Urteil nicht distanziert.

93

(bb) Vor allem aber stehen der vom Bundesgerichtshof befürworteten Einschränkung der planungsschadensrechtlichen Reduktionsklausel aus § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB nicht nur der Wortlaut der Bestimmung, sondern auch der aus der Entstehungsgeschichte ersichtliche gesetzgeberische Wille und der Gesetzeszweck entgegen. Zwar mag allein der Wortlaut einer Vorschrift nicht in jedem Fall eine unüberwindliche Grenze für die verfassungskonforme Auslegung bilden (vgl. BVerfGE 35, 263 <278 f.>; 88, 145 <166 f.>; 97, 186 <196>). Das gilt insbesondere dann, wenn andere Indizien deutlich belegen, dass der Sinn einer Norm im Wortlaut unzureichend Ausdruck gefunden hat (vgl. BVerfGE 97, 186 <196>). Abgesehen davon, dass hierfür im vorliegenden Fall kein Anhaltspunkt ersichtlich und vom Bundesgerichtshof nicht genannt ist, setzt sich die restriktive Interpretation des § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB hier jedoch über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinweg.

94

Die dem aktuellen Recht zugrunde liegende Novelle des damals geltenden Bundesbaugesetzes im Jahr 1976 veränderte das Planungsschadensrecht dadurch grundlegend, dass für die zulässige städtebaulich relevante Nutzung eines Grundstücks grundsätzlich ein nur noch befristeter Schutz gewährt werden sollte. Anlass hierfür war, dass nach Auffassung der Bundesregierung das Bundesbaugesetz dem Erfordernis nach Planänderungen, das sich aktuell aus der städtebaulichen Entwicklung stärker als früher ergebe, nicht ausreichend Rechnung getragen habe. Im Hinblick auf die Neufassung des damaligen § 44 BBauG - an dessen Stelle inzwischen § 42 BauGB getreten ist - führt die Begründung des Gesetzentwurfs zwar zunächst aus, dass die rechtmäßig ausgeübte Nutzung und die sich aus ihr ergebenden wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeiten weiterhin im Planungsschadensrecht geschützt und angemessen zu entschädigen seien. Im Anschluss daran wird jedoch die Bedeutung einer Befristung betont. Das geltende Recht schütze grundsätzlich alle zu irgendeiner Zeit einmal gewährten städtebaulichen Nutzbarkeiten. Ein derartig weitgehender Schutz sei aber durch die Verfassung nicht geboten und erweise sich zunehmend als ein Hemmnis für die städtebauliche Entwicklung. Deshalb solle das Vertrauen auf die Bestandskraft eines Bebauungsplanes nur noch während einer angemessenen Frist geschützt werden. Nach deren Ablauf stelle sich die eröffnete Möglichkeit der Nutzung im enteignungsrechtlichen Sinne nachträglich als eine nicht ausgenutzte Chance dar, die als solche nicht (mehr) zu entschädigen sei (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Änderung des Bundesbaugesetzes, BTDrucks 7/2496, S. 55 f.).

95

Auch der mit dem Regierungsentwurf befasste Ausschuss des Deutschen Bundestages für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sah die Notwendigkeit einer Befristung. Die sehr weitgehende Verkehrswertentschädigung von Planungsschäden auch bei nicht ausgeübten Nutzungen habe zu einer weitgehenden Erstarrung der Planung geführt. Die Gemeinden hätten sich bisher zumeist daran gehindert gesehen, auch dringend notwendige Umplanungen durchzuführen, weil sie die damit verbundenen hohen Entschädigungslasten nicht hätten tragen können. Der Ausschuss erkannte daher ebenfalls die Notwendigkeit und das Bedürfnis für die vorgesehene Änderung an und vertrat die Ansicht, dass eine planbedingte Nutzbarkeit eines Grundstücks, die noch nicht durch Nutzung oder nutzungsbezogene Dispositionen ins Werk gesetzt worden sei, keinen unbedingt zu schützenden Vertrauenstatbestand darstelle (vgl. Bericht und Antrag des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, BTDrucks 7/4793, S. 17). Mehrheitlich wurde zur Lösung der bestehenden städtebaulichen Probleme beschlossen, den Ersatz von Planungsschäden "generell" nur noch auf "sogenannte 'verwirklichte' Nutzungen" zu beschränken; für nicht verwirklichte Nutzungen solle eine entschädigungsrechtliche Schutzfrist gelten, die allerdings abweichend vom Regierungsentwurf auf sieben Jahre zu verlängern sei (vgl. BTDrucks 7/4793, S. 2).

96

Angesichts dieser deutlichen Aussagen in den Gesetzesmaterialien widerspricht das Auslegungsergebnis des Bundesgerichtshofs dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers, nach dem durch die Neuregelung ein "genereller" Ausschluss des Ersatzes von Planungsschäden nach Ablauf der Sieben-Jahres-Frist erreicht werden sollte. Vom Gesetzgeber gewollt war eine möglichst umfassende Befristung, zumal nur dann eine spürbare Reduzierung der drückend hohen Entschädigungslasten und in der Folge erweiterte Freiräume für die als notwendig erkannten Planungsänderungen zu erwarten waren. Soweit infolge der "generalisierenden Fristenbestimmung" (so der Bericht und Antrag des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, BTDrucks 7/4793, S. 40) aus Sicht des Gesetzgebers besondere schützenswerte Vertrauenstatbestände entstanden waren, sollte diesen mit der abschließenden Regelung für Härtefälle in § 42 Abs. 5 bis 7 BauGB (zuvor § 44 Abs. 4 bis 6 BBauG) Rechnung getragen werden. Weder dort noch an anderer Stelle findet sich indessen ein Anhaltspunkt dafür, dass eine Ausnahme von der Befristung in den vom Bundesgerichtshof als verfassungswidrig eingeschätzten Konstellationen einer "isolierten" eigentumsverdrängenden Planung zugelassen werden sollte. Die Materialien belegen eher das Gegenteil; denn aus der Begründung des Regierungsentwurfs wird deutlich, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung die für die spätere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs typische Konstellation mit in den Blick genommen hatte. So finden im Zusammenhang mit der Schilderung der Notwendigkeit der beabsichtigten Befristung ausdrücklich solche Fälle Erwähnung, in denen "die Genehmigung für den Wiederaufbau eines zerstörten Gebäudes unter Berufung auf den geänderten Bebauungsplan versagt" wird (BTDrucks 7/2496, S. 56).

97

(cc) Die geschilderten Hindernisse für eine verfassungskonforme Auslegung lassen sich nicht durch Verweis auf den Grundsatz der Normerhaltung überwinden. Selbst wenn eine Interpretation diese Absicht für sich in Anspruch nimmt, darf sie sich dabei nicht in Widerspruch zu dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers stellen. Insbesondere kann das Ziel der Normerhaltung keine Rechtfertigung bieten, um das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts zu umgehen (vgl. BVerfGE 86, 288 <350>). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur "isolierten" eigentumsverdrängenden Planung nimmt den Reduktionsbestimmungen weitgehend ihre Wirkung, wenn für die Anwendung der Sieben-Jahres-Frist des § 42 Abs. 2 und 3 BauGB in der Praxis kaum noch Anwendungsfälle bleiben. Dies ergibt sich jedenfalls aus den Stellungnahmen sowohl der Bundesrechtsanwaltskammer wie des Deutschen Anwaltvereins. Nach beider Einschätzung betrifft die in den Fällen des § 40 BauGB regelmäßig "fremdnützige" und damit "eigentumsverdrängende" Planung typischerweise nur einzelne, mithin im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs "isolierte" Grundstücke.

98

(c) Die Annahme, im Ausgangsverfahren sei eine verfassungskonforme Auslegung der Reduktionsklausel möglich gewesen, überschreitet die Grenzen einer vertretbaren Interpretation und ist damit von verfassungsrechtlicher Relevanz. Auch wenn nicht das Maß grober Fehlerhaftigkeit erreicht ist und die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Literatur seit mehr als einem Jahrzehnt nur vereinzelt auf Ablehnung stößt, wurden die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer verfassungskonformen Auslegung doch deutlich verfehlt. Der Bundesgerichtshof hat sich bereits bei seiner grundlegenden Annahme, mehrere Deutungsmöglichkeiten der Reduktionsklausel aus § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB seien gegeben und damit eine verfassungskonforme Auslegung eröffnet, über den klaren Wortlaut der herangezogenen Gesetzesnorm hinweggesetzt. Auch mit dem Ergebnis seiner Auslegung hat er den Grenzen, die der Normtext einer Interpretation setzt, keine Beachtung geschenkt und sich hierbei auf Rechtsprechung bezogen, die es zumindest als zweifelhaft erscheinen lässt, ob dem Gesetzeswortlaut die ihm zukommende Bedeutung zugebilligt wurde. Vor allem aber lässt sich das Auslegungsergebnis nicht mit dem dokumentierten, offenkundigen Willen des Gesetzgebers vereinbaren.

99

Die Entscheidungen, die bisher von Kammern des Bundesverfassungsgerichts zur einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergangen sind, stehen dieser Einschätzung nicht entgegen. Sie können insbesondere nicht als Hinweise auf eine verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der jeweils zugrunde liegenden Judikatur des Bundesgerichtshofs zur "isolierten" eigentumsverdrängenden Planung verstanden werden. Zusätzlich zum Ausspruch, dass die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wird, ist lediglich der Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. Juni 2009 (1 BvR 2269/07, juris) mit einer Begründung versehen. Danach befasst sich die Entscheidung aber nur mit der Auslegung der - hier nicht maßgeblichen - Vorschrift aus § 246a Abs. 1 Nr. 9 BauGB a.F. durch den Bundesgerichtshof und sieht diese als vertretbar an. Hingegen bleibt die Frage nach einer Möglichkeit der verfassungskonformen Auslegung im Fall einer "isolierten" eigentumsverdrängenden Planung "ansonsten" ausdrücklich unbeantwortet.

100

c) Das angegriffene Urteil des Bundesgerichtshofs beruht auf der Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Hätte der Bundesgerichtshof auf der Grundlage seiner Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der von ihm herangezogenen Vorschrift des Planungsschadensrechts - also hier der Reduktionsklausel aus § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB - seiner Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG entsprochen und damit die verfahrensrechtliche Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewahrt, hätte das Bundesverfassungsgericht im Verfahren der konkreten Normenkontrolle über die Frage der Verfassungsmäßigkeit entschieden. Es ist zumindest möglich, dass das Bundesverfassungsgericht die gesetzliche Regelung als verfassungsgemäß erachtet und die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz festgestellt hätte (wie etwa in den Fällen BVerfGE 77, 370; 78, 104). An diese Entscheidung mit Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 BVerfGG) wäre der Bundesgerichtshof dann für sein abschließendes Urteil gebunden gewesen, hätte die Reduktionsklausel also nicht unangewendet lassen können. Da keine anderen Anspruchsgrundlagen ersichtlich sind und sich insbesondere aus dem angegriffenen Urteil nicht ergeben, wäre auf dieser rechtlichen Grundlage eine Zurückweisung der Revision gegen das - den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückweisende - Berufungsurteil und damit eine vom angegriffenen Urteil abweichende Entscheidung jedenfalls möglich gewesen.

C.

101

Das angegriffene Urteil des Bundesgerichtshofs verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Deshalb ist die Entscheidung aufzuheben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Der Bundesgerichtshof erhält so Gelegenheit, seine Auffassung zur Verfassungswidrigkeit des aus seiner Sicht anzuwendenden Gesetzesrechts zu überprüfen und für den Fall, dass er an seiner bisherigen Überzeugung festhält, über eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 80 BVerfGG zu beschließen.

102

Die Auslagenentscheidung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

103

Die Entscheidung ist hinsichtlich der Beschwerdefähigkeit der Enteignungsbehörde mit 6 : 2 Stimmen und im Übrigen einstimmig ergangen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. Januar 2007 - 17 Sa 1323/06 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres zuletzt geschlossenen Arbeitsvertrags.

2

Die am 12. April 1945 geborene Klägerin war seit dem 15. März 1971 bei der P (P) als Flugbegleiterin beschäftigt. Zum 1. Mai 1991 wurde sie von der Beklagten in ein Arbeitsverhältnis übernommen. Hierzu hatten die Parteien am 15. März 1991 einen Arbeitsvertrag geschlossen, nach dessen Nr. 2 sich die gegenseitigen Rechte und Pflichten ua. aus den Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Dienstvorschriften der Beklagten in ihrer jeweils geltenden Fassung ergaben. Der Manteltarifvertrag Nr. 1 für das Kabinenpersonal der Beklagten (MTV Nr. 1 Kabine) lautet auszugsweise:

        

„§ 19 Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erreichens der Altersgrenze

        

(1)     

Das Arbeitsverhältnis endet - ohne dass es einer Kündigung bedarf - mit Ablauf des Monats, in dem das 55. Lebensjahr vollendet wird.

        

(2)     

Das Arbeitsverhältnis des Kabinenmitarbeiters kann bei körperlicher und beruflicher Eignung in beiderseitigem Einvernehmen über das 55. Lebensjahr hinaus verlängert werden.

                 

Wird das Arbeitsverhältnis des Kabinenmitarbeiters verlängert, so endet es - ohne dass es einer Kündigung bedarf - mit Ablauf des Monats, in dem der Kabinenmitarbeiter ein weiteres Lebensjahr vollendet hat. Eine wiederholte Verlängerung ist zulässig. In jedem Fall endet das Arbeitsverhältnis - ohne dass es einer Kündigung bedarf - mit Ablauf des Monats, in dem der Kabinenmitarbeiter das 60. Lebensjahr vollendet hat.

        

(3)     

Kabinenmitarbeiter können nach Erreichen der Altersgrenze, wenn und solange sie noch voll leistungsfähig sind, in einer anderen Tätigkeit innerhalb der Gesellschaft weiter beschäftigt werden, sofern eine fliegerische Tätigkeit nicht mehr in Betracht kommt. In diesem Fall kann jedoch aus der vorangegangenen Tätigkeit als Bordmitarbeiter kein Anspruch auf Fortzahlung der bis dahin gezahlten Bezüge abgeleitet werden. Eine Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung besteht weder auf Seiten der DLH noch auf Seiten des Kabinenmitarbeiters.“

3

Am 12. April 2000 vollendete die Klägerin ihr 55. Lebensjahr. Die Parteien schlossen in der Folgezeit entsprechend der in § 19 Abs. 2 Unterabs. 1 MTV Nr. 1 Kabine vorgesehenen Möglichkeit zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses mehrfach aufeinanderfolgende Arbeitsverträge über eine Beschäftigung in Teilzeit für den Zeitraum von jeweils einem Jahr, zuletzt am 23. Januar 2004 für die Zeit bis zum 30. April 2005. Der letzte Arbeitsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:

        

„Die … und … schließen im beiderseitigen Einvernehmen gemäß § 19 (2) MTV Nr. 1 für das Kabinenpersonal nachstehenden weiteren (5) befristeten Teilzeit-Arbeitsvertrag:

        

1.    

Beginn, Art und Ort der Beschäftigung

        

(1)     

        
        

Frau K wird ab dem 01.05.2004 als Flugbegleiterin in F beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf in jedem Falle am 30.04.2005.

        

(2)     

                 
        

…       

                 
        

Eine Umwandlung des (neu) begründeten Teilzeitbeschäftigungsverhältnisses in eine Vollzeitbeschäftigung sowie ein Wechsel des Teilzeit-Modells ist ausgeschlossen.

        

…       

        
                          
        

2.    

Rechte und Pflichten

        

(1)     

        
        

Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Gesetz, den Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen der Lufthansa in ihrer jeweils geltenden Fassung, sowie aus den Dienstvorschriften der Lufthansa und aus den Bestimmungen dieses Vertrages.“

4

Mit der am 13. April 2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2005 gewandt und ihre Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei unwirksam. Die Altersgrenze von 60 Jahren in § 19 Abs. 2 MTV Nr. 1 Kabine für das Kabinenpersonal sei weder aus sicherheitstechnischen noch aus anderen Gründen sachlich gerechtfertigt. Auf § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG in der bis zum 30. April 2007 geltenden Fassung (aF) könne sich die Beklagte nicht berufen. Die Bestimmung sei unionsrechtswidrig und dürfe nicht angewandt werden. Außerdem bestehe zwischen dem ursprünglichen unbefristeten Arbeitsvertrag und dem letzten befristeten Vertrag ein enger sachlicher Zusammenhang im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten nicht am 30. April 2005 sein Ende gefunden hat,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Flugbegleiterin in der Beschäftigungsgruppe der Flugbegleiterstufe 17 des Vergütungstarifvertrages der Lufthansa sowie zu den sonstigen Arbeitsbedingungen des Arbeitsvertrages vom 23. Januar 2004 weiterzubeschäftigen.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat gemeint, die in § 19 Abs. 2 MTV Nr. 1 Kabine bestimmte Altersgrenze sei wirksam. Sie sei sachlich gerechtfertigt, weil sie dem Schutz von Leben und Gesundheit der Besatzungsmitglieder und der Passagiere diene. Unabhängig hiervon lägen die Voraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG aF vor. Das Anschlussverbot in § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF stehe nicht entgegen. Der Wortlaut der Vorschrift sei eindeutig. Danach müsse ein sachlicher Zusammenhang mit einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag gegeben sein. Vor der letzten im Streit stehenden Befristung sei die Klägerin jedoch ebenfalls bereits befristet beschäftigt gewesen. Selbst vor dem 1. Mai 2000 habe sie nicht in einem unbefristeten Arbeitsvertrag im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF gestanden. Auch ein Arbeitsverhältnis mit einer Altersgrenze sei befristet.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

8

Der Senat hat mit Beschluss vom 16. Oktober 2008 (- 7 AZR 253/07 (A) - BAGE 128, 134) dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 234 EG aF folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

        

„Sind Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und/oder die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts so auszulegen, dass sie einer am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Regelung des nationalen Rechts entgegenstehen, wonach befristete Arbeitsverträge ohne weitere Voraussetzungen mit Arbeitnehmern vereinbart werden können, nur weil diese das 58. Lebensjahr vollendet haben?

        

Ist § 5 Abs. 1 der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung, die durch die Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 durchgeführt worden ist, dahingehend auszulegen, dass er einer Regelung des nationalen Rechts entgegensteht, die ohne weitere Voraussetzungen zeitlich unbegrenzt eine uneingeschränkte Anzahl aufeinander folgender sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge zulässt, nur weil der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet hat und nicht zu einem vorangegangenen unbefristeten Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht?

        

Für den Fall, dass die Fragen 1 und/oder 2 bejaht werden: Haben die nationalen Gerichte die Vorschrift des nationalen Rechts unangewendet zu lassen?“

9

Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 10. März 2011 (- C-109/09 - [Deutsche Lufthansa] EzA TzBfG § 14 Nr. 69 = NZA 2011, 397)für Recht erkannt:

        

„Paragraph 5 Nr. 1 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge ist dahin auszulegen, dass der Begriff ‚enger sachlicher Zusammenhang zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber’ in § 14 Abs. 3 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge vom 21. Dezember 2000 auf Sachverhalte anzuwenden ist, in denen einem befristeten Vertrag nicht unmittelbar ein unbefristeter Vertrag mit demselben Arbeitgeber vorausgegangen ist und zwischen diesen Verträgen ein Zeitraum von mehreren Jahren liegt, wenn während dieser gesamten Zeit das ursprüngliche Arbeitsverhältnis für dieselbe Tätigkeit und mit demselben Arbeitgeber durch eine ununterbrochene Folge befristeter Verträge fortgeführt worden ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts im Rahmen des Möglichen im Einklang mit Paragraph 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung auszulegen.“

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Befristungskontrollklage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 23. Januar 2004 vereinbarten Befristung am 30. April 2005 geendet. Die Befristung ist nicht nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG gerechtfertigt. Für die in § 19 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 3 MTV Nr. 1 Kabine enthaltene Altersgrenze von 60 Jahren für das Kabinenpersonal gibt es keinen sachlichen Grund. Die Befristung ist auch nicht sachgrundlos nach § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG aF gerechtfertigt. Die Unionsrechtskonformität dieser Bestimmung kann dahinstehen. Ihrer Anwendbarkeit steht im Streitfall bereits § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF entgegen. Der nach dieser Bestimmung erforderliche enge sachliche Zusammenhang liegt auch vor, wenn zwischen einem früheren unbefristeten Arbeitsvertrag und dem letzten befristeten Arbeitsvertrag mehrere, sich nahtlos aneinander anschließende befristete Arbeitsverträge lagen. Das ergibt die unionsrechtskonforme Auslegung der Vorschrift. Unbefristet im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF sind Arbeitsverträge auch, wenn sie auf unbestimmte Zeit geschlossen, aber mit kollektivrechtlichen, an ein fortgeschrittenes Lebensalter anknüpfenden Altersgrenzen verbunden sind. Hiernach besteht in vorliegendem Fall ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem unbefristeten Vertrag vom 15. März 1991 und dem letzten, am 23. Januar 2004 geschlossenen befristeten Vertrag. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

11

A. Die in zulässiger Weise bereits vor Ablauf der Befristung erhobene Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 TzBfG ist begründet. Die Befristung ist weder durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt noch als sachgrundlose Befristung wirksam.

12

I. Für die Befristung des Arbeitsverhältnisses besteht kein sachlicher Grund nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG.

13

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats unterliegen tarifliche Regelungen über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen aufgrund von Befristungen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle. Dazu gehören auch tarifliche Altersgrenzen (vgl. BAG 23. Juni 2010 - 7 AZR 1021/08 - Rn. 15 mwN, AP TzBfG § 14 Nr. 76 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 8; 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 26 mwN, AP TzBfG § 14 Nr. 77 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 10). Auch diese bedürfen daher zu ihrer Wirksamkeit eines sie rechtfertigenden Sachgrundes im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG(BAG 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - aaO).

14

2. Für die in § 19 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 3 MTV Nr. 1 Kabine enthaltene Altersgrenze von 60 Jahren für das Kabinenpersonal gibt es keinen sachlichen Grund. Der Senat hat das in seinem Vorlagebeschluss vom 16. Oktober 2008 (- 7 AZR 253/07 (A) - Rn. 18 bis 22, BAGE 128, 134) im Einzelnen ausgeführt und im Urteil vom 23. Juni 2010 (- 7 AZR 1021/08 - Rn. 14 bis 24, AP TzBfG § 14 Nr. 76 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 8) bestätigt. Hieran hält der Senat fest. Bei der Beurteilung des Sicherheitsrisikos, dessen Vermeidung einen Sachgrund für eine tarifliche Altersgrenze darstellen kann, haben die Tarifvertragsparteien zwar einen von den Gerichten für Arbeitssachen zu beachtenden Einschätzungsspielraum. Bei der streitbefangenen Altersgrenze haben sie diesen Spielraum aber überschritten. Beim Einsatz von Kabinenpersonal besteht kein annähernd vergleichbares Risiko für die Sicherheit des Flugverkehrs wie beim Einsatz des Cockpit-Personals, für das der Senat in der Vergangenheit eine Altersgrenze von 60 Jahren als sachlich gerechtfertigt erachtet hat. Fälle, in denen der altersbedingte Ausfall eines Flugbegleiters andere Menschen in ernste Gefahr bringen könnte, sind derart unwahrscheinlich, dass sie nicht geeignet sind, eine generelle Altersgrenze von 60 Jahren zu rechtfertigen (vgl. BAG 16. Oktober 2008 - 7 AZR 253/07 (A) - Rn. 14 bis 22, aaO unter Bezugnahme auf 31. Juli 2002 - 7 AZR 140/01 - zu B II 1 b der Gründe, BAGE 102, 65; 23. Juni 2010 - 7 AZR 1021/08 - Rn. 14 bis 24, aaO). Die Altersgrenze ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil das Kabinenpersonal Ansprüche aus einer tariflich geregelten Übergangsversorgung erwerben kann. Eine Übergangsversorgung ist allenfalls geeignet, eine an sich sachlich gerechtfertigte Altersgrenze als „noch eher“ zumutbar erscheinen zu lassen (BAG 23. Juni 2010 - 7 AZR 1021/08 - Rn. 23, aaO).

15

II. Die Befristung ist nicht nach § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG aF gerechtfertigt. Der Streitfall verlangt keine abschließende Klärung der Unionsrechtskonformität dieser Regelung. Vielmehr führt bereits die unionsrechtskonforme Auslegung des § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF dazu, dass sich die Beklagte nicht auf die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG aF berufen kann.

16

1. Die Vereinbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG aF mit dem Unionsrecht ist nicht abschließend geklärt. Wie sich aus den im Vorlagebeschluss vom 16. Oktober 2008 (- 7 AZR 253/07 (A) - BAGE 128, 134) formulierten Fragen und deren Begründung ergibt, hat der Senat Zweifel daran, ob § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG aF mit Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sowie mit § 5 Abs. 1 der durch die Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 durchgeführten EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (Rahmenvereinbarung) zu vereinbaren ist. Diese Zweifel sind durch das Urteil des Gerichtshofs vom 10. März 2011 (- C-109/09 - [Deutsche Lufthansa] EzA TzBfG § 14 Nr. 69 = NZA 2011, 397)nicht vollständig beseitigt. Diese Entscheidung verhält sich nicht abschließend zur Unionsrechtskonformität des § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG aF. Der Gerichtshof hat vielmehr für Recht erkannt, § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung sei dahin auszulegen, dass der Begriff „enger sachlicher Zusammenhang zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber“ in § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF auf bestimmte - näher beschriebene - Sachverhalte anzuwenden sei.

17

2. Der Senat gelangt nach erneuter Prüfung unter Berücksichtigung des Vorlagebeschlusses vom 16. Oktober 2008 (- 7 AZR 253/07 (A) - BAGE 128, 134) zu der Beurteilung, dass es vorliegend letztlich auf die Unionsrechtskonformität des § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG aF deshalb nicht ankommt, weil der Anwendung der Vorschrift im Streitfall § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF entgegensteht. Der nach dieser Vorschrift erforderliche „enge sachliche Zusammenhang“ besteht auch dann, wenn zwischen dem früheren unbefristeten Arbeitsvertrag und dem letzten befristeten Vertrag mehrere sich nahtlos aneinander anschließende befristete Verträge lagen. Soweit dem Vorlagebeschluss vom 16. Oktober 2008 (- 7 AZR 253/07 (A) - Rn. 27, aaO) etwas anderes entnommen werden kann, hält der Senat daran nicht fest. Der Annahme eines vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrags im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF steht nicht entgegen, wenn auf den früheren, auf unbestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsvertrag eine kollektivrechtliche, an ein fortgeschrittenes Lebensalter anknüpfende Altersgrenze Anwendung fand.

18

a) Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG aF bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrags keines sachlichen Grundes, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet hat. Nach § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF ist die Befristung nicht zulässig, wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist nach § 14 Abs. 3 Satz 3 TzBfG aF insbesondere anzunehmen, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten liegt. Auch bei einem zeitlich sehr viel längeren Abstand liegt ein enger sachlicher Zusammenhang zu dem früheren unbefristeten Arbeitsvertrag im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF dann vor, wenn während der gesamten Zeit das ursprüngliche Arbeitsverhältnis für dieselbe Tätigkeit und mit demselben Arbeitgeber durch eine ununterbrochene Folge befristeter Verträge fortgeführt wurde. Das ergibt die unionsrechtskonforme Auslegung des § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF.

19

aa) Der Wortlaut des § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF steht einem solchen weiten Verständnis der Bestimmung nicht entgegen.

20

(1) Der Begriff „vorhergehend“ ließe zwar auch ein Verständnis zu, wonach der enge sachliche Zusammenhang zu einem unmittelbar vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag bestehen muss. Zwingend ist dies aber nicht. Vom Wortlaut ebenso gedeckt ist ein Verständnis, wonach ein vorhergehender Vertrag auch dann vorliegen kann, wenn zwischen ihm und dem letzten Vertrag noch andere Verträge liegen (ebenso zu § 1 Abs. 3 Satz 1 BeschFG 1996 BAG 28. Juni 2000 - 7 AZR 920/98 - zu B V 3 b der Gründe, BAGE 95, 186).

21

(2) Auch die Gesetzesformulierung „enger sachlicher Zusammenhang“ zwingt insoweit zu keinem bestimmten Verständnis. Wie der Senat zu der entsprechenden Formulierung in der vormaligen Regelung in § 1 Abs. 3 Satz 1 BeschFG 1996 ausgeführt hat, kann eine wertende Gesamtbetrachtung erforderlich sein (vgl. BAG 28. Juni 2000 - 7 AZR 920/98 - zu B V 3 c der Gründe, BAGE 95, 186; 25. Oktober 2000 - 7 AZR 537/99 - zu B IV 3 a der Gründe, BAGE 96, 155; 25. April 2001 - 7 AZR 376/00 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 97, 317). Ein enger sachlicher Zusammenhang ist begrifflich jedenfalls nicht ausgeschlossen, wenn zwischen dem letzten, der Befristungskontrolle unterliegenden Arbeitsvertrag und dem das Anschlussverbot auslösenden unbefristeten Arbeitsvertrag mehrere Jahre liegen, in denen der Arbeitnehmer jeweils mit im Wesentlichen unveränderten Arbeitsbedingungen befristet beschäftigt war.

22

bb) Die Gesetzessystematik verbietet ein weites Verständnis des § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF ebenfalls nicht. Aus § 14 Abs. 3 Satz 3 TzBfG aF folgt nicht etwa, dass ein enger sachlicher Zusammenhang im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF immer dann auszuschließen wäre, wenn der Zeitraum zwischen den Verträgen deutlich mehr als sechs Monate beträgt. Zum einen regelt § 14 Abs. 3 Satz 3 TzBfG aF ausdrücklich nur den umgekehrten Fall, in dem der zeitliche Abstand weniger als sechs Monate beträgt. Zum anderen hat er ersichtlich in erster Linie die Fallgestaltungen im Auge, in denen zwischen den Verträgen keine Zeit der Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber lag.

23

cc) Auch aus der Gesetzesgeschichte lassen sich zwingende Schlussfolgerungen für die Auslegung von § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF nicht gewinnen.

24

dd) Entscheidend für die Auslegung sind unionsrechtliche Gesichtspunkte. Hierbei schließt sich der Senat den Erwägungen des Gerichtshofs im Urteil vom 10. März 2011 (- C-109/09 - [Deutsche Lufthansa] Rn. 40 bis 49, EzA TzBfG § 14 Nr. 69 = NZA 2011, 397)an.

25

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs müssen die nationalen Gerichte das innerstaatliche Recht so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der fraglichen Richtlinie unionsrechtskonform auslegen, um das in ihr festgestellte Ergebnis zu erreichen und somit der Pflicht aus Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen(vgl. EuGH 5. Oktober 2004 - C-397/01 bis C-403/01 - [Pfeiffer ua.] Rn. 113, Slg. 2004, I-8835). Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung verlangt dazu, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der danach anerkannten Auslegungsmethoden alles in ihrer Zuständigkeit liegende unternehmen, um die volle Wirksamkeit der fraglichen Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel übereinstimmt (EuGH 10. März 2011 - C-109/09 - [Deutsche Lufthansa] Rn. 55, EzA TzBfG § 14 Nr. 69 = NZA 2011, 397; 23. April 2009 - C-378/07 bis 380/07 - [Angelidaki ua.] Rn. 200, Slg. 2009, I-3071). Die unionsrechtskonforme Auslegung darf allerdings nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (vgl. EuGH 10. März 2011 - C-109/09 - [Deutsche Lufthansa] Rn. 54, aaO; 23. April 2009 - C-378/07 bis C-380/07 - [Angelidaki ua.] Rn. 199, aaO). Im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens urteilt der Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 1 AEUV nur über die Auslegung des Unionsrechts. Er ist nicht befugt, durch Vorabentscheidung über die Auslegung innerstaatlicher Rechtsvorschriften zu entscheiden (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10 und C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 30 mwN, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20). Die Entscheidungen des Gerichtshofs sind wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht verbindlich, wenn der Gerichtshof seine Kompetenz offensichtlich überschreitet und dieser Verstoß im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung sowie die rechtsstaatliche Gesetzesbindung erheblich ins Gewicht fällt (BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - [Honeywell] Rn. 61, BVerfGE 126, 286).

26

(2) Eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF ist im vorliegenden Fall geboten und möglich. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil vom 10. März 2011 (- C-109/09 - [Deutsche Lufthansa] EzA TzBfG § 14 Nr. 69 = NZA 2011, 397).

27

(a) Der Gerichtshof hat mit seinem Urteil vom 10. März 2011 (- C-109/09 - [Deutsche Lufthansa] EzA TzBfG § 14 Nr. 69 = NZA 2011, 397)seine Kompetenzen nicht überschritten. Indem er entschieden hat, dass das Unionsrecht notwendig eine bestimmte Auslegung des § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF gebiete, hat er keine Auslegung des nationalen Rechts, sondern eine solche des Unionsrechts vorgenommen. Der Umstand, dass das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hierauf nicht gerichtet war, führt nicht zu einer offensichtlichen Kompetenzüberschreitung des Gerichtshofs.

28

(b) Nach der Beurteilung des Gerichtshofs führt § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG aF dazu, dass das soziale Schutzniveau aller älteren Arbeitnehmer gesenkt wird, indem ihnen alle Schutzmaßnahmen vorenthalten werden, die in § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung genannt sind und einen missbräuchlichen Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge verhindern sollen(EuGH 10. März 2011 - C-109/09 - [Deutsche Lufthansa] Rn. 40, 41, EzA TzBfG § 14 Nr. 69 = NZA 2011, 397). § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF ist die einzige Begrenzung der durch § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG aF eröffneten Möglichkeit, bei Personen, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, eine unbeschränkte Zahl aufeinanderfolgender sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge abzuschließen (EuGH 10. März 2011 - C-109/09 - [Deutsche Lufthansa] Rn. 48, aaO). Um den Anwendungsbereich dieser einzigen Beschränkung nicht zu begrenzen, ist es unionsrechtlich geboten, einen „engen sachlichen Zusammenhang“ im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF auch in Fällen anzunehmen, in denen zwischen dem befristeten letzten und dem früheren unbefristeten Vertrag ein Zeitraum von mehreren Jahren liegt, sofern während dieser gesamten Zeit das ursprüngliche Arbeitsverhältnis für dieselbe Tätigkeit und mit demselben Arbeitgeber durch eine ununterbrochene Folge befristeter Verträge fortgeführt wurde(EuGH 10. März 2011 - C-109/09 - [Deutsche Lufthansa] Rn. 57, aaO). Eine andere Auslegung liefe der Zielsetzung der Rahmenvereinbarung und ihres § 5 Nr. 1 zuwider, die darin besteht, die Arbeitnehmer gegen unsichere Beschäftigungsverhältnisse zu schützen und den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu verhindern(EuGH 10. März 2011 - C-109/09 - [Deutsche Lufthansa] Rn. 50, aaO).

29

(c) Dem schließt sich der Senat an.

30

b) Der Annahme eines vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrags im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF steht nicht entgegen, wenn auf den auf unbestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsvertrag eine kollektivrechtliche, an ein fortgeschrittenes Lebensalter anknüpfende Altersgrenze Anwendung findet. Solche Verträge haben den Charakter von konsolidierten „Normalarbeitsverhältnissen“. Sie werden häufig als „auf unbestimmte Zeit geschlossen“ bezeichnet, ohne dass damit die Altersgrenze abbedungen wäre (vgl. BAG 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 19 bis 23 mwN, AP TzBfG § 14 Nr. 77 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 10). Im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF sind sie „unbefristet“. Auch das folgt aus der Auslegung der Vorschrift. Zwar unterwirft der Senat in ständiger Rechtsprechung auch tarifliche Altersgrenzen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle (vgl. BAG 23. Juni 2010 - 7 AZR 1021/08 - Rn. 15 mwN, AP TzBfG § 14 Nr. 76 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 8; 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 26 mwN, aaO). Das bedeutet aber nicht, dass alle mit einer tariflichen Altersgrenze verbundenen Arbeitsverträge dem Anwendungsbereich des § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF entzogen wären. Anderenfalls verlöre diese Regelung weitgehend ihren Anwendungsbereich. Das wiederum wäre mit ihrer unionsrechtlich gebotenen, § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG aF beschränkenden Funktion kaum vereinbar. Jedenfalls wäre ein solches Verständnis des § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF ohne ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen nicht möglich. Im Übrigen würde die Befristungskontrolle in einer Weise verschränkt, die mit den Erfordernissen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität kaum vereinbar wäre. In Fällen, in denen ein Vertrag mit einer Altersgrenze - etwa von 60 oder 65 Jahren - während seiner Laufzeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres durch einen nach § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG aF befristeten Vertrag abgelöst würde, müsste nämlich bei dessen Überprüfung inzident die Wirksamkeit der vormals vereinbarten, erst zu einem späteren Zeitpunkt wirkenden Altersgrenze überprüft werden.

31

3. Danach hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 30. April 2005 geendet. Zwar sind die Voraussetzungen einer sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG aF erfüllt. Im Zeitpunkt des am 23. Januar 2004 zuletzt vereinbarten befristeten Arbeitsvertrags hatte die Klägerin bereits das 58. Lebensjahr vollendet. Gleichwohl ist die Befristung aufgrund des Anschlussverbots nach § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF unzulässig. Zu dem vorhergehenden am 15. März 1991 begründeten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, das nach Erreichen der Altersgrenze von 55 Jahren am 30. April 2000 endete, besteht ein enger sachlicher Zusammenhang. Dieser Zusammenhang ist dadurch hergestellt, dass die Klägerin ab dem 1. Mai 2000 aufgrund von fünf aufeinanderfolgenden sachgrundlos zulässigen befristeten Arbeitsverträgen weiterbeschäftigt war. Das Arbeitsverhältnis vom 15. März 1991 war im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG aF unbefristet. Dem steht nicht entgegen, dass der durch arbeitsvertragliche Bezugnahme geltende § 19 Abs. 1, Abs. 2 Unterabs. 1 MTV Nr. 1 Kabine eine Altersgrenze von 55 Jahren vorsieht.

32

B. Der Klageantrag zu 2. ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Mit diesem Antrag macht die Klägerin den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Weiterbeschäftigungsanspruch für die Dauer des Rechtsstreits ( BAG 27. Februar 1985 - GS 1/84  - BAGE 48, 122 ) geltend. Der Rechtsstreit ist mit der Verkündung der Entscheidung des Senats über den Klageantrag zu 1. rechtskräftig abgeschlossen. Der Senat hat daher nicht zu prüfen, ob das Landesarbeitsgericht dem Weiterbeschäftigungsantrag zu Recht stattgegeben hat (st. Rspr., vgl. BAG 23. Juni 2010 - 7 AZR 1021/08 - Rn. 25, AP TzBfG § 14 Nr. 76 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 8).

33

C. Die Beklagte hat die Kosten nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Linsenmaier    

        

    Gallner    

        

    Kiel    

        

        

        

    Busch    

        

    Willms    

                 

(1) Versorgungsempfänger, deren Ansprüche aus einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht erfüllt werden, weil über das Vermögen des Arbeitgebers oder über seinen Nachlaß das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, und ihre Hinterbliebenen haben gegen den Träger der Insolvenzsicherung einen Anspruch in Höhe der Leistung, die der Arbeitgeber aufgrund der Versorgungszusage zu erbringen hätte, wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden wäre. Satz 1 gilt entsprechend,

1.
wenn Leistungen aus einer Direktversicherung aufgrund der in § 1b Abs. 2 Satz 3 genannten Tatbestände nicht gezahlt werden und der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nach § 1b Abs. 2 Satz 3 wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nachkommt,
2.
wenn eine Unterstützungskasse die nach ihrer Versorgungsregelung vorgesehene Versorgung nicht erbringt, weil über das Vermögen oder den Nachlass eines Arbeitgebers, der der Unterstützungskasse Zuwendungen leistet, das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist,
3.
wenn über das Vermögen oder den Nachlass des Arbeitgebers, dessen Versorgungszusage von einem Pensionsfonds oder einer Pensionskasse durchgeführt wird, das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und soweit der Pensionsfonds oder die Pensionskasse die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung nicht erbringt; ein Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht nicht, wenn eine Pensionskasse einem Sicherungsfonds nach dem Dritten Teil des Versicherungsaufsichtsgesetzes angehört oder in Form einer gemeinsamen Einrichtung nach § 4 des Tarifvertragsgesetzes organisiert ist.
§ 14 des Versicherungsvertragsgesetzes findet entsprechende Anwendung. Der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stehen bei der Anwendung der Sätze 1 bis 3 gleich
1.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse,
2.
der außergerichtliche Vergleich (Stundungs-, Quoten- oder Liquidationsvergleich) des Arbeitgebers mit seinen Gläubigern zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens, wenn ihm der Träger der Insolvenzsicherung zustimmt,
3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.

(1a) Der Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung entsteht mit dem Beginn des Kalendermonats, der auf den Eintritt des Sicherungsfalles folgt. Der Anspruch endet mit Ablauf des Sterbemonats des Begünstigten, soweit in der Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht etwas anderen bestimmt ist. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und 4 Nr. 1 und 3 umfaßt der Anspruch auch rückständige Versorgungsleistungen, soweit diese bis zu zwölf Monaten vor Entstehen der Leistungspflicht des Trägers der Insolvenzsicherung entstanden sind.

(2) Personen, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder bei Eintritt der nach Absatz 1 Satz 4 gleichstehenden Voraussetzungen (Sicherungsfall) eine nach § 1b unverfallbare Versorgungsanwartschaft haben, und ihre Hinterbliebenen haben bei Eintritt des Versorgungsfalls einen Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung, wenn die Anwartschaft beruht

1.
auf einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers,
2.
auf einer Direktversicherung und der Arbeitnehmer hinsichtlich der Leistungen des Versicherers widerruflich bezugsberechtigt ist oder die Leistungen auf Grund der in § 1b Absatz 2 Satz 3 genannten Tatbestände nicht gezahlt werden und der Arbeitgeber seiner Verpflichtung aus § 1b Absatz 2 Satz 3 wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nachkommt,
3.
auf einer Versorgungszusage des Arbeitgebers, die von einer Unterstützungskasse durchgeführt wird, oder
4.
auf einer Versorgungszusage des Arbeitgebers, die von einem Pensionsfonds oder einer Pensionskasse nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 durchgeführt wird, soweit der Pensionsfonds oder die Pensionskasse die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung nicht erbringt.

(2a) Die Höhe des Anspruchs nach Absatz 2 richtet sich

1.
bei unmittelbaren Versorgungszusagen, Unterstützungskassen und Pensionsfonds nach § 2 Absatz 1,
2.
bei Direktversicherungen nach § 2 Absatz 2 Satz 2,
3.
bei Pensionskassen nach § 2 Absatz 3 Satz 2.
Die Betriebszugehörigkeit wird bis zum Eintritt des Sicherungsfalls berücksichtigt. § 2 Absatz 5 und 6 gilt entsprechend. Veränderungen der Versorgungsregelung und der Bemessungsgrundlagen, die nach dem Eintritt des Sicherungsfalls eintreten, sind nicht zu berücksichtigen; § 2a Absatz 2 findet keine Anwendung.

(3) Ein Anspruch auf laufende Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung beträgt jedoch im Monat höchstens das Dreifache der im Zeitpunkt der ersten Fälligkeit maßgebenden monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Satz 1 gilt entsprechend bei einem Anspruch auf Kapitalleistungen mit der Maßgabe, daß zehn vom Hundert der Leistung als Jahresbetrag einer laufenden Leistung anzusetzen sind.

(4) Ein Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung vermindert sich in dem Umfang, in dem der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erbringt. Wird im Insolvenzverfahren ein Insolvenzplan bestätigt, vermindert sich der Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung insoweit, als nach dem Insolvenzplan der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung einen Teil der Leistungen selbst zu erbringen hat. Sieht der Insolvenzplan vor, daß der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung von einem bestimmten Zeitpunkt an selbst zu erbringen hat, so entfällt der Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung von diesem Zeitpunkt an. Die Sätze 2 und 3 sind für den außergerichtlichen Vergleich nach Absatz 1 Satz 4 Nr. 2 entsprechend anzuwenden. Im Insolvenzplan soll vorgesehen werden, daß bei einer nachhaltigen Besserung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers die vom Träger der Insolvenzsicherung zu erbringenden Leistungen ganz oder zum Teil vom Arbeitgeber oder sonstigen Träger der Versorgung wieder übernommen werden.

(5) Ein Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht nicht, soweit nach den Umständen des Falles die Annahme gerechtfertigt ist, daß es der alleinige oder überwiegende Zweck der Versorgungszusage oder ihre Verbesserung oder der für die Direktversicherung in § 1b Abs. 2 Satz 3 genannten Tatbestände gewesen ist, den Träger der Insolvenzsicherung in Anspruch zu nehmen. Diese Annahme ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn bei Erteilung oder Verbesserung der Versorgungszusage wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers zu erwarten war, daß die Zusage nicht erfüllt werde. Ein Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht bei Zusagen und Verbesserungen von Zusagen, die in den beiden letzten Jahren vor dem Eintritt des Sicherungsfalls erfolgt sind, nur

1.
für ab dem 1. Januar 2002 gegebene Zusagen, soweit bei Entgeltumwandlung Beträge von bis zu 4 vom Hundert der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für eine betriebliche Altersversorgung verwendet werden oder
2.
für im Rahmen von Übertragungen gegebene Zusagen, soweit der Übertragungswert die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigt.

(6) Ist der Sicherungsfall durch kriegerische Ereignisse, innere Unruhen, Naturkatastrophen oder Kernenergie verursacht worden, kann der Träger der Insolvenzsicherung mit Zustimmung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Leistungen nach billigem Ermessen abweichend von den Absätzen 1 bis 5 festsetzen.

(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 genannten Versorgungsträger erfolgen. Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.

(2) Betriebliche Altersversorgung liegt auch vor, wenn

1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln (beitragsorientierte Leistungszusage),
2.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zu zahlen und für Leistungen zur Altersversorgung das planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital auf der Grundlage der gezahlten Beiträge (Beiträge und die daraus erzielten Erträge), mindestens die Summe der zugesagten Beiträge, soweit sie nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden, hierfür zur Verfügung zu stellen (Beitragszusage mit Mindestleistung),
2a.
der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet wird, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung nach § 22 zu zahlen; die Pflichten des Arbeitgebers nach Absatz 1 Satz 3, § 1a Absatz 4 Satz 2, den §§ 1b bis 6 und 16 sowie die Insolvenzsicherungspflicht nach dem Vierten Abschnitt bestehen nicht (reine Beitragszusage),
3.
künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden (Entgeltumwandlung) oder
4.
der Arbeitnehmer Beiträge aus seinem Arbeitsentgelt zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung leistet und die Zusage des Arbeitgebers auch die Leistungen aus diesen Beiträgen umfasst; die Regelungen für Entgeltumwandlung sind hierbei entsprechend anzuwenden, soweit die zugesagten Leistungen aus diesen Beiträgen im Wege der Kapitaldeckung finanziert werden.

(1) Versorgungsempfänger, deren Ansprüche aus einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht erfüllt werden, weil über das Vermögen des Arbeitgebers oder über seinen Nachlaß das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, und ihre Hinterbliebenen haben gegen den Träger der Insolvenzsicherung einen Anspruch in Höhe der Leistung, die der Arbeitgeber aufgrund der Versorgungszusage zu erbringen hätte, wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden wäre. Satz 1 gilt entsprechend,

1.
wenn Leistungen aus einer Direktversicherung aufgrund der in § 1b Abs. 2 Satz 3 genannten Tatbestände nicht gezahlt werden und der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nach § 1b Abs. 2 Satz 3 wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nachkommt,
2.
wenn eine Unterstützungskasse die nach ihrer Versorgungsregelung vorgesehene Versorgung nicht erbringt, weil über das Vermögen oder den Nachlass eines Arbeitgebers, der der Unterstützungskasse Zuwendungen leistet, das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist,
3.
wenn über das Vermögen oder den Nachlass des Arbeitgebers, dessen Versorgungszusage von einem Pensionsfonds oder einer Pensionskasse durchgeführt wird, das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und soweit der Pensionsfonds oder die Pensionskasse die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung nicht erbringt; ein Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht nicht, wenn eine Pensionskasse einem Sicherungsfonds nach dem Dritten Teil des Versicherungsaufsichtsgesetzes angehört oder in Form einer gemeinsamen Einrichtung nach § 4 des Tarifvertragsgesetzes organisiert ist.
§ 14 des Versicherungsvertragsgesetzes findet entsprechende Anwendung. Der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stehen bei der Anwendung der Sätze 1 bis 3 gleich
1.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse,
2.
der außergerichtliche Vergleich (Stundungs-, Quoten- oder Liquidationsvergleich) des Arbeitgebers mit seinen Gläubigern zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens, wenn ihm der Träger der Insolvenzsicherung zustimmt,
3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.

(1a) Der Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung entsteht mit dem Beginn des Kalendermonats, der auf den Eintritt des Sicherungsfalles folgt. Der Anspruch endet mit Ablauf des Sterbemonats des Begünstigten, soweit in der Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht etwas anderen bestimmt ist. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und 4 Nr. 1 und 3 umfaßt der Anspruch auch rückständige Versorgungsleistungen, soweit diese bis zu zwölf Monaten vor Entstehen der Leistungspflicht des Trägers der Insolvenzsicherung entstanden sind.

(2) Personen, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder bei Eintritt der nach Absatz 1 Satz 4 gleichstehenden Voraussetzungen (Sicherungsfall) eine nach § 1b unverfallbare Versorgungsanwartschaft haben, und ihre Hinterbliebenen haben bei Eintritt des Versorgungsfalls einen Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung, wenn die Anwartschaft beruht

1.
auf einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers,
2.
auf einer Direktversicherung und der Arbeitnehmer hinsichtlich der Leistungen des Versicherers widerruflich bezugsberechtigt ist oder die Leistungen auf Grund der in § 1b Absatz 2 Satz 3 genannten Tatbestände nicht gezahlt werden und der Arbeitgeber seiner Verpflichtung aus § 1b Absatz 2 Satz 3 wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nachkommt,
3.
auf einer Versorgungszusage des Arbeitgebers, die von einer Unterstützungskasse durchgeführt wird, oder
4.
auf einer Versorgungszusage des Arbeitgebers, die von einem Pensionsfonds oder einer Pensionskasse nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 durchgeführt wird, soweit der Pensionsfonds oder die Pensionskasse die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung nicht erbringt.

(2a) Die Höhe des Anspruchs nach Absatz 2 richtet sich

1.
bei unmittelbaren Versorgungszusagen, Unterstützungskassen und Pensionsfonds nach § 2 Absatz 1,
2.
bei Direktversicherungen nach § 2 Absatz 2 Satz 2,
3.
bei Pensionskassen nach § 2 Absatz 3 Satz 2.
Die Betriebszugehörigkeit wird bis zum Eintritt des Sicherungsfalls berücksichtigt. § 2 Absatz 5 und 6 gilt entsprechend. Veränderungen der Versorgungsregelung und der Bemessungsgrundlagen, die nach dem Eintritt des Sicherungsfalls eintreten, sind nicht zu berücksichtigen; § 2a Absatz 2 findet keine Anwendung.

(3) Ein Anspruch auf laufende Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung beträgt jedoch im Monat höchstens das Dreifache der im Zeitpunkt der ersten Fälligkeit maßgebenden monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Satz 1 gilt entsprechend bei einem Anspruch auf Kapitalleistungen mit der Maßgabe, daß zehn vom Hundert der Leistung als Jahresbetrag einer laufenden Leistung anzusetzen sind.

(4) Ein Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung vermindert sich in dem Umfang, in dem der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erbringt. Wird im Insolvenzverfahren ein Insolvenzplan bestätigt, vermindert sich der Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung insoweit, als nach dem Insolvenzplan der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung einen Teil der Leistungen selbst zu erbringen hat. Sieht der Insolvenzplan vor, daß der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung von einem bestimmten Zeitpunkt an selbst zu erbringen hat, so entfällt der Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung von diesem Zeitpunkt an. Die Sätze 2 und 3 sind für den außergerichtlichen Vergleich nach Absatz 1 Satz 4 Nr. 2 entsprechend anzuwenden. Im Insolvenzplan soll vorgesehen werden, daß bei einer nachhaltigen Besserung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers die vom Träger der Insolvenzsicherung zu erbringenden Leistungen ganz oder zum Teil vom Arbeitgeber oder sonstigen Träger der Versorgung wieder übernommen werden.

(5) Ein Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht nicht, soweit nach den Umständen des Falles die Annahme gerechtfertigt ist, daß es der alleinige oder überwiegende Zweck der Versorgungszusage oder ihre Verbesserung oder der für die Direktversicherung in § 1b Abs. 2 Satz 3 genannten Tatbestände gewesen ist, den Träger der Insolvenzsicherung in Anspruch zu nehmen. Diese Annahme ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn bei Erteilung oder Verbesserung der Versorgungszusage wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers zu erwarten war, daß die Zusage nicht erfüllt werde. Ein Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht bei Zusagen und Verbesserungen von Zusagen, die in den beiden letzten Jahren vor dem Eintritt des Sicherungsfalls erfolgt sind, nur

1.
für ab dem 1. Januar 2002 gegebene Zusagen, soweit bei Entgeltumwandlung Beträge von bis zu 4 vom Hundert der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für eine betriebliche Altersversorgung verwendet werden oder
2.
für im Rahmen von Übertragungen gegebene Zusagen, soweit der Übertragungswert die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigt.

(6) Ist der Sicherungsfall durch kriegerische Ereignisse, innere Unruhen, Naturkatastrophen oder Kernenergie verursacht worden, kann der Träger der Insolvenzsicherung mit Zustimmung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Leistungen nach billigem Ermessen abweichend von den Absätzen 1 bis 5 festsetzen.

(1) Für die Vergangenheit kann der Berechtigte Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur von dem Zeitpunkt an fordern, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu welchem der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist. Der Unterhalt wird ab dem Ersten des Monats, in den die bezeichneten Ereignisse fallen, geschuldet, wenn der Unterhaltsanspruch dem Grunde nach zu diesem Zeitpunkt bestanden hat.

(2) Der Berechtigte kann für die Vergangenheit ohne die Einschränkung des Absatzes 1 Erfüllung verlangen

1.
wegen eines unregelmäßigen außergewöhnlich hohen Bedarfs (Sonderbedarf); nach Ablauf eines Jahres seit seiner Entstehung kann dieser Anspruch nur geltend gemacht werden, wenn vorher der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Anspruch rechtshängig geworden ist;
2.
für den Zeitraum, in dem er
a)
aus rechtlichen Gründen oder
b)
aus tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Unterhaltspflichtigen fallen,
an der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gehindert war.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2 kann Erfüllung nicht, nur in Teilbeträgen oder erst zu einem späteren Zeitpunkt verlangt werden, soweit die volle oder die sofortige Erfüllung für den Verpflichteten eine unbillige Härte bedeuten würde. Dies gilt auch, soweit ein Dritter vom Verpflichteten Ersatz verlangt, weil er anstelle des Verpflichteten Unterhalt gewährt hat.

(1) Versorgungsempfänger, deren Ansprüche aus einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht erfüllt werden, weil über das Vermögen des Arbeitgebers oder über seinen Nachlaß das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, und ihre Hinterbliebenen haben gegen den Träger der Insolvenzsicherung einen Anspruch in Höhe der Leistung, die der Arbeitgeber aufgrund der Versorgungszusage zu erbringen hätte, wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden wäre. Satz 1 gilt entsprechend,

1.
wenn Leistungen aus einer Direktversicherung aufgrund der in § 1b Abs. 2 Satz 3 genannten Tatbestände nicht gezahlt werden und der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nach § 1b Abs. 2 Satz 3 wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nachkommt,
2.
wenn eine Unterstützungskasse die nach ihrer Versorgungsregelung vorgesehene Versorgung nicht erbringt, weil über das Vermögen oder den Nachlass eines Arbeitgebers, der der Unterstützungskasse Zuwendungen leistet, das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist,
3.
wenn über das Vermögen oder den Nachlass des Arbeitgebers, dessen Versorgungszusage von einem Pensionsfonds oder einer Pensionskasse durchgeführt wird, das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und soweit der Pensionsfonds oder die Pensionskasse die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung nicht erbringt; ein Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht nicht, wenn eine Pensionskasse einem Sicherungsfonds nach dem Dritten Teil des Versicherungsaufsichtsgesetzes angehört oder in Form einer gemeinsamen Einrichtung nach § 4 des Tarifvertragsgesetzes organisiert ist.
§ 14 des Versicherungsvertragsgesetzes findet entsprechende Anwendung. Der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stehen bei der Anwendung der Sätze 1 bis 3 gleich
1.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse,
2.
der außergerichtliche Vergleich (Stundungs-, Quoten- oder Liquidationsvergleich) des Arbeitgebers mit seinen Gläubigern zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens, wenn ihm der Träger der Insolvenzsicherung zustimmt,
3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.

(1a) Der Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung entsteht mit dem Beginn des Kalendermonats, der auf den Eintritt des Sicherungsfalles folgt. Der Anspruch endet mit Ablauf des Sterbemonats des Begünstigten, soweit in der Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht etwas anderen bestimmt ist. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und 4 Nr. 1 und 3 umfaßt der Anspruch auch rückständige Versorgungsleistungen, soweit diese bis zu zwölf Monaten vor Entstehen der Leistungspflicht des Trägers der Insolvenzsicherung entstanden sind.

(2) Personen, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder bei Eintritt der nach Absatz 1 Satz 4 gleichstehenden Voraussetzungen (Sicherungsfall) eine nach § 1b unverfallbare Versorgungsanwartschaft haben, und ihre Hinterbliebenen haben bei Eintritt des Versorgungsfalls einen Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung, wenn die Anwartschaft beruht

1.
auf einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers,
2.
auf einer Direktversicherung und der Arbeitnehmer hinsichtlich der Leistungen des Versicherers widerruflich bezugsberechtigt ist oder die Leistungen auf Grund der in § 1b Absatz 2 Satz 3 genannten Tatbestände nicht gezahlt werden und der Arbeitgeber seiner Verpflichtung aus § 1b Absatz 2 Satz 3 wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nachkommt,
3.
auf einer Versorgungszusage des Arbeitgebers, die von einer Unterstützungskasse durchgeführt wird, oder
4.
auf einer Versorgungszusage des Arbeitgebers, die von einem Pensionsfonds oder einer Pensionskasse nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 durchgeführt wird, soweit der Pensionsfonds oder die Pensionskasse die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung nicht erbringt.

(2a) Die Höhe des Anspruchs nach Absatz 2 richtet sich

1.
bei unmittelbaren Versorgungszusagen, Unterstützungskassen und Pensionsfonds nach § 2 Absatz 1,
2.
bei Direktversicherungen nach § 2 Absatz 2 Satz 2,
3.
bei Pensionskassen nach § 2 Absatz 3 Satz 2.
Die Betriebszugehörigkeit wird bis zum Eintritt des Sicherungsfalls berücksichtigt. § 2 Absatz 5 und 6 gilt entsprechend. Veränderungen der Versorgungsregelung und der Bemessungsgrundlagen, die nach dem Eintritt des Sicherungsfalls eintreten, sind nicht zu berücksichtigen; § 2a Absatz 2 findet keine Anwendung.

(3) Ein Anspruch auf laufende Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung beträgt jedoch im Monat höchstens das Dreifache der im Zeitpunkt der ersten Fälligkeit maßgebenden monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Satz 1 gilt entsprechend bei einem Anspruch auf Kapitalleistungen mit der Maßgabe, daß zehn vom Hundert der Leistung als Jahresbetrag einer laufenden Leistung anzusetzen sind.

(4) Ein Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung vermindert sich in dem Umfang, in dem der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erbringt. Wird im Insolvenzverfahren ein Insolvenzplan bestätigt, vermindert sich der Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung insoweit, als nach dem Insolvenzplan der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung einen Teil der Leistungen selbst zu erbringen hat. Sieht der Insolvenzplan vor, daß der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung von einem bestimmten Zeitpunkt an selbst zu erbringen hat, so entfällt der Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung von diesem Zeitpunkt an. Die Sätze 2 und 3 sind für den außergerichtlichen Vergleich nach Absatz 1 Satz 4 Nr. 2 entsprechend anzuwenden. Im Insolvenzplan soll vorgesehen werden, daß bei einer nachhaltigen Besserung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers die vom Träger der Insolvenzsicherung zu erbringenden Leistungen ganz oder zum Teil vom Arbeitgeber oder sonstigen Träger der Versorgung wieder übernommen werden.

(5) Ein Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht nicht, soweit nach den Umständen des Falles die Annahme gerechtfertigt ist, daß es der alleinige oder überwiegende Zweck der Versorgungszusage oder ihre Verbesserung oder der für die Direktversicherung in § 1b Abs. 2 Satz 3 genannten Tatbestände gewesen ist, den Träger der Insolvenzsicherung in Anspruch zu nehmen. Diese Annahme ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn bei Erteilung oder Verbesserung der Versorgungszusage wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers zu erwarten war, daß die Zusage nicht erfüllt werde. Ein Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht bei Zusagen und Verbesserungen von Zusagen, die in den beiden letzten Jahren vor dem Eintritt des Sicherungsfalls erfolgt sind, nur

1.
für ab dem 1. Januar 2002 gegebene Zusagen, soweit bei Entgeltumwandlung Beträge von bis zu 4 vom Hundert der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für eine betriebliche Altersversorgung verwendet werden oder
2.
für im Rahmen von Übertragungen gegebene Zusagen, soweit der Übertragungswert die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigt.

(6) Ist der Sicherungsfall durch kriegerische Ereignisse, innere Unruhen, Naturkatastrophen oder Kernenergie verursacht worden, kann der Träger der Insolvenzsicherung mit Zustimmung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Leistungen nach billigem Ermessen abweichend von den Absätzen 1 bis 5 festsetzen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 23. Juli 2012 - 2 Sa 340/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Stufenzuordnung nach einer Herabgruppierung bei vorheriger Vergütung aus einer individuellen Endstufe.

2

Die Klägerin ist bei dem beklagten Land langjährig als Lehrerin an einer Förderschule beschäftigt. Ausweislich § 2 des Arbeitsvertrags in der Fassung vom 8. Juli/1. August 1992 bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechtes - manteltarifrechtliche Vorschriften - (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Nach § 3 dieses Vertrags richtete sich die Eingruppierung nach Abschnitt E der Richtlinien der TdL über die Eingruppierung der nicht von der Anlage 1a zum BAT-O erfassten Angestellten vom 24. Juni 1991. Demnach war die Klägerin in die Vergütungsgruppe IVa BAT-O eingruppiert.

3

Mit Änderungsvertrag vom 1. August 1997 wurde der Klägerin die Funktion der ständigen Vertreterin des Schulleiters einer Förderschule auf Dauer übertragen. § 1 dieses Änderungsvertrags lautet auszugsweise wie folgt:

        

„Die Eingruppierung bestimmt sich nach § 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O vom 08.05.1991 in Verbindung mit den landesbesoldungsrechtlichen Einstufungen vergleichbarer Beamter und erfolgt mit Wirkung vom 01.08.1997 nach Vergütungsgruppe Ib BAT-O.

        

Die Eingruppierung erfolgt nach Maßgabe der für die entsprechende besoldungsrechtliche Einstufung zu beachtenden Schülerzahl. Soweit diese Schülerzahl nach Maßgabe der jährlich amtlichen Schulstatistik unterschritten wird, besteht Einvernehmen, daß die Eingruppierung unter Beachtung der sonst für eine ordentliche Änderungskündigung zu beachtenden Frist entsprechend der dann besoldungsrechtlich vorgesehenen Einstufung angepaßt wird.“

4

Seit dem 1. November 2006 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vom 12. Oktober 2006 und dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) vom 12. Oktober 2006. Entsprechend der Anlage 2 Teil B zu § 4 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder erfolgte eine Überleitung von der Vergütungsgruppe Ib BAT-O in die Entgeltgruppe 14 TV-L. Ausgehend von dem nach § 5 TVÜ-Länder zu bildenden Vergleichsentgelt wurde gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Länder eine Zuordnung der Klägerin zu einer individuellen Endstufe der Entgeltgruppe 14 TV-L vorgenommen. Im November 2006 führte dies zu einer Differenz von 264,98 Euro brutto gegenüber der Endstufe der Entgeltgruppe 14 TV-L.

5

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 teilte das Staatliche Schulamt der Klägerin mit, dass sich ausweislich der amtlichen Schulstatistik die Schülerzahl an der Schule der Klägerin auf 162 verringert habe. Entsprechend der besoldungsrechtlichen Vorgaben erhalte sie deshalb mit Wirkung vom 1. Juli 2010 Vergütung nach „Entgeltgruppe 13 gD TV-L“. Mit Änderungsvertrag vom 14. Dezember 2009/19. April 2010 vereinbarten die Parteien unter § 1 auszugsweise Folgendes:

        

„Für die Eingruppierung gelten die Abschnitte A und B der Richtlinie der Tarifgemeinschaft deutscher Länder über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte-Ost (Lehrer-Richtlinien-O der TdL) in der jeweiligen Fassung in Verbindung mit Anlage 2 Teil B/Anlage 4 Teil B TVÜ-Länder und den landesbesoldungsrechtlichen Einstufungen vergleichbarer Beamter.

        

Die Eingruppierung erfolgt in die Entgeltgruppe E 13 gD TV-L mit Wirkung vom 01.07.2010.“

6

Bis Juli 2010 erhielt die Klägerin zuletzt 5.131,93 Euro brutto. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus dem Entgelt nach Entgeltgruppe 14 TV-L in der Stufe 5 iHv. 4.718,19 Euro brutto monatlich. Hinzu kamen für ein Kind der „Besitzstand Ortszuschlag“ iHv. 97,15 Euro brutto sowie als sog. Zulage die auf 316,59 Euro angestiegene individuelle Endstufe. Im Juli 2010 bezog die Klägerin ein Entgelt nach Entgeltgruppe 13 Stufe 5 TV-L iHv. 4.428,29 Euro brutto sowie unverändert einen „Besitzstand Ortszuschlag“ für ein Kind iHv. 97,15 Euro brutto. Es ergab sich ein Betrag von 4.525,44 Euro brutto. Irrtümlich leistete das beklagte Land im Monat Juli 2010 zudem noch die bisherige Zulage iHv. 316,59 Euro, korrigierte dies jedoch durch Aufrechnung in den Folgemonaten. Bezogen auf die bisherige Vergütung von 5.131,93 Euro brutto hatte die Klägerin daher für den Juli 2010 letztlich eine Verminderung iHv. 606,49 Euro brutto zu verzeichnen.

7

Mit ihrer am 3. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Reduzierung ihrer Vergütung gewandt. Die individuelle Endstufe sei auch nach der Herabgruppierung beizubehalten. Sie stehe in keinem Zusammenhang mit gesunkenen Schülerzahlen, sondern sei eine Besitzstandssicherung im Rahmen der Überleitung in den TV-L. Der Änderungsvertrag vom 14. Dezember 2009/19. April 2010 habe nur die Eingruppierung zum Gegenstand. Da der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 24. März 2011 erstmals die Auffassung vertreten habe, dass sie (die Klägerin) mit Abschluss dieses Änderungsvertrags unabhängig von einer Tarifautomatik einzelvertraglich in den Wegfall der individuellen Endstufe eingewilligt habe, habe sie noch in dieser Verhandlung - und damit unverzüglich - ihr Einverständnis zum Abschluss dieses Änderungsvertrags wegen Erklärungsirrtums angefochten. Sie sei lediglich mit einer Neueingruppierung einverstanden gewesen.

8

Erstinstanzlich hat die Klägerin deshalb mit vier bezifferten Leistungsanträgen die unveränderte Fortzahlung der bisherigen Vergütung verlangt. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Vor dem Landesarbeitsgericht hat die Klägerin die bisherigen Anträge zurückgenommen und ab dem 1. Juli 2010 eine Vergütung verlangt, die einer Überleitung aus der Vergütungsgruppe IIa BAT-O in die Entgeltgruppe 13 TV-L einschließlich einer individuellen Zwischen- oder Endstufe entspricht.

9

Nach Auffassung der Klägerin ergibt sich dies aus § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L, wonach bei einer Eingruppierung in eine niedrigere Entgeltgruppe die oder der Beschäftige der in der höheren Entgeltgruppe erreichten Stufe zuzuordnen ist. Für den Fall der Überleitung in eine Entgeltgruppe mit einer individuellen Endstufe müsse bei einer späteren Herabgruppierung wiederum eine individuelle Zwischen- oder Endstufe gebildet werden. Die „erreichte Stufe“ iSd. § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L sei die individuelle Endstufe. Anderenfalls sei eine stufengleiche Zuordnung nicht möglich und es liege eine Tariflücke vor. Im Fall einer bewussten Regelungslücke hätten die Tarifvertragsparteien gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, wenn die Herabgruppierung bei einer individuellen Endstufe eine Reduzierung des Einkommens zur Folge hätte. Dies zeige sich durch den Vergleich mit der Vergütung einer Kollegin, welche nicht als ständige Vertreterin des Schulleiters fungiert. Bei einer Überleitung in die Entgeltgruppe 13 TV-L mit einer individuellen Endstufe behalte diese Kollegin die Endstufe. Eine Herabgruppierung wegen sinkender Schülerzahlen finde nicht statt. Demgegenüber führe die Herabgruppierung für sie (die Klägerin) zu einem Verlust der individuellen Endstufe mit der Folge eines im Verhältnis zu ihrer Kollegin um 126,67 Euro brutto monatlich niedrigeren Einkommens. Hierfür habe sie zusätzlich die Belastung als Mitglied der Schulleitung zu tragen. Für diese Schlechterstellung bestehe kein ausreichendes Differenzierungskriterium.

10

Im Fall einer unbewussten Regelungslücke sei diese durch die entsprechende Anwendung der für Herabgruppierungen bis zum 1. November 2008 geltenden Regelung des § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder zu schließen. Danach werden Beschäftigte bei Herabgruppierungen in der niedrigeren Entgeltgruppe derjenigen individuellen Zwischenstufe zugeordnet, die sich bei einer Herabgruppierung im Oktober 2006 ergeben hätte. In entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder sei in ihrem Fall die individuelle Zwischen- oder Endstufe maßgeblich, die sich bei einer fiktiven Herabgruppierung von der Vergütungsgruppe Ib BAT-O in die Vergütungsgruppe IIa BAT-O im Oktober 2006 und der daraus folgenden Überleitung in die Entgeltgruppe 13 TV-L ergeben würde.

11

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, an die Klägerin ab dem 1. Juli 2010 eine Vergütung zu zahlen, die einer Überleitung aus der Vergütungsgruppe IIa BAT-O am 1. November 2006 in die Entgeltgruppe 13 TV-L einschließlich einer individuellen Zwischen- oder Endstufe entspricht.

12

Das beklagte Land hat seinen Klageabweisungsantrag mit dem Fehlen einer Anspruchsgrundlage begründet. Die wegen reduzierter Schülerzahlen erfolgte Herabgruppierung führe nach den tariflichen Vorgaben zum Verlust der individuellen Endstufe. § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder gelte nach seinem eindeutigen Wortlaut nur für Herabgruppierungen vor dem 1. November 2008. Die vorliegend im Jahr 2010 erfolgte Herabgruppierung führe folglich zu einer Stufenzuordnung nach § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L. Danach sei die Zuordnung zu einer individuellen Zwischen- oder Endstufe nicht mehr vorgesehen. Die Zahlung der individuellen Endstufe nach § 6 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Länder gelte nur für die Dauer des Verbleibs in dieser Entgeltgruppe.

13

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Der zuletzt gestellte Antrag setzt eine wirksame Herabgruppierung in die Entgeltgruppe 13 TV-L und hinsichtlich der Stufenzuordnung eine Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder voraus. Die Parteien haben mit dem Änderungsvertrag vom 14. Dezember 2009/19. April 2010 zwar eine solche Herabgruppierung wirksam vereinbart. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf die begehrte Vergütung entsprechend einer fiktiven Überleitung nach § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder.

15

I. Die Parteien vereinbarten in § 1 des Änderungsvertrags vom 14. Dezember 2009/19. April 2010 wirksam eine Herabgruppierung von der Entgeltgruppe 14 TV-L in die Entgeltgruppe 13 TV-L. Hiervon geht nach Änderung des Klageantrags nunmehr auch die Klägerin aus.

16

1. Wegen der vereinbarten Anwendbarkeit beamtenrechtlicher Regelungen bedurfte es zur Wirksamkeit einer Herabgruppierung einer Vertragsänderung.

17

a) Nach § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrags Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991 sind die angestellten Lehrkräfte in diejenige Vergütungsgruppe des BAT-O eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. Auf diese Tarifvorschrift nehmen die Richtlinien der TdL über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte (Ost) (Lehrer-Richtlinien-O der TdL) in Abschnitt A Nr. 1 Bezug (zu deren Fortgeltung ab dem 1. Januar 2012 vgl. § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 7 Satz 2 TVÜ-Länder).

18

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt bei Anwendbarkeit des § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrags Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991 in der dauerhaften Übertragung einer Schulleiterstelle zugleich die Begründung eines arbeitsvertraglichen Anspruchs auf die der übertragenen Stelle entsprechende Vergütung (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 451/10 - Rn. 21). Dies entspricht der Gleichstellung mit den beamteten Lehrkräften. Im Grundsatz ist daher auch bei einem Absinken der Schülerzahlen unter den für die Eingruppierung maßgeblichen Schwellenwert die mit der ursprünglich übertragenen Funktion verbundene Vergütung fortzuzahlen. Eine Herabgruppierung erfordert eine Änderungsvereinbarung oder eine sozial gerechtfertigte Änderungskündigung. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass dem für die beamteten Lehrkräfte maßgeblichen Beamtenrecht eine Tarifautomatik fremd ist (vgl. BAG 29. September 2011 - 2 AZR 451/10 - Rn. 21; 12. März 2008 - 4 AZR 93/07 - Rn. 19 ff., BAGE 126, 149).

19

c) Der Klägerin wurde mit dem Änderungsvertrag vom 1. August 1997 formell die Funktion der ständigen Vertreterin des Schulleiters auf Dauer übertragen. Zudem wurde in diesem Vertrag § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrags Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991 in Bezug genommen und die Eingruppierung der Klägerin an beamtenrechtliche Regelungen gekoppelt. Folglich bedurfte es für eine wirksame Herabgruppierung wegen gesunkener Schülerzahlen einer Änderungsvereinbarung oder einer sozial gerechtfertigten Änderungskündigung.

20

2. In § 1 des Änderungsvertrags vom 14. Dezember 2009/19. April 2010 haben die Parteien mit Wirkung ab dem 1. Juli 2010 ausdrücklich eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 13 TV-L und damit ausgehend von der Entgeltgruppe 14 TV-L eine Herabgruppierung vereinbart. Auch die Klägerin hat nach ihrem eigenen Vortrag den Änderungsvertrag dahingehend verstanden, dass ab dem 1. Juli 2010 eine Änderung der Eingruppierung erfolgen soll.

21

3. Der Änderungsvertrag vom 14. Dezember 2009/19. April 2010 ist nicht aufgrund der Anfechtung der Klägerin als von Anfang an nichtig anzusehen (§ 142 Abs. 1 BGB). Die auf § 119 Abs. 1 BGB gestützte Anfechtungserklärung erfolgte erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 24. März 2011 und damit nicht mehr unverzüglich iSd. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB.

22

a) Nach dieser Vorschrift muss die Anfechtung unverzüglich - dh. ohne schuldhaftes Zögern - vorgenommen werden, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Sie ist innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist zu erklären (vgl. BVerwG 10. März 2010 - 6 C 15.09 - Rn. 21; BGH 15. März 2005 - VI ZB 74/04 - zu II 1 a der Gründe).

23

b) Das war hier nicht der Fall. Die Klägerin erlangte von dem Wegfall der individuellen Endstufe in Folge der neuen Eingruppierung spätestens mit Erhalt der Lohnabrechnung für den Monat August 2010 Kenntnis. Nach der aus Sicht des beklagten Landes versehentlichen Weiterzahlung der individuellen Endstufe im Juli 2010 erfolgte im August 2010 nicht nur die Reduzierung um die individuelle Endstufe, sondern auch der erste Teil der Aufrechnung wegen der Überzahlung im Vormonat. Die Klägerin konnte dies anhand der Höhe der bezahlten Beträge feststellen. Soweit sie die Anfechtung darauf gestützt hat, dass der Vertreter des beklagten Landes erstmals in der mündlichen Verhandlung am 24. März 2011 von einem vertraglich vereinbarten Wegfall der individuellen Endstufe ausging, stellt dies nicht die Kenntniserlangung von dem Anfechtungsgrund dar. Das beklagte Land hatte bereits mit der Klageerwiderung vom 8. Februar 2011 deutlich gemacht, dass es den Wegfall der individuellen Endstufe auf die vertraglich vereinbarte Herabgruppierung mit der Folge einer Vergütung nach Entgeltgruppe 13 Stufe 5 TV-L zurückführt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Entfall der individuellen Endstufe unmittelbar auf die vertragliche Vereinbarung oder auf die vertraglich festgelegte Herabgruppierung in Verbindung mit den tariflichen Vorgaben zur Stufenzuordnung zurückzuführen ist. Die Grundlage ist in beiden Fällen der Änderungsvertrag vom 14. Dezember 2009/19. April 2010. Dies ist klar erkennbar, weshalb eine entschuldbare Verzögerung der Anfechtung wegen Rechtsirrtums nicht in Betracht kommt.

24

c) Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Klägerin die Wirkung ihrer Anfechtungserklärung durch einen konkludent erklärten Widerruf im Rahmen der Antragsänderung beseitigen konnte oder ob die Anfechtungserklärung wegen ihrer gemäß § 142 Abs. 1 BGB rechtsgestaltenden Wirkung grundsätzlich unwiderruflich ist(vgl. MüKoBGB/Busche 6. Aufl. § 143 Rn. 5; BeckOK BGB/Wendtland Stand 1. Mai 2014 BGB § 143 Rn. 2; Palandt/Ellenberger BGB 73. Aufl. § 143 Rn. 2, Überbl. vor § 104 Rn. 17; zur Unwiderruflichkeit einer Gestaltungserklärung vgl. BAG 21. März 2013 - 6 AZR 618/11 - Rn. 15).

25

II. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Vergütung entsprechend einer fiktiven Überleitung nach § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder.

26

1. Ein solcher Anspruch lässt sich den einzelvertraglichen Vereinbarungen der Parteien nicht entnehmen. Der Änderungsvertrag vom 14. Dezember 2009/19. April 2010 enthält ebenso wie die im Übrigen weitergeltenden Regelungen der Verträge vom 1. August 1997 und 8. Juli/1. August 1992 keine Regelungen zur Stufenzuordnung. Eine sonstige individuelle Zusage bezüglich einer (übertariflichen) Stufenzuordnung ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

27

2. Auch die durch Bezugnahme zum Vertragsinhalt gewordenen LehrerRichtlinien-O der TdL enthalten bezüglich der Eingruppierung in die Entgeltgruppe 13 TV-L keine Regelungen zur Stufenzuordnung.

28

3. Die Stufenzuordnung richtet sich daher nach den Vorgaben der unstreitig auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden tariflichen Regelungen des TVÜ-Länder und des TV-L. Der geltend gemachte Anspruch kann aber nicht auf tarifliche Normen gestützt werden.

29

a) Der gestellte Antrag entspricht einer fiktiven Überleitung nach § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder. Diese Tarifnorm gilt ausweislich ihres eindeutigen Wortlauts jedoch nur für Herabgruppierungen vor dem 1. November 2008, so dass ihre direkte Anwendung auf die zum 1. Juli 2010 erfolgte Herabgruppierung der Klägerin nicht in Betracht kommt. Davon geht auch die Revision aus.

30

b) Entgegen der Revision kann die begehrte fiktive Überleitung entsprechend § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder nicht auf § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L gestützt werden.

31

aa) Diese Regelung gilt für Herabgruppierungen nach dem 1. November 2008 (Sponer/Steinherr TV-L Stand Januar 2007 § 6 TVÜ-L zu 6.6). In einem solchen Fall ist der oder die Beschäftigte der in der höheren Entgeltgruppe erreichten Stufe zuzuordnen.

32

bb) Für Herabgruppierungen aus einer individuellen Endstufe enthält § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L keine Regelung(Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand November 2013 Teil II § 17 Rn. 63 iVm. Rn. 205a zu TVÜ-Länder Stand Dezember 2009 Teil IV/3 6.8; Spelge in Groeger Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst 2. Aufl. Teil 8 Rn. 69). Der Begriff der „Stufe“ in § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L kann nicht als individuelle Endstufe verstanden werden mit der Folge, dass der Beschäftigte in der niedrigeren Entgeltgruppe unverändert seiner individuellen Endstufe zugeordnet bliebe. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L und seinem systematischen Zusammenhang. § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L sichert die Beibehaltung der „erreichten“ Stufe. Die Verwendung dieses Begriffes entspricht § 16 Abs. 3 Satz 1 TV-L und macht deutlich, dass § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L die Stufenzuordnung innerhalb des Systems des TV-L regelt. Die individuelle Endstufe ist demgegenüber ein „Instrument des Überleitungstarifrechts zur Sicherung des materiellen Besitzstands von Beschäftigten“ (so Felix in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TV-L Stand Juni 2013 Bd. I § 17 Rn. 61a). Sie wurde nicht nach § 16 Abs. 3 TV-L erreicht, sondern im Rahmen der Überleitung gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 iVm. § 5 TVÜ-Länder gebildet. § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L stellt keinen Bezug zu Überleitungsvorschriften des TVÜ-Länder her, sondern nimmt eine stufengleiche Zuordnung nach den Stufen der Entgelttabelle gemäß § 16 Abs. 3 TV-L vor.

33

cc) Dies hat zur Konsequenz, dass nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L der oder die Beschäftigte auch im Fall der Herabgruppierung aus einer individuellen Endstufe höchstens der Endstufe der neuen niedrigeren Entgeltgruppe zuzuordnen ist(so auch Bredemeier/Neffke/Zimmermann TVöD/TV-L 4. Aufl. § 17 Rn. 28). Folglich kann - wie im Fall der Klägerin - eine Herabgruppierung aus einer Entgeltgruppe mit einer individuellen Endstufe in eine niedrigere Entgeltgruppe bei einer Vergütung nach deren höchster regulärer Stufe zu einem durch die neue Stufenzuordnung verstärkten Einkommensverlust führen.

34

dd) Dem steht die von der Revision angeführte Entscheidung des Senats vom 14. April 2011 - 6 AZR 726/09 - nicht entgegen. Sie befasst sich bezogen auf den Fall einer Herabgruppierung nur mit dem Anspruch auf Strukturausgleich gemäß § 12 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) vom 13. September 2005 und dabei insbesondere mit der Stichtagsregelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund.

35

ee) Zur wortgleichen Regelung des § 17 Abs. 4 Satz 5 TVöD-AT hat das Bundesministerium des Innern mit Rundschreiben vom 22. Juli 2010 (Az. - D 5 - 220 210 - 2/17 -) unter 3.1 festgestellt, dass Beschäftigte in einer individuellen Endstufe nach Herabgruppierung der Endstufe der neuen niedrigeren Entgeltgruppe zugeordnet werden. Bei Herabgruppierung im Einvernehmen mit dem Beschäftigten aus einer individuellen Endstufe werde aber übertariflich eine persönliche, abbaubare Besitzstandszulage in Höhe der Differenz zwischen der individuellen Endstufe der bisherigen Entgeltgruppe und der regulären Endstufe der neuen niedrigeren Entgeltgruppe gewährt. Damit wurde für die betroffenen Beschäftigten des Bundes ein übertariflicher Ausgleich geschaffen. Das beklagte Land hat eine solche Zusage nicht gegeben.

36

c) Eine ergänzende Auslegung des § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L im Sinne der Revision durch eine entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder ist dem Senat nicht möglich.

37

aa) Tarifvertragliche Regelungen sind einer ergänzenden Auslegung grundsätzlich nur dann zugänglich, wenn damit kein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist. Eine ergänzende Auslegung eines Tarifvertrags scheidet daher aus, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungeregelt lassen und diese Entscheidung höherrangigem Recht nicht widerspricht. Voraussetzung für eine ergänzende Auslegung ist, dass entweder eine unbewusste Regelungslücke vorliegt oder eine Regelung nachträglich lückenhaft geworden ist. In einem solchen Fall haben die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich die Möglichkeit und die Pflicht, eine Tariflücke zu schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien in eigener Verantwortung darüber zu befinden, ob sie eine von ihnen geschaffene Ordnung beibehalten oder ändern. Solange sie daran festhalten, hat sich eine ergänzende Auslegung an dem bestehenden System und dessen Konzeption zu orientieren. Diese Möglichkeit scheidet aus, wenn den Tarifvertragsparteien ein Spielraum zur Lückenschließung bleibt und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen bleiben muss, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu finden (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 512/12 - Rn. 59; 23. April 2013 - 3 AZR 23/11 - Rn. 29 mwN; vgl. auch BVerfG 29. März 2010 - 1 BvR 1373/08 - Rn. 29, BVerfGK 17, 203 ).

38

bb) Es ist schon nicht erkennbar, ob bezüglich der Stufenzuordnung bei einer Herabgruppierung aus einer Entgeltgruppe mit einer individuellen Endstufe eine unbewusste Regelungslücke besteht.

39

(1) In der Literatur wird angenommen, dass eine solche Lücke vorliege, weil in allen tariflichen Überleitungsregeln des TVÜ-Länder mindestens der bisherige finanzielle Besitzstand eines aus dem alten Tarifrecht übergeleiteten Beschäftigten abgesichert werde (vgl. §§ 8, 9, 11 TVÜ-Länder). Ein sachlicher Grund, warum gerade die Herabgruppierung aus einer individuellen Endstufe nicht mit einer Besitzstandsregelung tariflich geregelt worden ist, sei bei der Fülle der tariflichen Besitzstandsregelungen nicht zu erkennen. Die unbewusste Regelungslücke sei durch die Zahlung einer nicht dynamischen Besitzstandszulage zu schließen (so Felix in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TV-L Stand Juni 2013 Bd. I § 17 Rn. 61d, 61g).

40

(2) Der Blick auf die ausgeprägte Besitzstandssicherung durch den TVÜ-Länder ist kein zwingendes Argument für die Annahme einer unbewussten Regelungslücke in § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L. Ebenso denkbar wäre, dass die Tarifvertragsparteien des TV-L gerade keine Besitzstandssicherung vornehmen wollten. Nach dem Auslaufen der Übergangsvorschriften ist der spezifische Zweck der Absicherung der Beschäftigten anlässlich der Überleitung in den TV-L entfallen. Die Eingruppierung in eine niedrigere Entgeltgruppe im System des TV-L kann auch als Zäsur verstanden werden, welche bewusst zu einem Wegfall der individuellen Endstufe führen soll. § 6 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Länder begründet den Anspruch auf Vergütung nach einer individuellen Endstufe nur, solange sich die Eingruppierung nicht ändert(vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand Juni 2013 Teil B 3 § 6 TVÜ-Länder Rn. 28).

41

cc) Sollten die Tarifvertragsparteien für den Fall einer Herabgruppierung nach § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L bewusst keine Besitzstandsregelung zur Abmilderung des Verlustes einer individuellen Endstufe getroffen haben, würde dies nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.

42

(1) Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Den Tarifvertragsparteien kommt als selbständigen Grundrechtsträgern allerdings aufgrund der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser Spielraum reicht, hängt von den Differenzierungsmerkmalen im Einzelfall ab. Hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen liegt die Einschätzungsprärogative bei den Tarifvertragsparteien. Sie brauchen nicht die sachgerechteste oder zweckmäßigste Regelung zu finden (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 43; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 58). Verfassungsrechtlich erheblich ist nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem bzw. die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Dabei ist es grundsätzlich dem Normgeber überlassen, die Merkmale zu bestimmen, nach denen Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln (vgl. BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR 931/12 - Rn. 28). Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 45; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 60).

43

(2) Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass die Klägerin nach dem Verlust der individuellen Endstufe nunmehr im Ergebnis weniger verdient als eine Lehrerin, welche nicht als Stellvertreterin des Schulleiters fungiert und ohne Herabgruppierung unverändert nach einer individuellen Endstufe in der Entgeltgruppe 13 TV-L vergütet wird. Dies begründet aber keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Wegen der Herabgruppierung sind unterschiedliche Sachverhalte gegeben. Die Herabgruppierung stellt einen vergütungsrechtlichen Einschnitt dar, welcher das Erfordernis einer erneuten Stufenzuordnung mit sich bringt. In diesem Zusammenhang ist es grundsätzlich Aufgabe der Tarifvertragsparteien darüber zu befinden, ob der mit einer Herabgruppierung zwangsläufig zu verzeichnende Einkommensverlust durch die Stufenzuordnung teilweise kompensiert oder verstärkt wird. Durch die mit § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L vorgenommene stufengleiche Zuordnung haben sich die Tarifvertragsparteien für eine beschränkte Besitzstandswahrung bzgl. der „erreichten“ Stufe entschieden.Die finanziellen Folgen der Herabgruppierung sollen damit abgemildert werden (vgl. BVerwG 13. Oktober 2009 - 6 P 15.08 - Rn. 55). Es wäre nicht zu beanstanden, wenn die Tarifvertragsparteien keine weitere Besitzstandswahrung bezüglich einer individuellen Endstufe vornehmen wollten. Dies würde der in § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder zum Ausdruck kommenden zeitlichen Begrenzung des Schutzes einer individuellen Endstufe bei einer Herabgruppierung entsprechen.

44

(3) Der Gleichheitssatz ist auch nicht verletzt, weil bei einer Höhergruppierung die Stufenzuordnung nicht stufengleich erfolgt, sondern sich gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 TV-L an der Höhe des bisherigen Entgelts orientiert(vgl. zu § 17 Abs. 4 TVöD-AT BAG 20. September 2012 - 6 AZR 211/11 - Rn. 18). Die Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe stellt einen anderen Sachverhalt dar als die Eingruppierung in eine niedrigere Entgeltgruppe. Die Entgeltsicherung bei der Höhergruppierung soll den Verlust der in der niedrigeren Entgeltgruppe erreichten Stufenzuordnung und Stufenlaufzeit ausgleichen. Bei einem Einkommensverlust wäre anderenfalls die Bereitschaft geeigneter Beschäftigter, eine höher eingruppierte Tätigkeit zu übernehmen, beeinträchtigt. Die Situation ist nicht vergleichbar mit der einer ohnehin mit einer Vergütungsabsenkung behafteten Herabgruppierung.

45

dd) Der Verlust einer individuellen Endstufe würde auch unionsrechtlichen Vorgaben entsprechen. Die individuelle Endstufe ist - wie dargelegt - ein Element der Besitzstandswahrung des Überleitungsrechts. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die vergleichbaren Überleitungsregelungen in den TVöD als angemessen und erforderlich angesehen, weil es sich dabei um Regelungen mit Übergangscharakter handelt und die Fortwirkung der wegen der Vergütung nach Lebensaltersstufen im BAT/BAT-O gegebenen Altersdiskriminierung schrittweise nach Maßgabe der Entwicklung der Vergütung der Angestellten verschwinden werde (vgl. BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 319/09 - Rn. 25, BAGE 140, 83; 19. Februar 2013 - 6 AZN 2338/12 - Rn. 3; EuGH 8. September 2011 - C-297/10 und C-298/10 - [Hennigs und Mai] Rn. 96, 99, Slg. 2011, I-7965; zum Besoldungsrecht EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 53 f.). Der Verlust der individuellen Endstufe bei einer Herabgruppierung nach dem 1. November 2008 entspricht diesem Ansatz.

46

ee) Sollte § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L eine unbewusste Regelungslücke im Hinblick auf das Schicksal einer individuellen Endstufe bei einer Herabgruppierung enthalten, könnte diese nicht - wie von der Revision angenommen - durch die analoge Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder geschlossen werden. Eine tarifliche Regelung wäre vielmehr wegen mehrerer Möglichkeiten der Lückenschließung den Tarifvertragsparteien vorbehalten.

47

(1) Die Tarifvertragsparteien könnten den durch die Kombination von Herabgruppierung und Wegfall der individuellen Endstufe verstärkten Einkommensverlust durch die Gewährung einer Besitzstandszulage ausgleichen. In diesem Fall hätten sie darüber zu entscheiden, ob die Zulage zeitlich begrenzt werden soll. Hinsichtlich der Höhe der Zulage wäre ferner zu bedenken, ob eine Dynamisierung oder ein Abschmelzen durch Anrechnung auf Tariferhöhungen stattfinden soll.

48

(2) Denkbar wäre auch der von der Revision vorgeschlagene Weg der entsprechenden Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder. Bezogen auf den hier vorliegenden Fall der Herabgruppierung eines Mitglieds der Schulleitung wegen gesunkener Schülerzahlen läge kein Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung wegen ungerechtfertigter Fortführung der Vergütungsregelungen, welche auf die diskriminierenden Lebensaltersstufen des BAT/BAT-O zurückzuführen sind, vor (vgl. zu dieser Problematik Spelge in Groeger Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst 2. Aufl. Teil 8 Rn. 70). Es würde sich um eine eigenständige Form der Besitzstandswahrung im TV-L handeln, die in keinem Zusammenhang mit dem Lebensalter steht. Maßgeblich für die Herabgruppierung als Anlass der neuen Stufenzuordnung ist letztlich die mit der Schülerzahl gesunkene dienstliche Belastung.

49

(3) Schließlich könnten sich die Tarifvertragsparteien auch erstmals bewusst gegen eine Besitzstandsregelung zur Abmilderung des Verlustes einer individuellen Endstufe entscheiden. Bezüglich der Vereinbarkeit einer solchen Entscheidung mit höherrangigem Recht wird auf die vorstehenden Ausführungen Rn. 41 bis 45 verwiesen.

50

4. Der geltend gemachte Anspruch kann auch nicht aufgrund des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verlangt werden.

51

a) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz wird unabhängig von seiner umstrittenen dogmatischen Herleitung inhaltlich durch den Gleichheitssatz bestimmt. Er verbietet die sachlich ungerechtfertigte Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage und die sachfremde Gruppenbildung durch den Arbeitgeber (vgl. nur BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 72; 16. Mai 2013 - 6 AZR 619/11 - Rn. 42). Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn die Regelung mit anderen Worten für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtung willkürlich ist (vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 62). Der Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hat zur Folge, dass die gleichheitswidrig benachteiligten Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber die vorenthaltene Leistung verlangen können, von der sie ohne sachlichen Grund ausgeschlossen wurden (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 145/12 - Rn. 42; ErfK/Preis 14. Aufl. § 611 BGB Rn. 606; Schaub/Linck ArbR-HdB 15. Aufl. § 112 Rn. 31).

52

b) Die Klägerin hat keine Arbeitnehmer benannt, die in vergleichbarer Lage, dh. bei einer Herabgruppierung, eine Vergütung entsprechend der im Antrag vorgesehenen fiktiven Überleitung erhalten. Sie vergleicht sich vielmehr mit einer Kollegin, die keine Einkommenseinbußen in Folge einer Herabgruppierung zu verzeichnen hat und deren Vergütung seit der Überleitung hinsichtlich Eingruppierung und Stufenzuordnung unverändert blieb. Soweit die Klägerin in der Verhandlung vor dem Senat behauptet hat, dass Beschäftigte, die einer Herabgruppierung nicht zugestimmt haben, unverändert vergütet werden, hat das Landesarbeitsgericht dies nicht festgestellt. Hiergegen gerichtete Verfahrensrügen sind nicht erhoben. Dessen ungeachtet könnte dieser Vortrag keine gleichheitswidrige Benachteiligung begründen, denn solche Arbeitnehmer wären mangels Vereinbarung einer Herabgruppierung nicht in einer vergleichbaren Lage.

53

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Lorenz    

        

    M. Geyer     

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. September 2011 - 25 Sa 131/11, 25 Sa 151/11 - wird zurückgewiesen.

2. Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung der Revision im Übrigen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. September 2011 - 25 Sa 131/11, 25 Sa 151/11 - teilweise aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 9. Dezember 2010 - 1 Ca 769/10 - teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger weitere 239,28 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. August 2010 zu zahlen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/10 und die Beklagte 9/10 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers nach einem Mindestlohntarifvertrag.

2

Die Beklagte ist ein Entsorgungsfachunternehmen. Sie betreibt ua. eine Niederlassung in S. Dort ist der Kläger als Altpapiersortierer im „4-Schichtsystem“ beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 21. September 2005 heißt es ua.:

        

„4.     

Sie erhalten die Vergütungsgruppe 6 = 6,73 €/ Stunde.

                 

Die Vergütung richtet sich nach den derzeit gültigen Betriebsvereinbarungen.

        

5.    

Zuschläge und Zulagen werden entsprechend den hierfür geltenden Bestimmungen gewährt. Alle derzeit oder später gezahlten Zulagen sind arbeitsplatzbezogen. Außerdem sind sie stets freiwillige und widerrufliche Leistungen und können auf Lohnerhöhungen, auch wenn sie durch eine Änderung der Lohngruppe bedingt sind, angerechnet werden, soweit sie nicht ausdrücklich als feste Zulagen vereinbart sind.“

3

Der Kläger wird bei einer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in wechselnden Schichten im Umfang von 37,5 Stunden eingesetzt. Wöchentliche Pausenzeiten werden von der Beklagten mit dem vertraglich vereinbarten Stundenlohn vergütet.

4

Die Beklagte kauft Altpapier an. Das angelieferte Altpapier wird in ihrem Betrieb für die weitere Bearbeitung in sog. De-Inking-Papier für die Papier- sowie in Karton und Papier für die Kartonherstellung getrennt. Nach einer maschinellen Grobsortierung am Förderband einer Sortieranlage, an der ua. der Kläger tätig ist, wird das sortierte Altpapier ausschließlich von der auf demselben Gelände tätigen L GmbH (L GmbH) weiterverarbeitet. Die Altpapierversorgung der L GmbH, die alleinige Gesellschafterin der Beklagten ist, bildet den Betriebszweck der Beklagten. Bei der L GmbH geht das sortierte Papier vom Förderband in eine Presse und dann in einen Stoffauflöser (sog. Pulper).

5

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte im Jahr 1999 mit dem am Standort S gebildeten Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung (BV 1999) geschlossen, in der ua. Zuschläge bei regelmäßiger Nachtarbeit iHv. 25 vH und für Spätschichten iHv. 5 vH je Stunde geregelt sind.

6

Am 31. Dezember 2009 wurde im Bundesanzeiger (BAnz. Nr. 198 S. 4573) die auf Grundlage von § 7 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 AEntG(vom 20. April 2009, BGBl. I S. 799) erlassene „Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst“ (AbfallArbbV) veröffentlicht. In dieser heißt es ua.:

        

§ 1   

        

Zwingende Arbeitsbedingungen

        

Die in der Anlage zu dieser Verordnung aufgeführten Rechtsnormen des Mindestlohntarifvertrages für die Branche Abfallwirtschaft vom 7. Januar 2009 in der Fassung des ersten Änderungstarifvertrages vom 12. August 2009 … finden auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden und nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend Abfälle im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sammelt, befördert, lagert, beseitigt oder verwertet oder Dienstleistungen des Kehrens und Reinigens öffentlicher Verkehrsflächen und Schnee- und Eisbeseitigung von öffentlichen Verkehrsflächen einschließlich Streudienste erbringt. …

        

§ 2     

        

Inkrafttreten, Außerkrafttreten

        

Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft und am 31. Oktober 2010 außer Kraft.“

7

Der Mindestlohntarifvertrag für die Branche Abfallwirtschaft (vom 7. Januar 2009 idF vom 12. August 2009, nachfolgend TV Mindestlohn) enthält ua. folgende Regelungen:

        

㤠1

        

Geltungsbereich

        

(1)     

Räumlicher Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

        

(2)     

Betrieblicher Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt für die Branche Abfallwirtschaft. Diese umfasst alle Betriebe oder selbstständigen Betriebsabteilungen, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Abfälle sammeln, befördern, lagern, behandeln, verwerten oder beseitigen und/oder öffentliche Verkehrsflächen reinigen.

        

Protokollerklärung

        

…       

                 
        

§ 2

        

Mindestlohn

        

Der Mindestlohn beträgt mit Wirkung vom 1. Mai 2009 8,02 Euro je Stunde.

        

(2) Der Anspruch auf den Mindestlohn wird spätestens am letzten Werktag des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den der Mindestlohn zu zahlen ist.

        

(3) Höhere Entgeltansprüche aufgrund anderer Tarifverträge, betrieblicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen bleiben unberührt.“

8

Die Beklagte, die keinem der tarifschließenden Arbeitgeberverbände des TV Mindestlohn angehört, zahlte dem Kläger in den Monaten Januar 2010 bis einschließlich Juni 2010 einen Stundenlohn von 6,73 Euro brutto sowie für Zeiten von Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 7,45 Euro brutto bzw. 7,47 Euro brutto. Der Kläger erhielt auf Basis des vertraglich vereinbarten Stundenlohns einen Zuschlag iHv. 25 vH für geleistete Nachtarbeit, für Spätschichten einen iHv. 5 vH sowie vermögenswirksame Leistungen iHv. 39,88 Euro brutto im Monat.

9

Der Kläger hat mit seiner der Beklagten am 28. August 2010 zugestellten Klage für die Monate Januar 2010 bis einschließlich Juli 2010 die monatliche - rechnerisch zwischen den Parteien unstreitige - Differenz zwischen dem ihm tatsächlich gezahlten Stundenlohn (ohne Berücksichtigung der Zuschläge für Spätschichten und Nachtarbeit sowie den vermögenswirksamen Leistungen) und dem Mindestlohn von 8,02 Euro brutto verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, der Betrieb der Beklagten werde als Abfallverwertungsbetrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des TV Mindestlohn erfasst. Weder die gezahlten Zuschläge für die Spätschichten und die Nachtarbeit noch die vermögenswirksamen Leistungen könnten auf den Mindestlohnanspruch angerechnet werden. Gleiches gelte für die bezahlten Pausen, die vergütet würden, weil Vor- und Nacharbeiten sowie Zeiten der Übergaben ohne Bezahlung blieben.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.285,85 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. August 2010 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie meint, der Mindestlohn stelle eine verfassungswidrige Sonderabgabe dar. Zudem habe der Vorordnungsgeber den Anwendungsbereich des TV Mindestlohn erweitert. Dies führe zur Nichtigkeit der AbfallArbbV. Nach der Richtlinie 2008/98/EG (vom 19. November 2008) sei Altpapier kein Abfall, sondern ein recyclingfähiger Rohstoff, der von ihr für die Produktion von Papier sortiert werde. Es liege weder eine Behandlung noch eine Verwertung von Abfällen vor. Neben den Spätschicht- und Nachtarbeitszuschlägen sowie den vermögenswirksamen Leistungen müssten die vergüteten Pausenzeiten bei der Ermittlung des für wöchentlich 37,5 Stunden gezahlten Entgelts berücksichtigt werden. Selbst wenn nach § 6 Abs. 5 ArbZG ein Ausgleich für Nachtarbeit zu zahlen sei, wäre ein Zuschlag iHv. 10 vH oder 5 vH des Stundenlohns bereits ausreichend und angemessen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage nur teilweise stattgegeben und sie unter Anrechnung der gezahlten Spätschichtzulagen und der vermögenswirksamen Leistungen im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichteten Berufungen der Parteien zurückgewiesen und für beide die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch in vollem Umfang weiter. Die Beklagte begehrt mit der von ihr eingelegten Revision die vollständige Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist unbegründet, die des Klägers ist teilweise begründet.

14

Der Kläger kann nach § 2 Abs. 1 TV Mindestlohn iVm. § 5 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Satz 1, § 8 Abs. 1 Satz 1 AEntG für die in der Zeit von Januar 2010 bis einschließlich Juni 2010 vergüteten Arbeitsstunden ein Entgelt iHv. 8,02 Euro brutto verlangen. Die Rechtsnormen des TV Mindestlohn gelten für das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis (unter I). Entgegen der Auffassung der Beklagten haben die von ihr geleisteten Zuschläge für Nachtarbeit und die vermögenswirksamen Leistungen den Mindestlohnanspruch des Klägers in den jeweiligen Monaten nicht teilweise erfüllt. Demgegenüber ist der Vergütungsanspruch in den einzelnen Monaten durch Zahlung der Spätschichtzuschläge iHv. 104,99 Euro brutto erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB), weshalb die Beklagte nur verpflichtet ist, an den Kläger insgesamt 1.180,96 Euro brutto zu zahlen (unter II).

15

I. Der Betrieb der Beklagten in S wird vom betrieblichen Geltungsbereich des TV Mindestlohn erfasst. Aufgrund der wirksamen AbfallArbbV findet der TV Mindestlohn im Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

16

1. Die AbfallArbbV ist wirksam.

17

a) Ein Verstoß gegen die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Beklagten(zu diesem einschlägigen Maßstab BVerfG 16. Juli 2012 - 1 BvR 2983/10 - Rn. 25) liegt nicht vor.

18

aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns nach § 2 Abs. 1 TV Mindestlohn nicht um eine verfassungswidrige Sonderabgabe. Es fehlt bereits an einer Geldleistungspflicht gegenüber der öffentlichen Hand (zu den Voraussetzungen ausf. BVerfG 23. Januar 1990 - 1 BvL 44/86, 1 BvL 48/87 - zu C I 2 a der Gründe, BVerfGE 81, 156; s. auch 16. Juli 2012 - 1 BvR 2983/10 - Rn. 25).

19

bb) Gleiches gilt für die verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Verpflichtung, zusätzliche Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung, die sich aus der erhöhten Zahlungsverpflichtung ergeben, zu zahlen. Es handelt sich bei diesen um Beiträge im sozialversicherungsrechtlichen Sinne, die nicht zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben verwendet werden (vgl. dazu BSG 25. Januar 2006 - B 12 KR 27/04 R - Rn. 18 mwN zur Rspr. des BVerfG).

20

b) Entgegen dem Vorbringen der Beklagten in der Revision verletzt § 4 AEntG auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG, in dem die gesetzliche Regelung die Möglichkeit der zwingenden Anwendung tariflicher Regelungen nur auf bestimmte Branchen ermöglicht.

21

aa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. zum Prüfungsmaßstab BVerfG 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06 ua. - Rn. 73 ff., BVerfGE 133, 377; 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 21 BvR 2464/07 - Rn. 78, BVerfGE 126, 400).

22

bb) Die Entscheidung des Gesetzgebers, in § 4 AEntG nur bestimmte Branchen aufzunehmen, kann sich auf einen hinreichenden Differenzierungsgrund stützen. Der Gesetzgeber konnte, nachdem (lediglich) die Tarifvertragsparteien der in § 4 Nr. 4 bis Nr. 8 AEntG genannten Branchen bereits bis zum 31. März 2008 Anträge auf Aufnahme in den Regelungsbereich des AEntG gestellt hatten (vgl. BT-Drucks. 16/11669 S. 23), davon ausgehen, dass die dort üblicherweise durch Tarifverträge geregelten Arbeitsbedingungen (vgl. BT-Drucks. 16/11669 S. 23) aktuell gefährdet seien (vgl. dazu die Gesetzesbegründung BR-Drucks. 542/08 S. 13, unter Hinweis auf die Erwägungen in BT-Drucks. 13/2414 S. 7). Das gesetzgeberische Handeln war deshalb auch unter Berücksichtigung der Maßstäbe des Art. 3 Abs. 1 GG möglich(ebenso für das Baugewerbe nach dem AEntG idF vom 19. Dezember 1998, BGBl. I S. 3843 BAG 25. Juni 2002 - 9 AZR 405/00 - zu II 5 d aa der Gründe, BAGE 101, 357; sowie Däubler/Lakies TVG 3. Aufl. Anhang 2 zu § 5 TVG Rn. 71).

23

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die AbfallArbbV auch nicht deshalb unwirksam, weil der Verordnungsgeber den Anwendungsbereich des TV Mindestlohn in unzulässiger Weise erweitert hat. Soweit § 1 AbfallArbbV den Anwendungsbereich auf nicht tarifgebundene Arbeitgeber erstreckt, wenn der Betrieb oder die Betriebsabteilung „Abfälle im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sammelt, befördert, lagert, beseitigt oder verwertet“, ist die gesetzliche Bestimmung inhaltlich identisch mit § 2 Abs. 2 TV Mindestlohn. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrags (zu den Maßstäben etwa BAG 28. Januar 2009 - 4 ABR 92/07 - Rn. 26 mwN, BAGE 129, 238).

24

aa) Bedienen sich die Tarifvertragsparteien eines Rechtsbegriffs, der im juristischen Sprachgebrauch eine bestimmte Bedeutung hat, ist der Begriff in seiner allgemeinen juristischen Bedeutung auszulegen, sofern sich nicht aus dem Tarifvertrag etwas anderes ergibt (BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 78/09 - Rn. 20; 17. März 2010 - 5 AZR 317/09 - Rn. 13, BAGE 133, 337).

25

bb) Nach diesen Grundsätzen entspricht der Begriff „Abfall“ in § 1 Abs. 2 TV Mindestlohn dem Abfallbegriff in § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG(vom 27. September 1994, BGBl. I S. 2705, in Kraft bis zum 31. Mai 2012). Danach sind „Abfälle im Sinne dieses Gesetzes … alle beweglichen Sachen, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Abfälle zur Verwertung sind Abfälle, die verwertet werden; Abfälle, die nicht verwertet werden, sind Abfälle zur Beseitigung.“ Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien von diesem langjährig unverändert gesetzlich definierten Abfallbegriff abweichen wollten, sind weder von der Beklagten vorgetragen noch ersichtlich.

26

2. Der Betrieb der Beklagten wird vom betrieblichen Geltungsbereich nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TV Mindestlohn erfasst. Bei dem dort sortierten Altpapier handelt es sich um Abfall iSd. TV Mindestlohn und nicht bereits um einen sog. Sekundärrohstoff. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

27

a) Für die Auslegung der Begriffe „Abfälle“ und „verwerten“ nach § 1 Abs. 2 Satz 2 TV Mindestlohn sind nach den genannten Maßstäben(oben I 1 c bb) die einschlägigen, durch das KrW-/AbfG näher bestimmten Rechtsbegriffe heranzuziehen.

28

b) Bei dem von der Beklagten angekauften Altpapier handelt es sich um Abfall iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG(in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung).

29

aa) Abfälle iSd. Gesetzes sind alle beweglichen Sachen, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Zu diesen beweglichen Sachen zählen nach der Gruppe Q14 „Produkte, die vom Besitzer nicht oder nicht mehr verwendet werden (z.B. in der Landwirtschaft, den Haushaltungen, Büros, Verkaufsstellen, Werkstätten usw.)“. Die früheren Besitzer haben ihre Sachherrschaft an dem Papier aufgegeben und es einer Verwertung iSd. § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG iVm. dem Anhang II B zum KrW-/AbfG - Fall R2: Verwertung organischer Stoffe - zugeführt. Das ist insoweit zwischen den Parteien auch nicht streitig.

30

bb) Die Abfalleigenschaft des Altpapiers war weder schon vor der Anlieferung entfallen noch wurde sie durch die bei der Beklagten vorgenommene Sortierung und damit vor Verlassen des Betriebsgeländes beendet.

31

(1) Das Ende der Abfalleigenschaft eines Stoffes setzt nach § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG die Beendigung des Verwertungsverfahrens bei gleichzeitiger Erfüllung der sich aus dem Abfallrecht ergebenden Pflichten des Abfallbesitzers in Bezug auf die Schadlosigkeit der Verwertung voraus. Erst mit der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung des Abfalls endet das Regime des Abfallrechts. Die stoffliche Verwertung iSd. § 4 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 KrW-/AbfG durch Gewinnung von Sekundärrohstoffen aus Abfällen und somit die Beendigung der Abfalleigenschaft eines Stoffes setzt voraus, dass die Eigenschaften der gewonnenen Stoffe mit den Eigenschaften der zu substituierenden Primärrohstoffe identisch oder vergleichbar sind und ein Auftreten abfalltypischer Gefahrenlagen ausscheidet(BVerwG 19. November 1998 - 7 C 31/97 - zu 1 der Gründe). Dies liegt etwa - unter bloßer Änderung der stofflichen Eigenschaften - vor bei der Gewinnung von Pappe aus Altpapier, von Glas aus Altglas oder von Kupfer aus Kabeln (BVerwG 14. Dezember 2006 - 7 C 4/06 - Rn. 21 f., 14, BVerwGE 127, 250; s. auch 4. September 2009 - 7 B 8/09 - Rn. 9 mwN).

32

(2) Danach handelt es sich beim Vorsortieren unterschiedlicher (Alt-)Papiersorten im Betrieb der Beklagten nicht um ein eigenständiges Verwertungsverfahren, sondern nur um einen ersten Teilschritt einer beabsichtigten weiteren Verwertung - die Bereitstellung des sortierten Ausgangsmaterials für den Betrieb der L GmbH, die im Rahmen eines weiteren Verwertungsprozesses das sortierte Altpapier in einem sog. Pulper weiter bearbeitet, um diejenige Faserstoffsuspension zu gewinnen, die für die Papier- und Kartonagenproduktion geeignet ist. Jedenfalls bei der Beklagten ist der Verwertungsvorgang noch nicht abgeschlossen. Deshalb hat die Abfalleigenschaft des Altpapiers noch nicht geendet. Dem entspricht auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH 19. Juni 2003 - C-444/00 - [Mayer Parry Recycling] Rn. 84, Slg. 2003, I-6163; sowie 11. November 2004 - C-457/02 - [Antonio Niselli] Rn. 52, Slg. 2004, I-10853; 18. Dezember 1997 - C-129/96 - [Inter-Environnement Wallonie] Rn. 34, Slg. 1997, I-7411 zur RL 91/156/EG).

33

(3) Dass die Beklagte das Altpapier am Markt erwirbt, ist für dessen Abfalleigenschaft ohne Bedeutung. Auch die Verwertung von Abfällen ist Teil des Wirtschaftsgeschehens (vgl. EuGH Urteil vom 25. Juni 1997 - C-304/94 - [Tombesi] Rn. 54, Slg. 1997, I-3561). Sowohl das europäische als auch das deutsche Abfallrecht wollen im Interesse der Schonung der natürlichen Ressourcen die Gewinnung von sekundären Rohstoffen oder von Energie aus dafür geeigneten Abfällen befördern. Um dies sicherzustellen, soll der betreffende Stoff so lange den spezifischen Anforderungen des Abfallrechts unterliegen, bis der Verwertungserfolg eingetreten ist. Ob auf dem Weg zu dem Verwertungserfolg Veräußerungsgeschäfte stattfinden, ist grundsätzlich ohne Belang (BVerwG 19. November 1998 - 7 C 31/97 - zu 1 der Gründe). Entgegen der Auffassung der Beklagten kann aus Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2008/98/EG(vom 19. November 2008, ABl. EG L 312 vom 22. November 2008 S. 3) nicht gefolgert werden, dass „wiederwertbare Stoffe nicht als Abfall gelten dürfen“. Die Beklagte übersieht, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung das Durchlaufen eines Verwertungsverfahrens erforderlich ist und weitere spezifische Kriterien zu erfüllen sind.

34

II. Den Mindestentgeltanspruch auf Grundlage einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden hat die Beklagte in den einzelnen Monaten von Januar 2010 bis Juli 2010, die nach der Fälligkeitsregelung in § 2 Abs. 2 TV Mindestlohn jeweils maßgebend sind, nicht in vollem Umfang erfüllt.

35

1. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass der Anspruch des Klägers auf eine Vergütung mit einem Mindestlohn iHv. 8,02 Euro brutto gemäß § 2 Abs. 1 TV Mindestlohn nicht nur im Umfang der von der Beklagten angenommenen Arbeitsleistung von 37,5 Stunden besteht, sondern aufgrund des bei ihr bestehenden Schichtsystems und der Vergütung von weiteren 2,5 Stunden als „bezahlte Pausen“ im Umfang der vertraglich vereinbarten 40 Stunden. Deshalb kommt eine Umrechnung der auf Basis von wöchentlich 40 Stunden geleisteten Vergütung auf einen Mindestlohnanspruch iHv. lediglich 37,5 Stunden in der Woche - wie es die Beklagte geltend macht - nicht in Betracht.

36

Soweit die Beklagte die Arbeitsleistung des Klägers entgegen der vertraglichen Vereinbarung im Umfang von 2,5 Stunden nicht angenommen hat, befand sie sich entweder - wie das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat - im Annahmeverzug (§ 615 BGB)oder - was nach dem Vorbringen des Klägers näher liegt - die tatsächliche Durchführung des Arbeitsvertrags ist dahingehend zu verstehen, dass die bezahlten Pausen als Bestandteil der Arbeitszeit zu vergüten war (vgl. dazu etwa BAG 24. November 1999 - 4 AZR 479/98 - zu I 3 der Gründe, BAGE 93, 26; s. auch 24. Mai 2007 - 6 AZR 706/06 - Rn. 20, BAGE 122, 371; 23. Januar 2001 - 9 AZR 4/00 - zu II 3 c bb (3) der Gründe).

37

2. Die von der Beklagten in den Monaten Januar 2010 bis Juli 2010 geleisteten Spätschichtzuschläge haben den Mindestlohnanspruch des Klägers erfüllt (unter a). Die weiteren Zahlungen für Nachtarbeit (unter b) sowie die vermögenswirksamen Leistungen (unter c) haben ihn hingegen nicht zum Erlöschen gebracht (§ 362 Abs. 1 BGB).

38

a) Die gezahlten Spätschichtzuschläge iHv. 5 vH zum vereinbarten Stundenentgelt sind auf den Anspruch des Klägers nach dem TV Mindestlohn anzurechnen, sodass sich der geltend gemachte Anspruch um 104,99 Euro brutto verringert. Der Entgeltanspruch nach dem TV Mindestlohn ist in dieser Höhe erfüllt.

39

aa) Bei der Anrechnung von Leistungen auf tariflich begründete Forderungen ist darauf abzustellen, ob die vom Arbeitgeber erbrachte Leistung ihrem Zweck nach diejenige Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten soll, die mit der tariflich begründeten Zahlung zu vergüten ist. Daher ist dem erkennbaren Zweck des tariflichen Mindestlohns, den der Arbeitnehmer als unmittelbare Leistung für die verrichtete Tätigkeit begehrt, der zu ermittelnde Zweck der jeweiligen Leistung des Arbeitgebers, die dieser aufgrund anderer (individual- oder kollektivrechtlicher) Regelungen erbracht hat, gegenüberzustellen. Besteht danach - ähnlich wie bei einem Günstigkeitsvergleich mit Sachgruppenbildung nach § 4 Abs. 3 TVG - eine funktionale Gleichwertigkeit der zu vergleichenden Leistungen(vgl. dazu etwa BAG 30. März 2004 - 1 AZR 85/03 - zu II 4 b bb der Gründe; 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 109, 244: „funktional äquivalent“), ist die erbrachte Leistung auf den zu erfüllenden Anspruch anzurechnen (ausf. BAG 18. April 2012 - 4 AZR 139/10 - Rn. 28, BAGE 141, 163).

40

Zur Beurteilung der „funktionalen Gleichwertigkeit“ ist es erforderlich, die „Funktion“ zu bestimmen, die die reale Leistung des Arbeitgebers hat, um sodann festzustellen, ob sie sich auf diejenige vom Arbeitnehmer geleistete oder zu leistende Arbeit bezieht, die nach dem durch eine Rechtsverordnung verbindlichen Tarifvertrag mit dem Mindestlohn abgegolten sein soll. Für diese Bestimmung der Funktion ist jedenfalls dann der subjektive Wille des Arbeitgebers nicht entscheidend, wenn die Leistung nach einer an anderer Stelle als in dem durch Rechtsverordnung verbindlichen Tarifvertrag getroffenen Regelung erfolgt und sich ihre Funktion aus dieser Regelung ergibt. Soweit die vom Arbeitgeber danach angewandte Regelung etwa die Arbeitsleistung als besonders schwierig oder als unter erschwerten Bedingungen geleistet ansieht und hierfür einen in den Entgeltabrechnungen gesondert ausgewiesenen „Zuschlag“ an den Arbeitnehmer zahlt, ist dieser gleichwohl auf den Mindestentgeltanspruch anzurechnen, wenn der betreffende Mindestlohntarifvertrag diese Tätigkeit gerade nicht als zuschlagspflichtig ansieht, sondern sie als im Rahmen der mit dem Grundentgelt abzugeltenden „Normaltätigkeit“ bewertet (BAG 18. April 2012 - 4 AZR 168/10 (A) - Rn. 20, BAGE 141, 173; - 4 AZR 139/10 - Rn. 31, BAGE 141, 163).

41

Eine Erfüllungswirkung aller von der Beklagten geleisteten Zahlungen ergibt sich deshalb nicht bereits aus dem Umstand, dass es sich um gezahltes Entgelt handelt. Die Beklagte kann sich für ihre Rechtsauffassung insbesondere nicht auf die Entscheidung des Fünften Senats vom 23. März 2011 (BAG - 5 AZR 7/10 - Rn. 33, BAGE 137, 249) stützen. Das Urteil handelt von der Gewährung der „wesentlichen Arbeitsbedingungen“ gemäß § 10 Abs. 4, § 9 Nr. 2 AÜG während der Dauer einer Arbeitnehmerüberlassung. Nur für diese Fallgestaltung, nicht aber für die Leistung von „Mindestentgeltsätzen“ iSd. § 5 Nr. 1 AEntG hat der Fünfte Senat auf einen Gesamtvergleich aller Entgelte im Überlassungszeitraum abgestellt.

42

bb) Die von der Beklagten gezahlten Spätschichtzuschläge haben den Entgeltanspruch nach dem TV Mindestlohn in Höhe von 104,99 Euro erfüllt.

43

(1) Der nach dem TV Mindestlohn geregelte Mindestlohn erfasst jede Tätigkeit in der Abfallwirtschaft und zwar unabhängig davon, ob die Arbeitsleistung unter erschwerten Bedingungen einer Spätschicht (dazu etwa BAG 24. März 2010 - 10 AZR 58/09 - Rn. 32 mwN, BAGE 134, 34; zur Zahlung einer Wechselschichtzulage wegen der erheblichen Einwirkung auf den Lebensrhythmus vgl. 24. September 2008 - 10 AZR 770/07 - Rn. 39 mwN, BAGE 128, 42) erbracht wird oder nicht. Der von der Beklagten gezahlte Spätschichtzuschlag vergütet neben dem vertraglichen Stundenlohn iHv. 6,73 Euro brutto die Arbeitsbedingungen des Klägers, die nach dem TV Mindestlohn allein einen Anspruch von 8,02 Euro brutto für die dort geregelte „Normaltätigkeit“ begründen würden (vgl. auch BAG 18. April 2012 - 4 AZR 139/10 - Rn. 32, BAGE 141, 163 für eine Verkehrsmittelzulage).

44

(2) Entgegen der Auffassung des Klägers folgt aus § 2 Abs. 3 TV Mindestlohn kein anderes Ergebnis.

45

(a) Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine eigene tarifliche Kollisionsregelung, die der Auflösung eventueller Anspruchskonkurrenzen dient (dazu BAG 26. September 2012 - 4 AZR 782/10 - Rn. 33). Danach bleiben sowohl günstigere tarifliche als auch - namentlich im Hinblick auf § 77 Abs. 3 BetrVG - betriebliche Regelungen „unberührt“. Für günstigere vertragliche Vereinbarungen wird das sowieso anwendbare Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG im Tarifvertrag festgehalten(vgl. BAG 17. April 2013 - 4 AZR 592/11 - Rn. 14).

46

(b) Danach ist es zwar zutreffend, wenn der Kläger ausführt, die Tarifvertragsparteien des TV Mindestlohn hätten „die Regelung … von besonderen Erschwernissen anderen Regelwerken … überlassen“. Seine weitere Schlussfolgerung, damit seien etwaige Erschwernisse nicht mit der „Stundenlohnvergütung als abgegolten“ anzusehen, wird von § 2 Abs. 3 iVm. Abs. 1 TV Mindestlohn aber nicht getragen. Entsprechend seinem Regelungswillen bestimmt der TV Mindestlohn als Mindestlohntarifvertrag den Mindestlohn „je Stunde“ unabhängig von den konkreten Arbeitsbedingungen oder „Erschwerungen“. Ihm kann nach Wortlaut und Systematik nicht entnommen werden, einzelne Vergütungsbestandteile, die aufgrund „anderer Tarifverträge, betrieblicher oder arbeitsvertraglicher Vereinbarungen“ zu zahlen sind, seien bei der Bestimmung des „höheren Entgeltanspruchs“ - in Anwendung des TV Mindestlohn einerseits und nach den anderen genannten Rechtsgrundlagen andererseits - nicht zu berücksichtigen.

47

(3) Einer Anrechenbarkeit der Spätschichtzulagen auf den Mindestlohnanspruch steht Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c Richtlinie 96/71/EG nicht entgegen.

48

(a) Nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Sachen „Isbir“ (7. November 2013 - C-522/12 - Rn. 36 ff., ABl. EU 2014 Nr. C 9, 14; unter Hinweis auf 14. April 2005 - C-341/02 - [Kommission/Deutschland] Rn. 39, Slg. 2005, I-2733) gibt die Richtlinie 96/71 selbst keinen Anhaltspunkt für eine inhaltliche Definition des Mindestlohns. Vielmehr ist im Recht des betreffenden Mitgliedsstaates festzulegen, aus welchen Bestandteilen sich der Mindestlohn zusammensetzt. Die „Zulagen und Zuschläge, die durch die nationalen Rechtsvorschriften oder Praktiken des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird, nicht als Bestandteile des Mindestlohns definiert werden und die das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers auf der einen und der ihm erbrachten Gegenleistung auf der anderen Seite verändern“, können „nicht aufgrund der Bestimmungen der Richtlinie 96/71 als derartige Bestandteile betrachtet werden“ (7. November 2013 - C-522/12 - [Isbir] Rn. 38, aaO).

49

(b) In Anwendung dieser Grundsätze kann nach den Rechtsvorschriften und Praktiken der Bundesrepublik Deutschland dem TV Mindestlohn nicht entnommen werden, dass Zuschläge für Spätschichten „nicht als Bestandteil des Mindestlohns definiert“ worden sind. Die Vergütung für eine Arbeitsleistung unter den zeitlichen Bedingungen einer Spätschicht wurde nach dem TV Mindestlohn nicht einer separaten Regelung vorbehalten. Der tarifliche Mindestlohn ist „je Stunde“ festgelegt und unabhängig von der zeitlichen Lage sowie von den damit verbundenen Bedingungen, unter denen die Arbeitsleistungen zu erbringen sind. Nach den Gepflogenheiten des nationalen Tarifrechts bestand für die Tarifvertragsparteien des TV Mindestlohn - grundsätzlich und vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher oder tariflicher Regelungen - kein Erfordernis, ausdrücklich festzulegen, dass diese Entgeltregelung auch Arbeitsleistungen zu bestimmten Tageszeiten oder unter erschwerten Bedingungen erfasst, wenn - wie hier - ein Mindestlohn je Arbeitsstunde vereinbart ist.

50

b) Der Mindestlohnanspruch des Klägers ist nicht durch die von der Beklagten geleisteten Nachtarbeitszuschläge erloschen.

51

aa) Dem Kläger wurde für geleistete Nachtarbeit ein Zuschlag iHv. 25 vH des vereinbarten Stundenlohns gezahlt. Dabei kann dahinstehen, ob der Zuschlag auf Grundlage der vom Kläger angeführten BV 1999 - deren weitere Geltung nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Beklagte und der vom Landesarbeitsgericht festgestellten „Eingliederung in den Betrieb der Beklagten“ vom Kläger nicht näher dargelegt wurde (dazu BAG 18. September 2002 - 1 ABR 54/01 - zu III 2 a bb der Gründe, BAGE 102, 356; 19. Juli 1957 - 1 AZR 420/54 - zu 2 der Gründe, BAGE 4, 232; für eine betriebliche Vergütungsordnung 14. August 2013 - 7 ABR 56/11 - Rn. 26), einer betrieblichen Übung, wie es das Landesarbeitsgericht angenommen hat, oder in Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung nach § 6 Abs. 5 ArbZG geleistet worden ist. Da eine tarifliche Ausgleichsregelung für geleistete Nachtarbeit iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG für das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht bestand(zur vorrangigen Ausgestaltung durch die Tarifvertragsparteien BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 18; 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - zu B II 2 a bb (1) (a) (aa) der Gründe, BAGE 114, 272), war die Beklagte nach § 6 Abs. 5 ArbZG verpflichtet, „eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das“ dem Kläger zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. Dieser gesetzlichen Verpflichtung ist sie durch die Leistung der Nachtarbeitszuschläge als von ihr gewählter Schuldnerleistung (BAG 5. September 2002 - 9 AZR 202/01 - zu A II 1 der Gründe, BAGE 102, 309) nachgekommen. Indem sie das ihr nach § 6 Abs. 5 ArbZG zustehende Ermessen für den Zeitraum von Januar 2010 bis einschließlich Juni 2010 ausgeübt hat, hat sie jedenfalls selbst den Inhalt des(gesetzlichen) Wahlschuldverhältnisses konkretisiert.

52

bb) Auch nach den Bestimmungen des TV Mindestlohn hätte die Beklagte über den dort in § 2 Abs. 1 geregelten Mindestlohn hinaus nach dem Inhalt des von ihr konkretisierten Wahlschuldverhältnisses einen Zuschlag für geleistete Nachtarbeit im Rahmen ihrer Ausgleichspflicht nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu leisten gehabt. Der Entgeltbestimmung in § 2 Abs. 1 TV Mindestlohn kann - anders als für eine Arbeitsleistung unter den Bedingungen einer Spätschicht(oben II 2 a bb) - nicht entnommen werden, dass mit dem tariflichen Mindestlohn von 8,02 Euro zugleich ein Ausgleich iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG für geleistete Nachtarbeit geregelt ist.

53

(1) § 6 Abs. 5 ArbZG überlässt die Ausgestaltung des Ausgleichs für Nachtarbeit wegen der größeren Sachnähe den Tarifvertragsparteien und schafft nur subsidiär einen gesetzlichen Anspruch. Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei darin, wie sie den Ausgleich regeln. Um den gesetzlichen Anspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu ersetzen, muss die tarifliche Regelung eine Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen vorsehen. Dies folgt aus dem Wortsinn des Begriffs „Ausgleichsregelung“. Es entspricht auch dem Sinn und Zweck des dem Gesundheitsschutz dienenden § 6 Abs. 5 ArbZG. Der tarifliche Ausgleich braucht zwar nicht nur ausdrücklich erfolgen, sondern kann auch stillschweigend geregelt sein. Eine stillschweigende Ausgleichsregelung kann den allgemeinen tariflichen Arbeitsbedingungen aber nur entnommen werden, wenn entweder der Tarifvertrag selbst entsprechende Hinweise enthält oder sich aus Besonderheiten des Geltungsbereichs Anhaltspunkte ergeben (BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 18 mwN).

54

(2) Der TV Mindestlohn enthält keine ausdrückliche Ausgleichsregelung für die Nachtarbeit. Ihm sind auch keine weiteren Hinweise zu entnehmen, dass die Belastungen durch Nachtarbeit in der Abfallwirtschaft bei der Bemessung des tariflichen Mindestlohns - stillschweigend - berücksichtigt worden sind. Bei Tätigkeiten im Rahmen der „Branche Abfallwirtschaft“ (§ 1 Abs. 2 TV Mindestlohn) fehlt es an Anhaltspunkten, die Tarifvertragsparteien der Abfallwirtschaft hätten diese Belastungen bereits mit dem Grundlohn erfasst. Allein der Umstand, dass in dieser Branche auch Nachtarbeit geleistet wird, reicht für eine solche Annahme nicht aus (vgl. nur BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 18; 26. August 1997 - 1 ABR 16/97 - zu B II 1 b aa der Gründe, BAGE 86, 249).

55

(3) Da die Leistung von Nachtarbeitszuschlägen nach den nationalen Bestimmungen des TV Mindestlohn „nicht als Bestandteil des Mindestlohns definiert“ wurde (dazu oben II 2 a bb (3) (a)), können sie, weil der Arbeitnehmer „auf Verlangen des Arbeitgebers … Arbeitsstunden unter besonderen Bedingungen leistet“ auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bei der Bestimmung des Mindestlohns iSd. Richtlinie 96/71 unberücksichtigt bleiben (7. November 2013 - C-522/12 - [Isbir] Rn. 39, ABl. EU 2014 Nr. C 9, 14).

56

cc) Diesen in der Vergangenheit als Nachtzuschlag iHv. 25 vH geleisteten Zahlungen kann die Beklagte auf Grundlage von Nr. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags nicht rückwirkend eine teilweise andere Tilgungsbestimmung nach § 366 Abs. 1 BGB zuordnen.

57

(1) Der in Nr. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags enthaltene Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt, der als Allgemeine Geschäftsbedingung der Inhaltskontrolle der §§ 305 ff. BGB unterfällt, ist bereits wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam und kann auch nicht hinsichtlich eines der beiden Teile aufrecht erhalten werden(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 24 f., BAGE 139, 156).

58

(2) Ob der in Nr. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags gleichfalls enthaltene Anrechnungsvorbehalt (zur Teilbarkeit einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen BAG 19. April 2012 - 6 AZR 691/10 - Rn. 33, BAGE 141, 207) überhaupt einen durch Ausübung des Wahlrechts konkretisierten gesetzlich geregelten Zuschlag (dazu BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 15) nach § 6 Abs. 5 ArbZG für geleistete Nachtarbeit erfasst und die bereits in der Vergangenheit geleisteten Nachtarbeitszuschläge auf den höheren Entgeltanspruch nach dem TV Mindestlohn wenigstens teilweise angerechnet werden können(zum vertraglich vereinbarten Vorbehalt hinsichtlich der Tilgungsbestimmung bei übertariflichen Zulagen BAG 27. August 2008 - 5 AZR 821/07 - Rn. 12, 18, 22 ff. mwN), muss der Senat nicht entscheiden.

59

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, sie wolle mit ihrem Vorbringen, ein Zuschlag iHv. 10 vH oder 5 vH sei angemessen iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG, eine rückwirkende teilweise Anrechnung der bereits geleisteten Nachtarbeitszuschläge geltend machen, hat sie schon nicht dargetan, dass eine Zuschlagsregelung in dieser - geringeren - Höhe „angemessen“ ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gilt ein Zuschlag iHv. 25 vH regelmäßig als angemessen (BAG 11. Februar 2009 - 5 AZR 148/08 - Rn. 19; 1. Februar 2006 - 5 AZR 422/04 - Rn. 21; 27. Mai 2003 - 9 AZR 180/02 - zu I 4 b aa der Gründe). Umstände, die es rechtfertigen, hiervon abzuweichen und einen geringeren Zuschlag als angemessen anzusehen (etwa bei Arbeitsbereitschaftszeiten BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 25; oder wenn der vom Gesetzgeber mit dem Zuschlag verfolgte Zweck, im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers Nachtarbeit zu verteuern, nicht zum Tragen kommt BAG 11. Februar 2009 - 5 AZR 148/08 - Rn. 12; 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - zu I 4 a der Gründe, BAGE 115, 372), hat die Beklagte weder vorgetragen noch sind solche im Entscheidungsfall ersichtlich.

60

c) Der Mindestlohnanspruch des Klägers ist nicht durch die in den Monaten Januar 2010 bis einschließlich Juli 2010 gezahlten vermögenswirksamen Leistungen erfüllt worden.

61

aa) Vermögenswirksame Leistungen dienen wesentlich anderen Zwecken als der unmittelbaren Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit. Sie sind sowohl nach der Konzeption des nationalen Gesetzgebers als auch nach dem Willen der Tarifvertragsparteien zur langfristigen Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand vorgesehen und verfolgen gerade im Hinblick auf die staatliche Förderung konkrete sozialpolitische Zwecke. Trotz regelmäßiger monatlicher Zahlung sind sie nicht dazu bestimmt, unmittelbar dem Bestreiten des Lebensunterhalts des Arbeitnehmers zu dienen. Sie stehen ihm grundsätzlich nicht zur freien Verfügung, sondern sind zwingend langfristig anzulegen. Dabei gelten je nach Anlageart unterschiedliche Sperrfristen, etwa sieben Jahre bei Sparverträgen über Wertpapiere oder andere Vermögensbeteiligungen (§ 4 Abs. 2, § 8 Abs. 2 Fünftes VermBG)und sechs Jahre beim Wertpapier-Kaufvertrag (§ 5 Abs. 2 Fünftes VermBG)und beim Beteiligungsvertrag oder dem Beteiligungs-Kaufvertrag mit dem Arbeitgeber (§ 6 Abs. 3, § 7 Abs. 3 Fünftes VermBG). Die vermögenswirksamen Leistungen sind danach unter nationalrechtlichen Gesichtspunkten nicht „funktional gleichwertig“ mit dem vom Arbeitgeber zu entrichtenden Mindestlohn (BAG 18. April 2012 - 4 AZR 168/10 (A) - Rn. 34, BAGE 141, 173). Nach dem Recht der Europäischen Union ergibt sich kein anderes Ergebnis (EuGH 7. November 2013 - C-522/12 - [Isbir] - Rn. 43 f., ABl. EU 2014 Nr. C 9, 14).

62

bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine mögliche Kündigung des der jeweiligen Anlageform zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses - hier der vom Kläger geschlossene Bausparvertrag - für eine Anrechenbarkeit ohne Bedeutung. Die von der Beklagten selbst für den Kläger nach § 2 Abs. 1 Einleitungssatz Fünftes VermBG angelegten Geldleistungen sind nach ihrer Zweckbestimmung gerade nicht dazu bestimmt, den laufenden Lebensunterhalt zu bestreiten, sondern dienen der Vermögensbildung des Arbeitnehmers(§ 1 Abs. 1 Fünftes VermBG).

63

Darüber hinaus ist der Kläger aus keinem Rechtsgrund gehalten, die zwischen den Parteien vereinbarte Zweckbestimmung der von der Beklagten geleisteten vermögenwirksamen Leistungen zu ihren Gunsten abzuändern, um - wie diese meint - eine Anrechenbarkeit herbeizuführen.

64

3. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 291 BGB.

65

III. Die Kostentscheidung ergibt sich in Anwendung von § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Creutzfeldt    

        

    Treber    

        

        

        

    Kiefer    

        

    Valerie Holsboer    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Januar 2009 - 26 Sa 1729/08 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit auf die tariflichen Aufstockungsbeträge für das Altersteilzeitentgelt anzurechnen sind.

2

Die Parteien führen ihr Arbeitsverhältnis seit Januar 2007 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell. Die Arbeitsphase endete am 30. Juni 2009. Die Freistellungsphase soll am 31. Dezember 2011 enden. Die Parteien sind originär und durch vertragliche Bezugnahme an die Tarifverträge der Deutschen Post AG gebunden.

3

Der Tarifvertrag Nr. 37d über die Altersteilzeit bei der Deutschen Post AG lautete in der bis 31. Dezember 2006 geltenden Fassung vom 2. April 1998 (TV ATZ aF) auszugsweise:

        

§ 5 Altersteilzeitentgelt, Aufstockung         

        

(1)     

Während der Altersteilzeit wird das jeweilige monatliche Netto-Teilzeitarbeitsentgelt auf 89 v. H. des um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge geminderten jeweiligen monatlichen Bruttoentgelts unter Zugrundelegung der vor Beginn der Altersteilzeit arbeitsvertraglich vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit i. S. des Altersteilzeitgesetzes (Bemessungsgrundlage) aufgestockt (Aufstockungsbetrag).

        

(2)     

Grundlage für die Bemessungsgrundlage ist

                 

-       

das Monatsgrundentgelt in sinngemäßer Anwendung des § 2 Abs. 1 ETV-DP AG aus der Entgeltgruppe, in die der Arbeitnehmer eingruppiert ist

                 

-       

das Urlaubsgeld gem. § 7 ETV-DP AG

                 

-       

das 13. Monatsgehalt gem. § 8 ETV-DP AG

                 

-       

die vermögenswirksamen Leistungen

                 

-       

für Arbeitnehmer, die unter § 30 Abs. 1 ETV-DP AG fallen, die Besitzstandszulage Lohn gem. Anhang 1 Teil A ETV-DP AG

                 

-       

für Arbeitnehmer, die unter § 30 Abs. 2 ETV-DP AG fallen, die Besitzstandszulage Vergütung gem. Anhang 2 Teil A ETV-DP AG

                 

Ergibt sich für den Arbeitnehmer im Rahmen der arbeitsvertraglich vereinbarten Teilzeitbeschäftigung während der Altersteilzeitarbeit ein Zahlbetrag eines variablen Entgelts gem. Anhang 1 Teil A Abs. 12 bzw. Anhang 2 Teil A Abs. 11 ETV-DP AG, wird dieser Zahlbetrag neben dem Altersteilzeitentgelt und dem Aufstockungsbetrag gezahlt.

        

(3)     

Steuer- und sozialversicherungsfreie Entgeltbestandteile sowie Zuschläge für Überzeitarbeit werden nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen.

                 

Die unregelmäßigen Entgeltbestandteile werden entsprechend dem tatsächlichen Aufkommen gezahlt.“

4

Der Senat entschied mit Urteil vom 21. November 2006 (- 9 AZR 623/05 - Rn. 16 ff.), dass Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit unregelmäßige Entgeltbestandteile iSv. § 5 Abs. 3 Unterabs. 2 TV ATZ aF seien. Sie seien deshalb zusätzlich zum Altersteilzeitentgelt iSv. § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ aF zu gewähren. Die Beklagte hatte die Zuschläge damals in den monatlichen Entgeltabrechnungen als gesonderte Vergütungsbestandteile ausgewiesen. Sie hatte das effektive Nettoentgelt jedoch nicht erhöht, sondern den Aufstockungsbetrag gekürzt. In der Entscheidung vom 21. November 2006 wies der Senat ua. darauf hin, dass eine Auslegung des TV ATZ aF iSd. der Beklagten zu einem Verstoß der tariflichen Regelungen gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG führe. Es sei nicht anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien eine derartige sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung gewollt hätten (- 9 AZR 623/05 - Rn. 19).

5

Die Beklagte und die Gewerkschaft ver.di schlossen am 27. Dezember 2006 den Tarifvertrag Nr. 132, durch den der TV ATZ geändert wurde. Sie vereinbarten dort, dass § 5 Abs. 3 des TV ATZ aF mit Wirkung vom 1. Januar 2007 neu gefasst werde. § 5 Abs. 3 lautet in der geänderten Fassung des Tarifvertrags Nr. 132(TV ATZ):

        

„Die Besitzstandszulage Zulagen/Zuschläge sowie die Zulagen und Zuschläge für tatsächlich erbrachte zulagen- und zuschlagsberechtigte Arbeiten werden nach den tarifvertraglichen Regelungen des ETV-DP AG im Rahmen der Teilzeitbeschäftigung gezahlt und auf den Aufstockungsbetrag angerechnet.“

6

§ 38 Abs. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der Deutschen Post AG vom 18. Juni 2003 (MTV-DP AG) bestimmt, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis beiderseits verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

7

Der Kläger leistete von Januar bis Mai 2007 Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Die Beklagte wies hierfür in den Abrechnungen Zuschläge von insgesamt 470,66 Euro brutto aus und leistete die Zuschläge. Sie rechnete die Zuschläge auf die nach § 5 Abs. 1 TV ATZ zu zahlenden Aufstockungsbeträge an.

8

Der Kläger machte mit Schreiben vom 26. Juni 2007 Ansprüche auf Auszahlung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge für Januar bis Mai 2007 gegenüber der Beklagten geltend. Die Beklagte wies unter dem 29. Juni 2007 darauf hin, dass die Auszahlung der Zuschläge in den einzelnen Bezügemitteilungen nachzuvollziehen sei.

9

Der Kläger meint, § 5 Abs. 3 TV ATZ sei nichtig, weil er gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Der TV ATZ enthalte auch ohne die Anrechnungsregelung eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung. Er bleibe in seinen übrigen Bestandteilen wirksam.

10

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 470,66 Euro brutto nebst Zinsen aus dem Nettobetrag in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, die Anrechnung sei schon deshalb nicht gleichheitswidrig, weil keine Arbeitnehmergruppen unterschiedlich behandelt würden. Die Anrechnungsregelung treffe jeden Altersteilzeitarbeitnehmer, wenn er zuschlagspflichtige Leistungen erbringe. Die Anrechnung sei jedenfalls eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Entfernterer Leistungszweck des Aufstockungsbetrags sei es, ältere Arbeitnehmer zum Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen zu bewegen. Näherer Leistungszweck sei es, den bisherigen Lebensstandard des Altersteilzeitarbeitnehmers in etwa abzusichern. Entscheidend sei allein, ob der nähere Zweck die Ungleichbehandlung rechtfertige. Mit Blick auf die Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien und nach gebotener Abwägung der Grundrechtspositionen aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 3 GG sei es nicht zu beanstanden, zur Sicherung des Lebensstandards einen einheitlich errechneten Betrag für jeden Arbeitnehmer zugrunde zu legen. Selbst bei einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz müsse den Tarifvertragsparteien aufgegeben werden, innerhalb angemessener Frist eine Neuregelung zu treffen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von 470,66 Euro nebst Zinsen. Der Anspruch ergibt sich aus § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ. Für die Anrechnung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge auf die monatlich geleisteten Aufstockungsbeträge besteht keine Rechtsgrundlage. Die Anrechnungsbestimmung in § 5 Abs. 3 TV ATZ ist nichtig, weil sie Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

14

A. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ Anspruch auf Zahlung restlicher Aufstockungsbeträge in Höhe von insgesamt 470,66 Euro für Januar bis Mai 2007.

15

I. Die Beklagte war nach § 5 Abs. 1 TV ATZ verpflichtet, das jeweilige monatliche Netto-Teilzeitarbeitsentgelt des Klägers für Januar bis Mai 2007 auf 89 % des um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge geminderten jeweiligen monatlichen Bruttoentgelts(Bemessungsgrundlage) aufzustocken. Die Grundlage der Bemessung ist in § 5 Abs. 2 TV ATZ geregelt. Der Kläger leistete in den Monaten Januar bis Mai 2007 nach den unangegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) zuschlagspflichtige Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit im Gesamtwert von 470,66 Euro. Die Beklagte zahlte die Zuschläge für diese Monate an den Kläger. Sie rechnete den Wert der Zuschläge jedoch zu Unrecht auf die monatlichen Aufstockungsbeträge an. Da diese rechtswidrige Berechnung den Anspruch auf Altersteilzeitentgelt nicht mindert, steht dem Kläger noch restliche Altersteilzeitvergütung von 470,66 Euro zu.

16

II. Die Beklagte war nicht berechtigt, auf die Aufstockungsbeträge aus § 5 Abs. 1 TV ATZ die Zuschläge für Januar bis Mai 2007 von insgesamt 470,66 Euro anzurechnen. Dieses Vorgehen entspricht § 5 Abs. 3 TV ATZ. Die tarifliche Anrechnungsbestimmung verstößt aber gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie ist nach § 134 Alt. 1 BGB nichtig.

17

1. Nach § 5 Abs. 3 TV ATZ in der zum 1. Januar 2007 geänderten Fassung haben Arbeitnehmer in der Arbeitsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses Anspruch auf Zahlung der Zuschläge nach § 15 des Entgelttarifvertrags für Arbeitnehmer der Deutschen Post AG(ETV-DP AG).

18

a) Die Zuschläge werden nach § 5 Abs. 2 TV ATZ nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen. Danach ist die Höhe des Aufstockungsbetrags unabhängig von den jeweiligen Ansprüchen des Arbeitnehmers auf Zahlung von Zuschlägen zu ermitteln. § 5 Abs. 3 TV ATZ bestimmt in der Folge jedoch, dass die nach dem ETV-DP AG gezahlten Zuschläge auf den Aufstockungsbetrag angerechnet werden. Damit haben die Tarifvertragsparteien ihren Willen zum Ausdruck gebracht, dass die Zuschläge nicht neben den nach § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ zu zahlenden Aufstockungsbeträgen zu leisten sind. Ein Teil der Aufstockungsbeträge wird durch die gezahlten Zuschläge ersetzt. Ansprüche auf Aufstockungsleistungen aus § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ werden im Ergebnis in Höhe der Zuschläge gekürzt.

19

b) Angesichts der eindeutigen Formulierung in § 5 Abs. 3 TV ATZ und der Tarifgeschichte des vorangegangenen Senatsurteils vom 21. November 2006 (- 9 AZR 623/05 - Rn. 13 ff.) kommt eine andere Auslegung der Anrechnungsbestimmung nicht in Betracht. Die verfassungskonforme Auslegung einer Tarifnorm ist nur möglich, soweit der im Wortsinn zum Ausdruck kommende Wille der Tarifvertragsparteien sie zulässt. Sie scheidet aus, wenn sie dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien widerspräche (vgl. zur verfassungskonformen Gesetzesauslegung BVerfG 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 - zu D I der Gründe, BVerfGE 93, 37; zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung durch teleologische Reduktion Senat 17. November 2009 - 9 AZR 844/08 - Rn. 29, EzA BUrlG § 13 Nr. 59).

20

2. Die von § 5 Abs. 3 TV ATZ vorgesehene Anrechnung der Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit auf die Aufstockungsbeträge verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Tarifbestimmung ist nichtig.

21

a) Der Senat braucht nicht darüber zu entscheiden, ob Tarifvertragsparteien als Normgeber unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden sind oder sie dessen Grundsätze nur mittelbar beachten müssen(für eine lediglich mittelbare Grundrechtsbindung durch die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte zB BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 26; offengelassen von der st. Senatsrspr., vgl. nur 4. Mai 2010 - 9 AZR 184/09 - Rn. 43 mwN). Für den Prüfungsmaßstab ist die dogmatische Herleitung bedeutungslos (vgl. Senat 4. Mai 2010 - 9 AZR 184/09 - aaO mwN).

22

b) Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG setzt voraus, dass die Tarifvertragsparteien bei der tariflichen Normgebung tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten außer Acht lassen, die so wesentlich sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtung hätten berücksichtigt werden müssen(st. Rspr., vgl. nur BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 25, EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 34; Senat 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - zu B II 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 8 = EzA GG Art. 3 Nr. 103). Der Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. zu der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz BVerfG 9. Dezember 2008 - 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2 BvL 2/08 - [Pendlerpauschale] Rn. 56, BVerfGE 122, 210; 23. Mai 2006 - 1 BvR 1484/99 - Rn. 23, BVerfGE 115, 381).

23

aa) Die gerichtliche Kontrolle wird durch die von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie begrenzt. Den Tarifvertragsparteien kommt eine Einschätzungsprärogative zu, soweit der tatsächliche Regelungsbedarf und insbesondere die betroffenen Interessen und die Rechtsfolgen zu beurteilen sind. Sie haben bei der inhaltlichen Gestaltung der Regelung einen Beurteilungsspielraum (vgl. Senat 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - zu B II 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 8 = EzA GG Art. 3 Nr. 103). Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Lösung für den zu regelnden Sachverhalt gefunden haben. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Tarifvertragsparteien ihren Gestaltungsspielraum überschritten haben (vgl. für die st. Rspr. Senat 4. Mai 2010 - 9 AZR 184/09 - Rn. 44; BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 26, jeweils mwN). Es genügt regelmäßig, wenn ein sachlich vertretbarer Grund für die getroffene Regelung besteht (vgl. Senat 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - aaO mwN).

24

bb) Die aus dem Gleichheitssatz folgenden Grenzen sind überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. nur BVerfG 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - zu C IV 1 der Gründe, BVerfGE 71, 39; BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 25 mwN, EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 34). Entsprechendes gilt, wenn Gruppen von Normadressaten gleichbehandelt werden, obwohl zwischen ihnen erhebliche Unterschiede bestehen.

25

c) Gemessen daran ist § 5 Abs. 3 TV ATZ gleichheitswidrig. Durch die Anrechnungsbestimmung in § 5 Abs. 3 TV ATZ wird eine Gruppe von Normadressaten ohne sachlichen Grund mit einer nicht vergleichbaren anderen Gruppe gleichbehandelt. Arbeitnehmer im Altersteilzeitarbeitsverhältnis, die während der Arbeitsphase Anspruch auf Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit nach dem ETV-DP AG haben, werden durch die Anrechnung der Zuschlagszahlungen auf die Aufstockungsbeträge mit der Gruppe von Altersteilzeitarbeitnehmern gleichbehandelt, die keine zuschlagspflichtigen Tätigkeiten versehen (vgl. Senat 21. November 2006 - 9 AZR 623/05 - Rn. 19). Zwischen den beiden Gruppen bestehen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, die es nicht rechtfertigen, dass beiden Gruppen in der Summe dieselbe Altersteilzeitvergütung zusteht. Die Anrechnung der geleisteten Zuschläge auf die Aufstockungsbeträge nach § 5 Abs. 3 TV ATZ verringert sach- und gleichheitswidrig das mit bestimmten Erschwernissen erarbeitete Entgelt der zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer.

26

aa) Altersteilzeitarbeitnehmer in der Arbeitsphase, die zuschlagspflichtige Tätigkeiten ausüben, erhalten im Ergebnis denselben auf 89 % des Nettoentgelts aufgestockten Betrag wie nicht zuschlagsberechtigte Altersteilzeitarbeitnehmer in der Arbeitsphase (§ 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ). Die beiden Arbeitnehmergruppen werden durch § 5 Abs. 3 TV ATZ hinsichtlich der Aufstockung auf 89 % des um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge geminderten jeweiligen monatlichen Bruttoentgelts(§ 5 Abs. 1 TV ATZ) ohne sachliche Rechtfertigung gleichbehandelt. Die Zuschläge werden bei der Berechnung des Entgelts zunächst berücksichtigt, dann aber auf die Aufstockungsbeträge angerechnet. Die besondere Erschwernis der Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit wird damit im Zahlbetrag des Altersteilzeitentgelts nicht abgebildet.

27

bb) Entgegen der Auffassung der Revision scheidet eine Gruppenbildung nicht deshalb aus, weil Arbeitnehmer in einem Monat zu der Gruppe der Zuschlagsberechtigten und in einem anderen Monat zu der Gruppe der nicht Zuschlagsberechtigten gehören können. Wer Normadressat ist, richtet sich nach den in der Regelung festgelegten Kriterien. Die Aufstockungsleistungen sind monatlich zu zahlende Beträge. Entscheidend ist, ob bestimmte Arbeitnehmer nach der tariflichen Vorschrift innerhalb des monatlichen Abrechnungszeitraums gleichheitswidrig behandelt werden.

28

cc) Für die Anrechnung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge auf die Aufstockungsbeträge besteht kein sachlicher Grund. Die Anrechnungsbestimmung in § 5 Abs. 3 TV ATZ ist willkürlich(vgl. zu § 5 Abs. 3 TV ATZ aF Senat 21. November 2006 - 9 AZR 623/05 - Rn. 19). Der Umstand, dass die Gruppe der betroffenen Altersteilzeitarbeitnehmer anders als die Gruppe der nicht zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer Ansprüche auf Zuschläge gegen die Beklagte hat, ist kein Grund, das Altersteilzeitentgelt dieser Gruppe auf dasselbe Niveau wie das der Gruppe der nicht zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer zu senken.

29

(1) Eine Gleichbehandlung der beiden Gruppen, deren Verhältnis von dem wesentlichen Unterschied der erschwerten Arbeit der einen Gruppe gekennzeichnet ist, ist nur gerechtfertigt, wenn sich der Grund aus dem Leistungszweck ergibt. Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei darin, den Zweck der tariflichen Leistung in Ausübung ihrer von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten autonomen Regelungsmacht zu bestimmen. Der Leistungszweck ist der ausdrücklichen Zweckbestimmung der Leistung zu entnehmen oder durch Auslegung der Tarifnorm zu ermitteln. Auf den Leistungszweck kann mithilfe der Anspruchsvoraussetzungen, der Ausschluss- oder Kürzungstatbestände geschlossen werden (vgl. nur BAG 5. August 2009 - 10 AZR 634/08 - Rn. 32 mwN, AP TzBfG § 4 Nr. 21; 15. Juli 2004 - 6 AZR 25/03 - zu II 6 a der Gründe).

30

(2) Der sich aus der Auslegung von § 5 TV ATZ ergebende Zweck der Sicherung des ungefähren Lebensstandards der Altersteilzeitarbeitnehmer führt nicht dazu, dass es sachlich gerechtfertigt ist, das Altersteilzeitentgelt der zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer in Höhe der Altersteilzeitvergütung der nicht zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer zu „kappen“.

31

(a) Auf die tariflichen Aufstockungsleistungen werden Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge angerechnet. Mit den Zuschlägen werden jedoch andere Zwecke verfolgt als mit den Aufstockungsbeträgen, die durch die Anrechnung gekürzt werden. Die von § 15 ETV-DP AG begründeten Ansprüche auf Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit werden gezahlt, weil der Arbeitnehmer die Arbeit unter erschwerten Umständen leisten muss. Zuschlagsberechtigte Arbeitnehmer erhalten eine zusätzliche Vergütung als Ausgleich für die sozialen und gesundheitlichen Erschwernisse aufgrund von Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Die in § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ geregelten Aufstockungsbeträge gleichen im Unterschied dazu Verdienstverluste aus, die ein Arbeitnehmer erleidet, weil er seine Arbeitszeit durch Altersteilzeit reduziert. Mit den Aufstockungsbeträgen soll der Übergang in den gleitenden Ruhestand attraktiv gemacht und zugleich in etwa der bisherige Lebensstandard gesichert werden. Die Aufstockungsbeträge orientieren sich aus diesem Grund nicht allein an dem Verdienst, den der Altersteilzeitarbeitnehmer ohne Verringerung der Arbeitszeit hätte beanspruchen können (vgl. zum Zweck von Aufstockungsleistungen Senat 11. April 2006 - 9 AZR 369/05 - Rn. 52 mwN, BAGE 118, 1).

32

(b) Der Bedarf eines Altersteilzeitarbeitnehmers, den Verdienst trotz der verringerten Arbeitszeit in etwa aufrechtzuerhalten, verringert sich nicht deswegen, weil ihm ein finanzieller Ausgleich für die unter erschwerten Bedingungen erbrachte Arbeitsleistung zusteht. Die Zuschläge für die Arbeit unter erschwerten Bedingungen sollen allein die damit verbundenen Nachteile ausgleichen und nicht die Verdienstverluste aufgrund der Arbeitszeitverringerung kompensieren. Zuschlagsberechtigte Altersteilzeitarbeitnehmer erzielen insgesamt eine höhere Vergütung als Arbeitnehmer, die keine zuschlagspflichtigen Tätigkeiten ausüben. Zuschlagsberechtigte Arbeitnehmer richten ihren Lebensstandard an dem höheren Verdienst aus. Dieser Umstand ist für die Tarifvertragsparteien typisiert betrachtet erkennbar und in der zuschlagsberechtigten Arbeitnehmergruppe nicht auf besondere Fälle beschränkt (vgl. zu der zulässigen typisierenden und generalisierenden Gruppenbildung durch die Tarifvertragsparteien BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 28).

33

d) Die Beklagte geht zu Recht davon aus, dass die in § 5 Abs. 3 TV ATZ geregelte Anrechnung der Zuschläge auf die Aufstockungsbeträge nicht durch eine Budgetvorgabe für die Finanzierung von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen gerechtfertigt werden kann. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien nur einen bestimmten finanziellen Rahmen für Aufstockungsbeträge zur Verfügung stellen wollen, dürfen sie diese Mittel nicht unter Berufung auf ihren Gestaltungsspielraum willkürlich verteilen. Sie müssen die Schutzpflichten beachten, die sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben. Die Tarifvertragsparteien dürfen ihre Verhandlungspositionen nicht erweitern, indem sie Art. 3 Abs. 1 GG verletzen(vgl. BAG 15. Juli 2004 - 6 AZR 25/03 - zu II 6 c bb der Gründe).

34

3. Der Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG führt nach § 134 Alt. 1 BGB zur Nichtigkeit der tariflichen Anrechnungsnorm für Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge. § 134 BGB gilt nicht nur für Individualverträge, sondern auch für Tarifverträge(Senat 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 31, AP TVG § 1 Vorruhestand Nr. 33 = EzA SGB IX § 81 Nr. 18). Die übrigen Bestimmungen des TV ATZ bleiben wirksam. Das trifft insbesondere auf § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ zu, aber auch auf die Regelung in § 5 Abs. 3 TV ATZ, soweit darin auf die Zahlung der Zuschläge nach dem ETV-DP AG verwiesen wird. § 5 Abs. 3 TV ATZ schränkt die Anwendung des ETV-DP AG nicht ein, sondern trifft lediglich eine deklaratorische Verweisungsregelung.

35

a) Verstößt eine Tarifnorm gegen höherrangiges Recht oder überschreiten die Tarifvertragsparteien die Grenze der tariflichen Rechtsetzungsbefugnis, ist die Norm nichtig. Das gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich auch für gleichheitswidrige Tarifverträge (vgl. 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 25, 42 f.; 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 19, 35 f., AP TVÜ § 11 Nr. 2 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 11 Abs. 1 Nr. 13). Verstöße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG lösen bei Tarifverträgen und Gesetzen dieselben Rechtsfolgen aus. Soweit den tariflichen Normgebern ein Regelungsspielraum verbleibt, haben die Gerichte für Arbeitssachen ihn zu respektieren (vgl. BAG 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 36, aaO).

36

b) Die Arbeitsgerichte dürfen im Unterschied zu der Rechtslage bei formellen Gesetzen iSv. Art. 100 Abs. 1 GG darüber entscheiden, ob eine Tarifnorm im jeweiligen Streitfall nichtig ist. Die Entscheidung bindet außerhalb des Geltungsbereichs von § 9 TVG nur die Parteien, zwischen denen die Rechtskraft bezogen auf den konkreten prozessualen Streitgegenstand wirkt.

37

c) Der Lösungsweg einer Unvereinbarkeitserklärung ist den Gerichten für Arbeitssachen grundsätzlich verschlossen (vgl. ErfK/Schmidt 10. Aufl. Art. 3 GG Rn. 56; aA Wiedemann/Wiedemann TVG 7. Aufl. Einl. Rn. 248). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt aus der festgestellten Unvereinbarkeit einer Norm mit Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Rechtslage rückwirkend auf den in der gerichtlichen Feststellung genannten Zeitpunkt verfassungsgemäß umzugestalten(vgl. 9. Dezember 2008 - 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2 BvL 2/08 - [Pendlerpauschale] Rn. 88, BVerfGE 122, 210). Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 82 Abs. 1 iVm. § 78 Satz 1, § 95 Abs. 3 BVerfGG). Eine Unvereinbarkeitserklärung setzt regelmäßig voraus, dass dem Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfG 23. Mai 2006 - 1 BvR 1484/99 - Rn. 33, BVerfGE 115, 381). Die Arbeitsgerichte dürfen den Tarifvertragsparteien demgegenüber keine bestimmten Normierungspflichten auferlegen (vgl. BAG 13. November 1985 - 4 AZR 234/84 - BAGE 50, 137).

38

d) Der Senat kann offenlassen, ob bei einer gleichheitswidrigen Tarifnorm in bestimmten Sachverhaltsgestaltungen eine befristete Aussetzung des arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits in Betracht kommt, um den Tarifvertragsparteien Gelegenheit zu einer tariflichen Neuregelung zu geben (vgl. dazu ErfK/Schmidt Art. 3 GG Rn. 59 mwN zu der Kontroverse). Der Gleichheitssatz kann im Streitfall auch unter Berücksichtigung der von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Gestaltungsbefugnis der Tarifvertragsparteien nur gewahrt werden, wenn es im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Nichtigkeit der in § 5 Abs. 3 TV ATZ getroffenen Anrechnungsregelung bleibt.

39

aa) Die gleichheitswidrig ausgeklammerten Personen haben Anspruch auf die Vergünstigung, wenn die tariflichen Normgeber dem Gleichheitssatz nur auf diese Weise Rechnung tragen können (vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 43 mwN). Für den streitigen Zeitraum von Januar bis Mai 2007 besteht für die Tarifvertragsparteien keine andere dem Gleichheitssatz genügende Möglichkeit, als an die zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer die ungekürzten Aufstockungsbeträge zu leisten, die sich aus § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ ergeben.

40

(1) Tarifnormen unterliegen als Rechtsnormen den rechtsstaatlichen Grenzen der Rückwirkung. Wie bei Gesetzen kommt die rückwirkende Änderung eines Tarifvertrags in Betracht. Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung tariflicher Regelungen ist aber durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen beschränkt. Es gelten die gleichen Regeln, wie sie das Bundesverfassungsgericht für die Rückwirkung von Gesetzen aus Art. 20 Abs. 3 GG ableitet(vgl. nur Senat 17. Juli 2007 - 9 AZR 1089/06 - Rn. 24 mwN, EzTöD 600 TV-V § 14 Zusatzurlaub Schicht-/Wechselschichtarbeit Nr. 1; 14. Oktober 2003 - 9 AZR 678/02 - zu A II 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 31).

41

(2) Eine Änderung der Regelungen in § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ für den Zeitraum von Januar bis Mai 2007 gegenüber nicht zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmern, die ungekürzte Aufstockungsbeträge erhielten, führte zu einer echten Rückwirkung auf einen abgeschlossenen Sachverhalt. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes ließe eine rückwirkende Kürzung nur zu, wenn diese Arbeitnehmer schon im streitgegenständlichen Zeitraum mit einer Änderung des Tarifvertrags hätten rechnen müssen. Das trifft nicht zu. Die Tarifvertragsparteien kündigten damals keine Änderung des Tarifvertrags hinsichtlich der Aufstockungsleistungen an.

42

bb) Die Tarifvertragsparteien vereinbarten die gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Anrechnungsbestimmung in § 5 Abs. 3 TV ATZ erst nach der Senatsentscheidung vom 21. November 2006 (- 9 AZR 623/05 -). Sie trafen bis heute keine Neuregelung, obwohl sie aufgrund des genannten Senatsurteils damit rechnen mussten, dass die seit 1. Januar 2007 geltende Fassung des § 5 Abs. 3 TV ATZ Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Es ist weder festgestellt noch vorgetragen, dass die Beklagte sich um eine Neuregelung bemüht hätte. Der Rechtsfolge der Nichtigkeit der Anrechnungsvorschrift in § 5 Abs. 3 TV ATZ steht daher auch nicht entgegen, dass die unterbleibende Anrechnung den Kostenrahmen für die Beklagte erweitert. Vertrauensschutz kommt der Beklagten aus denselben Gründen nicht zu.

43

4. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bleibt die Nichtigkeit einzelner Tarifnormen regelmäßig auf die zu beanstandenden Regelungen beschränkt. § 139 BGB ist nicht auf Tarifverträge anzuwenden. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Tarifvertrag ohne die unwirksame Bestimmung noch eine sinnvolle in sich geschlossene Regelung enthält. Die Nichtigkeit des gesamten Tarifvertrags kann bei Nichtigkeit einzelner Tarifvorschriften nur ausnahmsweise angenommen werden (vgl. zB BAG 12. Dezember 2007 - 4 AZR 996/06 - Rn. 21 mwN, BAGE 125, 169). Auch ohne die von § 5 Abs. 3 TV ATZ vorgesehene Anrechnung enthalten der TV ATZ und insbesondere § 5 TV ATZ sinnvolle und in sich geschlossene Regelungen. Die Teilnichtigkeit lässt keine Tariflücke entstehen. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergibt sich unmittelbar aus § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ.

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III. Der Kläger machte die streitgegenständlichen Ansprüche mit Schreiben vom 26. Juni 2007 innerhalb der sechsmonatigen tariflichen Ausschlussfrist des § 38 Abs. 1 MTV-DP AG geltend. Er verlangte zwar die Auszahlung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge für die Monate Januar bis Mai 2007. Für die Beklagte war aber erkennbar, dass es dem Kläger darum ging, eine Altersteilzeitvergütung zu erlangen, die sowohl die ungekürzten Aufstockungsbeträge als auch die Zuschläge umfasste.

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IV. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

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B. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Düwell    

        

    Krasshöfer    

        

    Gallner    

        

        

        

    Pfelzer    

        

    Neumann    

                 

(1) Versorgungsempfänger, deren Ansprüche aus einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht erfüllt werden, weil über das Vermögen des Arbeitgebers oder über seinen Nachlaß das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, und ihre Hinterbliebenen haben gegen den Träger der Insolvenzsicherung einen Anspruch in Höhe der Leistung, die der Arbeitgeber aufgrund der Versorgungszusage zu erbringen hätte, wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden wäre. Satz 1 gilt entsprechend,

1.
wenn Leistungen aus einer Direktversicherung aufgrund der in § 1b Abs. 2 Satz 3 genannten Tatbestände nicht gezahlt werden und der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nach § 1b Abs. 2 Satz 3 wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nachkommt,
2.
wenn eine Unterstützungskasse die nach ihrer Versorgungsregelung vorgesehene Versorgung nicht erbringt, weil über das Vermögen oder den Nachlass eines Arbeitgebers, der der Unterstützungskasse Zuwendungen leistet, das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist,
3.
wenn über das Vermögen oder den Nachlass des Arbeitgebers, dessen Versorgungszusage von einem Pensionsfonds oder einer Pensionskasse durchgeführt wird, das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und soweit der Pensionsfonds oder die Pensionskasse die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung nicht erbringt; ein Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht nicht, wenn eine Pensionskasse einem Sicherungsfonds nach dem Dritten Teil des Versicherungsaufsichtsgesetzes angehört oder in Form einer gemeinsamen Einrichtung nach § 4 des Tarifvertragsgesetzes organisiert ist.
§ 14 des Versicherungsvertragsgesetzes findet entsprechende Anwendung. Der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stehen bei der Anwendung der Sätze 1 bis 3 gleich
1.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse,
2.
der außergerichtliche Vergleich (Stundungs-, Quoten- oder Liquidationsvergleich) des Arbeitgebers mit seinen Gläubigern zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens, wenn ihm der Träger der Insolvenzsicherung zustimmt,
3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.

(1a) Der Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung entsteht mit dem Beginn des Kalendermonats, der auf den Eintritt des Sicherungsfalles folgt. Der Anspruch endet mit Ablauf des Sterbemonats des Begünstigten, soweit in der Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht etwas anderen bestimmt ist. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und 4 Nr. 1 und 3 umfaßt der Anspruch auch rückständige Versorgungsleistungen, soweit diese bis zu zwölf Monaten vor Entstehen der Leistungspflicht des Trägers der Insolvenzsicherung entstanden sind.

(2) Personen, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder bei Eintritt der nach Absatz 1 Satz 4 gleichstehenden Voraussetzungen (Sicherungsfall) eine nach § 1b unverfallbare Versorgungsanwartschaft haben, und ihre Hinterbliebenen haben bei Eintritt des Versorgungsfalls einen Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung, wenn die Anwartschaft beruht

1.
auf einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers,
2.
auf einer Direktversicherung und der Arbeitnehmer hinsichtlich der Leistungen des Versicherers widerruflich bezugsberechtigt ist oder die Leistungen auf Grund der in § 1b Absatz 2 Satz 3 genannten Tatbestände nicht gezahlt werden und der Arbeitgeber seiner Verpflichtung aus § 1b Absatz 2 Satz 3 wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nachkommt,
3.
auf einer Versorgungszusage des Arbeitgebers, die von einer Unterstützungskasse durchgeführt wird, oder
4.
auf einer Versorgungszusage des Arbeitgebers, die von einem Pensionsfonds oder einer Pensionskasse nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 durchgeführt wird, soweit der Pensionsfonds oder die Pensionskasse die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung nicht erbringt.

(2a) Die Höhe des Anspruchs nach Absatz 2 richtet sich

1.
bei unmittelbaren Versorgungszusagen, Unterstützungskassen und Pensionsfonds nach § 2 Absatz 1,
2.
bei Direktversicherungen nach § 2 Absatz 2 Satz 2,
3.
bei Pensionskassen nach § 2 Absatz 3 Satz 2.
Die Betriebszugehörigkeit wird bis zum Eintritt des Sicherungsfalls berücksichtigt. § 2 Absatz 5 und 6 gilt entsprechend. Veränderungen der Versorgungsregelung und der Bemessungsgrundlagen, die nach dem Eintritt des Sicherungsfalls eintreten, sind nicht zu berücksichtigen; § 2a Absatz 2 findet keine Anwendung.

(3) Ein Anspruch auf laufende Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung beträgt jedoch im Monat höchstens das Dreifache der im Zeitpunkt der ersten Fälligkeit maßgebenden monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Satz 1 gilt entsprechend bei einem Anspruch auf Kapitalleistungen mit der Maßgabe, daß zehn vom Hundert der Leistung als Jahresbetrag einer laufenden Leistung anzusetzen sind.

(4) Ein Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung vermindert sich in dem Umfang, in dem der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erbringt. Wird im Insolvenzverfahren ein Insolvenzplan bestätigt, vermindert sich der Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung insoweit, als nach dem Insolvenzplan der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung einen Teil der Leistungen selbst zu erbringen hat. Sieht der Insolvenzplan vor, daß der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung von einem bestimmten Zeitpunkt an selbst zu erbringen hat, so entfällt der Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung von diesem Zeitpunkt an. Die Sätze 2 und 3 sind für den außergerichtlichen Vergleich nach Absatz 1 Satz 4 Nr. 2 entsprechend anzuwenden. Im Insolvenzplan soll vorgesehen werden, daß bei einer nachhaltigen Besserung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers die vom Träger der Insolvenzsicherung zu erbringenden Leistungen ganz oder zum Teil vom Arbeitgeber oder sonstigen Träger der Versorgung wieder übernommen werden.

(5) Ein Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht nicht, soweit nach den Umständen des Falles die Annahme gerechtfertigt ist, daß es der alleinige oder überwiegende Zweck der Versorgungszusage oder ihre Verbesserung oder der für die Direktversicherung in § 1b Abs. 2 Satz 3 genannten Tatbestände gewesen ist, den Träger der Insolvenzsicherung in Anspruch zu nehmen. Diese Annahme ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn bei Erteilung oder Verbesserung der Versorgungszusage wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers zu erwarten war, daß die Zusage nicht erfüllt werde. Ein Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht bei Zusagen und Verbesserungen von Zusagen, die in den beiden letzten Jahren vor dem Eintritt des Sicherungsfalls erfolgt sind, nur

1.
für ab dem 1. Januar 2002 gegebene Zusagen, soweit bei Entgeltumwandlung Beträge von bis zu 4 vom Hundert der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für eine betriebliche Altersversorgung verwendet werden oder
2.
für im Rahmen von Übertragungen gegebene Zusagen, soweit der Übertragungswert die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigt.

(6) Ist der Sicherungsfall durch kriegerische Ereignisse, innere Unruhen, Naturkatastrophen oder Kernenergie verursacht worden, kann der Träger der Insolvenzsicherung mit Zustimmung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Leistungen nach billigem Ermessen abweichend von den Absätzen 1 bis 5 festsetzen.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.

(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.