Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 15. Aug. 2016 - 9 Sa 318/16

ECLI:ECLI:DE:LAGD:2016:0815.9SA318.16.00
bei uns veröffentlicht am15.08.2016

Tenor

1.Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 29.02.2016 - 12 Ca 6754/15 teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger für Juni 2015 7.527,15 € brutto abzüglich erhaltener 1.785,05 € netto und weiterer gezahlter 26,59 € vermögenswirksame Leistungen sowie für Juli 2015 weitere 6.372,92 € brutto abzüglich gezahlter 1.241,35 € netto sowie weiterer gezahlter 26,59 € vermögenswirksamer Leistungen nebst Zinsen i. H. v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.08.2015 zu zahlen.

2.Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 20%, die Beklagte zu 80%.

3.Die Revision wird zugelassen.


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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Betriebsverfassungsgesetz


§ 21a idF d. Art. 1 Nr. 51 G v. 23.7.2001 I 1852 dient der Umsetzung des Artikels 6 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 305 Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag


(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 269 Klagerücknahme


(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden. (2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, a

Zivilprozessordnung - ZPO | § 513 Berufungsgründe


(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. (2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt we

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 310 Anwendungsbereich


(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermöge

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 87 Mitbestimmungsrechte


(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: 1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;2. Beginn und Ende der täglichen A

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 1 Inhalt und Form des Tarifvertrags


(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen könne

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 77 Durchführung gemeinsamer Beschlüsse, Betriebsvereinbarungen


(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseit

Betriebsrentengesetz - BetrAVG | § 1 Zusage des Arbeitgebers auf betriebliche Altersversorgung


(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführ

Zivilprozessordnung - ZPO | § 264 Keine Klageänderung


Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes1.die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;2.der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert od

Zivilprozessordnung - ZPO | § 533 Klageänderung; Aufrechnungserklärung; Widerklage


Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn1.der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und2.diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidu

Gewerbeordnung - GewO | § 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers


Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder geset

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 126 Schriftform


(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. (2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnun

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 75 Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen


(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihr

Zivilprozessordnung - ZPO | § 516 Zurücknahme der Berufung


(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen. (2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 130 Inhalt der Schriftsätze


Die vorbereitenden Schriftsätze sollen enthalten: 1. die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; die Bezeichnung des Gerichts und des Streitgegenstandes; die Zahl der Anlag

Einkommensteuergesetz - EStG | § 42d Haftung des Arbeitgebers und Haftung bei Arbeitnehmerüberlassung


(1) Der Arbeitgeber haftet 1. für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat,2. für die Lohnsteuer, die er beim Lohnsteuer-Jahresausgleich zu Unrecht erstattet hat,3. für die Einkommensteuer (Lohnsteuer), die auf Grund fehlerhafter Angab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 416 Beweiskraft von Privaturkunden


Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 267 Leistung durch Dritte


(1) Hat der Schuldner nicht in Person zu leisten, so kann auch ein Dritter die Leistung bewirken. Die Einwilligung des Schuldners ist nicht erforderlich. (2) Der Gläubiger kann die Leistung ablehnen, wenn der Schuldner widerspricht.

Einkommensteuergesetz - EStG | § 40a Pauschalierung der Lohnsteuer für Teilzeitbeschäftigte und geringfügig Beschäftigte


(1)1Der Arbeitgeber kann unter Verzicht auf den Abruf von elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (§ 39e Absatz 4 Satz 2) oder die Vorlage einer Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug (§ 39 Absatz 3 oder § 39e Absatz 7 oder Absatz 8) bei Arbeitnehmer

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 88 Freiwillige Betriebsvereinbarungen


Durch Betriebsvereinbarung können insbesondere geregelt werden 1. zusätzliche Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Gesundheitsschädigungen;1a. Maßnahmen des betrieblichen Umweltschutzes;2. die Errichtung von Sozialeinrichtungen, deren Wirk

Zivilprozessordnung - ZPO | § 267 Vermutete Einwilligung in die Klageänderung


Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er, ohne der Änderung zu widersprechen, sich in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen hat.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 80 Prozessvollmacht


Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen.

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Tenor 1. Die Revisionen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 2. November 2009 - 7/5 Sa 842/09 - werden zurückgewiesen.

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Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 31. März 2009 - 14 Sa 1783/08 - aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des

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Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 28. April 2009 - 17 Sa 1522/08 - teilweise aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 09. Feb. 2011 - 7 AZR 91/10

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Jan. 2011 - 3 AZR 621/08

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Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 8. Mai 2008 - 2 Sa 9/08 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. Aug. 2010 - 10 AZR 275/09

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Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Januar 2009 - 3 Sa 483/08 - aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten ge

Bundesarbeitsgericht Urteil, 27. Juli 2010 - 3 AZR 615/08

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Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24. April 2008 - 15 Sa 1867/07 - aufgehoben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Ents

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. März 2009 - 10 Sa 568/08

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Tenor 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 03.09.2008, Az.: 1 Ca 2409/07, wird als unzulässig verworfen. 2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. 3. Die Revision wi

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(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.

(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.

(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:

1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden;
2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte;
3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.

(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.

(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.

(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Januar 2010 - 17 Sa 848/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

2

Der Kläger ist seit dem 1. August 1983 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin, dem Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt M e.V. als Diplom-Sozialpädagoge beschäftigt. In dem am 14. Juni 1983 geschlossen Arbeitsvertrag heißt es ua.:

        

„Im übrigen gelten ergänzend die Vorschriften des jeweils geltenden Bundesmanteltarifvertrages der Arbeiterwohlfahrt.“

3

Der Kläger ist in der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche tätig. Die Beklagte vergütet ihn nach der VergGr. IVb Teil I Abschnitt B Unterabschn. 1 Sozial- und Erziehungsdienst des Tarifvertrages über die Tätigkeitsmerkmale zum Bundesmanteltarifvertrag (BMT-AW II) für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (TV-TM). Mit Schreiben vom 9. Oktober 2008 machte der Kläger eine Höhergruppierung nach der VergGr. IVa TV-TM erfolglos geltend.

4

Mit seiner Klage verlangt der Kläger in der Sache und soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung die Feststellung, dass er nach der VergGr. III TV-TM, hilfsweise nach der VergGr. IVa TV-TM zu vergüten sei. Er müsse die Arbeit von verschiedenen Stellen koordinieren, ua. die Einbeziehung des Jugendamtes, der Justizbehörden, weiterer Hilfeträger, Schulen, Kindergärten, Ärzten und Psychologen. Weiterhin bereite er Beratungen, Therapien und Hilfeplanungen vor und führe sie durch, „insbesondere die Diagnostik, Beratung, pädagogische und therapeutische Behandlungsangebote bei individuellen und familiären Problemen von Kindern und Jugendlichen sowie bei jungen Volljährigen …, insbesondere bei Erziehungsproblemen, Entwicklungsauffälligkeiten, psychosomatischen Problemen, Verhaltensauffälligkeiten, Vernachlässigung, Gewalt und Misshandlungen, sexuellen Missbrauch, Schwierigkeiten bei der Verselbstständigung, Beziehungsproblemen zwischen Eltern und Kindern“. Es handele sich dabei um ein „besonders schwieriges Klientel“.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab April 2008 in die Vergütungsgruppe III des BMT-AW II, hilfsweise in Vergütungsgruppe IVa BMT-AW II einzugruppieren.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Weder habe der Kläger eine Spezialausbildung abgeschlossen, noch sei es Inhalt seiner Tätigkeit, mindestens 20 Sozialarbeiter, Sozialpädagogen und Jugendleiter zu koordinieren. Die Beratung von Klienten mit zugespitzten Problemlagen und Krisensituationen sei seine originäre Aufgabe als Sozialpädagoge. Aus dem Vorbringen ergebe sich weder, welche Tätigkeit er im Einzelnen ausübe, noch weshalb sie sich durch besondere Bedeutung und Schwierigkeit heraushebe.

7

Das Arbeitsgericht hat - soweit für die Revision von Bedeutung - die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts war mangels einer den Anforderungen von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG entsprechenden Berufungsbegründung unzulässig. Sie wäre deshalb vom Landesarbeitsgericht zu verwerfen gewesen.

9

I. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessfortsetzungsvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung (BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 17, NZA 2010, 1446). Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. zB BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - aaO; 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 10 mwN, BAGE 121, 18). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sie verworfen wird. Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist hierbei ohne Bedeutung (BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 552/09 - Rn. 12 mwN, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 45; 29. November 2001 - 4 AZR 729/00 - zu I 1 der Gründe, EzA ZPO § 519 Nr. 13).

10

II. Mit der Berufungsbegründungsschrift ist die erstinstanzliche Entscheidung nicht ausreichend iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG angegriffen worden. Es fehlt an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils.

11

1. Eine Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis Nr. 4 ZPO nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (st. Rspr., s. nur BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 552/09 - Rn. 14 mwN, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 45).

12

2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers gegen das wohl begründete Urteil des Arbeitsgerichts nicht.

13

a) Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe nicht substantiiert dargetan, dass er die Tätigkeitsbeispiele der beantragten Vergütungsgruppe nach deren Protokollnotiz Nr. 13 TV-TM erfülle. Er habe weder in nachprüfbarer Weise vorgetragen, dass für die Tätigkeit eine zusätzlich abgeschlossene Spezialausbildung benötigt werde oder er mindestens 20 Sozialarbeiter, Sozialpädagogen oder Jugendleiter zu koordinieren habe. Weiterhin lasse sein Vortrag nicht erkennen, inwiefern sich seine Tätigkeit beträchtlich und gewichtig aus den schwierigen Tätigkeiten iSd. VergGr. IVb TV-TM heraushebe, weshalb der nach der Rechtsprechung erforderliche wertende Vergleich nicht möglich sei. Der Umstand allein, dass der Kläger mit unterschiedlichen Problemgruppen umzugehen habe, lasse seine Tätigkeit zwar als schwierig iSd. des Tätigkeitsmerkmales der VergGr. IVb TV-TM erscheinen, nicht aber als besonders schwierig, wie es das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. IVa TV-TM voraussetze. Ob und inwiefern für welche konkrete Tätigkeit eine deutlich wahrnehmbare Heraushebung aus den schwierigen Tätigkeiten vorliegt, könne anhand des Vorbringens des Klägers nicht festgestellt werden. Er habe weder vorgetragen noch erläutert, ob und inwiefern sich die Bedeutung oder die Größe seines Aufgabengebietes sowie die Tragweite für den innerdienstlichen Bereich oder für die Allgemeinheit deutlich aus den schwierigen Tätigkeiten eines Sozialpädagogen herausheben. Nach seinem Vorbringen sei auch nicht erkennbar, dass seine Tätigkeit bedeutungsvoller sei als die anderer Diplom-Sozialpädagogen.

14

b) Der Kläger wendet in seiner Berufungsbegründung lediglich pauschal ein, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe er in seinen erstinstanzlichen Schriftsätzen „ersichtlich umfassend vorgetragen“. Der Berufungsbegründung ist eine argumentative Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Arbeitsgerichts nicht zu entnehmen. Stattdessen enthält sie fast ausschließlich Vortrag von bereits erstinstanzlich vorgebrachten Tatsachen. Soweit der Kläger hinsichtlich seiner Beratungs- und Betreuungstätigkeit „vertiefend vorträgt“, handelt es sich um eine, zum Teil stichwortartige, mit Unterpunkten versehene Wiederholung seiner erstinstanzlichen Darstellung, in welchen Problembereichen er tätig wird. Gleiches trifft auf die angeführten Planungsaufgaben zu.

15

Bei diesem Vortrag handelt es sich auch ebenso wenig wie bei dem pauschalen Hinweis auf eine in der Anlage beigefügte elfseitige Broschüre „Erziehungsberatung - Stellungnahme der Arbeiterwohlfahrt“ des Bundesverbandes der AWO um neue Tatsachen, die eine Zulässigkeit der Berufung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO begründen könnten(dazu BAG 23. Februar 2011 - 4 AZR 313/09 - Rn. 15 mwN, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 62). Nach dem klägerischen Vortrag bleibt schon gänzlich offen, welche neuen Angriffsmittel sich aus dem Inhalt der Broschüre ergeben sollen.

16

III. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Bepler    

        

    Winter    

        

    Treber    

        

        

        

    Plautz    

        

    Weßelkock    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 31. März 2009 - 14 Sa 1783/08 - aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 29. Oktober 2008 - 1 Ca 1098/08 - wird als unzulässig verworfen.

2. Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten für die Zeit ab 1. Januar 2007 über die zutreffende Eingruppierung der Tätigkeit des Klägers nach dem Entgeltrahmenabkommen in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18. Dezember 2003 (ERA).

2

Der Kläger ist langjährig bei der Beklagten als Werkstoffprüfer im mechanischen Labor eingesetzt, wo insgesamt vier Werkstoffprüfer mit der Arbeitsaufgabe Qualitätsprüfung-Metallografie unter einem Laborleiter im Zweischichtbetrieb tätig sind.

3

Die Beklagte bildet ua. Verfahrensmechaniker (Umformtechnik), Drahtzieher und Industriekaufleute aus, Werkstoffprüfer hingegen seit Jahren nicht mehr. Die Auszubildenden zu Industriekaufleuten und zu Verfahrensmechanikern werden jeweils vier Wochen im mechanischen Labor eingesetzt, wobei sie nicht jeden Tag anwesend sind. Bei Auszubildenden zu Verfahrensmechanikern ist eine vierwöchige Ausbildung im mechanischen Labor Bestandteil des Ausbildungsplans und die Inhalte sind prüfungsrelevant. Sie werden in Einzelfällen nach dieser Ausbildung im mechanischen Labor zur Urlaubs- oder Krankheitsvertretung eingesetzt. Außerdem werden für zwei bis drei Wochen pro Jahr zwei bis drei Schülerpraktikanten betreut. Grundsätzlich wird jeweils nur ein Auszubildender oder Praktikant dem mechanischen Labor zugewiesen, wobei es gelegentlich zu Überschneidungen kommt.

4

Im Hinblick auf die zum 1. Januar 2007 beabsichtigte Einführung des ERA schloss die Beklagte mit dem bei ihr eingerichteten Betriebsrat am 28. April 2005 eine freiwillige Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Einführung von ERA gemäß § 2 Nr. 4 ERA-Einführungstarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (ERA-ETV).In Nr. 9 dieser Betriebsvereinbarung vereinbarten die Betriebsparteien die Anwendung des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens gem. § 7 ERA-ETV, § 4 Nr. 3 ERA und richteten im Rahmen dieses Verfahrens eine Paritätische Kommission ein.

5

Dem Kläger wurde von der Beklagten im November 2006 eine Aufgabenbeschreibung sowie die Eingruppierung mit Wirkung zum 1. Januar 2007 nach der Entgeltgruppe 11 ERA mitgeteilt. Dagegen wandte er sich mit einem Widerspruch, der auf das Anforderungsmerkmal „Kooperation“ gestützt war und der von der Paritätischen Kommission am 23. Januar 2007 abgelehnt wurde. Dies teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25. Januar 2007 mit, in dem sie gleichzeitig ankündigte, die Aufgabenbeschreibung hinsichtlich der zuvor nicht darin erwähnten Obliegenheit der Betreuung von Auszubildenden zu ergänzen.

6

Die im Juni 2007 insoweit ergänzte Aufgabenbeschreibung des Klägers bewertet die einzelnen Anforderungsmerkmale des ERA; die Mitarbeiterführung ordnet sie der Stufe 1 zu, vergibt also insoweit 0 Punkte und kommt zu einem Gesamtwert von 110 Punkten, der eine Einstufung in Entgeltgruppe 11 zur Folge hat.

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 12 ERA zu. Seine Tätigkeit sei wegen ihrer Prägung durch regelmäßige Betreuung von Auszubildenden und Praktikanten bezüglich des Anforderungsmerkmales „Mitarbeiterführung“ nach der Stufe 2 zu bewerten, so dass ihm weitere fünf Punkte zuzuerkennen seien und er einen für eine Einstufung in Entgeltgruppe 12 ausreichenden Gesamtwert von 115 Punkten erreiche.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass er mit Wirkung zum 1. Januar 2007 in die Entgeltgruppe 12 des Entgeltrahmenabkommens (ERA) der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen einzugruppieren ist.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, dass die Bewertung des Anforderungsprofils „Mitarbeiterführung“ zutreffend sei. Das Tätigkeitsbild der Arbeitsaufgabe „Werkstoffprüfung“ beinhalte nicht die fachliche Anweisung, Anleitung und Unterstützung anderer Beschäftigter. Die zeitweise Betreuung der Auszubildenden während des vorübergehenden Einsatzes im mechanischen Labor präge die Tätigkeit des Klägers nicht.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts war mangels einer den Anforderungen von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG entsprechenden Berufungsbegründung unzulässig. Sie wäre deshalb vom Landesarbeitsgericht zu verwerfen gewesen.

12

I. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessfortsetzungsvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung (BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 17, NZA 2010, 1446). Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. zB BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - aaO; 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 10, BAGE 121, 18 mzN). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sie verworfen wird(im Ergebnis ebenso BAG 15. August 2002 - 2 AZR 473/01 - AP ZPO § 519 Nr. 55 = EzA ZPO § 519 Nr. 14). Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist hierbei ohne Bedeutung (vgl. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 9; 9. Juli 2003 - 10 AZR 615/02 - Rn. 5 mwN, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 33 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 37; 29. November 2001 - 4 AZR 729/00 - EzA ZPO § 519 Nr. 13).

13

II. Mit der Berufungsbegründungsschrift ist die erstinstanzliche Entscheidung nicht ausreichend iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG angegriffen worden. Es fehlt an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils.

14

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (st. Rspr., vgl. ua. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 11; 28. Mai 2009 - 2 AZR 223/08 - Rn. 14, AP ZPO § 520 Nr. 2; 6. März 2003 - 2 AZR 596/02 - BAGE 105, 200). Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden (BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 223/08 - aaO). Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (BAG 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 11 mwN, BAGE 121, 18; 25. April 2007 - 6 AZR 436/05 - Rn. 14 mwN, BAGE 122, 190). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - aaO; 25. April 2007 - 6 AZR 436/05 - Rn 14 mwN, aaO).

15

2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers vom 12. Dezember 2008 nicht.

16

a) Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klage sei unbegründet, weil sich die Paritätische Kommission bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers bei der Überprüfung der Eingruppierung mit dem Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Mit § 7 ERA-ETV hätten die Tarifvertragsparteien festgelegt, dass die Feststellung der Eingruppierung einem besonderen Verfahren unterworfen sei, das nur eine beschränkte Überprüfung des gefundenen Ergebnisses vorsehe. Aus § 7 Abs. 1 und Abs. 4 ERA-ETV ergebe sich, dass die Entscheidung der Paritätischen Kommission gerichtlich nur auf Verfahrensfehler und die grobe Verkennung der tariflichen Bewertungsgrundsätze überprüft werden könne. Beides mache der Kläger jedoch nicht geltend. Da sich die Paritätische Kommission nach seinem eigenen Vorbringen nicht mit dem Merkmal Mitarbeiterführung befasst habe, könne ihr insoweit auch kein Fehler unterlaufen sein. Das Unterlassen der Überprüfung des Merkmales Mitarbeiterführung sei der Paritätischen Kommission nicht vorzuwerfen, da sich der Kläger gegenüber seiner tariflichen Ersteinstufung ausdrücklich nur auf das Merkmal „Kooperation“ bezogen habe. Deshalb habe das Gericht nicht zu prüfen, ob der Kläger im Rahmen seiner Arbeitsaufgabe regelmäßig oder nur gelegentlich während eines Betriebsdurchlaufes Auszubildende und Praktikanten betreue.

17

b) Die Berufungsbegründungsschrift des Klägers enthält keinerlei Bezug zu und nicht ansatzweise eine Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts. Entgegen den Anforderungen des § 520 ZPO ist nichts dazu vorgetragen, in welchen Punkten rechtlicher und tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll.

18

Das Urteil des Arbeitsgerichts wird in der Berufungsbegründung weder ausdrücklich noch implizit erwähnt. Es findet keinerlei argumentative Auseinandersetzung mit der Auffassung des Arbeitsgerichts statt, dass die Klage bereits unbegründet sei, weil sich die Paritätische Kommission bei der Überprüfung der Eingruppierung mit dem Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Auch die Ansicht des Arbeitsgerichts, dass die Entscheidung der Paritätischen Kommission gerichtlich nur auf Verfahrensfehler und die grobe Verkennung der tariflichen Bewertungsgrundsätze überprüft werden könne, findet weder Erwähnung noch erfolgt irgendeine Auseinandersetzung mit diesem rechtlichen Ansatz.

19

Stattdessen enthält die Berufungsbegründungsschrift ausschließlich Vortrag von bereits erstinstanzlich vorgetragenen Tatsachen, teils wiederholend, teils vertiefend. Nachdem referiert worden ist, dass das ERA auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist, welche Bewertung der Tätigkeit des Klägers mit welchem Ergebnis erfolgt ist und woran es dabei aus Sicht des Klägers mangelt, wird auch der Ablauf des Verfahrens vor der Paritätischen Kommission geschildert. Die Ausführungen hierzu bleiben jedoch ausschließlich im Tatsächlichen. Es fehlt an jeder rechtlichen Argumentation, die sich mit den Ausführungen im angefochtenen Urteil auseinandersetzt.

20

Soweit der Kläger sich dahingehend äußert, die Paritätische Kommission habe seine Beanstandung im Hinblick auf die nicht zutreffend vorgenommene Bewertung im Rahmen des Merkmales „Mitarbeiterführung“ nicht abgearbeitet, zeigt er keinen Verfahrensfehler auf. Dieses Vorbringen kann zwar anfänglich dahingehend verstanden werden, der Kläger wolle vortragen, dass die Kommission sich mit dem von ihm vorgebrachten Merkmal der „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Darin könnte - obwohl vom Kläger nicht ausdrücklich erwähnt - auf den ersten Blick der Vorwurf eines Verfahrensfehlers liegen. Allerdings ergibt sich aus seinen weiteren Ausführungen etwas anderes. So weist der Kläger ausdrücklich darauf hin, dass der Paritätischen Kommission der Themenbereich „Mitarbeiterführung“ bekannt gewesen, „eine Bewertung, insbesondere im Sinne des Klägers, allerdings nicht“ erfolgt sei. Auch sei der Betriebsratsvorsitzenden von der Kommission erklärt worden, dass die Werkstoffprüfer selbstverständlich zur Ausbildung verpflichtet seien, die Aufgabenbeschreibung entsprechend abgeändert werde, eine Bewertung insofern allerdings nicht erfolge. Damit bringt der Kläger zum Ausdruck, dass er die aus seiner Sicht fehlerhafte Bewertung des Merkmales Mitarbeiterführung durch die Paritätische Kommission beanstandet, nicht aber einen Verfahrensfehler durch Nichtberücksichtigung seines Vorbringens rügt.

21

Auch die weiteren Ausführungen in der Berufungsbegründung, insbesondere zu den gleichzeitigen Anwesenheitszeiten von Mitarbeitern des mechanischen Labors und Auszubildenden und Praktikanten in den Jahren 2007 und 2008 und zur Beschreibung der Ausbildungsinhalte im mechanischen Labor, stellen keine argumentative Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts dar.

22

III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung und Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Bepler    

        

    Treber    

        

    Winter    

        

        

        

    Pieper     

        

    Plautz    

                 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 03.09.2008, Az.: 1 Ca 2409/07, wird als unzulässig verworfen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von vier fristlosen Kündigungen der Beklagten, über Vergütungsansprüche der Klägerin aus Annahmeverzug für die Monate von Oktober bis Dezember 2007, über Schadensersatzansprüche wegen des Entzugs des Dienstwagens ab 12.11.2007 sowie über einen Nettogehaltsabzug im September 2007.

2

Die Klägerin (geb. am … 1954, geschieden) war seit dem 01.07.1998 in der Kanzlei der Beklagten als Rechtsanwältin zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 3.667,00 angestellt. Ihr wurde ein Dienstwagen der Marke BMW zur Privatnutzung zur Verfügung gestellt. Der zu versteuernde geldwerte Vorteil betrug nach der sog. Ein-Prozent-Regelung € 315,84 monatlich. Die Beklagte, die nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin am 28.09.2007 ordentlich zum 31.12.2007. Diese Kündigung hat die Klägerin nicht angegriffen. Sie war jedoch nicht mit einer Freistellung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist einverstanden und beantragte deshalb den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Beschäftigung. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag mit Urteil vom 09.10.2007 (3 Ga 37/07) stattgegeben. Im Anschluss kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 10.10.2007, 19.10.2007, 09.11.2007 und 15.11.2007 viermal fristlos. Am 12.11.2007 entzog sie der Klägerin den Dienstwagen. Von Oktober bis November 2007 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld, seit dem 01.12.2007 steht sie in einem neuen Arbeitsverhältnis.

3

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Sachverhalts sowie des streitigen erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der erstinstanzlichen Sachanträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zur Vermeidung von Wiederholungen abgesehen und auf den Tatbestand des Teilurteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 03.09.2008 (dort S. 4-10 = Bl. 246-252 d. A.) Bezug genommen.

4

Das Arbeitsgericht Koblenz hat der Klage mit Teilurteil vom 03.09.2008 überwiegend stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die vier fristlosen Kündigungen der Beklagten nicht aufgelöst worden ist. Weiterhin wurde die Beklagte verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 01.10.2007 bis zum 31.12.2007 Annahmeverzugslohn (3 x € 3.667,00), abzüglich des bezogenen Arbeitslosengeldes (€ 827,45 und € 1.306,50) und des Zwischenverdienstes (€ 1.777,95 netto) zu zahlen. Für den Monat September 2007 wurde die Beklagte zur Zahlung von restlichen € 161,13 netto verurteilt. Schließlich erfolgte eine Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz für den Entzug der Privatnutzung des Dienstwagens in Höhe von € 515,81 brutto und € 58,50 netto für Oktober und November 2007 sowie in Höhe von € 302,51 brutto für Dezember 2007. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Koblenz wird auf Seite 10 bis 20 des Teilurteils (= Bl. 252-262 d. A.) Bezug genommen.

5

Die Beklagte, der das Teilurteil am 12.09.2008 zugestellt worden ist, hat am 07.10.2008 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit am 05.11.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

6

Sie führt aus, das Arbeitsgericht habe entschieden, dass für die fristlose Kündigung vom 10.10.2007 objektiv kein wichtiger Grund feststellbar sei. Immerhin sei es aber so, dass die Klägerin unstreitig Kopien von Akten gefertigt und mitgenommen habe. Er dürfte nicht ausreichen, dass die Klägerin hierzu vortrage, sie habe sich eine Mustermappe fertigen wollen. Ihre Vorgehensweise verstoße zumindest gegen datenschutzrechtliche Vorschriften. Im Übrigen sei nicht hinnehmbar, wenn angestellte Rechtsanwälte Mitarbeiterakten einer Sozietät kopieren und die Kopien mitnehmen. Die fristlose Kündigung vom 19.10.2007 sei gerechtfertigt, weil sich die Klägerin durch unrichtigen und unvollständigen Sachvortrag im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Beschäftigung den Titel erschlichen habe. Die außerordentliche Kündigung vom 09.11.2007 sei gerechtfertigt, weil die Klägerin den Dienstwagen nicht mit Winterreifen ausrüsten ließ, obwohl ihr ein Werkstatttermin vorgegeben worden sei. Ihre Weigerung, der Anweisung nachzukommen, habe ihr Vermögen in erheblichem Umfang gefährdet. Soweit es die drei vorgenannten Kündigungen betreffe, verweise sie auf den bisherigen Sachvortrag und die entsprechenden Beweisangebote.

7

Nach ihrer Auffassung sei in jedem Fall die fristlose Kündigung vom 15.11.2007 gerechtfertigt. Die Klägerin habe beim Amtsgericht Westerburg einen sachlich unrichtigen Kostenfestsetzungsbeschluss erwirkt. Das Verhalten der Klägerin erfülle zumindest den Tatbestand des § 271 StGB. Eine strafbare Handlung stelle einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar. Wäge man die Interessen beider Parteien gegeneinander ab, so lasse sich nicht erkennen, womit das Fortsetzungsinteresse der Klägerin bis zum 31.12.2007 begründet sein sollte.

8

Sie schulde der Klägerin weder € 515,81 brutto noch € 302,51 brutto an Schadensersatz für den Entzug des Dienstwagens. Selbst wenn der Klägerin das Fahrzeug unberechtigt entzogen worden sein sollte, lasse sich nicht erkennen, womit der ausgeurteilte Schadensbetrag gerechtfertigt sein solle. Es sei nicht ersichtlich, warum die Klägerin ein Fahrzeug während der Winterzeit ohne Winterreifen nutzen solle. Falsch sei auch, aus einem Fahrzeugwert von € 31.584,00 über die „Abschreibung“ diesen Schadensbetrag zu errechnen. Auch die Berechnung für die Zeit vom 22. bis 30.11.2007 sei nicht nachvollziehbar bzw. ihr sei der errechnete Betrag nicht in Rechnung zu stellen. Auch der monatliche Wertverlust eines neuen Fahrzeugs, beispielsweise für den Monat Dezember 2007, in dem die Klägerin bereits für den neuen Arbeitgeber tätig gewesen sei, könne nicht zu ihren Lasten gehen. Für die Zahlung eines Betrages in Höhe von € 58,50 netto für Benzin und Wagenpflege fehle es an einer Rechtsgrundlage.

9

Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 05.11.2008 (Bl. 331- 338 d. A.) verwiesen.

10

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

11

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 03.09.2008, Az. 1 Ca 2409/07, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,

13

die Berufung zurückzuweisen.

14

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen der Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 21.11.2008 (Bl. 347-351 d. A.) Bezug genommen.

15

Außerdem wird Bezug genommen auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 12.03.2009 (Bl. 360-362 d. A.) und den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akten 3 Ga 37/07 (10 SaGa 21/07), 1 Ga 38/07, 3 Ca 2439/07 (10 Ta 264/07) und 1 Ca 2747/08.

Entscheidungsgründe

16

Die nach § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist unzulässig. Die Berufungsbegründung entspricht nicht den Anforderungen des § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Sie greift das erstinstanzliche Urteil nur im Ergebnis an, lässt aber die gesetzlich gebotene Auseinandersetzung mit den Gründen des Urteils vermissen.

I.

17

Nach § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet wird, indem sie den Berufungsführer anhält, die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen das angefochtene Urteil für unrichtig gehalten wird. Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt und eine Beschränkung des Rechtsstoffs im Berufungsverfahren erreicht werden. Demnach muss die Berufungsbegründung jeweils auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art sowie aus welchen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann zwar nicht verlangt werden, doch muss die Berufungsbegründung sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn es diese bekämpfen will (BAG Urteil vom 08.10.2008 - 5 AZR 526/07 - NZA 2008, 1429, mit zahlreichen Nachweisen).

II.

18

Diesen Anforderungen wird die von der Beklagten eingereichte Berufungsbegründung nicht gerecht. Im Einzelnen:

19

1. außerordentliche Kündigung vom 10.10.2007:

20

Das Arbeitsgericht hat zur Begründung der stattgebenden Entscheidung ausgeführt, der Vortrag der Beklagten zum Kündigungsgrund „Fertigen von Aktenkopien“ sei unsubstantiiert. Die Beklagte habe weder dargelegt, welche Akten die Klägerin kopiert haben soll, noch welchen Inhalt sie konkret kopiert haben soll, noch woraus sie schließe, dass dies zum Abwerben von Mandanten geschehen sein soll. Das Fertigen einer Mustermappe sei durchaus nachvollziehbar und nicht unüblich. Der weitere Vortrag der Beklagten, die Kündigung sei auch aufgrund der Äußerungen der Klägerin in dem Verfahren 3 Ga 37/07 und vermeintlicher Vorfälle, die sich nunmehr herausgestellt hätten, erfolgt, sei unsubstantiiert.

21

Hierzu führt die Berufung aus, das Arbeitsgericht habe entschieden, dass für die fristlose Kündigung vom 10.10.2007 objektiv kein wichtiger Grund feststellbar sei. Immerhin sei es aber so, dass die Klägerin unstreitig Kopien von Akten gefertigt und mitgenommen habe. Er dürfte nicht ausreichen, dass die Klägerin hierzu vortrage, sie habe sich eine Mustermappe fertigen wollen. Ihre Vorgehensweise verstoße zumindest gegen datenschutzrechtliche Vorschriften. Im Übrigen sei nicht hinnehmbar, wenn angestellte Rechtsanwälte Mitarbeiterakten einer Sozietät kopieren und die Kopien mitnehmen. Außerdem verweise sie auf den bisherigen Sachvortrag und die entsprechenden Beweisangebote. Anhand dieser Berufungsbegründung ist nicht erkennbar, dass die Beklagte die Argumentation des Arbeitsgerichts, ihr Vortrag sei unsubstantiiert, weil sie nicht im Einzelnen dargelegt habe, welche Akten und welche Schriftstücke aus diesen Akten die Klägerin kopiert haben soll, überhaupt zur Kenntnis genommen hat. Wieso der Sachvortrag, „die Klägerin habe zahlreiche Akten kopiert“, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ausreichend gewesen sein soll, lässt sich der Berufungsbegründung nicht ansatzweise entnehmen.

22

2. außerordentliche Kündigung vom 19.10.2007:

23

Das Arbeitsgericht hat zur Begründung der stattgebenden Entscheidung ausgeführt, die Beklagte werfe der Klägerin vor, in ihrem Zwangsmittelantrag vom 16.10.2007 in dem einstweiligen Verfügungsverfahren 3 Ga 37/07 dem Gericht verschwiegen zu haben, dass ihr am 12.10.2007 die (erste) fristlose Kündigung vom 10.10.2007 zugegangen sei. Dieser Vortrag genüge nicht, um die fristlose Kündigung vom 19.10.2007 hinreichend zu begründen. Bevor über einen Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln entschieden werde, werde der Gegenseite rechtliches Gehör gewährt. Hier hätte die Beklagte einwenden können, dass sie gegenüber der Klägerin eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen habe. Die Beklagte habe nicht nachvollziehbar dargetan, warum ihr dies nicht möglich gewesen sein sollte. Im Übrigen sei es das Recht der Klägerin, ihre Ansprüche auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg zu verfolgen. Hierzu gehöre auch die Einleitung eines Zwangsvollstreckungsverfahrens aus einem sie begünstigenden Urteil.

24

Hierzu führt die Berufung lediglich aus, die fristlose Kündigung vom 19.10.2007 sei gerechtfertigt, weil sich die Klägerin durch unrichtigen und unvollständigen Sachvortrag im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Beschäftigung den Titel erschlichen habe. Außerdem verweise sie auf den bisherigen Sachvortrag und die entsprechenden Beweisangebote. Die Berufung legt nicht ansatzweise dar, weshalb in den Ausführungen des Arbeitsgerichts ein Fehler liegen soll, der das Urteil unrichtig macht. Konkrete Einwendungen werden nicht erhoben. Die Ausführungen der Beklagten erschöpfen sich in der bloßen Behauptung, die Klägerin habe sich einen Titel „erschlichen“. Soweit die Beklagte auf den bisherigen Sachvortrag und die entsprechenden Beweisangebote verweist, reicht die bloße Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen nach gefestigter Rechtsprechung nicht aus. Die Erklärung, das Vorbringen aus dem ersten Rechtszug werde wiederholt, genügt den gesetzlichen Anforderungen an die Darlegung der Berufungsgründe nicht (BAG Urteil vom 15.08.2002 - 2 AZR 473/01 - AP Nr. 55 zu § 519 ZPO, m.w.N.).

25

3. außerordentliche Kündigung vom 09.11.2007:

26

Das Arbeitsgericht hat zur Begründung der stattgebenden Entscheidung ausgeführt, der Vorwurf der Beklagten, die Klägerin habe den zur Winterreifenmontage vereinbarten Werkstatttermin am 09.11.2007 nicht wahrgenommen, rechtfertige keine fristlose Kündigung. Die Klägerin habe befürchtet, dass ihr der Dienstwagen im Anschluss an die Reifenmontage nicht mehr ausgehändigt werde. Diese Befürchtung sei nicht unbegründet gewesen. Die Beklagte habe auf die Bitte der Klägerin zu bestätigen, dass ihr das Fahrzeug im Anschluss an die Reifenmontage wieder herausgegeben werde, nicht geantwortet. Zum anderen habe die Beklagte den Dienstwagen am 12.11.2007 eigenmächtig mit einem Zweitschlüssel aus der Tiefgarage der Klägerin entfernt, nachdem ihr Antrag auf Herausgabe des Fahrzeugs in dem einstweiligen Verfügungsverfahren 1 Ga 38/07 abgewiesen worden sei. Die Klägerin habe jedoch einen vertraglichen Anspruch auf Überlassung des Dienstwagens bis zum 31.12.2007 gehabt, weil das Arbeitsverhältnis durch die fristlosen Kündigungen vom 10.10.2007 und vom 19.10.2007 nicht beendet worden sei. Im Übrigen rechtfertige die einmalige Nichtbefolgung einer Weisung, nicht den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung. Es wäre der Beklagten zumutbar gewesen, zuvor eine Abmahnung auszusprechen.

27

Wenn die Berufungsbegründung demgegenüber lediglich ausführt, die außerordentliche Kündigung vom 09.11.2007 sei gerechtfertigt, weil die Klägerin den Dienstwagen nicht mit Winterreifen habe ausrüsten lassen, obwohl ihr ein Werkstatttermin vorgegeben worden sei, ihre Weigerung, der Anweisung zur Reifenmontage nachzukommen, habe das Vermögen der Beklagten in erheblichem Umfang gefährdet, so kann darin bestenfalls eine zusammenfassende Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens gesehen werden. Es ist anhand der Berufungsbegründung nicht erkennbar, dass die Beklagte die Argumentation des Arbeitsgerichts überhaupt zur Kenntnis genommen hätte, geschweige denn, in welchen Punkten und mit welchen Argumenten sie sie angreifen will. Mit der tragenden Erwägung des Arbeitsgerichts, die Klägerin hätte aufgrund der im einzelnen ausgeführten Umstände damit rechnen müssen, dass ihr der Dienstwagen bei Wahrnehmung des Montagetermins nicht mehr herausgegeben worden wäre, geht die Berufungsbegründung mit keinem Wort ein. Ebensowenig setzt sich die Berufung mit dem Argument des Arbeitsgerichts auseinander, dass eine Abmahnung als milderes Mittel ausgereicht hätte.

28

Soweit die Beklagte auf den bisherigen Sachvortrag und die entsprechenden Beweisangebote verweist, reicht die bloße Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen nach gefestigter Rechtsprechung nicht aus. Die Erklärung, das Vorbringen aus dem ersten Rechtszug werde wiederholt, genügt den gesetzlichen Anforderungen an die Darlegung der Berufungsgründe nicht (BAG Urteil vom 15.08.2002 - 2 AZR 473/01, a.a.O.).

29

4. außerordentliche Kündigung vom 15.11.2007:

30

Das Arbeitsgericht hat zur Begründung der stattgebenden Entscheidung ausgeführt, der Vorwurf der Beklagten, die Klägerin habe beim Amtsgericht Westerburg in dem Rechtsstreit 41 F 658/02 einen unrichtigen Kostenfestsetzungsbeschluss (Bl. 53/ 54 d. A.) über eine zu erstattende Vergütung in Höhe von € 128,45 erwirkt und sich dadurch nach § 271 StGB strafbar gemacht, rechtfertige keine fristlose Kündigung.

31

Die Klägerin habe am 15.08.2007 (Bl. 108 d. A.) beim Amtsgericht Westerburg unstreitig eine Kostenfestsetzung gegen den eigenen Mandanten beantragt, der sie und Rechtsanwalt G. in Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Gläubiger ausweisen sollte. Mit diesem Antrag habe sie auf ein Anschreiben des Rechtspflegers vom 29.06.2007 (Bl. 107 d. A.) reagiert, der darauf hingewiesen hatte, dass aus den Schriftsätzen lediglich Rechtsanwalt G. und die Klägerin als Bevollmächtigte hervorgingen, während im Kostenfestsetzungsbeschluss die Rechtsanwälte G., H. und die Klägerin in Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Gläubiger ausgewiesen werden sollten. Zum Zeitpunkt der Sachbearbeitung des betreffenden Mandats im Jahre 2004 sei Rechtsanwalt H. unstreitig noch nicht Sozius des Rechtsanwaltes G. gewesen. Die Klägerin habe unwidersprochen vorgetragen, dass sie der Rechtspfleger des Amtsgerichts Westerburg angerufen habe, um diesen Umstand zu problematisieren. Er habe darauf hingewiesen, dass sich der Schuldner gegen die Kostenfestsetzung mit dem Argument wehren könnte, die nunmehr aufgeführten Kostengläubiger seien im Rahmen der damaligen Sachbearbeitung nie beauftragt worden. Vor diesem Hintergrund stelle der Kostenfestsetzungsantrag keinen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung dar. Die Klägerin habe den Antrag in dieser Form gestellt, um unnötige Schwierigkeiten bei der Zwangsvollstreckung zu vermeiden. Der Vorwurf der Beklagten, der Klägerin sei eine mittelbare Falschbeurkundung nach § 271 StGB zur Last zu legen, sei nicht berechtigt. Die Beklagte habe den Vortrag der Klägerin, der Rechtspfleger habe die Umstände mit ihr diskutiert und besprochen, nicht bestritten. Damit sei der Rechtspfleger als Aussteller des Kostenfestsetzungsbeschlusses nicht bösgläubig gewesen. Ihm seien die Hintergründe des Antrags vom 15.08.2007 vielmehr bekannt gewesen. Eine mittelbare Falschbeurkundung scheitert daran.

32

Hierzu führt die Berufung aus, die fristlose Kündigung vom 15.11.2007 sei in jedem Fall gerechtfertigt. Die Klägerin habe beim Amtsgericht Westerburg einen sachlich unrichtigen Kostenfestsetzungsbeschluss erwirkt. Das Verhalten der Klägerin erfülle zumindest den Tatbestand des § 271 StGB. Eine strafbare Handlung stelle einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar. Wäge man die Interessen beider Parteien gegeneinander ab, so lasse sich nicht erkennen, womit das Fortsetzungsinteresse der Klägerin bis zum 31.12.2007 begründet sein sollte.

33

Mit ihrem Berufungsvortrag wiederholt die Beklagte in verkürzter Form ihr erstinstanzliches Vorbringen, ohne sich mit der ausführlichen Argumentation des Arbeitsgerichts auseinanderzusetzen. Den vom Arbeitsgericht als entscheidend herausgestellten Punkt - nämlich das die Vorgehensweise der Klägerin mit dem zuständigen Rechtspfleger des Amtsgerichts Westerburg abgesprochen war - übergeht die Beklagte völlig. Die Ausführungen der Beklagten erschöpfen sich in der bloßen Behauptung, der Klägerin sei eine Straftat zur Last zu legen. Weswegen die gegenteilige Meinung des Arbeitsgerichts unzutreffend sein soll, legt die Berufungsbegründung nicht dar. Die Wirksamkeit einer Kündigung hängt nicht von der strafrechtlichen Würdigung eines den Sachverhalt begründeten Verhaltens ab, sondern von der Beeinträchtigung des für das Arbeitsverhältnis erforderlichen Vertrauens. Hier hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Klägerin habe den Kostenfestsetzungsantrag in der von der Beklagten beanstandeten Form gestellt, um unnötige Schwierigkeiten bei der Zwangsvollstreckung gegen den Mandanten zu vermeiden. Zu den vom Arbeitsgericht im Einzelnen herausgestellten näheren Umständen der Antragstellung und der Motivationslage der Klägerin verhält sich die Berufungsbegründung überhaupt nicht.

34

5. Schadensersatz in Höhe von € 515,81 und € 302,51 brutto:

35

Das Arbeitsgericht hat zur Begründung der stattgebenden Entscheidung ausgeführt, die Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin Schadensersatz für den unberechtigten Entzug der Privatnutzung des Dienstwagens zu leisten, nachdem ihre Gesellschafter den BMW am 12.11.2007 unstreitig unter Verwendung des Zweitschlüssels aus der Tiefgarage der Klägerin entfernt haben. Der Schaden berechne sich wie folgt: Für die Zeit vom 12.11. bis zum 21.11.2007 sei der Wert des entzogenen Dienstwagens in Höhe von € 31.584,00 auf dessen monatlichen Nutzungswert herunter zu rechnen. Hier sei die AfA-Tabelle für allgemein verwendete Anlagegüter, dort laufende Nummer 4.2.1 für Personenkraftwagen, anzuwenden. Unter Zugrundelegung einer sechsjährigen Abschreibung betrage der monatliche Wert € 438,17, was für die Zeit vom 12.11. bis zum 21.11.2007 einen Betrag von € 146,06 ergebe. Dem seien die Mietkosten für die Zeit vom 22.11. bis zum 30.11.2007 für einen Smart in Höhe von € 279,00 hinzuzurechnen. Dieser Betrag sei in seiner Höhe unbestritten. Für die Zeit vom 22. bis zum 30.11.2007 seien weitere € 72,92 Wertverlust des neu erworbenen Privatfahrzeugs gemäß AfA-Tabelle zugrunde zu legen. Auch hier sei wiederum eine sechsjährige Benutzungsdauer anzusetzen, sowie weitere € 7,32 Steuern und € 10,51 Versicherung. Hieraus ergebe sich ein Betrag von insgesamt € 515,81 brutto für den Monat November 2007. Für den Monat Dezember 2007 sei ein monatlicher Wertverlust des neuen Fahrzeugs von € 243,06 zugrunde zu legen. Dies ergebe sich aus einer sechsjährigen Abschreibung des Kaufpreises von € 17.500,00, der seitens der Klägerin nachgewiesen worden sei. Des Weiteren seien € 24,42 Steuern sowie € 35,03 Versicherung in Ansatz zu bringen. Die Klägerin könne für Dezember 2007 somit insgesamt € 302,51 brutto beanspruchen.

36

In der Berufungsbegründung wird dazu ausgeführt, die Beklagte schulde der Klägerin weder € 515,81 noch € 302,51 brutto an Schadensersatz für den Entzug des Dienstwagens. Es lasse sich nicht erkennen, womit der ausgeurteilte Schadensbetrag gerechtfertigt sein solle. Es sei nicht ersichtlich, warum die Klägerin ein Fahrzeug während der Winterzeit ohne Winterreifen nutzen solle. Falsch sei auch, aus einem Fahrzeugwert von € 31.584,00 über die „Abschreibung“ diesen Schadensbetrag zu errechnen. Auch die Berechnung für die Zeit vom 22. bis 30.11.2007 sei nicht nachvollziehbar bzw. ihr sei der errechnete Betrag nicht in Rechnung zu stellen. Auch der monatliche Wertverlust eines neuen Fahrzeugs, beispielsweise für den Monat Dezember 2007, in dem die Klägerin bereits für den neuen Arbeitgeber tätig gewesen sei, könne nicht zu ihren Lasten gehen.

37

Dieses Vorbringen enthält keine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils. Die bloße Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung nicht. Die Begründung muss zum einen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist, und zum anderen im einzelnen angeben, aus welchen Gründen er die tatsächliche und rechtliche Würdigung des erstinstanzlichen Urteils in den angegebenen Punkten für unrichtig hält. Es reicht nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Erstgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen. Die Auseinandersetzung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil beschränkt sich vorliegend auf die Bemerkung, das Arbeitsgericht habe die Höhe des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs wegen des Entzugs der Privatnutzung des Dienstwagens fehlerhaft über die Abschreibung errechnet, die Berechnung sei nicht nachvollziehbar, der monatliche Wertverlust könne nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Die Rüge, die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils seien „nicht nachvollziehbar“ und „falsch“, genügt den dargestellten Anforderungen an die Berufungsbegründung nicht. Die Beklagte legt mit ihren schlagwortartigen Beanstandungen nicht dar, was an der Berechnung der Schadenshöhe konkret zu beanstanden ist und warum sie die ausführlich dargestellten Erwägungen des Arbeitsgerichts nicht für zutreffend hält. Die Beklagte ist auch jedwede Erklärung dafür schuldig geblieben, weshalb die (lediglich) situationsbedingte Winterreifenpflicht bei winterlichen Straßenbedingungen (§ 2 Abs. 3a S. 1, 2 StVO) einem Schadensersatzanspruch per se entgegenstehen sollte.

38

6. Schadenersatz in Höhe von € 58,50 netto:

39

Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe weitere € 58,50 netto an die Klägerin zu zahlen. Diesen Betrag begehre die Klägerin für Benzin sowie Wagenpflege im Monat November 2007. Die betreffenden Kosten habe die Beklagte nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin stets beglichen.

40

Hierzu führt die Berufung lediglich aus, für die Zahlung eines Betrages in Höhe von € 58,50 netto für Benzin und Wagenpflege fehle es an einer Rechtsgrundlage. Diese Begründung enthält keine argumentative Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Arbeitsgerichts. Sie bringt nicht zum Ausdruck, aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen das erstinstanzliche Urteil in diesem Punkt unzutreffend sein soll. Mit der tragenden Erwägung des Arbeitsgerichts, dass die Treibstoffkosten und die Kosten der Wagenpflege von der Beklagten in der Vergangenheit - unstreitig - stets übernommen worden seien, setzt sich die Berufungsbegründung nicht ansatzweise auseinander.

41

7. restliches Septembergehalt 2007 in Höhe von € 161,13 netto:

42

Das Arbeitsgericht hat zur Begründung der stattgebenden Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb sie der Klägerin im September 2007 ein um € 161,13 geringeres Nettogehalt ausgezahlt habe. Es sei nicht verständlich, weshalb die Beklagte in der Septemberabrechnung einen Quartalsbeitrag für die Provinzial-Berufshaftpflichtversicherung abgezogen habe, obwohl die Klägerin seit dem 01.06.2007 - unstreitig - nicht mehr bei dieser Gesellschaft versichert sei.

43

Mit der Begründung des Arbeitsgerichts zu diesem Einzelanspruch befasst sich die Berufung mit keinem Wort. Wenn im arbeitsgerichtlichen Urteil - wie hier - über mehrere Ansprüche im prozessualen Sinne entschieden worden ist, dann muss sich die Berufungsbegründung mit jedem Einzelanspruch auseinandersetzen (vgl. Schwab/ Weth, ArbGG, 2. Auflage, § 64 Rz. 162, m.w.N.).

III.

44

Nach alledem ist die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

45

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Januar 2010 - 17 Sa 848/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

2

Der Kläger ist seit dem 1. August 1983 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin, dem Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt M e.V. als Diplom-Sozialpädagoge beschäftigt. In dem am 14. Juni 1983 geschlossen Arbeitsvertrag heißt es ua.:

        

„Im übrigen gelten ergänzend die Vorschriften des jeweils geltenden Bundesmanteltarifvertrages der Arbeiterwohlfahrt.“

3

Der Kläger ist in der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche tätig. Die Beklagte vergütet ihn nach der VergGr. IVb Teil I Abschnitt B Unterabschn. 1 Sozial- und Erziehungsdienst des Tarifvertrages über die Tätigkeitsmerkmale zum Bundesmanteltarifvertrag (BMT-AW II) für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (TV-TM). Mit Schreiben vom 9. Oktober 2008 machte der Kläger eine Höhergruppierung nach der VergGr. IVa TV-TM erfolglos geltend.

4

Mit seiner Klage verlangt der Kläger in der Sache und soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung die Feststellung, dass er nach der VergGr. III TV-TM, hilfsweise nach der VergGr. IVa TV-TM zu vergüten sei. Er müsse die Arbeit von verschiedenen Stellen koordinieren, ua. die Einbeziehung des Jugendamtes, der Justizbehörden, weiterer Hilfeträger, Schulen, Kindergärten, Ärzten und Psychologen. Weiterhin bereite er Beratungen, Therapien und Hilfeplanungen vor und führe sie durch, „insbesondere die Diagnostik, Beratung, pädagogische und therapeutische Behandlungsangebote bei individuellen und familiären Problemen von Kindern und Jugendlichen sowie bei jungen Volljährigen …, insbesondere bei Erziehungsproblemen, Entwicklungsauffälligkeiten, psychosomatischen Problemen, Verhaltensauffälligkeiten, Vernachlässigung, Gewalt und Misshandlungen, sexuellen Missbrauch, Schwierigkeiten bei der Verselbstständigung, Beziehungsproblemen zwischen Eltern und Kindern“. Es handele sich dabei um ein „besonders schwieriges Klientel“.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab April 2008 in die Vergütungsgruppe III des BMT-AW II, hilfsweise in Vergütungsgruppe IVa BMT-AW II einzugruppieren.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Weder habe der Kläger eine Spezialausbildung abgeschlossen, noch sei es Inhalt seiner Tätigkeit, mindestens 20 Sozialarbeiter, Sozialpädagogen und Jugendleiter zu koordinieren. Die Beratung von Klienten mit zugespitzten Problemlagen und Krisensituationen sei seine originäre Aufgabe als Sozialpädagoge. Aus dem Vorbringen ergebe sich weder, welche Tätigkeit er im Einzelnen ausübe, noch weshalb sie sich durch besondere Bedeutung und Schwierigkeit heraushebe.

7

Das Arbeitsgericht hat - soweit für die Revision von Bedeutung - die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts war mangels einer den Anforderungen von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG entsprechenden Berufungsbegründung unzulässig. Sie wäre deshalb vom Landesarbeitsgericht zu verwerfen gewesen.

9

I. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessfortsetzungsvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung (BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 17, NZA 2010, 1446). Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. zB BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - aaO; 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 10 mwN, BAGE 121, 18). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sie verworfen wird. Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist hierbei ohne Bedeutung (BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 552/09 - Rn. 12 mwN, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 45; 29. November 2001 - 4 AZR 729/00 - zu I 1 der Gründe, EzA ZPO § 519 Nr. 13).

10

II. Mit der Berufungsbegründungsschrift ist die erstinstanzliche Entscheidung nicht ausreichend iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG angegriffen worden. Es fehlt an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils.

11

1. Eine Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis Nr. 4 ZPO nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (st. Rspr., s. nur BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 552/09 - Rn. 14 mwN, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 45).

12

2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers gegen das wohl begründete Urteil des Arbeitsgerichts nicht.

13

a) Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe nicht substantiiert dargetan, dass er die Tätigkeitsbeispiele der beantragten Vergütungsgruppe nach deren Protokollnotiz Nr. 13 TV-TM erfülle. Er habe weder in nachprüfbarer Weise vorgetragen, dass für die Tätigkeit eine zusätzlich abgeschlossene Spezialausbildung benötigt werde oder er mindestens 20 Sozialarbeiter, Sozialpädagogen oder Jugendleiter zu koordinieren habe. Weiterhin lasse sein Vortrag nicht erkennen, inwiefern sich seine Tätigkeit beträchtlich und gewichtig aus den schwierigen Tätigkeiten iSd. VergGr. IVb TV-TM heraushebe, weshalb der nach der Rechtsprechung erforderliche wertende Vergleich nicht möglich sei. Der Umstand allein, dass der Kläger mit unterschiedlichen Problemgruppen umzugehen habe, lasse seine Tätigkeit zwar als schwierig iSd. des Tätigkeitsmerkmales der VergGr. IVb TV-TM erscheinen, nicht aber als besonders schwierig, wie es das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. IVa TV-TM voraussetze. Ob und inwiefern für welche konkrete Tätigkeit eine deutlich wahrnehmbare Heraushebung aus den schwierigen Tätigkeiten vorliegt, könne anhand des Vorbringens des Klägers nicht festgestellt werden. Er habe weder vorgetragen noch erläutert, ob und inwiefern sich die Bedeutung oder die Größe seines Aufgabengebietes sowie die Tragweite für den innerdienstlichen Bereich oder für die Allgemeinheit deutlich aus den schwierigen Tätigkeiten eines Sozialpädagogen herausheben. Nach seinem Vorbringen sei auch nicht erkennbar, dass seine Tätigkeit bedeutungsvoller sei als die anderer Diplom-Sozialpädagogen.

14

b) Der Kläger wendet in seiner Berufungsbegründung lediglich pauschal ein, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe er in seinen erstinstanzlichen Schriftsätzen „ersichtlich umfassend vorgetragen“. Der Berufungsbegründung ist eine argumentative Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Arbeitsgerichts nicht zu entnehmen. Stattdessen enthält sie fast ausschließlich Vortrag von bereits erstinstanzlich vorgebrachten Tatsachen. Soweit der Kläger hinsichtlich seiner Beratungs- und Betreuungstätigkeit „vertiefend vorträgt“, handelt es sich um eine, zum Teil stichwortartige, mit Unterpunkten versehene Wiederholung seiner erstinstanzlichen Darstellung, in welchen Problembereichen er tätig wird. Gleiches trifft auf die angeführten Planungsaufgaben zu.

15

Bei diesem Vortrag handelt es sich auch ebenso wenig wie bei dem pauschalen Hinweis auf eine in der Anlage beigefügte elfseitige Broschüre „Erziehungsberatung - Stellungnahme der Arbeiterwohlfahrt“ des Bundesverbandes der AWO um neue Tatsachen, die eine Zulässigkeit der Berufung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO begründen könnten(dazu BAG 23. Februar 2011 - 4 AZR 313/09 - Rn. 15 mwN, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 62). Nach dem klägerischen Vortrag bleibt schon gänzlich offen, welche neuen Angriffsmittel sich aus dem Inhalt der Broschüre ergeben sollen.

16

III. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Bepler    

        

    Winter    

        

    Treber    

        

        

        

    Plautz    

        

    Weßelkock    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 31. März 2009 - 14 Sa 1783/08 - aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 29. Oktober 2008 - 1 Ca 1098/08 - wird als unzulässig verworfen.

2. Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten für die Zeit ab 1. Januar 2007 über die zutreffende Eingruppierung der Tätigkeit des Klägers nach dem Entgeltrahmenabkommen in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18. Dezember 2003 (ERA).

2

Der Kläger ist langjährig bei der Beklagten als Werkstoffprüfer im mechanischen Labor eingesetzt, wo insgesamt vier Werkstoffprüfer mit der Arbeitsaufgabe Qualitätsprüfung-Metallografie unter einem Laborleiter im Zweischichtbetrieb tätig sind.

3

Die Beklagte bildet ua. Verfahrensmechaniker (Umformtechnik), Drahtzieher und Industriekaufleute aus, Werkstoffprüfer hingegen seit Jahren nicht mehr. Die Auszubildenden zu Industriekaufleuten und zu Verfahrensmechanikern werden jeweils vier Wochen im mechanischen Labor eingesetzt, wobei sie nicht jeden Tag anwesend sind. Bei Auszubildenden zu Verfahrensmechanikern ist eine vierwöchige Ausbildung im mechanischen Labor Bestandteil des Ausbildungsplans und die Inhalte sind prüfungsrelevant. Sie werden in Einzelfällen nach dieser Ausbildung im mechanischen Labor zur Urlaubs- oder Krankheitsvertretung eingesetzt. Außerdem werden für zwei bis drei Wochen pro Jahr zwei bis drei Schülerpraktikanten betreut. Grundsätzlich wird jeweils nur ein Auszubildender oder Praktikant dem mechanischen Labor zugewiesen, wobei es gelegentlich zu Überschneidungen kommt.

4

Im Hinblick auf die zum 1. Januar 2007 beabsichtigte Einführung des ERA schloss die Beklagte mit dem bei ihr eingerichteten Betriebsrat am 28. April 2005 eine freiwillige Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Einführung von ERA gemäß § 2 Nr. 4 ERA-Einführungstarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (ERA-ETV).In Nr. 9 dieser Betriebsvereinbarung vereinbarten die Betriebsparteien die Anwendung des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens gem. § 7 ERA-ETV, § 4 Nr. 3 ERA und richteten im Rahmen dieses Verfahrens eine Paritätische Kommission ein.

5

Dem Kläger wurde von der Beklagten im November 2006 eine Aufgabenbeschreibung sowie die Eingruppierung mit Wirkung zum 1. Januar 2007 nach der Entgeltgruppe 11 ERA mitgeteilt. Dagegen wandte er sich mit einem Widerspruch, der auf das Anforderungsmerkmal „Kooperation“ gestützt war und der von der Paritätischen Kommission am 23. Januar 2007 abgelehnt wurde. Dies teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25. Januar 2007 mit, in dem sie gleichzeitig ankündigte, die Aufgabenbeschreibung hinsichtlich der zuvor nicht darin erwähnten Obliegenheit der Betreuung von Auszubildenden zu ergänzen.

6

Die im Juni 2007 insoweit ergänzte Aufgabenbeschreibung des Klägers bewertet die einzelnen Anforderungsmerkmale des ERA; die Mitarbeiterführung ordnet sie der Stufe 1 zu, vergibt also insoweit 0 Punkte und kommt zu einem Gesamtwert von 110 Punkten, der eine Einstufung in Entgeltgruppe 11 zur Folge hat.

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 12 ERA zu. Seine Tätigkeit sei wegen ihrer Prägung durch regelmäßige Betreuung von Auszubildenden und Praktikanten bezüglich des Anforderungsmerkmales „Mitarbeiterführung“ nach der Stufe 2 zu bewerten, so dass ihm weitere fünf Punkte zuzuerkennen seien und er einen für eine Einstufung in Entgeltgruppe 12 ausreichenden Gesamtwert von 115 Punkten erreiche.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass er mit Wirkung zum 1. Januar 2007 in die Entgeltgruppe 12 des Entgeltrahmenabkommens (ERA) der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen einzugruppieren ist.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, dass die Bewertung des Anforderungsprofils „Mitarbeiterführung“ zutreffend sei. Das Tätigkeitsbild der Arbeitsaufgabe „Werkstoffprüfung“ beinhalte nicht die fachliche Anweisung, Anleitung und Unterstützung anderer Beschäftigter. Die zeitweise Betreuung der Auszubildenden während des vorübergehenden Einsatzes im mechanischen Labor präge die Tätigkeit des Klägers nicht.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts war mangels einer den Anforderungen von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG entsprechenden Berufungsbegründung unzulässig. Sie wäre deshalb vom Landesarbeitsgericht zu verwerfen gewesen.

12

I. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessfortsetzungsvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung (BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 17, NZA 2010, 1446). Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. zB BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - aaO; 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 10, BAGE 121, 18 mzN). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sie verworfen wird(im Ergebnis ebenso BAG 15. August 2002 - 2 AZR 473/01 - AP ZPO § 519 Nr. 55 = EzA ZPO § 519 Nr. 14). Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist hierbei ohne Bedeutung (vgl. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 9; 9. Juli 2003 - 10 AZR 615/02 - Rn. 5 mwN, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 33 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 37; 29. November 2001 - 4 AZR 729/00 - EzA ZPO § 519 Nr. 13).

13

II. Mit der Berufungsbegründungsschrift ist die erstinstanzliche Entscheidung nicht ausreichend iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG angegriffen worden. Es fehlt an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils.

14

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (st. Rspr., vgl. ua. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 11; 28. Mai 2009 - 2 AZR 223/08 - Rn. 14, AP ZPO § 520 Nr. 2; 6. März 2003 - 2 AZR 596/02 - BAGE 105, 200). Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden (BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 223/08 - aaO). Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (BAG 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 11 mwN, BAGE 121, 18; 25. April 2007 - 6 AZR 436/05 - Rn. 14 mwN, BAGE 122, 190). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - aaO; 25. April 2007 - 6 AZR 436/05 - Rn 14 mwN, aaO).

15

2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers vom 12. Dezember 2008 nicht.

16

a) Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klage sei unbegründet, weil sich die Paritätische Kommission bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers bei der Überprüfung der Eingruppierung mit dem Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Mit § 7 ERA-ETV hätten die Tarifvertragsparteien festgelegt, dass die Feststellung der Eingruppierung einem besonderen Verfahren unterworfen sei, das nur eine beschränkte Überprüfung des gefundenen Ergebnisses vorsehe. Aus § 7 Abs. 1 und Abs. 4 ERA-ETV ergebe sich, dass die Entscheidung der Paritätischen Kommission gerichtlich nur auf Verfahrensfehler und die grobe Verkennung der tariflichen Bewertungsgrundsätze überprüft werden könne. Beides mache der Kläger jedoch nicht geltend. Da sich die Paritätische Kommission nach seinem eigenen Vorbringen nicht mit dem Merkmal Mitarbeiterführung befasst habe, könne ihr insoweit auch kein Fehler unterlaufen sein. Das Unterlassen der Überprüfung des Merkmales Mitarbeiterführung sei der Paritätischen Kommission nicht vorzuwerfen, da sich der Kläger gegenüber seiner tariflichen Ersteinstufung ausdrücklich nur auf das Merkmal „Kooperation“ bezogen habe. Deshalb habe das Gericht nicht zu prüfen, ob der Kläger im Rahmen seiner Arbeitsaufgabe regelmäßig oder nur gelegentlich während eines Betriebsdurchlaufes Auszubildende und Praktikanten betreue.

17

b) Die Berufungsbegründungsschrift des Klägers enthält keinerlei Bezug zu und nicht ansatzweise eine Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts. Entgegen den Anforderungen des § 520 ZPO ist nichts dazu vorgetragen, in welchen Punkten rechtlicher und tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll.

18

Das Urteil des Arbeitsgerichts wird in der Berufungsbegründung weder ausdrücklich noch implizit erwähnt. Es findet keinerlei argumentative Auseinandersetzung mit der Auffassung des Arbeitsgerichts statt, dass die Klage bereits unbegründet sei, weil sich die Paritätische Kommission bei der Überprüfung der Eingruppierung mit dem Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Auch die Ansicht des Arbeitsgerichts, dass die Entscheidung der Paritätischen Kommission gerichtlich nur auf Verfahrensfehler und die grobe Verkennung der tariflichen Bewertungsgrundsätze überprüft werden könne, findet weder Erwähnung noch erfolgt irgendeine Auseinandersetzung mit diesem rechtlichen Ansatz.

19

Stattdessen enthält die Berufungsbegründungsschrift ausschließlich Vortrag von bereits erstinstanzlich vorgetragenen Tatsachen, teils wiederholend, teils vertiefend. Nachdem referiert worden ist, dass das ERA auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist, welche Bewertung der Tätigkeit des Klägers mit welchem Ergebnis erfolgt ist und woran es dabei aus Sicht des Klägers mangelt, wird auch der Ablauf des Verfahrens vor der Paritätischen Kommission geschildert. Die Ausführungen hierzu bleiben jedoch ausschließlich im Tatsächlichen. Es fehlt an jeder rechtlichen Argumentation, die sich mit den Ausführungen im angefochtenen Urteil auseinandersetzt.

20

Soweit der Kläger sich dahingehend äußert, die Paritätische Kommission habe seine Beanstandung im Hinblick auf die nicht zutreffend vorgenommene Bewertung im Rahmen des Merkmales „Mitarbeiterführung“ nicht abgearbeitet, zeigt er keinen Verfahrensfehler auf. Dieses Vorbringen kann zwar anfänglich dahingehend verstanden werden, der Kläger wolle vortragen, dass die Kommission sich mit dem von ihm vorgebrachten Merkmal der „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Darin könnte - obwohl vom Kläger nicht ausdrücklich erwähnt - auf den ersten Blick der Vorwurf eines Verfahrensfehlers liegen. Allerdings ergibt sich aus seinen weiteren Ausführungen etwas anderes. So weist der Kläger ausdrücklich darauf hin, dass der Paritätischen Kommission der Themenbereich „Mitarbeiterführung“ bekannt gewesen, „eine Bewertung, insbesondere im Sinne des Klägers, allerdings nicht“ erfolgt sei. Auch sei der Betriebsratsvorsitzenden von der Kommission erklärt worden, dass die Werkstoffprüfer selbstverständlich zur Ausbildung verpflichtet seien, die Aufgabenbeschreibung entsprechend abgeändert werde, eine Bewertung insofern allerdings nicht erfolge. Damit bringt der Kläger zum Ausdruck, dass er die aus seiner Sicht fehlerhafte Bewertung des Merkmales Mitarbeiterführung durch die Paritätische Kommission beanstandet, nicht aber einen Verfahrensfehler durch Nichtberücksichtigung seines Vorbringens rügt.

21

Auch die weiteren Ausführungen in der Berufungsbegründung, insbesondere zu den gleichzeitigen Anwesenheitszeiten von Mitarbeitern des mechanischen Labors und Auszubildenden und Praktikanten in den Jahren 2007 und 2008 und zur Beschreibung der Ausbildungsinhalte im mechanischen Labor, stellen keine argumentative Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts dar.

22

III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung und Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Bepler    

        

    Treber    

        

    Winter    

        

        

        

    Pieper     

        

    Plautz    

                 

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 81/04
vom
18. Oktober 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Auch nach neuem Recht (§ 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO n.F.) muss, wenn das Erstgericht
die Abweisung der Klage hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere
voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt
hat, die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen und daher
für jede der mehreren Erwägungen darlegen, warum sie die Entscheidung nicht
trägt; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig.
BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2005 - VI ZB 81/04 - Kammergericht
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Oktober 2005 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen sowie
die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 29. November 2004 wird auf Kosten des Klägers verworfen. Beschwerdewert: 445.000 €

Gründe:

I.

1
Der Kläger hat mit der vorliegenden Klage die Beklagte, die eine Klinik betreibt, nach zwei Operationen an der Lendenwirbelsäule unter dem Gesichtspunkt der Arzthaftung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Es hat sowohl einen Behandlungsfehler als auch ein Aufklärungsverschulden verneint, ferner die Kausalität etwaiger Fehler für das Leiden des Klägers. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2003 begründet. Der Schriftsatz enthält keinen Berufungsantrag. Er befasst sich mit der Indikation für den vorgenommenen Eingriff und mit der behaupteten Verletzung der Aufklärungspflicht.
2
Das Berufungsgericht hat die Berufung durch den angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist aber nicht zulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
4
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
5
Ob die Berufungsbegründung die nach § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO erforderlichen Anträge mit der gebotenen Deutlichkeit enthalte, könne dahinstehen. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass der Berufungsführer mit seiner Berufung den erstinstanzlich gestellten Sachantrag weiterverfolge. Über die entsprechende Rüge der Beklagten müsse indes nicht entschieden werden, denn die Berufung sei bereits deshalb unzulässig, weil es an der nach § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO erforderlichen Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergäben, fehle. Das Landgericht habe unter Verwertung des schriftlichen Gutachtens ausgeführt , dass es nicht darauf ankomme, ob die Beklagte ihre Aufklärungspflicht verletzt habe, denn eine fehlende Aufklärung habe sich deshalb nicht ausgewirkt, weil es gerade nicht zu einer Nervläsion gekommen sei und die Schäden des Klägers aller Voraussicht nach auf einer so genannten Konversionsneurose beruhten , die bereits präoperativ mehrfach Ausdruck gefunden habe.
6
Diese Ausführungen habe der Kläger nicht ansatzweise angegriffen. Hierzu habe er bereits durch die Urteilsausführungen deutlichen Anlass gehabt. Das Landgericht habe die Klageabweisung immerhin auf zwei Gründe gestützt, nämlich zum einen auf die erfolgte Aufklärung des Klägers über mögliche Schadensfolgen der Operationen durch den Zeugen Dr. S., zum anderen auf die fehlende Ursächlichkeit zwischen den Operationen, deren sachgemäße Durchführung nicht mehr in Frage stehe, und den Schadensfolgen. In einem solchen Fall liege eine hinreichende Berufungsbegründung nur vor, wenn beide Abweisungsgründe in für sich ausreichender Weise angegriffen würden; stelle der Berufungsführer nur einen der beiden Gründe in Frage, sei sein Rechtsmittel unzulässig. So liege der Fall hier. Mithin komme es auch nicht darauf an, ob andere Behandlungsvarianten möglich gewesen wären. Auch wenn dies so wäre , ändere das nichts daran, dass die Operation die bei dem Kläger eingetretenen Schadensfolgen nicht verursacht habe, wovon mangels Berufungsangriffs weiterhin auszugehen sei, so dass die Klage und somit auch die Berufung - unabhängig von der mangelnden Berufungsbegründung - auch aus diesem Grund keinen Erfolg haben könnten.
7
2. Diese Ausführungen werfen, entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung geäußerten Auffassung, keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
8
Der Bundesgerichtshof hat bereits zu § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. entschieden , dass dann, wenn das Erstgericht die Abweisung der Klage hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt hat, die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen muss und daher für jede der mehreren Erwägungen darzulegen hat, warum sie die Entscheidung nicht trägt; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (BGHZ 143, 169, 171; Senats- urteil vom 13. November 2001 - VI ZR 414/00 - VersR 2002, 999, 1000 f.; BGH, Urteil vom 27. November 2003 - IX ZR 250/00 - NJW-RR 2004, 641 ff., jew. m.w.N.). Der Grund dafür liegt darin, dass in derartigen Fällen jede der gleichwertigen Begründungen des Erstgerichts seine Entscheidung trägt. Selbst wenn die gegen einen Grund vorgebrachten Angriffe durchgreifen, ändert sich nichts daran, dass die Klage aus dem anderen Grund weiterhin abweisungsreif ist.
9
Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass sich insoweit für den Anwendungsbereich des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO n.F. abweichende Rechtsmaßstäbe ergeben könnten. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Dass der Rechtsmittelführer nicht zu allen für ihn nachteilig beurteilten Punkten in seiner Berufungsbegründung Stellung nehmen muss, es vielmehr genügt, wenn die Berufungsgründe sich mit einem einzelnen, den ganzen Streitgegenstand betreffenden Streitpunkt befassen und diesen in ausreichendem Maße behandeln, um das angefochtene Urteil insgesamt in Frage zu stellen, entspricht der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil aaO), ändert aber nichts daran, dass jeder von mehreren Klageabweisungsgründen angegriffen werden muss.
10
3. Im vorliegenden Fall erfordert auch nicht die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; eine Rechtsfortbildung scheidet erkennbar aus).
11
a) Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen keinen insoweit relevanten Rechtsfehler erkennen. Der Hinweis der Rechtsbeschwerde, dass ein ohne genügende Aufklärung vorgenommener medizinischer Eingriff rechtswidrig sei, hilft hier nicht weiter. Das Berufungsgericht versteht die Ausführungen in dem Urteil des Landgerichts dahin, dass ein Kausalzusammenhang zwischen etwaigen Aufklärungsversäumnissen und den Leiden, die Grundlage der Klage- forderung sind, nicht bestehe. Die Nichtzulassungsbeschwerde zeigt nicht auf, inwiefern dies rechtsfehlerhaft sein könnte.
12
b) Angesichts dessen erfordern die Ausführungen des Berufungsgerichts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines wirkungsvollen Rechtsschutzes und der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Entgegen den Ausführungen der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht die Tatsache, dass der Kläger Fehler so- wohl bei der Aufklärung über Behandlungsalternativen als auch bei der Aufklärung über das Risiko des Eingriffs behauptet, in Erwägung gezogen; es hält diesen Vortrag aber im Hinblick auf die Kausalitätszweifel für nicht durchgreifend.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 19.06.2003 - 6 O 133/02 -
KG Berlin, Entscheidung vom 29.11.2004 - 20 U 188/03 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 195/01 Verkündet am:
18. Dezember 2003
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHR: ja
BGHZ: nein
Ein in den Entscheidungsgründen gegebener "Hinweis", dem sich nicht ohne
weiteres entnehmen läßt, weshalb die Klage (zum Teil) ebenfalls unbegründet
sein könnte, stellt in der Regel keine die Klageabweisung tragende Erwägung
dar, die mit der Berufungsbegründung selbständig angegriffen werden muß.
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2003 - I ZR 195/01 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. Juni 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt als Transportversicherer aus übergegangenem und abgetretenem Recht der in Irland ansässigen Firma K. Ireland (im folgenden : Versicherungsnehmerin) die ebenfalls in Irland ansässige Beklagte auf Schadensersatz wegen des Verlusts von Transportgut in Anspruch.
Die Versicherungsnehmerin gab im Juni bzw. Juli 1996 zwei Sendungen zum Transport von Irland zur D. AG in S. auf, die teilweise verlorengingen.
Die Klägerin hat behauptet, die Versicherungsnehmerin habe die Beklagte mit der Beförderung beauftragt. Sie habe die Versicherungsnehmerin in Höhe des mit der Klage geltend gemachten Betrags entschädigt. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte hafte als CMR-Frachtführer.
Ihre auf Zahlung von 35.396,68 DM nebst Zinsen gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das angerufene Gericht sei nur dann international und örtlich zuständig, wenn zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten ein der CMR unterliegendes Vertragsverhältnis bestanden habe. Es könne jedoch dahinstehen, ob dies der Fall gewesen sei. Denn die geltend gemachten Ersatzansprüche seien jedenfalls nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 CMR verjährt. Die Klageerhebung habe die Verjährung nicht unterbrochen, weil die Verjährungsfrist bezüglich der Ansprüche wegen der ersten Sendung bereits abgelaufen und die Klägerin hinsichtlich der zweiten Sendung zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht Forderungsinhaberin gewesen sei. Das Landgericht hat "im übrigen" darauf "hingewiesen" , die Klägerin habe durch Vorlage des Versicherungsvertrags nicht dargelegt , daß sie für den Schadenszeitpunkt 1996 alleiniger Versicherer gewesen sei; denn der Alleinversicherervermerk trage das Datum 15. Januar 1997.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat die Berufung mit der Begründung als unzulässig verworfen, sie sei nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form begründet worden. Nach dem Inhalt des landgerichtlichen Urteils werde die Klageabweisung durch zwei selbständige rechtliche Gesichtspunkte getragen, nämlich zum einen durch die vom Landgericht angenommene Verjährung, zum anderen durch die fehlende Darlegung, daß die Klägerin zum Schadenszeitpunkt alleiniger Versicherer gewesen, also aktivlegitimiert sei. In einem solchen Fall müsse die Berufungsbegründung darlegen, weshalb weder der eine noch der andere rechtliche Gesichtspunkt die Klageabweisung trage. Daran fehle es hier, weil sich die Berufungsbegründung ausschließlich mit der vom Landgericht angenommenen Verjährung befasse.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung auf die gemäß § 547 ZPO a.F. i.V. mit § 26 Nr. 7 EGZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Revision nicht stand. Die Berufungsbegründung der Klägerin genügt den Erfordernissen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F.
1. Nach dieser Vorschrift muß die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe ) sowie der neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden
enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Die Vorschrift soll gewährleisten, daß der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muß die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen. Sie hat daher für jede der mehreren Erwägungen darzulegen, warum sie die Entscheidung nicht trägt; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (BGHZ 143, 169, 171; BGH, Urt. v. 13.11.2001 - VI ZR 414/00, NJW 2002, 682, 683 m.w.N.).
2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Klägerin. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat das Landgericht die Abweisung der Klage nicht auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt.

a) Dem Berufungsgericht kann nicht darin gefolgt werden, daß das Landgericht die Klageabweisung nicht nur auf Verjährung, sondern zusätzlich darauf gestützt hat, die Klägerin habe nicht dargelegt, zum Schadenszeitpunkt alleiniger Versicherer gewesen zu sein, ihr fehle die Aktivlegitimation.
Das Landgericht hat die Abweisung der Klage nicht ausdrücklich auf diese angeblich unzureichende Darlegung gestützt. Es hat, nachdem es sich ausführlich mit der Frage der internationalen Zuständigkeit und der Verjährung gemäß Art. 32 CMR befaßt hat, nur auf die fehlende Darlegung hingewiesen ("Darauf hingewiesen sei im übrigen"). Sein Hinweis bezieht sich zudem nur auf
die mangelnde Darlegung, daß die Klägerin für den Schadenszeitpunkt 1996 alleiniger Versicherer gewesen sei, weil der Alleinversicherervermerk das Datum 15. Januar 1997 trage. Von einem Fehlen der Aktivlegitimation ist dagegen in dem landgerichtlichen Urteil nicht die Rede. Auch dem Zusammenhang der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe läßt sich nicht entnehmen, daß die Abweisung der Klage mit der fehlenden Aktivlegitimation begründet werden sollte.
Sollten neben dem mit der Klägerin begründeten Versicherungsverhältnis noch Neben- oder Mitversicherungen durch andere Versicherer bestanden haben , so hätte dies allenfalls zur Folge, daß der Forderungsübergang gemäß § 67 VVG auf den auf die Klägerin nach ihrer Beteiligungsquote entfallenden Teil beschränkt wäre (vgl. Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 67 Rdn. 26). Daß überhaupt kein Versicherungsverhältnis mit der Klägerin bestand, aufgrund dessen diese Schadensersatzleistungen an ihre Versicherungsnehmerin mit der Folge des § 67 VVG erbracht hat, ist vom Landgericht nicht angenommen worden. Es hat lediglich darauf abgestellt, daß die Zahlungen der Klägerin und damit der Forderungsübergang nach § 67 VVG erst nach dem Ablauf der seiner Ansicht nach einjährigen Verjährungsfrist gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 1 CMR erfolgt seien.

b) Selbst wenn der genannte Hinweis des Landgerichts als eine selbständige Begründung für die Klageabweisung wegen fehlender Aktivlegitimation verstanden werden sollte, genügt die Berufungsbegründung der Klägerin den gesetzlichen Anforderungen. Ihre Rügen zur Verjährung greifen auf die fehlende Aktivlegitimation durch.
Die Folgerung des Landgerichts, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, weil sie zum Zeitpunkt des Schadenseintritts nicht alleiniger Versicherer gewe-
sen sei, ist verknüpft mit seinen Erwägungen zur Verjährung. Die einjährige Verjährungsfrist, so führt das Landgericht aus, habe durch die Klageerhebung (29. Juli 1997) nicht unterbrochen werden können, weil sie bezüglich des Schadensfalles aus dem Transport vom 13. Juni 1996 bereits abgelaufen gewesen sei. Bezüglich des Schadensfalles aus dem Transport vom 27. Juli 1996 habe nicht die Berechtigte Klage erhoben; es sei davon auszugehen, daß die Klägerin erst zu einem späteren Zeitpunkt (Schreiben vom 28. August 1997) und nach Ablauf der einjährigen Verjährungsfrist (hier wegen Hemmung erst am 4. August 1997) Forderungsinhaberin aufgrund Zahlung gemäß § 67 VVG und durch Abtretung geworden sei. Die Erwägungen des Landgerichts stehen und fallen mit seiner Annahme, es gelte die einjährige Verjährungsfrist. Sie haben keine Bedeutung, wenn die von der Klägerin behauptete dreijährige Verjährungsfrist gilt. Mit den Angriffen der Berufung gegen die Anwendung der einjährigen Verjährungsfrist ist folglich auch die (unterstellt selbständige) Erwägung des Landgerichts zur fehlenden Aktivlegitimation vom Gericht i.S. des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. gerügt worden.
III. Auf die Revision der Klägerin ist das Berufungsurteil somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Die Sache ist zur Verhandlung und Entscheidung über die mit der Berufung der Klägerin erhobenen Rügen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).
Ullmann Bornkamm Büscher Schaffert Bergmann

Die vorbereitenden Schriftsätze sollen enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; die Bezeichnung des Gerichts und des Streitgegenstandes; die Zahl der Anlagen;
1a.
die für eine Übermittlung elektronischer Dokumente erforderlichen Angaben, sofern eine solche möglich ist;
2.
die Anträge, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt;
3.
die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden tatsächlichen Verhältnisse;
4.
die Erklärung über die tatsächlichen Behauptungen des Gegners;
5.
die Bezeichnung der Beweismittel, deren sich die Partei zum Nachweis oder zur Widerlegung tatsächlicher Behauptungen bedienen will, sowie die Erklärung über die von dem Gegner bezeichneten Beweismittel;
6.
die Unterschrift der Person, die den Schriftsatz verantwortet, bei Übermittlung durch einen Telefaxdienst (Telekopie) die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 128/04 Verkündet am:
10. Mai 2005
Weber,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________

a) Die in Computerschrift erfolgte Wiedergabe des Vor- und Nachnamens des
Prozeßbevollmächtigten unter einer als Computerfax übermittelten Berufungsbegründungsschrift
stellt keine den Anforderungen des § 130 Nr. 6 2. Halbs.
ZPO genügende Wiedergabe der Unterschrift dar.

b) Das Fehlen der Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten unter der Berufungsbegründungsschrift
kann ausnahmsweise unschädlich sein, wenn sich aus anderen
, eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen eine der Unterschrift
vergleichbare Gewähr dafür ergibt, daß der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung
für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift übernommen und
diese willentlich in den Rechtsverkehr gebracht hat. Dabei sind nur spätestens
bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist dem Berufungsgericht bekannt
gewordene Umstände berücksichtigungsfähig.
BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04 - OLG Braunschweig
LG Göttingen
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Mai 2005 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 26. Februar 2004 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Be rufung sowie darüber , ob den Klägern wegen einer Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 10. April 2003 ganz überwiegend abgewiesen. Das Urteil ist den Prozeßbevollmächtigten der Kläger am 14. April 2003 zugestellt worden. Die Berufung der Kläger ist am 7. Mai 2003 eingegangen, die Berufungsbegründungsfrist bis zum 16. August 2003 verlängert worden. Am 18. August 2003, einem Montag, ist beim Berufungsgericht als Computer-Fax eine Berufungsbegründung eingegangen, die eine eingescannte Unterschrift des Prozeß-
bevollmächtigten der Kläger nicht enthält. Der Schriftsatz schließt auf der letzten Seite mit dem in der gleichen Computerschrift geschriebenen Vor- und Nachnamen des Prozeßbevollmächtigten der Kläger sowie der Bezeichnung "Rechtsanwalt". Am 25. August 2003 ist die Berufungsbegründung per Post nochmals beim Berufungsgericht eingegangen, und zwar mit der handschriftlichen Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten der Kläger.
Auf den gerichtlichen Hinweis vom 28. Oktober 2003 , daß die am 18. August 2003 als Fax eingegangene Berufungsbegründungsschrift nicht unterschrieben sei, haben die Kläger am selben Tage vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Kläger machen geltend, zur Fristwahrung reiche die Berufungsbegründungsschrift auch ohne eine eingescannte Unterschrift aus. Aus der Begründungsschrift lasse sich auch so die Urheberschaft des Prozeßbevollmächtigten und sein Wille, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, entnehmen. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages tragen die Kläger vor, daß ihr Prozeßbevollmächtigter die Berufungsbegründungsschrift als Fax um 18.36 Uhr mit allen 26 Seiten versandt habe, und zwar auf der letzten Seite oberhalb der Wiedergabe seines Namens mit seiner eingescannten Unterschrift.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Berufungsgeri cht den Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Revision der Kläger, die das Berufungsgericht nur beschränkt zugelassen hat.

Entscheidungsgründe:


A.


Die Revision ist insgesamt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Zwar hat das Berufungsgericht im Urteilstenor und in den Entscheidungsgründen die Revision nur zugelassen, "soweit die Berufung als unzulässig verworfen worden ist". Diese Beschränkung der Zulassung der Revision ist aber unzulässig. Die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (BGHZ 101, 276, 278 f.; 111, 158, 166, st.Rspr.). Unzulässig ist es hingegen, die Zulassung der Revision auf eine bestimmte Rechtsfrage oder ein Entscheidungselement des Urteils zu beschränken (BGHZ 90, 318, 320; 101, aaO; BGH, Urteil vom 26. März 1982 - V ZR 149/81, NJW 1982, 1535 m.w.Nachw.). Da auch die Frage der Zulässigkeit der Berufung ein solches nicht selbständig anfechtbares Urteilselement darstellt, ist die Beschränkung der Zulassung der Revision auf diese Frage unzulässig (BGH, Urteile vom 6. Mai 1987 - IVb ZR 52/86, NJW 1987, 3264 f. und vom 3. Mai 2001 - XII ZR 62/99, NJW 2001, 2259).
Fehlt es danach an einer wirksamen Beschränkung de r Zulassung, so ist allein die Beschränkung, nicht aber die Zulassung unwirksam, die Revision daher unbeschränkt zugelassen (Senatsurteile vom 20. Mai
2003 - XI ZR 248/02, WM 2003, 1370, 1371, vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02, WM 2003, 2232, 2233, vom 20. April 2004 - XI ZR 171/03, WM 2004, 1230, 1231 und vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 255/03, WM 2005, 127, 128). Die von den Klägern hinsichtlich der Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist damit gegenstandslos.

B.


Die Revision ist nicht begründet.

I.


Das Berufungsgericht (NJW 2004, 2024) hat im wesent lichen ausgeführt :
Die Berufung sei unzulässig, weil die Kläger sie i nnerhalb der bis zum 18. August 2003 laufenden Berufungsbegründungsfrist nicht wirksam begründet hätten. Wirksamkeitsvoraussetzung hierfür sei eine eingescannte Unterschrift oder zumindest ein Vermerk, daß eine Unterzeichnung wegen der gewählten Übertragungsform nicht erfolgen könne. Die an ein Oberlandesgericht gerichtete Berufungsbegründung bedürfe nach § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6, § 78 Abs. 1 ZPO grundsätzlich der Unterschrift eines bei einem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalts. Das Erfordernis der Unterschrift solle gewährleisten, daß der Schriftsatz tatsächlich vom Prozeßbevollmächtigten herrühre, dieser für
seinen Inhalt die Verantwortung übernehme und daß der Wille, das Schriftstück in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher festgestellt werden könne. Darauf, ob ohne die Unterschrift in einem dieser drei Punkte Zweifel bestünden, komme es nach der bisherigen Rechtsprechung in der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht an.
Bei der Einlegung und Begründung von Berufungen du rch Telefax (Telekopie) sei die Übermittlung des unterschriebenen anwaltlichen Schriftsatzes per Kopie erforderlich; dabei reiche die kopierte Unterschrift aus, sei aber auch notwendig. Hier sei die Berufungsbegründung durch ein sogenanntes Computer-Fax erfolgt. Diese Art der Übermittlung bestimmender Schriftsätze sei durch den Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 anerkannt. Danach sei aber erforderlich, daß die Person des Erklärenden dadurch eindeutig bestimmt werde, daß seine Unterschrift in dem Computer -Fax eingescannt oder darin der Hinweis enthalten sei, daß der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen könne. Auch ein derartiger Hinweis fehle hier. Über diese großzügige Handhabung könne nicht hinausgegangen und deshalb auf die Unterschrift bzw. ein Unterschriftssurrogat nicht völlig verzichtet werden. Insbesondere reiche der in gleicher Schrift wie im Schriftsatz verwendete darunter gesetzte Name des Prozeßbevollmächtigten nicht aus.
Das Berufungsgericht könne aus Gründen der Rechtss icherheit nicht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgen, nach der sich bei Fehlen einer erforderlichen Unterschrift die Erfüllung der Formerfordernisse nach den Umständen des Einzelfalls bestimme. Würde in vorliegendem Fall auf das Erfordernis einer eingescannten Unter-
schrift oder eines Vermerks, daß wegen der Übermittlung in elektronischer Form das Schriftstück nicht unterschrieben werde, verzichtet, so wäre das Unterschriftserfordernis für das Computer-Fax hinfällig, aber auch bei herkömmlich übermittelten Schriftsätzen kaum mehr zu rechtfertigen.
Der Wiedereinsetzungsantrag sei unbegründet. Es se i nicht glaubhaft gemacht, daß ein Bedienungsfehler des Prozeßbevollmächtigten der Kläger als Ursache für das Fehlen der eingescannten Unterschrift ausscheide.

II.


Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Übe rprüfung im Ergebnis stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Berufung der Kläger als unzulässig verworfen, weil die Berufung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nicht wirksam begründet worden ist (1.). Auch die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist rechtlich nicht zu beanstanden (2.).
1. a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgeri chtshofes und vor ihm schon des Reichsgerichts (RGZ 31, 375, 377; 151, 82, 83; BGHZ 37, 156, 157; 92, 251, 255 f.; 97, 283, 284 f.) muß die Berufungsbegründung als bestimmender Schriftsatz die Unterschrift des für sie verantwortlich Zeichnenden tragen. Die Unterschrift ist grundsätzlich Wirksamkeitserfordernis. Sie soll die Identifizierung des Urhebers der schrift-
lichen Prozeßhandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (BGHZ 37, 156, 157; 75, 340, 349; 97, 283, 285). Das letztgenannte Erfordernis soll sicherstellen , daß es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern daß es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (BGHZ 75, 340, 349; 144, 160, 162). Für den Anwaltsprozeß bedeutet dies, daß die Berufungsbegründung von einem dazu Bevollmächtigten und bei dem Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfaßt, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein muß (BGHZ 97, 251, 253 f.; BGH, Urteile vom 29. Oktober 1997 - VIII ZR 141/97, NJW-RR 1998, 574 und vom 31. März 2003 - II ZR 192/02, NJW 2003, 2028).

b) Hat die Rechtsprechung bisher grundsätzlich für bestimmende fristwahrende Schriftsätze zur Sicherstellung dieser prozeßrechtlichen Anforderungen die handschriftliche Unterschriftsleistung des Berechtigten verlangt, so sind doch hiervon vor allem im Hinblick auf den technischen Fortschritt in einem erheblichen Umfang Ausnahmen zugelassen worden. So hat die Rechtsprechung bereits früh die Übermittlung einer Rechtsmittelschrift und anderer bestimmender Schriftsätze durch ein Telegramm oder mittels Fernschreiben für zulässig erachtet (vgl. die Nachweise bei BGHZ 144, 160, 162 ff.). Auch die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax ist in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig (vgl. BGHZ 144, 160, 164 m.w.Nachw.). Für eine - wie hier - durch Computer-Fax übermittelte Berufungsbegründung hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes am 5. April 2000 entschieden (BGHZ 144, 160), daß in Prozessen mit Vertretungszwang be-
stimmende Schriftsätze formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts übermittelt werden können. Zur Begründung hat er ausgeführt (aaO S. 165), der Zweck der Schriftform, die Rechtssicherheit und insbesondere die Verläßlichkeit der Eingabe zu gewährleisten, könne auch im Falle einer derartigen elektronischen Übermittlung gewahrt werden. Entspreche ein bestimmender Schriftsatz inhaltlich den prozessualen Anforderungen , so sei die Person des Erklärenden in der Regel dadurch eindeutig bestimmt, daß seine Unterschrift eingescannt oder der Hinweis angebracht sei, daß der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen könne.

c) Nach § 130 Nr. 6 1. Halbs. ZPO sollen die vorbe reitenden Schriftsätze die Unterschrift der Person enthalten, die den Schriftsatz verantwortet. Halbs. 2 dieser von der Rechtsprechung für bestimmende Schriftsätze stets als zwingend angesehenen Vorschrift fordert bei Übermittlung durch einen Telefax-Dienst (Telekopie) "die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie". Der Wortlaut des § 130 Nr. 6 ZPO beruht auf der Neufassung durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001 (BGBl. I S. 1542). Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz (BTDrucks. 14/4987, S. 23) ist eine Korrektur der Rechtsprechung zum Unterschriftserfordernis nicht beabsichtigt; dies sei im Hinblick auf die Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 nicht geboten. In der Gegenäußerung der Bundesregierung (BT-Drucks. 14/4987, S. 43 f.) zur Stellungnahme des Bundesrates werden Inhalt und Begründung des Beschlusses des Ge-
meinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 ausführlich wiedergegeben. Wenn der Gesetzgeber dann in der Neufassung des § 130 Nr. 6 2. Halbs. ZPO in Kenntnis dieser Rechtsprechung und der technischen Entwicklung für den Fall der Übermittlung eines Schriftsatzes durch ein Telefax ausdrücklich "die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie" verlangt, spricht angesichts des eindeutigen Gesetzestextes sehr viel dafür, daß die vom Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes für den Fall eines ComputerFaxes für zulässig gehaltene Ersetzung der Unterschrift durch den Hinweis , daß der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen könne, nicht mehr als zulässig angesehen werden kann (so Musielak/Stadler, ZPO 4. Aufl. § 129 Rdn. 11; Stein/Jonas/ Leipold, ZPO 22. Aufl. § 130 Rdn. 49; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht 16. Aufl. § 65 Rdn. 14; Hannich/Meyer-Seitz/Schwartze, ZPO-Reform 2002 § 130 Rdn. 5 (S. 336); Krüger/Bütter MDR 2003, S. 181, 182). Dafür spricht auch, daß die Unterschrift beim ComputerFax ohne nennenswerte Schwierigkeiten eingescannt werden kann, so daß kein überzeugender Grund besteht, darauf entgegen dem Gesetzeswortlaut zu verzichten.
Diese Frage bedarf jedoch vorliegend keiner abschl ießenden Entscheidung. Weder enthält das am Abend des 18. August 2003 übermittelte Computer-Fax einen Hinweis, daß eine Unterschrift wegen der gewählten Übertragungsform nicht möglich sei, noch beabsichtigte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger, der Berufungsbegründung einen derartigen Hinweis beizufügen. Vielmehr hat er nach eigenen Angaben versucht , das Computer-Fax mit seiner eingescannten Unterschrift zu übermitteln.

Die Wiedergabe des Vor- und Nachnamens des Prozeßb evollmächtigten der Kläger mit der daruntergesetzten Bezeichnung "Rechtsanwalt" am Ende des Computer-Faxes genügt als solche nicht den Anforderungen des § 130 Nr. 6 2. Halbs. ZPO. Diese Bestimmung fordert nach ihrem eindeutigen Wortlaut die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie, also des handschriftlichen Namenszuges. Dem entspricht eine maschinen- oder computerschriftliche "Unterzeichnung" nicht (Stein/ Jonas/Leipold, aaO § 130 Rdn. 48). Sofern der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes diesbezüglich eine andere Auffassung zu entnehmen sein sollte, genügt die Wiedergabe des Namens in Druckbuchstaben jedenfalls nach der Neufassung des § 130 Nr. 6 ZPO nicht mehr (Musielak/Stadler, aaO § 129 Rdn. 11; Dästner NJW 2001, 3469, 3470 Fn. 10; Krüger/Bütter, aaO).

d) aa) Stellt somit die eigenhändige Unterschrift eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine unerläßliche Wirksamkeitsvoraussetzung für fristwahrende bestimmende Schriftsätze im Anwaltsprozeß dar, so sind jedoch auch von diesem Grundsatz Ausnahmen möglich. Das Erfordernis der Schriftlichkeit ist nämlich kein Selbstzweck (vgl. BGHZ 97, 283, 285). Es soll, wie der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes in seiner Entscheidung vom 30. April 1979 (BGHZ 75, 340, 348 f.) dargelegt hat, gewährleisten, daß aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht , hinreichend zuverlässig entnommen werden können; außerdem muß feststehen, daß es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern daß es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist. Deshalb kann das Fehlen einer Unter-
schrift bei Vorliegen besonderer Umstände ausnahmsweise unschädlich sein, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen ergibt, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen.
Das ist - was das Berufungsgericht verkannt hat - nicht nur ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 10, 1, 2; 81, 32, 36 f.; BVerwG NJW 1995, 2121, 2122; 2003, 1544), des Bundessozialgerichts (BSG NJW 1997, 1254, 1255; 2001, 2492, 2493), des Bundesfinanzhofs (BFHE 111, 278, 285; 148, 205, 207 f.; BFH, BFH/NV 2000, 1224) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG NJW 1979, 183), sondern - ungeachtet bestehender Unterschiede der verschiedenen Verfahrensordnungen - grundsätzlich auch des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 24, 179, 180; 37, 156, 160; 97, 251, 254; BGH, Beschluß vom 9. Dezember 2003 - VI ZB 46/03, BGH-Report 2004, 406). So hat der Bundesgerichthof mit Beschluß vom 3. Mai 1957 (BGHZ 24, 179, 180) entschieden, daß der Mangel der Unterschrift in dem als Urschrift der Berufung gedachten Schriftsatz durch die gleichzeitig eingereichte beglaubigte Abschrift dieses Schriftsatzes behoben wird, auf der der Beglaubigungsvermerk von dem Prozeßbevollmächtigten handschriftlich vollzogen worden ist. In einer anderen Entscheidung (BGHZ 97, 251, 254) hat der Bundesgerichtshof das Fehlen einer Unterschrift auf der Berufungsbegründung für unschädlich erachtet, wenn auch ohne die Unterschrift des Rechtsmittelanwalts aus anderen, eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen, zweifelsfrei feststeht, daß der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift übernommen hat, und letzteres in einem Fall bejaht, in dem die Berufungsbegründungsschrift fest mit einem von dem Rechtsanwalt unter-
zeichneten Begleitschreiben verbunden war (vgl. auch BGHZ 37, 156, 160). Und mit Beschluß vom 9. Dezember 2003 (VI ZB 46/03, BGHReport 2004, 406) hat der Bundesgerichtshof für den Fall des Fehlens einer Unterschrift unter einer Berufungsbegründungsschrift entschieden, daß sich zumindest aus den Umständen eindeutig ergeben müsse, daß der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Begründungsschrift übernommen habe. Ob entsprechende Anforderungen bei einem Computer-Fax eines Klägers gegeben sind, das mit dem Satz endet "Dieser Brief wurde maschinell erstellt, wird nicht eigenhändig unterschrieben" (so BSG NJW 1997, 1254 f.), bedarf keiner Entscheidung, da es hier an einem solchen Hinweis fehlt. Eine Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist deshalb im Hinblick auf die angeblich abweichende Entscheidung des Bundessozialgerichts entgegen der Ansicht der Revision nicht veranlaßt, zumal der hier maßgebliche § 130 Nr. 6 2. Halbs. ZPO über die Anforderungen an eine Telekopie erst nach der zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts in die Zivilprozeßordnung eingefügt worden ist.
bb) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes zur ausnahmsweisen Wirksamkeit nicht unterzeichneter Rechtsmittelbegründungsschriften trägt dem Anspruch der Prozeßbeteiligten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) sowie ihren Rechten aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG Rechnung, die es verbieten, den Zugang zur jeweiligen nächsten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BVerfGE 40, 272, 274 f.; 41, 23, 26; 41, 323, 326 f.; 44, 302, 305 f.; 74, 228, 234; 77, 275, 284; 110, 339, 342). An die Beachtung formeller
Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Rechtsschutzbegehrens dürfen aus diesem Grund keine überspannten Anforderungen gestellt werden (BVerfG NJW 2002, 3534).
cc) Entgegen der Auffassung der Revision ergeben h ier die Umstände im Zusammenhang mit der Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift nicht eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft des Prozeßbevollmächtigten der Kläger sowie seinen Willen, für ihren Inhalt die Verantwortung zu übernehmen und sie an das Berufungsgericht zu übermitteln. Die Tatsache, daß der Prozeßbevollmächtigte der Kläger bereits rechtzeitig Berufung gegen das landgerichtliche Urteil eingelegt hat, reicht hierfür ebensowenig aus wie der gedruckte Briefkopf auf dem Begründungsschriftsatz; beides bietet keine der Unterschrift vergleichbare Gewähr dafür, daß das Schriftstück von einer beim Berufungsgericht postulationsfähigen Person stammt und mit deren Willen in den Verkehr gebracht worden ist (vgl. BVerwG NJW 2003, 1544). Auch der Umstand, daß nach Fristablauf beim Berufungsgericht ein mit dem Computer-Fax seinem Inhalt und seiner Form nach gleicher und von dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger persönlich unterschriebener Begründungsschriftsatz eingegangen ist, reicht insoweit nicht aus (vgl. BVerwG Buchholz 310 § 81 VwGO Nr. 16), da nur spätestens bei Ablauf der Begründungsfrist bekannt gewordene Umstände berücksichtigungsfähig sind (BVerwG NJW 2003, 1544).
Der am Ende des Computer-Faxes mit dem Zusatz "Rec htsanwalt" wiedergegebene Vor- und Nachname des Prozeßbevollmächtigten der Kläger bietet ebenfalls keine ausreichende Gewähr dafür, daß dieser die Verantwortung für die Berufungsbegründung übernommen und diese wil-
lentlich an das Berufungsgericht übermittelt hat. Rechtsmittelbegründungsschriften müssen nicht von einem am Rechtsmittelgericht zugelassenen Rechtsanwalt gefertigt sein. Sie werden in der Praxis vielfach von Korrespondenzanwälten, wissenschaftlichen Mitarbeitern oder nicht am Rechtsmittelgericht zugelassenen Sozien unterschriftsreif vorbereitet. Dem Umstand, daß unter der für die Unterschrift vorgesehenen Stelle der Name eines Rechtsanwalts vermerkt ist, ist daher nicht ausreichend sicher zu entnehmen, daß der Entwurf von diesem Rechtsanwalt verfaßt worden ist, sondern kann auch bedeuten, daß der tatsächliche Verfasser die eigenverantwortliche Prüfung des Inhalts des bestimmenden Schriftsatzes und seine Unterzeichnung durch den namentlich genannten Rechtsanwalt vorgesehen hat. Ob dieser für den Inhalt des Schriftsatzes bereits die Verantwortung übernommen hat, ist danach in Fällen wie hier völlig offen.
Entgegen der Auffassung der Revision kann auch dem Umstand, daß das Computer-Fax dem Berufungsgericht am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist übermittelt worden ist, nicht mit einer für den Anwaltsprozeß erforderlichen Sicherheit entnommen werden, daß es sich dabei nicht um einen bloßen Entwurf handelte. Allein der Zeitpunkt der Übermittlung eines nicht unterzeichneten bestimmenden Schriftsatzes sagt für sich genommen noch nichts darüber aus, ob er von einem beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt verantwortet wird. Gerade der drohende Ablauf einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist kann einem nicht postulationsfähigen Verfasser der Rechtsmittelbegründung vielmehr Veranlassung geben, zur Fristwahrung einen Schriftsatz zu übermitteln, den der namentlich genannte Rechtsanwalt noch nicht eigenverantwortlich geprüft hat. Daß der Inhalt der als Computer-
Fax übermittelten Berufungsbegründung von dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger verantwortet und von ihm bewußt in den Verkehr gebracht worden ist, läßt sich danach hier mit der erforderlichen Sicherheit nicht feststellen.
2. Auch die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist greift die Revision ohne Erfolg an. Das Berufungsgericht hat einen Fehler am Empfangsgerät des Oberlandesgerichts als fernliegend angesehen und ausgeführt , es komme entweder ein technischer Fehler im Sendegerät oder aber ein vom Prozeßbevollmächtigten der Kläger verschuldeter Bedienungsfehler als Ursache für das Fehlen einer eingescannten Unterschrift in dem Computer-Fax in Betracht. Es sei aber nicht glaubhaft gemacht, daß ein Bedienungsfehler des Prozeßbevollmächtigten als Ursache für das Fehlen der eingescannten Unterschrift ausscheide. Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Das Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten ist einer Partei zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann danach nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen die Möglichkeit offenbleibt, daß die Fristversäumung von der Partei bzw. ihrem Prozeßbevollmächtigten verschuldet war (BGH, Beschlüsse vom 26. September 1991 - I ZB 12/91, NJW 1992, 574, 575, vom 18. Oktober 1995 - I ZB 15/95, NJW 1996, 319 und vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 10/04, NJW-RR 2005, 143, 145).
Zu Recht hat das Berufungsgericht hier einen Bedie nungsfehler des Prozeßbevollmächtigten der Kläger, der dazu geführt hat, daß das Fax ohne eingescannte Unterschrift übermittelt worden ist, nicht als ausgeschlossen angesehen. Der Prozeßbevollmächtigte einer Partei hat mit der Bedienung technischer Geräte, die er selbst zur Übermittlung bestimmender Schriftsätze einsetzt, soweit vertraut zu sein, daß die Übermittlung in der Form sichergestellt ist, die von § 130 Nr. 6 2. Halbs. ZPO vorgeschrieben ist. Daß das Berufungsgericht es als glaubhaft gemacht angesehen hat, daß der Prozeßbevollmächtigte der Kläger weder bei der Übermittlung noch später einen Bedienungsfehler bemerkt hat, schließt einen verschuldeten Bedienungsfehler nicht aus. Das Berufungsgericht weist insoweit zu Recht darauf hin, daß Bedienungsfehler am Computer unbemerkt bleiben können. Damit hat das Berufungsgericht die an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts zu stellenden Anforderungen nicht in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise überspannt.

III.


Die Revision der Kläger konnte danach keinen Erfol g haben und war deshalb zurückzuweisen.
Nobbe Richter am Bundes- Joeres gerichtsh of Dr. Müller ist wegen Urlaubs gehindert , seine Unterschrift b eizufügen. Nobbe Wassermann Mayen

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Die vorbereitenden Schriftsätze sollen enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; die Bezeichnung des Gerichts und des Streitgegenstandes; die Zahl der Anlagen;
1a.
die für eine Übermittlung elektronischer Dokumente erforderlichen Angaben, sofern eine solche möglich ist;
2.
die Anträge, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt;
3.
die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden tatsächlichen Verhältnisse;
4.
die Erklärung über die tatsächlichen Behauptungen des Gegners;
5.
die Bezeichnung der Beweismittel, deren sich die Partei zum Nachweis oder zur Widerlegung tatsächlicher Behauptungen bedienen will, sowie die Erklärung über die von dem Gegner bezeichneten Beweismittel;
6.
die Unterschrift der Person, die den Schriftsatz verantwortet, bei Übermittlung durch einen Telefaxdienst (Telekopie) die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR215/14
vom
2. Juli 2014
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. Juli 2014 gemäß § 349 Abs. 1
StPO beschlossen:
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 15. Januar 2014 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet.
2
1. Die vom Verteidiger unterzeichnete Revisionsbegründung lautet auszugsweise : „… wird unter Bezugnahme auf den Schriftsatz des Unterzeichners vom 20.01.2014 für den Beschuldigten die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt. Nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe beanstandet der Beschuldigte die durch das erkennende Gericht I. Instanz getroffenen Feststellungen insoweit, als dass er zum Zeitpunkt seiner Festnahme am Ende der Verfolgungsfahrt den Schlagstock in seiner hinteren Hosentasche mit sich geführt habe und im Übrigen zu keinem Zeitpunkt, entgegen den Ausführungen in den Urteilsgründen, den Schlagstock offen im Fahrzeug mit sich geführt habe. Weiterhin begegnen die Feststellungen des medizinischen Sachverständigen, Herrn Prof. Dr. E. , erheblichen Bedenken auf Seiten des Beschuldigten und dabei insbesondere im Hinblick auf die Feststellung des Sachverständigen, der Be- schuldigte leide an einer Psychose. Nach Auffassung des Beschuldigten liegen dieser Feststellung unzutreffende Arztberichte und fehlerhafte Wertungen des Sachverständigen zugrunde. Obwohl seitens des Unterzeichners ausführlich über das Rechtsmittel der Revision belehrt und informiert , verblieb der Beschuldigte bei der Auffassung, diese Ausführun- gen im Rahmen der Revision zu machen.“
3
2. Die Revision ist gemäß § 349 Abs. 1 StPO unzulässig, weil sie nicht den Formerfordernissen des § 345 Abs. 2 StPO entspricht. Danach muss eine Revisionsbegründung in einer von einem Verteidiger unterzeichneten Schrift erfolgen, die er grundsätzlich selbst zu verfassen, zumindest an ihr gestaltend mitzuwirken hat. Ferner darf kein Zweifel bestehen, dass der Rechtsanwalt die volle Verantwortung für den Inhalt der Schrift übernommen hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. Juni 2002 – 3 StR 151/02, NStZ-RR 2002, 309).
4
Solche Zweifel ergeben sich hier aus der Fassung der Revisionsbegrün- dung. Die sich an den Satz „… wird … für den Beschuldigtendie Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt“ anschließenden Formulierungen „beanstandet der Beschuldigte“ und „begegnen die Feststellungen … erheblichen Bedenken auf Seiten des Beschuldigten“ sowie „nach Auffassung des Beschul- digten liegen dieser Feststellung …“ belegen, dass der Verteidiger lediglich die vom Angeklagten stammenden Beanstandungen vorträgt und zusammenfasst, ohne selbst dafür die Verantwortung zu übernehmen. Diese Wortwahl in Verbindung mit der Wiedergabe der vom Beschuldigten stammenden Ausführungen in indirekter Rede deutet auf eine Distanzierung des Verteidigers hin, zumal dieser dem Revisionsbegründungsschriftsatz keine eigenen Begründungselemente hinzugefügt hat. Ergänzend kommt die Distanzierung des Verteidigers in seiner abschließenden Bemerkung zum Ausdruck, er habe seinen Mandanten ausführlich über das Rechtsmittel der Revision belehrt, der Beschuldigte habe aber darauf beharrt, die vorstehenden Ausführungen zu machen.
5
Auch der vorangestellten allgemeinen Sachrüge kann in diesem Zusammenhang keine eigenständige Bedeutung zugemessen werden. Da der Angeklagte lediglich durch die angeordnete Unterbringung beschwert sein kann, der Verteidiger sich jedoch in seinen nachfolgenden Ausführungen von der Ansicht des Beschuldigten, die Voraussetzungen einer Unterbringung im Sinne von § 63 StGB lägen nicht vor, distanziert, verbleibt kein Raum mehr für eine dar- über hinausgehende Sachrüge. Der Satz „… wird unter Bezugnahme … für den Beschuldigten die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt“ kann deshalb nur als zusammenfassender Einleitungssatz der vom Angeklagten stammenden Begründung, nicht aber als eigenständige, von der Revisionsbegründung des Angeklagten unabhängige Rechtsmittelbegründung des Verteidigers verstanden werden. Insgesamt bestehen deshalb durchgreifende Zweifel daran, dass der Verteidiger die volle Verantwortung für den Inhalt der Begründung übernommen hat; die Revisionsbegründungsschrift ist deshalb trotz Unterzeichnung durch den Verteidiger unwirksam.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 29. November 2012 - 5 Sa 405/11 - wird zurückgewiesen.

2. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 29. November 2012 - 5 Sa 405/11 - aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen, soweit das Landesarbeitsgericht über den Zahlungsantrag und über die Kosten des Rechtsstreits entschieden hat.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch über die Zulässigkeit der Anordnung von Bereitschaftsdiensten und über Vergütung für im Dezember 2008 geleistete Bereitschaftsdienste.

2

Der Kläger ist seit dem 1. September 1994 bei dem Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger als Oberarzt und Vertreter des Chefarztes in der Neurologischen Abteilung des Klinikums M beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet jedenfalls kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) vom 17. August 2006, zuletzt idF des ÄndTV Nr. 3 vom 18. Januar 2012, Anwendung. Seit 2001 ist der Kläger Teilzeitbeschäftigter mit 95,22 % der regelmäßigen Arbeitszeit; er erhält eine Vergütung nach Entgeltgruppe IV.

3

Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses bis Februar 2006 erbrachte der Kläger Rufbereitschaftsdienste (sog. Hintergrunddienst). Dabei kam es zum Streit zwischen den Parteien, ob es sich um Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienste handelte und wie diese Dienste zu vergüten sind. In diesem Zusammenhang legte der Beklagte mit Schreiben vom 23. Januar 2006 „aus haftungsrechtlichen Gründen … im Interesse unserer Patienten“ einen Zeitraum von 45 Minuten für die Zeit zwischen Information des Hintergrunddienstes und Aufnahme der Arbeit fest. Ein aus Sicht des Klägers untertarifliches Vergütungsangebot des Beklagten für diese Dienste lehnte der Kläger ab, ebenso - ua. unter Hinweis auf seine Teilzeitbeschäftigung - die weitere Ableistung von Rufbereitschaftsdiensten. Im Verfahren über eine daraufhin vom Beklagten ausgesprochene Änderungskündigung schlossen die Parteien am 7. August 2007 einen Teilvergleich, wonach der Kläger sich verpflichtete, im Rahmen betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeit auf Anweisung des Beklagten Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst, Überstunden und Mehrarbeit zu leisten.

4

Bis November 2008 erbrachte der Kläger seine regelmäßige Arbeit in der Zeit von 11:30 Uhr bis 20:00 Uhr; zur Rufbereitschaft war er nicht mehr eingeteilt worden. Mit Schreiben vom 31. Oktober 2008 ordnete der Chefarzt Dr. S zunächst verschiedene Rufbereitschaftsdienste für Dezember 2008 an. Nachdem der Kläger seine Wohnung in Frankfurt am Main als Aufenthaltsort angegeben hatte, ordnete der Beklagte mit Schreiben vom 2. Dezember 2008 stattdessen an mehreren Tagen Bereitschaftsdienst (sog. Vordergrunddienst) in unterschiedlicher Länge an. Dem Kläger wurde mitgeteilt, dass er während dieser Zeiten für die ärztliche Versorgung der Patienten in der Neurologie allein verantwortlich sei. Der Beklagte kündigte an, für diese Zeiten teilweise Freizeitausgleich an bestimmten Tagen zu gewähren. Eine Belastungsanalyse nach § 10 Abs. 2 und Abs. 3 TV-Ärzte/VKA wurde nicht durchgeführt.

5

Am 6., 14., 18., 25. und 29. Dezember 2008 leistete der Kläger Bereitschaftsdienst, ohne dass zugleich ein anderer Arzt in der Neurologie Bereitschaftsdienst hatte. Während der Bereitschaftsdienste fallen - soweit Arbeitsleistung zu erbringen ist - zu etwa 80 % assistenzärztliche Aufgaben und maximal zu etwa 20 % spezifisch fachärztliche Aufgaben an.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Zuweisung solcher Bereitschaftsdienste widerspreche seinem arbeitsvertraglichen Anspruch auf Beschäftigung als Oberarzt. Er sei nicht verpflichtet, während bestimmter Dienste weit überwiegend Assistenzarzttätigkeiten ohne jede oberärztliche Supervision zu verrichten. Er habe einen Anspruch, dass dies durch die zeitgleiche Anordnung von Bereitschaft gegenüber einem Assistenzarzt vermieden werde. Oberärzte würden bei dem Beklagten üblicherweise nur zu Hintergrunddiensten herangezogen; es seien immer mindestens zwei Ärzte zum Dienst eingeteilt. Die Anordnung des Bereitschaftsdienstes ihm gegenüber führe zu einem fehleranfälligen System und berge die Gefahr der Überarbeitung in sich. Er müsse sich selbst vertreten, eine geordnete fachärztliche Übergabe sei nicht möglich und ihm sei eine Flut von Einzelaufgaben zugewiesen, die ggf. parallel erledigt werden müssten. Es handele sich zudem um eine Maßregelung wegen seiner Ablehnung des Angebots des Beklagten zur Vergütungsänderung für die Rufbereitschaftsdienste.

7

Für Dezember 2008 habe er einen weiteren Vergütungsanspruch, da der Beklagte die Bereitschaftsdienste nicht arbeits- und tarifvertragskonform angeordnet habe. Der Beklagte habe schon keine betriebliche/dienstliche Notwendigkeit hierfür dargelegt; im Übrigen sei die Anordnung vertragswidrig, da im Wesentlichen Assistenzarzttätigkeiten verrichtet würden. Bestimmungen der Dienstvereinbarung „Rahmendienstplan“ vom 1. Januar 2003 seien nicht eingehalten worden, insbesondere habe der Dienstplan nicht rechtzeitig vorgelegen und habe nicht dem Rahmendienstplan entsprochen. Eine Arbeitszeitdauer von 10 Stunden sei ohne Erstellung einer Belastungsanalyse überschritten, das ArbZG nicht eingehalten worden. Der Beklagte könne nicht regelmäßige Arbeitszeit nach § 7 TV-Ärzte/VKA gegen faktorisierte Arbeitszeit aus Bereitschaftsdiensten aufrechnen. Er sei nicht zum Freizeitausgleich berechtigt gewesen und müsse alle im Dezember 2008 geleisteten Bereitschaftsdienste in Geld vergüten. Darüber hinaus habe der Beklagte einen tarifkonformen Freizeitausgleich nicht dargelegt.

8

Insgesamt ergebe sich unter Anrechnung der geleisteten Zahlung in Höhe von 1.656,96 Euro für diesen Monat ein weiterer Vergütungsanspruch in Höhe von 3.302,20 Euro. Dieser setze sich aus 102 Stunden Bereitschaftsdienst Stufe III Faktor 90 % á 39,45 Euro, dem Anspruch auf die Wechselschichtzulage in Höhe von 105,00 Euro und aus verschiedenen Zeitzuschlägen nach § 11 TV-Ärzte/VKA zusammen.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, ihm gegenüber Bereitschaftsdienste anzuordnen, wenn nicht während des gleichen Zeitraums in der Klinik ein anderer Arzt für die ärztliche Grundversorgung der Patienten der Abteilung für Neurologie zur Verfügung steht;

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.302,20 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. März 2009 zu zahlen.

10

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, die Gesamttätigkeit des Klägers umfasse zu mehr als 50 % Oberarzttätigkeiten, sodass der Kläger entsprechend seinem Arbeitsvertrag eingesetzt werde. Durch seine Einteilung zu Bereitschaftsdiensten sei eine ärztliche Versorgung auf Facharztniveau sichergestellt worden. Der Einsatz eines weiteren Arztes auf der Station sei weder erforderlich noch betriebswirtschaftlich tragbar. Einen Hintergrunddienst benötige der Kläger als Facharzt nicht. In Vertretungsfällen habe es noch nie Probleme gegeben, es könne auch auf die in anderen Abteilungen tätigen Ärzte zurückgegriffen werden. Der andersartige Einsatz im Vergleich zu den übrigen Oberärzten sei insbesondere durch den weiten Anfahrtsweg des Klägers begründet; die anderen Oberärzte seien in maximal 45 Minuten im Krankenhaus und würden deshalb zur Rufbereitschaft eingeteilt.

11

Der Kläger habe im Dezember 2008 faktorisiert 93,78 Stunden Bereitschaftsdienst geleistet. Davon seien 42 Stunden durch Freizeit ausgeglichen und 51,78 Stunden vergütet worden. Im Übrigen hätten eventuelle Verstöße gegen das ArbZG, gegen Bestimmungen des Arbeitsvertrags oder des TV-Ärzte/VKA bei der Anordnung des Bereitschaftsdienstes nicht zur Folge, dass Bereitschaftsdienst wie normale Arbeitszeit zu vergüten sei.

12

Das Arbeitsgericht hat dem Unterlassungsanspruch stattgegeben und den Zahlungsantrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zunächst insgesamt abgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hiergegen hatte wegen Verstößen gegen Art. 103 Abs. 1 GG Erfolg und führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht. Hierauf hat das Landesarbeitsgericht den Unterlassungsantrag erneut abgewiesen, aber dem Zahlungsantrag nunmehr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Unterlassung weiter, der Beklagte auf vollständige Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (zu I). Die zulässige Revision des Beklagten ist hingegen wegen Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)begründet (zu II) und führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

14

I. Die auf Unterlassung der Anordnung bestimmter Bereitschaftsdienste gerichtete Klage ist zulässig, aber unbegründet.

15

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der zur Entscheidung gestellte Antrag hinreichend bestimmt.

16

a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind Anträge, mit denen die Unterlassung von Handlungen verlangt wird, so genau zu bezeichnen, dass der Inanspruchgenommene im Falle einer dem Antrag entsprechenden gerichtlichen Entscheidung eindeutig erkennen kann, unter welchen Voraussetzungen was von ihm verlangt wird. Für ihn muss aufgrund des Unterlassungstitels erkennbar sein, welche Handlungen er künftig zu unterlassen hat, um sich rechtmäßig verhalten zu können. Die Prüfung, welche Verhaltensweisen der Schuldner unterlassen soll, darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einen dementsprechenden gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnis- in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden. Allerdings dürfen die Anforderungen insoweit auch nicht überspannt werden, da andernfalls effektiver Rechtsschutz vereitelt würde. Dementsprechend sind die Gerichte auch verpflichtet, Anträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass eine Sachentscheidung ergehen kann. Zukunftsgerichtete Verbote lassen sich häufig nur generalisierend formulieren. Die Notwendigkeit gewisser Subsumtionsprozesse im Rahmen einer etwa erforderlich werdenden Zwangsvollstreckung steht daher der Verwendung ausfüllungsbedürftiger Begriffe in einem Unterlassungstitel und dem darauf gerichteten Antrag nicht generell entgegen (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 611/11 - Rn. 25 mwN).

17

b) Diesem Erfordernis wird der Antrag zu 1. gerecht. Der Kläger will danach erreichen, dass ihm gegenüber keine Bereitschaftsdienste angeordnet werden, wenn nicht gleichzeitig ein anderer Arzt für die ärztliche Grundversorgung zur Verfügung steht. Der Begriff der „ärztlichen Grundversorgung“ macht den Antrag nicht unbestimmt. Ausweislich der Klagebegründung wehrt sich der Kläger insbesondere dagegen, im Rahmen des Bereitschaftsdienstes Tätigkeiten auszuführen, die typischerweise von Assistenzärzten wahrgenommen werden. Seine Tätigkeit will er demgegenüber auf die typischen Tätigkeiten eines Facharztes in der Funktion eines leitenden Oberarztes beschränkt wissen und dies durch gleichzeitige Dienstanordnung gegenüber einem anderen, untergeordneten Arzt sichergestellt wissen. In dieser Auslegung ist der Antrag insgesamt hinreichend bestimmt.

18

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Unterlassung der Anordnung solcher Bereitschaftsdienste, in denen nicht gleichzeitig ein anderer Arzt die ärztliche Grundversorgung übernimmt. Ein Anspruch ergibt sich weder aus gesetzlichen oder tarifvertraglichen Bestimmungen noch aus dem Arbeitsvertrag der Parteien.

19

a) Gesetzliche Bestimmungen, insbesondere die Normen des ArbZG, verlangen nicht, dass generell Bereitschaftsdienst gegenüber einem Oberarzt nur angeordnet wird, wenn gleichzeitig ein untergeordneter Arzt Dienst hat und die ärztliche Grundversorgung wahrnimmt. Dies gilt auch hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen Ruhepausen nach §§ 4, 7 ArbZG(vgl. zum Begriff: BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 139/08 - Rn. 30, BAGE 132, 195). Es ist Sache des Beklagten, wie er die Einhaltung der Ruhepausen sicherstellt; dies verlangt nicht zwingend die vom Kläger angestrebte Maßnahme.

20

b) Ebenso wenig können Bestimmungen des TV-Ärzte/VKA das klägerische Anliegen rechtfertigen.

21

aa) Nach § 7 Abs. 6, § 10 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA sind Ärztinnen und Ärzte im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Bereitschaftsdienst verpflichtet. Die tarifliche Regelung unterscheidet nicht zwischen Ärzten verschiedener Vergütungsgruppen (§ 16 TV-Ärzte/VKA); auch leitende Oberärzte der Entgeltgruppe IV sind Ärzte, die den allgemeinen tariflichen Vorschriften - positiv wie negativ - unterliegen. Die Ableistung des Bereitschaftsdienstes gehört zum ärztlichen Berufsbild (BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 78/09 - Rn. 21, BAGE 135, 179; aA für Oberärzte wohl Thomae in Weth/Thomae/Reichold Arbeitsrecht im Krankenhaus 2. Aufl. Teil 5 C Rn. 3). Lediglich bei Teilzeitbeschäftigten ist nach § 7 Abs. 6 TV-Ärzte/VKA deren Zustimmung bzw. eine entsprechende arbeitsvertragliche Regelung erforderlich. Diese Voraussetzung liegt nach dem Inhalt des Vergleichs vom 7. August 2007 vor.

22

bb) Bereitschaftsdienst darf nach § 10 Abs. 1 Satz 2 TV-Ärzte/VKA nur angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeit überwiegt (vgl. dazu BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 114/02 - zu A II 1 c cc der Gründe, BAGE 106, 252). Dass die vom Beklagten gegenüber dem Kläger angeordneten Bereitschaftsdienste der Stufe III diese Voraussetzung generell nicht erfüllen, hat der Kläger weder vorgetragen noch gibt es dafür Anhaltspunkte. Auch im Übrigen ist nicht erkennbar, dass der Beklagte bei der Gestaltung der Bereitschaftsdienste in einer Art und Weise gegen tarifliche Vorschriften verstößt, die generell eine Unterlassung der Anordnung solcher Dienste in der begehrten Form rechtfertigen würde. Gleiches gilt hinsichtlich des erforderlichen dienstlichen/betrieblichen Grundes. Selbst vom Kläger wird nicht in Frage gestellt, dass es zu bestimmten Zeiten eines Bereitschaftsdienstes bedarf.

23

c) Nach dem Arbeitsvertrag vom 29. August 1994 iVm. § 611 Abs. 1 BGB ist der Kläger verpflichtet, Bereitschaftsdienste zu leisten, auch wenn kein (Assistenz-)Arzt die ärztliche Grundversorgung übernimmt. Der Beklagte hat die Grenzen des Direktionsrechts iSv. § 106 Satz 1 GewO nicht überschritten.

24

aa) Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz festgelegt sind. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers dient nur der Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhalts, beinhaltet aber nicht das Recht zu einer Änderung des Vertragsinhalts (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 24, BAGE 135, 239). Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung; eine Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten ist auch dann unzulässig, wenn die bisherige Vergütung fortgezahlt wird (st. Rspr., zB BAG 20. November 2003 - 8 AZR 608/02 - zu II 2 a bb (2) der Gründe; zu Ausnahmen vgl. unten zu cc; zur vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten vgl. § 17 TV-Ärzte/VKA und BAG 4. Juli 2012 - 4 AZR 759/10 - Rn. 17 ff.).

25

bb) Nach § 1 des Arbeitsvertrags ist der Kläger als Oberarzt und Vertreter des Chefarztes der Neurologie angestellt. Der Beklagte kann dem Kläger damit alle Tätigkeiten zuweisen, die mit der Aufgabenstellung eines leitenden Oberarztes verknüpft sind. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Art der Dienste als auch hinsichtlich des Arbeitsinhalts.

26

(1) Ein Oberarzt ist zunächst einmal Arzt. Kernaufgabe des Arztes ist das fachgerechte Bemühen um Heilung des Patienten (MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 BGB Rn. 89 [zum Arztvertrag]). Die Tätigkeit als Arzt ist grundsätzlich mit einer spezifischen Verantwortung verbunden, die nicht auf andere Personen übertragen werden kann und darf. Nach § 11 Abs. 1, § 2 Abs. 3 der (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte(MBO-Ä 1997) idF des 114. Deutschen Ärztetages 2011 ist jeder Arzt im Rahmen der Berufsausübung verpflichtet, seine Patienten gewissenhaft mit geeigneten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu versorgen sowie bei der Übernahme und Ausführung der Behandlung die gebotenen medizinischen Maßnahmen nach den Regeln der ärztlichen Kunst gewissenhaft auszuführen (vgl. BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 495/08 - Rn. 48, BAGE 132, 365).

27

(2) Zu den spezifischen Aufgaben des Oberarztes gehören - bei Letztverantwortung des Chefarztes - in selbständiger medizinischer Verantwortung die Leitung von operativen Eingriffen und anderen Behandlungsmethoden und die Beratung und Beaufsichtigung der in seinem Bereich tätigen Assistenzärzte; er nimmt diesen gegenüber eine herausgehobene Stellung ein (Strauß Arbeitsrecht für Ärzte an Krankenhäusern S. 26; Thomae in Weth/Thomae/Reichold Arbeitsrecht im Krankenhaus Teil 5 C Rn. 2 f.; vgl. auch BVerwG 1. Juni 1995 - 2 C 20.94 - BVerwGE 98, 334 [zu einem beamteten Oberarzt]). Wie bei jeder anderen Tätigkeit gehören im Zusammenhang mit den Kernaufgaben stehende Tätigkeiten ebenso zum Berufsbild.

28

(3) In tarifrechtlicher Hinsicht ist Oberarzt nach der Protokollerklärung zu § 16 Buchst. c TV-Ärzte/VKA derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. der Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist. Dieses Tätigkeitsmerkmal ist nur erfüllt, wenn dem Oberarzt ein Aufsichts- und - teilweise eingeschränktes - Weisungsrecht hinsichtlich des medizinischen Personals zugewiesen worden ist. Ihm muss mindestens ein Facharzt der Entgeltgruppe II unterstellt sein (BAG 26. Januar 2011 - 4 AZR 167/09 - Rn. 37; 9. Dezember 2009 - 4 AZR 495/08 - Rn. 45, BAGE 132, 365). Die „medizinische“ Verantwortung eines Oberarztes geht über die allgemeine „ärztliche“ Verantwortung eines Assistenzarztes und eines Facharztes deutlich hinaus. Dabei wird an die tatsächliche krankenhausinterne Organisations- und Verantwortungsstruktur angeknüpft. Kliniken sind arbeitsteilig organisiert und weisen zahlreiche spezialisierte und fragmentierte Diagnose-, Behandlungs- und Pflegeabläufe mit einer abgestuften Verantwortungsstruktur der handelnden Personen auf (BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 495/08 - Rn. 49 mwN, aaO). Darüber hinaus vertritt der leitende Oberarzt den leitenden Arzt (Chefarzt) ständig in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben (§ 16 Buchst. d TV-Ärzte/VKA nebst Protokollerklärung).

29

cc) Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer in gewissen eng umgrenzten Fällen, etwa in Not- oder Ausnahmesituationen, auch ohne dessen Einverständnis eine vertraglich nicht geschuldete, geringerwertige Tätigkeit zuweisen (BAG 3. Dezember 1980 - 5 AZR 477/78 - zu II 2 der Gründe; 8. Oktober 1962 - 2 AZR 550/61 -; ErfK/Preis 13. Aufl. § 106 GewO Rn. 4; Schaub/Linck 15. Aufl. ArbR-Hdb § 45 Rn. 37).

30

Die vom Kläger begehrte Unterlassung ist hingegen nicht beschränkt. Vielmehr begehrt er mit seinem Antrag eine Unterlassungsanordnung für alle solchen Bereitschaftsdienste und schließt eine Anordnungsbefugnis weder in Notfällen noch in Fällen des plötzlichen, nicht planbaren Ausfalls eines oder mehrerer anderer (Assistenz-)Ärzte aus dem Unterlassungsbegehren aus. Auch aus der Antragsbegründung lässt sich eine solche Einschränkung nicht erkennen, vielmehr vertritt der Kläger generell die Auffassung, eine Anordnung des Bereitschaftsdienstes als Vordergrunddienst scheide ihm gegenüber aus. Deshalb spricht manches dafür, dass er mit seinem Antrag Fallgestaltungen erfasst, für die die begehrte Unterlassung von vornherein nicht zu treffen ist (sog. Globalantrag, vgl. dazu BAG 27. Oktober 2010 - 7 ABR 36/09 - Rn. 35; 13. Oktober 2009 - 9 AZR 139/08 - Rn. 23, BAGE 132, 195). Letztlich kann diese Frage jedoch dahinstehen und es bedurfte keines Hinweises nach § 139 ZPO an den Kläger.

31

dd) Auch abgesehen von einer Anordnungsbefugnis in Not- und Ausnahmesituationen hat der Kläger keinen arbeitsvertraglichen Unterlassungsanspruch.

32

(1) Im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit wird der Kläger vertragsgemäß als leitender Oberarzt (Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA) beschäftigt; dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

33

(2) Während der streitgegenständlichen Bereitschaftsdienste muss der Kläger hingegen weit überwiegend (zu jedenfalls 80 %) typische Assistenzarzttätigkeiten erbringen und nur in geringem Umfang spezifisch fachärztliche Tätigkeiten. Ihm untergeordnete Ärzte kann er in dieser Zeit nicht anleiten. Es handelt sich aber um ärztliche Aufgaben, die Teil des Berufsbildes des Oberarztes sind. Der Umstand, dass eine bestimmte Aufgabe in der Regel durch einen Assistenzarzt unter Anleitung und Überwachung durch einen Oberarzt vorgenommen wird, bedeutet nicht, dass diese nicht in weiter gehender ärztlicher Verantwortung auch zum Aufgabengebiet des Oberarztes gehört. So steht einem Arzt die Vergütung einer höheren Entgeltgruppe nach § 15 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte/VKA schon dann zu, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die die Anforderungen dieser Entgeltgruppe erfüllen. Damit wird deutlich, dass Anteile der Beschäftigung auch Tätigkeiten umfassen können, die nicht entsprechend herausgehoben sind. Ebenso wenig muss in jeder Minute der Tätigkeit ein eingruppierungsrechtlich gefordertes Unterstellungsverhältnis auch tatsächlich zum Tragen kommen. Vielmehr ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass eine bestimmte Organisationsstruktur vorliegt und ein entsprechendes Weisungsrecht übertragen wurde (vgl. zu § 12 TV-Ärzte/TdL: BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 495/08 - Rn. 45, BAGE 132, 365).

34

Allerdings darf der Charakter der Tätigkeit als leitender Oberarzt durch die Übertragung bestimmter Aufgaben oder die Anordnung bestimmter Dienste unabhängig von deren zeitlichem Anteil nicht verloren gehen. Die typischen Aufgaben müssen der Tätigkeit weiterhin das Gepräge geben. Dies ist beispielsweise nicht mehr der Fall, wenn gegenüber einer Oberärztin die Teilnahme am Bereitschafts- und Stationsdienst der Assistenzärzte angeordnet wird (BAG 19. Dezember 1991 - 6 AZR 476/89 -). Die Situation bei dem Beklagten ist damit aber nicht vergleichbar; die Tätigkeit des Klägers verliert ihren Charakter durch einen ausschließlich von einem Oberarzt durchgeführten Bereitschaftsdienst nicht.

35

(3) Wie bereits unter 2 b aa dargelegt, gehört die Ableistung von Bereitschaftsdiensten zum ärztlichen Berufsbild. Dies schließt Oberärzte ein, was sich im Übrigen besonders deutlich aus dem Umstand ergibt, dass der nunmehr speziell für Ärzte von deren Berufsgruppengewerkschaft abgeschlossene TV-Ärzte/VKA insoweit nicht differenziert. Aus den in der Branche oder am Arbeitsort gegebenen Üblichkeiten folgt kein anderes Ergebnis. Eine Übung dahingehend, dass Oberärzte allein dann zu Bereitschaftsdiensten herangezogen werden, wenn zugleich ein anderer Arzt die ärztliche Grundversorgung übernimmt, behauptet der Kläger nicht und ist auch nicht ersichtlich. Zwar ist es im Allgemeinen so, dass Oberärzte zu Hintergrunddiensten (Rufbereitschaft) herangezogen werden und der Vordergrunddienst im Rahmen eines Bereitschaftsdienstes durch Assistenzärzte ausgeübt wird. Dies ist auch die übliche Handhabung beim Beklagten. Zwingend ist dies aber nicht, vielmehr können sich aus der Organisation des Krankenhausbetriebs und der Situation der beteiligten Beschäftigten Abweichungen ergeben. So muss der Arzt während der Rufbereitschaft nach § 10 Abs. 8 TV-Ärzte/VKA bei Abruf in angemessener Zeit die Arbeit im Krankenhaus aufnehmen können. Sind Beschäftigte dazu beispielsweise aus persönlichen Gründen nicht in der Lage, kann es erforderlich werden, das übliche Muster der Diensteinteilung zu verändern.

36

(4) Eine solche Situation liegt im konkreten Fall vor. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 23. Januar 2006 eine Reaktionszeit von 45 Minuten von der Information des Hintergrunddienstes bis zur Aufnahme der Tätigkeit festgelegt. Dass dieser Wert willkürlich zu kurz festgesetzt wäre, hat der Kläger weder behauptet noch gibt es hierfür Anhaltspunkte. Eher erscheint die Reaktionszeit großzügig bemessen. Im Gegensatz zu den anderen Oberärzten kann der Kläger aufgrund seines Wohnorts in Frankfurt am Main - den er ausdrücklich gemäß § 10 Abs. 8 Satz 1 TV-Ärzte/VKA als Aufenthaltsort angezeigt hat - und der damit verbundenen Anfahrtszeit diese Zeit nicht verbindlich einhalten. Selbst wenn dies im Einzelfall gelingen mag, muss der Beklagte sich schon im Interesse der Patienten hierauf nicht einlassen. Deshalb ist es nicht ausgeschlossen, zum Zwecke einer gleichmäßigen Verteilung der Belastung durch Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdienste erstere auch gegenüber einem leitenden Oberarzt anzuordnen. Gründe, dass diese Anpassung an die persönlichen Umstände des Klägers nicht billigem Ermessen iSv. § 106 Satz 1 BGB entsprechen würde(vgl. dazu zuletzt BAG 10. Juli 2013 - 10 AZR 915/12 - Rn. 28), sind nicht ersichtlich.

37

d) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 612a BGB.

38

aa) Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die zulässige Rechtsausübung darf nicht nur äußerer Anlass, sondern muss der tragende Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 45; 14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - Rn. 34, BAGE 122, 1; 12. Juni 2002 - 10 AZR 340/01 - zu II 1 der Gründe, BAGE 101, 312). Der Kläger trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für den Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und zulässiger Rechtsausübung(vgl. BAG 16. September 2004 - 2 AZR 511/03 - zu C III 2 der Gründe; 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - zu B III 2 b der Gründe).

39

bb) Die Anordnung von Bereitschaftsdiensten, ohne dass zugleich ein anderer Arzt zur Gewährleistung der ärztlichen Grundversorgung zur Verfügung steht, ist keine Maßregelung iSd. § 612a BGB.

40

Der Beklagte kann die Bereitschaftsdienste im Rahmen der gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Vorgaben und unter Beachtung personalvertretungsrechtlicher Beteiligungsrechte frei organisieren und zuteilen. Der Kläger ist arbeitsvertraglich - wie dargelegt - grundsätzlich zur Ableistung solcher Dienste verpflichtet. Eine Maßregelung könnte vorliegen, wenn die anderen Oberärzte ebenfalls Bereitschaftsdienste leisten würden und ihnen etwa ein Assistenzarzt zugewiesen wäre, dem Kläger dieser „Vorteil“ aber vorenthalten würde. Dies ist nicht der Fall, vielmehr wird gegenüber den anderen Oberärzten wegen der kürzeren Anfahrtszeit Rufbereitschaft angeordnet. Im Hinblick auf den Wohnort des Klägers ist auch nicht erkennbar, dass die Ablehnung der Vergütungsregelung für Rufbereitschaftsdienste der tragende Beweggrund war, ihm Bereitschaftsdienst zuzuweisen. Hiergegen spricht auch der zeitliche Ablauf: Die angebotene Vergütungsregelung lehnte der Kläger Anfang des Jahres 2006 ab; erstmals im Dezember 2008 wurden Bereitschaftsdienste in der streitgegenständlichen Form angeordnet. Im Übrigen benennt der Beklagte ausdrücklich wirtschaftliche Gründe dafür, dass der Kläger Bereitschaftsdienst ohne die zeitgleiche Anwesenheit eines anderen Arztes durchführen muss. Dem ist der Kläger nicht ernsthaft entgegengetreten.

41

II. Die Revision des Beklagten ist zulässig und begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Rechte des Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Die Revision führt insoweit zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache.

42

1. Die Revision des Beklagten ist zulässig. Insbesondere sind die Revisionsschrift vom 8. Januar 2013 und die Revisionsbegründung vom 11. März 2013 ordnungsgemäß (§ 130 Nr. 6 ZPO) von einem Rechtsanwalt unterzeichnet (vgl. allgemein zu Zweck und Anforderungen an das Unterschriftserfordernis: BAG 5. August 2009 - 10 AZR 692/08 -; BGH 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04 -). Beide Schriftsätze sind durch Rechtsanwalt K als Mitglied der zur Prozessführung beauftragten Anwaltskanzlei unterzeichnet. Damit ist davon auszugehen, dass er die Verantwortung für den Inhalt der Schriftsätze übernimmt und nicht nur als Vertreter im Innenverhältnis tätig wird (vgl. BAG 11. August 1987 - 7 AZB 14/87 - zu II 1 letzter Abs. der Gründe; BGH 27. Mai 1993 - III ZB 9/93 - zu II 2 der Gründe). Hieran ändert der maschinenschriftliche Zusatz, der eigentlich Rechtsanwältin L als Unterzeichnerin der Revisionsschrift ausweist, nichts. Gleiches gilt hinsichtlich des Zusatzes in der Revisionsbegründung, wonach Rechtsanwalt K „für die urlaubsbedingt abwesende“ Rechtsanwältin L unterzeichnete.

43

2. Die Revision des Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.

44

a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist verletzt, wenn eine Entscheidung ohne entsprechenden Hinweis auf einen Gesichtspunkt gestützt wird, mit dem auch ein kundiger und gewissenhafter Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielzahl von vertretbaren Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (BVerfG 17. Februar 2004 - 1 BvR 2341/00 - zu III 2 a der Gründe; BAG 8. Dezember 2010 - 5 AZN 956/10 - Rn. 4). Zum Prozessverlauf gehören sowohl erteilte wie auch unterbliebene Hinweise. Kann deshalb ein Prozessbevollmächtigter damit rechnen, dass er auf einen entscheidungserheblichen Punkt hingewiesen wird, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn ein entsprechender Hinweis unterbleibt (BAG 15. Juni 2011 - 10 AZN 439/11 - Rn. 6; 31. Juli 2007 - 3 AZN 326/07 - Rn. 16).

45

b) Der Beklagte hat einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG in zulässiger Weise gerügt.

46

aa) Besteht der Verfahrensmangel darin, dass das Landesarbeitsgericht den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, weil es der Hinweispflicht aus § 139 Abs. 2 ZPO nicht nachgekommen sei, muss der Revisionskläger konkret darlegen, welchen Hinweis das Gericht hätte geben müssen und wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert hätte. Hierzu muss er vortragen, welchen tatsächlichen Vortrag er gehalten oder welche für die Entscheidung erheblichen rechtlichen Ausführungen er gemacht hätte (st. Rspr., zuletzt zB BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 10 mwN).

47

bb) Diese Anforderungen sind erfüllt. Der Beklagte hat konkret gerügt, das Landesarbeitsgericht hätte seine Einwendungen gegen den klägerischen Zahlungsanspruch nicht ohne Hinweis als unschlüssig ansehen dürfen. Er hat in seiner Revisionsbegründung im Einzelnen benannt, welchen Vortrag er bei entsprechendem Hinweis gehalten hätte, und damit die Entscheidungserheblichkeit der Rüge dargetan.

48

c) Die Verfahrensrüge des Beklagten hat Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat einen notwendigen Hinweis iSd. § 139 Abs. 2 ZPO unterlassen und Vortrag des Beklagten nicht berücksichtigt.

49

aa) Das Landesarbeitsgericht hatte den Zahlungsanspruch des Klägers - ebenso wie bereits das Arbeitsgericht - durch Urteil vom 24. Februar 2011 zunächst abgewiesen. Begründet hat es diese Entscheidung insbesondere damit, dass es an einer Darstellung der Tatsachen und des Sachverhalts für die in das Rechenwerk des Klägers eingeflossenen Zahlen fehle. Nach Aufhebung dieses Urteils durch Beschluss des Senats vom 15. Juni 2011 (- 10 AZN 439/11 -) ist das Landesarbeitsgericht ohne relevanten neuen Sachvortrag des Klägers nunmehr davon ausgegangen, dessen Berechnung sei schlüssig. Den Erfüllungseinwand des Beklagten hat es hingegen als unschlüssig angesehen, weil dieser nicht dargetan habe, wann innerhalb von drei Monaten Freizeitausgleich für die im Dezember 2008 geleisteten Bereitschaftsdienste gewährt worden sei. Dabei hat das Landesarbeitsgericht die ausführlichen Darstellungen im Schriftsatz vom 11. Oktober 2012 als „nicht nachvollziehbar“ angesehen.

50

bb) Hiermit musste der Beklagte nach dem Prozessverlauf nicht rechnen. Vielmehr hätte das Landesarbeitsgericht darauf hinweisen müssen, dass es die Berechnung des Klägers nunmehr für schlüssig hält und an welcher Stelle es den Erfüllungseinwand des Beklagten als nicht ausreichend substanziiert ansieht. Mit einem solchen Hinweis konnte der Beklagte angesichts seines Obsiegens in zwei Instanzen rechnen. Aus dem Prozessverhalten des Landesarbeitsgerichts ließ sich für ihn nicht erkennen, dass es von seiner bisherigen Meinung abweichen würde. Insbesondere durfte der Beklagte mangels Hinweises davon ausgehen, dass der Vortrag aus dem Schriftsatz vom 11. Oktober 2012 zur Erfüllung durch Freizeitausgleich ausreicht. Hinzu kommt, dass das Landesarbeitsgericht auf den Vortrag des Beklagten, wonach er einen Teil des Anspruchs in Geld erfüllt habe, mit keinem Wort eingeht.

51

cc) Es ist nicht auszuschließen, dass das Landesarbeitsgericht bei Beachtung seiner Hinweispflicht und Berücksichtigung des dann ggf. erfolgten Vortrags des Beklagten möglicherweise anders entschieden hätte (vgl. BAG 15. Juni 2011 - 10 AZN 439/11 - Rn. 13; 8. Dezember 2010 - 5 AZN 956/10 - Rn. 8; 31. Juli 2007 - 3 AZN 326/07 - Rn. 19; 11. April 2006 - 9 AZN 892/05 - Rn. 16, BAGE 117, 370).

52

3. Im Rahmen der neuen Verhandlung und der weiteren Sachaufklärung wird das Landesarbeitsgericht folgende Aspekte zu berücksichtigen haben:

53

a) Streitgegenstand des Zahlungsantrags ist (nur) die Frage, in welcher Höhe vom Kläger im Dezember 2008 während der Bereitschaftsdienste geleistete Stunden einschließlich eventueller Zuschläge zu vergüten sind und ob ihm eine Zulage wegen ständiger Wechselschichtarbeit zusteht (vgl. die Berechnung im Schriftsatz vom 22. Mai 2009, S. 10). Dabei wird zunächst die Anzahl der tatsächlich während der angeordneten Bereitschaftsdienste geleisteten Stunden unter Berücksichtigung des Bewertungsfaktors von 90 vH (Bereitschaftsdienst Stufe III, § 12 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA) festzustellen sein.

54

b) Nach § 12 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA in der im Streitzeitraum anwendbaren Fassung des ÄndTV Nr. 1 vom 8. April 2008 ist einem Arzt der Entgeltgruppe IV pro als Arbeitszeit gewertete Stunde Bereitschaftsdienst ein Betrag in Höhe von 32,00 Euro zu zahlen. Hinzu kommt nach Abs. 3 ein Zuschlag von 25 vH für jede als Arbeitszeit gewertete Stunde an einem Feiertag. Auf weitere Zeitzuschläge besteht hingegen kein Anspruch (§ 12 Abs. 3 Satz 2 TV-Ärzte/VKA). Es wird aufzuklären sein, inwieweit diese Ansprüche durch den Beklagten erfüllt wurden.

55

Entgegen der Auffassung des Klägers sind die von ihm während der angeordneten Bereitschaftsdienste geleisteten Stunden nicht als Vollarbeit zu vergüten und es besteht kein Anspruch auf Zeitzuschläge nach § 11 TV-Ärzte/VKA. Es handelte sich um Bereitschaftsdienste im Tarifsinn; dies stellt auch der Kläger nicht in Frage (dazu oben zu I 2 b bb; vgl. auch BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 114/02 - zu A II 1 c cc der Gründe, BAGE 106, 252). Selbst wenn der Beklagte bei der Anordnung dieser Dienste gegen Bestimmungen des ArbZG verstoßen haben sollte oder eine Anordnung erfolgte, obwohl es an der tariflich vorgesehenen Belastungsanalyse fehlte, hat das nicht zur Folge, dass die Zeit des Bereitschaftsdienstes vergütungsrechtlich wie volle Arbeitszeit zu behandeln wäre (zum ArbZG: BAG 28. Januar 2004 - 5 AZR 503/02 - zu III der Gründe; 5. Juni 2003 - 6 AZR 114/02 - zu B II der Gründe, aaO). Gleiches gilt hinsichtlich der gerügten Verstöße gegen Bestimmungen der Dienstvereinbarung „Rahmendienstplan“ vom 1. Januar 2003; auch dadurch würde sich am Charakter der geleisteten Stunden als Bereitschaftsdienststunden nichts ändern.

56

c) Nach § 12 Abs. 4 TV-Ärzte/VKA aF(nunmehr § 12 Abs. 6 TV-Ärzte/VKA) kann statt der Vergütung (einschließlich eventueller Zuschläge für Feiertagsarbeit nach Abs. 3) innerhalb eines bestimmten Zeitraums Freizeitausgleich gewährt werden (vgl. dazu BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 78/09 - BAGE 135, 179). Einer Zustimmung des Arztes bedarf es dazu nicht (anders zB im TVöD-K in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung: BAG 17. Dezember 2009 - 6 AZR 716/08 -).

57

Entgegen der vom Landesarbeitsgericht ohne weitere Begründung vertretenen Auffassung stehen Bestimmungen des ArbZG einem solchen Ausgleich nicht entgegen. Auch ein Verstoß gegen § 3 ArbZG würde nicht dazu führen, dass Bereitschaftsdienst wie Vollarbeit anzusehen ist; er verliert dadurch nicht den Charakter als Bereitschaftsdienst. Dem Arzt stehen - mangels abweichender vertraglicher Regelungen - nur die Ansprüche zu, die § 12 TV-Ärzte/VKA gewährt. Dies gilt für Vergütungsansprüche (dazu oben zu b) ebenso wie für Freizeitausgleich, der an deren Stelle tritt.

58

Die Tarifnorm differenziert nach ihrem Wortlaut nicht danach, in welchem Umfang Vollarbeit und Bereitschaftsdienst geleistet wurden. Auch die Tarifsystematik und Sinn und Zweck der Regelung stehen einem Freizeitausgleich nicht entgegen. Zeit eines Bereitschaftsdienstes ist zwar Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 661/09 - Rn. 14 mwN). Die Zeit eines Bereitschaftsdienstes unterscheidet sich jedoch qualitativ von der vollen Arbeitszeit, die eine kontinuierliche Erbringung der Arbeitsleistung erfordert. Aus diesem Grund sind die Tarifvertragsparteien frei darin, die Zeit des Bereitschaftsdienstes vergütungsrechtlich in ein bestimmtes Verhältnis zur regulären Arbeitszeit zu setzen und eine gesonderte Vergütungsregelung für diese besondere Form der Arbeit vorzusehen (vgl. BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 877/12 - Rn. 23; 12. Dezember 2012 - 5 AZR 355/12 - Rn. 18; 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 23 mwN). Gleiches gilt für einen an die Stelle der Vergütung tretenden Freizeitausgleich, wie ihn § 12 Abs. 4 TV-Ärzte/VKA aF vorsah. Aus dem Tarifvertrag lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Möglichkeit des Freizeitausgleichs ab einer bestimmten Menge angeordneten Bereitschaftsdienstes entfallen sollte. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund der arbeitschutzrechtlichen Zwecksetzung des ArbZG. Dessen Normen dienen der Begrenzung der Arbeitszeiten und dem Schutz der Arbeitnehmer vor einer Überlastung (vgl. zB zu den Regelungen über Ruhepausen: BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 139/08 - Rn. 27, BAGE 132, 195). Eine tarifliche Regelung, die für längere Arbeitszeiten iSd. ArbZG (zB bei einer Arbeitszeitverlängerung durch Zeiten des Bereitschaftsdienstes) einen Freizeitausgleich gewährt, entspricht gerade diesem Zweck. Im Hinblick auf den betroffenen Arbeitnehmer wäre es arbeitsschutzrechtlich deshalb geradezu kontraproduktiv, wollte man den Freizeitausgleich bei Überschreiten gesetzlicher Höchstarbeitszeitgrenzen ausschließen.

59

Ob und ggf. in welchem Umfang der Beklagte dem Kläger - wie bereits mit Schreiben vom 2. Dezember 2008 angekündigt - tatsächlich Freizeitausgleich unter Einhaltung der Vorgaben des § 12 Abs. 4 TV-Ärzte/VKA aF gewährt hat, wird zu klären sein.

60

d) Ein Anspruch auf eine Zulage wegen ständiger Wechselschichtarbeit nach § 11 Abs. 4 Satz 1 TV-Ärzte/VKA dürfte schon deshalb nicht bestehen, weil der Kläger keine Wechselschichtarbeit im Tarifsinn leistet. Die Unterbrechung der Arbeitszeit durch Bereitschaftsdienste steht dem entgegen (st. Rspr., zuletzt zB BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 255/10 - [zu vergleichbaren Bestimmungen des TVöD]).

61

III. Der Senat macht von der Möglichkeit der Zurückverweisung an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts Gebrauch (§ 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Fieback    

        

    Rigo Züfle    

                 

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 70/11
vom
26. Juli 2012
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Rechtsanwalt, der unter Angabe seiner Berufsbezeichnung einen bestimmenden
Schriftsatz für einen anderen Rechtsanwalt unterzeichnet, übernimmt
mit seiner Unterschrift auch dann die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes
, wenn vermerkt ist, dass der andere Anwalt "nach Diktat außer Haus" ist.
BGH, Beschluss vom 26. Juli 2012 - III ZB 70/11 - AG Dortmund
LG Dortmund
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juli 2012 durch den
Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter Dr. Herrmann, Wöstmann, Hucke
und Dr. Remmert

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 6. Oktober 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 1.372,39 €

Gründe:


I.


1
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten wegen behaupteter entgeltlicher Arbeitnehmerüberlassung Zahlung von 1.372,39 € nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 18. März 2011, das dem als Einzelanwalt tätigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 8. April 2011 zugestellt worden ist, abgewiesen. Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 9. Mai 2011 (einem Montag) Berufung eingelegt. Innerhalb verlängerter Frist ist am 7. Juli 2011 ein das Rechtsmittel begründender Schriftsatz per Fax bei dem Berufungsgericht eingegangen. Er weist ebenso wie das am 11. Juli 2011 eingegangene Original auf der ersten Seite im Kopf (nur) den die Klägerin vertretenden Rechtsanwalt V. aus; am Ende dieses Schriftsatzes finden sich maschinenschriftlich dessen Vor- und Nachname sowie die Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt", seine Unterschrift fehlt; darunter ist "nach Diktat außer Haus" hinzugefügt, es folgt ein handschriftlicher Schriftzug, unter der "Rechtsanwältin" gedruckt ist.
2
Nach Hinweis des Beklagten, dass die Berufungsbegründung nicht ordnungsgemäß unterzeichnet und deshalb die Berufung als unzulässig zu verwerfen sei, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erläutert, dass die Berufungsbegründung von der Rechtsanwältin E. B. unterzeichnet worden sei, wie dies auch ein Vergleich mit der unter ihren - in Kopie beigefügten - Personalausweis geleisteten Unterschrift belege.
3
Im Anschluss an einen darauf erfolgten gerichtlichen Hinweis und einer dazu ergangenen Stellungnahme des Vertreters der Klägerin hat das Berufungsgericht das Rechtsmittel mit Beschluss vom 6. Oktober 2011 als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass weder auf dem Fax noch auf dem Original der Berufungsbegründung eine ordnungsgemäße Unterschrift vorhanden gewesen sei. Es sei nicht ausreichend, dass der Schriftsatz von einem zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet und dessen Identität feststellbar sei. Weder aus der Berufungsbegründung noch aus dem sonstigen Akteninhalt habe sich ergeben, wer die Berufungsbegründung unterschrieben habe. Der Briefkopf des Schriftsatzes habe allein Rechtsanwalt V. ausgewiesen , ein Namensstempel der Rechtsanwältin B. sei nicht angebracht ge- wesen und ihre Identität habe sich bei Ablauf der Berufungsbegründungsfrist auch sonst nicht ergeben.
4
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.


5
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die Verwerfung der Berufung als unzulässig, weil es an einer ordnungsgemäß begründeten Berufung fehle, verletzt die Klägerin in ihren Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) sowie auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
6
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers nach § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO Wirksamkeitsvoraussetzung für eine rechtzeitige Berufungsbegründung. Damit soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglicht und dessen unbedingter Wille zum Ausdruck gebracht werden, den Schriftsatz zu verantworten und bei Gericht einzureichen. Für den Anwaltsprozess bedeutet dies, dass die Berufungsbegründung von einem dazu bevollmächtigten und bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfasst, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein muss (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Juni 2005 - V ZB 45/04, NJW 2005, 2709; vom 22. November 2005 - VI ZB 75/04, VersR 2006, 387, 388; vom 17. November 2009 - XI ZB 6/09, NJW-RR 2010, 358 Rn. 12 sowie vom 26. Oktober 2011 - IV ZB 9/11, BeckRS 2011, 26453 Rn. 6; jeweils mwN). Entsprechendes gilt, wenn, wie hier, die Berufungsbegründung in zulässiger Weise per Telefax übermittelt wird; in diesem Falle muss es sich bei der Kopiervorlage um den eigenhändig unterschriebenen Originalschriftsatz handeln (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2005, aaO).
7
2. An diesen Grundsätzen gemessen ist vorliegend eine formgerechte Berufungsbegründung eingereicht worden.
8
a) Der entsprechende Schriftsatz ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung mit einem individuellen, nicht nur als Handzeichen oder Paraphe anzusehenden, sondern den Anforderungen an eine Unterschrift genügenden handschriftlichen Schriftzug unterzeichnet (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 26. Februar 1997 - XII ZB 17/97, FamRZ 1997, 737; vom 27. September 2005 - VIII ZB 105/04, NJW 2005, 3775; vom 17. November 2009, aaO; vom 9. Februar 2010 - VIII ZB 67/09, BeckRS 2010, 04929 Rn. 10 sowie vom 16. September 2010 - IX ZB 13/10, NZI 2011, 59, 60).
9
b) Darüber hinaus hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin belegt, dass dieser Schriftzug von Rechtsanwältin B. herrührt, bei der es sich um eine bei dem Berufungsgericht - einem Landgericht - postulationsfähige Rechtsanwältin handelt. Zwar ist dies erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erläutert worden, so dass für das Berufungsgericht bis dahin nicht erkennbar war, welche Rechtsanwältin unterschrieben hat. Darauf kommt es jedoch nicht maßgeblich an.
10
Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist für die Prüfung der Frage, ob die Identität und die Postulationsfähigkeit des Unterzeichners eines derartigen Schriftsatzes feststeht beziehungsweise erkennbar ist, nicht auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist, sondern auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung abzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2012 - VII ZB 83/10, MDR 2012, 796 Rn. 11).
11
Die vollständige Namensnennung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin am Ende des Schriftsatzes im Zusammenhang mit dem Zusatz "nach Diktat außer Haus" macht deutlich, dass die Berufungsbegründung von diesem Rechtsanwalt erstellt, aber wegen Ortsabwesenheit nicht selbst unterschrieben werden konnte. Auch wenn ein ausdrücklicher Zusatz, "für" diesen tätig zu werden , fehlt, lässt sich hier der Unterzeichnung durch eine Rechtsanwältin, wovon das Berufungsgericht aufgrund der angegebenen Berufsbezeichnung ausgehen konnte, gleichwohl entnehmen, dass sie an seiner Stelle die Unterschrift leisten und damit als Unterbevollmächtigte in Wahrnehmung des Mandats der Klägerin auftreten wollte. Damit hat sie zu erkennen gegeben, dass sie zugleich die Verantwortung für den Inhalt der Berufungsbegründung übernehmen wollte. Anhaltspunkte , die dem entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Für einen Rechtsanwalt versteht es sich im Zweifel von selbst, mit seiner Unterschrift auch eine entsprechende Verantwortung für einen bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2003 - II ZR 192/02, NJW 2003, 2028) und nicht lediglich als Erklärungsbote tätig zu werden (vgl. für den Zusatz "i.A." Beschluss vom 5. November 1987 - V ZR 139/87, NJW 1988, 210 und Senatsbeschluss vom 27. Mai 1993 - III ZB 9/93, NJW 1993, 2056, 2057).
12
3. Ist danach die Unterschrift unter die Berufungsbegründung in diesem Sinne von Rechtsanwältin B. geleistet worden, durfte die Berufung nicht als unzulässig verworfen werden. Die Klägerin hat vielmehr ihre Berufung rechtzeitig und formgerecht begründet, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen war (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Schlick Herrmann Wöstmann
Hucke Remmert
Vorinstanzen:
AG Dortmund, Entscheidung vom 14.02.2011 - 426 C 7010/09 -
LG Dortmund, Entscheidung vom 06.10.2011 - 1 S 162/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 9/11
vom
26. Oktober 2011
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Richter
Wendt, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski,
Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 26. Oktober 2011

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 18. März 2011 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Gegenstandswert: 100.000 €

Gründe:


1
I. Das Landgericht hat die auf Rückzahlung eines Darlehens über 100.000 € gerichtete Klage abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt. Der Berufungsschriftsatz ist unterzeichnet durch den im Briefkopf allein aufgeführten Rechtsanwalt L. L. . Die innerhalb verlängerter Frist eingegangene Berufungsbegründung enthält auf der letzten Seite über dem maschinenschriftlichen Zusatz "Rechtsanwalt" eine nicht leserliche Unterschrift, die augenscheinlich von den Unterschriften abweicht, mit denen Rechtsanwalt L. seine bisherigen Schriftsätze unterschrieben hat.
2
Auf den Hinweis des Berufungsgerichts, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestünden, hat die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 2. März 2011 erklärt, die Berufungsbegründung sei in Untervollmacht durch Frau Rechtsanwältin Y. G. unterzeichnet worden. Rechtsanwalt L. sei wegen einer plötzlichen Erkrankung an einer Unterschrift verhindert gewesen. Ferner hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Mit weiterem Schriftsatz vom 9. März 2011 hat die Klägerin zwei eidesstattliche Versicherungen von Rechtsanwalt L. und Rechtsanwältin G. eingereicht. Aus der eidesstattlichen Versicherung von Rechtsanwältin G. ergibt sich, dass sie seit dem 10. Januar 2011 in der Kanzlei L. als Rechtsanwältin angestellt ist und seit Juli 2010 ihre Zulassung besitzt. Wegen der akuten Erkrankung des Kanzleiinhabers habe sie die Berufungsbegründungsschrift mit ihrem Namen unterzeichnet. Hiergegen habe sie keine Bedenken gehabt, weil sie die Berufungsbegründungsschrift im Wesentlichen selbst erstellt habe.
3
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und zugleich die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Klägerin.
4
II. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig , da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht.
5
1. Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen, ohne damit Verfahrensgrundrechte der Klägerinzu verletzen.
6
a) Die hier maßgeblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich bereits geklärt. Gemäß § 130 Nr. 6 ZPO i.V.m. § 520 Abs. 5 ZPO muss die Berufungsbegründung von einem zur Vertretung bei dem Berufungsgericht berechtigten Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben sein. Die Unterschrift soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Zugleich soll sichergestellt werden, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet wird (BGH, Beschluss vom 22. November 2005 - VI ZB 75/04, VersR 2006, 387 Rn. 5; Urteil vom 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04, VersR 2006, 427 unter B II 1 a; Beschlüsse vom 15. Juni 2004 - VI ZB 9/04, VersR 2005, 136 unter 1; vom 28. August 2003 - I ZB 1/03, MDR 2004, 349, 350; Urteil vom 31. März 2003 - II ZR 192/02, VersR 2004, 487 unter II 1). Die Berufungsbegründung muss hierbei von einem dazu bevollmächtigten und bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfasst, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein (BGH, Beschlüsse vom 23. Juni 2005 - V ZB 45/04, NJW 2005, 2709 unter III 2 a bb; vom 31. März 2003 aaO). Nur in Ausnahmefällen kann auf eine Unterschrift verzichtet werden, wenn sich aus den sonstigen Umständen zweifelsfrei ergibt, dass der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelschrift übernommen hat (BGH, Beschlüsse vom 22. November 2005 und 15. Juni 2004, jeweils aaO). Zu berücksichtigen sind hierbei nur dem Berufungsgericht spätestens bis zum Ablauf der Beru- fungsbegründungsfrist bekannt gewordene Umstände (BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 aaO unter B II 1 d cc).
7
b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es hat auch im konkreten Fall die Anforderungen an eine wirksame Unterschrift nicht in einer Art und Weise überspannt, die das Verfahrensgrundrecht der Klägerin auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2009 - XI ZB 6/09, NJW-RR 2010, 358 Rn. 13).
8
aa) Für das Berufungsgericht war schon nicht erkennbar, ob die Berufungsbegründung von einem beim Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet worden ist, weil sich dies weder dem Schriftzug unter der Berufungsbegründung noch anderen Umständen entnehmen ließ (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 22. November 2005 aaO Rn. 7). Unter der handschriftlichen Unterschrift findet sich maschinenschriftlich lediglich der Zusatz "Rechtsanwalt", ohne dass durch weitere Erläuterung klargestellt war, um welche Rechtsanwältin oder welchen Rechtsanwalt es sich handeln soll. Die über der Bezeichnung "Rechtsanwalt" befindliche handschriftliche Unterschrift ist nicht geeignet, einen bestimmten Aussteller zu identifizieren. Aus einem Vergleich mit den bisher durch Rechtsanwalt L. unterzeichneten Schriftsätzen wird im Gegenteil deutlich, dass es sich nicht um seine Unterschrift handelt. Eine konkrete Bezugnahme auf einen anderen Rechtsanwalt ist durch die Berufungsbegründung auch sonst nicht möglich, da diese auf der ersten Seite lediglich Rechtsanwalt L. L. ausweist.
9
Aus den verwendeten Diktatzeichen kann - entgegen der Annahme der Beschwerde - ebenfalls nicht geschlossen werden, dass die Berufungsbegründung durch einen dazu berechtigten Rechtsanwalt unterzeichnet worden ist. Abgesehen davon, dass die Berufungsbegründung kein reines Diktat-, sondern eher ein Aktenzeichen enthält, konnte das Berufungsgericht aus dem Kürzel "00236/10 YG/rp" nicht erkennen, dass sich hinter dem Kürzel "YG" ein postulationsfähiger Rechtsanwalt befindet. Das Berufungsgericht war ohnehin nicht verpflichtet, das hier verwendete Aktenzeichen mit den in früheren Schriftsätzen enthaltenen Aktenzeichen zu vergleichen, um hieraus irgendwelche Schlüsse auf den unterzeichnenden Rechtsanwalt zu ziehen. Hinzu kommt, dass auch in den früheren durch Rechtsanwalt L. unterschriebenen Schriftsätzen keinesfalls durchgängig ein einheitliches Diktat-/Aktenzeichen verwendet wurde (vgl. Berufungsschrift vom 29. November 2010 sowie Fristverlängerungsanträge vom 20. Dezember 2010 und 31. Januar

2011).


10
Soweit die Klägerin geltend macht, Rechtsanwältin G. habe in Untervollmacht für Rechtsanwalt L. gehandelt, lässt sich das dem Schriftsatz und der Unterschrift nicht entnehmen. Der in derartigen Fällen übliche Zusatz "für Rechtsanwalt …" fehlt hier (vgl. zur Unterschriftsleistung durch einen Unterbevollmächtigten BGH, Urteile vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 398/04, NJW 2005, 3773 unter II 2 b; vom 31. März 2003 aaO unter II 2). Es kann gerade nicht ausgeschlossen werden, dass die Unterzeichnung durch einen sonstigen Mitarbeiter erfolgt ist. Im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist war es mithin nicht möglich, die Unterschrift konkret einem beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt zuzuordnen. Erst wenn überhaupt eine Art von Identifizierung der die Unterschrift leistenden Person möglich ist, kann eine Überprüfung der Postulationsfähigkeit des Unterzeichnenden erfolgen. Durch die nachträgliche Vorlage der Untervollmacht, der eidesstattlichen Versicherungen sowie der Zulassungsurkunde von Rechtsanwältin G. kann dieser Mangel nicht mehr beseitigt werden, da es sich um Umstände handelt, die dem Berufungsgericht erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zur Kenntnis gebracht wurden.
11
bb) Soweit die Rechtsprechung das Fehlen einer Unterschrift bei Vorliegen besonderer Umstände ausnahmsweise als unschädlich angesehen hat, folgt daraus nicht, dass bei der hier von einer Rechtsanwältin unterschriebenen Berufungsbegründung die erforderliche Form erst recht als gewahrt angesehen werden müsse. Die Unterzeichnung ist nur dann als entbehrlich anzusehen, wenn sich aus den sonstigen Umständen zweifelsfrei ergibt, dass der Rechtsanwalt die Verantwortung für den Inhalt eines fristwahrenden Schriftsatzes übernommen hat. Dies ist etwa anzunehmen, wenn der Mangel der Unterschrift in dem als Urschrift der Berufung gedachten Schriftsatz durch die gleichzeitig eingereichte beglaubigte Abschrift dieses Schriftsatzes behoben wird (BGH, Beschluss vom 3. Mai 1957 - VIII ZB 7/57, BGHZ 24, 179, 180). Ebenso liegt es, wenn die nicht unterschriebene Rechtsmittelbegründungsschrift durch den Rechtsanwalt mit einem von ihm unterzeichneten und mit der Rechtsmittelbegründung fest verbundenen Begleitschreiben eingereicht wird (BGH, Beschlüsse vom 20. März 1986 - VII ZB 21/85, BGHZ 97, 251, 254; ferner vom 28. August 2003 aaO für eine per Computerfax eingelegte Beschwerde). Hier stand es dagegen bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist mangels Vorliegens sonstiger Umstände gerade nicht fest, dass die Berufungsbegründung zweifelsfrei durch einen beim Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet worden war.

12
2. Auch hinsichtlich der Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages ist die Rechtsbeschwerde nicht zulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Namentlich erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht.
13
a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dient in besonderer Weise dazu, die Rechtsschutzgarantie und das rechtliche Gehör zu gewährleisten. Die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gebieten es, den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 12. Januar 2011 - IV ZB 14/10, juris Rn. 5; BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 227 f.).
14
b) Gegen diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht verstoßen.
15
Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist einer Partei zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann danach nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen die Möglichkeit offen bleibt, dass die Fristversäumung von der Partei bzw. ihrem Prozessbe- vollmächtigten verschuldet war (BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 aaO unter II 2).
16
aa) Für das eigene Verschulden von Rechtsanwalt L. als Prozessbevollmächtigtem der Klägerin kommt es nicht darauf an, ob er am 7. Februar 2011 wegen einer plötzlichen und schmerzhaften Erkrankung nicht mehr in der Lage war, noch irgendwelche Handlungen vorzunehmen. Vielmehr hat ein Rechtsanwalt allgemeine Vorkehrungen dafür zu treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt. Er muss seinem Personal die notwendigen allgemeinen Anweisungen für einen solchen Fall geben (BGH, Beschluss vom 18. September 2008 - V ZB 32/08, VersR 2009, 1684 Rn. 9). Hier fehlt es an jedem Vortrag der Klägerin dazu, welche Vorkehrungen ihr Prozessbevollmächtigter für den Fall getroffen hat, dass er unvorhergesehen ausfällt und an der Unterzeichnung eines fristwahrenden Schriftsatzes gehindert ist. Es ist nicht ersichtlich, welche Maßnahmen er getroffen hat, um sicherzustellen, dass fristwahrende Schriftsätze durch Rechtsanwältin G. in einer Weise unterzeichnet werden, die sie als beim Berufungsgericht zugelassene Rechtsanwältin ausweisen.
17
bb) Schließlich muss die Klägerin sich auch das Verschulden von Rechtsanwältin G. zurechnen lassen. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin und der eidesstattlichen Versicherung von Rechtsanwältin G. ist letztere als Unterbevollmächtigte für den Prozessbevollmächtigten der Klägerin tätig geworden. Bedient sich der Prozessbevollmächtigte einer Partei bei der Bearbeitung eines Rechtsstreits eines angestellten Rechtsanwalts, so muss die Partei sich dessen Verschulden wie eigenes zurechnen lassen, wenn ihm der Rechtsstreit von dem Pro- zessbevollmächtigten zur selbständigen Bearbeitung übergeben worden ist (BGH, Beschlüsse vom 9. Juni 2004 - VIII ZR 86/04, VersR 2005, 810, 811; vom 1. April 1992 - XII ZB 21/92, VersR 1992, 1421 unter 1). Denn in diesem Fall gilt der angestellte Rechtsanwalt als Vertreter des Prozessbevollmächtigten und der Partei selbst. Hier hat Rechtsanwältin G. nicht nur untergeordnete Tätigkeiten vorgenommen, sondern den Inhalt der Berufungsbegründung im Wesentlichen selbst erstellt. Sie hat bei der Unterzeichnung der Berufungsbegründung schuldhaft gehandelt , da sie nicht dafür gesorgt hat, dass aus dem Schriftsatz die Unterzeichnung durch eine dazu bevollmächtigte und beim Berufungsgericht zugelassene Rechtsanwältin ersichtlich wird.
Wendt Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 05.08.2010 - 10 O 17519/08 -
OLG München, Entscheidung vom 18.03.2011- 19 U 5126/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 6/09
vom
17. November 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Über die Identifizierbarkeit des Verfassers einer Berufungsbegründungsschrift
ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller dem Berufungsgericht bei Ablauf
der Begründungsfrist zur Verfügung stehenden Umstände zu entscheiden.
BGH, Beschluss vom 17. November 2009 - XI ZB 6/09 - OLG München
LG München I
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Wiechers und die Richter Dr. Joeres, Dr. Ellenberger, Maihold und Dr. Matthias
am 17. November 2009

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 30. Januar 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 186.070,87 €.

Gründe:


I.


1
Der Kläger nimmt die beklagte Bank auf Rückabwicklung eines Darlehens zur Finanzierung des Erwerbs einer Eigentumswohnung in Anspruch. Sein Prozessbevollmächtigter hat gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts fristgerecht Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsschrift ist am letzten Tag der mehrfach verlängerten Begründungsfrist um 16.38 Uhr mittels Telefax beim Berufungsgericht eingegangen. Im Briefkopf dieses Schriftsatzes werden die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte K. K. , U. H. , B. L. , N. G. , M. Gö. und Ma. H. aufgeführt. Am Ende des Schriftsatzes befindet sich die maschinenschriftliche Angabe : "K. K. Rechtsanwalt". Daneben ist der Stempelaufdruck: "für den an der Unterschrift verhinderten Kollegen" angebracht. Darüber befindet sich ein Schriftzug, der aus einer mehrfach auf- und absteigenden Linie, einem darauf folgenden Punkt und einer anschließenden, ebenfalls auf- und absteigenden und dann waagerecht auslaufenden Linie besteht. Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts, dass Bedenken gegen die ordnungsgemäße Unterzeichnung der Berufungsbegründungsschrift bestünden, weil der Unterzeichner nicht zweifelsfrei identifizierbar sei, hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
2
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 30. Januar 2009 hat das Berufungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.


3
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
4
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2, § 575 ZPO). Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Verfahrensgrundrechts des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) beruht (vgl. BGHZ 154, 288, 296; 159, 135, 139 f. zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat aus den im Folgenden dargelegten Gründen überspannte Anforderungen an die Unterschrift des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers unter der Berufungsbegründungsschrift gestellt.
5
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
6
a) Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
7
Die Berufung sei nicht frist- und formgemäß begründet worden, weil die innerhalb der Begründungsfrist eingegangene Begründungsschrift nicht ordnungsgemäß unterzeichnet worden sei. Ihr Aussteller könne nicht zweifelsfrei identifiziert werden. Da der Briefkopf der Prozessbevollmächtigten des Klägers sechs Rechtsanwälte aufführe, habe sich im Zeitpunkt des Ablaufs der Begründungsfrist weder aus der Berufungsbegründungsschrift selbst noch aus dem Akteninhalt ergeben, welcher Rechtsanwalt die Berufungsbegründungsschrift unterzeichnet habe. Das auf der ersten Seite der Berufungsbegründung angeführte Zeichen "… " besage nichts über die Urheberschaft. Es sei schon nicht als Diktatzeichen erkennbar, sondern könne ebenso gut ein Registerzeichen sein. Außerdem lege der am Ende des Schriftsatzes angebrachte Stempel "für den an der Unterschrift verhinderten Kollegen" es nahe, dass ein zuvor mit der Sache nicht befasster Rechtsanwalt den Schriftsatz nur vertretungsweise gezeichnet habe.

8
Aus dem Schriftzug über dem Stempel ergebe sich die Autorenschaft ebenfalls nicht. Der Buchstabe vor dem Punkt könne ein M, aber auch ein U oder N sein. Der Schriftzug nach dem Punkt scheine mit einem U zu beginnen. Ein H scheine es eher nicht zu sein. Aber selbst in diesem Falle komme auch Rechtsanwältin U. H. als Urheberin in Betracht.
9
Da die Autorenschaft völlig offen sei, komme es nicht darauf an, ob im Übrigen eine gewollte Namensabkürzung oder eine formgültige Unterschrift vorliege. Letzteres könne aber bejaht werden.
10
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unbegründet, weil die Versäumung der Begründungsfrist auf einem dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruhe. Dieser hätte seine Autorenschaft durch einen Namensstempel unzweifelhaft offen legen können. Da die Berufungsbegründungsschrift erst am letzten Tag der Frist zum Dienstschluss eingereicht worden sei, sei ein gerichtlicher Hinweis auf die Mängel der Unterschrift vor Fristablauf nicht mehr möglich gewesen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Er habe kein Verfahren benannt, in dem in der Vergangenheit eine derartige Berufungsbegründung ungerügt hingenommen worden sei. Im Übrigen mache er lediglich geltend, dass er bislang alle Schriftsätze so oder ähnlich wie die Berufungsbegründungsschrift im vorliegenden Verfahren unterzeichnet habe. Dies beziehe sich aber nicht darauf, dass er alle Schriftsätze anonym ohne Offenlegung seiner Autorenschaft unterschrieben habe.
11
b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht Stand.
12
aa) Die Unterschrift ist allerdings gemäß § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO grundsätzlich Wirksamkeitserfordernis einer Berufungsbegründungsschrift. Sie soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen (BVerfG, NJW 2007, 3117) und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (BGH, Beschluss vom 10. März 2009 - VIII ZB 55/06, NJW-RR 2009, 933, Tz. 7; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 130 Rn. 29, jeweils m.w.N.). Eine Unterschrift setzt einen die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzug voraus, der individuelle , charakteristische Merkmale, die die Nachahmung erschweren, aufweist, der sich, ohne lesbar sein zu müssen, als Wiedergabe eines Namens darstellt und der die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lässt, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist. Unter diesen Voraussetzungen kann selbst ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug als Unterschrift anzuerkennen sein, wobei insbesondere von Bedeutung ist, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt. Dabei ist in Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen, jedenfalls bei gesicherter Urheberschaft ein großzügiger Maßstab anzulegen (Senat, Urteil vom 23. September 2008 - XI ZR 253/07, WM 2008, 2158, Tz. 11 m.w.N.).
13
Die Prüfung, ob eine Unterzeichnung die an eine Unterschrift zu stellenden Anforderungen erfüllt, hat der Bundesgerichtshof von Amts wegen ohne Bindung an die Ausführungen des Berufungsgerichts vorzunehmen (BGH, Urteil vom 24. Juli 2001 - VIII ZR 58/01, WM 2001, 1866, 1867). Dabei ist zu berücksichtigen , dass bei der Auslegung und Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften keine überspannten Anforderungen gestellt werden und der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutba- rer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf (BVerfG, NJW 2002, 3534).
14
bb) Gemessen hieran hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Identifizierbarkeit des Urhebers der Berufungsbegründungsschrift überspannt. Entgegen seiner Auffassung steht fest, dass dieser Schriftsatz von Rechtsanwalt Ma. H. unterschrieben worden ist.
15
Aus dem unter der Unterschrift aufgebrachten Stempelaufdruck "für den an der Unterschrift verhinderten Kollegen" geht, wie auch das Berufungsgericht angenommen hat, hervor, dass anstelle von Rechtsanwalt K. eine(r) der anderen fünf, im Briefkopf des Schriftsatzes genannten Rechtsanwältinnen bzw. Rechtsanwälte unterschrieben hat. Für eine Unterzeichnung durch eine nicht der Sozietät angehörige Person oder eine Fälschung der Unterschrift fehlt jeder Anhaltspunkt.
16
für Ob eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung die Feststellung ausreicht, dass die Begründungsschrift von einem von mehreren beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwälten unterzeichnet worden ist, ohne dass erkennbar ist, welcher dieser Rechtsanwälte unterschrieben hat (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 22. November 2005 - VI ZB 75/04, VersR 2006, 387, Tz. 6 f.), bedarf keiner Entscheidung. Es kann nämlich mit ausreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass Rechtsanwalt Ma. H. die Berufungsbegründungsschrift unterschrieben hat.
17
Die über dem Stempelaufdruck befindlichen Schriftzüge sollen, wie das Berufungsgericht ebenfalls zu Recht angenommen hat, den Anfangsbuchstaben des Vornamens, einen Punkt und den Nachnamen darstellen. Der Nach- name ist zwar nicht lesbar. Die auf- und abführende Linie, mit der dieser Teil des Schriftzuges beginnt, kann aber jedenfalls kein L und kein G sein, so dass von den Namen der sechs, im Briefkopf des Schriftsatzes genannten Rechtsanwälte nur der Nachname H. in Betracht kommt. Die den Anfangsbuchstaben des Vornamens darstellende Linie führt zweimal auf- und jeweils anschließend abwärts. Dass der Ab- und Aufstrich in der Mitte deutlich kürzer als die außenstehenden Auf- bzw. Abstriche ist, zeigt mit hinreichender Deutlichkeit , dass es sich um ein M handelt. Hinzu kommt, dass die auf der ersten Seite der Berufungsbegründung unter dem Datum angegebenen Buchstaben KK-MH nur den Rechtsanwälten K. K. und Ma. H. zugeordnet werden können. Aufgrund der gebotenen Gesamtwürdigung dieses Zeichens und des Schriftzuges über dem Stempelaufdruck am Ende des Schriftsatzes konnte im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass Rechtsanwalt Ma. H. die Berufungsbegründungsschrift unterschrieben hat.
18
Da auch die übrigen Anforderungen an eine wirksame Unterschrift, wie das Berufungsgericht zu Recht nicht in Zweifel zieht, erfüllt sind, ist die Berufung frist- und ordnungsgemäß begründet worden und somit zulässig. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist daher nicht zu entscheiden.

III.


19
Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Wiechers Joeres Ellenberger Maihold Matthias
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 03.07.2008 - 22 O 23033/07 -
OLG München, Entscheidung vom 30.01.2009 - 19 U 4014/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 45/04
vom
23. Juni 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein mittels Blankounterschrift des Rechtsanwalts weisungsgemäß erstellter
bestimmender Schriftsatz erfüllt die gesetzlichen Formerfordernisse nur, wenn
der Anwalt den Inhalt des Schriftsatzes so genau festgelegt hat, daß er dessen
eigenverantwortliche Prüfung bestätigen kann. An einer solchen Festlegung
fehlt es, wenn der Entwurf einer Berufungsbegründung nach stichwortartig
fixierten Vorgaben des Anwalts durch einen Referendar inhaltlich überarbeitet
wird, ohne daß der Anwalt die endgültige Fassung der Berufungsbegründung
kennt.
BGH, Beschl. v. 23. Juni 2005 - V ZB 45/04 - LG Baden-Baden
AG Rastatt
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 23. Juni 2005 durch die
Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Lemke, die Richterin Dr. Stresemann
und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Baden-Baden vom 1. Oktober 2004 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 3.730 €

Gründe:


I.


Die Beklagten legten gegen ein Urteil des Amtsgerichts rechtzeitig Berufung ein; die Begründungsfrist lief am 9. Juni 2004 ab. In der Nacht vom 9. auf den 10. Juni 2004 ging die Berufungsbegründung per Telefax bei dem zuständigen Landgericht ein. Der Empfangsvorgang begann um 23.58 Uhr und dauerte zwei Minuten und zwanzig Sekunden. Die ersten fünf Seiten des Schriftsatzes wurden vor Mitternacht übertragen, die weiteren drei Seiten, darunter diejenige mit der Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten, erst danach.

Die Beklagten haben Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und dazu ausgeführt:
Die von einem Referendar entworfene Berufungsbegründung sei von ihrem Prozeßbevollmächtigten am Abend des 9. Juni 2004 durchgesehen und mit dem Referendar besprochen worden. Der Entwurf habe danach an einigen Stellen ergänzt und rechtlich überarbeitet werden sollen. Der Referendar sei beauftragt worden, die handschriftlich und stichwortartig fixierten Korrekturen vorzunehmen und den endgültigen Schriftsatz am Computer selbst fertigzustellen. Gegen 21 Uhr habe ihr Prozeßbevollmächtigter die Kanzlei verlassen müssen. Er habe die noch nicht fertiggestellte Berufungsbegründung unterschrieben und den Referendar angewiesen, den Schriftsatz ergänzt um die noch ausstehenden Änderungen dem Landgericht per Fax zu übermitteln. Um 23.25 Uhr habe der Prozeßbevollmächtigte in der Kanzlei angerufen und festgestellt , daß die Berufungsbegründung noch nicht abgeschickt worden sei. Er habe den Referendar angewiesen, dies nun schnellstmöglich zu tun. Diesem sei es nach Beendigung seiner Arbeit gegen 23.40 Uhr wegen Schwierigkeiten mit der Druckersoftware erst nach weiteren zehn Minuten gelungen, den Schriftsatz auszudrucken. In der Eile habe er dann versehentlich die Nummer des Amtsgerichts angewählt. Er habe dies unmittelbar nach Einleitung des Sendevorgangs bemerkt, den Schriftsatz erneut in das Faxgerät eingelegt und an das Landgericht geschickt, wo er allerdings erst 20 Sekunden nach Mitternacht vollständig eingegangen sei.
Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich
die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, hilfsweise unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, beantragen.

II.


Das Berufungsgericht meint, es könne offen bleiben, ob der verspätete Eingang der Berufungsbegründung auf einem Verschulden des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten beruhe. Die Begründungsschrift genüge schon nicht den gesetzlichen Formerfordernissen. Sie sei von dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vorab blanko unterzeichnet worden. Anschließend habe der Referendar den Entwurf in nicht unerheblichem Umfang eigenständig überarbeitet ; hierzu habe er diverse Fragen im Kommentar nachgeschlagen und noch einige Urteile herausgesucht. Mangels Kenntnis des genauen Inhalts der Berufungsbegründung habe der Prozeßbevollmächtigte mit seiner Unterschrift nicht die erforderliche volle Verantwortung für den Schriftsatz übernehmen können.

III.


1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch zulässig, weil die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO).
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.

a) Die Berufung der Beklagten ist von dem Berufungsgericht zu Recht als unzulässig verworfen worden (§ 522 Abs. 1 ZPO), weil ihre Berufungsbegründung den gesetzlichen Formvorschriften nicht genügt.
aa) Als bestimmender Schriftsatz muß die Berufungsbegründung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich von einem zur Vertretung bei dem Berufungsgericht berechtigten Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben sein (§§ 520 Abs. 5, 130 Nr. 6 ZPO; st. Rspr., vgl. BGHZ 37, 156; 92, 251, 254; 97, 251, 253; 101, 134, 137; BGH, Urt. v. 25. September 1979, VI ZR 79/79, NJW 1980, 291; Beschl. v. 15. Juni 2004, VI ZB 9/04, NJWRR 2004, 1364; Beschl. v. 23. November 2004, XI ZB 4/04, NJW-RR 2005, 435, 436). Dieses Erfordernis entfällt nicht dadurch, daß die Berufungsbegründung , wie hier, in zulässiger Weise per Telefax übermittelt wird. In diesem Fall genügt zwar die Wiedergabe der Unterschrift in Kopie, jedoch muß es sich bei der Kopiervorlage um den eigenhändig unterschriebenen Originalschriftsatz handeln (vgl. BGH, Beschl. v. 4. Mai 1994, XII ZB 21/94, NJW 1994, 2097; BVerwG, Buchholz 310 § 81 VwGO Nr. 16).
Anlaß zu einer Änderung dieser Rechtsprechung geben entg egen der Ansicht der Rechtsbeschwerde weder der Beschluß des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 (GmS-OGB 1/98, BGHZ 144, 160), welcher nur den Ausnahmefall der Übermittlung von Schriftsätzen per Computerfax betrifft, noch die Neufassung des § 130 Nr. 6 ZPO durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001 (BGBl. I S. 1542, 1543). Zum einen wird die Notwendigkeit einer - in Kopie wiederzugebenden - Unterschrift durch den neuen Wortlaut des § 130
Nr. 6 ZPO ausdrücklich bestätigt (vgl. BFH, BFH/NV 2002, 1597, 1599), zum anderen ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, daß der Gesetzgeber gerade nicht beabsichtigte, das Unterschriftserfordernis für Schriftsätze und die hierzu ergangene Rechtsprechung in Frage zu stellen (BT-Drucks. 14/4987, S. 23 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 10. Mai 2005, XI ZR 128/04, Umdruck S. 9).
bb) Die Unterzeichnung der Berufungsbegründung durch einen postulationsfähigen Rechtsanwalt stellt keine bloße Formalität dar. Sie ist zugleich äußerer Ausdruck für die von dem Gesetz geforderte eigenverantwortliche Prüfung des Inhalts der Begründungsschrift durch den Anwalt (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 29. Oktober 1997, VIII ZR 141/97, NJW-RR 1998, 574). Mit den Regelungen über den Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 ZPO) und über den notwendigen Inhalt einer Berufungsbegründung (§ 520 Abs. 3 ZPO) soll erreicht werden, daß ein mit dem Verfahren vertrauter Rechtsanwalt dem Gericht und dem Gegner den Sachverhalt unter bestimmter Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Anfechtungsgründe nach persönlicher Durcharbeitung des Prozeßstoffs vorträgt. Die Berufungsbegründung muß deshalb Ergebnis der geistigen Arbeit des Berufungsanwalts sein (st. Rspr., vgl. BGHZ 37, 156, 159 f; BGH, Urt. v. 13. Juli 1989, VII ZR 223/88, NJW 1989, 3022; Urt. v. 19. Oktober 1988, IVb ZR 5/88, NJW 1989, 394; Urt. v. 28. März 1969, I ZR 100/67, VersR 1969, 617; Beschl. v. 28. September 1962, IV ZB 313/62, VersR 1962, 1204; Beschl. v. 11. Dezember 1958, II ZB 18/58, LM § 519 ZPO Nr. 37). Zwar ist der Anwalt nicht gehindert, die Berufungsbegründung von anderen Personen, etwa - wie hier geschehen - von einem Referendar, vorbereiten zu lassen. Erforderlich ist aber, daß der unterzeichnende Anwalt die Berufungsbegründung selbständig prüft und aufgrund der Prüfung die volle Verantwortung für den Schriftsatz übernimmt (BGHZ 97, 251, 253 f.; BGH, Urt. v. 29. Oktober 1997, VIII ZR
141/97, NJW-RR 1998, 574; Urt. v. 19. Oktober 1988, IVb ZR 5/88, NJW 1989, 394 m.w.N.).
(1) Aus Gründen der Rechtssicherheit begnügt sich das Gesetz hinsichtlich dieser Anforderungen allerdings mit dem äußeren Merkmal der Unterschrift ohne einen darüber hinausgehenden Nachweis zu fordern, daß der Anwalt den Prozeßstoff eigenverantwortlich durchgearbeitet hat und die Verantwortung für dessen Inhalt tragen will. Für ein Berufungsgericht besteht deshalb in aller Regel kein Anlaß, den Inhalt einer anwaltlich unterschriebenen Berufungsbegründung darauf zu überprüfen, in welchem Umfang und wie gründlich der Anwalt den Prozeßstoff tatsächlich selbst durchgearbeitet hat (vgl. BGH, Urt. v. 29. Oktober 1997, VIII ZR 141/97, NJW-RR 1998, 574, 575; Urt. v. 13. Juli 1989, VII ZR 223/88, NJW 1989, 3022).
(2) Ausnahmen von diesem Grundsatz werden von der Rechtsprechung nur in zwei Konstellationen anerkannt, nämlich zum einen, wenn der Anwalt sich durch einen Zusatz von dem unterschriebenen Schriftsatz distanziert, und zum anderen, wenn nach den Umständen außer Zweifel steht, daß der Rechtsanwalt den Schriftsatz ohne eigene Prüfung, also unbesehen, unterschrieben hat (vgl. BGH, Urt. v. 29. Oktober 1997, VIII ZR 141/97, NJW-RR 1998, 574, 575; Urt. v. 19. Oktober 1988, IVb ZR 5/88, NJW 1989, 394, 395, Urt. v. 28. März 1969, I ZR 100/67, VersR 1969, 617; Beschl. v. 21. Mai 1954, IV ZB 28/54, JR 1954, 463; vgl. auch RGZ 65, 81, 84 f.).
Einen solchen Ausnahmefall hat das Berufungsgericht hier zu Recht angenommen. Nach seinen Feststellungen hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten nur den Entwurf der Berufungsbegründung - die Rechtsbeschwerde
spricht insoweit von einer „Rohfassung“ – unterschrieben und die Kanzlei verlassen. Der endgültige Inhalt des dem Berufungsgericht übermittelten Schriftsatzes war ihm folglich unbekannt. Das schließt die Annahme aus, er habe den Schriftsatz eigenverantwortlich geprüft.
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, daß die noch vorzunehmenden Änderungen mit dem Referendar besprochen und stichw ortartig fixiert worden waren und der Prozeßbevollmächtigte darauf vertraut haben mag, daß der ihm als zuverlässig bekannte Referendar die endgültige Fassung der Berufungsbegründung absprachegemäß erstellen würde. Selbst wenn der Anwalt bereit gewesen sein sollte, die volle Verantwortung für jeglichen Inhalt der von dem Referendar erstellten Berufungsbegründung zu übernehmen, konnte er mit seiner vorab geleisteten Unterschrift nicht die - nach Sinn und Zweck des Anwaltszwangs darüber hinaus erforderliche - Erklärung abgeben, den gesamten Inhalt des Schriftsatzes eigenverantwortlich geprüft zu haben.
(3) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. Dezember 1965 (VIII ZB 33/65, NJW 1966, 351), in der die von einer Kanzleiangestellten unter Verwendung einer Blankounterschrift des Berufungsanwalts erstellte Berufungsschrift als formgemäß angesehen worden ist, steht hierzu nicht in Widerspruch. Eine Prüfung des endgültigen Inhalts der Berufungsschrift durch den Anwalt ist dort ausnahmsweise für entbehrlich gehalten worden, weil er nach den Umständen davon ausgehen konnte, daß diese inhaltlich einer von ihm selbst verfaßten Berufungsschrift entsprechen würde.
Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, folgt aus dieser Entscheidung nicht, daß die für bestimmende Schriftsätze notwendige eigenhändi-
ge Unterschrift des Rechtsanwalts in jedem Fall durch eine vorab erteilte Blankounterschrift geschaffen werden kann (a.A. Kuchinke ZZP 80 (1967), 316 f.) oder jedenfalls dann, wenn die Blankounterschrift weisungsgemäß verwendet wird (vgl. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 130 Rdn. 21; MünchKommZPO /Peters, 2. Aufl., § 129 Rdn. 13; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 129 Rdn. 9). Im Hinblick auf die vom Gesetz geforderte eigenverantwortliche Prüfung des Schriftsatzes muß der Anwalt vielmehr den Inhalt des noch zu erstellenden Schriftsatzes so genau festgelegt haben, daß er dessen Prüfung bereits vorab bestätigen konnte. Die weisungsgemäße Verwendung einer Blankounterschrift ist demnach nur dort unbedenklich - und zwar allein in Bezug auf die Einhaltung der Formvorschriften, nicht dagegen auch im Hinblick auf die einem Anwalt obliegenden Sorgfaltspflichten (dazu BGH, Beschl. v. 29. April 1982, I ZB 2/82, VersR 1982, 769, 770; vgl. auch BGH, Beschl. v. 18. Oktober 1994, XI ZB 10/94, NJW 1995, 263) –, wo der Inhalt des Schriftsatzes durch die Weisung des Rechtsanwalts so genau bestimmt worden ist, daß eine fachkundige Bürokraft ihn ohne weitere Festlegungen sachlicher oder inhaltlicher Art erstellen kann. Das mag bei einem weitgehend formalisierten Text, wie er der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschl. v. 20. Dezember 1965, VIII ZB 33/65, aaO) zugrunde lag, im Einzelfall angenommen werden können. Bei Rechtsmittelbegründungen, bei denen es auf den sachlichen Gehalt der Ausführungen ankommt, wird eine solche Weisung indes kaum in Betracht kommen , weil der Anwalt ihre eigenverantwortliche Prüfung nur bestätigen kann, wenn er den Text im einzelnen kennt, also wortwörtlich vorgegeben hat (ähnlich BAG NJW 1983, 1447).
Eine solche Weisung ist vorliegend nicht erteilt worden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war der genaue Text der Berufungsbegrün-
dung noch offen, als der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten den Entwurf unterzeichnete; der Text ist ihm im Laufe des 9. Juni 2004 auch nicht mehr übermittelt worden. Auf die nachträgliche Billigung der Berufungsbegründung durch den Anwalt kommt es nicht an, denn sie vermag nicht darüber hinwegzuhelfen , daß bei Ablauf der Begründungsfrist - selbst wenn den Beklagten wegen der bei der Übermittlung des Schriftsatzes aufgetretenen zeitlichen Verzögerung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre - keine formwirksame Berufungsbegründung vorgelegen hat.

b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht ferner angenommen, daß der Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten unbegründet ist, weil es an einem Wiedereinsetzungsgrund fehlt. Die Formunwirksamkeit der Berufungsbegründung beruht auf einem vermeidbaren Rechtsirrtum des Berufungsanwalts und damit auf einem Verschulden, welches sich die Beklagten zurechnen lassen müssen (§ 85 Abs. 2 ZPO).

IV.


Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Klein Lemke Stresemann Czub

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 75/04
vom
10. Januar 2006
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2006 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen sowie
die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Beklagten vom 28. Dezember 2005 gegen den Senatsbeschluss vom 22. November 2005 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rügeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Gründe:

Die gemäß § 321 a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Gehörsrüge ist nicht begründet. Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der Senat hat bei seinem Beschluss vom 22. November 2005, mit dem er die Rechtsbeschwerde der Beklagten als unzulässig verworfen hat, das mit der Anhörungsrüge wiederholte Vorbringen der Beklagten in vollem Umfang geprüft und für
nicht durchgreifend erachtet. Die in der Anhörungsrüge angeführte Entscheidung des III. Zivilsenats vom 28. Juli 2005 - III ZB 56/05 (NJW 2005, 3415) betrifft eine andere Fallgestaltung und ist mit der hier zu beurteilenden nicht vergleichbar.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Frankenthal, Entscheidung vom 29.04.2004 - 4 O 388/03 -
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 17.11.2004 - 1 U 86/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR215/14
vom
2. Juli 2014
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. Juli 2014 gemäß § 349 Abs. 1
StPO beschlossen:
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 15. Januar 2014 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet.
2
1. Die vom Verteidiger unterzeichnete Revisionsbegründung lautet auszugsweise : „… wird unter Bezugnahme auf den Schriftsatz des Unterzeichners vom 20.01.2014 für den Beschuldigten die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt. Nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe beanstandet der Beschuldigte die durch das erkennende Gericht I. Instanz getroffenen Feststellungen insoweit, als dass er zum Zeitpunkt seiner Festnahme am Ende der Verfolgungsfahrt den Schlagstock in seiner hinteren Hosentasche mit sich geführt habe und im Übrigen zu keinem Zeitpunkt, entgegen den Ausführungen in den Urteilsgründen, den Schlagstock offen im Fahrzeug mit sich geführt habe. Weiterhin begegnen die Feststellungen des medizinischen Sachverständigen, Herrn Prof. Dr. E. , erheblichen Bedenken auf Seiten des Beschuldigten und dabei insbesondere im Hinblick auf die Feststellung des Sachverständigen, der Be- schuldigte leide an einer Psychose. Nach Auffassung des Beschuldigten liegen dieser Feststellung unzutreffende Arztberichte und fehlerhafte Wertungen des Sachverständigen zugrunde. Obwohl seitens des Unterzeichners ausführlich über das Rechtsmittel der Revision belehrt und informiert , verblieb der Beschuldigte bei der Auffassung, diese Ausführun- gen im Rahmen der Revision zu machen.“
3
2. Die Revision ist gemäß § 349 Abs. 1 StPO unzulässig, weil sie nicht den Formerfordernissen des § 345 Abs. 2 StPO entspricht. Danach muss eine Revisionsbegründung in einer von einem Verteidiger unterzeichneten Schrift erfolgen, die er grundsätzlich selbst zu verfassen, zumindest an ihr gestaltend mitzuwirken hat. Ferner darf kein Zweifel bestehen, dass der Rechtsanwalt die volle Verantwortung für den Inhalt der Schrift übernommen hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. Juni 2002 – 3 StR 151/02, NStZ-RR 2002, 309).
4
Solche Zweifel ergeben sich hier aus der Fassung der Revisionsbegrün- dung. Die sich an den Satz „… wird … für den Beschuldigtendie Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt“ anschließenden Formulierungen „beanstandet der Beschuldigte“ und „begegnen die Feststellungen … erheblichen Bedenken auf Seiten des Beschuldigten“ sowie „nach Auffassung des Beschul- digten liegen dieser Feststellung …“ belegen, dass der Verteidiger lediglich die vom Angeklagten stammenden Beanstandungen vorträgt und zusammenfasst, ohne selbst dafür die Verantwortung zu übernehmen. Diese Wortwahl in Verbindung mit der Wiedergabe der vom Beschuldigten stammenden Ausführungen in indirekter Rede deutet auf eine Distanzierung des Verteidigers hin, zumal dieser dem Revisionsbegründungsschriftsatz keine eigenen Begründungselemente hinzugefügt hat. Ergänzend kommt die Distanzierung des Verteidigers in seiner abschließenden Bemerkung zum Ausdruck, er habe seinen Mandanten ausführlich über das Rechtsmittel der Revision belehrt, der Beschuldigte habe aber darauf beharrt, die vorstehenden Ausführungen zu machen.
5
Auch der vorangestellten allgemeinen Sachrüge kann in diesem Zusammenhang keine eigenständige Bedeutung zugemessen werden. Da der Angeklagte lediglich durch die angeordnete Unterbringung beschwert sein kann, der Verteidiger sich jedoch in seinen nachfolgenden Ausführungen von der Ansicht des Beschuldigten, die Voraussetzungen einer Unterbringung im Sinne von § 63 StGB lägen nicht vor, distanziert, verbleibt kein Raum mehr für eine dar- über hinausgehende Sachrüge. Der Satz „… wird unter Bezugnahme … für den Beschuldigten die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt“ kann deshalb nur als zusammenfassender Einleitungssatz der vom Angeklagten stammenden Begründung, nicht aber als eigenständige, von der Revisionsbegründung des Angeklagten unabhängige Rechtsmittelbegründung des Verteidigers verstanden werden. Insgesamt bestehen deshalb durchgreifende Zweifel daran, dass der Verteidiger die volle Verantwortung für den Inhalt der Begründung übernommen hat; die Revisionsbegründungsschrift ist deshalb trotz Unterzeichnung durch den Verteidiger unwirksam.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 29. November 2012 - 5 Sa 405/11 - wird zurückgewiesen.

2. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 29. November 2012 - 5 Sa 405/11 - aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen, soweit das Landesarbeitsgericht über den Zahlungsantrag und über die Kosten des Rechtsstreits entschieden hat.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch über die Zulässigkeit der Anordnung von Bereitschaftsdiensten und über Vergütung für im Dezember 2008 geleistete Bereitschaftsdienste.

2

Der Kläger ist seit dem 1. September 1994 bei dem Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger als Oberarzt und Vertreter des Chefarztes in der Neurologischen Abteilung des Klinikums M beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet jedenfalls kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) vom 17. August 2006, zuletzt idF des ÄndTV Nr. 3 vom 18. Januar 2012, Anwendung. Seit 2001 ist der Kläger Teilzeitbeschäftigter mit 95,22 % der regelmäßigen Arbeitszeit; er erhält eine Vergütung nach Entgeltgruppe IV.

3

Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses bis Februar 2006 erbrachte der Kläger Rufbereitschaftsdienste (sog. Hintergrunddienst). Dabei kam es zum Streit zwischen den Parteien, ob es sich um Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienste handelte und wie diese Dienste zu vergüten sind. In diesem Zusammenhang legte der Beklagte mit Schreiben vom 23. Januar 2006 „aus haftungsrechtlichen Gründen … im Interesse unserer Patienten“ einen Zeitraum von 45 Minuten für die Zeit zwischen Information des Hintergrunddienstes und Aufnahme der Arbeit fest. Ein aus Sicht des Klägers untertarifliches Vergütungsangebot des Beklagten für diese Dienste lehnte der Kläger ab, ebenso - ua. unter Hinweis auf seine Teilzeitbeschäftigung - die weitere Ableistung von Rufbereitschaftsdiensten. Im Verfahren über eine daraufhin vom Beklagten ausgesprochene Änderungskündigung schlossen die Parteien am 7. August 2007 einen Teilvergleich, wonach der Kläger sich verpflichtete, im Rahmen betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeit auf Anweisung des Beklagten Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst, Überstunden und Mehrarbeit zu leisten.

4

Bis November 2008 erbrachte der Kläger seine regelmäßige Arbeit in der Zeit von 11:30 Uhr bis 20:00 Uhr; zur Rufbereitschaft war er nicht mehr eingeteilt worden. Mit Schreiben vom 31. Oktober 2008 ordnete der Chefarzt Dr. S zunächst verschiedene Rufbereitschaftsdienste für Dezember 2008 an. Nachdem der Kläger seine Wohnung in Frankfurt am Main als Aufenthaltsort angegeben hatte, ordnete der Beklagte mit Schreiben vom 2. Dezember 2008 stattdessen an mehreren Tagen Bereitschaftsdienst (sog. Vordergrunddienst) in unterschiedlicher Länge an. Dem Kläger wurde mitgeteilt, dass er während dieser Zeiten für die ärztliche Versorgung der Patienten in der Neurologie allein verantwortlich sei. Der Beklagte kündigte an, für diese Zeiten teilweise Freizeitausgleich an bestimmten Tagen zu gewähren. Eine Belastungsanalyse nach § 10 Abs. 2 und Abs. 3 TV-Ärzte/VKA wurde nicht durchgeführt.

5

Am 6., 14., 18., 25. und 29. Dezember 2008 leistete der Kläger Bereitschaftsdienst, ohne dass zugleich ein anderer Arzt in der Neurologie Bereitschaftsdienst hatte. Während der Bereitschaftsdienste fallen - soweit Arbeitsleistung zu erbringen ist - zu etwa 80 % assistenzärztliche Aufgaben und maximal zu etwa 20 % spezifisch fachärztliche Aufgaben an.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Zuweisung solcher Bereitschaftsdienste widerspreche seinem arbeitsvertraglichen Anspruch auf Beschäftigung als Oberarzt. Er sei nicht verpflichtet, während bestimmter Dienste weit überwiegend Assistenzarzttätigkeiten ohne jede oberärztliche Supervision zu verrichten. Er habe einen Anspruch, dass dies durch die zeitgleiche Anordnung von Bereitschaft gegenüber einem Assistenzarzt vermieden werde. Oberärzte würden bei dem Beklagten üblicherweise nur zu Hintergrunddiensten herangezogen; es seien immer mindestens zwei Ärzte zum Dienst eingeteilt. Die Anordnung des Bereitschaftsdienstes ihm gegenüber führe zu einem fehleranfälligen System und berge die Gefahr der Überarbeitung in sich. Er müsse sich selbst vertreten, eine geordnete fachärztliche Übergabe sei nicht möglich und ihm sei eine Flut von Einzelaufgaben zugewiesen, die ggf. parallel erledigt werden müssten. Es handele sich zudem um eine Maßregelung wegen seiner Ablehnung des Angebots des Beklagten zur Vergütungsänderung für die Rufbereitschaftsdienste.

7

Für Dezember 2008 habe er einen weiteren Vergütungsanspruch, da der Beklagte die Bereitschaftsdienste nicht arbeits- und tarifvertragskonform angeordnet habe. Der Beklagte habe schon keine betriebliche/dienstliche Notwendigkeit hierfür dargelegt; im Übrigen sei die Anordnung vertragswidrig, da im Wesentlichen Assistenzarzttätigkeiten verrichtet würden. Bestimmungen der Dienstvereinbarung „Rahmendienstplan“ vom 1. Januar 2003 seien nicht eingehalten worden, insbesondere habe der Dienstplan nicht rechtzeitig vorgelegen und habe nicht dem Rahmendienstplan entsprochen. Eine Arbeitszeitdauer von 10 Stunden sei ohne Erstellung einer Belastungsanalyse überschritten, das ArbZG nicht eingehalten worden. Der Beklagte könne nicht regelmäßige Arbeitszeit nach § 7 TV-Ärzte/VKA gegen faktorisierte Arbeitszeit aus Bereitschaftsdiensten aufrechnen. Er sei nicht zum Freizeitausgleich berechtigt gewesen und müsse alle im Dezember 2008 geleisteten Bereitschaftsdienste in Geld vergüten. Darüber hinaus habe der Beklagte einen tarifkonformen Freizeitausgleich nicht dargelegt.

8

Insgesamt ergebe sich unter Anrechnung der geleisteten Zahlung in Höhe von 1.656,96 Euro für diesen Monat ein weiterer Vergütungsanspruch in Höhe von 3.302,20 Euro. Dieser setze sich aus 102 Stunden Bereitschaftsdienst Stufe III Faktor 90 % á 39,45 Euro, dem Anspruch auf die Wechselschichtzulage in Höhe von 105,00 Euro und aus verschiedenen Zeitzuschlägen nach § 11 TV-Ärzte/VKA zusammen.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, ihm gegenüber Bereitschaftsdienste anzuordnen, wenn nicht während des gleichen Zeitraums in der Klinik ein anderer Arzt für die ärztliche Grundversorgung der Patienten der Abteilung für Neurologie zur Verfügung steht;

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.302,20 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. März 2009 zu zahlen.

10

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, die Gesamttätigkeit des Klägers umfasse zu mehr als 50 % Oberarzttätigkeiten, sodass der Kläger entsprechend seinem Arbeitsvertrag eingesetzt werde. Durch seine Einteilung zu Bereitschaftsdiensten sei eine ärztliche Versorgung auf Facharztniveau sichergestellt worden. Der Einsatz eines weiteren Arztes auf der Station sei weder erforderlich noch betriebswirtschaftlich tragbar. Einen Hintergrunddienst benötige der Kläger als Facharzt nicht. In Vertretungsfällen habe es noch nie Probleme gegeben, es könne auch auf die in anderen Abteilungen tätigen Ärzte zurückgegriffen werden. Der andersartige Einsatz im Vergleich zu den übrigen Oberärzten sei insbesondere durch den weiten Anfahrtsweg des Klägers begründet; die anderen Oberärzte seien in maximal 45 Minuten im Krankenhaus und würden deshalb zur Rufbereitschaft eingeteilt.

11

Der Kläger habe im Dezember 2008 faktorisiert 93,78 Stunden Bereitschaftsdienst geleistet. Davon seien 42 Stunden durch Freizeit ausgeglichen und 51,78 Stunden vergütet worden. Im Übrigen hätten eventuelle Verstöße gegen das ArbZG, gegen Bestimmungen des Arbeitsvertrags oder des TV-Ärzte/VKA bei der Anordnung des Bereitschaftsdienstes nicht zur Folge, dass Bereitschaftsdienst wie normale Arbeitszeit zu vergüten sei.

12

Das Arbeitsgericht hat dem Unterlassungsanspruch stattgegeben und den Zahlungsantrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zunächst insgesamt abgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hiergegen hatte wegen Verstößen gegen Art. 103 Abs. 1 GG Erfolg und führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht. Hierauf hat das Landesarbeitsgericht den Unterlassungsantrag erneut abgewiesen, aber dem Zahlungsantrag nunmehr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Unterlassung weiter, der Beklagte auf vollständige Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (zu I). Die zulässige Revision des Beklagten ist hingegen wegen Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)begründet (zu II) und führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

14

I. Die auf Unterlassung der Anordnung bestimmter Bereitschaftsdienste gerichtete Klage ist zulässig, aber unbegründet.

15

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der zur Entscheidung gestellte Antrag hinreichend bestimmt.

16

a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind Anträge, mit denen die Unterlassung von Handlungen verlangt wird, so genau zu bezeichnen, dass der Inanspruchgenommene im Falle einer dem Antrag entsprechenden gerichtlichen Entscheidung eindeutig erkennen kann, unter welchen Voraussetzungen was von ihm verlangt wird. Für ihn muss aufgrund des Unterlassungstitels erkennbar sein, welche Handlungen er künftig zu unterlassen hat, um sich rechtmäßig verhalten zu können. Die Prüfung, welche Verhaltensweisen der Schuldner unterlassen soll, darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einen dementsprechenden gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnis- in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden. Allerdings dürfen die Anforderungen insoweit auch nicht überspannt werden, da andernfalls effektiver Rechtsschutz vereitelt würde. Dementsprechend sind die Gerichte auch verpflichtet, Anträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass eine Sachentscheidung ergehen kann. Zukunftsgerichtete Verbote lassen sich häufig nur generalisierend formulieren. Die Notwendigkeit gewisser Subsumtionsprozesse im Rahmen einer etwa erforderlich werdenden Zwangsvollstreckung steht daher der Verwendung ausfüllungsbedürftiger Begriffe in einem Unterlassungstitel und dem darauf gerichteten Antrag nicht generell entgegen (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 611/11 - Rn. 25 mwN).

17

b) Diesem Erfordernis wird der Antrag zu 1. gerecht. Der Kläger will danach erreichen, dass ihm gegenüber keine Bereitschaftsdienste angeordnet werden, wenn nicht gleichzeitig ein anderer Arzt für die ärztliche Grundversorgung zur Verfügung steht. Der Begriff der „ärztlichen Grundversorgung“ macht den Antrag nicht unbestimmt. Ausweislich der Klagebegründung wehrt sich der Kläger insbesondere dagegen, im Rahmen des Bereitschaftsdienstes Tätigkeiten auszuführen, die typischerweise von Assistenzärzten wahrgenommen werden. Seine Tätigkeit will er demgegenüber auf die typischen Tätigkeiten eines Facharztes in der Funktion eines leitenden Oberarztes beschränkt wissen und dies durch gleichzeitige Dienstanordnung gegenüber einem anderen, untergeordneten Arzt sichergestellt wissen. In dieser Auslegung ist der Antrag insgesamt hinreichend bestimmt.

18

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Unterlassung der Anordnung solcher Bereitschaftsdienste, in denen nicht gleichzeitig ein anderer Arzt die ärztliche Grundversorgung übernimmt. Ein Anspruch ergibt sich weder aus gesetzlichen oder tarifvertraglichen Bestimmungen noch aus dem Arbeitsvertrag der Parteien.

19

a) Gesetzliche Bestimmungen, insbesondere die Normen des ArbZG, verlangen nicht, dass generell Bereitschaftsdienst gegenüber einem Oberarzt nur angeordnet wird, wenn gleichzeitig ein untergeordneter Arzt Dienst hat und die ärztliche Grundversorgung wahrnimmt. Dies gilt auch hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen Ruhepausen nach §§ 4, 7 ArbZG(vgl. zum Begriff: BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 139/08 - Rn. 30, BAGE 132, 195). Es ist Sache des Beklagten, wie er die Einhaltung der Ruhepausen sicherstellt; dies verlangt nicht zwingend die vom Kläger angestrebte Maßnahme.

20

b) Ebenso wenig können Bestimmungen des TV-Ärzte/VKA das klägerische Anliegen rechtfertigen.

21

aa) Nach § 7 Abs. 6, § 10 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA sind Ärztinnen und Ärzte im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Bereitschaftsdienst verpflichtet. Die tarifliche Regelung unterscheidet nicht zwischen Ärzten verschiedener Vergütungsgruppen (§ 16 TV-Ärzte/VKA); auch leitende Oberärzte der Entgeltgruppe IV sind Ärzte, die den allgemeinen tariflichen Vorschriften - positiv wie negativ - unterliegen. Die Ableistung des Bereitschaftsdienstes gehört zum ärztlichen Berufsbild (BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 78/09 - Rn. 21, BAGE 135, 179; aA für Oberärzte wohl Thomae in Weth/Thomae/Reichold Arbeitsrecht im Krankenhaus 2. Aufl. Teil 5 C Rn. 3). Lediglich bei Teilzeitbeschäftigten ist nach § 7 Abs. 6 TV-Ärzte/VKA deren Zustimmung bzw. eine entsprechende arbeitsvertragliche Regelung erforderlich. Diese Voraussetzung liegt nach dem Inhalt des Vergleichs vom 7. August 2007 vor.

22

bb) Bereitschaftsdienst darf nach § 10 Abs. 1 Satz 2 TV-Ärzte/VKA nur angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeit überwiegt (vgl. dazu BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 114/02 - zu A II 1 c cc der Gründe, BAGE 106, 252). Dass die vom Beklagten gegenüber dem Kläger angeordneten Bereitschaftsdienste der Stufe III diese Voraussetzung generell nicht erfüllen, hat der Kläger weder vorgetragen noch gibt es dafür Anhaltspunkte. Auch im Übrigen ist nicht erkennbar, dass der Beklagte bei der Gestaltung der Bereitschaftsdienste in einer Art und Weise gegen tarifliche Vorschriften verstößt, die generell eine Unterlassung der Anordnung solcher Dienste in der begehrten Form rechtfertigen würde. Gleiches gilt hinsichtlich des erforderlichen dienstlichen/betrieblichen Grundes. Selbst vom Kläger wird nicht in Frage gestellt, dass es zu bestimmten Zeiten eines Bereitschaftsdienstes bedarf.

23

c) Nach dem Arbeitsvertrag vom 29. August 1994 iVm. § 611 Abs. 1 BGB ist der Kläger verpflichtet, Bereitschaftsdienste zu leisten, auch wenn kein (Assistenz-)Arzt die ärztliche Grundversorgung übernimmt. Der Beklagte hat die Grenzen des Direktionsrechts iSv. § 106 Satz 1 GewO nicht überschritten.

24

aa) Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz festgelegt sind. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers dient nur der Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhalts, beinhaltet aber nicht das Recht zu einer Änderung des Vertragsinhalts (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 24, BAGE 135, 239). Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung; eine Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten ist auch dann unzulässig, wenn die bisherige Vergütung fortgezahlt wird (st. Rspr., zB BAG 20. November 2003 - 8 AZR 608/02 - zu II 2 a bb (2) der Gründe; zu Ausnahmen vgl. unten zu cc; zur vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten vgl. § 17 TV-Ärzte/VKA und BAG 4. Juli 2012 - 4 AZR 759/10 - Rn. 17 ff.).

25

bb) Nach § 1 des Arbeitsvertrags ist der Kläger als Oberarzt und Vertreter des Chefarztes der Neurologie angestellt. Der Beklagte kann dem Kläger damit alle Tätigkeiten zuweisen, die mit der Aufgabenstellung eines leitenden Oberarztes verknüpft sind. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Art der Dienste als auch hinsichtlich des Arbeitsinhalts.

26

(1) Ein Oberarzt ist zunächst einmal Arzt. Kernaufgabe des Arztes ist das fachgerechte Bemühen um Heilung des Patienten (MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 BGB Rn. 89 [zum Arztvertrag]). Die Tätigkeit als Arzt ist grundsätzlich mit einer spezifischen Verantwortung verbunden, die nicht auf andere Personen übertragen werden kann und darf. Nach § 11 Abs. 1, § 2 Abs. 3 der (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte(MBO-Ä 1997) idF des 114. Deutschen Ärztetages 2011 ist jeder Arzt im Rahmen der Berufsausübung verpflichtet, seine Patienten gewissenhaft mit geeigneten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu versorgen sowie bei der Übernahme und Ausführung der Behandlung die gebotenen medizinischen Maßnahmen nach den Regeln der ärztlichen Kunst gewissenhaft auszuführen (vgl. BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 495/08 - Rn. 48, BAGE 132, 365).

27

(2) Zu den spezifischen Aufgaben des Oberarztes gehören - bei Letztverantwortung des Chefarztes - in selbständiger medizinischer Verantwortung die Leitung von operativen Eingriffen und anderen Behandlungsmethoden und die Beratung und Beaufsichtigung der in seinem Bereich tätigen Assistenzärzte; er nimmt diesen gegenüber eine herausgehobene Stellung ein (Strauß Arbeitsrecht für Ärzte an Krankenhäusern S. 26; Thomae in Weth/Thomae/Reichold Arbeitsrecht im Krankenhaus Teil 5 C Rn. 2 f.; vgl. auch BVerwG 1. Juni 1995 - 2 C 20.94 - BVerwGE 98, 334 [zu einem beamteten Oberarzt]). Wie bei jeder anderen Tätigkeit gehören im Zusammenhang mit den Kernaufgaben stehende Tätigkeiten ebenso zum Berufsbild.

28

(3) In tarifrechtlicher Hinsicht ist Oberarzt nach der Protokollerklärung zu § 16 Buchst. c TV-Ärzte/VKA derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. der Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist. Dieses Tätigkeitsmerkmal ist nur erfüllt, wenn dem Oberarzt ein Aufsichts- und - teilweise eingeschränktes - Weisungsrecht hinsichtlich des medizinischen Personals zugewiesen worden ist. Ihm muss mindestens ein Facharzt der Entgeltgruppe II unterstellt sein (BAG 26. Januar 2011 - 4 AZR 167/09 - Rn. 37; 9. Dezember 2009 - 4 AZR 495/08 - Rn. 45, BAGE 132, 365). Die „medizinische“ Verantwortung eines Oberarztes geht über die allgemeine „ärztliche“ Verantwortung eines Assistenzarztes und eines Facharztes deutlich hinaus. Dabei wird an die tatsächliche krankenhausinterne Organisations- und Verantwortungsstruktur angeknüpft. Kliniken sind arbeitsteilig organisiert und weisen zahlreiche spezialisierte und fragmentierte Diagnose-, Behandlungs- und Pflegeabläufe mit einer abgestuften Verantwortungsstruktur der handelnden Personen auf (BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 495/08 - Rn. 49 mwN, aaO). Darüber hinaus vertritt der leitende Oberarzt den leitenden Arzt (Chefarzt) ständig in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben (§ 16 Buchst. d TV-Ärzte/VKA nebst Protokollerklärung).

29

cc) Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer in gewissen eng umgrenzten Fällen, etwa in Not- oder Ausnahmesituationen, auch ohne dessen Einverständnis eine vertraglich nicht geschuldete, geringerwertige Tätigkeit zuweisen (BAG 3. Dezember 1980 - 5 AZR 477/78 - zu II 2 der Gründe; 8. Oktober 1962 - 2 AZR 550/61 -; ErfK/Preis 13. Aufl. § 106 GewO Rn. 4; Schaub/Linck 15. Aufl. ArbR-Hdb § 45 Rn. 37).

30

Die vom Kläger begehrte Unterlassung ist hingegen nicht beschränkt. Vielmehr begehrt er mit seinem Antrag eine Unterlassungsanordnung für alle solchen Bereitschaftsdienste und schließt eine Anordnungsbefugnis weder in Notfällen noch in Fällen des plötzlichen, nicht planbaren Ausfalls eines oder mehrerer anderer (Assistenz-)Ärzte aus dem Unterlassungsbegehren aus. Auch aus der Antragsbegründung lässt sich eine solche Einschränkung nicht erkennen, vielmehr vertritt der Kläger generell die Auffassung, eine Anordnung des Bereitschaftsdienstes als Vordergrunddienst scheide ihm gegenüber aus. Deshalb spricht manches dafür, dass er mit seinem Antrag Fallgestaltungen erfasst, für die die begehrte Unterlassung von vornherein nicht zu treffen ist (sog. Globalantrag, vgl. dazu BAG 27. Oktober 2010 - 7 ABR 36/09 - Rn. 35; 13. Oktober 2009 - 9 AZR 139/08 - Rn. 23, BAGE 132, 195). Letztlich kann diese Frage jedoch dahinstehen und es bedurfte keines Hinweises nach § 139 ZPO an den Kläger.

31

dd) Auch abgesehen von einer Anordnungsbefugnis in Not- und Ausnahmesituationen hat der Kläger keinen arbeitsvertraglichen Unterlassungsanspruch.

32

(1) Im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit wird der Kläger vertragsgemäß als leitender Oberarzt (Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA) beschäftigt; dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

33

(2) Während der streitgegenständlichen Bereitschaftsdienste muss der Kläger hingegen weit überwiegend (zu jedenfalls 80 %) typische Assistenzarzttätigkeiten erbringen und nur in geringem Umfang spezifisch fachärztliche Tätigkeiten. Ihm untergeordnete Ärzte kann er in dieser Zeit nicht anleiten. Es handelt sich aber um ärztliche Aufgaben, die Teil des Berufsbildes des Oberarztes sind. Der Umstand, dass eine bestimmte Aufgabe in der Regel durch einen Assistenzarzt unter Anleitung und Überwachung durch einen Oberarzt vorgenommen wird, bedeutet nicht, dass diese nicht in weiter gehender ärztlicher Verantwortung auch zum Aufgabengebiet des Oberarztes gehört. So steht einem Arzt die Vergütung einer höheren Entgeltgruppe nach § 15 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte/VKA schon dann zu, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die die Anforderungen dieser Entgeltgruppe erfüllen. Damit wird deutlich, dass Anteile der Beschäftigung auch Tätigkeiten umfassen können, die nicht entsprechend herausgehoben sind. Ebenso wenig muss in jeder Minute der Tätigkeit ein eingruppierungsrechtlich gefordertes Unterstellungsverhältnis auch tatsächlich zum Tragen kommen. Vielmehr ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass eine bestimmte Organisationsstruktur vorliegt und ein entsprechendes Weisungsrecht übertragen wurde (vgl. zu § 12 TV-Ärzte/TdL: BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 495/08 - Rn. 45, BAGE 132, 365).

34

Allerdings darf der Charakter der Tätigkeit als leitender Oberarzt durch die Übertragung bestimmter Aufgaben oder die Anordnung bestimmter Dienste unabhängig von deren zeitlichem Anteil nicht verloren gehen. Die typischen Aufgaben müssen der Tätigkeit weiterhin das Gepräge geben. Dies ist beispielsweise nicht mehr der Fall, wenn gegenüber einer Oberärztin die Teilnahme am Bereitschafts- und Stationsdienst der Assistenzärzte angeordnet wird (BAG 19. Dezember 1991 - 6 AZR 476/89 -). Die Situation bei dem Beklagten ist damit aber nicht vergleichbar; die Tätigkeit des Klägers verliert ihren Charakter durch einen ausschließlich von einem Oberarzt durchgeführten Bereitschaftsdienst nicht.

35

(3) Wie bereits unter 2 b aa dargelegt, gehört die Ableistung von Bereitschaftsdiensten zum ärztlichen Berufsbild. Dies schließt Oberärzte ein, was sich im Übrigen besonders deutlich aus dem Umstand ergibt, dass der nunmehr speziell für Ärzte von deren Berufsgruppengewerkschaft abgeschlossene TV-Ärzte/VKA insoweit nicht differenziert. Aus den in der Branche oder am Arbeitsort gegebenen Üblichkeiten folgt kein anderes Ergebnis. Eine Übung dahingehend, dass Oberärzte allein dann zu Bereitschaftsdiensten herangezogen werden, wenn zugleich ein anderer Arzt die ärztliche Grundversorgung übernimmt, behauptet der Kläger nicht und ist auch nicht ersichtlich. Zwar ist es im Allgemeinen so, dass Oberärzte zu Hintergrunddiensten (Rufbereitschaft) herangezogen werden und der Vordergrunddienst im Rahmen eines Bereitschaftsdienstes durch Assistenzärzte ausgeübt wird. Dies ist auch die übliche Handhabung beim Beklagten. Zwingend ist dies aber nicht, vielmehr können sich aus der Organisation des Krankenhausbetriebs und der Situation der beteiligten Beschäftigten Abweichungen ergeben. So muss der Arzt während der Rufbereitschaft nach § 10 Abs. 8 TV-Ärzte/VKA bei Abruf in angemessener Zeit die Arbeit im Krankenhaus aufnehmen können. Sind Beschäftigte dazu beispielsweise aus persönlichen Gründen nicht in der Lage, kann es erforderlich werden, das übliche Muster der Diensteinteilung zu verändern.

36

(4) Eine solche Situation liegt im konkreten Fall vor. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 23. Januar 2006 eine Reaktionszeit von 45 Minuten von der Information des Hintergrunddienstes bis zur Aufnahme der Tätigkeit festgelegt. Dass dieser Wert willkürlich zu kurz festgesetzt wäre, hat der Kläger weder behauptet noch gibt es hierfür Anhaltspunkte. Eher erscheint die Reaktionszeit großzügig bemessen. Im Gegensatz zu den anderen Oberärzten kann der Kläger aufgrund seines Wohnorts in Frankfurt am Main - den er ausdrücklich gemäß § 10 Abs. 8 Satz 1 TV-Ärzte/VKA als Aufenthaltsort angezeigt hat - und der damit verbundenen Anfahrtszeit diese Zeit nicht verbindlich einhalten. Selbst wenn dies im Einzelfall gelingen mag, muss der Beklagte sich schon im Interesse der Patienten hierauf nicht einlassen. Deshalb ist es nicht ausgeschlossen, zum Zwecke einer gleichmäßigen Verteilung der Belastung durch Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdienste erstere auch gegenüber einem leitenden Oberarzt anzuordnen. Gründe, dass diese Anpassung an die persönlichen Umstände des Klägers nicht billigem Ermessen iSv. § 106 Satz 1 BGB entsprechen würde(vgl. dazu zuletzt BAG 10. Juli 2013 - 10 AZR 915/12 - Rn. 28), sind nicht ersichtlich.

37

d) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 612a BGB.

38

aa) Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die zulässige Rechtsausübung darf nicht nur äußerer Anlass, sondern muss der tragende Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 45; 14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - Rn. 34, BAGE 122, 1; 12. Juni 2002 - 10 AZR 340/01 - zu II 1 der Gründe, BAGE 101, 312). Der Kläger trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für den Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und zulässiger Rechtsausübung(vgl. BAG 16. September 2004 - 2 AZR 511/03 - zu C III 2 der Gründe; 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - zu B III 2 b der Gründe).

39

bb) Die Anordnung von Bereitschaftsdiensten, ohne dass zugleich ein anderer Arzt zur Gewährleistung der ärztlichen Grundversorgung zur Verfügung steht, ist keine Maßregelung iSd. § 612a BGB.

40

Der Beklagte kann die Bereitschaftsdienste im Rahmen der gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Vorgaben und unter Beachtung personalvertretungsrechtlicher Beteiligungsrechte frei organisieren und zuteilen. Der Kläger ist arbeitsvertraglich - wie dargelegt - grundsätzlich zur Ableistung solcher Dienste verpflichtet. Eine Maßregelung könnte vorliegen, wenn die anderen Oberärzte ebenfalls Bereitschaftsdienste leisten würden und ihnen etwa ein Assistenzarzt zugewiesen wäre, dem Kläger dieser „Vorteil“ aber vorenthalten würde. Dies ist nicht der Fall, vielmehr wird gegenüber den anderen Oberärzten wegen der kürzeren Anfahrtszeit Rufbereitschaft angeordnet. Im Hinblick auf den Wohnort des Klägers ist auch nicht erkennbar, dass die Ablehnung der Vergütungsregelung für Rufbereitschaftsdienste der tragende Beweggrund war, ihm Bereitschaftsdienst zuzuweisen. Hiergegen spricht auch der zeitliche Ablauf: Die angebotene Vergütungsregelung lehnte der Kläger Anfang des Jahres 2006 ab; erstmals im Dezember 2008 wurden Bereitschaftsdienste in der streitgegenständlichen Form angeordnet. Im Übrigen benennt der Beklagte ausdrücklich wirtschaftliche Gründe dafür, dass der Kläger Bereitschaftsdienst ohne die zeitgleiche Anwesenheit eines anderen Arztes durchführen muss. Dem ist der Kläger nicht ernsthaft entgegengetreten.

41

II. Die Revision des Beklagten ist zulässig und begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Rechte des Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Die Revision führt insoweit zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache.

42

1. Die Revision des Beklagten ist zulässig. Insbesondere sind die Revisionsschrift vom 8. Januar 2013 und die Revisionsbegründung vom 11. März 2013 ordnungsgemäß (§ 130 Nr. 6 ZPO) von einem Rechtsanwalt unterzeichnet (vgl. allgemein zu Zweck und Anforderungen an das Unterschriftserfordernis: BAG 5. August 2009 - 10 AZR 692/08 -; BGH 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04 -). Beide Schriftsätze sind durch Rechtsanwalt K als Mitglied der zur Prozessführung beauftragten Anwaltskanzlei unterzeichnet. Damit ist davon auszugehen, dass er die Verantwortung für den Inhalt der Schriftsätze übernimmt und nicht nur als Vertreter im Innenverhältnis tätig wird (vgl. BAG 11. August 1987 - 7 AZB 14/87 - zu II 1 letzter Abs. der Gründe; BGH 27. Mai 1993 - III ZB 9/93 - zu II 2 der Gründe). Hieran ändert der maschinenschriftliche Zusatz, der eigentlich Rechtsanwältin L als Unterzeichnerin der Revisionsschrift ausweist, nichts. Gleiches gilt hinsichtlich des Zusatzes in der Revisionsbegründung, wonach Rechtsanwalt K „für die urlaubsbedingt abwesende“ Rechtsanwältin L unterzeichnete.

43

2. Die Revision des Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.

44

a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist verletzt, wenn eine Entscheidung ohne entsprechenden Hinweis auf einen Gesichtspunkt gestützt wird, mit dem auch ein kundiger und gewissenhafter Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielzahl von vertretbaren Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (BVerfG 17. Februar 2004 - 1 BvR 2341/00 - zu III 2 a der Gründe; BAG 8. Dezember 2010 - 5 AZN 956/10 - Rn. 4). Zum Prozessverlauf gehören sowohl erteilte wie auch unterbliebene Hinweise. Kann deshalb ein Prozessbevollmächtigter damit rechnen, dass er auf einen entscheidungserheblichen Punkt hingewiesen wird, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn ein entsprechender Hinweis unterbleibt (BAG 15. Juni 2011 - 10 AZN 439/11 - Rn. 6; 31. Juli 2007 - 3 AZN 326/07 - Rn. 16).

45

b) Der Beklagte hat einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG in zulässiger Weise gerügt.

46

aa) Besteht der Verfahrensmangel darin, dass das Landesarbeitsgericht den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, weil es der Hinweispflicht aus § 139 Abs. 2 ZPO nicht nachgekommen sei, muss der Revisionskläger konkret darlegen, welchen Hinweis das Gericht hätte geben müssen und wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert hätte. Hierzu muss er vortragen, welchen tatsächlichen Vortrag er gehalten oder welche für die Entscheidung erheblichen rechtlichen Ausführungen er gemacht hätte (st. Rspr., zuletzt zB BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 10 mwN).

47

bb) Diese Anforderungen sind erfüllt. Der Beklagte hat konkret gerügt, das Landesarbeitsgericht hätte seine Einwendungen gegen den klägerischen Zahlungsanspruch nicht ohne Hinweis als unschlüssig ansehen dürfen. Er hat in seiner Revisionsbegründung im Einzelnen benannt, welchen Vortrag er bei entsprechendem Hinweis gehalten hätte, und damit die Entscheidungserheblichkeit der Rüge dargetan.

48

c) Die Verfahrensrüge des Beklagten hat Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat einen notwendigen Hinweis iSd. § 139 Abs. 2 ZPO unterlassen und Vortrag des Beklagten nicht berücksichtigt.

49

aa) Das Landesarbeitsgericht hatte den Zahlungsanspruch des Klägers - ebenso wie bereits das Arbeitsgericht - durch Urteil vom 24. Februar 2011 zunächst abgewiesen. Begründet hat es diese Entscheidung insbesondere damit, dass es an einer Darstellung der Tatsachen und des Sachverhalts für die in das Rechenwerk des Klägers eingeflossenen Zahlen fehle. Nach Aufhebung dieses Urteils durch Beschluss des Senats vom 15. Juni 2011 (- 10 AZN 439/11 -) ist das Landesarbeitsgericht ohne relevanten neuen Sachvortrag des Klägers nunmehr davon ausgegangen, dessen Berechnung sei schlüssig. Den Erfüllungseinwand des Beklagten hat es hingegen als unschlüssig angesehen, weil dieser nicht dargetan habe, wann innerhalb von drei Monaten Freizeitausgleich für die im Dezember 2008 geleisteten Bereitschaftsdienste gewährt worden sei. Dabei hat das Landesarbeitsgericht die ausführlichen Darstellungen im Schriftsatz vom 11. Oktober 2012 als „nicht nachvollziehbar“ angesehen.

50

bb) Hiermit musste der Beklagte nach dem Prozessverlauf nicht rechnen. Vielmehr hätte das Landesarbeitsgericht darauf hinweisen müssen, dass es die Berechnung des Klägers nunmehr für schlüssig hält und an welcher Stelle es den Erfüllungseinwand des Beklagten als nicht ausreichend substanziiert ansieht. Mit einem solchen Hinweis konnte der Beklagte angesichts seines Obsiegens in zwei Instanzen rechnen. Aus dem Prozessverhalten des Landesarbeitsgerichts ließ sich für ihn nicht erkennen, dass es von seiner bisherigen Meinung abweichen würde. Insbesondere durfte der Beklagte mangels Hinweises davon ausgehen, dass der Vortrag aus dem Schriftsatz vom 11. Oktober 2012 zur Erfüllung durch Freizeitausgleich ausreicht. Hinzu kommt, dass das Landesarbeitsgericht auf den Vortrag des Beklagten, wonach er einen Teil des Anspruchs in Geld erfüllt habe, mit keinem Wort eingeht.

51

cc) Es ist nicht auszuschließen, dass das Landesarbeitsgericht bei Beachtung seiner Hinweispflicht und Berücksichtigung des dann ggf. erfolgten Vortrags des Beklagten möglicherweise anders entschieden hätte (vgl. BAG 15. Juni 2011 - 10 AZN 439/11 - Rn. 13; 8. Dezember 2010 - 5 AZN 956/10 - Rn. 8; 31. Juli 2007 - 3 AZN 326/07 - Rn. 19; 11. April 2006 - 9 AZN 892/05 - Rn. 16, BAGE 117, 370).

52

3. Im Rahmen der neuen Verhandlung und der weiteren Sachaufklärung wird das Landesarbeitsgericht folgende Aspekte zu berücksichtigen haben:

53

a) Streitgegenstand des Zahlungsantrags ist (nur) die Frage, in welcher Höhe vom Kläger im Dezember 2008 während der Bereitschaftsdienste geleistete Stunden einschließlich eventueller Zuschläge zu vergüten sind und ob ihm eine Zulage wegen ständiger Wechselschichtarbeit zusteht (vgl. die Berechnung im Schriftsatz vom 22. Mai 2009, S. 10). Dabei wird zunächst die Anzahl der tatsächlich während der angeordneten Bereitschaftsdienste geleisteten Stunden unter Berücksichtigung des Bewertungsfaktors von 90 vH (Bereitschaftsdienst Stufe III, § 12 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA) festzustellen sein.

54

b) Nach § 12 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA in der im Streitzeitraum anwendbaren Fassung des ÄndTV Nr. 1 vom 8. April 2008 ist einem Arzt der Entgeltgruppe IV pro als Arbeitszeit gewertete Stunde Bereitschaftsdienst ein Betrag in Höhe von 32,00 Euro zu zahlen. Hinzu kommt nach Abs. 3 ein Zuschlag von 25 vH für jede als Arbeitszeit gewertete Stunde an einem Feiertag. Auf weitere Zeitzuschläge besteht hingegen kein Anspruch (§ 12 Abs. 3 Satz 2 TV-Ärzte/VKA). Es wird aufzuklären sein, inwieweit diese Ansprüche durch den Beklagten erfüllt wurden.

55

Entgegen der Auffassung des Klägers sind die von ihm während der angeordneten Bereitschaftsdienste geleisteten Stunden nicht als Vollarbeit zu vergüten und es besteht kein Anspruch auf Zeitzuschläge nach § 11 TV-Ärzte/VKA. Es handelte sich um Bereitschaftsdienste im Tarifsinn; dies stellt auch der Kläger nicht in Frage (dazu oben zu I 2 b bb; vgl. auch BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 114/02 - zu A II 1 c cc der Gründe, BAGE 106, 252). Selbst wenn der Beklagte bei der Anordnung dieser Dienste gegen Bestimmungen des ArbZG verstoßen haben sollte oder eine Anordnung erfolgte, obwohl es an der tariflich vorgesehenen Belastungsanalyse fehlte, hat das nicht zur Folge, dass die Zeit des Bereitschaftsdienstes vergütungsrechtlich wie volle Arbeitszeit zu behandeln wäre (zum ArbZG: BAG 28. Januar 2004 - 5 AZR 503/02 - zu III der Gründe; 5. Juni 2003 - 6 AZR 114/02 - zu B II der Gründe, aaO). Gleiches gilt hinsichtlich der gerügten Verstöße gegen Bestimmungen der Dienstvereinbarung „Rahmendienstplan“ vom 1. Januar 2003; auch dadurch würde sich am Charakter der geleisteten Stunden als Bereitschaftsdienststunden nichts ändern.

56

c) Nach § 12 Abs. 4 TV-Ärzte/VKA aF(nunmehr § 12 Abs. 6 TV-Ärzte/VKA) kann statt der Vergütung (einschließlich eventueller Zuschläge für Feiertagsarbeit nach Abs. 3) innerhalb eines bestimmten Zeitraums Freizeitausgleich gewährt werden (vgl. dazu BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 78/09 - BAGE 135, 179). Einer Zustimmung des Arztes bedarf es dazu nicht (anders zB im TVöD-K in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung: BAG 17. Dezember 2009 - 6 AZR 716/08 -).

57

Entgegen der vom Landesarbeitsgericht ohne weitere Begründung vertretenen Auffassung stehen Bestimmungen des ArbZG einem solchen Ausgleich nicht entgegen. Auch ein Verstoß gegen § 3 ArbZG würde nicht dazu führen, dass Bereitschaftsdienst wie Vollarbeit anzusehen ist; er verliert dadurch nicht den Charakter als Bereitschaftsdienst. Dem Arzt stehen - mangels abweichender vertraglicher Regelungen - nur die Ansprüche zu, die § 12 TV-Ärzte/VKA gewährt. Dies gilt für Vergütungsansprüche (dazu oben zu b) ebenso wie für Freizeitausgleich, der an deren Stelle tritt.

58

Die Tarifnorm differenziert nach ihrem Wortlaut nicht danach, in welchem Umfang Vollarbeit und Bereitschaftsdienst geleistet wurden. Auch die Tarifsystematik und Sinn und Zweck der Regelung stehen einem Freizeitausgleich nicht entgegen. Zeit eines Bereitschaftsdienstes ist zwar Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 661/09 - Rn. 14 mwN). Die Zeit eines Bereitschaftsdienstes unterscheidet sich jedoch qualitativ von der vollen Arbeitszeit, die eine kontinuierliche Erbringung der Arbeitsleistung erfordert. Aus diesem Grund sind die Tarifvertragsparteien frei darin, die Zeit des Bereitschaftsdienstes vergütungsrechtlich in ein bestimmtes Verhältnis zur regulären Arbeitszeit zu setzen und eine gesonderte Vergütungsregelung für diese besondere Form der Arbeit vorzusehen (vgl. BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 877/12 - Rn. 23; 12. Dezember 2012 - 5 AZR 355/12 - Rn. 18; 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 23 mwN). Gleiches gilt für einen an die Stelle der Vergütung tretenden Freizeitausgleich, wie ihn § 12 Abs. 4 TV-Ärzte/VKA aF vorsah. Aus dem Tarifvertrag lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Möglichkeit des Freizeitausgleichs ab einer bestimmten Menge angeordneten Bereitschaftsdienstes entfallen sollte. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund der arbeitschutzrechtlichen Zwecksetzung des ArbZG. Dessen Normen dienen der Begrenzung der Arbeitszeiten und dem Schutz der Arbeitnehmer vor einer Überlastung (vgl. zB zu den Regelungen über Ruhepausen: BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 139/08 - Rn. 27, BAGE 132, 195). Eine tarifliche Regelung, die für längere Arbeitszeiten iSd. ArbZG (zB bei einer Arbeitszeitverlängerung durch Zeiten des Bereitschaftsdienstes) einen Freizeitausgleich gewährt, entspricht gerade diesem Zweck. Im Hinblick auf den betroffenen Arbeitnehmer wäre es arbeitsschutzrechtlich deshalb geradezu kontraproduktiv, wollte man den Freizeitausgleich bei Überschreiten gesetzlicher Höchstarbeitszeitgrenzen ausschließen.

59

Ob und ggf. in welchem Umfang der Beklagte dem Kläger - wie bereits mit Schreiben vom 2. Dezember 2008 angekündigt - tatsächlich Freizeitausgleich unter Einhaltung der Vorgaben des § 12 Abs. 4 TV-Ärzte/VKA aF gewährt hat, wird zu klären sein.

60

d) Ein Anspruch auf eine Zulage wegen ständiger Wechselschichtarbeit nach § 11 Abs. 4 Satz 1 TV-Ärzte/VKA dürfte schon deshalb nicht bestehen, weil der Kläger keine Wechselschichtarbeit im Tarifsinn leistet. Die Unterbrechung der Arbeitszeit durch Bereitschaftsdienste steht dem entgegen (st. Rspr., zuletzt zB BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 255/10 - [zu vergleichbaren Bestimmungen des TVöD]).

61

III. Der Senat macht von der Möglichkeit der Zurückverweisung an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts Gebrauch (§ 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Fieback    

        

    Rigo Züfle    

                 

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 70/11
vom
26. Juli 2012
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Rechtsanwalt, der unter Angabe seiner Berufsbezeichnung einen bestimmenden
Schriftsatz für einen anderen Rechtsanwalt unterzeichnet, übernimmt
mit seiner Unterschrift auch dann die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes
, wenn vermerkt ist, dass der andere Anwalt "nach Diktat außer Haus" ist.
BGH, Beschluss vom 26. Juli 2012 - III ZB 70/11 - AG Dortmund
LG Dortmund
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juli 2012 durch den
Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter Dr. Herrmann, Wöstmann, Hucke
und Dr. Remmert

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 6. Oktober 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 1.372,39 €

Gründe:


I.


1
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten wegen behaupteter entgeltlicher Arbeitnehmerüberlassung Zahlung von 1.372,39 € nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 18. März 2011, das dem als Einzelanwalt tätigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 8. April 2011 zugestellt worden ist, abgewiesen. Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 9. Mai 2011 (einem Montag) Berufung eingelegt. Innerhalb verlängerter Frist ist am 7. Juli 2011 ein das Rechtsmittel begründender Schriftsatz per Fax bei dem Berufungsgericht eingegangen. Er weist ebenso wie das am 11. Juli 2011 eingegangene Original auf der ersten Seite im Kopf (nur) den die Klägerin vertretenden Rechtsanwalt V. aus; am Ende dieses Schriftsatzes finden sich maschinenschriftlich dessen Vor- und Nachname sowie die Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt", seine Unterschrift fehlt; darunter ist "nach Diktat außer Haus" hinzugefügt, es folgt ein handschriftlicher Schriftzug, unter der "Rechtsanwältin" gedruckt ist.
2
Nach Hinweis des Beklagten, dass die Berufungsbegründung nicht ordnungsgemäß unterzeichnet und deshalb die Berufung als unzulässig zu verwerfen sei, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erläutert, dass die Berufungsbegründung von der Rechtsanwältin E. B. unterzeichnet worden sei, wie dies auch ein Vergleich mit der unter ihren - in Kopie beigefügten - Personalausweis geleisteten Unterschrift belege.
3
Im Anschluss an einen darauf erfolgten gerichtlichen Hinweis und einer dazu ergangenen Stellungnahme des Vertreters der Klägerin hat das Berufungsgericht das Rechtsmittel mit Beschluss vom 6. Oktober 2011 als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass weder auf dem Fax noch auf dem Original der Berufungsbegründung eine ordnungsgemäße Unterschrift vorhanden gewesen sei. Es sei nicht ausreichend, dass der Schriftsatz von einem zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet und dessen Identität feststellbar sei. Weder aus der Berufungsbegründung noch aus dem sonstigen Akteninhalt habe sich ergeben, wer die Berufungsbegründung unterschrieben habe. Der Briefkopf des Schriftsatzes habe allein Rechtsanwalt V. ausgewiesen , ein Namensstempel der Rechtsanwältin B. sei nicht angebracht ge- wesen und ihre Identität habe sich bei Ablauf der Berufungsbegründungsfrist auch sonst nicht ergeben.
4
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.


5
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die Verwerfung der Berufung als unzulässig, weil es an einer ordnungsgemäß begründeten Berufung fehle, verletzt die Klägerin in ihren Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) sowie auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
6
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers nach § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO Wirksamkeitsvoraussetzung für eine rechtzeitige Berufungsbegründung. Damit soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglicht und dessen unbedingter Wille zum Ausdruck gebracht werden, den Schriftsatz zu verantworten und bei Gericht einzureichen. Für den Anwaltsprozess bedeutet dies, dass die Berufungsbegründung von einem dazu bevollmächtigten und bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfasst, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein muss (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Juni 2005 - V ZB 45/04, NJW 2005, 2709; vom 22. November 2005 - VI ZB 75/04, VersR 2006, 387, 388; vom 17. November 2009 - XI ZB 6/09, NJW-RR 2010, 358 Rn. 12 sowie vom 26. Oktober 2011 - IV ZB 9/11, BeckRS 2011, 26453 Rn. 6; jeweils mwN). Entsprechendes gilt, wenn, wie hier, die Berufungsbegründung in zulässiger Weise per Telefax übermittelt wird; in diesem Falle muss es sich bei der Kopiervorlage um den eigenhändig unterschriebenen Originalschriftsatz handeln (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2005, aaO).
7
2. An diesen Grundsätzen gemessen ist vorliegend eine formgerechte Berufungsbegründung eingereicht worden.
8
a) Der entsprechende Schriftsatz ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung mit einem individuellen, nicht nur als Handzeichen oder Paraphe anzusehenden, sondern den Anforderungen an eine Unterschrift genügenden handschriftlichen Schriftzug unterzeichnet (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 26. Februar 1997 - XII ZB 17/97, FamRZ 1997, 737; vom 27. September 2005 - VIII ZB 105/04, NJW 2005, 3775; vom 17. November 2009, aaO; vom 9. Februar 2010 - VIII ZB 67/09, BeckRS 2010, 04929 Rn. 10 sowie vom 16. September 2010 - IX ZB 13/10, NZI 2011, 59, 60).
9
b) Darüber hinaus hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin belegt, dass dieser Schriftzug von Rechtsanwältin B. herrührt, bei der es sich um eine bei dem Berufungsgericht - einem Landgericht - postulationsfähige Rechtsanwältin handelt. Zwar ist dies erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erläutert worden, so dass für das Berufungsgericht bis dahin nicht erkennbar war, welche Rechtsanwältin unterschrieben hat. Darauf kommt es jedoch nicht maßgeblich an.
10
Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist für die Prüfung der Frage, ob die Identität und die Postulationsfähigkeit des Unterzeichners eines derartigen Schriftsatzes feststeht beziehungsweise erkennbar ist, nicht auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist, sondern auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung abzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2012 - VII ZB 83/10, MDR 2012, 796 Rn. 11).
11
Die vollständige Namensnennung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin am Ende des Schriftsatzes im Zusammenhang mit dem Zusatz "nach Diktat außer Haus" macht deutlich, dass die Berufungsbegründung von diesem Rechtsanwalt erstellt, aber wegen Ortsabwesenheit nicht selbst unterschrieben werden konnte. Auch wenn ein ausdrücklicher Zusatz, "für" diesen tätig zu werden , fehlt, lässt sich hier der Unterzeichnung durch eine Rechtsanwältin, wovon das Berufungsgericht aufgrund der angegebenen Berufsbezeichnung ausgehen konnte, gleichwohl entnehmen, dass sie an seiner Stelle die Unterschrift leisten und damit als Unterbevollmächtigte in Wahrnehmung des Mandats der Klägerin auftreten wollte. Damit hat sie zu erkennen gegeben, dass sie zugleich die Verantwortung für den Inhalt der Berufungsbegründung übernehmen wollte. Anhaltspunkte , die dem entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Für einen Rechtsanwalt versteht es sich im Zweifel von selbst, mit seiner Unterschrift auch eine entsprechende Verantwortung für einen bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2003 - II ZR 192/02, NJW 2003, 2028) und nicht lediglich als Erklärungsbote tätig zu werden (vgl. für den Zusatz "i.A." Beschluss vom 5. November 1987 - V ZR 139/87, NJW 1988, 210 und Senatsbeschluss vom 27. Mai 1993 - III ZB 9/93, NJW 1993, 2056, 2057).
12
3. Ist danach die Unterschrift unter die Berufungsbegründung in diesem Sinne von Rechtsanwältin B. geleistet worden, durfte die Berufung nicht als unzulässig verworfen werden. Die Klägerin hat vielmehr ihre Berufung rechtzeitig und formgerecht begründet, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen war (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Schlick Herrmann Wöstmann
Hucke Remmert
Vorinstanzen:
AG Dortmund, Entscheidung vom 14.02.2011 - 426 C 7010/09 -
LG Dortmund, Entscheidung vom 06.10.2011 - 1 S 162/11 -

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 2. September 2011 - 7 Sa 521/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt vom Beklagten, die von ihr getragenen Kosten für eine Fortbildung des Beklagten zum Fachanwalt für Informationstechnologierecht iHv. 2.205,00 Euro zu erstatten. Der Beklagte beansprucht widerklagend Urlaubsabgeltung iHv. 1.186,90 Euro.

2

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, die ua. Rechtsberatung betreibt. Sie verfügt über keine Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft iSd. § 59c Abs. 1 BRAO. Der Beklagte war bei ihr seit dem 1. Mai 2008 als Rechtsanwalt beschäftigt. Er kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31. Mai 2010.

3

Die Klägerin hat beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.205,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2010 zu zahlen, und die Widerklage des Beklagten abzuweisen.

4

Der Beklagte hat die Abweisung der Klage und widerklagend beantragt,

        

die Klägerin zu verurteilen, an ihn 1.186,90 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

5

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Mit einem auf ihrem Geschäftspapier gefertigten Schriftsatz vom 31. März 2011 hat die Klägerin Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts eingelegt. In diesem Schriftsatz ist als Prozessbevollmächtigte der Klägerin sie selbst bezeichnet. Am rechten Seitenrand findet sich unter der Rubrik „Unser Zeichen“ das interne Aktenzeichen der Klägerin „A-500/11-DN“. Als Bearbeiter nennt die Berufungsschrift Rechtsanwalt N, der diese mit „N Rechtsanwalt“ unterzeichnet und erklärt hat, er lege die Berufung für die Klägerin ein. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen.

6

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht als unzulässig verworfen, weil die nicht postulationsfähige Klägerin sie selbst eingelegt hat.

8

I. Die Berufungsschrift ist als bestimmender Schriftsatz von einem postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten zu unterzeichnen (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 519 Abs. 4, § 130 Nr. 6 ZPO). Nach § 11 Abs. 4 Satz 1 ArbGG müssen sich die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht grundsätzlich durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind außer Rechtsanwälten nur die in § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 ArbGG bezeichneten Organisationen zugelassen(§ 11 Abs. 4 Satz 2 ArbGG). Eine Partei, die nach Maßgabe des § 11 Abs. 4 Satz 2 ArbGG zur Vertretung berechtigt ist, kann sich allerdings selbst vertreten(§ 11 Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 1 ArbGG). Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren. Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BAG 19. Februar 2013 - 9 AZR 543/11 - Rn. 11 mwN).

9

II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Klägerin, die nicht zu den in § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 ArbGG genannten Organisationen zählt, habe sich bei Einlegung der Berufung nicht durch einen postulationsfähigen Rechtsanwalt vertreten lassen(vgl. dazu Düwell/Lipke/Wolmerath 3. Aufl. § 11 Rn. 32).

10

1. Eine Partei wird nicht ordnungsgemäß vertreten, wenn der Rechtsanwalt als Angestellter der Partei handelt (vgl. BAG 16. November 2011 - 4 AZR 839/09 - Rn. 20). Ein Rechtsanwalt tritt nur dann als Organ der Rechtspflege auf, wenn er außerhalb eines Arbeitsverhältnisses handelt, das ihn dem Weisungsrecht der Partei unterwirft. Ist ein Rechtsanwalt bei einer Partei angestellt, obliegt es deshalb der Partei, dem Rechtsanwalt außerhalb seines Anstellungsverhältnisses einen gesonderten Auftrag und eine Vollmacht zu erteilen (vgl. GMP/Germelmann 8. Aufl. § 11 Rn. 29). Legt ein angestellter Rechtsanwalt ein Rechtsmittel ein, muss der Rechtsmittelschrift zu entnehmen sein, dass der Handelnde als unabhängiger Prozessbevollmächtigter auftritt und als solcher ohne Bindung an die Weisungen seines Mandanten die Verantwortung für den Schriftsatz übernimmt (vgl. BAG 19. März 1996 - 2 AZB 36/95 - zu II der Gründe, BAGE 82, 239). Die Frage, ob eine Partei sich bei der Einlegung der Berufung ordnungsgemäß hat vertreten lassen, ist durch Auslegung der Berufungsschrift zu beantworten. Das Auslegungsergebnis, zu dem das Berufungsgericht gelangt ist, unterliegt der vollständigen Nachprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. BGH 22. April 2009 - IV ZB 34/08 - Rn. 8).

11

2. Der Berufungsschrift der Klägerin ist nicht zu entnehmen, dass ihr Angestellter N die Klägerin in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt vertreten hat. Die Auslegung der Berufungsschrift ergibt, dass er als weisungsgebundener Angestellter der Klägerin gehandelt hat.

12

a) Das Aktivrubrum der auf dem Geschäftspapier der Klägerin gefertigten Berufungsschrift weist als Prozessbevollmächtigten nicht Rechtsanwalt N, sondern die Klägerin selbst aus. Die Angabe „Prozessbevollmächtigte: a AG, ...“ enthält keinen Zusatz, der darauf schließen lässt, eine von der Klägerin verschiedene Person handele als Prozessbevollmächtigte. Die Angabe des Tätigkeitsgebiets „Rechtsvertretung“ auf dem Briefbogen verdeutlicht, dass die Klägerin in diesem Bereich gehandelt hat. Dies zeigt auch das in der Berufungsschrift angegebene interne Aktenzeichen „A-500/11-DN“. Ein gesondertes (zusätzliches) Akten- oder Geschäftszeichen des Rechtsanwalts N fehlt. Seine Bezeichnung als zuständiger „Bearbeiter“ bestätigt, dass er die Berufung nicht als Organ der Rechtspflege, sondern als Angestellter der Klägerin eingelegt hat.

13

b) Soweit die Klägerin geltend macht, das Aktivrubrum habe ursprünglich die „Rechtsanwälte der a AG“ ausgewiesen und sei lediglich infolge eines Bearbeitungsversehens geändert worden, ist dies der Berufungsschrift nicht zu entnehmen. Der von der Klägerin behauptete Bearbeitungsfehler beseitigt den Mangel damit nicht.

14

c) Entgegen der Ansicht der Klägerin zwingt die Erklärung des Bearbeiters N in der Berufungsschrift: „… lege ich hiermit für die Klägerin … Berufung ein“, nicht zu der Annahme, dass dieser als Rechtsanwalt die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen hat. Als juristische Person des Privatrechts kann die Klägerin rechtsgeschäftliche Erklärungen nur abgeben, indem sie sich natürlicher Personen bedient. Diese handeln innerhalb der ihnen zustehenden Vertretungsmacht „für“ die Klägerin. Für die Beantwortung der Frage, ob die Berufungsschrift von Rechtsanwalt N als Organ der Rechtspflege oder als Angestellter der Klägerin gefertigt wurde, ist sein Handeln „für“ die Klägerin damit ohne Bedeutung.

15

3. Der Mangel der fehlenden Postulationsfähigkeit ist nicht geheilt worden. Die Postulationsfähigkeit des Prozessbevollmächtigten ist eine Prozesshandlungsvoraussetzung (BGH 15. März 2013 - V ZR 156/12 - Rn. 13, BGHZ 197, 61), die grundsätzlich zum Zeitpunkt der Vornahme der Prozesshandlung vorliegen muss (vgl. BGH 26. April 2012 - VII ZB 83/10 - Rn. 11). Zwar kann eine mangels Postulationsfähigkeit des Handelnden unwirksame Prozesshandlung regelmäßig durch einen postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten genehmigt werden (vgl. BGH 7. Juni 1990 - III ZR 142/89 - zu II 3 a der Gründe, BGHZ 111, 339). Bei fristgebundenen Prozesshandlungen ist jedoch erforderlich, dass die Genehmigung vor Fristablauf erklärt wird. Nach Fristablauf ist eine rückwirkende Heilung grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. BGH 16. Dezember 1992 - XII ZB 137/92 - zu II 3 der Gründe). Im Streitfall ist die unwirksame Einlegung der Berufung nicht fristwahrend genehmigt worden. Das in vollständiger Form abgefasste Urteil des Arbeitsgerichts ist der Klägerin am 11. März 2011 zugestellt worden. Die einmonatige Frist zur Einlegung der Berufung (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 ArbGG) lief gemäß § 222 Abs. 1 ZPO iVm. §§ 186, 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB am 11. April 2011 ab. Vor Fristablauf ist die unwirksame Einlegung der Berufung nicht von einem postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten genehmigt worden.

16

III. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Klose    

        

        

        

    Heilmann    

        

    M. Dipper    

                 

Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen.

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 02.08.2012 wird

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich des Zahlungsbetrages und der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages und bezüglich der Auskunftsansprüche durch Sicherheitsleistung in Höhe von je 20.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Ausspruchs leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: bis 380.000,00 EUR

Gründe

 
I.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, der Sache nach jedoch ohne Erfolg.
A
Das Landgericht hat festgestellt:
Die Klägerin macht Ansprüche wegen Markenrechtsverletzung aus einer Verpflichtungsvereinbarung und im Wege der Teil-Stufenklage Auskunftsansprüche geltend.
Die Klägerin war Inhaberin der folgenden für die Klassen 3, 18, 25, 28, 41 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen eingetragenen Gemeinschaftsmarke (Anl. K 01, Bl. 46 d.A.):
Sie ließ Bekleidungsstücke und Accessoires im gehobenen Preissegment unter dem Kennzeichen herstellen und im Europäischen Wirtschaftsraum durch Lizenznehmer vertreiben. Im März 2011 übertrug sie die Marke auf die am 21.01.2011 gegründete Firma Q... S... S.A., Schweiz.
Der Beklagte war Geschäftsführer der Firma Pe... Ltd. mit Sitz in ...7 F... Unter dieser Firma verkaufte er mit Wissen und Wollen an gewerbliche Wiederverkäufer Bekleidungsstücke und Gürtel, die ohne Zustimmung der Klägerin mit der Klagemarke versehen in den Europäischen Wirtschaftsraum eingeführt und vertrieben wurden. Der Beklagte gab auf die Abmahnung vom 13.07.2007, welcher unter der Bezeichnung „Q... S... LDA“ eine Vollmacht des Herrn T... L... beilag (Anl. K 05, Bl. 50 d.A.), am 24.07.2007 als Geschäftsführer der Firma Pe... Ltd. (Anl. K 06, Bl. 51 d.A.), und am 02.08.2007 im eigenen Namen eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung gegenüber der darin bezeichneten „Q... Se... LDA, A... d... I... ...0, 9... F... M..., Portugal“ ab (Anl. K 07, Bl. 52 d.A.). Diese nahm der Klägervertreter jeweils mit dem Betreff „Q... S... LDA ...“ am 26.07.2007 und 03.08.2007 an (Anl. K 08 und K 09; Bl. 53, 54 d.A.). Nach der Abmahnung führte der Beklagte unter der am 17.07.2007 mit Hilfe eines Strohmanns gegründeten Firma P-T... Ltd. (Anl. K 16, Bl. 61 d.A.) den Verkauf von Waren unter der Klagemarke (Anl. K 18, Bl. 63 d.A.) weiter. Im Zeitraum 24.09.207 bis 13.02.2008 erlangte er durch die im Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth (3 KLs 504 Js 185/08) vom 23.03.2009 auf den S. 5 bis 14 festgestellten Verkäufe einen Umsatz in Höhe von 417.892,74 EUR (Anl. K 04, Bl. 49 d.A.). Mit Schreiben vom 16.05.2008 setzte die Klägerin die Gesamtvertragsstrafe auf 520.000,00 EUR fest und forderte den Beklagten unter Hinzuziehung von Abmahnkosten zur Zahlung von insgesamt 522.687,60 EUR bis zum 06.06.2008 auf (Anl. K 17, Bl. 62 d.A.). Nach Abtrennung des Verfahrens gegen den früheren Beklagten Ziff. 2 erließ die Kammer auf Antrag der Klägerin das Teil-Versäumnisurteil vom 07.04.2011 (Bl. 88 f. d.A.) mit dem folgenden Inhalt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 327.187,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 07.06.2008 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, durch Vorlage von Einkaufsbelegen, Rechnungen und Lieferscheinen Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der Waren zu erteilen, die er im geschäftlichen Verkehr der Europäischen Union mit dem Zeichen „L... M...“, insbesondere wie nachfolgend abgebildet
angeboten, in den Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken besessen, eingeführt, ausgeführt oder beworben hat, sofern die Waren nicht unter diesem Zeichen von der Klägerin oder mit ihrer Zustimmung im Inland, einem der übrigen Staaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden sind, und zwar unter der Angabe des Namens und der Anschrift des Herstellers, von Lieferanten und etwaigen Vorbesitzern, der gewerblichen Abnehmer und der Auftraggeber.
10 
3. Der Beklagte wird verurteilt, mit Belegen Auskunft zu erteilen über die Menge der bestellten, erhaltenen und ausgelieferten Waren gemäß Ziffer 2, die Einkaufszeiten und Verkaufszeiten, Einkaufspreise und Verkaufspreise, sonstige über die Einkaufspreise hinausgehende Gestehungskosten, die mit dem Verkauf erzielten Nettoumsätze und den mit dem Verkauf erzielten Gewinn.
11 
Gegen das am 26.04.2011 zugestellte Teilversäumnisurteil legte der Beklagte am 10.05.2011 Einspruch ein. Mit Schriftsatz vom 18.11.2011 erklärte der Beklagte gegenüber dem Klägervertreter den Widerruf seiner Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 02.08.2007 unter Bezugnahme auf § 178 BGB (Anl. B 3, Bl. 135 d.A.).
12 
Das Landgericht hat die nachfolgend im Einzelnen zu behandelnden, bereits erstinstanzlich vorgebrachten Einwendungen des Beklagten in der Sache abschlägig beschieden.
13 
Es hat das bezeichnete Teilurteil vom 07.04.2011 aufrechterhalten und die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten.
14 
Dagegen wendet sich die Berufung des Beklagten,
der die vier nachfolgend - allerdings in abweichender Reihenfolge - abzuhandelnden Einwendungen (vgl. Bl. 186) erneut nun gegen die landgerichtliche Entscheidung als Berufungsrügen stellt.
15 
Der Beklagte beantragt:
16 
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Teil-Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 02.08.2012, Az.: 17 O 749/10 aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.
17 
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
18 
Hilfsweise: Das Teil-Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 02.08.2012, Az.: 17 O 749/10 wird aufgehoben und der Rechtstreit wird zur Neuverhandlung an das Landgericht Stuttgart zurückverwiesen.
19 
Die Klägerin beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen.
21 
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig.
22 
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die Verhandlungsniederschriften verwiesen (§ 313 Abs. 2 S. 2 ZPO).
B
1.
23 
Einwand: Klägerin nicht existent.
a)
aa)
24 
§ 56 Abs. 1 ZPO verpflichtet die Gerichte zwar nicht, in jedem Rechtsstreit von Amts wegen eine umfassende Prüfung aller in der Vorschrift genannten Prozessvoraussetzungen vorzunehmen. Sie haben in dieser Hinsicht lediglich einen Mangel von Amts wegen zu berücksichtigen. Eine Prüfung ist aber dann angezeigt, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass Prozessunfähigkeit vorliegen oder eine Partei ihre Rechts- und Parteifähigkeit verloren haben könnte. Entsprechendes gilt für die Frage, ob eine Partei überhaupt existiert (BGH NJW 2011, 778 [Tz. 14]). Die Existenz und damit die Parteifähigkeit jeder an einem Rechtsstreit beteiligten Partei gehört zu den Prozessvoraussetzungen, deren Mangel das Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen hat und ohne die ein Sachurteil nicht ergehen darf. Das Gericht ist deshalb gehalten, alle in Frage kommenden Beweise zu erheben, wobei es nicht an die förmlichen Beweismittel des Zivilprozesses gebunden ist, weil der Grundsatz des Freibeweises gilt, sodass der Beweis mit allen möglichen Mitteln erhoben werden kann (BGH a.a.O. [Tz. 16]). Eidesstattliche Versicherungen sind dabei Beweismittel im Freibeweisverfahren (BGH NJW 2003, 2460; Bacher in BeckOK-ZPO [Stand: 15.01.2013], § 284, 16; a.A. Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl. [2012], § 284, 3), wobei ihr Beweiswert zum Nachweis in der Regel nicht ausreichen wird (BGH a.a.O.; Bacher a.a.O. 16).
bb)
25 
Eine Abhängigkeit dieser Beweisführung hinsichtlich der Prozessführungsvoraussetzungen von der Zustimmung der Parteien (§ 284 S. 2 ZPO) besteht nicht (BGH NJW 2008, 1531 [Tz. 20]; Bacher a.a.O. § 284, 14; Prütting in MünchKomm, ZPO, 4. Aufl. [2013], § 284, 27 und 28).
cc)
26 
Der Freibeweis setzt aber nur die formalen Anforderungen an die Beweiserhebung herab (BGH NJW 1997, 3319, 3320; Bacher a.a.O. 15), nicht jedoch die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung; das Beweismaß wird nicht verändert (BGH NJW 2003, 1123, 1124; 1997, 3319, 3320; Bacher a.a.O. 15; Prütting a.a.O. 26).
dd)
27 
Als Übersetzung einer fremdsprachigen Erklärung kann im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens dem Gericht auch eine solche durch eine private Person genügen (Prütting in Prütting/Gehrlein, ZPO, 4. Aufl. [2012], § 142, 15; Baumbach/Lauter-bach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. Aufl. [2013], § 142, 20).
b)
28 
Hinsichtlich dieses Einwandes hat schon Beachtung zu finden, dass dem Beklagten Anhaltspunkt, die Frage hinsichtlich der Existenz der Klägerin aufzuwerfen, und damit, dem Gericht Anhaltspunkte zur amtswegigen Prüfung zu geben, war, an die von der Klägerin vorgetragene Übertragung der Klagemarke und der gesellschaftlichen Umgliederung der Unternehmensgruppe die Erwägung zu knüpfen: „Es ist insbesondere nicht erkennbar, in welcher Weise die hiesige Klägerin an dieser Umstrukturierung teilgenommen hat und ob sie überhaupt noch existent ist. Es wird daher bestritten, dass die hiesige Klägerin überhaupt noch existiert“ (Bl. 117). „Gerade vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Klägerin bis dahin fast von Anfang an die Unwahrheit über ihre Markeninhaberschaft vorgetragen hatte, war die Existenz der Klägerin zu bestreiten“ (Bl.186). Damit ist dem Einwand des Beklagten zu entnehmen, die Klägerin sei untergegangen, und nicht, sie habe es noch nie gegeben. Ob diese Mutmaßung schon ausreicht, in ihr eine ins Blaue hinein, aufs Geratewohl aufgestellte, weil ersichtlich ohne zuvor die naheliegenden eigenen Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft zu haben vorgebrachte Behauptung zu sehen (vgl. hierzu BGH U. v. 26.02.2013 - XI ZR 425/10 [Tz. 24]), kann auf sich beruhen. Da die Q... S... SA (Schweiz) am 21.01.2011 gegründet worden (Bl. 108) und die gesellschaftliche Umstrukturierung erst im März 2011 geschehen ist (vgl. Bl. 210, 99, 107; das Bestreiten des Beklagten [Bl. 117] bezieht sich darauf nicht), ist nur auf die die Existenz der Klägerin verändernde Umstände nach diesem Zeitpunkt abzustellen. Der eidesstattlichen Versicherung des Rechtsanwaltes Dr. C... (K 30 = Bl. 131) ist ein Internetausdruck vom 07.09.2011 aus www.p... .pt beigefügt, der auch „Q... Se... LDA“ ausweist und auch bei nur geringer Kenntnis romanischer Sprachen am Ende des Ausdrucks erkennen lässt, dass der Ausdruck gültig ist bis zum 07.09.2012. Schon dies steht für die Existenz der Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt. Diese Wertung findet nur ihre ergänzende Bestätigung durch die an Eides statt geschehene Übersetzung des bei der Klägerin tätigen Rechtsanwaltes Dr. C... . Die geäußerten Zweifel der Klägerin gegen die Erklärung dieser Mittelsperson verfangen nicht. Soweit er sich auf den beigefügten Online-Handelsregisterauszug, „die Originalfassung in portugiesischer Sprache“, bezieht (K 30 = Bl. 131), drückt sich darin selbstredend nicht aus, dass ihm der „Handelsregisterauszug im Original“ (so aber der Beklagte Bl. 187) vorgelegen habe. Es wird auch dieser Person nur schwerlich gelingen, das Register auf M... oder nur die entsprechende Registerseite nach Deutschland zur Akte zu verbringen. Dies ist aber auch nicht Erklärungsgehalt. Die Originalfassung bezeichnet nur den beigefügten, in portugiesischer Sprache gehaltenen Originalausdruck.
29 
Nach dem ohnehin beschränkten Anlass, die Existenz der Klägerin in Zweifel zu ziehen, der Vorlage des Registerausdrucks für den hier relevanten Zeitraum mitsamt einer - nur ergänzend, aber nicht selbstständig tragend zu wertenden - Übersetzung, welche nach den bezeichneten Umständen Gefolgschaft verlangen kann, und dem ebenfalls nur in diesem Sinne ergänzend zu verstehenden Umstand, dass die Klägerin auch heute noch im Internet aufgerufen werden kann, kann mit dem Landgericht als erwiesen angesehen werden, dass es sich bei der Klägerin um eine immer noch existente Rechtsperson handelt.
2.
30 
Prozessvollmacht des Klägervertreters.
a)
aa)
31 
Der Nachweis der bestrittenen Vollmacht kann gemäß § 80 S. 1 ZPO nur durch Vorlage einer Vollmachtsurkunde geführt werden (BGH FamRZ 2012, 26 [Tz. 7]). Zum Nachweis der Bevollmächtigung ist das Original der Vollmachtsurkunde vorzulegen. Schriftstücke, die lediglich einen durch technische Übertragungsverfahren hergestellten Abdruck der Originalurkunde enthalten (Telefaxe, Fotokopien), reichen hierfür nicht aus (BGHZ 126, 266 [juris Tz. 9]; NJW-RR 2002, 933; Toussaint in MünchKomm-ZPO, 4. Aufl. [2013], § 80, 11; Weth in Musielak, ZPO, 9. Aufl. [2012], § 80, 14; Piekenbrock in BeckOK-ZPO [Stand: 15.01.2013], § 80, 13). Das Nachweiserfordernis bezieht sich nicht allein auf die Prozessvollmacht des im Prozess handelnden Vertreters. Wurde die Prozessvollmacht nicht unmittelbar von der Partei bzw. deren gesetzlichem Vertreter erteilt, muss vielmehr die Vollmachtskette lückenlos in der Form des § 80 nachgewiesen werden (BGH NJW-RR 2002, 933; Toussaint a.a.O. § 80, 12; Vollkommer in Zöller a.a.O. § 80, 7; Piekenbrock in BeckOK-ZPO a.a.O. § 80, 12). Der Unterbevollmächtigte hat den Vollmachtsnachweis also in der Weise zu führen, dass seine Vertretungsmacht bis auf die Partei zurückgeführt werden kann; er muss nicht nur die Untervollmacht nachweisen, sondern auch die Vertretungsmacht der Person, von der er die Untervollmacht ableitet (BGH NJW-RR 2002, 933; Weth in Musielak a.a.O. § 80, 13).
bb)
32 
Ergibt sich die Prozessvollmacht aus einer umfassenden materiell-rechtlichen Handlungsbefugnis, so genügt ein entsprechender urkundlicher Nachweis (Weth in Musielak a.a.O. § 80, 15; Toussaint a.a.O. § 80, 2; Kayser in Saenger, ZPO, 2. Aufl. [2007], § 80, 7; Steiner in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 80, 6). Danach muss sie nicht zwingend auf den konkreten Prozess hin erteilt werden (Kayser a.a.O. § 80, 7).
cc)
33 
Auch der Nachweis der ordnungsgemäßen Vertretung geschieht im Freibeweis (Lindacher in MünchKomm-ZPO, 4. Aufl. [2013], § 52, 46; Hübsch in BeckOK-ZPO [Stand: 15.01.2013], § 56, 4; vgl. allg. BGH NJW 2011, 778 [Tz. 14]).
b)
aa)
34 
Mit dem Landgericht kann festgestellt werden, dass eine Originalvollmacht vorliegt vom 27.05.2010 (Bl. 110 - Anl.), ebenso wie eine solche vom 10.10.2007 (ebenda). Sie erteilt dem Klägervertreter eine Handlungsvollmacht, welche auch die Einreichung der vorliegenden Klage und die Durchführung dieses Prozesses einschließt. Dass Frau S... L... P... gesetzliche Vertreterin der Klägerin zum Zeitpunkt der bezeichneten Urkundenerrichtung war, was der Beklagte nicht minder bestritten hat (Bl. 115; vgl. auch Bl. 107), ist durch den Ausdruck des Online-Handelsregisterauszuges (K 30 = Bl. 131 und Anlagen) als nachgewiesen anzusehen. Eine Bindung an das Bestreiten des Beklagten (vgl. Bl. 105), wie er annimmt (Bl. 115), hat danach nicht stattgefunden.
bb)
35 
Zwar mag das Vorbringen des Beklagten angesichts seines ohnehin breit angelegten Bestreitens einem Verständnis auch dahin zuführbar gewesen sein, dass er auch bestreite, dass die Unterschrift von Frau P... echt sei (vgl. Bl. 116). Das Landgericht hat insofern aber festgestellt (US 10): „Der Beklagte hat darüber hinaus nicht behauptet, dass die Vollmacht vom 27.05.2010 nicht von Frau S... L... P... unterzeichnet wurde. Aus dem Umstand, dass er die Aussagekraft der Urkunde des Herrn P... E... G... vom 04.06.2010 verneint hat (Schriftsatz vom 27.09.2011, S. 3, 3. und 4. Absatz), ergibt sich kein Bestreiten der Echtheit der Vollmacht“.
36 
Diese Feststellung hat keinen Berufungsangriff erfahren. Sie bindet danach den Senat. Auch darauf hat der Senat in seiner mündlichen Verhandlung hingewiesen.
cc)
37 
Ungeachtet dessen ist auch nach der Apostille von der Echtheit der Unterschrift auszugehen.
38 
Insoweit mag ein Bestreiten zulässig gewesen sein (vgl. BGH ZIP 2013, 364 [Tz. 16]). Nach dem Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation fällt die vorgelegte Apostille (Bl. 110 - Anl.) in den Anwendungsbereich dieses Übereinkommens (Art. 1 Abs. 2 d) und wird den Anforderungen nach Artt. 2, 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 und 2 gerecht. Dass es den „Notary Public“ G... auf der Isle of Man nicht gebe (so Beklagter Bl. 113), ist widerlegt (K 29 = Bl. 125). Die Apostille entspricht genau den Anforderungen von Art. 4 des Übereinkommens im Verbund mit der bezeichneten Anlage. Dass diese der äußeren Form nach gehalten sein muss „in the form of a square with side at least 9 centimetres long“, bedeutet - ungeachtet der Frage, welche Rechtsfolge an eine Verfehlung dieser äußeren Form zu knüpfen wäre - nicht, dass das Zertifikat zwingend quadratisch gehalten sein muss, da sich für „square“ in Wörterbüchern auch „Viereck“ und „Karo“ findet, während das Quadrat auf Englisch seine Entsprechung in den Wörtern mutton, quad, quadrat hat, wenngleich auch, aber eben nicht ausschließlich in „square“. Die Apostille trägt auch ein Siegel an der dafür vorgesehenen Stelle. Das Siegel bedarf nicht seinerseits einer weiteren Bestätigung (Art. 5 Abs. 3 des Übereinkommens). Die Erklärung des Notary Public G... bestätigt auch, dass es sich um die Originalunterschrift von „Mrs. S... P...“ handelt; dies bedarf keiner weiteren Übersetzungsleistung, da alle Richter des Senats die englische Sprache insoweit zu verstehen vermögen (vgl. hierzu Greger in Zöller a.a.O. § 142, 17; Stadler in Musielak, ZPO, 9. Aufl. [2012], § 142, 10; Prütting in Prütting/Gehrlein a.a.O. § 142, 15; von Selle in BeckOK-ZPO [Stand: 30.10.2012], § 142, 19). Dies hat der Senat in der mündlichen Verhandlung kundgetan. Nach diesen Umständen und mit dieser Verlautbarung ist die Echtheit der Urkunde nachgewiesen gemäß Art. 5 Abs. 2 des Übereinkommens (vgl. auch OLG Dresden NJOZ 2011, 1839 [II. 2.]; vgl. auch Geimer in Zöller a.a.O. § 438, 1).
3.
39 
Mangelnde Aktivlegitimation der Klägerin (Q... S... LDA oder Q... Se... LDA).
40 
Auch insoweit vermag der Senat der angefochtenen Entscheidung beizutreten.
a)
41 
Am 13.07.2007 (K 05 = Bl. 50) wurde die Gesellschaft, deren Geschäftsführer der Beklagte war, von den Klägervertretern unter Anzeige ihrer Beauftragung durch die „Fa. Q... S... LDA ...“ abgemahnt; auf diese Rechtsperson lautete auch die vorgefertigte Unterlassungsverpflichtungserklärung sowie die beigefügte Vollmacht, von der jene Abgemahnte, unterschrieben vom Beklagten, allerdings keinen unmittelbaren Gebrauch machte, sondern eine eigene Erklärung abgab, welche nun als Versprechensempfängerin anführte: Q... Se... LDA“ (K 06 = Bl. 51), mit allerdings identischer Adresse. Unstreitig ist und vom Landgericht auch so festgestellt, dass es eine solche Gesellschaft nicht gibt. In gleicher Weise gab der Beklagte - und hier streitbetroffen - seine eigene „Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung“ ab (K 07 = Bl. 52). Unter der Bezeichnung „Q... Se... LDA ...“ hat die Klägervertreterin die Erklärung des Beklagten am 3.08.2007 angenommen (K 09 = Bl. 54), nachdem die vormalige Beklagtenvertreterin dem Klägervertreter die vom Beklagten unterzeichnete Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung übersandt hatte, und zwar ihrerseits unter dem Betreff: „... ./. Fa. Q... S... LDA“ (K 28 = Bl. 102).
b)
42 
Der Versuch des Beklagten, ein Zustandekommen des Unterlassungs- und Verpflichtungsvertrages mit der Klägerin zu leugnen, da er die Erklärung ohne weiteres gegenüber einer nicht existenten Rechtsperson („Q... Se... LDA“) habe abgeben können (vgl. Bl. 93 und 190), verfängt aus den schon vom Landgericht angestellten Erwägungen nicht, auf welche Bezug genommen wird und welche sich der Senat zu Eigen macht (falsa demonstratio non nocet).
c)
43 
Ohnehin gilt: Auch im Rahmen des für einen modifizierten Zuschlag geltenden § 150 Abs. 2 BGB sind die Grundsätze von Treu und Glauben anzuwenden. Sie erfordern, dass der Empfänger eines Vertragsangebotes, wenn er von dem Vertragswillen des Anbietenden abweichen will, dies in der Annahmeerklärung klar und unzweideutig zum Ausdruck bringt. Erklärt der Vertragspartner seinen vom Angebot abweichende Vertragswillen nicht hinreichend deutlich, so kommt der Vertrag zu den Bedingungen des Angebots zu Stande (BGH BauR 2012, 1941 [Tz. 18]; so schon BGH BauR 1983, 252, 253; LM Nr. 2 zu § 150 BGB = DB 1952, 249 [Ls.]).
44 
Danach ist der Vertrag auch als mit der Klägerin geschlossen zu behandeln.
4.
a)
45 
Unwirksame Vertragsstrafenvereinbarung, da Angebot von vollmachtlosem Vertreter unterbreitet worden und Widerruf des Beklagten vor Genehmigung erfolgt ist (§ 178 S. 1 BGB).
aa)
46 
Die Abmahnung geschah im Juli 2007, am 02.08.2007 übernahm der Beklagte persönlich die streitbetroffene Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung (K 07 = Bl. 53), am 03.08.2007 nahmen die Klägervertreter diese an (K 09 = Bl. 54).
bb)
47 
Wie ausgeführt und schon vom Landgericht zutreffend erkannt, verfügten die Klägervertreter über eine Generalvollmacht der Geschäftsführerin vom 27.05.2010 (Bl. 110 - Anl.), im Übrigen über eine solche vom 10.10.2007 (Bl. 110 - Anl.) und wohl auch über eine solche vom 22.07.2009 (K 27 = Bl. 101). Zu dieser Zeit war Frau S... L... P... bereits Geschäftsführerin der Klägerin, wie der Online-Handelsregister-ausdruck (K 30 = Bl. 131 - Anl.) unschwer erkennen lässt und auch die Übertragung durch Dr. C... (ebenda) ausweist. Dass daneben einem Herrn L... noch eine Unter-/Generalvollmacht gegeben gewesen sein soll, berührt die originäre Rechtsmacht der gesetzlichen Vertreterin der Klägerin nicht, mithin ihr Recht, für diese Gesellschaft weitere, etwa einzelne Geschäftsbereiche - wie hier - berührende Vollmachten zu erteilen. Mit dieser umfassenden Vollmacht mag schon eine Genehmigung des als vollmachtlos geschlossen gedachten Abschlusses des Unterlassungs- und Verpflichtungsvertrages mit dem Beklagten einhergegangen sein (vgl. zur Genehmigung auch schlüssigen Handelns etwa Ellenberger in Palandt, BGB, 72. Aufl. [2013], § 177, 6). Sie geschah jedenfalls spätestens dadurch, dass die Klägervertreter, eingehend am 31.12.2010, aus diesem Vertrag Klage erhoben haben, wozu sie nach der ihnen erteilten umfassenden Handlungsmacht bevollmächtigt waren. Der Widerruf des Beklagten im Rechtsstreit (Bl. 134, 142) und durch Schreiben vom 18.11.2011 (B 3 = Bl. 135 bis 136) traf danach auf ein schon genehmigtes Geschäft und ging danach ins Leere.
b)
48 
Unberechtigte Vertragsstrafengeltendmachung, da Klägerin nicht mehr Forderungsinhaberin.
aa)
49 
Wie aufgezeigt, ist die Klägerin Inhaberin der Ansprüche gegen den Beklagten aus dem zwischen ihr und ihm geschlossenen Unterlassungs- und Verpflichtungsvertrag.
bb)
50 
Zwar entspricht es dem eigenen Vorbringen der Klägerin, dass sie im Zuge einer Umgliederung die Gemeinschaftsmarke an die Firma Q... Si... SA, C... (CH), übertragen hat (vgl. B 1 = Bl. 106).
cc)
51 
Dass damit zugleich ein Verlust der vorliegend im Streit stehenden Forderungsinhaberschaft der Klägerin verbunden gewesen wäre, ist eine vom Beklagten daran angeknüpfte, durch nichts näher belegte oder gar unter Beweis gestellte Spekulation.
(1)
52 
Allgemeinen Beweislastregeln folgend ist der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet für die Behauptung, der Forderungsinhaber habe sein Recht wieder verloren (vgl. allg. BGH WuM 2013, 160 [Tz. 28]; MDR 2013, 232 [Tz. 18]). Auch dies war Gegenstand eines in der mündlichen Verhandlung so erteilten Hinweises.
(2)
53 
Zwar mag die Klägerin eine sekundäre Darlegungslast treffen, da interne, der Wahrnehmung des Beklagten selbst nicht unmittelbar zugängliche Vorgänge betroffen sind (vgl. BGH MDR 2013, 232 [Tz. 18]). Dieser Obliegenheit ist die Klägerin aber nachgekommen; sie hat Vortrag dazu gehalten und hierfür Zeugenbeweis angeboten (Bl. 108). Der Beklagte hat sich hierzu nur mit Beharren auf seinem gegenläufigen Standpunkt verhalten, die naheliegende Möglichkeit, sich seinerseits auf diesen Zeugen zu berufen, aber bewusst abgelehnt.
(3)
54 
Dass tatsächliches Vorbringen hierzu entbehrlich wäre, weil sich der behauptete Rechtsverlust schon aus dem Gesetz ergäbe, ist weder dargetan noch ersichtlich.
55 
(aaa)
56 
Die Gemeinschaftsmarke kann, unabhängig von der Übertragung des Unternehmens, für alle oder einen Teil der Waren oder Dienstleistungen, für welche sie eingetragen ist, Gegenstand eines Rechtsübergangs sein (Art. 17 Abs. 1 GMV; vgl. auch Schennen in Eisenführ/Schennen, GMV, 3. Aufl. [2010], Art. 17, 7 f). Danach ergibt sich daraus zwingend nichts für eine Gesamtübertragung.
57 
(bbb)
58 
(α)
59 
Nach welchem Recht die Übertragung/der Verkauf stattgefunden hat, ist offen, aber vorliegend auch unerheblich.
60 
(β)
61 
Da die Vertragsstrafenvereinbarung nach Darlegung des Beklagten vollmachtlos geschehen war und - wie aufgezeigt - erst durch Genehmigung Wirksamkeit erlangte, ist im Hinblick auf die zeitliche Schranke (ab 17.12.2009) vorliegend das Rom-I-Abkommen anwendbar (Rom-I Art. 28; allg. hierzu Thorn in Palandt, BGB, 72. Aufl. [2013], Art. 28 Rom-I, 2; Magnus in Staudinger, BGB [2011], Art. 28 Rom-I-VO, 8).
62 
Dies kann letztlich aber auf sich beruhen, da auch nach altem Recht das Forderungsstatut maßgeblich war.
63 
(γ)
64 
Das Recht, dem die übertragene Forderung unterliegt, bestimmt nämlich ihre Übertragbarkeit, das Verhältnis zwischen Zessionar und Schuldner und die Voraussetzungen, unter denen die Übertragung dem Schuldner entgegengehalten werden kann (Rom-I Art. 14 Abs. 2; vgl. auch Thorn in Palandt a.a.O. Rom-I, Art. 14, 5). Nichts anderes galt unter dem Rom-I vorausgegangenen alten IPR (Art. 33 Abs. 2 EGBGB; vgl. auch OLG Düsseldorf WM 1995, 808 [juris Tz. 30]; Heldrich in Palandt, BGB, 61. Aufl. [2002], Art. 33, 2).
65 
(δ)
66 
Das Vertragsstatut war deutsches Recht, da entweder schon eine Rechtswahl zu Gunsten dieses Rechtskreises nach den Umständen des Zusammenkommens des Unterlassungs- und Verpflichtungsvertrages getroffen worden war (vgl. Art. 27 Abs. 1 EGBGB), jedenfalls aber richtete sich das maßgebliche Recht hinsichtlich dieses Vertrages nach dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Schuldners, hier des Beklagten (Art. 28 Abs. 1 und 2 EGBGB; vgl. Heldrich a.a.O. Art. 28 EGBGB, 2 und 3; Rom-I Art. 4 Abs. 2; vgl. hierzu Thorn in Palandt a.a.O. Rom-I, Art. 4, 22). Denn die charakteristische Leistung sollte vom Beklagten erbracht werden, nämlich ein (strafbewehrtes) Unterlassen.
67 
(ccc)
68 
(α)
69 
Der Vertragsstrafenanspruch kann wegen der Akzessorietät zur Hauptverbindlichkeit vor Verwirkung der Strafe nicht wirksam abgetreten werden (BGHZ 109, 230 [juris Tz. 11]; Grüneberg in Palandt a.a.O. § 339, 13).
70 
(β)
71 
Der Vertragsstrafenanspruch geht auch mit der Hauptforderung über, wenn diese abgetreten oder im Falle von § 25 HGB von einem Unternehmensnachfolger übernommen wird (Grüneberg a.a.O. 13; Schaub in Erman, BGB, 13. Aufl. [2011], § 339, 4). Unstreitig abtretbar ist aber der Anspruch auf die bereits verwirkte Strafe (allg. Gottwald in MünchKomm-BGB, 6. Aufl. [2012], § 339, 15; Schaub a.a.O. 4; Rieble in Staudinger, BGB [2009], § 339, 399; Busche in Staudinger, BGB [2012], § 401, 32; Stadler in Jauernig, BGB, 14. Aufl. [2011], § 339, 24; vgl. auch Janoschek in Bamberger/Roth, BGB [Stand: 01.02.2013], § 339, 3). Die schon entstandene Vertragsstrafe geht nicht über gemäß § 401 BGB (Rieble in Staudinger a.a.O. § 339, 401; Grüneberg a.a.O. § 401, 6; Lindacher in Soergel, BGB, 13. Aufl. [2010], § 339, 28; Ballhaus in RGRK-BGB, 12. Aufl., § 339, 23; krit. Gottwald a.a.O. § 339, 15; Busche a.a.O. § 401, 32 m.N.).
72 
(γ)
73 
Da die Vertragsstrafe vor der Umstrukturierung im März 2011 verwirkt und die Forderung in der Person der Klägerin als Gläubigerin erwachsen war, hatte sie ein eigenständiges rechtliches Schicksal und war sonach nicht kraft Gesetzes auf die Erwerberin der Marke übergegangen.
74 
Ungeachtet dessen ist ohnehin dafür zu halten, dass die Hauptforderung, welche Akzessorietät auslösen könnte, nicht die Marke, sondern der Unterlassungs- und Verpflichtungsvertrag ist. Die Vertragsstrafe folgte dann ohnehin nicht der Markenrechtsübertragung, und die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ist nicht, jedenfalls nicht nachweisbar, übertragen worden.
C
75 
Zur Höhe der Vertragsstrafe verhält sich die Berufung nicht.
76 
Selbst wenn angenommen wird, dass mit einer zulässigen Berufung eine Vollkontrolle der erstinstanzlichen Entscheidung zu geschehen hat auch bezüglich solcher Streitpunkte, mit denen sich die Berufungsbegründung nicht auseinandersetzt (vgl. BGH GRUR 2013, 275 [Ls. und Tz. 39] - Routenplanung), so ergibt dieser Ansatz ebenfalls keinen Korrekturbedarf. Schon die Klägerin hat die maßgeblichen Gesichtspunkte für die Bemessung detailliert aufgezeigt, der Beklagte hat sich auf den pauschalen Einwand der Überhöhung (Bl. 94) sowie darauf beschränkt, dass seine Gewinnmarge bei der Verwertung der Fälschungen niedrig gewesen sei (Bl. 94). Letzteres ist aber nach der Fassung seines Vertragsstrafeversprechens gerade kein Bemessungsmerkmal, da je Verstoß ein Mindestbetrag vorgegeben war (K 07 = Bl. 52, Ziff. 3). Das angefochtene Urteil hat die maßgeblichen Wertungsmomente aufgenommen, ausführlich und nachvollziehbar wägend begründet und gelangt zu einem Ergebnis, dem der Senat ebenfalls beizutreten vermag.
II.
77 
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 542, 543 i.V.m. § 3 ZPO.
78 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
79 
Der Senat folgt ausschließlich anerkannten, auch höchstrichterlich gebilligten Rechtsgrundsätzen. Die Sachbehandlung erschöpft sich einzig in deren Umsetzung auf den vorliegenden Einzelfall.
80 
Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens folgt aus dem ausgeurteilten Hauptbetrag (327.187,60 EUR) zuzüglich dem Wert der Auskunfts- und Rechnungslegungsaussprüche, bezüglich deren eine Wertvorgabe der Klägerin besteht (Bl. 45), welche keinen Widerspruch erfahren hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 50/05
vom
23. Februar 2006
in dem Verfahren wegen Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja (bezüglich des Leitsatzes zu a) und B. I. der Gründe)
BGHR: ja

Das Oberlandesgericht ist im Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines
Schiedsspruchs nicht an einer (streitigen) Sachentscheidung gehindert,
wenn der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht
säumig ist; in diesem Verfahren ist ein "Versäumnisbeschluss"
analog § 330 ZPO nicht zulässig.

b) UdSSR: HdlSeeschAbk Art. 8 Abs. 3 Satz 1 lit. b
Zur Frage eines Verstoßes gegen den ordre public international, wenn das
Schiedsgericht die gesetzlich vorgeschriebene (Zwischen-)Entscheidung
über seine Zuständigkeit unterlassen und sogleich in der Sache entschieden
hat.
BGH, Beschluss vom 23. Februar 2006 - III ZB 50/05 - OLG Karlsruhe
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Februar 2006 durch den
Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Galke und
Dr. Herrmann

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 9. Zivilsenat in Freiburg - vom 3. März 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerderechtszugs, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 69.065,89 € = 135.081,14 DM.

Gründe:


A.


1
Aufgrund eines Vertrages über die Lieferung von Fichtenbrettern beansprucht die Antragstellerin von der Antragsgegnerin die Zahlung restlicher Vergütung sowie Vertragsstrafe und Schadensersatz. Gestützt auf eine Schiedsklausel in dem Vertrag vom 1. Dezember 1999 erhob die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin Schiedsklage vor dem Schiedsgericht bei der Weißrussischen Industrie- und Handelskammer Minsk. Das Schiedsgericht gab der An- tragsgegnerin Kenntnis von der Schiedsklage. Die Antragsgegnerin lehnte es jedoch ab, sich an dem Schiedsverfahren zu beteiligen. Sie machte geltend, eine wirksame Schiedsvereinbarung liege nicht vor. Ferner kündigte sie an, ab sofort keine Briefe des Schiedsgerichts mehr anzunehmen.
2
Das Schiedsgericht erklärte sich im Schiedsspruch vom 15. August 2000 für zuständig und verurteilte die Antragsgegnerin, 129.771,26 DM und 2.370,60 US-Dollar an die Antragstellerin zu zahlen.
3
Die Antragstellerin hat beantragt, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären. Das Oberlandesgericht hat den Antrag zurückgewiesen und ausgesprochen , der Schiedsspruch sei im Inland nicht anzuerkennen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihr Begehren, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, weiterverfolgt.

B.


4
Die - gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zulässige - Rechtsbeschwerde ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.


5
Das Oberlandesgericht hat allerdings zu Recht in der Sache entschieden. Der Antrag war nicht, wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung fordert, wegen Säumnis der Antragstellerin als unzulässig zu verwerfen.

6
1. Das Oberlandesgericht hat zu diesem Punkt ausgeführt, die Antragstellerin sei in der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2004 nicht säumig gewesen, weil sie durch einen Rechtsanwalt wirksam vertreten worden sei. Sie habe einen gerade noch genügenden Nachweis erbr acht, diesem Rechtsanwalt Prozessvollmacht erteilt zu haben.
7
2. Die Antragstellerin war in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht säumig. Denn sie war, wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung mit der Gegenrüge zu Recht geltend macht, nicht durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt vertreten. Dieser Umstand hinderte aber nicht eine - streitige - Sachentscheidung über die Anerkennung des Schiedsspruchs; gegen die Antragstellerin war insbesondere ein "Versäumnisbeschluss" analog § 330 ZPO nicht zulässig.
8
a) Der Antragstellerin ist - nach Rüge der Antragsgegnerin - von dem Oberlandesgericht aufgegeben worden, die den Verfahrensbevollmächtigten erteilte Vollmacht nachzuweisen. Daraufhin hat der Antragstellervertreter - nach Ablauf der von dem Oberlandesgericht gesetzten Frist, was aber mangels Ausschlusswirkung unschädlich war (vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl. 2004 § 89 Rn. 6) - die Telekopie einer "Vollmacht zu meiner/unserer außergerichtlichen Vertretung" vorgelegt.
9
b) Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Verfahrens gerügt werden (§ 88 Abs. 1 ZPO). Der Gegner hat auf diese Rüge die Bevollmächtigung - abgesehen von hier nicht gegebenen Sonderfällen (vgl. Stein/Jonas/Bork aaO § 80 Rn. 23 f) - durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen und diese zu den Gerichtsakten abzugeben (§ 80 Abs. 1 ZPO). Der Nachweis der schriftlichen Vollmacht kann nur durch Einreichung der Originalurkunde - gegebenenfalls in beglaubigter Form (§ 80 Abs. 2 ZPO) - geführt werden, ein urkundlicher Nachweis irgendwelcher Art genügt nicht (BGHZ 126, 266, 267 ff; Senatsurteil vom 5. Juni 1997 - III ZR 190/96 - ZIP 1997, 1474, 1475; Senatsbeschluss vom 27. März 2002 - III ZB 43/00 - NJW-RR 2002, 933). An einer solchen zweifelsfreien Feststellung der Bevollmächtigung besteht ein öffentliches Interesse und ein Interesse des Prozessgegners (vgl. Senatsbeschluss vom 27. März 2002 aaO). Durch schriftliche Vollmacht nachzuweisen sind gegebenenfalls Haupt- und Untervollmacht (vgl. Senatsbeschluss vom 27. März 2002 aaO und BGH, Urteil vom 27. Mai 1986 - IX ZR 152/85 - NJW-RR 1986, 1252, 1253).
10
c) Die Rechtsanwälte R. und Kollegen, die die Antragstellerin (nach Anwaltswechsel) zuletzt in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht vertreten haben, haben den Nachweis nicht in der vorgeschriebenen Form (§ 80 Abs. 1 ZPO) geführt. Sie haben nicht das Original, sondern lediglich die Telekopie einer ihnen von der Antragstellerin erteilten Vollmacht vorgelegt; die Vollmacht sollte zudem nur für die "außergerichtliche(n) Vertretung" gelten. Der Senat hat die Parteien auf die Bedenken gegen den Vollmachtsnachweis hingewiesen; die Antragstellerin hat den Vollmachtsmangel indes nicht geheilt (vgl. Senatsurteil vom 5. Juni 1997 aaO S. 1474, BGH, Urteil vom 7. März 2002 - VII ZR 193/01 - NJW 2002, 1957 f; GemS OGB BGHZ 91, 111, 115 ; BGH, Beschluss vom 16. Mai 1991 - IX ZB 81/90 - NJW 1992, 627; BGHZ 128, 280, 283; BVerfGE 1, 433, 437; Zöller /Vollkommer, ZPO 25. Aufl. 2005 § 89 Rn. 11 f).
11
Demnach ist davon auszugehen, dass die Rechtsanwälte R. und Kollegen, die für die Antragstellerin im Verfahren vor dem Oberlandesgericht aufgetreten sind, nicht bevollmächtigt waren.
12
d) Der von den Rechtsanwälten R. und Kollegen vertretene Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist deshalb aber nicht wegen fehlender Prozesshandlungsvoraussetzung als unzulässig abzuweisen (vgl. GemS OGB BGHZ 91, 111, 114 f; BGH, Beschluss vom 16. Mai 1991 - IX ZB 81/90 - NJW 1992, 627 f; Urteil vom 8. Mai 1990 - VI ZR 321/89 - NJW 1990, 3152 und vom 14. Dezember 1990 - V ZR 329/89 - NJW 1991, 1175, 1176; BFH DB 1978, 238; Stein/Jonas/Bork aaO § 80 Rn. 3; anders BVerwG Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 42). Denn der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist von Rechtsanwalt S. , der früher Verfahrensbevollmächtigter der Antragstellerin war und dessen Vollmacht nie in Frage stand, eingereicht worden. Die Antragstellerin wäre allerdings in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht am 25. November 2004 durch den - nicht bevollmächtigten - Rechtsanwalt "M. " nicht wirksam vertreten und damit säumig gewesen (Stein/Jonas/Bork aaO § 88 Rn. 10).
13
e) Es stellt sich die - vom Senat bislang offen gelassene (vgl. BGHZ 159, 207, 209 f m.w.N.) - Frage, ob die §§ 330 ff ZPO in dem Verfahren der Vollstreckbarerklärung (§ 1025 Abs. 4 i.V.m. §§ 1061 bis 1065 ZPO) anwendbar sind - hier mit der Folge eines "Versäumnisbeschlusses" gegen die Antragstellerin (§ 330 ZPO analog). Sie ist aus den folgenden Gründen zu verneinen:
14
Dem durch das Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3224) neu gestalteten Vollstreckbarerklärungsverfahren ist ein Versäumnisverfahren fremd. Alle gerichtlichen Entscheidungen ergehen nunmehr in einem Beschlussverfahren. Das Urteilsverfahren, welches das frühere Recht für die in § 1046 ZPO (a.F.) aufgeführten Entscheidungen sowie für Entscheidungen über den Widerspruch gegen einen Beschluss , durch den ein Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt wurde, vorsah (vgl. § 1042c Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F.), wurde durch ein vereinfachtes Beschlussverfahren (vgl. § 1060, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2, §§ 1063, 1064 ZPO) ersetzt (vgl. Begründung des Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts - künftig: Begründung - BTDrucks. 13/5274 S. 64). In dem Vollstreckbarerklärungsverfahren ist ein Teil der Aufhebungsgründe nur bei fristgerechter, begründeter Geltendmachung (§ 1060 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 ZPO), ein Verstoß gegen den ordre public (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO) aber stets von Amts wegen zu prüfen (vgl. Begründung aaO S. 61; Senatsbeschluss BGHZ 142, 204, 206; MünchKommZPO-Münch 2. Aufl. 2001 § 1060 Rn. 1 a.E., 9 f; Musielak /Voit, ZPO 4. Aufl. 2005 § 1060 Rn. 1, 9, 11; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO 22. Aufl. 2002 § 1060 Rn. 10; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. 2005 Kapitel 27 Rn. 8 f; s. auch Zöller/Geimer, ZPO 25. Aufl. 2005 § 1060 Rn. 1). Das erstinstanzlich zuständige Oberlandesgericht (§ 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO) entscheidet - wenn Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO in Betracht kommen, nach mündlicher Verhandlung (§ 1063 Abs. 2 Fall 2 ZPO) - stets durch Beschluss (§ 1063 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Hiergegen ist nur die Rechtsbeschwerde statthaft (§ 1065 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO). In diese Systematik fügt sich ein Versäumnisverfahren - insbesondere wegen der Möglichkeit eines "Zweiten Versäumnisurteils" und der dagegen statthaften Berufung nach § 514 Abs. 2 ZPO, die die §§ 1060 ff ZPO nicht kennen, - nicht ein (gegen ein Versäumnisurteil im Vollstreckbarerklärungsverfahren : MünchKommZPO-Münch aaO § 1063 Rn. 3-6, § 1064 Rn. 3; a.A. BayObLGZ 1999, 55, 57; Schwab/Walter aaO Kapitel 28 Rn. 10; wohl auch Stein/Jonas/Schlosser aaO § 1063 Rn. 8a; differenzierend Musielak /Voit aaO § 1063 Rn. 5; Zöller/Geimer aaO § 1059 Rn. 84).
15
3. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung ist nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht davon ausgegangen ist, die Antragstellerin bestehe noch. Die Antragstellerin hatte ihre Fortexistenz durch einen aktuellen weißrussischen Handelsregisterauszug belegt. Dem ist die Antragsgegnerin , die auch in (Weiß-)Russisch korrespondierte, nicht entgegengetreten. Eine Ausschlussfrist war der Antragstellerin nicht gesetzt.

II.


16
1. Das Oberlandesgericht hat die begehrte Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs versagt, weil im Schiedsverfahren der Grundsatz des fairen Verfahrens zu Lasten der Antragsgegnerin verletzt worden sei; dieser ordre public-Verstoß hindere die Vollstreckbarerklärung sowohl nach nationalem wie nach internationalem Recht (§ 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. V Abs. 2 lit. b des Übereinkommens vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, BGBl. 1961 II S. 121 , Art. 8 Abs. 3 Satz 1 lit. b des Abkommens über Allgemeine Fragen des Handels und der Seeschifffahrt zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 25. April 1958, BGBl. 1959 II S. 221 ).
17
Entgegen Art. 22 des Weißrussischen Schiedsgesetzes habe das Schiedsgericht nicht durch Zwischenentscheid über seine - von der Antragsgegnerin bestrittene - Zuständigkeit entschieden und diesen der Antragsgegnerin zugestellt, damit sie gegebenenfalls einen Rechtsbehelf zum Präsidium des Schiedsgerichts einlegen könne. Vielmehr habe es ohne weitere Benachrichtigung der Antragsgegnerin zur Hauptsache verhandelt und im Schiedsspruch inzidenter über seine Zuständigkeit entschieden. Ein solches Abschneiden weiterer Äußerungsmöglichkeit entspreche nicht dem Grundsatz des fairen Verfahrens und sei daher, selbst wenn darin keine Gehörsverletzung liege, anstößig.
18
2. Diese Erwägungen des Oberlandesgerichts halten der rechtlichen Prüfung nicht stand. Nach dem dafür zugrunde zu legenden Sachverhalt kommt die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nach Art. 8 des Abkommens in Betracht.
19
a) Zwar ist im Streitfall die (unmittelbare) Anwendung des UNÜ eröffnet. Nachdem die Bundesrepublik Deutschland den Vertragsstaatenvorbehalt (Art. I Abs. 3 Satz 1 UNÜ) zurückgezogen hat, kann in der Bundesrepublik Deutschland jeder Schiedsspruch, der im Ausland - hier in Minsk/Republik Weißrussland - ergangen ist (Art. I Abs. 1 Satz 1 UNÜ), nach dem UNÜ anerkannt und vollstreckt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 25. September 2003 - III ZB 68/02 - NJW-RR 2004, 1504). Das UNÜ lässt aber - ebenso wie die nationalen Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (vgl. § 1025 Abs. 4 i.V.m. § 1061 Abs. 1 Satz 2 ZPO; Senatsbeschluss vom 25. September 2003 aaO) - die Gültigkeit anderer anerkennungsfreundlicherer mehr- oder zweiseitiger Verträge unberührt (vgl. Art. VII Abs. 1 UNÜ; Senatsurteil vom 9. März 1978 - III ZR 78/76 - NJW 1978, 1744 zum Deutsch-Belgischen Abkommen; diesem Senatsur- teil lässt sich entgegen der Rechtsbeschwerdeerwiderung eine Beschränkung auf die Fälle, in denen der Schiedsspruch im Erlassstaat für vollstreckbar erklärt worden ist, nicht entnehmen; MünchKommZPO-Münch aaO § 1061 Rn. 8 f und MünchKommZPO-Gottwald aaO Art. VII UNÜ Rn. 11; Stein/Jonas/Schlosser aaO Anhang § 1061 Rn. 158 - allgemeine Ansicht). Das deutsche Gericht ist deshalb befugt - auch ohne dass sich die Parteien darauf berufen -, auf anerkennungsfreundlichere Überein- oder Abkommen (oder nationales Recht) in toto zurückzugreifen; denn es hat das Recht - völkerrechtliche Verträge ebenso wie (originär-)nationales Recht - von Amts wegen zu beachten (vgl. Senatsbeschluss vom 25. September 2003 aaO m.w.N.).
20
ursprünglich Das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken geschlossene Abkommen ist im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Weißrussland weiter anzuwenden (vgl. Bekanntmachung vom 5. September 1994, BGBl. II 2533; s. auch die in diesem Verfahren eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 4. November 2005; a.A. MünchKommZPO-Gottwald aaO Art. 8 dt.-sowj. Abk. Rn. 2; s. ferner Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Fn. * zu Art. 8 des Abkommens). Das von der Rechtsbeschwerdeerwiderung vermisste Ratifizierungsgesetz ist im Fall der - von der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Weißrussland ersichtlich übereinstimmend angenommenen - (partiellen ) Rechtsnachfolge der Republik Weißrussland im Verhältnis zur Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (vgl. Bekanntmachung aaO: "Nachfolgestaat") entbehrlich.
21
Das Abkommen bezieht sich nur auf Streitigkeiten, "die aus den Verträgen in Handelssachen" entstanden sind (vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 des Abkom- mens; Stein/Jonas/Schlosser aaO Anh. § 1061 Rn. 222 a.E. i.V.m. Rn. 167; Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze aaO Art. 8 des Abkommens Fn. 6). Daran ist hier nicht zu zweifeln. Es ging im fraglichen Vertrag um die Lieferung von 1.500 m³ Fichtenbretter.
22
b) Die Anordnung der Vollstreckung eines Schiedsspruchs kann nach dem - enger als Art. V UNÜ gefassten (vgl. Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit 2. Aufl. 1989 Rn. 819; Bülow/Böckstiegel /Geimer/Schütze aaO Art. 8 des Abkommens Fn. 14) - Art. 8 des Abkommens nur versagt werden, - wenn der Schiedsspruch nicht die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils hat (vgl. Art. 8 Abs. 3 Satz 1 lit. a des Abkommens) (aa), - wenn der Schiedsspruch gegen die öffentliche Ordnung des Vollstreckungsstaates verstößt (vgl. Art. 8 Abs. 3 Satz 1 lit. b und Satz 2 des Abkommens) (bb) und - wenn der Schiedsspruch aufgrund einer ungültigen Schiedsvereinbarung ergangen ist (vgl. Art. 8 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 des Abkommens; OLG Frankfurt RIW 1989, 911, 914; Schwab/ Walter aaO Kapitel 59 Rn. 15 f; Stein/Jonas/Schlosser aaO Anhang § 1061 Rn. 222; Schlosser aaO Rn. 799; s. auch Bülow/ Böckstiegel/Geimer/Schütze aaO Art. 8 des Abkommens Fn. 9 und 11) (III.).
23
aa) Anhaltspunkte dafür, dass der Schiedsspruch (noch) nicht verbindlich und damit der Versagungsgrund des Art. 8 Abs. 3 Satz 1 lit. a des Abkommens gegeben sein könnte, liegen nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass der Schiedsspruch mit einem Rechtsmittel bei einer höheren schiedsrichterlichen Instanz oder bei einem staatlichen Gericht angegriffen werden könnte; die Möglichkeit einer Aufhebungsklage steht der Verbindlichkeit des Schiedsspruchs für die Parteien nicht entgegen (vgl. BGHZ 52, 184, 188 § 1044 abs. 1 zpo a.f.>; 104, 178, 180 ). Es steht auch nicht in Frage, dass der Schiedsspruch in ordnungsgemäßer Form abgefasst und den Parteien übersandt wurde (vgl. § 1054 Abs. 4 ZPO; Schwab/Walter aaO Rn. 16).
24
bb) Ein ordre public-Verstoß, der gemäß Art. 8 Abs. 3 Satz 1 lit. b des Abkommens rechtfertigte, den Schiedsspruch nicht anzuerkennen, ist entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts zu verneinen.
25
(1) Das Oberlandesgericht hat offen gelassen, ob eine - anstößige - Gehörsverkürzung zu Lasten der Antragsgegnerin anzunehmen sei; jedenfalls sei eine ordre public-widrige Verletzung der Grundsätze eines fairen Verfahrens darin zu sehen, dass das Schiedsgericht die gesetzlich vorgesehene Entscheidung über seine Zuständigkeit weggelassen und sofort durchentschieden habe. Diese Erwägung wird von der Rechtsbeschwerde zu Recht beanstandet.
26
Das (2) Schiedsgericht gewährte der Antragsgegnerin vor Erlass des Schiedsspruchs umfassend rechtliches Gehör: Die Antragsgegnerin wurde - durch Übersendung von Kopien der Schiedsgerichtsakten - von dem Schiedsverfahren benachrichtigt. Sie wurde zu der Schiedsverhandlung vom 18. Mai 2000 geladen. Der Termin wurde, weil der Zustellungsnachweis (noch) nicht vorlag, vertagt auf den 27. Juni 2000. Die Antragstellerin wurde darauf geladen und ihr wurden nochmals die Schiedsgerichtsakten übersandt; sie verweigerte jedoch - wie zugleich mit der Rüge, das Schiedsgericht sei nicht zuständig, angekündigt - die Annahme. Das Schiedsgericht ging über die Unzuständigkeitsrüge der Antragsgegnerin auch nicht hinweg. Es hat sich in dem Schiedsspruch für zuständig erklärt und dies in Auseinandersetzung mit dem - ziemlich substanzlosen - Vortrag der Antragsgegnerin begründet.
27
(3) Dem Schiedsgericht ist allerdings insoweit ein Verfahrensfehler unterlaufen , als es sich nicht darauf beschränkt hat, seine Kompetenz festzustellen, sondern in dem Schiedsspruch - nach Feststellung der Zuständigkeit - sogleich in der Sache entschieden hat. Gemäß Art. 22 Abs. 4 des Gesetzes der Republik Weißrussland vom 9. Juli 1999 Nr. 279-3 "Über das Internationale Schiedsgericht (Arbitrage)" hätte es zunächst eine Zwischenentscheidung zur Zuständigkeit erlassen und vor einer abschließenden Entscheidung zur Sache abwarten müssen, ob die Antragsgegnerin binnen 15-tägiger Frist einen "Endentscheid über die Zuständigkeit" durch das Präsidium des Schiedsgerichts beantragen würde (vgl. Art. 22 Abs. 5 und 6 des vorgenannten weißrussischen Gesetzes vom 9. Juli 1999). Widersprach das Verfahren des Schiedsgerichts mithin weißrussischem Recht, bedeutete dies indes noch nicht, dass der Schiedsspruch - wie es die Anerkennungsversagung nach Art. 8 Abs. 3 Satz 1 lit. b des Abkommens voraussetzt - anstößig war.
28
Der (4) weißrussische Schiedsspruch unterlag dem weniger strengen Regime des ordre public international; seine Vollstreckbarerklärung schiede also nur aus, wenn das schiedsgerichtliche Verfahren an einem schwerwiegenden Mangel litte, der die Grundlagen staatlichen und wirtschaftlichen Lebens berührte (vgl. Senatsurteile BGHZ 98, 70, 73 f; 110, 104, 106 f und vom 1. Februar 2001 - III ZR 332/99 - NJW-RR 2001, 1059, 1060 f). Das ist zu verneinen.
29
Zum ordre public international gehört es nicht - ebenso wenig wie Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1 GG oder das allgemeine Rechtsstaatsprinzip im Verfahren vor den staatlichen Gerichten einen Instanzenzug garantieren (vgl.
BVerfGE 1, 433, 437; 87, 48, 61; 89, 381, 390; 92, 365, 410); Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist auf Schiedsgerichte ohnehin nicht anwendbar (vgl. Maunz in Maunz/Dürig, GG <1971> Art. 101 Rn. 17; Schulze-Fielitz in Dreier , GG 2000 Art. 101 Rn. 27; Classen in von Mangoldt/Klein/Starck, GG 4. Aufl. 2001 Art. 101 Abs. 1 Rn. 11) -, dass gegen eine schiedsgerichtliche Zuständigkeitsentscheidung ein Rechtsmittel an eine höhere Schiedsinstanz gegeben sein muss. Das Schiedsgericht ist vielmehr nach deutschem Recht und internationaler Rechtsüberzeugung freier gestellt bei der Entscheidung über die eigene Zuständigkeit. Das von der UNCITRAL erarbeitete, also auf einem breiten völkerrechtlichen Konsens beruhende Modellgesetz (veröffentlicht z.B. in Berger , Das neue Recht der Schiedsgerichtsbarkeit 1998 S. 65 ff) bestimmt, dass das Schiedsgericht über die Einrede der Unzuständigkeit als Vorfrage entscheiden - und damit die Möglichkeit eines Zwischenverfahrens vor dem staatlichen Gericht eröffnen - oder erst in dem abschließenden Schiedsspruch zur Sache entscheiden kann (Art. 16 Abs. 3 Satz 1 des Modellgesetzes). Der Art. 16 des Modellgesetzes im Wesentlichen nachgebildete § 1040 Abs. 3 Satz 1 ZPO (vgl. Begründung aaO S. 43) bestimmt, dass das Schiedsgericht über die Rüge der Unzuständigkeit "in der Regel" durch - gerichtlich anfechtbaren (§ 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO) - Zwischenentscheid zu befinden hat; in Ausnahmefällen , insbesondere wenn es den Eindruck hat, die Rüge solle bloß das Verfahren verschleppen, kann das Schiedsgericht erst im Schiedsspruch zur Sache positiv über seine Kompetenz entscheiden (vgl. Begründung aaO S. 44). Ein in dem Schiedsverfahren selbst zu erhebender Rechtsbehelf gegen die Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts, etwa ein Rechtsmittel an eine höhere Schiedsinstanz, ist weder in dem Modellgesetz noch in § 1040 ZPO vorgesehen.
30
Dass das UNCITRAL-Modellgesetz und das deutsche Recht (letzteres unter gewissen Umständen) dem Schiedsgericht gestatten, über seine Zuständigkeit durch Zwischenentscheid o d e r erst im Schiedsspruch - zugleich mit der Entscheidung zur Sache - zu befinden, hat seinen Grund erkennbar darin, dass der Kompetenzentscheid des Schiedsgerichts nur ein vorläufiger ist; das letzte Wort hat stets das staatliche Gericht. Dieses entscheidet abschließend über die Kompetenz des Schiedsgerichts; und zwar im Fall eines inländischen Schiedsverfahrens gemäß § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO über den Zwischenentscheid des Schiedsgerichts oder - wenn ein solcher Zwischenentscheid unterblieben ist - im Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und c, § 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO) über den abschließenden Schiedsspruch, im Fall eines ausländischen Schiedsspruchs im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach dem UNÜ (Art. V Abs. 1 lit. a und d UNÜ), nach nationalem Recht (§ 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. Art. V Abs. 1 lit. a und d UNÜ) oder nach einem besonderen Staatsvertrag (§ 1061 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. dem betreffenden Staatsvertrag; vgl. Begründung aaO S. 44).
31
(5) So liegt auch der Streitfall. Die in dem Schiedsspruch zugleich mit dem Entscheid zur Sache getroffene Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts - nichts anderes würde für einen auf Zwischenentscheid des Schiedsgerichts ergangenen "Endentscheid über die Zuständigkeit" des Präsidiums des Schiedsgerichts (Art. 22 Abs. 5 des weißrussischen Gesetzes vom 9. Juli 1999) gelten - untersteht der kompetenzrechtlichen Überprüfung durch das staatliche Gericht. Das in diesem Verfahren von der Antragstellerin begehrte Exequatur hängt nämlich, wie bereits ausgeführt, unter anderem davon ab, ob dem Schiedsspruch eine gültige Schiedsvereinbarung zugrunde liegt (vgl. Art. 8 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 des Abkommens). Im Übrigen war nach weißrussi- schem Recht gegen den Schiedsspruch die Aufhebungsklage zum weißrussischen staatlichen Gericht zulässig.
32
(6) Bleibt der Antragsgegnerin aber die volle Überprüfung der Kompetenzentscheidung des Schiedsgerichts durch das staatliche Gericht und ist das von dem Schiedsgericht eingeschlagene Verfahren, nicht durch Zwischenentscheid , sondern erst im Schiedsspruch über die Zuständigkeit und zugleich in der Sache zu entscheiden, weder international kodifizierter Rechtsauffassung noch deutschem Recht fremd, dann kann ein Verstoß gegen den ordre public international (Art. 8 Abs. 3 Satz 1 lit. b des Abkommens) nicht angenommen und das Exequatur nicht aus diesem Grund versagt werden.

III.


33
Nach dem Abkommen wäre die Vollstreckbarerklärung mithin nur dann zu verweigern, wenn der Schiedsspruch nicht aufgrund einer gültigen Schiedsvereinbarung ergangen wäre (vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 des Abkommens; Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze aaO Fn. 11 und - zur kollisionsrechtlichen Behandlung nicht abkommensautonom geregelter Gültigkeitsfragen - Stein/Jonas/Schlosser aaO Anhang § 1061 Rn. 41 i.V.m. Rn. 40). Der Punkt ist indes in tatsächlicher Hinsicht noch nicht geklärt. Das Oberlandesgericht hat nämlich keine Feststellungen dazu getroffen, ob - so der Vortrag der nach dem Abkommen darlegungsbelasteten (vgl. Stein/Jonas/ Schlosser aaO Anhang § 1061 Rn. 222) Antragstellerin - eine wirksam unterschriebene (vgl. Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze aaO Art. 8 des Abkom- mens Fn. 7), nicht mit Willensmängeln auf Seiten der Antragsgegnerin behaftete Schiedsvereinbarung, zustande gekommen ist. Das wird nachzuholen sein.
Schlick Streck Kapsa
Galke Herrmann
Vorinstanz:
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 03.03.2005 - 9 Sch 1/01 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 43/00
vom
27. März 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Nachweis der Bevollmächtigung im Verfahren der Vollstreckbarerklärung
eines ausländischen Schiedsspruchs.
BGH, Beschluß vom 27. März 2002 - III ZB 43/00 - OLG Hamm
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke am 27. März
2002

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. August 2000 wird angenommen, soweit der Schiedsspruch des Schiedsrichters F. W. vom 21. Juni 1999 (ICC Schiedsverfahren Nr. 9945/AMW/BWD) zugunsten der Antragstellerin zu 7 für vollstreckbar erklärt worden ist.
Der vorbezeichnete Beschluß wird im Umfang der Annahme und im Kostenpunkt aufgehoben.
Der Antrag der Antragstellerin zu 7, den vorbezeichneten Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, wird zurückgewiesen.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird nicht angenommen.
Von den Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerinnen zu 1 bis 6 sowie 6/7 der Gerichtskosten und der eigenen außergerichtlichen Kosten auferlegt; die Antragstellerin zu 7 hat ihre eigenen außergerichtlichen Kosten sowie 1/7 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu tragen.
Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 345.490 DM (= 176.646,23 ?).

Gründe


I.


Die Antragsgegnerin wurde durch Schiedsspruch des ICC-Schiedsrichters F. W. vom 21. Juni 1999 verurteilt, an die Antragstellerinnen 345.490 DM nebst Zinsen zu zahlen und ihnen Kosten in Höhe von 273.338,63 Dänischen Kronen, 4.544,99 DM und 28.000 US-Dollar zu erstatten. Die Antragstellerinnen begehren die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs. Die Antragsgegnerin hat unter anderem gerügt, die erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerinnen seien nicht bevollmächtigt gewesen.
Das Oberlandesgericht hat den Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, die um Zurückweisung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung bittet.

II.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht angenommen, soweit der Schiedsspruch zugunsten der Antragstellerinnen zu 1 bis 6 für vollstreckbar erklärt worden ist; sie hat insoweit keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet, soweit der Schiedsspruch zugunsten der Antragstellerin zu 7 für vollstreckbar erklärt worden ist. In diesem Punkt beruht der angefochtene Beschluû auf der Verletzung eines Gesetzes (§ 1065 Abs. 2 Satz 1 ZPO a.F. i.V.m. § 26 Nr. 10 EGZPO n.F.). Der von den
Rechtsanwälten G. für die Antragstellerin zu 7 ohne Vollmacht eingereichte Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist als unzulässig abzuweisen. Das folgt aus den §§ 80, 88 ZPO.
1. Die Allgemeinen Vorschriften der ZPO, mithin auch diejenigen zur Prozeûvollmacht (§§ 80 ff ZPO), sind im Streitfall anwendbar.
Zwar handelte es sich bei dem vorliegenden Schiedsspruch ("Award Sentence") des ICC-Schiedsrichters F. W. vom 21. Juni 1999 um einen ausländischen Schiedsspruch. Der insoweit maûgebliche Schiedsort (vgl. § 1025 Abs. 1 ZPO) lag in Kopenhagen/Dänemark (vgl. S. 3 und 27 des Schiedsspruchs , Nr. 18 Satz 4 des Consortium Agreement vom 8. Dezember 1989). Das Verfahren auf Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche folgt aber - soweit nicht gemäû den §§ 1061 Abs. 1, 1064 Abs. 3 ZPO vorrangige Staatsverträge besondere Verfahrensregelungen treffen - demjenigen für die Anerkennung und Vollstreckung inländischer Schiedssprüche. Denn § 1025 Abs. 4 ZPO verweist insgesamt auf § 1061 und §§ 1062 bis 1065 ZPO (vgl. Münch in MünchKomm ZPO, 2. Aufl. 2001 § 1061 Rn. 10; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit 6. Aufl. 2000 Kap. 30 Rn. 25). Ergänzend gelten - soweit mit dem Charakter des Vollstreckbarerklärungsverfahrens als eines Erkenntnisverfahrens eigener Art vereinbar - die Allgemeinen Vorschriften der ZPO (vgl. Schwab/Walter aaO Kap. 26 Rn. 3; Kap. 27 Rn. 1 und 6; Stein/Jonas /Schlosser, ZPO 21. Aufl. 1994 § 1042 Rn. 7, s. auch Rn. 12; Musielak/Voit, ZPO 2. Aufl. 2000 § 1060 Rn. 6; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann , ZPO 59. Aufl. 2001 § 1060 Rn. 8; s. ferner Zöller/Geimer, ZPO 23. Aufl. 2002 § 1063 Rn. 3). Mangels anderweitiger staatsvertraglicher oder in den
§§ 1061 ff ZPO getroffener Bestimmung sind hier die Vorschriften zur Prozeûvollmacht (§§ 80 ff ZPO) anwendbar (s. auch § 1064 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
2. Die Rechtsanwälte G. haben - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - das Vollstreckbarerklärungsverfahren als Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin zu 7 betrieben, ohne von ihr bevollmächtigt zu sein.

a) Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Verfahrens gerügt werden (§ 88 Abs. 1 ZPO). Der Bevollmächtigte hat auf diese Rüge die Bevollmächtigung - abgesehen von hier nicht gegebenen Sonderfällen (vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO 21. Aufl. 1992 § 80 Rn. 23) - durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen und diese zu den Gerichtsakten abzugeben (§ 80 Abs. 1 ZPO). Der Nachweis der schriftlichen Vollmacht kann nur durch Einreichung der Originalurkunde - gegebenenfalls in beglaubigter Form (§ 80 Abs. 2 ZPO) - geführt werden, ein urkundlicher Nachweis irgendwelcher Art genügt nicht (BGHZ 126, 266, 267 ff; Senatsurteil vom 5. Juni 1997 - III ZR 190/96 - ZIP 1997, 1474, 1475; Stein/Jonas/Bork aaO Rn. 26). An einer solchen zweifelsfreien Feststellung der Bevollmächtigung besteht ein öffentliches Interesse und ein Interesse des Prozeûgegners (v. Mettenheim in MünchKomm ZPO 2. Aufl. 2000 § 80 Rn. 1 unter Hinweis auf § 551 Nr. 5 und § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO a.F.). Durch schriftliche Vollmacht nachzuweisen sind Haupt- und Untervollmacht (vgl. Senatsurteil vom 5. Juni 1997 aaO S. 1474; Stein/Jonas/ Bork aaO Rn. 23 und § 88 Rn. 1; v. Mettenheim aaO Rn. 5 und § 88 Rn. 2; Putzo in Thomas/Putzo, ZPO 23. Aufl. 2001 § 88 Rn. 2). Der Unterbevollmächtigte hat den Vollmachtsnachweis also in der Weise zu führen, daû seine Vertretungsmacht bis auf die Partei zurückgeführt werden kann; er muû nicht nur die Untervollmacht nachweisen, sondern auch die Vertretungsmacht der Per-
son, von der er die Untervollmacht ableitet (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 1986 - IX ZR 152/85 - NJW-RR 1986, 1252, 1253; Musielak/Weth, ZPO 2. Aufl. 2000 § 80 Rn. 13; Zöller/Vollkommer, ZPO 23. Aufl. 2002 § 80 Rn. 7; OLG München OLGZ 1993, 223, 224).

b) Bezüglich der Antragstellerin zu 7 ist - auch nach dem Hinweis des Senats - eine den vorbeschriebenen Anforderungen genügende Vollmacht der Rechtsanwälte G. nicht vorgelegt worden.
Die mit Schriftsatz vom 31. Januar 2002 zu den Akten gereichte Vollmacht der Rechtsanwälte N. (vormals Rechtsanwälte G.) ist nicht von der Antragstellerin zu 7, der T E-GmbH in D., sondern von einer anderen GmbH, nämlich von der T K-GmbH in B., erteilt worden. Es ist nicht ersichtlich, daû die T K-GmbH (Haupt-)Vollmacht der T E-GmbH oder der T-AG (inzwischen angeblich T K-AG), auf die die T E-GmbH unstreitig verschmolzen ist, gehabt hätte. Die Antragstellerin hat eine solche Bevollmächtigung weder behauptet noch in der Form des § 80 Abs. 1 ZPO nachgewiesen; sie hat lediglich vorgetragen , die - anstelle der T E-GmbH - bevollmächtigende T K-GmbH sei deren
"Rechtsnachfolgerin" bzw. "(Einzel-)Rechtsnachfolgerin der auf die T-AG (nunmehr T K-AG) verschmolzenen T E-GmbH". Die bestrittene Rechtsnachfolge der T K-GmbH ist jedoch nicht belegt.
Rinne Wurm Kapsa Dörr Galke

Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen.

(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.

(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.

(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.

Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24. April 2008 - 15 Sa 1867/07 - aufgehoben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger geschuldeten Abfindung. In diesem Zusammenhang sind sie rechtlich unterschiedlicher Auffassung darüber, ob die Beklagte auch auf die Abfindung anfallende steuerliche Belastungen zu tragen hat.

2

Der Kläger ist am 1. Juli 1950 geboren. Er trat mit Wirkung vom 1. November 1978 in die Dienste der Stadtwerke H. Das Arbeitsverhältnis ging auf die Beklagte, ein Versorgungsunternehmen auf kommunaler Ebene, über. Diese beschäftigte den Kläger bis zum 15. Dezember 2003 als Gaszählermonteur.

3

Das Ausscheiden des Klägers beruhte auf einem zwischen ihm, der Beklagten und der P GmbH (im Folgenden: Transfergesellschaft) abgeschlossenen dreiseitigen Vertrag vom 2. Dezember 2003. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

        

„…    

        

§ 1      

        

Ende des Anstellungsverhältnisses mit M           

        

1.    

Die M hat am 02.12.2003 den Anstellungsvertrag außerordentlich aus betrieblichen Gründen gekündigt. Das Arbeitsverhältnis wird als Folge dieser Kündigung zum 15.12.2003 beendet.

        

…       

        

§ 2      

        

Anstellungsverhältnis mit der Transfergesellschaft           

        

Der Arbeitnehmer wird unmittelbar nach der Beendigung des Anstellungsvertrags mit M durch die Transfergesellschaft eingestellt. Der Arbeitsvertrag beginnt am 16.12.2003. Er ist befristet und endet mit dem Wegfall des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld, spätestens am 30.11.2005, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

        

…       

        

§ 5      

        

Bezüge           

        

1.    

Während der Verweildauer in der Transfergesellschaft hat der Arbeitnehmer - vorbehaltlich nachfolgend abweichender Regelung - Anspruch auf ein Bruttomonatsentgelt gem. § 4 II Ziff. 1, 2 des SOZIALPLANS. Dieser Anspruch entfällt für den Fall der strukturellen Kurzarbeit, zu deren Einführung der Arbeitnehmer bereits heute sein Einverständnis erteilt. In der Zeit der Kurzarbeit zahlt die Transfergesellschaft an den Arbeitnehmer indes einen Aufstockungsbetrag und weitere Leistungen gemäß § 3 Ziff. 3 der BV Transfergesellschaft.

        

…       

        

§ 10        

        

Abfindung           

        

Endet das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Transfergesellschaft mit Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses, erhält der Arbeitnehmer von der Transfergesellschaft im Namen und im Auftrag der M eine Abfindung gemäß § 3 Ziff. 6 der BV Transfergesellschaft. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Betriebsvereinbarung verwiesen.

        

Wegen der Regelung zur Entstehung und Fälligkeit der Abfindung einschließlich der Modalitäten ihrer Auszahlung findet § 4 Ziff. IV des SOZIALPLANS entsprechende Anwendung.

        

…       

        

§ 12        

        

Nebenabreden ...           

        

1.    

Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für die Schriftformklausel selbst. Mündliche Nebenabreden wurden nicht getroffen.

        

…       

        

3.      

Losgelöst davon findet die BV Transfergesellschaft ... Anwendung.“

4

Die in § 10 des dreiseitigen Vertrages in Bezug genommene „Betriebsvereinbarung Transfergesellschaft“ vom 2. Dezember 2003 (hiernach: BV 2003) lautet auszugsweise wie folgt:

        

„§ 3        

        

Leistungen der Transfergesellschaft           

        

…       

        

3.    

Die Transfergesellschaft ist verpflichtet, jedem Mitarbeiter im Rahmen der Transfergesellschaft folgende Leistungen zu erbringen:

                 

Dabei gelten folgende Begriffsbestimmungen:

                 

Basis A umfasst die monatliche Tabellenvergütung nebst der garantierten individuellen Zulage (GIZ) auf der Basis eines Monatsbetrages und der 13. Monatsvergütung./. 12, berechnet auf der Grundlage des Monats August 2003 ... Außerdem sind Zulagen ... einzubeziehen. ...

                 

Basis B umfasst die monatliche Tabellenvergütung nebst GIZ auf der Basis eines Monatsbetrages, berechnet auf der Grundlage des Monats August 2003.

        

…       

        
        

6.    

Endet das Arbeitsverhältnis zwischen Mitarbeiter und Transfergesellschaft, erhält der Mitarbeiter von der Transfergesellschaft im Namen und für Auftrag der M nach Maßgabe der folgenden Regelungen. ...

                 

a)    

Der Grundbetrag der Abfindung berechnet sich wie folgt:

                          

0,9 x Basis B x Dauer der Betriebszugehörigkeit           

                          

Der Mindestbetrag der Abfindung beträgt 10.000 Euro (brutto).

                          

Sofern der Mitarbeiter noch nicht das 53. Lebensjahr vollendet hat, erhält er mit Ausscheiden aus der Transfergesellschaft eine Abfindung in Höhe von 0,9 x Basis B x Dauer der Betriebszugehörigkeit abzüglich des für die Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft insgesamt gezahlten Kurzarbeitergeldes, der Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld (Aufstockungsbeträge), der Leistungen gemäß Ziff. 3 f) sowie der Vergütungsansprüche bei Urlaub und an Feiertagen.

                          

…       

                          

Sofern der Mitarbeiter erst mit Ablauf der Befristung bei der Transfergesellschaft ausscheidet und das 53. Lebensjahr vollendet hat und einen Anspruch auf Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres hat, erhält er mit Ausscheiden aus der Transfergesellschaft eine Abfindung, die bis zum frühest möglichen Zeitpunkt für die Möglichkeit einer Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente die Differenz zwischen 85 % der Nettobeträge von Basis A und dem Arbeitslosengeld, sowie 15 % der anteiligen Abschläge auf den Zugangsfaktor der gesetzlichen Altersrente wegen vorzeitiger Inanspruchnahme sowie 20 % der wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Werkspension bzw. der ZKW-Rente auf Basis einer fiktiven Hochrechnung beim Rentenbeginn mit 60 eintretenden Nachteile, jeweils bezogen auf einen Zeitraum bis zum 80. Lebensjahr und mit 3 % als Rentenbarwert abgezinst, ausgleichen soll. Der Ausgleich der vorstehend genannten Nachteile wird abschließend zum Zeitpunkt des Abschlusses des dreiseitigen Vertrages und auf der Basis des zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechts unter Bezugnahme auf die Steuerkarte, die M am 01.08.2003 vorgelegen hat, berechnet. Dabei erfolgt die Berechnung nach Maßgabe einer Prognose auf der Grundlage der am Tage der Unterzeichnung dieser Betriebsvereinbarung geltenden Vorschriften und ihrer Handhabe durch die Verwaltung unter Berücksichtigung der Grundsätze, die in der Betriebsvereinbarung über vorzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsleben vom 23.09.2003 festgelegt wurden. Spätere Anpassungen erfolgen nicht. Etwaige auf der Lohnsteuerkarte eingetragene Steuerfreibeträge oder ein Wechsel der Steuerklasse finden bei der Berechnung der Nettobeträge keine Berücksichtigung. Wegen der Kennzeichnung des Anspruchs auf Altersrente wird auf § 4 II 4 des SOZIALPLANS abgestellt.

                 

b)    

Zuschläge zur Abfindung

                          

Mitarbeiter, die das 53. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und gegenüber schwerbehinderten Kindern oder Kindern bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, die auf der M im Monat der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegenden Steuerkarte eingetragen sind, erhalten einen Brutto-Zuschlag zur Abfindung in Höhe von 3.500 Euro pro unterhaltsberechtigtem Kind.

                          

…“    

5

Die ebenfalls in § 10 des dreiseitigen Vertrages in Bezug genommene Regelung des § 4 Nr. IV des Sozialplans vom 2. Dezember 2003 hat folgenden Wortlaut:

        

„Entstehung, Fälligkeit und Abtretung der Abfindung           

        

1.    

Der Abfindungsanspruch entsteht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. für den Fall einer Klage gegen die außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen oder den Aufhebungsvertrag mit dem Wirksamwerden einer Klagerücknahme oder der rechtskräftigen Abweisung der Klage.

        

2.    

Der Anspruch ist vier Wochen nach seiner Entstehung zur Zahlung fällig und wird nach den dann geltenden steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften bargeldlos ausgezahlt.

        

…“    

6

Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Transfergesellschaft endete am 30. November 2005. Nach seinem Ausscheiden bezog der Kläger Leistungen der Arbeitslosenversicherung.

7

Die Transfergesellschaft errechnete unter dem 21. September 2005 zunächst den sich aus einer Bruttoabfindung von 48.829,63 Euro nach Abzug der Lohnsteuer ergebenden Nettobetrag. Diesen zahlte sie namens und im Auftrag der Beklagten an den Kläger aus. Die Lohnsteuer führte sie an das Finanzamt ab. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass das Arbeitslosengeld des Klägers niedriger war als das der Berechnung zugrunde gelegte, berechnete die Transfergesellschaft eine neue Bruttoabfindung iHv. 49.116,97 Euro und den sich daraus nach Abzug der Lohnsteuer ergebenden Nettobetrag. Die Differenz des Nettobetrages zahlte sie an den Kläger, die zusätzliche Lohnsteuer an das Finanzamt.

8

Mit Bescheid vom 24. Februar 2006 setzte das Finanzamt H die vom Kläger für das Jahr 2005 zu zahlende Einkommensteuer auf 6.396,00 Euro und den Solidaritätszuschlag auf 351,78 Euro fest. Unter Berücksichtigung der vorab einbehaltenen Lohnsteuer erstattete es dem Kläger 3.320,08 Euro.

9

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, die von ihr geschuldete Abfindung netto an ihn zur Auszahlung zu bringen. Er hat sich dabei auf die Auslegung der BV 2003 berufen und behauptet, dies entspreche auch Aussagen auf Arbeitgeberseite, die im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden bei der Beklagten gemacht worden seien.

10

Nachdem er einen angekündigten Feststellungsantrag zurückgenommen hatte, hat der Kläger zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.440,00 Euro netto nebst Zinsen zu zahlen. Das entsprach der auf den ursprünglich zugrunde gelegten Bruttobetrag der Abfindung entfallenden Lohnsteuer ohne Solidaritätszuschlag. Im Termin zur streitigen Verhandlung am 4. April 2007 hat der Kläger keinen Antrag stellen lassen. Daraufhin ist ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen. Gegen dieses hat der Kläger Einspruch eingelegt mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.801,31 Euro netto, hilfsweise 1.946,47 Euro netto nebst Zinsen zu zahlen. Er hat diese Forderung darauf gestützt, die Beklagte sei nach § 3 Nr. 6 der BV 2003 verpflichtet, eine Abfindung ua. in Höhe der Nettodifferenz zwischen 85 % der Nettobeträge und dem Arbeitslosengeld der „Basis A“ zu zahlen. Der Einwand der Beklagten, sie sei nicht verpflichtet, für die mit dem Progressionsvorbehalt verbundenen steuerlichen Nachteile einzustehen, greife nicht. Die Entstehung der Steuern in der durch das Finanzamt festgesetzten Höhe sei unvermeidlich gewesen und habe in die Ermittlung der Abfindung einfließen müssen. Ohne die Progression wäre - so sein weiterer Vortrag - eine Steuererstattung iHv. 8.121,39 Euro erfolgt. Unter Zugrundelegung der tatsächlichen Erstattung von 3.320,08 Euro sei die Beklagte zur Zahlung eines Differenzbetrages von 4.801,31 Euro verpflichtet. Unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts seien Steuern in Höhe von 1.946,47 Euro angefallen, die die Beklagte zu tragen habe.

11

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 4. April 2007

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.801,31 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Dezember 2006 zu zahlen,

        

hilfsweise

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.946,47 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Dezember 2006 zu zahlen.

12

Die Beklagte hat beantragt, das klageabweisende Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

13

Sie hält die Abfindung für richtig berechnet.

14

Das Arbeitsgericht hat dem zuletzt gestellten Hauptantrag entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und das klageabweisende Versäumnisurteil aufrechterhalten. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

16

I. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts beruht auf einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensfehler. Der Rechtsstreit ist deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 557 Abs. 3 Satz 2, § 562 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat übersehen, dass der Hauptantrag und dementsprechend der Inhalt des Urteilsausspruches unbestimmt sind (§ 253 Abs. 2 Nr. 2, § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO).

17

1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, dessen Voraussetzungen auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen sind(vgl. nur BGH 28. Januar 1994 - V ZR 90/92 - zu I der Gründe, BGHZ 125, 41), erfordert eine Klage „die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs“, da andernfalls unklar ist, über welchen Streitgegenstand sich eine Sachentscheidung verhält und damit der Umfang der Rechtskraft (§ 322 ZPO)des gerichtlichen Urteils nicht feststeht.

18

2. Diesen Anforderungen entspricht die Klage hinsichtlich des Hauptantrags nicht. Aus dem Sachvortrag des Klägers ergibt sich nicht, was er mit dem Antrag geltend macht, eine ihm zustehende Nettoabfindung - worauf seine Rechtsausführungen schließen lassen - oder - worauf seine zuletzt als maßgeblich in das Verfahren eingeführte Berechnung des Hauptantrags hindeutet - den Ausgleich von Nachteilen bei der Steuerprogression. Bei beidem handelt es sich jedoch um unterschiedliche Gegenstände.

19

Verlangt ein Arbeitnehmer einen Nettobetrag, so geht es darum, ob der Arbeitgeber im Innenverhältnis verpflichtet ist, den Arbeitnehmer von Abzügen, hier der im Lohnsteuerabzugsverfahren (§§ 38 ff. EStG) einzubehaltenden Steuern, freizustellen (BAG 25. Juni 2002 - 9 AZR 155/01 - zu I 1 a der Gründe, BAGE 101, 351). Der Arbeitgeber hat bei einer Nettolohnvereinbarung den gesamten vereinbarten Betrag an den Arbeitnehmer auszukehren, die hierauf entfallenden Abzüge selbst zu tragen und den für die Berechnung der Abzüge maßgeblichen Bruttobetrag durch „Abtastung“ bzw. Iteration zu ermitteln (vgl. BAG 29. September 2004 - 1 AZR 634/03 - zu II 1 b aa der Gründe, EzA EStG § 42d Nr. 2).

20

Demgegenüber betrifft die Steuerprogression die Frage, mit welchem Steuersatz das steuerpflichtige Einkommen zu versteuern ist (§ 32a EStG). Sie führt dazu, dass der Prozentsatz der Steuerpflicht umso höher ist, je höher das zu versteuernde Einkommen ist. Bezieht ein Steuerpflichtiger - wie der Kläger - auch Leistungen der Arbeitslosenversicherung, kommt zudem der Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG zum Tragen. Diese Leistungen sind zwar ihrerseits nicht steuerpflichtig, sie sind jedoch bei der Ermittlung des Steuersatzes, der auf steuerpflichtige Einnahmen zu zahlen ist, zu berücksichtigen. Der erhöhte Steuersatz wirkt sich nicht im Lohnsteuerabzugsverfahren durch den Arbeitgeber aus, sondern erst im Rahmen der jährlichen Veranlagung zur Einkommensteuer, zu deren Beantragung der Arbeitnehmer verpflichtet ist (§ 46 Abs. 2 Nr. 1, § 38a Abs. 1 Satz 1 EStG; vgl. zur Systematik BAG 25. Juni 2002 - 9 AZR 155/01 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 101, 351 sowie 20. Mai 1999 - 6 AZR 451/97 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 91, 358).

21

3. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geklärt, ob der Kläger mit dem Hauptantrag entsprechend einer Nettolohnvereinbarung eine restliche Abfindungszahlung in Höhe der im Lohnsteuerabzugsverfahren einbehaltenen Lohnsteuer - bzw. einen Teilbetrag hiervon - geltend macht oder ob er den Ausgleich der mit dem Progressionsvorbehalt verbundenen Nachteile begehrt. Das führt jedoch nicht zur Abweisung des Hauptantrags als unzulässig in der Revisionsinstanz. Nachdem die mangelnde Angabe des Gegenstandes des Anspruchs bislang in den Tatsacheninstanzen keine Rolle gespielt hat, ist dem Kläger die Möglichkeit zu geben, nach einer Zurückverweisung die notwendigen Klarstellungen vorzunehmen. Denn das Landesarbeitsgericht hätte den Hauptantrag ohne Hinweis nach § 139 ZPO nicht als unzulässig abweisen dürfen(vgl. BGH 20. Februar 1997 - I ZR 13/95 - zu II 3 der Gründe, BGHZ 135, 1).

22

4. Da über den Hauptantrag nicht entschieden werden kann, stellt sich die Frage einer Entscheidung über den Hilfsantrag nicht.

23

II. Für das weitere Verfahren im Falle der Zulässigkeit des Hauptantrags weist der Senat auf Folgendes hin:

24

Maßgeblich für die Berechnung des Anspruchs des Klägers sind - wie es auch in § 10 des dreiseitigen Vertrages vom 2. Dezember 2003 niedergelegt ist - die BV 2003 sowie der am selben Tag abgeschlossene Sozialplan. Dabei handelt es sich um kollektive Regelungen, deren Auslegung auch dem Revisionsgericht obliegt. Maßgeblich ist auf den im Wortlaut zum Ausdruck gelangten Willen der Betriebsparteien abzustellen. Zudem ist der von diesen beabsichtigte Sinn und Zweck der Regelung zu berücksichtigen, soweit diese in den Regelungen des Sozialplans bzw. der Betriebsvereinbarung ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 281/07 - Rn. 65 f.). Danach schuldet die Beklagte dem Kläger die Abfindung nach § 3 Nr. 6 BV 2003 als Nettobetrag. Sie ist jedoch nicht verpflichtet, aufgrund des Progressionsvorbehalts entstehende Nachteile auszugleichen.

25

1. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts schuldet die Beklagte die Abfindung als Nettoabfindung, nicht als Bruttoabfindung. Die Beklagte ist daher verpflichtet, durch Übernahme der im Lohnsteuerabzugsverfahren ermittelten Lohnsteuer die Auszahlung des Nettobetrages an den Kläger sicherzustellen.

26

a) Grundsätzlich schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Bruttobeträge (BAG 21. Juli 2009 - 1 AZR 167/08 - Rn. 14, EzA BGB 2002 § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 4). Der Arbeitgeber ist zwar gegenüber den Finanzbehörden im Rahmen der ihm obliegenden Haftung Gesamtschuldner mit dem Arbeitnehmer (§ 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG). Im Innenverhältnis ist aber in der Regel allein der Arbeitnehmer Schuldner der Steuerforderung (BAG 29. September 2004 - 1 AZR 634/03 - zu II 1 b aa der Gründe, EzA EStG § 42d Nr. 2). Der Arbeitnehmer muss daher grundsätzlich auch steuerlich berechtigte Abzüge hinnehmen (BAG 24. Juni 2003 - 9 AZR 302/02 - zu A II 2 c aa der Gründe, BAGE 106, 345). Die Abzugsberechtigung folgt für Abfindungen, die - wie hier - ein Arbeitgeber an den Arbeitnehmer als Entschädigung anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlt, aus § 34 Abs. 2 Nr. 2 iVm. § 24 Nr. 1 Buchst. b und § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG.

27

Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gilt dann etwas anderes, wenn sich das aus den für das Arbeitsverhältnis geltenden Regelungen ergibt (vgl. BAG 21. Juli 2009 - 1 AZR 167/08 - Rn. 15, EzA BGB 2002 § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 4),denn das Steuerrecht sagt nichts darüber aus, welche Partei des Arbeitsverhältnisses zivilrechtlich verpflichtet ist, die Steuer wirtschaftlich zu tragen (vgl. BAG 1. Februar 2006 - 5 AZR 628/04 - Rn. 17, AP EStG § 40a Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 2). Ob ein Nettoentgelt zu zahlen ist, muss durch Auslegung der maßgeblichen Regelungen ermittelt werden (BAG 21. November 1985 - 2 AZR 6/85 - zu II 4 e der Gründe, RzK I 9 j Nr. 2). Nettolohnvereinbarungen sind nicht die Regel, sondern die Ausnahme (BAG 19. Februar 2008 - 3 AZR 61/06 - Rn. 25, AP BetrAVG § 1 Nr. 52 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 9). Sie müssen einen entsprechenden Willen klar erkennen lassen (BAG 29. September 2004 - 1 AZR 634/03 - zu II 1 b aa der Gründe, EzA EStG § 42d Nr. 2). Das gilt auch, wenn es - wie hier - um die Auslegung einer Betriebsvereinbarung geht (BAG 27. April 2000 - 6 AZR 754/98 - zu 3 a der Gründe).

28

b) Danach haben die Betriebsparteien hier eine Nettoabfindung vereinbart.

29

aa) Für den Abfindungsanspruch des Klägers ist § 3 Nr. 6 Buchst. a BV 2003 maßgeblich. Der Kläger ist erst mit Ablauf der Befristung bei der Transfergesellschaft ausgeschieden. Er hatte bei seinem Ausscheiden am 30. November 2005 das 53. Lebensjahr vollendet, da er am 1. Juli 1950 geboren wurde, und ein Recht auf Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres (§ 237 Abs. 1 SGB VI).

30

bb) Nach § 3 Nr. 6 Buchst. a BV 2003 erhält der Kläger eine Abfindung, die bis zum frühestmöglichen Zeitpunkt der Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente die Differenz zwischen 85 % der Nettobeträge von Basis A und dem Arbeitslosengeld sowie näher bezeichnete Nachteile in der Altersversorgung ausgleichen soll. Eine ausdrückliche Regelung, ob der so errechnete Betrag brutto oder netto zu leisten ist, enthält die BV 2003 nicht. Das unterscheidet diese Vorschrift von der Bestimmung über den Mindestbetrag der Abfindung, bei dem ausdrücklich vorgesehen ist, dass er in Höhe von 10.000,00 Euro brutto zu zahlen ist. Eine ausdrückliche Bruttoregelung enthält auch Buchst. b der genannten Vorschrift hinsichtlich des Zuschlags für jedes unterhaltsberechtigte Kind. Gleichwohl ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des § 3 Nr. 6 Buchst. a BV 2003 als auch aus dessen Sinn und Zweck, dass der zugunsten des Klägers errechnete Betrag netto zu zahlen ist.

31

(1) Nach dem Wortlaut der Vorschrift soll die Abfindung die dort näher bezeichneten Nachteile „ausgleichen“. Anders als bei der Regelung für Mitarbeiter, die noch nicht das 53. Lebensjahr vollendet haben und deshalb nicht rentennah sind - dort ist lediglich eine Abfindungsformel vereinbart -, ist der von den Betriebsparteien gewollte Zweck der Abfindung, nämlich die genannten Nachteile auszugleichen, ausdrücklich und besonders hervorgehoben. In erster Linie berücksichtigt die Regelung den Unterschied zwischen 85 % des Nettoeinkommens nach Basis A und dem Arbeitslosengeld. Das zielt auf den Ausgleich eines sich netto errechnenden Nachteils. Die Bestimmung legt daher nicht lediglich fest, dass sich die Abfindung nach den in ihr genannten Berechnungsgrundlagen errechnet. Sie soll vielmehr eine bestimmte Nettovergütungsdifferenz ausgleichen. Das kann nur so geschehen, dass dem Arbeitnehmer der Nettodifferenzbetrag tatsächlich verbleibt. Dies erfordert die Zahlung der Abfindung als Nettobetrag.

32

(2) Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 4 Nr. IV 2 des Sozialplans vom 2. Dezember 2003. Diese nach dem dreiseitigen Vertrag geltende Regelung besagt lediglich, dass die Auszahlung nach den zum Fälligkeitszeitpunkt geltenden steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zu erfolgen hat. Auch wenn eine Nettovereinbarung getroffen ist, bedarf es einer Regelung darüber, welche Vorschriften einschlägig sind, um die Auszahlung als Nettobetrag sicherzustellen. Nur so kann der entsprechende Bruttobetrag ermittelt werden.

33

(3) Es spricht nicht entscheidend gegen den Charakter der Leistung als Nettoabfindung, dass einige der Berechnungsfaktoren, insbesondere die Regelung über den Ausgleich von Nachteilen bei der Betriebsrente sowie die vergleichsweise heranzuziehende Regelung über die Mindestabfindung auf Bruttobeträge abstellen. Mit der Regelung soll sichergestellt werden, dass in jedem Fall die Differenz zwischen 85 % der Nettobeträge von Basis A und dem Arbeitslosengeld ausgeglichen wird. Ein Vergleich mit der brutto geschuldeten Mindestabfindung ist ohne Weiteres möglich. Auch bei der Auszahlung eines Nettobetrages ist immer der sich daraus ergebende Bruttobetrag zu errechnen, um die vom Arbeitgeber zu tragende Steuerlast zu ermitteln.

34

2. Hingegen finden sich in den genannten Regelungen keinerlei Hinweise darauf, dass die Beklagte verpflichtet sein soll, Progressionsnachteile - mögen sie durch den Progressionsvorbehalt oder aus sonstigen Gründen entstehen - auszugleichen. Dagegen spricht schon, dass nach § 3 Nr. 6 Buchst. b BV 2003 auch bei der Berechnung des der Abfindung zugrunde liegenden Nettonachteils individuelle Umstände, die durch die Eintragung eines Steuerfreibetrages beim Lohnsteuerabzugsverfahren Berücksichtigung gefunden haben (dazu § 39a EStG), keine Rolle spielen sollen. Es wäre systemwidrig, würden die Betriebsparteien derartige individuelle Umstände und dadurch entstehende Nachteile im Zusammenhang mit der jährlichen Festsetzung der Einkommensteuer bei der Berechnung der Abfindung berücksichtigen wollen.

35

3. Das Landesarbeitsgericht wird, soweit es noch darauf ankommen sollte, auch zu klären haben, was Gegenstand und Grund des Hilfsantrags sind. Weitere Hinweise hierzu erscheinen nicht veranlasst.

36

III. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

        

    Gräfl    

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

        

        

    für den wegen Ablaufs der Amtszeit
an der Unterschrift verhinderten
ehrenamtlichen Richter Hauschild
Gräfl    

        

    Schmidt    

        

        

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Der Arbeitgeber haftet

1.
für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat,
2.
für die Lohnsteuer, die er beim Lohnsteuer-Jahresausgleich zu Unrecht erstattet hat,
3.
für die Einkommensteuer (Lohnsteuer), die auf Grund fehlerhafter Angaben im Lohnkonto oder in der Lohnsteuerbescheinigung verkürzt wird,
4.
für die Lohnsteuer, die in den Fällen des § 38 Absatz 3a der Dritte zu übernehmen hat.

(2) Der Arbeitgeber haftet nicht, soweit Lohnsteuer nach § 39 Absatz 5 oder § 39a Absatz 5 nachzufordern ist und in den vom Arbeitgeber angezeigten Fällen des § 38 Absatz 4 Satz 2 und 3 und des § 41c Absatz 4.

(3)1Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner.2Das Betriebsstättenfinanzamt kann die Steuerschuld oder Haftungsschuld nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen.3Der Arbeitgeber kann auch dann in Anspruch genommen werden, wenn der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt wird.4Der Arbeitnehmer kann im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft nur in Anspruch genommen werden,

1.
wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten hat,
2.
wenn der Arbeitnehmer weiß, dass der Arbeitgeber die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig angemeldet hat.2Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer den Sachverhalt dem Finanzamt unverzüglich mitgeteilt hat.

(4)1Für die Inanspruchnahme des Arbeitgebers bedarf es keines Haftungsbescheids und keines Leistungsgebots, soweit der Arbeitgeber

1.
die einzubehaltende Lohnsteuer angemeldet hat oder
2.
nach Abschluss einer Lohnsteuer-Außenprüfung seine Zahlungsverpflichtung schriftlich anerkennt.
2Satz 1 gilt entsprechend für die Nachforderung zu übernehmender pauschaler Lohnsteuer.

(5) Von der Geltendmachung der Steuernachforderung oder Haftungsforderung ist abzusehen, wenn diese insgesamt 10 Euro nicht übersteigt.

(6)1Soweit einem Dritten (Entleiher) Arbeitnehmer im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995 (BGBl. I S. 158), das zuletzt durch Artikel 26 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854) geändert worden ist, zur Arbeitsleistung überlassen werden, haftet er mit Ausnahme der Fälle, in denen eine Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Absatz 3 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes vorliegt, neben dem Arbeitgeber.2Der Entleiher haftet nicht, wenn der Überlassung eine Erlaubnis nach § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zugrunde liegt und soweit er nachweist, dass er den nach § 51 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe d vorgesehenen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist.3Der Entleiher haftet ferner nicht, wenn er über das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung ohne Verschulden irrte.4Die Haftung beschränkt sich auf die Lohnsteuer für die Zeit, für die ihm der Arbeitnehmer überlassen worden ist.5Soweit die Haftung des Entleihers reicht, sind der Arbeitgeber, der Entleiher und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner.6Der Entleiher darf auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das inländische bewegliche Vermögen des Arbeitgebers fehlgeschlagen ist oder keinen Erfolg verspricht; § 219 Satz 2 der Abgabenordnung ist entsprechend anzuwenden.7Ist durch die Umstände der Arbeitnehmerüberlassung die Lohnsteuer schwer zu ermitteln, so ist die Haftungsschuld mit 15 Prozent des zwischen Verleiher und Entleiher vereinbarten Entgelts ohne Umsatzsteuer anzunehmen, solange der Entleiher nicht glaubhaft macht, dass die Lohnsteuer, für die er haftet, niedriger ist.8Die Absätze 1 bis 5 sind entsprechend anzuwenden.9Die Zuständigkeit des Finanzamts richtet sich nach dem Ort der Betriebsstätte des Verleihers.

(7) Soweit der Entleiher Arbeitgeber ist, haftet der Verleiher wie ein Entleiher nach Absatz 6.

(8)1Das Finanzamt kann hinsichtlich der Lohnsteuer der Leiharbeitnehmer anordnen, dass der Entleiher einen bestimmten Teil des mit dem Verleiher vereinbarten Entgelts einzubehalten und abzuführen hat, wenn dies zur Sicherung des Steueranspruchs notwendig ist; Absatz 6 Satz 4 ist anzuwenden.2Der Verwaltungsakt kann auch mündlich erlassen werden.3Die Höhe des einzubehaltenden und abzuführenden Teils des Entgelts bedarf keiner Begründung, wenn der in Absatz 6 Satz 7 genannte Prozentsatz nicht überschritten wird.

(9)1Der Arbeitgeber haftet auch dann, wenn ein Dritter nach § 38 Absatz 3a dessen Pflichten trägt.2In diesen Fällen haftet der Dritte neben dem Arbeitgeber.3Soweit die Haftung des Dritten reicht, sind der Arbeitgeber, der Dritte und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner.4Absatz 3 Satz 2 bis 4 ist anzuwenden; Absatz 4 gilt auch für die Inanspruchnahme des Dritten.5Im Fall des § 38 Absatz 3a Satz 2 beschränkt sich die Haftung des Dritten auf die Lohnsteuer, die für die Zeit zu erheben ist, für die er sich gegenüber dem Arbeitgeber zur Vornahme des Lohnsteuerabzugs verpflichtet hat; der maßgebende Zeitraum endet nicht, bevor der Dritte seinem Betriebsstättenfinanzamt die Beendigung seiner Verpflichtung gegenüber dem Arbeitgeber angezeigt hat.6In den Fällen des § 38 Absatz 3a Satz 7 ist als Haftungsschuld der Betrag zu ermitteln, um den die Lohnsteuer, die für den gesamten Arbeitslohn des Lohnzahlungszeitraums zu berechnen und einzubehalten ist, die insgesamt tatsächlich einbehaltene Lohnsteuer übersteigt.7Betrifft die Haftungsschuld mehrere Arbeitgeber, so ist sie bei fehlerhafter Lohnsteuerberechnung nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne und für nachträglich zu erfassende Arbeitslohnbeträge nach dem Verhältnis dieser Beträge auf die Arbeitgeber aufzuteilen.8In den Fällen des § 38 Absatz 3a ist das Betriebsstättenfinanzamt des Dritten für die Geltendmachung der Steuer- oder Haftungsschuld zuständig.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24. April 2008 - 15 Sa 1867/07 - aufgehoben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger geschuldeten Abfindung. In diesem Zusammenhang sind sie rechtlich unterschiedlicher Auffassung darüber, ob die Beklagte auch auf die Abfindung anfallende steuerliche Belastungen zu tragen hat.

2

Der Kläger ist am 1. Juli 1950 geboren. Er trat mit Wirkung vom 1. November 1978 in die Dienste der Stadtwerke H. Das Arbeitsverhältnis ging auf die Beklagte, ein Versorgungsunternehmen auf kommunaler Ebene, über. Diese beschäftigte den Kläger bis zum 15. Dezember 2003 als Gaszählermonteur.

3

Das Ausscheiden des Klägers beruhte auf einem zwischen ihm, der Beklagten und der P GmbH (im Folgenden: Transfergesellschaft) abgeschlossenen dreiseitigen Vertrag vom 2. Dezember 2003. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

        

„…    

        

§ 1      

        

Ende des Anstellungsverhältnisses mit M           

        

1.    

Die M hat am 02.12.2003 den Anstellungsvertrag außerordentlich aus betrieblichen Gründen gekündigt. Das Arbeitsverhältnis wird als Folge dieser Kündigung zum 15.12.2003 beendet.

        

…       

        

§ 2      

        

Anstellungsverhältnis mit der Transfergesellschaft           

        

Der Arbeitnehmer wird unmittelbar nach der Beendigung des Anstellungsvertrags mit M durch die Transfergesellschaft eingestellt. Der Arbeitsvertrag beginnt am 16.12.2003. Er ist befristet und endet mit dem Wegfall des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld, spätestens am 30.11.2005, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

        

…       

        

§ 5      

        

Bezüge           

        

1.    

Während der Verweildauer in der Transfergesellschaft hat der Arbeitnehmer - vorbehaltlich nachfolgend abweichender Regelung - Anspruch auf ein Bruttomonatsentgelt gem. § 4 II Ziff. 1, 2 des SOZIALPLANS. Dieser Anspruch entfällt für den Fall der strukturellen Kurzarbeit, zu deren Einführung der Arbeitnehmer bereits heute sein Einverständnis erteilt. In der Zeit der Kurzarbeit zahlt die Transfergesellschaft an den Arbeitnehmer indes einen Aufstockungsbetrag und weitere Leistungen gemäß § 3 Ziff. 3 der BV Transfergesellschaft.

        

…       

        

§ 10        

        

Abfindung           

        

Endet das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Transfergesellschaft mit Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses, erhält der Arbeitnehmer von der Transfergesellschaft im Namen und im Auftrag der M eine Abfindung gemäß § 3 Ziff. 6 der BV Transfergesellschaft. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Betriebsvereinbarung verwiesen.

        

Wegen der Regelung zur Entstehung und Fälligkeit der Abfindung einschließlich der Modalitäten ihrer Auszahlung findet § 4 Ziff. IV des SOZIALPLANS entsprechende Anwendung.

        

…       

        

§ 12        

        

Nebenabreden ...           

        

1.    

Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für die Schriftformklausel selbst. Mündliche Nebenabreden wurden nicht getroffen.

        

…       

        

3.      

Losgelöst davon findet die BV Transfergesellschaft ... Anwendung.“

4

Die in § 10 des dreiseitigen Vertrages in Bezug genommene „Betriebsvereinbarung Transfergesellschaft“ vom 2. Dezember 2003 (hiernach: BV 2003) lautet auszugsweise wie folgt:

        

„§ 3        

        

Leistungen der Transfergesellschaft           

        

…       

        

3.    

Die Transfergesellschaft ist verpflichtet, jedem Mitarbeiter im Rahmen der Transfergesellschaft folgende Leistungen zu erbringen:

                 

Dabei gelten folgende Begriffsbestimmungen:

                 

Basis A umfasst die monatliche Tabellenvergütung nebst der garantierten individuellen Zulage (GIZ) auf der Basis eines Monatsbetrages und der 13. Monatsvergütung./. 12, berechnet auf der Grundlage des Monats August 2003 ... Außerdem sind Zulagen ... einzubeziehen. ...

                 

Basis B umfasst die monatliche Tabellenvergütung nebst GIZ auf der Basis eines Monatsbetrages, berechnet auf der Grundlage des Monats August 2003.

        

…       

        
        

6.    

Endet das Arbeitsverhältnis zwischen Mitarbeiter und Transfergesellschaft, erhält der Mitarbeiter von der Transfergesellschaft im Namen und für Auftrag der M nach Maßgabe der folgenden Regelungen. ...

                 

a)    

Der Grundbetrag der Abfindung berechnet sich wie folgt:

                          

0,9 x Basis B x Dauer der Betriebszugehörigkeit           

                          

Der Mindestbetrag der Abfindung beträgt 10.000 Euro (brutto).

                          

Sofern der Mitarbeiter noch nicht das 53. Lebensjahr vollendet hat, erhält er mit Ausscheiden aus der Transfergesellschaft eine Abfindung in Höhe von 0,9 x Basis B x Dauer der Betriebszugehörigkeit abzüglich des für die Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft insgesamt gezahlten Kurzarbeitergeldes, der Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld (Aufstockungsbeträge), der Leistungen gemäß Ziff. 3 f) sowie der Vergütungsansprüche bei Urlaub und an Feiertagen.

                          

…       

                          

Sofern der Mitarbeiter erst mit Ablauf der Befristung bei der Transfergesellschaft ausscheidet und das 53. Lebensjahr vollendet hat und einen Anspruch auf Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres hat, erhält er mit Ausscheiden aus der Transfergesellschaft eine Abfindung, die bis zum frühest möglichen Zeitpunkt für die Möglichkeit einer Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente die Differenz zwischen 85 % der Nettobeträge von Basis A und dem Arbeitslosengeld, sowie 15 % der anteiligen Abschläge auf den Zugangsfaktor der gesetzlichen Altersrente wegen vorzeitiger Inanspruchnahme sowie 20 % der wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Werkspension bzw. der ZKW-Rente auf Basis einer fiktiven Hochrechnung beim Rentenbeginn mit 60 eintretenden Nachteile, jeweils bezogen auf einen Zeitraum bis zum 80. Lebensjahr und mit 3 % als Rentenbarwert abgezinst, ausgleichen soll. Der Ausgleich der vorstehend genannten Nachteile wird abschließend zum Zeitpunkt des Abschlusses des dreiseitigen Vertrages und auf der Basis des zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechts unter Bezugnahme auf die Steuerkarte, die M am 01.08.2003 vorgelegen hat, berechnet. Dabei erfolgt die Berechnung nach Maßgabe einer Prognose auf der Grundlage der am Tage der Unterzeichnung dieser Betriebsvereinbarung geltenden Vorschriften und ihrer Handhabe durch die Verwaltung unter Berücksichtigung der Grundsätze, die in der Betriebsvereinbarung über vorzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsleben vom 23.09.2003 festgelegt wurden. Spätere Anpassungen erfolgen nicht. Etwaige auf der Lohnsteuerkarte eingetragene Steuerfreibeträge oder ein Wechsel der Steuerklasse finden bei der Berechnung der Nettobeträge keine Berücksichtigung. Wegen der Kennzeichnung des Anspruchs auf Altersrente wird auf § 4 II 4 des SOZIALPLANS abgestellt.

                 

b)    

Zuschläge zur Abfindung

                          

Mitarbeiter, die das 53. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und gegenüber schwerbehinderten Kindern oder Kindern bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, die auf der M im Monat der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegenden Steuerkarte eingetragen sind, erhalten einen Brutto-Zuschlag zur Abfindung in Höhe von 3.500 Euro pro unterhaltsberechtigtem Kind.

                          

…“    

5

Die ebenfalls in § 10 des dreiseitigen Vertrages in Bezug genommene Regelung des § 4 Nr. IV des Sozialplans vom 2. Dezember 2003 hat folgenden Wortlaut:

        

„Entstehung, Fälligkeit und Abtretung der Abfindung           

        

1.    

Der Abfindungsanspruch entsteht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. für den Fall einer Klage gegen die außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen oder den Aufhebungsvertrag mit dem Wirksamwerden einer Klagerücknahme oder der rechtskräftigen Abweisung der Klage.

        

2.    

Der Anspruch ist vier Wochen nach seiner Entstehung zur Zahlung fällig und wird nach den dann geltenden steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften bargeldlos ausgezahlt.

        

…“    

6

Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Transfergesellschaft endete am 30. November 2005. Nach seinem Ausscheiden bezog der Kläger Leistungen der Arbeitslosenversicherung.

7

Die Transfergesellschaft errechnete unter dem 21. September 2005 zunächst den sich aus einer Bruttoabfindung von 48.829,63 Euro nach Abzug der Lohnsteuer ergebenden Nettobetrag. Diesen zahlte sie namens und im Auftrag der Beklagten an den Kläger aus. Die Lohnsteuer führte sie an das Finanzamt ab. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass das Arbeitslosengeld des Klägers niedriger war als das der Berechnung zugrunde gelegte, berechnete die Transfergesellschaft eine neue Bruttoabfindung iHv. 49.116,97 Euro und den sich daraus nach Abzug der Lohnsteuer ergebenden Nettobetrag. Die Differenz des Nettobetrages zahlte sie an den Kläger, die zusätzliche Lohnsteuer an das Finanzamt.

8

Mit Bescheid vom 24. Februar 2006 setzte das Finanzamt H die vom Kläger für das Jahr 2005 zu zahlende Einkommensteuer auf 6.396,00 Euro und den Solidaritätszuschlag auf 351,78 Euro fest. Unter Berücksichtigung der vorab einbehaltenen Lohnsteuer erstattete es dem Kläger 3.320,08 Euro.

9

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, die von ihr geschuldete Abfindung netto an ihn zur Auszahlung zu bringen. Er hat sich dabei auf die Auslegung der BV 2003 berufen und behauptet, dies entspreche auch Aussagen auf Arbeitgeberseite, die im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden bei der Beklagten gemacht worden seien.

10

Nachdem er einen angekündigten Feststellungsantrag zurückgenommen hatte, hat der Kläger zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.440,00 Euro netto nebst Zinsen zu zahlen. Das entsprach der auf den ursprünglich zugrunde gelegten Bruttobetrag der Abfindung entfallenden Lohnsteuer ohne Solidaritätszuschlag. Im Termin zur streitigen Verhandlung am 4. April 2007 hat der Kläger keinen Antrag stellen lassen. Daraufhin ist ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen. Gegen dieses hat der Kläger Einspruch eingelegt mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.801,31 Euro netto, hilfsweise 1.946,47 Euro netto nebst Zinsen zu zahlen. Er hat diese Forderung darauf gestützt, die Beklagte sei nach § 3 Nr. 6 der BV 2003 verpflichtet, eine Abfindung ua. in Höhe der Nettodifferenz zwischen 85 % der Nettobeträge und dem Arbeitslosengeld der „Basis A“ zu zahlen. Der Einwand der Beklagten, sie sei nicht verpflichtet, für die mit dem Progressionsvorbehalt verbundenen steuerlichen Nachteile einzustehen, greife nicht. Die Entstehung der Steuern in der durch das Finanzamt festgesetzten Höhe sei unvermeidlich gewesen und habe in die Ermittlung der Abfindung einfließen müssen. Ohne die Progression wäre - so sein weiterer Vortrag - eine Steuererstattung iHv. 8.121,39 Euro erfolgt. Unter Zugrundelegung der tatsächlichen Erstattung von 3.320,08 Euro sei die Beklagte zur Zahlung eines Differenzbetrages von 4.801,31 Euro verpflichtet. Unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts seien Steuern in Höhe von 1.946,47 Euro angefallen, die die Beklagte zu tragen habe.

11

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 4. April 2007

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.801,31 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Dezember 2006 zu zahlen,

        

hilfsweise

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.946,47 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Dezember 2006 zu zahlen.

12

Die Beklagte hat beantragt, das klageabweisende Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

13

Sie hält die Abfindung für richtig berechnet.

14

Das Arbeitsgericht hat dem zuletzt gestellten Hauptantrag entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und das klageabweisende Versäumnisurteil aufrechterhalten. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

16

I. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts beruht auf einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensfehler. Der Rechtsstreit ist deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 557 Abs. 3 Satz 2, § 562 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat übersehen, dass der Hauptantrag und dementsprechend der Inhalt des Urteilsausspruches unbestimmt sind (§ 253 Abs. 2 Nr. 2, § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO).

17

1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, dessen Voraussetzungen auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen sind(vgl. nur BGH 28. Januar 1994 - V ZR 90/92 - zu I der Gründe, BGHZ 125, 41), erfordert eine Klage „die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs“, da andernfalls unklar ist, über welchen Streitgegenstand sich eine Sachentscheidung verhält und damit der Umfang der Rechtskraft (§ 322 ZPO)des gerichtlichen Urteils nicht feststeht.

18

2. Diesen Anforderungen entspricht die Klage hinsichtlich des Hauptantrags nicht. Aus dem Sachvortrag des Klägers ergibt sich nicht, was er mit dem Antrag geltend macht, eine ihm zustehende Nettoabfindung - worauf seine Rechtsausführungen schließen lassen - oder - worauf seine zuletzt als maßgeblich in das Verfahren eingeführte Berechnung des Hauptantrags hindeutet - den Ausgleich von Nachteilen bei der Steuerprogression. Bei beidem handelt es sich jedoch um unterschiedliche Gegenstände.

19

Verlangt ein Arbeitnehmer einen Nettobetrag, so geht es darum, ob der Arbeitgeber im Innenverhältnis verpflichtet ist, den Arbeitnehmer von Abzügen, hier der im Lohnsteuerabzugsverfahren (§§ 38 ff. EStG) einzubehaltenden Steuern, freizustellen (BAG 25. Juni 2002 - 9 AZR 155/01 - zu I 1 a der Gründe, BAGE 101, 351). Der Arbeitgeber hat bei einer Nettolohnvereinbarung den gesamten vereinbarten Betrag an den Arbeitnehmer auszukehren, die hierauf entfallenden Abzüge selbst zu tragen und den für die Berechnung der Abzüge maßgeblichen Bruttobetrag durch „Abtastung“ bzw. Iteration zu ermitteln (vgl. BAG 29. September 2004 - 1 AZR 634/03 - zu II 1 b aa der Gründe, EzA EStG § 42d Nr. 2).

20

Demgegenüber betrifft die Steuerprogression die Frage, mit welchem Steuersatz das steuerpflichtige Einkommen zu versteuern ist (§ 32a EStG). Sie führt dazu, dass der Prozentsatz der Steuerpflicht umso höher ist, je höher das zu versteuernde Einkommen ist. Bezieht ein Steuerpflichtiger - wie der Kläger - auch Leistungen der Arbeitslosenversicherung, kommt zudem der Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG zum Tragen. Diese Leistungen sind zwar ihrerseits nicht steuerpflichtig, sie sind jedoch bei der Ermittlung des Steuersatzes, der auf steuerpflichtige Einnahmen zu zahlen ist, zu berücksichtigen. Der erhöhte Steuersatz wirkt sich nicht im Lohnsteuerabzugsverfahren durch den Arbeitgeber aus, sondern erst im Rahmen der jährlichen Veranlagung zur Einkommensteuer, zu deren Beantragung der Arbeitnehmer verpflichtet ist (§ 46 Abs. 2 Nr. 1, § 38a Abs. 1 Satz 1 EStG; vgl. zur Systematik BAG 25. Juni 2002 - 9 AZR 155/01 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 101, 351 sowie 20. Mai 1999 - 6 AZR 451/97 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 91, 358).

21

3. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geklärt, ob der Kläger mit dem Hauptantrag entsprechend einer Nettolohnvereinbarung eine restliche Abfindungszahlung in Höhe der im Lohnsteuerabzugsverfahren einbehaltenen Lohnsteuer - bzw. einen Teilbetrag hiervon - geltend macht oder ob er den Ausgleich der mit dem Progressionsvorbehalt verbundenen Nachteile begehrt. Das führt jedoch nicht zur Abweisung des Hauptantrags als unzulässig in der Revisionsinstanz. Nachdem die mangelnde Angabe des Gegenstandes des Anspruchs bislang in den Tatsacheninstanzen keine Rolle gespielt hat, ist dem Kläger die Möglichkeit zu geben, nach einer Zurückverweisung die notwendigen Klarstellungen vorzunehmen. Denn das Landesarbeitsgericht hätte den Hauptantrag ohne Hinweis nach § 139 ZPO nicht als unzulässig abweisen dürfen(vgl. BGH 20. Februar 1997 - I ZR 13/95 - zu II 3 der Gründe, BGHZ 135, 1).

22

4. Da über den Hauptantrag nicht entschieden werden kann, stellt sich die Frage einer Entscheidung über den Hilfsantrag nicht.

23

II. Für das weitere Verfahren im Falle der Zulässigkeit des Hauptantrags weist der Senat auf Folgendes hin:

24

Maßgeblich für die Berechnung des Anspruchs des Klägers sind - wie es auch in § 10 des dreiseitigen Vertrages vom 2. Dezember 2003 niedergelegt ist - die BV 2003 sowie der am selben Tag abgeschlossene Sozialplan. Dabei handelt es sich um kollektive Regelungen, deren Auslegung auch dem Revisionsgericht obliegt. Maßgeblich ist auf den im Wortlaut zum Ausdruck gelangten Willen der Betriebsparteien abzustellen. Zudem ist der von diesen beabsichtigte Sinn und Zweck der Regelung zu berücksichtigen, soweit diese in den Regelungen des Sozialplans bzw. der Betriebsvereinbarung ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 281/07 - Rn. 65 f.). Danach schuldet die Beklagte dem Kläger die Abfindung nach § 3 Nr. 6 BV 2003 als Nettobetrag. Sie ist jedoch nicht verpflichtet, aufgrund des Progressionsvorbehalts entstehende Nachteile auszugleichen.

25

1. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts schuldet die Beklagte die Abfindung als Nettoabfindung, nicht als Bruttoabfindung. Die Beklagte ist daher verpflichtet, durch Übernahme der im Lohnsteuerabzugsverfahren ermittelten Lohnsteuer die Auszahlung des Nettobetrages an den Kläger sicherzustellen.

26

a) Grundsätzlich schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Bruttobeträge (BAG 21. Juli 2009 - 1 AZR 167/08 - Rn. 14, EzA BGB 2002 § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 4). Der Arbeitgeber ist zwar gegenüber den Finanzbehörden im Rahmen der ihm obliegenden Haftung Gesamtschuldner mit dem Arbeitnehmer (§ 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG). Im Innenverhältnis ist aber in der Regel allein der Arbeitnehmer Schuldner der Steuerforderung (BAG 29. September 2004 - 1 AZR 634/03 - zu II 1 b aa der Gründe, EzA EStG § 42d Nr. 2). Der Arbeitnehmer muss daher grundsätzlich auch steuerlich berechtigte Abzüge hinnehmen (BAG 24. Juni 2003 - 9 AZR 302/02 - zu A II 2 c aa der Gründe, BAGE 106, 345). Die Abzugsberechtigung folgt für Abfindungen, die - wie hier - ein Arbeitgeber an den Arbeitnehmer als Entschädigung anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlt, aus § 34 Abs. 2 Nr. 2 iVm. § 24 Nr. 1 Buchst. b und § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG.

27

Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gilt dann etwas anderes, wenn sich das aus den für das Arbeitsverhältnis geltenden Regelungen ergibt (vgl. BAG 21. Juli 2009 - 1 AZR 167/08 - Rn. 15, EzA BGB 2002 § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 4),denn das Steuerrecht sagt nichts darüber aus, welche Partei des Arbeitsverhältnisses zivilrechtlich verpflichtet ist, die Steuer wirtschaftlich zu tragen (vgl. BAG 1. Februar 2006 - 5 AZR 628/04 - Rn. 17, AP EStG § 40a Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 2). Ob ein Nettoentgelt zu zahlen ist, muss durch Auslegung der maßgeblichen Regelungen ermittelt werden (BAG 21. November 1985 - 2 AZR 6/85 - zu II 4 e der Gründe, RzK I 9 j Nr. 2). Nettolohnvereinbarungen sind nicht die Regel, sondern die Ausnahme (BAG 19. Februar 2008 - 3 AZR 61/06 - Rn. 25, AP BetrAVG § 1 Nr. 52 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 9). Sie müssen einen entsprechenden Willen klar erkennen lassen (BAG 29. September 2004 - 1 AZR 634/03 - zu II 1 b aa der Gründe, EzA EStG § 42d Nr. 2). Das gilt auch, wenn es - wie hier - um die Auslegung einer Betriebsvereinbarung geht (BAG 27. April 2000 - 6 AZR 754/98 - zu 3 a der Gründe).

28

b) Danach haben die Betriebsparteien hier eine Nettoabfindung vereinbart.

29

aa) Für den Abfindungsanspruch des Klägers ist § 3 Nr. 6 Buchst. a BV 2003 maßgeblich. Der Kläger ist erst mit Ablauf der Befristung bei der Transfergesellschaft ausgeschieden. Er hatte bei seinem Ausscheiden am 30. November 2005 das 53. Lebensjahr vollendet, da er am 1. Juli 1950 geboren wurde, und ein Recht auf Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres (§ 237 Abs. 1 SGB VI).

30

bb) Nach § 3 Nr. 6 Buchst. a BV 2003 erhält der Kläger eine Abfindung, die bis zum frühestmöglichen Zeitpunkt der Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente die Differenz zwischen 85 % der Nettobeträge von Basis A und dem Arbeitslosengeld sowie näher bezeichnete Nachteile in der Altersversorgung ausgleichen soll. Eine ausdrückliche Regelung, ob der so errechnete Betrag brutto oder netto zu leisten ist, enthält die BV 2003 nicht. Das unterscheidet diese Vorschrift von der Bestimmung über den Mindestbetrag der Abfindung, bei dem ausdrücklich vorgesehen ist, dass er in Höhe von 10.000,00 Euro brutto zu zahlen ist. Eine ausdrückliche Bruttoregelung enthält auch Buchst. b der genannten Vorschrift hinsichtlich des Zuschlags für jedes unterhaltsberechtigte Kind. Gleichwohl ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des § 3 Nr. 6 Buchst. a BV 2003 als auch aus dessen Sinn und Zweck, dass der zugunsten des Klägers errechnete Betrag netto zu zahlen ist.

31

(1) Nach dem Wortlaut der Vorschrift soll die Abfindung die dort näher bezeichneten Nachteile „ausgleichen“. Anders als bei der Regelung für Mitarbeiter, die noch nicht das 53. Lebensjahr vollendet haben und deshalb nicht rentennah sind - dort ist lediglich eine Abfindungsformel vereinbart -, ist der von den Betriebsparteien gewollte Zweck der Abfindung, nämlich die genannten Nachteile auszugleichen, ausdrücklich und besonders hervorgehoben. In erster Linie berücksichtigt die Regelung den Unterschied zwischen 85 % des Nettoeinkommens nach Basis A und dem Arbeitslosengeld. Das zielt auf den Ausgleich eines sich netto errechnenden Nachteils. Die Bestimmung legt daher nicht lediglich fest, dass sich die Abfindung nach den in ihr genannten Berechnungsgrundlagen errechnet. Sie soll vielmehr eine bestimmte Nettovergütungsdifferenz ausgleichen. Das kann nur so geschehen, dass dem Arbeitnehmer der Nettodifferenzbetrag tatsächlich verbleibt. Dies erfordert die Zahlung der Abfindung als Nettobetrag.

32

(2) Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 4 Nr. IV 2 des Sozialplans vom 2. Dezember 2003. Diese nach dem dreiseitigen Vertrag geltende Regelung besagt lediglich, dass die Auszahlung nach den zum Fälligkeitszeitpunkt geltenden steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zu erfolgen hat. Auch wenn eine Nettovereinbarung getroffen ist, bedarf es einer Regelung darüber, welche Vorschriften einschlägig sind, um die Auszahlung als Nettobetrag sicherzustellen. Nur so kann der entsprechende Bruttobetrag ermittelt werden.

33

(3) Es spricht nicht entscheidend gegen den Charakter der Leistung als Nettoabfindung, dass einige der Berechnungsfaktoren, insbesondere die Regelung über den Ausgleich von Nachteilen bei der Betriebsrente sowie die vergleichsweise heranzuziehende Regelung über die Mindestabfindung auf Bruttobeträge abstellen. Mit der Regelung soll sichergestellt werden, dass in jedem Fall die Differenz zwischen 85 % der Nettobeträge von Basis A und dem Arbeitslosengeld ausgeglichen wird. Ein Vergleich mit der brutto geschuldeten Mindestabfindung ist ohne Weiteres möglich. Auch bei der Auszahlung eines Nettobetrages ist immer der sich daraus ergebende Bruttobetrag zu errechnen, um die vom Arbeitgeber zu tragende Steuerlast zu ermitteln.

34

2. Hingegen finden sich in den genannten Regelungen keinerlei Hinweise darauf, dass die Beklagte verpflichtet sein soll, Progressionsnachteile - mögen sie durch den Progressionsvorbehalt oder aus sonstigen Gründen entstehen - auszugleichen. Dagegen spricht schon, dass nach § 3 Nr. 6 Buchst. b BV 2003 auch bei der Berechnung des der Abfindung zugrunde liegenden Nettonachteils individuelle Umstände, die durch die Eintragung eines Steuerfreibetrages beim Lohnsteuerabzugsverfahren Berücksichtigung gefunden haben (dazu § 39a EStG), keine Rolle spielen sollen. Es wäre systemwidrig, würden die Betriebsparteien derartige individuelle Umstände und dadurch entstehende Nachteile im Zusammenhang mit der jährlichen Festsetzung der Einkommensteuer bei der Berechnung der Abfindung berücksichtigen wollen.

35

3. Das Landesarbeitsgericht wird, soweit es noch darauf ankommen sollte, auch zu klären haben, was Gegenstand und Grund des Hilfsantrags sind. Weitere Hinweise hierzu erscheinen nicht veranlasst.

36

III. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

        

    Gräfl    

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

        

        

    für den wegen Ablaufs der Amtszeit
an der Unterschrift verhinderten
ehrenamtlichen Richter Hauschild
Gräfl    

        

    Schmidt    

        

        

(1) Der Arbeitgeber haftet

1.
für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat,
2.
für die Lohnsteuer, die er beim Lohnsteuer-Jahresausgleich zu Unrecht erstattet hat,
3.
für die Einkommensteuer (Lohnsteuer), die auf Grund fehlerhafter Angaben im Lohnkonto oder in der Lohnsteuerbescheinigung verkürzt wird,
4.
für die Lohnsteuer, die in den Fällen des § 38 Absatz 3a der Dritte zu übernehmen hat.

(2) Der Arbeitgeber haftet nicht, soweit Lohnsteuer nach § 39 Absatz 5 oder § 39a Absatz 5 nachzufordern ist und in den vom Arbeitgeber angezeigten Fällen des § 38 Absatz 4 Satz 2 und 3 und des § 41c Absatz 4.

(3)1Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner.2Das Betriebsstättenfinanzamt kann die Steuerschuld oder Haftungsschuld nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen.3Der Arbeitgeber kann auch dann in Anspruch genommen werden, wenn der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt wird.4Der Arbeitnehmer kann im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft nur in Anspruch genommen werden,

1.
wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten hat,
2.
wenn der Arbeitnehmer weiß, dass der Arbeitgeber die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig angemeldet hat.2Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer den Sachverhalt dem Finanzamt unverzüglich mitgeteilt hat.

(4)1Für die Inanspruchnahme des Arbeitgebers bedarf es keines Haftungsbescheids und keines Leistungsgebots, soweit der Arbeitgeber

1.
die einzubehaltende Lohnsteuer angemeldet hat oder
2.
nach Abschluss einer Lohnsteuer-Außenprüfung seine Zahlungsverpflichtung schriftlich anerkennt.
2Satz 1 gilt entsprechend für die Nachforderung zu übernehmender pauschaler Lohnsteuer.

(5) Von der Geltendmachung der Steuernachforderung oder Haftungsforderung ist abzusehen, wenn diese insgesamt 10 Euro nicht übersteigt.

(6)1Soweit einem Dritten (Entleiher) Arbeitnehmer im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995 (BGBl. I S. 158), das zuletzt durch Artikel 26 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854) geändert worden ist, zur Arbeitsleistung überlassen werden, haftet er mit Ausnahme der Fälle, in denen eine Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Absatz 3 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes vorliegt, neben dem Arbeitgeber.2Der Entleiher haftet nicht, wenn der Überlassung eine Erlaubnis nach § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zugrunde liegt und soweit er nachweist, dass er den nach § 51 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe d vorgesehenen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist.3Der Entleiher haftet ferner nicht, wenn er über das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung ohne Verschulden irrte.4Die Haftung beschränkt sich auf die Lohnsteuer für die Zeit, für die ihm der Arbeitnehmer überlassen worden ist.5Soweit die Haftung des Entleihers reicht, sind der Arbeitgeber, der Entleiher und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner.6Der Entleiher darf auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das inländische bewegliche Vermögen des Arbeitgebers fehlgeschlagen ist oder keinen Erfolg verspricht; § 219 Satz 2 der Abgabenordnung ist entsprechend anzuwenden.7Ist durch die Umstände der Arbeitnehmerüberlassung die Lohnsteuer schwer zu ermitteln, so ist die Haftungsschuld mit 15 Prozent des zwischen Verleiher und Entleiher vereinbarten Entgelts ohne Umsatzsteuer anzunehmen, solange der Entleiher nicht glaubhaft macht, dass die Lohnsteuer, für die er haftet, niedriger ist.8Die Absätze 1 bis 5 sind entsprechend anzuwenden.9Die Zuständigkeit des Finanzamts richtet sich nach dem Ort der Betriebsstätte des Verleihers.

(7) Soweit der Entleiher Arbeitgeber ist, haftet der Verleiher wie ein Entleiher nach Absatz 6.

(8)1Das Finanzamt kann hinsichtlich der Lohnsteuer der Leiharbeitnehmer anordnen, dass der Entleiher einen bestimmten Teil des mit dem Verleiher vereinbarten Entgelts einzubehalten und abzuführen hat, wenn dies zur Sicherung des Steueranspruchs notwendig ist; Absatz 6 Satz 4 ist anzuwenden.2Der Verwaltungsakt kann auch mündlich erlassen werden.3Die Höhe des einzubehaltenden und abzuführenden Teils des Entgelts bedarf keiner Begründung, wenn der in Absatz 6 Satz 7 genannte Prozentsatz nicht überschritten wird.

(9)1Der Arbeitgeber haftet auch dann, wenn ein Dritter nach § 38 Absatz 3a dessen Pflichten trägt.2In diesen Fällen haftet der Dritte neben dem Arbeitgeber.3Soweit die Haftung des Dritten reicht, sind der Arbeitgeber, der Dritte und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner.4Absatz 3 Satz 2 bis 4 ist anzuwenden; Absatz 4 gilt auch für die Inanspruchnahme des Dritten.5Im Fall des § 38 Absatz 3a Satz 2 beschränkt sich die Haftung des Dritten auf die Lohnsteuer, die für die Zeit zu erheben ist, für die er sich gegenüber dem Arbeitgeber zur Vornahme des Lohnsteuerabzugs verpflichtet hat; der maßgebende Zeitraum endet nicht, bevor der Dritte seinem Betriebsstättenfinanzamt die Beendigung seiner Verpflichtung gegenüber dem Arbeitgeber angezeigt hat.6In den Fällen des § 38 Absatz 3a Satz 7 ist als Haftungsschuld der Betrag zu ermitteln, um den die Lohnsteuer, die für den gesamten Arbeitslohn des Lohnzahlungszeitraums zu berechnen und einzubehalten ist, die insgesamt tatsächlich einbehaltene Lohnsteuer übersteigt.7Betrifft die Haftungsschuld mehrere Arbeitgeber, so ist sie bei fehlerhafter Lohnsteuerberechnung nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne und für nachträglich zu erfassende Arbeitslohnbeträge nach dem Verhältnis dieser Beträge auf die Arbeitgeber aufzuteilen.8In den Fällen des § 38 Absatz 3a ist das Betriebsstättenfinanzamt des Dritten für die Geltendmachung der Steuer- oder Haftungsschuld zuständig.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24. April 2008 - 15 Sa 1867/07 - aufgehoben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger geschuldeten Abfindung. In diesem Zusammenhang sind sie rechtlich unterschiedlicher Auffassung darüber, ob die Beklagte auch auf die Abfindung anfallende steuerliche Belastungen zu tragen hat.

2

Der Kläger ist am 1. Juli 1950 geboren. Er trat mit Wirkung vom 1. November 1978 in die Dienste der Stadtwerke H. Das Arbeitsverhältnis ging auf die Beklagte, ein Versorgungsunternehmen auf kommunaler Ebene, über. Diese beschäftigte den Kläger bis zum 15. Dezember 2003 als Gaszählermonteur.

3

Das Ausscheiden des Klägers beruhte auf einem zwischen ihm, der Beklagten und der P GmbH (im Folgenden: Transfergesellschaft) abgeschlossenen dreiseitigen Vertrag vom 2. Dezember 2003. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

        

„…    

        

§ 1      

        

Ende des Anstellungsverhältnisses mit M           

        

1.    

Die M hat am 02.12.2003 den Anstellungsvertrag außerordentlich aus betrieblichen Gründen gekündigt. Das Arbeitsverhältnis wird als Folge dieser Kündigung zum 15.12.2003 beendet.

        

…       

        

§ 2      

        

Anstellungsverhältnis mit der Transfergesellschaft           

        

Der Arbeitnehmer wird unmittelbar nach der Beendigung des Anstellungsvertrags mit M durch die Transfergesellschaft eingestellt. Der Arbeitsvertrag beginnt am 16.12.2003. Er ist befristet und endet mit dem Wegfall des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld, spätestens am 30.11.2005, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

        

…       

        

§ 5      

        

Bezüge           

        

1.    

Während der Verweildauer in der Transfergesellschaft hat der Arbeitnehmer - vorbehaltlich nachfolgend abweichender Regelung - Anspruch auf ein Bruttomonatsentgelt gem. § 4 II Ziff. 1, 2 des SOZIALPLANS. Dieser Anspruch entfällt für den Fall der strukturellen Kurzarbeit, zu deren Einführung der Arbeitnehmer bereits heute sein Einverständnis erteilt. In der Zeit der Kurzarbeit zahlt die Transfergesellschaft an den Arbeitnehmer indes einen Aufstockungsbetrag und weitere Leistungen gemäß § 3 Ziff. 3 der BV Transfergesellschaft.

        

…       

        

§ 10        

        

Abfindung           

        

Endet das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Transfergesellschaft mit Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses, erhält der Arbeitnehmer von der Transfergesellschaft im Namen und im Auftrag der M eine Abfindung gemäß § 3 Ziff. 6 der BV Transfergesellschaft. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Betriebsvereinbarung verwiesen.

        

Wegen der Regelung zur Entstehung und Fälligkeit der Abfindung einschließlich der Modalitäten ihrer Auszahlung findet § 4 Ziff. IV des SOZIALPLANS entsprechende Anwendung.

        

…       

        

§ 12        

        

Nebenabreden ...           

        

1.    

Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für die Schriftformklausel selbst. Mündliche Nebenabreden wurden nicht getroffen.

        

…       

        

3.      

Losgelöst davon findet die BV Transfergesellschaft ... Anwendung.“

4

Die in § 10 des dreiseitigen Vertrages in Bezug genommene „Betriebsvereinbarung Transfergesellschaft“ vom 2. Dezember 2003 (hiernach: BV 2003) lautet auszugsweise wie folgt:

        

„§ 3        

        

Leistungen der Transfergesellschaft           

        

…       

        

3.    

Die Transfergesellschaft ist verpflichtet, jedem Mitarbeiter im Rahmen der Transfergesellschaft folgende Leistungen zu erbringen:

                 

Dabei gelten folgende Begriffsbestimmungen:

                 

Basis A umfasst die monatliche Tabellenvergütung nebst der garantierten individuellen Zulage (GIZ) auf der Basis eines Monatsbetrages und der 13. Monatsvergütung./. 12, berechnet auf der Grundlage des Monats August 2003 ... Außerdem sind Zulagen ... einzubeziehen. ...

                 

Basis B umfasst die monatliche Tabellenvergütung nebst GIZ auf der Basis eines Monatsbetrages, berechnet auf der Grundlage des Monats August 2003.

        

…       

        
        

6.    

Endet das Arbeitsverhältnis zwischen Mitarbeiter und Transfergesellschaft, erhält der Mitarbeiter von der Transfergesellschaft im Namen und für Auftrag der M nach Maßgabe der folgenden Regelungen. ...

                 

a)    

Der Grundbetrag der Abfindung berechnet sich wie folgt:

                          

0,9 x Basis B x Dauer der Betriebszugehörigkeit           

                          

Der Mindestbetrag der Abfindung beträgt 10.000 Euro (brutto).

                          

Sofern der Mitarbeiter noch nicht das 53. Lebensjahr vollendet hat, erhält er mit Ausscheiden aus der Transfergesellschaft eine Abfindung in Höhe von 0,9 x Basis B x Dauer der Betriebszugehörigkeit abzüglich des für die Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft insgesamt gezahlten Kurzarbeitergeldes, der Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld (Aufstockungsbeträge), der Leistungen gemäß Ziff. 3 f) sowie der Vergütungsansprüche bei Urlaub und an Feiertagen.

                          

…       

                          

Sofern der Mitarbeiter erst mit Ablauf der Befristung bei der Transfergesellschaft ausscheidet und das 53. Lebensjahr vollendet hat und einen Anspruch auf Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres hat, erhält er mit Ausscheiden aus der Transfergesellschaft eine Abfindung, die bis zum frühest möglichen Zeitpunkt für die Möglichkeit einer Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente die Differenz zwischen 85 % der Nettobeträge von Basis A und dem Arbeitslosengeld, sowie 15 % der anteiligen Abschläge auf den Zugangsfaktor der gesetzlichen Altersrente wegen vorzeitiger Inanspruchnahme sowie 20 % der wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Werkspension bzw. der ZKW-Rente auf Basis einer fiktiven Hochrechnung beim Rentenbeginn mit 60 eintretenden Nachteile, jeweils bezogen auf einen Zeitraum bis zum 80. Lebensjahr und mit 3 % als Rentenbarwert abgezinst, ausgleichen soll. Der Ausgleich der vorstehend genannten Nachteile wird abschließend zum Zeitpunkt des Abschlusses des dreiseitigen Vertrages und auf der Basis des zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechts unter Bezugnahme auf die Steuerkarte, die M am 01.08.2003 vorgelegen hat, berechnet. Dabei erfolgt die Berechnung nach Maßgabe einer Prognose auf der Grundlage der am Tage der Unterzeichnung dieser Betriebsvereinbarung geltenden Vorschriften und ihrer Handhabe durch die Verwaltung unter Berücksichtigung der Grundsätze, die in der Betriebsvereinbarung über vorzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsleben vom 23.09.2003 festgelegt wurden. Spätere Anpassungen erfolgen nicht. Etwaige auf der Lohnsteuerkarte eingetragene Steuerfreibeträge oder ein Wechsel der Steuerklasse finden bei der Berechnung der Nettobeträge keine Berücksichtigung. Wegen der Kennzeichnung des Anspruchs auf Altersrente wird auf § 4 II 4 des SOZIALPLANS abgestellt.

                 

b)    

Zuschläge zur Abfindung

                          

Mitarbeiter, die das 53. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und gegenüber schwerbehinderten Kindern oder Kindern bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, die auf der M im Monat der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegenden Steuerkarte eingetragen sind, erhalten einen Brutto-Zuschlag zur Abfindung in Höhe von 3.500 Euro pro unterhaltsberechtigtem Kind.

                          

…“    

5

Die ebenfalls in § 10 des dreiseitigen Vertrages in Bezug genommene Regelung des § 4 Nr. IV des Sozialplans vom 2. Dezember 2003 hat folgenden Wortlaut:

        

„Entstehung, Fälligkeit und Abtretung der Abfindung           

        

1.    

Der Abfindungsanspruch entsteht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. für den Fall einer Klage gegen die außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen oder den Aufhebungsvertrag mit dem Wirksamwerden einer Klagerücknahme oder der rechtskräftigen Abweisung der Klage.

        

2.    

Der Anspruch ist vier Wochen nach seiner Entstehung zur Zahlung fällig und wird nach den dann geltenden steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften bargeldlos ausgezahlt.

        

…“    

6

Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Transfergesellschaft endete am 30. November 2005. Nach seinem Ausscheiden bezog der Kläger Leistungen der Arbeitslosenversicherung.

7

Die Transfergesellschaft errechnete unter dem 21. September 2005 zunächst den sich aus einer Bruttoabfindung von 48.829,63 Euro nach Abzug der Lohnsteuer ergebenden Nettobetrag. Diesen zahlte sie namens und im Auftrag der Beklagten an den Kläger aus. Die Lohnsteuer führte sie an das Finanzamt ab. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass das Arbeitslosengeld des Klägers niedriger war als das der Berechnung zugrunde gelegte, berechnete die Transfergesellschaft eine neue Bruttoabfindung iHv. 49.116,97 Euro und den sich daraus nach Abzug der Lohnsteuer ergebenden Nettobetrag. Die Differenz des Nettobetrages zahlte sie an den Kläger, die zusätzliche Lohnsteuer an das Finanzamt.

8

Mit Bescheid vom 24. Februar 2006 setzte das Finanzamt H die vom Kläger für das Jahr 2005 zu zahlende Einkommensteuer auf 6.396,00 Euro und den Solidaritätszuschlag auf 351,78 Euro fest. Unter Berücksichtigung der vorab einbehaltenen Lohnsteuer erstattete es dem Kläger 3.320,08 Euro.

9

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, die von ihr geschuldete Abfindung netto an ihn zur Auszahlung zu bringen. Er hat sich dabei auf die Auslegung der BV 2003 berufen und behauptet, dies entspreche auch Aussagen auf Arbeitgeberseite, die im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden bei der Beklagten gemacht worden seien.

10

Nachdem er einen angekündigten Feststellungsantrag zurückgenommen hatte, hat der Kläger zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.440,00 Euro netto nebst Zinsen zu zahlen. Das entsprach der auf den ursprünglich zugrunde gelegten Bruttobetrag der Abfindung entfallenden Lohnsteuer ohne Solidaritätszuschlag. Im Termin zur streitigen Verhandlung am 4. April 2007 hat der Kläger keinen Antrag stellen lassen. Daraufhin ist ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen. Gegen dieses hat der Kläger Einspruch eingelegt mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.801,31 Euro netto, hilfsweise 1.946,47 Euro netto nebst Zinsen zu zahlen. Er hat diese Forderung darauf gestützt, die Beklagte sei nach § 3 Nr. 6 der BV 2003 verpflichtet, eine Abfindung ua. in Höhe der Nettodifferenz zwischen 85 % der Nettobeträge und dem Arbeitslosengeld der „Basis A“ zu zahlen. Der Einwand der Beklagten, sie sei nicht verpflichtet, für die mit dem Progressionsvorbehalt verbundenen steuerlichen Nachteile einzustehen, greife nicht. Die Entstehung der Steuern in der durch das Finanzamt festgesetzten Höhe sei unvermeidlich gewesen und habe in die Ermittlung der Abfindung einfließen müssen. Ohne die Progression wäre - so sein weiterer Vortrag - eine Steuererstattung iHv. 8.121,39 Euro erfolgt. Unter Zugrundelegung der tatsächlichen Erstattung von 3.320,08 Euro sei die Beklagte zur Zahlung eines Differenzbetrages von 4.801,31 Euro verpflichtet. Unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts seien Steuern in Höhe von 1.946,47 Euro angefallen, die die Beklagte zu tragen habe.

11

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 4. April 2007

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.801,31 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Dezember 2006 zu zahlen,

        

hilfsweise

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.946,47 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Dezember 2006 zu zahlen.

12

Die Beklagte hat beantragt, das klageabweisende Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

13

Sie hält die Abfindung für richtig berechnet.

14

Das Arbeitsgericht hat dem zuletzt gestellten Hauptantrag entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und das klageabweisende Versäumnisurteil aufrechterhalten. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

16

I. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts beruht auf einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensfehler. Der Rechtsstreit ist deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 557 Abs. 3 Satz 2, § 562 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat übersehen, dass der Hauptantrag und dementsprechend der Inhalt des Urteilsausspruches unbestimmt sind (§ 253 Abs. 2 Nr. 2, § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO).

17

1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, dessen Voraussetzungen auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen sind(vgl. nur BGH 28. Januar 1994 - V ZR 90/92 - zu I der Gründe, BGHZ 125, 41), erfordert eine Klage „die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs“, da andernfalls unklar ist, über welchen Streitgegenstand sich eine Sachentscheidung verhält und damit der Umfang der Rechtskraft (§ 322 ZPO)des gerichtlichen Urteils nicht feststeht.

18

2. Diesen Anforderungen entspricht die Klage hinsichtlich des Hauptantrags nicht. Aus dem Sachvortrag des Klägers ergibt sich nicht, was er mit dem Antrag geltend macht, eine ihm zustehende Nettoabfindung - worauf seine Rechtsausführungen schließen lassen - oder - worauf seine zuletzt als maßgeblich in das Verfahren eingeführte Berechnung des Hauptantrags hindeutet - den Ausgleich von Nachteilen bei der Steuerprogression. Bei beidem handelt es sich jedoch um unterschiedliche Gegenstände.

19

Verlangt ein Arbeitnehmer einen Nettobetrag, so geht es darum, ob der Arbeitgeber im Innenverhältnis verpflichtet ist, den Arbeitnehmer von Abzügen, hier der im Lohnsteuerabzugsverfahren (§§ 38 ff. EStG) einzubehaltenden Steuern, freizustellen (BAG 25. Juni 2002 - 9 AZR 155/01 - zu I 1 a der Gründe, BAGE 101, 351). Der Arbeitgeber hat bei einer Nettolohnvereinbarung den gesamten vereinbarten Betrag an den Arbeitnehmer auszukehren, die hierauf entfallenden Abzüge selbst zu tragen und den für die Berechnung der Abzüge maßgeblichen Bruttobetrag durch „Abtastung“ bzw. Iteration zu ermitteln (vgl. BAG 29. September 2004 - 1 AZR 634/03 - zu II 1 b aa der Gründe, EzA EStG § 42d Nr. 2).

20

Demgegenüber betrifft die Steuerprogression die Frage, mit welchem Steuersatz das steuerpflichtige Einkommen zu versteuern ist (§ 32a EStG). Sie führt dazu, dass der Prozentsatz der Steuerpflicht umso höher ist, je höher das zu versteuernde Einkommen ist. Bezieht ein Steuerpflichtiger - wie der Kläger - auch Leistungen der Arbeitslosenversicherung, kommt zudem der Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG zum Tragen. Diese Leistungen sind zwar ihrerseits nicht steuerpflichtig, sie sind jedoch bei der Ermittlung des Steuersatzes, der auf steuerpflichtige Einnahmen zu zahlen ist, zu berücksichtigen. Der erhöhte Steuersatz wirkt sich nicht im Lohnsteuerabzugsverfahren durch den Arbeitgeber aus, sondern erst im Rahmen der jährlichen Veranlagung zur Einkommensteuer, zu deren Beantragung der Arbeitnehmer verpflichtet ist (§ 46 Abs. 2 Nr. 1, § 38a Abs. 1 Satz 1 EStG; vgl. zur Systematik BAG 25. Juni 2002 - 9 AZR 155/01 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 101, 351 sowie 20. Mai 1999 - 6 AZR 451/97 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 91, 358).

21

3. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geklärt, ob der Kläger mit dem Hauptantrag entsprechend einer Nettolohnvereinbarung eine restliche Abfindungszahlung in Höhe der im Lohnsteuerabzugsverfahren einbehaltenen Lohnsteuer - bzw. einen Teilbetrag hiervon - geltend macht oder ob er den Ausgleich der mit dem Progressionsvorbehalt verbundenen Nachteile begehrt. Das führt jedoch nicht zur Abweisung des Hauptantrags als unzulässig in der Revisionsinstanz. Nachdem die mangelnde Angabe des Gegenstandes des Anspruchs bislang in den Tatsacheninstanzen keine Rolle gespielt hat, ist dem Kläger die Möglichkeit zu geben, nach einer Zurückverweisung die notwendigen Klarstellungen vorzunehmen. Denn das Landesarbeitsgericht hätte den Hauptantrag ohne Hinweis nach § 139 ZPO nicht als unzulässig abweisen dürfen(vgl. BGH 20. Februar 1997 - I ZR 13/95 - zu II 3 der Gründe, BGHZ 135, 1).

22

4. Da über den Hauptantrag nicht entschieden werden kann, stellt sich die Frage einer Entscheidung über den Hilfsantrag nicht.

23

II. Für das weitere Verfahren im Falle der Zulässigkeit des Hauptantrags weist der Senat auf Folgendes hin:

24

Maßgeblich für die Berechnung des Anspruchs des Klägers sind - wie es auch in § 10 des dreiseitigen Vertrages vom 2. Dezember 2003 niedergelegt ist - die BV 2003 sowie der am selben Tag abgeschlossene Sozialplan. Dabei handelt es sich um kollektive Regelungen, deren Auslegung auch dem Revisionsgericht obliegt. Maßgeblich ist auf den im Wortlaut zum Ausdruck gelangten Willen der Betriebsparteien abzustellen. Zudem ist der von diesen beabsichtigte Sinn und Zweck der Regelung zu berücksichtigen, soweit diese in den Regelungen des Sozialplans bzw. der Betriebsvereinbarung ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 6 AZR 281/07 - Rn. 65 f.). Danach schuldet die Beklagte dem Kläger die Abfindung nach § 3 Nr. 6 BV 2003 als Nettobetrag. Sie ist jedoch nicht verpflichtet, aufgrund des Progressionsvorbehalts entstehende Nachteile auszugleichen.

25

1. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts schuldet die Beklagte die Abfindung als Nettoabfindung, nicht als Bruttoabfindung. Die Beklagte ist daher verpflichtet, durch Übernahme der im Lohnsteuerabzugsverfahren ermittelten Lohnsteuer die Auszahlung des Nettobetrages an den Kläger sicherzustellen.

26

a) Grundsätzlich schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Bruttobeträge (BAG 21. Juli 2009 - 1 AZR 167/08 - Rn. 14, EzA BGB 2002 § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 4). Der Arbeitgeber ist zwar gegenüber den Finanzbehörden im Rahmen der ihm obliegenden Haftung Gesamtschuldner mit dem Arbeitnehmer (§ 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG). Im Innenverhältnis ist aber in der Regel allein der Arbeitnehmer Schuldner der Steuerforderung (BAG 29. September 2004 - 1 AZR 634/03 - zu II 1 b aa der Gründe, EzA EStG § 42d Nr. 2). Der Arbeitnehmer muss daher grundsätzlich auch steuerlich berechtigte Abzüge hinnehmen (BAG 24. Juni 2003 - 9 AZR 302/02 - zu A II 2 c aa der Gründe, BAGE 106, 345). Die Abzugsberechtigung folgt für Abfindungen, die - wie hier - ein Arbeitgeber an den Arbeitnehmer als Entschädigung anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlt, aus § 34 Abs. 2 Nr. 2 iVm. § 24 Nr. 1 Buchst. b und § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG.

27

Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gilt dann etwas anderes, wenn sich das aus den für das Arbeitsverhältnis geltenden Regelungen ergibt (vgl. BAG 21. Juli 2009 - 1 AZR 167/08 - Rn. 15, EzA BGB 2002 § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 4),denn das Steuerrecht sagt nichts darüber aus, welche Partei des Arbeitsverhältnisses zivilrechtlich verpflichtet ist, die Steuer wirtschaftlich zu tragen (vgl. BAG 1. Februar 2006 - 5 AZR 628/04 - Rn. 17, AP EStG § 40a Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 2). Ob ein Nettoentgelt zu zahlen ist, muss durch Auslegung der maßgeblichen Regelungen ermittelt werden (BAG 21. November 1985 - 2 AZR 6/85 - zu II 4 e der Gründe, RzK I 9 j Nr. 2). Nettolohnvereinbarungen sind nicht die Regel, sondern die Ausnahme (BAG 19. Februar 2008 - 3 AZR 61/06 - Rn. 25, AP BetrAVG § 1 Nr. 52 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 9). Sie müssen einen entsprechenden Willen klar erkennen lassen (BAG 29. September 2004 - 1 AZR 634/03 - zu II 1 b aa der Gründe, EzA EStG § 42d Nr. 2). Das gilt auch, wenn es - wie hier - um die Auslegung einer Betriebsvereinbarung geht (BAG 27. April 2000 - 6 AZR 754/98 - zu 3 a der Gründe).

28

b) Danach haben die Betriebsparteien hier eine Nettoabfindung vereinbart.

29

aa) Für den Abfindungsanspruch des Klägers ist § 3 Nr. 6 Buchst. a BV 2003 maßgeblich. Der Kläger ist erst mit Ablauf der Befristung bei der Transfergesellschaft ausgeschieden. Er hatte bei seinem Ausscheiden am 30. November 2005 das 53. Lebensjahr vollendet, da er am 1. Juli 1950 geboren wurde, und ein Recht auf Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres (§ 237 Abs. 1 SGB VI).

30

bb) Nach § 3 Nr. 6 Buchst. a BV 2003 erhält der Kläger eine Abfindung, die bis zum frühestmöglichen Zeitpunkt der Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente die Differenz zwischen 85 % der Nettobeträge von Basis A und dem Arbeitslosengeld sowie näher bezeichnete Nachteile in der Altersversorgung ausgleichen soll. Eine ausdrückliche Regelung, ob der so errechnete Betrag brutto oder netto zu leisten ist, enthält die BV 2003 nicht. Das unterscheidet diese Vorschrift von der Bestimmung über den Mindestbetrag der Abfindung, bei dem ausdrücklich vorgesehen ist, dass er in Höhe von 10.000,00 Euro brutto zu zahlen ist. Eine ausdrückliche Bruttoregelung enthält auch Buchst. b der genannten Vorschrift hinsichtlich des Zuschlags für jedes unterhaltsberechtigte Kind. Gleichwohl ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des § 3 Nr. 6 Buchst. a BV 2003 als auch aus dessen Sinn und Zweck, dass der zugunsten des Klägers errechnete Betrag netto zu zahlen ist.

31

(1) Nach dem Wortlaut der Vorschrift soll die Abfindung die dort näher bezeichneten Nachteile „ausgleichen“. Anders als bei der Regelung für Mitarbeiter, die noch nicht das 53. Lebensjahr vollendet haben und deshalb nicht rentennah sind - dort ist lediglich eine Abfindungsformel vereinbart -, ist der von den Betriebsparteien gewollte Zweck der Abfindung, nämlich die genannten Nachteile auszugleichen, ausdrücklich und besonders hervorgehoben. In erster Linie berücksichtigt die Regelung den Unterschied zwischen 85 % des Nettoeinkommens nach Basis A und dem Arbeitslosengeld. Das zielt auf den Ausgleich eines sich netto errechnenden Nachteils. Die Bestimmung legt daher nicht lediglich fest, dass sich die Abfindung nach den in ihr genannten Berechnungsgrundlagen errechnet. Sie soll vielmehr eine bestimmte Nettovergütungsdifferenz ausgleichen. Das kann nur so geschehen, dass dem Arbeitnehmer der Nettodifferenzbetrag tatsächlich verbleibt. Dies erfordert die Zahlung der Abfindung als Nettobetrag.

32

(2) Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 4 Nr. IV 2 des Sozialplans vom 2. Dezember 2003. Diese nach dem dreiseitigen Vertrag geltende Regelung besagt lediglich, dass die Auszahlung nach den zum Fälligkeitszeitpunkt geltenden steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zu erfolgen hat. Auch wenn eine Nettovereinbarung getroffen ist, bedarf es einer Regelung darüber, welche Vorschriften einschlägig sind, um die Auszahlung als Nettobetrag sicherzustellen. Nur so kann der entsprechende Bruttobetrag ermittelt werden.

33

(3) Es spricht nicht entscheidend gegen den Charakter der Leistung als Nettoabfindung, dass einige der Berechnungsfaktoren, insbesondere die Regelung über den Ausgleich von Nachteilen bei der Betriebsrente sowie die vergleichsweise heranzuziehende Regelung über die Mindestabfindung auf Bruttobeträge abstellen. Mit der Regelung soll sichergestellt werden, dass in jedem Fall die Differenz zwischen 85 % der Nettobeträge von Basis A und dem Arbeitslosengeld ausgeglichen wird. Ein Vergleich mit der brutto geschuldeten Mindestabfindung ist ohne Weiteres möglich. Auch bei der Auszahlung eines Nettobetrages ist immer der sich daraus ergebende Bruttobetrag zu errechnen, um die vom Arbeitgeber zu tragende Steuerlast zu ermitteln.

34

2. Hingegen finden sich in den genannten Regelungen keinerlei Hinweise darauf, dass die Beklagte verpflichtet sein soll, Progressionsnachteile - mögen sie durch den Progressionsvorbehalt oder aus sonstigen Gründen entstehen - auszugleichen. Dagegen spricht schon, dass nach § 3 Nr. 6 Buchst. b BV 2003 auch bei der Berechnung des der Abfindung zugrunde liegenden Nettonachteils individuelle Umstände, die durch die Eintragung eines Steuerfreibetrages beim Lohnsteuerabzugsverfahren Berücksichtigung gefunden haben (dazu § 39a EStG), keine Rolle spielen sollen. Es wäre systemwidrig, würden die Betriebsparteien derartige individuelle Umstände und dadurch entstehende Nachteile im Zusammenhang mit der jährlichen Festsetzung der Einkommensteuer bei der Berechnung der Abfindung berücksichtigen wollen.

35

3. Das Landesarbeitsgericht wird, soweit es noch darauf ankommen sollte, auch zu klären haben, was Gegenstand und Grund des Hilfsantrags sind. Weitere Hinweise hierzu erscheinen nicht veranlasst.

36

III. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

        

    Gräfl    

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

        

        

    für den wegen Ablaufs der Amtszeit
an der Unterschrift verhinderten
ehrenamtlichen Richter Hauschild
Gräfl    

        

    Schmidt    

        

        

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1)1Der Arbeitgeber kann unter Verzicht auf den Abruf von elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (§ 39e Absatz 4 Satz 2) oder die Vorlage einer Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug (§ 39 Absatz 3 oder § 39e Absatz 7 oder Absatz 8) bei Arbeitnehmern, die nur kurzfristig beschäftigt werden, die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 Prozent des Arbeitslohns erheben.2Eine kurzfristige Beschäftigung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer bei dem Arbeitgeber gelegentlich, nicht regelmäßig wiederkehrend beschäftigt wird, die Dauer der Beschäftigung 18 zusammenhängende Arbeitstage nicht übersteigt und

1.
der Arbeitslohn während der Beschäftigungsdauer 150 Euro durchschnittlich je Arbeitstag nicht übersteigt oder
2.
die Beschäftigung zu einem unvorhersehbaren Zeitpunkt sofort erforderlich wird.

(2) Der Arbeitgeber kann unter Verzicht auf den Abruf von elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (§ 39e Absatz 4 Satz 2) oder die Vorlage einer Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug (§ 39 Absatz 3 oder § 39e Absatz 7 oder Absatz 8) die Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuern (einheitliche Pauschsteuer) für das Arbeitsentgelt aus geringfügigen Beschäftigungen im Sinne des § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder des § 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, für das er Beiträge nach § 168 Absatz 1 Nummer 1b oder 1c (geringfügig versicherungspflichtig Beschäftigte) oder nach § 172 Absatz 3 oder 3a (versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreite geringfügig Beschäftigte) oder nach § 276a Absatz 1 (versicherungsfrei geringfügig Beschäftigte) des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch zu entrichten hat, mit einem einheitlichen Pauschsteuersatz in Höhe von insgesamt 2 Prozent des Arbeitsentgelts erheben.

(2a) Hat der Arbeitgeber in den Fällen des Absatzes 2 keine Beiträge nach § 168 Absatz 1 Nummer 1b oder 1c oder nach § 172 Absatz 3 oder 3a oder nach § 276a Absatz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch zu entrichten, kann er unter Verzicht auf den Abruf von elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (§ 39e Absatz 4 Satz 2) oder die Vorlage einer Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug (§ 39 Absatz 3 oder § 39e Absatz 7 oder Absatz 8) die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz in Höhe von 20 Prozent des Arbeitsentgelts erheben.

(3)1Abweichend von den Absätzen 1 und 2a kann der Arbeitgeber unter Verzicht auf den Abruf von elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (§ 39e Absatz 4 Satz 2) oder die Vorlage einer Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug (§ 39 Absatz 3 oder § 39e Absatz 7 oder Absatz 8) bei Aushilfskräften, die in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 13 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 ausschließlich mit typisch land- oder forstwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigt werden, die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 5 Prozent des Arbeitslohns erheben.2Aushilfskräfte im Sinne dieser Vorschrift sind Personen, die für die Ausführung und für die Dauer von Arbeiten, die nicht ganzjährig anfallen, beschäftigt werden; eine Beschäftigung mit anderen land- und forstwirtschaftlichen Arbeiten ist unschädlich, wenn deren Dauer 25 Prozent der Gesamtbeschäftigungsdauer nicht überschreitet.3Aushilfskräfte sind nicht Arbeitnehmer, die zu den land- und forstwirtschaftlichen Fachkräften gehören oder die der Arbeitgeber mehr als 180 Tage im Kalenderjahr beschäftigt.

(4) Die Pauschalierungen nach den Absätzen 1 und 3 sind unzulässig

1.
bei Arbeitnehmern, deren Arbeitslohn während der Beschäftigungsdauer durchschnittlich je Arbeitsstunde 19 Euro übersteigt,
2.
bei Arbeitnehmern, die für eine andere Beschäftigung von demselben Arbeitgeber Arbeitslohn beziehen, der nach § 39b oder § 39c dem Lohnsteuerabzug unterworfen wird.

(5) Auf die Pauschalierungen nach den Absätzen 1 bis 3 und 7 ist § 40 Absatz 3 anzuwenden.

(6)1Für die Erhebung der einheitlichen Pauschsteuer nach Absatz 2 ist die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zuständig.2Die Regelungen zum Steuerabzug vom Arbeitslohn sind entsprechend anzuwenden.3Für die Anmeldung, Abführung und Vollstreckung der einheitlichen Pauschsteuer sowie die Erhebung eines Säumniszuschlags und das Mahnverfahren für die einheitliche Pauschsteuer gelten dabei die Regelungen für die Beiträge nach § 168 Absatz 1 Nummer 1b oder 1c oder nach § 172 Absatz 3 oder 3a oder nach § 276a Absatz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch.4Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See hat die einheitliche Pauschsteuer auf die erhebungsberechtigten Körperschaften aufzuteilen; dabei entfallen aus Vereinfachungsgründen 90 Prozent der einheitlichen Pauschsteuer auf die Lohnsteuer, 5 Prozent auf den Solidaritätszuschlag und 5 Prozent auf die Kirchensteuern.5Die erhebungsberechtigten Kirchen haben sich auf eine Aufteilung des Kirchensteueranteils zu verständigen und diesen der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See mitzuteilen.6Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See ist berechtigt, die einheitliche Pauschsteuer nach Absatz 2 zusammen mit den Sozialversicherungsbeiträgen beim Arbeitgeber einzuziehen.

(7)1Der Arbeitgeber kann unter Verzicht auf den Abruf von elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (§ 39e Absatz 4 Satz 2) die Lohnsteuer für Bezüge von kurzfristigen, im Inland ausgeübten Tätigkeiten beschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer, die einer ausländischen Betriebsstätte dieses Arbeitgebers zugeordnet sind, mit einem Pauschsteuersatz von 30 Prozent des Arbeitslohns erheben.2Eine kurzfristige Tätigkeit im Sinne des Satzes 1 liegt nur vor, wenn die im Inland ausgeübte Tätigkeit 18 zusammenhängende Arbeitstage nicht übersteigt.

(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 genannten Versorgungsträger erfolgen. Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.

(2) Betriebliche Altersversorgung liegt auch vor, wenn

1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln (beitragsorientierte Leistungszusage),
2.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zu zahlen und für Leistungen zur Altersversorgung das planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital auf der Grundlage der gezahlten Beiträge (Beiträge und die daraus erzielten Erträge), mindestens die Summe der zugesagten Beiträge, soweit sie nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden, hierfür zur Verfügung zu stellen (Beitragszusage mit Mindestleistung),
2a.
der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet wird, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung nach § 22 zu zahlen; die Pflichten des Arbeitgebers nach Absatz 1 Satz 3, § 1a Absatz 4 Satz 2, den §§ 1b bis 6 und 16 sowie die Insolvenzsicherungspflicht nach dem Vierten Abschnitt bestehen nicht (reine Beitragszusage),
3.
künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden (Entgeltumwandlung) oder
4.
der Arbeitnehmer Beiträge aus seinem Arbeitsentgelt zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung leistet und die Zusage des Arbeitgebers auch die Leistungen aus diesen Beiträgen umfasst; die Regelungen für Entgeltumwandlung sind hierbei entsprechend anzuwenden, soweit die zugesagten Leistungen aus diesen Beiträgen im Wege der Kapitaldeckung finanziert werden.

(1) Der Arbeitgeber haftet

1.
für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat,
2.
für die Lohnsteuer, die er beim Lohnsteuer-Jahresausgleich zu Unrecht erstattet hat,
3.
für die Einkommensteuer (Lohnsteuer), die auf Grund fehlerhafter Angaben im Lohnkonto oder in der Lohnsteuerbescheinigung verkürzt wird,
4.
für die Lohnsteuer, die in den Fällen des § 38 Absatz 3a der Dritte zu übernehmen hat.

(2) Der Arbeitgeber haftet nicht, soweit Lohnsteuer nach § 39 Absatz 5 oder § 39a Absatz 5 nachzufordern ist und in den vom Arbeitgeber angezeigten Fällen des § 38 Absatz 4 Satz 2 und 3 und des § 41c Absatz 4.

(3)1Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner.2Das Betriebsstättenfinanzamt kann die Steuerschuld oder Haftungsschuld nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen.3Der Arbeitgeber kann auch dann in Anspruch genommen werden, wenn der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt wird.4Der Arbeitnehmer kann im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft nur in Anspruch genommen werden,

1.
wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten hat,
2.
wenn der Arbeitnehmer weiß, dass der Arbeitgeber die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig angemeldet hat.2Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer den Sachverhalt dem Finanzamt unverzüglich mitgeteilt hat.

(4)1Für die Inanspruchnahme des Arbeitgebers bedarf es keines Haftungsbescheids und keines Leistungsgebots, soweit der Arbeitgeber

1.
die einzubehaltende Lohnsteuer angemeldet hat oder
2.
nach Abschluss einer Lohnsteuer-Außenprüfung seine Zahlungsverpflichtung schriftlich anerkennt.
2Satz 1 gilt entsprechend für die Nachforderung zu übernehmender pauschaler Lohnsteuer.

(5) Von der Geltendmachung der Steuernachforderung oder Haftungsforderung ist abzusehen, wenn diese insgesamt 10 Euro nicht übersteigt.

(6)1Soweit einem Dritten (Entleiher) Arbeitnehmer im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995 (BGBl. I S. 158), das zuletzt durch Artikel 26 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854) geändert worden ist, zur Arbeitsleistung überlassen werden, haftet er mit Ausnahme der Fälle, in denen eine Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Absatz 3 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes vorliegt, neben dem Arbeitgeber.2Der Entleiher haftet nicht, wenn der Überlassung eine Erlaubnis nach § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zugrunde liegt und soweit er nachweist, dass er den nach § 51 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe d vorgesehenen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist.3Der Entleiher haftet ferner nicht, wenn er über das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung ohne Verschulden irrte.4Die Haftung beschränkt sich auf die Lohnsteuer für die Zeit, für die ihm der Arbeitnehmer überlassen worden ist.5Soweit die Haftung des Entleihers reicht, sind der Arbeitgeber, der Entleiher und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner.6Der Entleiher darf auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das inländische bewegliche Vermögen des Arbeitgebers fehlgeschlagen ist oder keinen Erfolg verspricht; § 219 Satz 2 der Abgabenordnung ist entsprechend anzuwenden.7Ist durch die Umstände der Arbeitnehmerüberlassung die Lohnsteuer schwer zu ermitteln, so ist die Haftungsschuld mit 15 Prozent des zwischen Verleiher und Entleiher vereinbarten Entgelts ohne Umsatzsteuer anzunehmen, solange der Entleiher nicht glaubhaft macht, dass die Lohnsteuer, für die er haftet, niedriger ist.8Die Absätze 1 bis 5 sind entsprechend anzuwenden.9Die Zuständigkeit des Finanzamts richtet sich nach dem Ort der Betriebsstätte des Verleihers.

(7) Soweit der Entleiher Arbeitgeber ist, haftet der Verleiher wie ein Entleiher nach Absatz 6.

(8)1Das Finanzamt kann hinsichtlich der Lohnsteuer der Leiharbeitnehmer anordnen, dass der Entleiher einen bestimmten Teil des mit dem Verleiher vereinbarten Entgelts einzubehalten und abzuführen hat, wenn dies zur Sicherung des Steueranspruchs notwendig ist; Absatz 6 Satz 4 ist anzuwenden.2Der Verwaltungsakt kann auch mündlich erlassen werden.3Die Höhe des einzubehaltenden und abzuführenden Teils des Entgelts bedarf keiner Begründung, wenn der in Absatz 6 Satz 7 genannte Prozentsatz nicht überschritten wird.

(9)1Der Arbeitgeber haftet auch dann, wenn ein Dritter nach § 38 Absatz 3a dessen Pflichten trägt.2In diesen Fällen haftet der Dritte neben dem Arbeitgeber.3Soweit die Haftung des Dritten reicht, sind der Arbeitgeber, der Dritte und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner.4Absatz 3 Satz 2 bis 4 ist anzuwenden; Absatz 4 gilt auch für die Inanspruchnahme des Dritten.5Im Fall des § 38 Absatz 3a Satz 2 beschränkt sich die Haftung des Dritten auf die Lohnsteuer, die für die Zeit zu erheben ist, für die er sich gegenüber dem Arbeitgeber zur Vornahme des Lohnsteuerabzugs verpflichtet hat; der maßgebende Zeitraum endet nicht, bevor der Dritte seinem Betriebsstättenfinanzamt die Beendigung seiner Verpflichtung gegenüber dem Arbeitgeber angezeigt hat.6In den Fällen des § 38 Absatz 3a Satz 7 ist als Haftungsschuld der Betrag zu ermitteln, um den die Lohnsteuer, die für den gesamten Arbeitslohn des Lohnzahlungszeitraums zu berechnen und einzubehalten ist, die insgesamt tatsächlich einbehaltene Lohnsteuer übersteigt.7Betrifft die Haftungsschuld mehrere Arbeitgeber, so ist sie bei fehlerhafter Lohnsteuerberechnung nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne und für nachträglich zu erfassende Arbeitslohnbeträge nach dem Verhältnis dieser Beträge auf die Arbeitgeber aufzuteilen.8In den Fällen des § 38 Absatz 3a ist das Betriebsstättenfinanzamt des Dritten für die Geltendmachung der Steuer- oder Haftungsschuld zuständig.

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und
2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er, ohne der Änderung zu widersprechen, sich in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen hat.

(1) Hat der Schuldner nicht in Person zu leisten, so kann auch ein Dritter die Leistung bewirken. Die Einwilligung des Schuldners ist nicht erforderlich.

(2) Der Gläubiger kann die Leistung ablehnen, wenn der Schuldner widerspricht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 394/02 Verkündet am:
6. Dezember 2004
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Widerklage ist zulässig, wenn
der Gegner einwilligt und das Begehren auf unstreitigem Sachvortrag beruht.
BGH, Urteil vom 6. Dezember 2004 - II ZR 394/02 - OLG Karlsruhe
LG Mosbach
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 6. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. h.c. Röhricht und die Richter Dr. Kurzwelly, Münke, Dr. Gehrlein und
Caliebe

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. August 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Durch notariellen Vertrag vom 23. August 1994 gründetenG. K. und A. R. die "G. S. IV GbR M. straße" (im folgenden: Fonds, Fondsgesellschaft). Zweck der Gesellschaft war der Erwerb, die wirtschaftliche Ausnützung und Verwaltung der Gewerbeimmobilie M. straße 6 in L. . Gesellschafter konnten dem Fonds, dessen Kapital bis zu 13,5 Mio. DM betragen sollte, durch Einlagen von
mindestens 15.000,00 DM beitreten. Initiatorin des Fonds war die Gesellschaft für W. mbH S. (GW -GmbH), die außerdem den Vertrieb der Fondsanteile übernahm. Die durch eine Treuhandgesellschaft vertretenen Beklagten zeichneten am 15. Dezember 1995 zwei Fondsanteile über insgesamt 60.000,00 DM.
Die Beklagten schlossen am 1. Dezember 1995 zur Finanzierung ihrer Beteiligung mit der Klägerin unter Verwendung eines Formulars, das die Klägerin dem Vertriebsunternehmen überlassen hatte, einen Kreditvertrag über 68.888,88 DM. Das Darlehen sollte in voller Höhe durch eine von den Beklagten zugleich abgeschlossene Kapitallebensversicherung getilgt werden. Die Ansprüche aus dieser Lebensversicherung traten die Beklagten sicherungshalber an die Klägerin ab; außerdem verpfändeten sie der Klägerin ihren Gesellschaftsanteil.
Die monatlichen Kreditbelastungen der Beklagten konnten - entgegen dem Konzept des Fonds - ab Beginn des Jahres 2000 nicht mehr über Mietausschüttungen gedeckt werden. Durch Anwaltsschreiben vom 20. August 2001 kündigten die Beklagten mit der Begründung, über den tatsächlichen Verkehrswert der Immobilie und eine vermeintliche Wertsteigerung in betrügerischer Weise getäuscht worden zu sein, ihre Fondsbeteiligung aus wichtigem Grund. Schließlich widerriefen die Beklagten - im vorliegenden Rechtsstreit - durch Schriftsatz vom 4. Januar 2002 unter Berufung auf eine Haustürsituation ihre Erklärung auf Abschluß des Darlehensvertrages gegenüber der Klägerin.
Der von der Klägerin nach Kündigung und Fälligstellung des Darlehens erhobenen Klage auf Zahlung von 72.538,20 DM hat das Landgericht stattgegeben. Die Berufung der Beklagten, die im zweiten Rechtszug außerdem
widerklagend Rückzahlung der Zinsleistungen von 26.866,80 DM begehrt haben, ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihre Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein Widerrufsrecht der Beklagten nach dem Haustürwiderrufsgesetz sei jedenfalls verwirkt. Mängel des Beitritts zur Fondsgesellschaft könnten die Beklagten nicht im Rahmen des Darlehensverhältnisses geltend machen, weil der Fondsbeitritt kein verbundenes Geschäft darstelle und nicht im Rahmen des Darlehensvertrages rückabgewickelt werden könne. Die Widerklage sei unzulässig, weil ihr ein anderer Streitgegenstand als der Klage zugrunde liege.
II. Dieser Beurteilung kann nicht beigetreten werden.
Nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachvortrag der Beklagten ist die Klage schon deshalb unbegründet und die Widerklage begründet , weil der Darlehensvertrag der Parteien unwirksam ist. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts waren die Beklagten berechtigt, ihre auf den Abschluß des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG (in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung, jetzt § 312 Abs. 1 Nr. 1 BGB) zu widerrufen.
1. Die Widerklage der Beklagten auf Zahlung von 26.866,80 DM ist - wie die Revision mit Recht rügt - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zulässig. Die in § 533 ZPO geregelten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer neuen, erstmals im Berufungsrechtszug erhobenen Widerklage sind erfüllt.

a) Eine Widerklage ist gemäß § 533 Nr. 1 ZPO zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält. Wegen der Verweisung des § 525 ZPO auch auf § 267 ZPO kann die Einwilligung des Gegners stillschweigend erteilt werden, indem er sich rügelos auf die Widerklage einläßt (BGHZ 21, 13, 18; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO 23. Aufl. § 533 Rdn. 9; Musielak/Ball, ZPO 3. Aufl. § 533 Rdn. 19). Da die Klägerin - ohne vorherige schriftsätzliche Beanstandung (vgl. BGH, Urt. v. 21. Februar 1975 - V ZR 148/73, NJW 1975, 1228 f.) - in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2002 einen Antrag auf Abweisung der Widerklage gestellt hat, wird ihre Einwilligung unwiderleglich vermutet.

b) Als zweite Voraussetzung darf eine Widerklage nur auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO). Es bestehen bereits durchgreifende Bedenken, ob es sich bei dem - widerklagend geltend gemachten - der Höhe nach unstreitigen Zinsbetrag um eine neue Tatsache handelt, weil dieser Zahlungsposten ohnehin mit dem Anspruch der Klägerin auf Rückgewähr der Darlehensvaluta zu verrechnen wäre und daher (unausgesprochen) bereits im Klagevortrag enthalten ist. Jedenfalls sind neue unstreitige Tatsachen im Berufungsrechtszug gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen. Wie zum früheren Novenrecht (vgl. BGH, Urt. v. 31. Januar 1980 - VII ZR 96/79, NJW 1980, 945, 947) betrifft die
Regelung des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO über die Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel nur streitiges und daher beweisbedürftiges Vorbringen (OLG Hamm MDR 2003, 650 f.; Zöller/Gummer/Heßler aaO § 531 Rdn. 25; Meyer-Seitz in Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 531 Rdn. 8). Unstreitige neue Tatsachen können also die Grundlage einer Widerklage bilden (Meyer-Seitz aaO § 533 Rdn. 10). Klage und Widerklage betreffen im Sinn des herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs (BGHZ 117, 1, 6) einen identischen Sachverhalt. Wegen der (notwendig) jeweils entgegengesetzten Angriffsrichtung kann aber nicht - wie offenbar das Berufungsgericht meint - außerdem verlangt werden, daß Klage und Widerklage - als zweites Element des Streitgegenstandsbegriffes - dasselbe Begehren zum Inhalt haben. Vielmehr führt schon die im Verhältnis zur Klage gemeinsame Tatsachengrundlage zur Zulässigkeit der Widerklage.
2. § 5 Abs. 2 HaustürWG ist richtlinienkonform dahingehend auszulegen, daß die Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes auf Real- und Personalkredite auch dann anzuwenden sind, wenn das Widerrufsrecht nach dem Verbraucherkreditgesetz ausgeschlossen oder erloschen ist (BGHZ 150, 248, 256; BGHZ 152, 331, 334 f.; Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1403). Letzteres ist hier der Fall. Die Widerrufsfrist des § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG ist infolge Fristablaufs erloschen.
3. Die Voraussetzungen des Widerrufs nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG liegen vor.

a) Nach dem für das Revisionsverfahren zugrundezulegenden Sachverhalt sind die Beklagten aufgrund eines unbestellten Besuchs von einem Mitar-
beiter des Vertriebsunternehmens für den Fondsbeitritt und dessen Finanzierung in ihrer Wohnung geworben worden.

b) Die Haustürsituation ist der Klägerin zuzurechnen.
Insoweit gelten die für die Zurechnung einer arglistigen Täuschung nach § 123 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätze (BGH, Urt. v. 12. November 2002 - XI ZR 3/01, ZIP 2003, 22, 24 f.; v. 15. Juli 2003 - XI ZR 162/00, ZIP 2003, 1741, 1743; v. 20. Januar 2004 - XI ZR 460/02, DB 2004, 647, 648). Ist danach - wie hier - der Verhandlungsführer als Dritter anzusehen, so ist sein Handeln dem Erklärungsempfänger zuzurechnen, wenn dieser es kannte oder kennen mußte. Für eine fahrlässige Unkenntnis in diesem Sinne genügt, daß die Umstände des Falles den Erklärungsempfänger veranlassen mußten, sich zu erkundigen , auf welchen Umständen die ihm übermittelte Willenserklärung beruht (BGH, Urt. v. 9. April 1992 - IX ZR 145/91, ZIP 1992, 755, 756).
Auch wenn die Klägerin nicht schon gewußt haben sollte, daß die Fondsbeteiligungen einschließlich der Finanzierungen in Haustürsituationen vertrieben wurden, war sie nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen doch jedenfalls verpflichtet, sich bei der Fondsgesellschaft oder dem Vertriebsunternehmen über die Umstände der Vertragsverhandlungen zu erkundigen, weil sie in das Vertriebssystem des Fonds eingebunden war. Sie hatte dem Vertriebsunternehmen ihre Kreditfomulare überlassen. Ausweislich des Kreditvertrages hatte der Vermittler die eigenhändige Unterschriftsleistung der Beklagten "im Hause des Kreditnehmers" (richtig: der Kreditnehmer) bestätigt. Damit legte schon die Vertragsurkunde eine Haustürsituation in aller Deutlichkeit nahe. Deshalb hätte für die Klägerin Veranlassung bestanden, bei dem Fonds-
vertreiber Nachfrage über das Zustandekommen der Willenserklärung zu halten.

c) Das Widerrufsrecht der Beklagten ist nicht durch Fristablauf erloschen. Die einwöchige Widerrufsfrist des § 1 Abs. 1 HaustürWG hat mangels ordnungsgemäßer Belehrung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 HaustürWG nicht zu laufen begonnen.
Die Belehrung enthält den Hinweis, daß nach dem Empfang des Darlehens der Widerruf als nicht erfolgt gelte, wenn der Nettokreditbetrag nicht binnen zwei Wochen zurückgezahlt werde. Eine derartige - dem § 7 Abs. 3 VerbrKrG entsprechende - Widerrufsbelehrung genügt entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht den Anforderungen des § 2 HaustürWG, weil sie eine "andere" - zudem noch unrichtige - Erklärung enthält (vgl. Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1404). Fehlt eine ordnungsgemäße Belehrung, kann das Widerrufsrecht entsprechend dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Dezember 2001 (Rs. C-481/99, NJW 2002, 281, 282 f.) zeitlich unbefristet ausgeübt werden (vgl. auch Senat, BGHZ 148, 201, 203 f.: 10 Jahre). Eine Verwirkung des Widerrufsrechts scheidet schon deshalb aus, weil Darlehensnehmer erst durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Dezember 2001 (aaO) über die Berechtigung eines Widerrufs nach dem Haustürwiderrufsgesetz verbindlich in Kenntnis gesetzt wurden (vgl. BGH, Urt. v. 15. September 1999 - I ZR 57/97, NJW 2000, 140, 142). Folgerichtig haben die Beklagten ihre Erklärung am 4. Januar 2002 widerrufen.
4. Als Rechtsfolge des Widerrufs sind die Vertragspartner gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 HaustürWG verpflichtet, dem jeweils anderen Teil die empfangenen Leistungen zurückzugewähren.

a) Danach brauchen die Beklagten der Klägerin nicht die Darlehensvaluta zurückzuzahlen, sondern ihr lediglich ihren Fondsanteil abzutreten.
Der Senat hat in seinem Urteil vom 14. Juni 2004 (II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1404 f.) entschieden, daß die von dem Darlehensnehmer empfangene Leistung im Falle der Auszahlung des Darlehens an einen Dritten bei einem Verbundgeschäft im Sinne von § 9 VerbrKrG der finanzierte Gesellschaftsanteil ist. Der Fondsbeitritt der Beklagten und der Darlehensvertrag der Parteien bilden ein verbundenes Geschäft im Sinne von § 9 Abs. 1, 4 VerbrKrG. Ein solches liegt vor, wenn sich Fondsgesellschaft und Bank derselben Vertriebsorganisation bedienen (vgl. Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1594; ebenso Entscheidungen vom 14. Juni 2004 in den Sachen II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1396, 1398 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1405). Das war hier der Fall. Die Klägerin hat ihre Vertragsformulare dem von den Fondsinitiatoren eingeschalteten Vertriebsunternehmen zur Verfügung gestellt.

b) Die Klägerin hat den Beklagten die von ihnen gezahlten Zinsleistungen zurückzugewähren, allerdings nur, soweit sie aus von der Gesellschaftsbeteiligung unabhängigem Vermögen erbracht sind (vgl. Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1404). Das Berufungsgericht wird - ggf. nach ergänzendem Vortrag der Parteien - klären müssen, in welchem Umfang der Treuhänder Ausschüttungen des Fonds an die Klägerin weitergeleitet hat. Ferner ist die Klägerin verpflichtet, die Rechte aus der Lebensversicherung an den Beklagten zurückzuübertragen (Sen.Urt. aaO).
5. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - zu den Voraussetzungen einer Haustürsituation nach § 1 HaustürWG keine
Feststellungen getroffen. Das nachzuholen, hat es im Rahmen der neuen Verhandlung Gelegenheit.
III. Die Revision ist auch noch aus einem anderen Gesichtspunkt begründet. Selbst wenn der Darlehensvertrag wirksam sein sollte, müßten die Beklagten nach dem vom Berufungsgericht bisher unterstellten Sachverhalt keine weiteren Zahlungen an die Klägerin leisten und hätten umgekehrt einen Anspruch auf Rückgewähr ihrer bereits erbrachten Leistungen. Das ergibt sich aus § 9 Abs. 3, Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG, dessen bis zum 30. September 2000 geltende Fassung hier anzuwenden ist.
1. Wie vorstehend unter II. 4. a ausgeführt, bilden der Darlehensvertrag und der Gesellschaftsbeitritt ein verbundenes Geschäft im Sinne von § 9 Abs. 1, 4 VerbrKrG, so daß § 9 Abs. 3 VerbrKrG zur Anwendung kommt.
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts können sich die Beklagten der Klägerin gegenüber darauf berufen, daß ihnen gegen die Gründungsgesellschafter des Fonds, G. K. und A. R. , Schadensersatzansprüche u.a. aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß zustehen (vgl. Sen.Urt. v. 10 Oktober 1994 - II ZR 95/93, ZIP 1994, 1851 f.).

a) Wie der Senat in seinen Urteilen vom 14. Juni 2004 (II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1404) entschieden hat, kann der bei seinem Eintritt in eine Fondsgesellschaft getäuschte Anleger bei Vorliegen eines Verbundgeschäfts nicht nur seine Beteiligung kündigen und die daraus folgenden Ansprüche auch der Bank entgegenhalten, sondern darüber hinaus der Bank auch alle Ansprüche entgegensetzen, die er gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter des Fonds hat, weil diese
in dem Dreiecksverhältnis des Verbundgeschäfts Kunde - Verkäufer - Bank wie ein Verkäufer zu behandeln sind.

b) Die gegenüber den Gründungsgesellschaftern des Fonds bestehenden Schadensersatzansprüche sind darauf gerichtet, den Anleger so zu stellen, als wäre er der Fondsgesellschaft nicht beigetreten und hätte mit dem den Beitritt finanzierenden Institut keinen Darlehensvertrag geschlossen (Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1406).
Danach haben die Beklagten der Klägerin nur die Fondsbeteiligung und in entsprechender Anwendung von § 255 BGB ihre Schadensersatzansprüche gegen die GW -GmbH und die Gründungsgesellschafter abzutreten. Die Darlehensvaluta , die nicht an sie, sondern an den Treuhänder geflossen ist, brauchen sie der Klägerin nicht zurückzuzahlen.
Ferner können die Beklagten im Wege des Rückforderungsdurchgriffs nach § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG (vgl. Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1595) von der Klägerin Rückgewähr der von ihnen aufgrund des Darlehensvertrages an die Klägerin erbrachten Leistungen verlangen. Ebenso wie im oben (II.) erörterten Fall der Rückabwicklung aufgrund wirksamen Widerrufs des Darlehensvertrages nach dem Haustürwiderrufsgesetz haben sie jedoch nur Anspruch auf Rückzahlung solcher Leistungen, die sie aus eigenem Vermögen erbracht haben.

c) Diese Rechte der Beklagten sind nicht verwirkt.
Insoweit kommt es nicht auf die erst im August 2000 erfolgte Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses an. Das Kündigungsrecht kann im Falle eines verbundenen Geschäfts auch dadurch ausgeübt werden, daß der getäuschte Anleger dem Finanzierungsinstitut mitteilt, er sei durch Täuschung zum Erwerb der Beteiligung veranlaßt worden, und ihm die Übernahme seines Geschäftsanteils anbietet (Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1595; Sen.Urt. v. 14. Juli 2004 - II ZR 392/01, WM 2004, 1518, 1520 f.). Die Beklagten haben den Darlehensvertrag bereits Ende Juni 1998 gegenüber der Klägerin angefochten und ihr die Fondsbeteiligung zur Verfügung gestellt.
3. Da das Berufungsgericht, wie dargelegt, insoweit noch Feststellungen zu treffen hat, kommt eine abschließende Entscheidung des Senats auch in bezug auf den Schadensersatzanspruch der Beklagten nicht in Betracht. Die Zurückverweisung bietet auch Gelegenheit nach Maßgabe der Urteile des Senats vom 14. Juni 2004 (II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1407) zu klären, ob die Beklagten in den Genuß
von Steuervorteilen gekommen sind, denen keine Nachzahlungsansprüche des Finanzamts gegenüberstehen.
Röhricht Kurzwelly Münke
Gehrlein Caliebe

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.

(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.

(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 7. März 2012 - 16 Sa 809/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer durch Betriebsvereinbarung geregelten Altersgrenze.

2

Der Kläger war seit April 1980 bei der Beklagten aufgrund einer von beiden Seiten unterzeichneten „Einstellmeldung“ beschäftigt. In dieser heißt es:

        

„1.     

Das Arbeitsverhältnis unterliegt den Bestimmungen des Manteltarifvertrages für Lohnempfänger, des Lohntarifvertrages und der Arbeitsordnung der V AG in der jeweils gültigen Fassung.

        

…       

        
        

3.    

Es wird eine Probezeit von 4 Wochen vereinbart. Wird die Weiterbeschäftigung nicht mindestens 7 Tage vor Ablauf der Probezeit schriftlich abgelehnt, so gilt das Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

        

…       

        
        

6.    

Es wurden ausgehändigt:

Mantel-Tarif-Vertrag für Lohnempfänger

                          

Lohntarifvertrag

                          

Arbeitsordnung

                          

Satzung der Betriebskrankenkasse (mit Krankenordnung)

                          

Unfallverhütungs-Vorschriften

                          

Versorgungsrichtlinien“

3

In der als Versorgungsordnung bezeichneten Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 6/76 vom 21. Dezember 1976 (GBV 6/76) ist bestimmt:

        

㤠3

        

V-Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit

        

(1) V-Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wird an einen V-Mitarbeiter gezahlt, der nach Erfüllung der Wartezeit (§ 2) aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG ausscheidet, weil ein Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bei ihm den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit festgestellt hat und deswegen Rente gewährt (= vorzeitiger Versorgungsfall). …

        

…       

        

§ 4

        

V-Altersrente

        

(1) V-Altersrente wird gezahlt, wenn ein V-Mitarbeiter nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG ausscheidet (= Versorgungsfall bei fester Altersgrenze).

        

(2) V-Altersrente wird vorzeitig gezahlt, wenn ein V-Mitarbeiter nach Vollendung des 63. - bei Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit oder bei Schwerbehinderung nach Vollendung des 62. Lebensjahres -, eine V-Mitarbeiterin nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG ausscheidet (= Versorgungsfall bei flexibler Altersgrenze).

        

(3) V-Altersrente wird vom Beginn des Monats an gezahlt, der auf den Zeitpunkt des altersbedingten Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG folgt, frühestens jedoch nach Ablauf der Zeit, für die noch Zahlungen aus dem beendeten Arbeitsverhältnis geleistet werden. …

        

…       

        

§ 8

        

Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses

        

...     

        

(3) Die V-Rente wird wie folgt berechnet: Es wird ermittelt, welche V-Rente bei angenommener Fortdauer des Arbeitsverhältnisses mit der V AG bis zum Eintritt der nach Absatz 2 maßgebenden Voraussetzungen nach § 7 zu zahlen wäre (= fiktive Vollrente). Hierbei wird das Bruttoarbeitsentgelt in den letzten zwölf vollen Kalendermonaten des Arbeitsverhältnisses mit der V AG nach Maßgabe des § 6 zugrunde gelegt. Diese Rente wird in dem Verhältnis ermäßigt, in dem die erreichte Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der V AG zur erreichbar gewesenen Dauer steht (bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs = feste Altersgrenze).

        

…“    

4

Die GBV 6/76 wurde durch die Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 2/92 vom 11. Dezember 1992 (GBV 2/92) neu gefasst. Nach deren § 4 Abs. 1 Satz 2 endet das Arbeitsverhältnis - ohne dass es einer Kündigung bedarf - mit Ablauf des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird. Die GBV 2/92 trat am 31. Dezember 1992 in Kraft und galt für alle Versorgungsfälle, die auf einem Arbeitsverhältnis beruhten, das vor dem 1. Januar 1987, aber nach dem 1. Dezember 1976 begründet worden war.

5

Der Kläger vollendete im August 2007 sein 65. Lebensjahr und schied zum 31. August 2007 bei der Beklagten aus.

6

Die für die Beklagte geltenden Firmentarifverträge enthielten zum Zeitpunkt der Einstellung des Klägers keine Altersgrenzenregelungen. Erst am 14. Oktober 2009 vereinbarte die IG Metall mit der Beklagten eine Ergänzung des Manteltarifvertrags vom 15. Dezember 2008, wonach das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung mit Ablauf des Kalendermonats endet, in dem der Beschäftigte die jeweilige individuelle Regelaltersgrenze in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung erreicht. Diese Regelung trat mit Wirkung zum 1. August 2009 in Kraft.

7

Mit seiner am 5. Juli 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, sein Arbeitsverhältnis sei nicht durch die in den Gesamtbetriebsvereinbarungen enthaltenen Altersgrenzenregelungen beendet worden. Diese führten zu nach dem AGG unzulässigen Benachteiligungen wegen des Lebensalters. Eine auf das Erreichen des Regelrentenalters bezogene Befristung könne in Betriebsvereinbarungen nicht vereinbart werden. Bei der Einstellung sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden. Diese Abrede gehe als günstigere Absprache etwaigen Altersgrenzenregelungen in den Gesamtbetriebsvereinbarungen vor.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 31. August 2007 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrags auch über den 31. August 2007 hinaus in der Montage zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Befristungskontrollklage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat nach § 4 Abs. 1 GBV 6/76 mit Ablauf des Kalendermonats geendet, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet hat, also am 31. August 2007. Die in der GBV 6/76 enthaltene Altersgrenze ist wirksam. Günstigere vertragliche Vereinbarungen bestehen nicht. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

12

I. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat mit Ablauf des 31. August 2007 geendet. Dies folgt aus § 4 Abs. 1 GBV 6/76, der eine auf das Erreichen des 65. Lebensjahres bezogene Altersgrenze enthält. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG greift nicht ein. Die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat konnten eine Befristung des Arbeitsvertrags durch eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze in der GBV 6/76 regeln. Die Altersgrenzenregelung verstößt nicht gegen § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG und das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1, § 1 AGG.

13

1. Anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen, enthält bereits § 4 Abs. 1 GBV 6/76 eine auf das Erreichen des gesetzlichen Rentenalters bezogene Altersgrenze. Dies folgt aus dem Wortlaut, der Systematik und dem Normzweck der Vorschrift.

14

a) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge oder Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen verfolgte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen sowie die von den Betriebsparteien praktizierte Handhabung der Betriebsvereinbarung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG 18. Oktober 2011 - 1 AZR 376/10 - Rn. 15).

15

b) Der Wortlaut von § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist nicht eindeutig. Er kann dahingehend verstanden werden, dass er ausschließlich die Ruhegeldbezugsberechtigung eines Arbeitnehmers bei Erreichen der festen Altersgrenze regelt. Ein Verständnis, wonach er nicht nur diese, sondern auch die Beendigung der Arbeitsverhältnisse der ruhegeldberechtigten Arbeitnehmer regelt, wird durch den Wortlaut jedoch nicht ausgeschlossen.

16

c) Für die Auslegung von § 4 Abs. 1 GBV 6/76 als Beendigungsnorm spricht der systematische Zusammenhang der Vorschrift. Denn auch an anderer Stelle in der GBV 6/76 wird die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit dem Bezug einer gesetzlichen Rente geregelt. § 3 Abs. 1 GBV 6/76 enthält eine auflösende Bedingung, nach der ein Arbeitnehmer bei Feststellung seiner Erwerbsunfähigkeit und einer entsprechenden Rentengewährung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Dem entspricht § 4 Abs. 3 GBV 6/76, wonach V-Altersrente vom Beginn des Monats an gezahlt wird, der auf den Zeitpunkt des „altersbedingten Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG“ folgt. Diese Norm, die an die Regelung der festen sowie der flexiblen Altersgrenze in § 4 Abs. 1 und Abs. 2 GBV 6/76 anknüpft, geht von einem „altersbedingten Ausscheiden“ aus dem Arbeitsverhältnis aus und nicht aufgrund eines eigenständigen Beendigungstatbestands. Hierfür spricht auch die Berechnungsregel für die Höhe des Ruhegeldes bei vorzeitigem Ausscheiden in § 8 Abs. 3 GBV 6/76. Nach dieser ist die Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres begrenzt. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls bei Erreichen der in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 bestimmten Altersgrenze endet.

17

d) Dies entspricht dem Normzweck. Durch die Regelungen der GBV 6/76 wird den Arbeitnehmern der Beklagten neben ihrer gesetzlichen Altersrente eine weitere Versorgung gewährt, die an die Stelle der entfallenden Arbeitsvergütung tritt. Da die GBV 6/76 nicht regelt, dass das betriebliche Ruhegeld nach Erreichen des Versorgungsfalls auch zusätzlich zum Arbeitsentgelt gezahlt werden kann, ist davon auszugehen, dass durch die Versorgungsordnung zugleich das Arbeitsverhältnis bei Erreichen der festen Altersgrenze beendet werden soll. Dies haben die Betriebsparteien in der GBV 2/92 durch § 4 Abs. 1 Satz 2 GBV 2/92 klargestellt.

18

2. Die Altersgrenzenregelung der GBV 6/76 verstößt nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG.

19

a) Danach können Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (§ 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Arbeitsbedingungen sind dann durch Tarifvertrag geregelt, wenn sie in einem Tarifvertrag enthalten sind und der Betrieb in den räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt (BAG 16. August 2011 - 1 AZR 314/10 - Rn. 12). Tarifüblich ist eine Regelung, wenn der Regelungsgegenstand in der Vergangenheit in einem einschlägigen Tarifvertrag enthalten war und die Tarifvertragsparteien über ihn Verhandlungen führen. Bloße zeitliche Geltungslücken zwischen einem abgelaufenen und einem zu erwartenden Tarifvertrag führen nicht zum Wegfall der Sperrwirkung. Keine Tarifüblichkeit liegt allerdings vor, wenn es in der Vergangenheit noch keinen einschlägigen Tarifvertrag gab und die Tarifvertragsparteien lediglich beabsichtigen, die Angelegenheit künftig tariflich zu regeln. Das gilt selbst dann, wenn sie bereits Tarifverhandlungen aufgenommen haben (BAG 26. August 2008 - 1 AZR 354/07 - Rn. 11, BAGE 127, 297).

20

b) Die Voraussetzungen des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG liegen nicht vor. Bis zu der am 14. Oktober 2009 vereinbarten Ergänzung des Manteltarifvertrags vom 15. Dezember 2008 enthielten die für die Beklagte geltenden Tarifverträge keine Altersgrenzenregelungen. Zu welchem Zeitpunkt die Tarifvertragsparteien hierüber Verhandlungen aufgenommen haben, ist unerheblich.

21

3. Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist von der Regelungskompetenz der Betriebsparteien umfasst.

22

a) Bei der GBV 6/76 handelt es sich um eine teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung. Soweit diese den Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ausgestaltet hat, unterlag sie dem Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Hiervon nicht erfasst war die Festlegung einer Altersgrenze bei Erreichen des Regelrentenalters. Für diesen Regelungsgegenstand folgt die Zuständigkeit der Betriebsparteien aus § 88 BetrVG.

23

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die Betriebsparteien durch Betriebsvereinbarungen Regelungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen treffen. Dem Betriebsverfassungsgesetz liegt seiner Konzeption nach eine grundsätzlich umfassende Kompetenz der Betriebsparteien zur Regelung von materiellen und formellen Arbeitsbedingungen zugrunde (grundlegend BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 der Gründe, BAGE 63, 211). Dies folgt insbesondere aus § 77 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BetrVG. Zwar dient diese Regelung in erster Linie der Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie. Zugleich zeigt sie aber, dass der Gesetzgeber dort, wo die Tarifvertragsparteien ihre Befugnis zur Regelung von Arbeitsbedingungen nicht wahrnehmen oder den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen zulassen, von einer Regelungskompetenz der Betriebsparteien ausgeht. Hierfür spricht ferner, dass freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG nicht auf die dort ausdrücklich genannten Gegenstände beschränkt sind, sondern, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt, auch über andere Gegenstände möglich sein sollen(BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 19, BAGE 137, 300).

24

c) Diese Normsetzungsbefugnis für Regelungsgegenstände außerhalb der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Die betriebliche Normsetzung unterliegt allerdings Binnenschranken. Die Vereinbarkeit der in freiwilligen Betriebsvereinbarungen getroffenen Regelungen mit höherrangigem Recht ist zudem im Individualprozess gerichtlich voll überprüfbar (BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 13 ff., 22, BAGE 120, 308).

25

4. Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 verstößt nicht gegen § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen des Regelrentenalters ist sachlich gerechtfertigt iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG.

26

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind die Betriebsparteien beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen gemäß § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG zur Wahrung der grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte verpflichtet(BAG 17. Juli 2012 - 1 AZR 476/11 - Rn. 36). Dazu gehört die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Arbeitnehmer(BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 20, BAGE 137, 300).

27

b) Im Bereich des arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes ist im Interesse der Gewährleistung der durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit der Arbeitnehmer ein staatlicher Mindestschutz unverzichtbar. Das folgt aus der Schutzpflichtfunktion der Grundrechte, die staatliche Grundrechtsadressaten dazu verpflichten, einzelne Grundrechtsträger vor einer unangemessenen Beschränkung ihrer Grundrechte zu bewahren. Bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen schützen seit dem 1. Januar 2001 die Bestimmungen des TzBfG vor einer unangemessenen Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG(BAG 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 29, BAGE 136, 270). Von den zwingenden Regelungen in § 14 TzBfG kann nach § 22 Abs. 1 TzBfG nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Demzufolge bedürfen auch Befristungsregelungen in Betriebsvereinbarungen zu ihrer Wirksamkeit eines sie rechtfertigenden Sachgrunds iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG.

28

c) Der zeitliche Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG ist eröffnet. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer in einer Betriebsvereinbarung enthaltenen Befristung unterliegt seit dem 1. Januar 2001 der Befristungskontrolle nach den Vorschriften des TzBfG. Dies gilt auch für vor diesem Zeitpunkt abgeschlossene Betriebsvereinbarungen.

29

d) Die Altersgrenze in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sachlich gerechtfertigt.

30

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine mit Erreichen des Regelrentenalters verknüpfte Altersgrenzenregelung in Kollektivnormen die Befristung des Arbeitsverhältnisses iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sachlich rechtfertigen. Zwar verfolgt der Arbeitnehmer mit seinem Wunsch nach einer dauerhaften Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses über das Regelrentenalter hinaus legitime wirtschaftliche und ideelle Anliegen. Das Arbeitsverhältnis sichert seine wirtschaftliche Existenzgrundlage und bietet ihm die Möglichkeit beruflicher Selbstverwirklichung. Jedoch hat der Arbeitnehmer bei Erreichen der Regelaltersgrenze regelmäßig ein langes Berufsleben hinter sich. Daneben war er typischerweise von der Anwendung der Altersgrenzenregelung durch seinen Arbeitgeber selbst begünstigt, weil sich seine Einstellungs- und Aufstiegschancen durch das altersbedingte Ausscheiden anderer Arbeitnehmer verbessert haben. Dem gegenüber steht das Bedürfnis des Arbeitgebers nach einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung. Dem Interesse des Arbeitgebers, beizeiten geeigneten Nachwuchs einzustellen oder bereits beschäftigte Arbeitnehmer fördern zu können, ist Vorrang vor dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer durch den Bezug der Regelaltersrente wirtschaftlich abgesichert ist. Endet das Arbeitsverhältnis durch die vereinbarte Altersgrenze, verliert der Arbeitnehmer den Anspruch auf die Arbeitsvergütung, die ihm bisher zum Bestreiten seines Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden hat. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Altersgrenzenregelung ist verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn an die Stelle der Arbeitsvergütung der dauerhafte Bezug von Leistungen aus einer Altersversorgung tritt. Die Anbindung an eine rentenrechtliche Versorgung bei Ausscheiden durch eine Altersgrenze ist damit Bestandteil des Sachgrunds. Die Wirksamkeit der Befristung ist allerdings auch nicht von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers bei Erreichen der Altersgrenze abhängig (BAG 21. September 2011 - 7 AZR 134/10 - Rn. 22).

31

bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 jedenfalls für Arbeitsverhältnisse mit Arbeitnehmern, die - wie der Kläger - vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, nicht zu beanstanden. Die Regelung knüpft zwar an die Vollendung des 65. Lebensjahrs an und stellt nicht ausdrücklich auf das Erreichen des Regelrentenalters ab. Jedoch wurde dieses bei Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis mit der Vollendung des 65. Lebensjahrs erreicht (§ 35 Nr. 1 SGB VI idF der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 [BGBl. I S. 754]). Erst mit dem Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554) wurde die Regelaltersgrenze für die Geburtsjahrgänge ab 1947 nach § 35 Satz 2, § 235 Abs. 2 SGB VI schrittweise auf die Vollendung des 67. Lebensjahrs angehoben.

32

5. Der durch § 4 Abs. 1 GBV 6/76 bewirkten Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei Erreichen der Regelaltersgrenze steht das Verbot der Altersdiskriminierung aus § 75 Abs. 1 BetrVG, § 7 Abs. 1, § 1 AGG nicht entgegen. Die Altersgrenze führt zwar zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters. Diese ist aber nach § 10 Satz 3 Nr. 5, Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig. Weder diese gesetzliche Bestimmung noch die sie ausgestaltende Betriebsvereinbarung sind unionsrechtlich zu beanstanden.

33

a) Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote in § 75 Abs. 1 BetrVG übernommen. Die unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen aus einem in § 1 AGG genannten Grund ist daher nur unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig(BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 14).

34

b) Der zeitliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet.

35

aa) Die Regelungen des AGG sind auch auf Altersgrenzen anzuwenden, die vor Inkrafttreten des AGG einzelvertraglich oder in Kollektivnormen vereinbart wurden, wenn die Altersgrenze im Einzelfall erst mit oder nach Inkrafttreten des AGG erreicht wird. Nur wenn diese bereits vor dem 18. August 2006 erreicht wurde, gilt nach § 33 Abs. 1 AGG altes Recht(BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 36, BAGE 131, 113).

36

bb) Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Kläger vollendete sein 65. Lebensjahr am 12. August 2007 und erreichte die in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 normierte Altersgrenze am 31. August 2007.

37

c) Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 enthält eine unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer, die das 65. Lebensjahr vollendet haben.

38

Das Erreichen des in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 festgesetzten Lebensalters führt automatisch zur Auflösung des Arbeitsvertrags. Arbeitnehmer, die dieses Alter erreicht haben, erfahren somit eine weniger günstige Behandlung als alle anderen Erwerbstätigen. Eine solche Regelung hat daher eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung bei den Entlassungsbedingungen iSd. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1, § 1 AGG zur Folge.

39

d) Die unterschiedliche Behandlung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist nach § 10 Satz 3 Nr. 5, Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig.

40

aa) § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG erlauben die in einer Vereinbarung nach § 10 Satz 3 Nr. 5 Halbs. 1 AGG enthaltene unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber die sich aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) in nationales Recht umgesetzt (BT-Drucks. 16/1780 S. 1 bis 3 und S. 20 bis 27). Die Prüfung der Zulässigkeit einer auf dem Alter beruhenden unterschiedlichen Behandlung hat daher unter Beachtung der Richtlinie 2000/78/EG und der zu ihrer Auslegung ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu erfolgen.

41

bb) Die Regelung in § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG verfolgt ein legitimes Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG.

42

Der Europäische Gerichtshof hat Altersgrenzenvereinbarungen iSv. § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG, die an das Alter und die Beitragszahlung betreffenden Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente anknüpfen, grundsätzlich als solche angesehen, die eine Ungleichbehandlung wegen des Alters iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG als objektiv und angemessen erscheinen lassen und im Rahmen des nationalen Rechts rechtfertigen können. Bei diesen handele es sich um Instrumente der nationalen Arbeitsmarktpolitik, mit denen über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen der Zugang zur Beschäftigung gefördert werden soll (EuGH 5. Juli 2012 - C-141/11 - [Hörnfeldt] Rn. 29; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 62, Slg. 2010, I-9391). Mit solchen Maßnahmen verfolgen die Mitgliedstaaten ein legitimes Ziel im Bereich der Sozial- oder Beschäftigungspolitik. Die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente erfüllen, ist seit längerer Zeit Teil des Arbeitsrechts zahlreicher Mitgliedstaaten und in den Beziehungen des Arbeitslebens weithin üblich. Dieser Mechanismus - so der Gerichtshof - beruht auf einem Ausgleich zwischen politischen, wirtschaftlichen, sozialen, demografischen und/oder haushaltsbezogenen Erwägungen und betrifft die Entscheidung der Mitgliedstaaten über die Dauer der Lebensarbeitszeit der Arbeitnehmer (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 44, aaO). Die beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischen Ziele können sich dabei entweder auf den gesamten Arbeitsmarkt oder auf die Beschäftigungssituation in bestimmten Branchen erstrecken (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 69 f., Slg. 2007, I-8531). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht die Regelung über die Zulässigkeit von Altersgrenzen in § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG wegen des mit ihr verfolgten arbeits- und beschäftigungspolitischen Ziels im Einklang mit Unionsrecht(EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 51, aaO). Die Nutzung dieser Ermächtigung durch eine Kollektivvereinbarung müsse allerdings ebenfalls in angemessener und erforderlicher Weise ein legitimes Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgen(EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 53, aaO). Die Prüfung, ob mit einer solchen Altersgrenzenvereinbarung legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt werden und die Mittel hierzu angemessen und erforderlich sind, obliegt dabei dem nationalen Gericht(EuGH 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 43, Slg. 2010, I-11869).

43

cc) Die Voraussetzungen des § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG liegen vor.

44

(1) Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 sieht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt vor, zu dem der betroffene Arbeitnehmer die Regelaltersrente beanspruchen kann.

45

(2) Der Berücksichtigung der beschäftigungspolitischen Zielsetzung als einem legitimen Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG steht nicht entgegen, dass diese nicht in der GBV 6/76 ausdrücklich genannt ist. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist es ausreichend, wenn andere aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter dieser Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, damit dessen Rechtmäßigkeit sowie die Angemessenheit und Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüft werden können (EuGH 5. Juli 2012 - C-141/11 - [Hörnfeldt] Rn. 24).

46

(3) Nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen und den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wollten die Betriebsparteien mit den seit dem 1. Dezember 1976 bei der Beklagten geltenden Altersgrenzen eine zusätzliche soziale Absicherung der Arbeitnehmer im Zeitpunkt ihres Renteneintritts erreichen sowie einen geordneten Rahmen für die Personalplanung, eine ausgewogene Altersstruktur der Belegschaft und für die Nachwuchsförderung schaffen. Hierbei handelt es sich um beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG.

47

(4) Die Rechtsqualität der GBV 6/76 als Betriebsvereinbarung steht dem nicht entgegen.

48

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können auch auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlungen in betrieblichen Vereinbarungen zulässig sein, wenn die Betriebsparteien mit ihren Regelungen sozial- und beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgen, sofern die zur Erreichung dieser Ziele eingesetzten Mittel angemessen und erforderlich sind und nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgehen (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar] Rn. 43, 46, 49). Der Gerichtshof sieht Arbeitgeber und Betriebsrat als Sozialpartner an (vgl. EuGH 9. Dezember 2004 - C-19/02 - [Hlozek] Rn. 38, Slg. 2004, I-11491), denen bei der Entscheidung über die Verfolgung eines bestimmten sozial- und beschäftigungspolitischen Ziels sowie bei der Festlegung der für seine Erreichung geeigneten Maßnahmen ein weiter Ermessenspielraum zusteht (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 69, Slg. 2010, I-9391).

49

dd) Die in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 enthaltene Altersgrenze ist erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG.

50

Die Regelung ist zur Erreichung der mit ihr verfolgten beschäftigungspolitischen Ziele erforderlich. Es ist jedenfalls nicht unvernünftig, wenn die Betriebsparteien davon ausgehen, dass das Ausscheiden von rentenbezugsberechtigten Arbeitnehmern eine sichere Personalplanung ermöglicht, zur Gewährleistung einer ausgewogenen Altersstruktur der Belegschaft beiträgt und die Einstellungschancen von jüngeren Arbeitnehmern fördert. Die Altersgrenze in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 erweist sich in Bezug auf die von ihr betroffenen Arbeitnehmer auch nicht als unangemessen. Die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses trifft sie nicht unvorbereitet. Die Regelung führt nicht zu ihrem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Sie enthält kein Verbot einer bestimmten beruflichen Tätigkeit, sondern beendet nur das in der Vergangenheit begründete Arbeitsverhältnis. Der mit dem Wegfall des Arbeitsentgelts verbundene wirtschaftliche Nachteil wird durch die Bezugsmöglichkeit der Regelaltersrente zumindest teilweise ausgeglichen.

51

e) Der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht.

52

Die für die Beurteilung von auf das Regelrentenalter bezogenen Altersgrenzen geltenden unionsrechtlichen Anforderungen sind durch die angeführte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH 5.  Juli 2012 - C-141/11 - [Hörnfeldt]; 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Slg. 2010, I-11869; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Slg. 2010, I-9391; 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Slg. 2007, I-8531) als geklärt anzusehen. Nach den Entscheidungen des Gerichtshofs in den Rs. Odar (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar]) und Hlozek (EuGH 9. Dezember 2004 - C-19/02 - [Hlozek] Slg. 2004, I-11491) steht zudem fest, dass in Betriebsvereinbarungen enthaltene Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters durch sozial- und beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt werden können.

53

6. Weitere Unwirksamkeitsgründe gegenüber der durch § 4 Abs. 1 GBV 6/76 bewirkten Befristung seines Arbeitsvertrags hat der Kläger nicht geltend gemacht(§ 17 Satz 1 und Satz 2 TzBfG iVm. § 6 Satz 1 KSchG).

54

II. Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 wird nicht durch eine für den Kläger günstigere Abrede verdrängt.

55

1. Nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG gelten Betriebsvereinbarungen zwar unmittelbar und zwingend. Diese gesetzliche Regelung ist jedoch unvollständig. Sie wird durch das Günstigkeitsprinzip ergänzt. Das in § 4 Abs. 3 TVG nur unvollkommen geregelte Günstigkeitsprinzip ist Ausdruck eines umfassenden Grundsatzes, der unabhängig von der Art der Rechtsquelle und auch außerhalb des Tarifvertragsgesetzes Geltung beansprucht. Es gilt auch für das Verhältnis von vertraglichen Ansprüchen zu den Inhaltsnormen einer Betriebsvereinbarung (BAG GS 16. September 1986 - GS 1/82 - zu C II 3 a, b der Gründe, BAGE 53, 42). Günstigere einzelvertragliche Vereinbarungen gehen daher den belastenden Regelungen einer Betriebsvereinbarung vor (BAG 6. November 2007 - 1 AZR 862/06 - Rn. 23, BAGE 124, 323).

56

2. Mit der in Nr. 3 der Einstellungsmeldung vom 8. April 1980 enthaltenen Formulierung, nach der das Arbeitsverhältnis auf „unbestimmte Zeit“ abgeschlossen gilt, haben die Parteien keine für den Kläger gegenüber der GBV 6/76 günstigere Vereinbarung getroffen.

57

Die vertragliche Regelung enthält eine auflösende Bedingung, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der vierwöchigen Probezeit endet, wenn die Beklagte die Weiterbeschäftigung nicht mindestens sieben Tage vor deren Ablauf ablehnt. Verzichtet sie hierauf, wird das Arbeitsverhältnis nach dem Ablauf der Probezeit als unbefristetes fortgesetzt. Nach dem für die Auslegung von Verträgen maßgeblichen Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) konnte der Kläger die bei seiner Einstellung im Jahr 1980 getroffene Vereinbarung nicht dahingehend verstehen, das Arbeitsverhältnis könne bis zu seinem Ableben nur durch eine Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag beendet werden. Hiergegen spricht insbesondere die bei Vertragsschluss erfolgte Übergabe der GBV 6/76, in der die bei der Beklagten geltende Altersgrenze enthalten war. Durch Nr. 3 der Einstellungsmeldung sollte nicht eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze abbedungen werden, sondern vielmehr nur klargestellt werden, dass das Arbeitsverhältnis nicht nur für eine im Voraus konkret bestimmte Frist abgeschlossen wird (BAG 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 23, BAGE 136, 270).

58

3. Ungeachtet dessen haben die Parteien ihre arbeitsvertraglichen Beziehungen hinsichtlich einer Altersgrenzenregelung in den von der Beklagten vorgegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen betriebsvereinbarungsoffen gestaltet.

59

a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Maßgebend für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 19, BAGE 139, 156).

60

b) Die Arbeitsvertragsparteien können ihre vertraglichen Absprachen dahingehend gestalten, dass sie einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Das kann ausdrücklich oder bei entsprechenden Begleitumständen konkludent erfolgen und ist nicht nur bei betrieblichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen möglich, sondern auch bei einzelvertraglichen Abreden. Eine solche konkludente Vereinbarung ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und einen kollektiven Bezug hat. Mit der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen macht der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erkennbar deutlich, dass im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollen. Eine betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen stünde dem entgegen. Die Änderung und Umgestaltung von betriebseinheitlich gewährten Leistungen wäre nur durch den Ausspruch von Änderungskündigungen möglich. Der Abschluss von betriebsvereinbarungsfesten Abreden würde zudem den Gestaltungsraum der Betriebsparteien für zukünftige Anpassungen von Arbeitsbedingungen mit kollektivem Bezug einschränken. Da Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenso wie Bestimmungen in einer Betriebsvereinbarung auf eine Vereinheitlichung der Regelungsgegenstände gerichtet sind, kann aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei den vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen um solche handelt, die einer Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbaren, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen.

61

c) Dem steht die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB nicht entgegen. Danach muss der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Diese Auslegungsregel kommt allerdings erst dann zur Anwendung, wenn der Klauselinhalt nicht bereits durch Auslegung zweifelsfrei festgestellt werden kann. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 20, BAGE 139, 156).

62

d) Nach diesen Grundsätzen ist der Arbeitsvertrag der Parteien in Bezug auf eine Altersgrenzenregelung betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet. Bei den in der Einstellungsmeldung enthaltenen Vertragsinhalten handelt es sich um von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen mit kollektivem Bezug. Dass der Vereinbarung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses in Nr. 3 der Einstellungsmeldung eine betriebsvereinbarungsfeste Individualvereinbarung zugrunde liegt, die zur Verdrängung der Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 3 GBV 6/76 führt, hat der Kläger selbst nicht behauptet.

63

III. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an, da er, wie seine Auslegung ergibt, nur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits gestellt ist.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Manfred Gentz    

        

    Berg    

                 

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 7. März 2012 - 16 Sa 809/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer durch Betriebsvereinbarung geregelten Altersgrenze.

2

Der Kläger war seit April 1980 bei der Beklagten aufgrund einer von beiden Seiten unterzeichneten „Einstellmeldung“ beschäftigt. In dieser heißt es:

        

„1.     

Das Arbeitsverhältnis unterliegt den Bestimmungen des Manteltarifvertrages für Lohnempfänger, des Lohntarifvertrages und der Arbeitsordnung der V AG in der jeweils gültigen Fassung.

        

…       

        
        

3.    

Es wird eine Probezeit von 4 Wochen vereinbart. Wird die Weiterbeschäftigung nicht mindestens 7 Tage vor Ablauf der Probezeit schriftlich abgelehnt, so gilt das Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

        

…       

        
        

6.    

Es wurden ausgehändigt:

Mantel-Tarif-Vertrag für Lohnempfänger

                          

Lohntarifvertrag

                          

Arbeitsordnung

                          

Satzung der Betriebskrankenkasse (mit Krankenordnung)

                          

Unfallverhütungs-Vorschriften

                          

Versorgungsrichtlinien“

3

In der als Versorgungsordnung bezeichneten Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 6/76 vom 21. Dezember 1976 (GBV 6/76) ist bestimmt:

        

㤠3

        

V-Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit

        

(1) V-Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wird an einen V-Mitarbeiter gezahlt, der nach Erfüllung der Wartezeit (§ 2) aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG ausscheidet, weil ein Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bei ihm den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit festgestellt hat und deswegen Rente gewährt (= vorzeitiger Versorgungsfall). …

        

…       

        

§ 4

        

V-Altersrente

        

(1) V-Altersrente wird gezahlt, wenn ein V-Mitarbeiter nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG ausscheidet (= Versorgungsfall bei fester Altersgrenze).

        

(2) V-Altersrente wird vorzeitig gezahlt, wenn ein V-Mitarbeiter nach Vollendung des 63. - bei Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit oder bei Schwerbehinderung nach Vollendung des 62. Lebensjahres -, eine V-Mitarbeiterin nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG ausscheidet (= Versorgungsfall bei flexibler Altersgrenze).

        

(3) V-Altersrente wird vom Beginn des Monats an gezahlt, der auf den Zeitpunkt des altersbedingten Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG folgt, frühestens jedoch nach Ablauf der Zeit, für die noch Zahlungen aus dem beendeten Arbeitsverhältnis geleistet werden. …

        

…       

        

§ 8

        

Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses

        

...     

        

(3) Die V-Rente wird wie folgt berechnet: Es wird ermittelt, welche V-Rente bei angenommener Fortdauer des Arbeitsverhältnisses mit der V AG bis zum Eintritt der nach Absatz 2 maßgebenden Voraussetzungen nach § 7 zu zahlen wäre (= fiktive Vollrente). Hierbei wird das Bruttoarbeitsentgelt in den letzten zwölf vollen Kalendermonaten des Arbeitsverhältnisses mit der V AG nach Maßgabe des § 6 zugrunde gelegt. Diese Rente wird in dem Verhältnis ermäßigt, in dem die erreichte Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der V AG zur erreichbar gewesenen Dauer steht (bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs = feste Altersgrenze).

        

…“    

4

Die GBV 6/76 wurde durch die Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 2/92 vom 11. Dezember 1992 (GBV 2/92) neu gefasst. Nach deren § 4 Abs. 1 Satz 2 endet das Arbeitsverhältnis - ohne dass es einer Kündigung bedarf - mit Ablauf des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird. Die GBV 2/92 trat am 31. Dezember 1992 in Kraft und galt für alle Versorgungsfälle, die auf einem Arbeitsverhältnis beruhten, das vor dem 1. Januar 1987, aber nach dem 1. Dezember 1976 begründet worden war.

5

Der Kläger vollendete im August 2007 sein 65. Lebensjahr und schied zum 31. August 2007 bei der Beklagten aus.

6

Die für die Beklagte geltenden Firmentarifverträge enthielten zum Zeitpunkt der Einstellung des Klägers keine Altersgrenzenregelungen. Erst am 14. Oktober 2009 vereinbarte die IG Metall mit der Beklagten eine Ergänzung des Manteltarifvertrags vom 15. Dezember 2008, wonach das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung mit Ablauf des Kalendermonats endet, in dem der Beschäftigte die jeweilige individuelle Regelaltersgrenze in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung erreicht. Diese Regelung trat mit Wirkung zum 1. August 2009 in Kraft.

7

Mit seiner am 5. Juli 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, sein Arbeitsverhältnis sei nicht durch die in den Gesamtbetriebsvereinbarungen enthaltenen Altersgrenzenregelungen beendet worden. Diese führten zu nach dem AGG unzulässigen Benachteiligungen wegen des Lebensalters. Eine auf das Erreichen des Regelrentenalters bezogene Befristung könne in Betriebsvereinbarungen nicht vereinbart werden. Bei der Einstellung sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden. Diese Abrede gehe als günstigere Absprache etwaigen Altersgrenzenregelungen in den Gesamtbetriebsvereinbarungen vor.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 31. August 2007 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrags auch über den 31. August 2007 hinaus in der Montage zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Befristungskontrollklage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat nach § 4 Abs. 1 GBV 6/76 mit Ablauf des Kalendermonats geendet, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet hat, also am 31. August 2007. Die in der GBV 6/76 enthaltene Altersgrenze ist wirksam. Günstigere vertragliche Vereinbarungen bestehen nicht. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

12

I. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat mit Ablauf des 31. August 2007 geendet. Dies folgt aus § 4 Abs. 1 GBV 6/76, der eine auf das Erreichen des 65. Lebensjahres bezogene Altersgrenze enthält. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG greift nicht ein. Die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat konnten eine Befristung des Arbeitsvertrags durch eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze in der GBV 6/76 regeln. Die Altersgrenzenregelung verstößt nicht gegen § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG und das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1, § 1 AGG.

13

1. Anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen, enthält bereits § 4 Abs. 1 GBV 6/76 eine auf das Erreichen des gesetzlichen Rentenalters bezogene Altersgrenze. Dies folgt aus dem Wortlaut, der Systematik und dem Normzweck der Vorschrift.

14

a) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge oder Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen verfolgte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen sowie die von den Betriebsparteien praktizierte Handhabung der Betriebsvereinbarung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG 18. Oktober 2011 - 1 AZR 376/10 - Rn. 15).

15

b) Der Wortlaut von § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist nicht eindeutig. Er kann dahingehend verstanden werden, dass er ausschließlich die Ruhegeldbezugsberechtigung eines Arbeitnehmers bei Erreichen der festen Altersgrenze regelt. Ein Verständnis, wonach er nicht nur diese, sondern auch die Beendigung der Arbeitsverhältnisse der ruhegeldberechtigten Arbeitnehmer regelt, wird durch den Wortlaut jedoch nicht ausgeschlossen.

16

c) Für die Auslegung von § 4 Abs. 1 GBV 6/76 als Beendigungsnorm spricht der systematische Zusammenhang der Vorschrift. Denn auch an anderer Stelle in der GBV 6/76 wird die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit dem Bezug einer gesetzlichen Rente geregelt. § 3 Abs. 1 GBV 6/76 enthält eine auflösende Bedingung, nach der ein Arbeitnehmer bei Feststellung seiner Erwerbsunfähigkeit und einer entsprechenden Rentengewährung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Dem entspricht § 4 Abs. 3 GBV 6/76, wonach V-Altersrente vom Beginn des Monats an gezahlt wird, der auf den Zeitpunkt des „altersbedingten Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG“ folgt. Diese Norm, die an die Regelung der festen sowie der flexiblen Altersgrenze in § 4 Abs. 1 und Abs. 2 GBV 6/76 anknüpft, geht von einem „altersbedingten Ausscheiden“ aus dem Arbeitsverhältnis aus und nicht aufgrund eines eigenständigen Beendigungstatbestands. Hierfür spricht auch die Berechnungsregel für die Höhe des Ruhegeldes bei vorzeitigem Ausscheiden in § 8 Abs. 3 GBV 6/76. Nach dieser ist die Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres begrenzt. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls bei Erreichen der in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 bestimmten Altersgrenze endet.

17

d) Dies entspricht dem Normzweck. Durch die Regelungen der GBV 6/76 wird den Arbeitnehmern der Beklagten neben ihrer gesetzlichen Altersrente eine weitere Versorgung gewährt, die an die Stelle der entfallenden Arbeitsvergütung tritt. Da die GBV 6/76 nicht regelt, dass das betriebliche Ruhegeld nach Erreichen des Versorgungsfalls auch zusätzlich zum Arbeitsentgelt gezahlt werden kann, ist davon auszugehen, dass durch die Versorgungsordnung zugleich das Arbeitsverhältnis bei Erreichen der festen Altersgrenze beendet werden soll. Dies haben die Betriebsparteien in der GBV 2/92 durch § 4 Abs. 1 Satz 2 GBV 2/92 klargestellt.

18

2. Die Altersgrenzenregelung der GBV 6/76 verstößt nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG.

19

a) Danach können Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (§ 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Arbeitsbedingungen sind dann durch Tarifvertrag geregelt, wenn sie in einem Tarifvertrag enthalten sind und der Betrieb in den räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt (BAG 16. August 2011 - 1 AZR 314/10 - Rn. 12). Tarifüblich ist eine Regelung, wenn der Regelungsgegenstand in der Vergangenheit in einem einschlägigen Tarifvertrag enthalten war und die Tarifvertragsparteien über ihn Verhandlungen führen. Bloße zeitliche Geltungslücken zwischen einem abgelaufenen und einem zu erwartenden Tarifvertrag führen nicht zum Wegfall der Sperrwirkung. Keine Tarifüblichkeit liegt allerdings vor, wenn es in der Vergangenheit noch keinen einschlägigen Tarifvertrag gab und die Tarifvertragsparteien lediglich beabsichtigen, die Angelegenheit künftig tariflich zu regeln. Das gilt selbst dann, wenn sie bereits Tarifverhandlungen aufgenommen haben (BAG 26. August 2008 - 1 AZR 354/07 - Rn. 11, BAGE 127, 297).

20

b) Die Voraussetzungen des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG liegen nicht vor. Bis zu der am 14. Oktober 2009 vereinbarten Ergänzung des Manteltarifvertrags vom 15. Dezember 2008 enthielten die für die Beklagte geltenden Tarifverträge keine Altersgrenzenregelungen. Zu welchem Zeitpunkt die Tarifvertragsparteien hierüber Verhandlungen aufgenommen haben, ist unerheblich.

21

3. Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist von der Regelungskompetenz der Betriebsparteien umfasst.

22

a) Bei der GBV 6/76 handelt es sich um eine teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung. Soweit diese den Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ausgestaltet hat, unterlag sie dem Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Hiervon nicht erfasst war die Festlegung einer Altersgrenze bei Erreichen des Regelrentenalters. Für diesen Regelungsgegenstand folgt die Zuständigkeit der Betriebsparteien aus § 88 BetrVG.

23

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die Betriebsparteien durch Betriebsvereinbarungen Regelungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen treffen. Dem Betriebsverfassungsgesetz liegt seiner Konzeption nach eine grundsätzlich umfassende Kompetenz der Betriebsparteien zur Regelung von materiellen und formellen Arbeitsbedingungen zugrunde (grundlegend BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 der Gründe, BAGE 63, 211). Dies folgt insbesondere aus § 77 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BetrVG. Zwar dient diese Regelung in erster Linie der Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie. Zugleich zeigt sie aber, dass der Gesetzgeber dort, wo die Tarifvertragsparteien ihre Befugnis zur Regelung von Arbeitsbedingungen nicht wahrnehmen oder den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen zulassen, von einer Regelungskompetenz der Betriebsparteien ausgeht. Hierfür spricht ferner, dass freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG nicht auf die dort ausdrücklich genannten Gegenstände beschränkt sind, sondern, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt, auch über andere Gegenstände möglich sein sollen(BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 19, BAGE 137, 300).

24

c) Diese Normsetzungsbefugnis für Regelungsgegenstände außerhalb der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Die betriebliche Normsetzung unterliegt allerdings Binnenschranken. Die Vereinbarkeit der in freiwilligen Betriebsvereinbarungen getroffenen Regelungen mit höherrangigem Recht ist zudem im Individualprozess gerichtlich voll überprüfbar (BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 13 ff., 22, BAGE 120, 308).

25

4. Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 verstößt nicht gegen § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen des Regelrentenalters ist sachlich gerechtfertigt iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG.

26

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind die Betriebsparteien beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen gemäß § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG zur Wahrung der grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte verpflichtet(BAG 17. Juli 2012 - 1 AZR 476/11 - Rn. 36). Dazu gehört die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Arbeitnehmer(BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 20, BAGE 137, 300).

27

b) Im Bereich des arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes ist im Interesse der Gewährleistung der durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit der Arbeitnehmer ein staatlicher Mindestschutz unverzichtbar. Das folgt aus der Schutzpflichtfunktion der Grundrechte, die staatliche Grundrechtsadressaten dazu verpflichten, einzelne Grundrechtsträger vor einer unangemessenen Beschränkung ihrer Grundrechte zu bewahren. Bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen schützen seit dem 1. Januar 2001 die Bestimmungen des TzBfG vor einer unangemessenen Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG(BAG 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 29, BAGE 136, 270). Von den zwingenden Regelungen in § 14 TzBfG kann nach § 22 Abs. 1 TzBfG nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Demzufolge bedürfen auch Befristungsregelungen in Betriebsvereinbarungen zu ihrer Wirksamkeit eines sie rechtfertigenden Sachgrunds iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG.

28

c) Der zeitliche Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG ist eröffnet. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer in einer Betriebsvereinbarung enthaltenen Befristung unterliegt seit dem 1. Januar 2001 der Befristungskontrolle nach den Vorschriften des TzBfG. Dies gilt auch für vor diesem Zeitpunkt abgeschlossene Betriebsvereinbarungen.

29

d) Die Altersgrenze in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sachlich gerechtfertigt.

30

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine mit Erreichen des Regelrentenalters verknüpfte Altersgrenzenregelung in Kollektivnormen die Befristung des Arbeitsverhältnisses iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sachlich rechtfertigen. Zwar verfolgt der Arbeitnehmer mit seinem Wunsch nach einer dauerhaften Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses über das Regelrentenalter hinaus legitime wirtschaftliche und ideelle Anliegen. Das Arbeitsverhältnis sichert seine wirtschaftliche Existenzgrundlage und bietet ihm die Möglichkeit beruflicher Selbstverwirklichung. Jedoch hat der Arbeitnehmer bei Erreichen der Regelaltersgrenze regelmäßig ein langes Berufsleben hinter sich. Daneben war er typischerweise von der Anwendung der Altersgrenzenregelung durch seinen Arbeitgeber selbst begünstigt, weil sich seine Einstellungs- und Aufstiegschancen durch das altersbedingte Ausscheiden anderer Arbeitnehmer verbessert haben. Dem gegenüber steht das Bedürfnis des Arbeitgebers nach einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung. Dem Interesse des Arbeitgebers, beizeiten geeigneten Nachwuchs einzustellen oder bereits beschäftigte Arbeitnehmer fördern zu können, ist Vorrang vor dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer durch den Bezug der Regelaltersrente wirtschaftlich abgesichert ist. Endet das Arbeitsverhältnis durch die vereinbarte Altersgrenze, verliert der Arbeitnehmer den Anspruch auf die Arbeitsvergütung, die ihm bisher zum Bestreiten seines Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden hat. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Altersgrenzenregelung ist verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn an die Stelle der Arbeitsvergütung der dauerhafte Bezug von Leistungen aus einer Altersversorgung tritt. Die Anbindung an eine rentenrechtliche Versorgung bei Ausscheiden durch eine Altersgrenze ist damit Bestandteil des Sachgrunds. Die Wirksamkeit der Befristung ist allerdings auch nicht von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers bei Erreichen der Altersgrenze abhängig (BAG 21. September 2011 - 7 AZR 134/10 - Rn. 22).

31

bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 jedenfalls für Arbeitsverhältnisse mit Arbeitnehmern, die - wie der Kläger - vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, nicht zu beanstanden. Die Regelung knüpft zwar an die Vollendung des 65. Lebensjahrs an und stellt nicht ausdrücklich auf das Erreichen des Regelrentenalters ab. Jedoch wurde dieses bei Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis mit der Vollendung des 65. Lebensjahrs erreicht (§ 35 Nr. 1 SGB VI idF der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 [BGBl. I S. 754]). Erst mit dem Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554) wurde die Regelaltersgrenze für die Geburtsjahrgänge ab 1947 nach § 35 Satz 2, § 235 Abs. 2 SGB VI schrittweise auf die Vollendung des 67. Lebensjahrs angehoben.

32

5. Der durch § 4 Abs. 1 GBV 6/76 bewirkten Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei Erreichen der Regelaltersgrenze steht das Verbot der Altersdiskriminierung aus § 75 Abs. 1 BetrVG, § 7 Abs. 1, § 1 AGG nicht entgegen. Die Altersgrenze führt zwar zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters. Diese ist aber nach § 10 Satz 3 Nr. 5, Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig. Weder diese gesetzliche Bestimmung noch die sie ausgestaltende Betriebsvereinbarung sind unionsrechtlich zu beanstanden.

33

a) Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote in § 75 Abs. 1 BetrVG übernommen. Die unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen aus einem in § 1 AGG genannten Grund ist daher nur unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig(BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 14).

34

b) Der zeitliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet.

35

aa) Die Regelungen des AGG sind auch auf Altersgrenzen anzuwenden, die vor Inkrafttreten des AGG einzelvertraglich oder in Kollektivnormen vereinbart wurden, wenn die Altersgrenze im Einzelfall erst mit oder nach Inkrafttreten des AGG erreicht wird. Nur wenn diese bereits vor dem 18. August 2006 erreicht wurde, gilt nach § 33 Abs. 1 AGG altes Recht(BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 36, BAGE 131, 113).

36

bb) Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Kläger vollendete sein 65. Lebensjahr am 12. August 2007 und erreichte die in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 normierte Altersgrenze am 31. August 2007.

37

c) Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 enthält eine unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer, die das 65. Lebensjahr vollendet haben.

38

Das Erreichen des in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 festgesetzten Lebensalters führt automatisch zur Auflösung des Arbeitsvertrags. Arbeitnehmer, die dieses Alter erreicht haben, erfahren somit eine weniger günstige Behandlung als alle anderen Erwerbstätigen. Eine solche Regelung hat daher eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung bei den Entlassungsbedingungen iSd. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1, § 1 AGG zur Folge.

39

d) Die unterschiedliche Behandlung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist nach § 10 Satz 3 Nr. 5, Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig.

40

aa) § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG erlauben die in einer Vereinbarung nach § 10 Satz 3 Nr. 5 Halbs. 1 AGG enthaltene unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber die sich aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) in nationales Recht umgesetzt (BT-Drucks. 16/1780 S. 1 bis 3 und S. 20 bis 27). Die Prüfung der Zulässigkeit einer auf dem Alter beruhenden unterschiedlichen Behandlung hat daher unter Beachtung der Richtlinie 2000/78/EG und der zu ihrer Auslegung ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu erfolgen.

41

bb) Die Regelung in § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG verfolgt ein legitimes Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG.

42

Der Europäische Gerichtshof hat Altersgrenzenvereinbarungen iSv. § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG, die an das Alter und die Beitragszahlung betreffenden Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente anknüpfen, grundsätzlich als solche angesehen, die eine Ungleichbehandlung wegen des Alters iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG als objektiv und angemessen erscheinen lassen und im Rahmen des nationalen Rechts rechtfertigen können. Bei diesen handele es sich um Instrumente der nationalen Arbeitsmarktpolitik, mit denen über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen der Zugang zur Beschäftigung gefördert werden soll (EuGH 5. Juli 2012 - C-141/11 - [Hörnfeldt] Rn. 29; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 62, Slg. 2010, I-9391). Mit solchen Maßnahmen verfolgen die Mitgliedstaaten ein legitimes Ziel im Bereich der Sozial- oder Beschäftigungspolitik. Die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente erfüllen, ist seit längerer Zeit Teil des Arbeitsrechts zahlreicher Mitgliedstaaten und in den Beziehungen des Arbeitslebens weithin üblich. Dieser Mechanismus - so der Gerichtshof - beruht auf einem Ausgleich zwischen politischen, wirtschaftlichen, sozialen, demografischen und/oder haushaltsbezogenen Erwägungen und betrifft die Entscheidung der Mitgliedstaaten über die Dauer der Lebensarbeitszeit der Arbeitnehmer (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 44, aaO). Die beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischen Ziele können sich dabei entweder auf den gesamten Arbeitsmarkt oder auf die Beschäftigungssituation in bestimmten Branchen erstrecken (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 69 f., Slg. 2007, I-8531). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht die Regelung über die Zulässigkeit von Altersgrenzen in § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG wegen des mit ihr verfolgten arbeits- und beschäftigungspolitischen Ziels im Einklang mit Unionsrecht(EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 51, aaO). Die Nutzung dieser Ermächtigung durch eine Kollektivvereinbarung müsse allerdings ebenfalls in angemessener und erforderlicher Weise ein legitimes Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgen(EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 53, aaO). Die Prüfung, ob mit einer solchen Altersgrenzenvereinbarung legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt werden und die Mittel hierzu angemessen und erforderlich sind, obliegt dabei dem nationalen Gericht(EuGH 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 43, Slg. 2010, I-11869).

43

cc) Die Voraussetzungen des § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG liegen vor.

44

(1) Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 sieht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt vor, zu dem der betroffene Arbeitnehmer die Regelaltersrente beanspruchen kann.

45

(2) Der Berücksichtigung der beschäftigungspolitischen Zielsetzung als einem legitimen Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG steht nicht entgegen, dass diese nicht in der GBV 6/76 ausdrücklich genannt ist. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist es ausreichend, wenn andere aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter dieser Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, damit dessen Rechtmäßigkeit sowie die Angemessenheit und Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüft werden können (EuGH 5. Juli 2012 - C-141/11 - [Hörnfeldt] Rn. 24).

46

(3) Nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen und den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wollten die Betriebsparteien mit den seit dem 1. Dezember 1976 bei der Beklagten geltenden Altersgrenzen eine zusätzliche soziale Absicherung der Arbeitnehmer im Zeitpunkt ihres Renteneintritts erreichen sowie einen geordneten Rahmen für die Personalplanung, eine ausgewogene Altersstruktur der Belegschaft und für die Nachwuchsförderung schaffen. Hierbei handelt es sich um beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG.

47

(4) Die Rechtsqualität der GBV 6/76 als Betriebsvereinbarung steht dem nicht entgegen.

48

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können auch auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlungen in betrieblichen Vereinbarungen zulässig sein, wenn die Betriebsparteien mit ihren Regelungen sozial- und beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgen, sofern die zur Erreichung dieser Ziele eingesetzten Mittel angemessen und erforderlich sind und nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgehen (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar] Rn. 43, 46, 49). Der Gerichtshof sieht Arbeitgeber und Betriebsrat als Sozialpartner an (vgl. EuGH 9. Dezember 2004 - C-19/02 - [Hlozek] Rn. 38, Slg. 2004, I-11491), denen bei der Entscheidung über die Verfolgung eines bestimmten sozial- und beschäftigungspolitischen Ziels sowie bei der Festlegung der für seine Erreichung geeigneten Maßnahmen ein weiter Ermessenspielraum zusteht (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 69, Slg. 2010, I-9391).

49

dd) Die in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 enthaltene Altersgrenze ist erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG.

50

Die Regelung ist zur Erreichung der mit ihr verfolgten beschäftigungspolitischen Ziele erforderlich. Es ist jedenfalls nicht unvernünftig, wenn die Betriebsparteien davon ausgehen, dass das Ausscheiden von rentenbezugsberechtigten Arbeitnehmern eine sichere Personalplanung ermöglicht, zur Gewährleistung einer ausgewogenen Altersstruktur der Belegschaft beiträgt und die Einstellungschancen von jüngeren Arbeitnehmern fördert. Die Altersgrenze in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 erweist sich in Bezug auf die von ihr betroffenen Arbeitnehmer auch nicht als unangemessen. Die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses trifft sie nicht unvorbereitet. Die Regelung führt nicht zu ihrem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Sie enthält kein Verbot einer bestimmten beruflichen Tätigkeit, sondern beendet nur das in der Vergangenheit begründete Arbeitsverhältnis. Der mit dem Wegfall des Arbeitsentgelts verbundene wirtschaftliche Nachteil wird durch die Bezugsmöglichkeit der Regelaltersrente zumindest teilweise ausgeglichen.

51

e) Der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht.

52

Die für die Beurteilung von auf das Regelrentenalter bezogenen Altersgrenzen geltenden unionsrechtlichen Anforderungen sind durch die angeführte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH 5.  Juli 2012 - C-141/11 - [Hörnfeldt]; 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Slg. 2010, I-11869; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Slg. 2010, I-9391; 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Slg. 2007, I-8531) als geklärt anzusehen. Nach den Entscheidungen des Gerichtshofs in den Rs. Odar (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar]) und Hlozek (EuGH 9. Dezember 2004 - C-19/02 - [Hlozek] Slg. 2004, I-11491) steht zudem fest, dass in Betriebsvereinbarungen enthaltene Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters durch sozial- und beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt werden können.

53

6. Weitere Unwirksamkeitsgründe gegenüber der durch § 4 Abs. 1 GBV 6/76 bewirkten Befristung seines Arbeitsvertrags hat der Kläger nicht geltend gemacht(§ 17 Satz 1 und Satz 2 TzBfG iVm. § 6 Satz 1 KSchG).

54

II. Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 wird nicht durch eine für den Kläger günstigere Abrede verdrängt.

55

1. Nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG gelten Betriebsvereinbarungen zwar unmittelbar und zwingend. Diese gesetzliche Regelung ist jedoch unvollständig. Sie wird durch das Günstigkeitsprinzip ergänzt. Das in § 4 Abs. 3 TVG nur unvollkommen geregelte Günstigkeitsprinzip ist Ausdruck eines umfassenden Grundsatzes, der unabhängig von der Art der Rechtsquelle und auch außerhalb des Tarifvertragsgesetzes Geltung beansprucht. Es gilt auch für das Verhältnis von vertraglichen Ansprüchen zu den Inhaltsnormen einer Betriebsvereinbarung (BAG GS 16. September 1986 - GS 1/82 - zu C II 3 a, b der Gründe, BAGE 53, 42). Günstigere einzelvertragliche Vereinbarungen gehen daher den belastenden Regelungen einer Betriebsvereinbarung vor (BAG 6. November 2007 - 1 AZR 862/06 - Rn. 23, BAGE 124, 323).

56

2. Mit der in Nr. 3 der Einstellungsmeldung vom 8. April 1980 enthaltenen Formulierung, nach der das Arbeitsverhältnis auf „unbestimmte Zeit“ abgeschlossen gilt, haben die Parteien keine für den Kläger gegenüber der GBV 6/76 günstigere Vereinbarung getroffen.

57

Die vertragliche Regelung enthält eine auflösende Bedingung, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der vierwöchigen Probezeit endet, wenn die Beklagte die Weiterbeschäftigung nicht mindestens sieben Tage vor deren Ablauf ablehnt. Verzichtet sie hierauf, wird das Arbeitsverhältnis nach dem Ablauf der Probezeit als unbefristetes fortgesetzt. Nach dem für die Auslegung von Verträgen maßgeblichen Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) konnte der Kläger die bei seiner Einstellung im Jahr 1980 getroffene Vereinbarung nicht dahingehend verstehen, das Arbeitsverhältnis könne bis zu seinem Ableben nur durch eine Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag beendet werden. Hiergegen spricht insbesondere die bei Vertragsschluss erfolgte Übergabe der GBV 6/76, in der die bei der Beklagten geltende Altersgrenze enthalten war. Durch Nr. 3 der Einstellungsmeldung sollte nicht eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze abbedungen werden, sondern vielmehr nur klargestellt werden, dass das Arbeitsverhältnis nicht nur für eine im Voraus konkret bestimmte Frist abgeschlossen wird (BAG 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 23, BAGE 136, 270).

58

3. Ungeachtet dessen haben die Parteien ihre arbeitsvertraglichen Beziehungen hinsichtlich einer Altersgrenzenregelung in den von der Beklagten vorgegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen betriebsvereinbarungsoffen gestaltet.

59

a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Maßgebend für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 19, BAGE 139, 156).

60

b) Die Arbeitsvertragsparteien können ihre vertraglichen Absprachen dahingehend gestalten, dass sie einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Das kann ausdrücklich oder bei entsprechenden Begleitumständen konkludent erfolgen und ist nicht nur bei betrieblichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen möglich, sondern auch bei einzelvertraglichen Abreden. Eine solche konkludente Vereinbarung ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und einen kollektiven Bezug hat. Mit der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen macht der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erkennbar deutlich, dass im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollen. Eine betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen stünde dem entgegen. Die Änderung und Umgestaltung von betriebseinheitlich gewährten Leistungen wäre nur durch den Ausspruch von Änderungskündigungen möglich. Der Abschluss von betriebsvereinbarungsfesten Abreden würde zudem den Gestaltungsraum der Betriebsparteien für zukünftige Anpassungen von Arbeitsbedingungen mit kollektivem Bezug einschränken. Da Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenso wie Bestimmungen in einer Betriebsvereinbarung auf eine Vereinheitlichung der Regelungsgegenstände gerichtet sind, kann aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei den vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen um solche handelt, die einer Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbaren, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen.

61

c) Dem steht die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB nicht entgegen. Danach muss der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Diese Auslegungsregel kommt allerdings erst dann zur Anwendung, wenn der Klauselinhalt nicht bereits durch Auslegung zweifelsfrei festgestellt werden kann. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 20, BAGE 139, 156).

62

d) Nach diesen Grundsätzen ist der Arbeitsvertrag der Parteien in Bezug auf eine Altersgrenzenregelung betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet. Bei den in der Einstellungsmeldung enthaltenen Vertragsinhalten handelt es sich um von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen mit kollektivem Bezug. Dass der Vereinbarung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses in Nr. 3 der Einstellungsmeldung eine betriebsvereinbarungsfeste Individualvereinbarung zugrunde liegt, die zur Verdrängung der Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 3 GBV 6/76 führt, hat der Kläger selbst nicht behauptet.

63

III. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an, da er, wie seine Auslegung ergibt, nur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits gestellt ist.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Manfred Gentz    

        

    Berg    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. April 2011 - 1 Sa 507/10 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten, mit dem Kläger (wieder) ein Arbeitsverhältnis zu begründen.

2

Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. September 1980 bis zum 31. Dezember 1986 als technischer Angestellter, zuletzt im EDV-Bereich beschäftigt. Zum 1. Januar 1987 ging sein Arbeitsverhältnis im Zuge eines Betriebsübergangs auf die neu gegründete C I GmbH über. Die Beklagte hatte ihr Geschäftsfeld der kompatiblen Großcomputer und Peripheriesysteme ausgegliedert und in die C I GmbH überführt, einem von der Beklagten und der S AG neu gegründeten Joint Venture. Die Firmenbezeichnung dieser Gesellschaft stand Ende 1986 noch nicht fest; die Beklagte hielt nach ihrer Darstellung zunächst 66,5 % und die S AG 33,5 % der Gesellschaftsanteile. In der C Gruppe war der Kläger zuletzt bei der C S GmbH beschäftigt. Anschließend schloss er einen Arbeitsvertrag mit der A GmbH, die das Servicegeschäft von der C S GmbH übernommen hatte. Während der Probezeit kündigte der Kläger dieses Arbeitsverhältnis und wechselte zu einem anderen Arbeitgeber.

3

Die Beklagte und der bei ihr bestehende Betriebsrat führten vor der Ausgliederung auf die C I GmbH Verhandlungen über deren Folgen. Am 4. Dezember 1986 schlossen sie eine mit „Rahmenbedingungen für in das Joint-Venture B/S übertretende B AG-Mitarbeiter“ (im Folgenden: JVR 1986) überschriebene Vereinbarung, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

         

„Aus Anlaß der Ausgliederung des Geschäfts mit kompatiblen Großcomputern und Peripheriesystemen aus der B AG zum 01.01.87 wird zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat folgendes vereinbart:

        

1.    

…       

        

15.     

Die B AG garantiert den am 01.01.87 in die neue Gesellschaft überwechselnden Mitarbeitern ein Rückkehrrecht auf einen adäquaten Arbeitsplatz in der B AG, sofern eine Weiterbeschäftigung innerhalb der neuen Gesellschaft aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist.

        

…“    

4

In der Zeit nach dem 1. Januar 1987 erwarb die Beklagte von der S AG sukzessive deren Geschäftsanteile an diesem Unternehmen. In drei Tranchen - am 1. Mai 1996, am 16. Juli 1998 sowie am 25. Oktober 1999 - veräußerte sie die Anteile an die P D H GmbH, die später in C D H GmbH umfirmierte. Mit Schreiben vom 14. August 2003 teilte die Beklagte ihren ehemaligen Mitarbeitern - darunter auch dem Kläger - Folgendes mit:

        

„…    

        

Sofern Sie von dem geplanten Ausgliederungsvorhaben erfasst sind und für Sie die Joint-Venture-Regelung vom 04.12.1986 anwendbar ist, bleibt bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine nach Maßgabe von Ziffer 15 der Joint-Venture-Regelung etwa begründete Rechtsposition von dem Ausgliederungsvorhaben unberührt.“

5

Mit Beschluss vom 1. Oktober 2009 wurde über das Vermögen der C S GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Zuvor hatte der vorläufige Insolvenzverwalter das Wartungs- und Servicegeschäft („IT-Service“) der C S GmbH auf die A GmbH und den Bereich Druckerwartung auf ein drittes Unternehmen veräußert.

6

Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 1. Oktober 2009 betriebsbedingt zum 31. Januar 2010 und stellte ihn von der Arbeit frei. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger keine Kündigungsschutzklage. Die bei der A GmbH weiterbeschäftigten Arbeitnehmer führten ihre Tätigkeit nach dem Übergang ihres Betriebes am 5. Oktober 2009 an ihren alten Arbeitsplätzen unter Nutzung der bestehenden Infrastruktur fort. Dieses Unternehmen hatte einschließlich des Führungspersonals mindestens 51 von 81 Mitarbeitern der C GmbH übernommen. Bis zu seiner Eigenkündigung während der Probezeit wurde der Kläger auf der Grundlage eines am 1. Oktober 2009 geschlossenen Arbeitsvertrags von der A GmbH weiterbeschäftigt. Mit Schreiben vom 4. November 2009 machte er sein „Rückkehrrecht“ gegenüber der Beklagten spätestens zum 1. Februar 2010 geltend. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 19. November 2009 ab.

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei zu einer Neubegründung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet. Nr. 15 JVR 1986 beinhalte ein zeitlich nicht befristetes Rückkehrrecht allein unter der Bedingung, dass eine Weiterbeschäftigung in der „neuen Gesellschaft“ aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich sei. Die Bedingungen für das Rückkehrrecht seien am 1. Oktober 2009 durch die Kündigung des Insolvenzverwalters der C S GmbH eingetreten. Aufgrund der betriebsbedingten Kündigung und Stilllegung bei der C S GmbH sei eine Weiterbeschäftigung nicht mehr möglich. Selbst ein etwaiger Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH ändere nichts an dem Eintritt der Bedingung.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot auf Einstellung mit Wirkung zum 1. Februar 2010 als technischen Mitarbeiter zu den betriebsüblichen Bedingungen der Beklagten unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit seit dem 16. März 1985 zu einer Jahresvergütung iHv. 70.000,00 Euro brutto anzunehmen,

        

hilfsweise,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot auf Wiedereinstellung mit Wirkung zum 1. Februar 2010 als technischen Angestellten oder auf einer seinen heutigen Tätigkeiten und Fähigkeiten entsprechenden Stelle zu den betriebsüblichen Bedingungen der Beklagten unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit seit dem 16. März 1985 zu einer Jahresvergütung iHv. 70.000,00 Euro brutto anzunehmen,

        

hilfsweise,

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn ab dem 1. Februar 2010 als technischen Angestellten oder auf einer seiner Tätigkeit und Fähigkeit entsprechenden Stelle zu den betriebsüblichen Bedingungen der Beklagten unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit seit dem 16. März 1985 zu einer Jahresvergütung iHv. 70.000,00 Euro brutto entsprechend seiner letzten Gehaltsbezüge bei der C S GmbH zu beschäftigen,

        

hilfsweise,

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn mit sofortiger Wirkung als technischen Angestellten oder auf einer seiner heutigen Tätigkeit und Fähigkeit entsprechenden Stelle zu den betriebsüblichen Bedingungen der Beklagten unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit seit dem 16. März 1985 zu einer Jahresvergütung iHv. 70.000,00 Euro brutto entsprechend seiner letzten Gehaltsbezüge bei der C S GmbH zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat zuletzt insbesondere noch die Auffassung vertreten, einem Rückkehrrecht stünde jedenfalls entgegen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers im Wege des Betriebsübergangs nach § 613a BGB auf die A GmbH übergegangen sei. Dort habe für den Kläger weiterhin eine Beschäftigungsmöglichkeit iSd. Nr. 15 JVR 1986 bestanden.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb beim Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zutreffend abgewiesen.

12

A. Der vom Kläger zuletzt als Hauptantrag gestellte Antrag zu 1. ist zulässig.

13

I. Dieser Antrag ist nach seinem Wortlaut unzweifelhaft auf die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe einer Annahmeerklärung gerichtet. Ihm geht es mit der erstrebten Fiktion der Abgabe der Annahmeerklärung nach § 894 Satz 1 ZPO um das endgültige Zustandekommen eines Arbeitsvertrags mit der Beklagten, das er mit übereinstimmenden Willenserklärungen - Antrag und Annahme(§§ 145 bis 147 BGB) - erwirken möchte. Die Abgabe eines Angebots ist in dem Anwaltsschreiben vom 4. November 2009 zu sehen. Die auf Abgabe der Annahmeerklärung gerichtete Klage entspricht dem Regelfall des mit einer sog. Wiedereinstellungsklage bekundeten Willens des Arbeitnehmers (vgl. zB BAG 19. Oktober 2011 - 7 AZR 743/10 - Rn. 16; 21. August 2008 - 8 AZR 201/07 - Rn. 54; 25. Oktober 2007 - 8 AZR 989/06 - Rn. 14; 14. August 2007 - 9 AZR 943/06 - Rn. 11, BAGE 123, 358; 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 23).

14

II. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Inhalt des anzunehmenden Arbeitsvertrags ist ausreichend konkretisiert. Der Kläger hat den Inhalt des mit der erstrebten Annahmeerklärung zustande kommenden Arbeitsvertrags näher beschrieben. Der Zeitpunkt der Wirkung der Abgabe der Annahmeerklärung - der 1. Februar 2010 - ist genannt. Die wesentlichen Vertragsbestandteile, insbesondere Art der Tätigkeit als technischen Mitarbeiter, sind bezeichnet. Die im Klageantrag angeführten „betriebsüblichen Bedingungen bei der Beklagten“ sind für die Bestimmtheit nicht unerlässlich.

15

B. Der Hauptantrag ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die vom Kläger begehrte Willenserklärung abzugeben. Zwar regelt Nr. 15 JVR 1986 in zulässiger Weise für die zum 1. Januar 1987 in die C I GmbH wechselnden Arbeitnehmer das Recht einer Rückkehr zur Beklagten, sofern eine Weiterbeschäftigung innerhalb der neuen Gesellschaft aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist. Das Ausscheiden der C I GmbH aus dem Konzernverbund der Beklagten beendete das aufschiebend bedingte Rückkehrrecht nicht. Das Rückkehrrecht ist auch weder mit einem Betriebsübergang auf die C S GmbH, in die die Servicefunktionen der C I GmbH zum 1. September 2003 ausgegliedert wurden, noch mit dem Übergang des Betriebsteils IT-Service auf die A GmbH erloschen. Ein aufschiebend bedingter Rückkehranspruch nach Nr. 15 JVR 1986 besteht auch für den Fall fort, dass das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers auf einen Betriebserwerber nach § 613a Abs. 1 BGB übergeht. Die aufschiebende Bedingung, unter der das Rückkehrrecht steht, ist vorliegend nicht eingetreten. Die Beschäftigung des Klägers bei der A GmbH ist nicht aus betrieblichen Gründen unmöglich geworden. Vielmehr hat der Kläger während der Probezeit selbst ohne betriebliche Veranlassung gekündigt, um ein Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber zu begründen.

16

I. Der Antrag ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht schon deswegen unbegründet, weil die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe der Annahmeerklärung zum 1. Februar 2010 (rück-)wirken soll.

17

1. Mit der Abgabe der Annahmeerklärung kommt das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zustande, denn mit Rechtskraft eines obsiegenden Urteils gilt die Erklärung nach § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben. Zu welchem Zeitpunkt die fingierte Annahmeerklärung wirkt, beurteilt sich nach materiellem Recht. Seit Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB idF des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, die auf eine Vertragsänderung oder einen Vertragsschluss zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist. Nach § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf die Leistung zwar ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder jedermann unmöglich ist. Im Unterschied zum alten Recht ist in § 311a Abs. 1 BGB aber klargestellt, dass ein Vertrag selbst dann nicht nichtig ist, wenn er in der Vergangenheit tatsächlich nicht durchgeführt werden kann(vgl. BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 26 mwN). Die rückwirkende Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch Urteil, die mit der Fiktion der Annahmeerklärung greift, ist daher zulässig. Ausgeschlossen ist lediglich eine gerichtliche Entscheidung, mit der ein Arbeitsverhältnis mit Rückwirkung zu einem Zeitpunkt vor Abgabe des Angebots begründet werden soll (vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 155/09 - Rn. 17 und 35, BAGE 134, 223; 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 28).

18

2. Hiernach steht der Umstand, dass der Kläger die Begründung eines Arbeitsverhältnisses rückwirkend zum 1. Februar 2010 begehrt, der Begründetheit des Anspruchs nicht entgegen. Das Anwaltsschreiben vom 4. November 2009, mit dem der Beklagten mitgeteilt wurde, der Kläger mache sein „Rückkehrrecht in die B SE (vormals B AG) spätestens zum 01.02.2010 geltend“, enthält bei der nach § 133 BGB gebotenen Auslegung ein hinreichend konkretes Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrags und nicht nur die Ankündigung eines solchen. Die Beklagte konnte dieses Schreiben, mit dem die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der C S GmbH zum 31. Januar 2010 mitgeteilt wird, dahin verstehen, dass der Kläger ihr im Anschluss daran die ihm von der Beklagten zugesagte Rückkehr anträgt. Spätestens mit der Klageschrift vom 15. Dezember 2009 musste der Beklagten klar sein, dass sich das in der Geltendmachung des Rückkehrrechts liegende Angebot auf den 1. Februar 2010 bezieht. Die Annahme dieses Angebots würde mit einer gerichtlichen Entscheidung nach § 894 Satz 1 ZPO fingiert.

19

II. Der Kläger hat jedoch, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, keinen Anspruch auf Abgabe der begehrten Willenserklärung. Ein solcher folgt insbesondere nicht aus Nr. 15 JVR 1986. Zwar haben die Betriebsparteien darin für die unter den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung fallenden Arbeitnehmer das Recht zu einer Rückkehr zu der Beklagten unter der aufschiebenden Bedingung geregelt, dass eine Weiterbeschäftigung innerhalb der „neuen Gesellschaft“ aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist. Diesem kollektiv-rechtlichen Wiedereinstellungsversprechen begegnen auch keine grundsätzlichen Wirksamkeitsbedenken. Das aufschiebend bedingte Rückkehrrecht steht nicht unter dem - ungeschriebenen - Vorbehalt der Zugehörigkeit der C I GmbH zum Konzernverbund der Beklagten. Es endet nicht mit der Ausgliederung der Servicefunktionen zunächst auf die C S GmbH und anschließend auf die A GmbH. Die Voraussetzungen des Rückkehrrechts sind im vorliegenden Fall jedoch nicht eingetreten, nachdem der Kläger, der nach Ausspruch der Kündigung des Insolvenzverwalters auf der Grundlage eines vor dem Betriebsübergang geschlossenen Arbeitsvertrags weiterbeschäftigt worden ist, der A GmbH selbst gekündigt hat.

20

1. Nr. 15 JVR 1986 regelt in zulässiger Weise für die zum 1. Januar 1987 in die C I GmbH wechselnden Arbeitnehmer das Recht einer Rückkehr zur Beklagten, sofern eine Weiterbeschäftigung innerhalb der neuen Gesellschaft aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 32 ff.).

21

a) Die JVR 1986 gilt für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse zum 1. Januar 1987 von der Beklagten auf die C I GmbH übergegangen sind. Der Kläger gehört zu diesem Personenkreis.

22

b) Das in Nr. 15 JVR 1986 „garantierte“ Rückkehrrecht ist wirksam. Die Betriebsparteien sind nicht grundsätzlich gehindert, einen Wiedereinstellungsanspruch für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse aufgrund eines bevorstehenden Betriebsteilübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf einen anderen Arbeitgeber übergehen, zu regeln. Nr. 15 JVR 1986 verstößt nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.

23

aa) Mit der Regelung in Nr. 15 JVR 1986 in ihrem Verständnis als Wiedereinstellungsanspruch haben die Betriebsparteien ihre Regelungskompetenz nicht überschritten.

24

(1) Bei der JVR 1986 handelt es sich um eine Betriebsvereinbarung im Sinne eines kollektiv-rechtlichen Normenvertrags zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Eine Betriebsvereinbarung kann über alle Fragen und Angelegenheiten abgeschlossen werden, die nach dem Gesetz der Zuständigkeit des Betriebsrats unterliegen. Dies ist in erster Linie bei mitbestimmungspflichtigen Tatbeständen der Fall. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt den Betriebsparteien aber auch eine umfassende Kompetenz zu, durch freiwillige Betriebsvereinbarungen Regelungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu treffen (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 36 mwN).

25

(2) Hiernach betrifft Nr. 15 JVR 1986 im Verständnis eines - aufschiebend bedingten - Rückkehrrechts für die von einem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse zur „neuen Gesellschaft“ mit Wirkung ab dem 1. Januar 1987 betroffenen Arbeitnehmer einen zulässigen Regelungsgegenstand. Ein Wiedereinstellungsversprechen kann als Abschlussnorm grundsätzlich zulässiger Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 37 mwN).

26

(a) Freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG sind nicht auf die dort ausdrücklich genannten Gegenstände beschränkt, sondern können - wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt - auch andere Gegenstände erfassen. Die Regelung in § 77 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BetrVG zeigt, dass der Gesetzgeber dort, wo die Tarifvertragsparteien ihre Befugnis zur Regelung von Arbeitsbedingungen nicht wahrnehmen, von einer Regelungskompetenz der Betriebsparteien ausgeht(BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 38 mwN). Auch steht einer auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Normsetzungsbefugnis nicht entgegen, dass Regelungen zum Arbeitsverhältnis ein solches begriffsnotwendig voraussetzten. Bei Wiedereinstellungsbestimmungen, die - wie im vorliegenden Streitfall - Arbeitnehmer betreffen, die (noch) in einem Arbeitsverhältnis stehen, können die Betriebsparteien Regelungen zu diesen Arbeitsverhältnissen treffen (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 39).

27

(b) Der Regelungsgegenstand unterliegt der sachlich-funktionellen Zuständigkeit des Betriebsrats. Es ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass er sich auf den Betrieb und auf die Interessen der vom Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer bezieht. Dies ist vorliegend der Fall. Bei Abschluss der JVR 1986 waren die von ihrer Nr. 15 erfassten Arbeitnehmer (noch) vom Betriebsrat repräsentiert. Die Vorschrift richtet sich nicht an eine „betriebsfremde Belegschaft“. Die Bestimmung in der Betriebsvereinbarung regelt damit nicht in unzulässiger Weise eine Arbeitsbedingung in einem Betrieb eines anderen Arbeitgebers, für deren Gestaltung der Betriebsrat nicht sachlich legitimiert wäre. Sie knüpft zwar - hinsichtlich der aufschiebenden Bedingung des Wegfalls einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit innerhalb der „neuen Gesellschaft“ aus betrieblichen Gründen - an einen Sachverhalt an, der sich bei einer anderen Gesellschaft stellt. Die Rechtsfolge der Verpflichtung zur (Wieder-)Begründung des Arbeitsverhältnisses betrifft aber allein die Beklagte. Dies unterfällt der Regelungskompetenz des bei ihr bestehenden Betriebsrats. Die Rückkehrklausel regelt keinen Erwerbertatbestand, sondern einen den Betriebsteilveräußerer - die Beklagte - anbelangenden Sachverhalt (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 40).

28

bb) Nr. 15 JVR 1986 ist nicht wegen des Vorrangs einer tariflichen Bestimmung nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam. Sie betrifft keinen Sachverhalt, der (mittlerweile) durch Tarifvertrag geregelt ist.

29

(1) Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Die Vorschrift gewährleistet die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie. Dazu räumt sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang zur Regelung von Arbeitsbedingungen ein. Diese Befugnis soll nicht durch ergänzende oder abweichende Regelungen der Betriebsparteien ausgehöhlt werden können. Eine gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist unwirksam. Etwas anderes gilt nach § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG dann, wenn der Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt(BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 45 mwN).

30

(2) Hiernach verstößt Nr. 15 JVR 1986 nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Gegenstand der Betriebsvereinbarungsbestimmung ist keine durch den Manteltarifvertrag Bergbau, Chemie, Energie vom 24. Juni 1992 - zuletzt in der Fassung vom 16. März 2009 - (MTV) geregelte Arbeitsbedingung. Die einzig in Betracht kommende Bestimmung nach § 13 Abschn. VI Ziff. 1 des MTV lautet:

        

„Wiedereinstellung und betriebsbedingte Umsetzungen

        

Aus betriebsbedingten Gründen entlassene Arbeitnehmer, die länger als 12 Monate dem Betrieb angehört haben und deren Entlassung nicht mehr als 12 Monate zurückliegt, werden im Falle der Neubesetzung von für sie geeigneten Arbeitsplätzen bevorzugt wieder eingestellt.

        

Kommen mehr entlassene Arbeitnehmer in Betracht, als Arbeitsplätze wieder zur Verfügung stehen, hat der Arbeitgeber unter Beachtung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates gemäß § 99 BetrVG eine sachgerechte Auswahl zu treffen.“

31

Damit regelt § 13 Abschn. VI Ziff. 1 MTV nach seinem unmissverständlichen Wortlaut sowie seinem Sinn und Zweck zwar auch einen Wiedereinstellungsanspruch. Dieser ist aber von vornherein auf eine andere Sachmaterie bezogen als die von Nr. 15 JVR 1986 geregelte. Während § 13 Abschn. VI Ziff. 1 MTV eine Wiedereinstellung im Zusammenhang mit betriebsbedingten Kündigungen vorsieht, legt die Betriebsvereinbarungsbestimmung einen solchen im Zusammenhang mit einem bevorstehenden Übergang von Arbeitsverhältnissen auf eine „andere Gesellschaft“ fest. Tarifnorm und Betriebsvereinbarungsregel ordnen damit zwar die gleiche Rechtsfolge an, regeln aber nicht die gleichen Sachverhalte (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 47).

32

2. Das Ausscheiden der C I GmbH aus dem Konzernverbund der Beklagten beendete das aufschiebend bedingte Rückkehrrecht nicht. Wie die gebotene Auslegung ergibt, ist die „Garantie eines Rückkehrrechts“ nach Nr. 15 JVR 1986 nicht für die Zeit der Zugehörigkeit der C I GmbH zum Konzernverbund der Beklagten befristet.

33

a) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 49 mwN).

34

b) Hiernach steht die Geltung der Rückkehrzusage nicht unter dem Vorbehalt einer Zugehörigkeit der „neuen Gesellschaft“ zum Konzernverbund der Beklagten. Dies hat das Landesarbeitsgericht richtig erkannt.

35

aa) Der Wortlaut von Nr. 15 JVR 1986 gibt keine Anhaltspunkte für eine solche Annahme. Das Rückkehrrecht bezieht sich auf die in die „neue Gesellschaft“ überwechselnden Mitarbeiter. Andere Voraussetzungen oder Bedingungen als der Wegfall einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus betrieblichen Gründen in dieser „neuen Gesellschaft“ sind nicht explizit ausgedrückt (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 51).

36

bb) Der Gesamtzusammenhang und die Regelungssystematik deuten nicht zwingend darauf, das Rückkehrrecht zur Beklagten auf die Zeit der Zugehörigkeit der „neuen Gesellschaft“ zum B-Konzern zu beschränken. Die JVR 1986 enthält zahlreiche Bestimmungen, die - ungeachtet ihrer jeweiligen kollektiv-rechtlichen Wirksamkeit - die Beibehaltung der bisher bei der Beklagten geltenden Arbeitsbedingungen einschließlich deren Verschlechterungen und Vergünstigungen zeitlich nicht begrenzen. Damit unterscheidet sich die JVR 1986 von der gleichfalls ein Rückkehrrecht beinhaltenden Betriebsvereinbarung, die von der Beklagten mit den zuständigen Betriebsräten am 4. Dezember 1990 anlässlich der Ausgliederung ihrer Magnetproduktaktivitäten in ein Tochterunternehmen geschlossen worden ist und die der Entscheidung des Senats vom 19. Oktober 2005 zugrunde lag (- 7 AZR 32/05 - [Magnetic]). Die Betriebspartner haben in dem Wissen darum, dass es sich bei der Gesellschaft, in die das Geschäftsfeld der kompatiblen Großcomputer und Peripheriesysteme zum 1. Januar 1987 ausgegliedert worden ist, um ein Joint Venture mit der S AG handelte, den wechselnden Arbeitnehmern das bei der Beklagten bestehende Niveau der Arbeitsbedingungen sichern wollen. Ein alleiniger Einfluss der Beklagten auf die C I GmbH war bereits bei Abschluss der JVR 1986 ausgeschlossen. Dies kann dafür sprechen, dass die in der JVR 1986 geregelten Leistungen für die wechselnden Arbeitnehmer - ungeachtet ihrer Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit - nach der Vorstellung der Betriebspartner nur so lange gelten sollten, wie die Beklagte überhaupt eine Einflussmöglichkeit auf die C I GmbH als konzernzugehöriges Unternehmen hat (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 52).

37

cc) Sinn und Zweck des in Nr. 15 JVR 1986 geregelten Rückkehrrechts sprechen deutlich dafür, dieses nicht unter dem ungeschriebenen Vorbehalt eines Verbleibs der „neuen Gesellschaft“ in der B-Gruppe zu verstehen. Die Betriebspartner haben die Konditionen eines Wechsels von Arbeitnehmern zu einer anderen Vertragsarbeitgeberin festgelegt, vor allem aber den Ausgleich der Nachteile geregelt, die den überwechselnden Arbeitnehmern durch die Ausgliederung des Geschäftsfelds der kompatiblen Großcomputer und Peripheriesysteme ggf. entstehen können. Die Ausgleichsnotwendigkeit ist durch den Wegfall des Arbeitsplatzes der betroffenen Arbeitnehmer bei der Beklagten veranlasst. Entscheidend ist weniger die Kompensation von Nachteilen wegen eines Wechsels zu einer ganz bestimmten (konzernzugehörigen) Arbeitgeberin, sondern wegen der Nichtfortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten. Hierfür haben die Betriebspartner ein Äquivalent in der Form einer Wiedereinstellungszusicherung geschaffen und die Bedingung hierfür folgerichtig allein an das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus betrieblichen Gründen innerhalb der „neuen Gesellschaft“ geknüpft. Gegen den ungeschriebenen Vorbehalt eines Verbleibs der „neuen Gesellschaft“ in der B-Gruppe spricht auch, dass es anderenfalls die Beklagte als beherrschendes Unternehmen weitgehend in der Hand hätte, allein durch die Veräußerung ihrer Gesellschaftsanteile die Rückkehransprüche der begünstigten Arbeitnehmer kompensationslos zu beseitigen. Deren Rechtspositionen könnten von der Konzernmutter der Beklagten durch einseitige Maßnahmen ersatzlos entwertet werden. Anderes würde nur dann gelten, wenn in einem solchen Fall des Ausscheidens aus der B-Gruppe der Eintritt einer aufschiebenden Bedingung des Rückkehrrechts gelegen und dieses somit - bereits - zu diesem Zeitpunkt entstanden wäre. So kann Nr. 15 JVR 1986 aber nicht verstanden werden. Auch die Beklagte beruft sich nicht auf eine derartige Deutung. Bei einem ungeschriebenen Vorbehalt des Verbleibs der „neuen Gesellschaft“ in der B-Gruppe bliebe schließlich völlig unklar, ob ein solcher Verbleib bereits mit dem Verlust der Mehrheitsanteile und der Beendigung des Konzernverhältnisses oder erst mit der Aufgabe jeglicher Beteiligung an der „neuen Gesellschaft“ endete. Auch dies spricht gegen einen derartigen ungeschriebenen Vorbehalt (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 53).

38

3. Das für den Kläger bestehende, aufschiebend bedingte Rückkehrrecht ist auch nicht mit dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zur C S GmbH, in die die Servicefunktionen der C I GmbH zum 1. September 2003 ausgegliedert wurden, erloschen. Abgesehen davon, dass die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 14. August 2003 für einen Wechsel zur C S GmbH die Fortgeltung des Rückkehrrechts entsprechend der Nr. 15 JVR 1986 zugesagt hat (vgl. auch BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 56 ff.), wird dieser Anspruch durch einen Betriebsübergang nach § 613a BGB nicht berührt.

39

a) Bisher hat der Senat die Frage offengelassen, ob sich die Wiedereinstellungszusage nach Nr. 15 JVR 1986 sachlich auf den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit bei der C I GmbH beschränkt oder auch auf einen solchen bei deren Rechtsnachfolgern erstreckt (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 31, 55). Eine Auslegung der Regelung in Nr. 15 JVR 1986 ergibt, dass das Rückkehrrecht durch den Übergang eines Betriebes bzw. Betriebsteils weder ausgelöst wird noch verloren geht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer der Überleitung seines Arbeitsverhältnisses nicht widerspricht.

40

aa) Der Wortlaut der Regelung in Nr. 15 JVR 1986 verhält sich nicht ausdrücklich zur Frage der Rechtsnachfolge. Die Wortwahl „neue Gesellschaft“ spricht zwar eher dafür, dass die Betriebsparteien allein die C I GmbH und nicht auch etwaige Rechtsnachfolger oder Betriebsübernehmer gemeint haben. Der Ausdruck ist gewählt worden, weil die Firmenbezeichnung des Joint Venture im Zeitpunkt des Abschlusses der JVR 1986 noch nicht festgestanden hat. Der das Rückkehrrecht auslösende Wegfall der Weiterbeschäftigung aus betrieblichen Gründen „innerhalb der neuen Gesellschaft“ könnte daher allein auf einen solchen bei der C I GmbH - und nicht bei rechtsnachfolgenden Gesellschaften - verstanden werden (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 31, 55).

41

bb) Entstehungsgeschichte und Regelungszweck lassen demgegenüber darauf schließen, dass der betroffene Arbeitnehmer eine Rückkehr zur Beklagten nach Maßgabe der Nr. 15 JVR 1986 auch - oder nur dann - beanspruchen kann, wenn er bei einem Rechtsnachfolger der „neuen Gesellschaft“ nicht mehr weiterbeschäftigt werden kann. Dies gilt in den Fällen des Betriebsübergangs jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer von der Möglichkeit, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses nach § 613a Abs. 6 BGB zu widersprechen, keinen Gebrauch macht, sondern mit seinem Einverständnis bei einer Rechtsnachfolgerin der „neuen Gesellschaft“ weiterbeschäftigt wird. Das Rückkehrrecht soll dem Umstand Rechnung tragen, dass der betroffene Arbeitnehmer mit der Beklagten im Verhältnis zu einem neu gegründeten Unternehmen, das wirtschaftlich schwächer ist, eine „sichere“ Arbeitgeberin verliert. Der damit von den Betriebsparteien verfolgte Zweck, das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers an einer arbeitsvertraglichen Beschäftigungsmöglichkeit zu sichern, besteht auch, wenn an die Stelle der „neuen Gesellschaft“ nach § 613a Abs. 1 BGB ein weiterer neuer Arbeitgeber tritt. Dem entspricht es, dass das Rückkehrrecht nur dann ausgelöst wird, wenn bei dem - letzten - Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist. Diese Voraussetzung tritt aber allein durch einen Betriebsteilübergang bzw. Betriebsübergang nicht ein. Geht das Arbeitsverhältnis auf den Erwerber über, bleibt der Arbeitnehmer vor dem Verlust einer Weiterbeschäftigung aus betrieblichen Gründen durch Nr. 15 JVR 1986 weiter umfassend geschützt.

42

b) Die Servicefunktionen der C I GmbH sind zum 1. September 2003 auf die C S GmbH ausgegliedert worden. Bei dieser Ausgliederung handelt es sich nach den unstreitigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts um einen Betriebsübergang iSd. § 613a Abs. 1 BGB. Damit bestand das aufschiebend bedingte Rückkehrrecht über den 1. September 2003 hinaus fort.

43

4. Das Landesarbeitsgericht hat weiter zutreffend erkannt, dass die aufschiebende Bedingung nicht eingetreten ist, nachdem das Arbeitsverhältnis des Klägers nach § 613a Abs. 1 BGB von der C S GmbH im Anschluss an die betriebsbedingte Insolvenzkündigung auf die A GmbH übergegangen ist und der Kläger dort während der Probezeit ohne betriebliche Veranlassung selbst gekündigt hat, um ein Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber zu begründen.

44

a) Der für den Kläger maßgebliche Betriebsteil „IT-Service“ der C S GmbH, der sich mit Tätigkeiten im Wartungs- und Installationsbereich befasst, ist auf die A GmbH nach § 613a Abs. 1 BGB übergegangen.

45

aa) Ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang nach § 613a Abs. 1 BGB setzt die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Eine solche besteht aus einer organisatorischen Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit „Betrieb“ bei einem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falls. Als Teilaspekte der Gesamtwürdigung zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebes, der Übergang materieller Betriebsmittel wie beweglicher Güter und Gebäude, der Wert immaterieller Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen, der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen ergeben, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu ( BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 181/11 - Rn. 30 ff. mwN).

46

Dem Übergang eines gesamten Betriebes steht der Übergang eines Betriebsteils gleich. Auch beim Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, dass die wirtschaftliche Einheit ihre Identität wahrt. Daher muss eine Teileinheit des Betriebes bereits beim früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils gehabt haben. Beim bisherigen Betriebsinhaber musste also eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit vorhanden sein, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wurde. Das Merkmal des Teilzwecks dient zur Abgrenzung der organisatorischen Einheit. Im Teilbetrieb müssen keine andersartigen Zwecke als im übrigen Betrieb verfolgt werden. Ergibt die Gesamtbetrachtung eine identifizierbare wirtschaftliche und organisatorische Teileinheit, so muss diese beim Erwerber im Wesentlichen unverändert fortbestehen, wobei der übertragene Betriebsteil seine organisatorische Selbständigkeit beim Betriebserwerber nicht vollständig bewahren muss. Vielmehr genügt es, dass der Betriebs(teil)erwerber die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehält und es ihm derart ermöglicht wird, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen (BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 181/11 - Rn. 33).

47

bb) Wie der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts zu vorliegendem Sachverhalt bereits entschieden hat, hat die A GmbH nicht den gesamten Betrieb der C S GmbH, sondern nur den Betriebsteil „IT-Service“ durch Rechtsgeschäft nach § 613a Abs. 1 BGB übernommen(BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 181/11 - Rn. 30 ff.; vgl. auch - 8 AZR 243/11 und 8 AZR 244/11 -); der daneben bestehende Bereich der „Druckerwartung“ der C S GmbH ist ein eigenständiger Betriebsteil, der nicht übernommen worden ist (BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 181/11 - Rn. 71). Der Senat schließt sich den Erwägungen des Achten Senats uneingeschränkt an und sieht von deren erneuter Darstellung ab.

48

b) Die in Nr. 15 JVR 1986 vorgesehene, das Rückkehrrecht auslösende aufschiebende Bedingung ist nicht eingetreten. Für den Kläger bestand nach dem mit Wirkung ab 5. Oktober 2009 übernommenen Betriebsteil „IT-Service“ trotz der Insolvenzverwalterkündigung vom 1. Oktober 2009 eine unveränderte Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei der A GmbH. Diese ist nicht aus betrieblichen Gründen entfallen, sondern durch die Eigenkündigung des Klägers.

49

aa) Dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung für den Rückkehranspruch steht allerdings nicht etwa entgegen, dass der Kläger die betriebsbedingte Kündigung des Insolvenzverwalters über das Vermögen der C S GmbH vom 1. Oktober 2009 nicht gerichtlich angegriffen hat. Nr. 15 JVR 1986 verlangt nur, dass „eine Weiterbeschäftigung innerhalb der neuen Gesellschaft aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist“. Eine rechtswirksame betriebsbedingte Kündigung ist nicht zwingend erforderlich. Der Wiedereinstellungsanspruch setzt nur die Unmöglichkeit einer Weiterbeschäftigung aus betrieblichen Gründen voraus. Weder Wortlaut, Systematik noch Sinn und Zweck der Regelung enthalten Anhaltspunkte dafür, dass die Wirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der „neuen Gesellschaft“ den Anforderungen nach § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG entsprechen - und ggf. sogar einer gerichtlichen Prüfung unterzogen sein - muss. In einem solchen Verständnis hielte das Rückkehrrecht im Übrigen auch der Binnenschranke einer Verhältnismäßigkeitskontrolle nicht stand. Es handelte sich um eine dem Arbeitnehmer unzumutbare, mit § 75 Abs. 1 BetrVG unvereinbare Bedingung(BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 63).

50

bb) Die auflösende Bedingung ist jedoch deshalb nicht eingetreten, weil die Weiterbeschäftigung des Klägers bei der A GmbH nicht aus betrieblichen Gründen, sondern wegen der Eigenkündigung des Klägers unmöglich wurde. Die nach dem Betriebsübergang weiter bestehende Beschäftigungsmöglichkeit iSd. Nr. 15 JVR 1986 ist auch nicht etwa vor der Eigenkündigung des Klägers durch betriebliche Gründe entfallen. Das von der Rückkehrregelung in Nr. 15 JVR 1986 erfasste Risiko eines Arbeitsplatzverlustes aus betrieblichen Gründen hat sich nicht realisiert. Soweit im Anschluss an die Rechtsprechung zum Anspruch auf eine Sozialplanabfindung (BAG 13. Februar 2007 - 1 AZR 184/06 - Rn. 30, BAGE 121, 168) und zur Anzahl von Arbeitnehmern bei Massenentlassungsanzeigen nach § 17 KSchG(BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 48) auch in diesem Zusammenhang erwogen werden könnte, ein Rückkehrrecht bei einer von der Rechtsnachfolgerin veranlassten Beendigung aufgrund Aufhebungsvertrags oder Eigenkündigung anzunehmen, bedarf es dazu hier keiner Entscheidung. Ein solcher Fall liegt nicht vor.

51

C. Die Hilfsanträge sind dem Senat damit nicht zur Entscheidung angefallen. Der Hilfsantrag zu 2. ist, wie die Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat, nur für den Fall gestellt, dass der Senat einen Wiedereinstellungsanspruch als technischen Mitarbeiter verneinen sollte. Die Hilfsanträge zu 3. und zu 4. sind nur für den Fall des Obsiegens des Klägers mit dem Hauptantrag oder dem Hilfsantrag zu 2. gestellt.

        

    Linsenmaier    

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

        

        

    Willms    

        

    Busch    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. November 2010 - 1 Sa 367/10 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bis zur Rücknahme der Revision des Klägers haben der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4 zu tragen. Im Übrigen hat die Beklagte die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zuletzt noch über eine Verpflichtung der Beklagten, mit dem Kläger (wieder) ein Arbeitsverhältnis zu begründen.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. Januar 1980 als Servicetechniker beschäftigt. Zum 1. Januar 1987 gliederte die Beklagte ihr Geschäftsfeld der kompatiblen Großcomputer und Peripheriesysteme aus und überführte es in die C I GmbH, einem von der Beklagten und der S AG neu gegründeten Joint Venture. Die Firmenbezeichnung dieser Gesellschaft stand Ende 1986 noch nicht fest; die Beklagte hielt nach ihrer Darstellung zunächst 66,5 % sowie die S AG 33,5 % der Gesellschaftsanteile.

3

In einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 4. November 1986 informierte die Beklagte ihn - wie auch die anderen für einen Wechsel in die C I GmbH vorgesehenen Mitarbeiter - über das Ausgliederungsvorhaben und führte wörtlich ua. aus:

        

„Hinsichtlich der vorgesehenen vertraglichen Rahmenbedingungen möchten wir Ihnen folgendes mitteilen:

        

○       

...     

        

○       

… Am 01.01.1987 treten Sie in unserem Interesse in ein Arbeitsverhältnis zur neuen Gesellschaft über. Dabei ist sichergestellt, daß bestehende arbeitsvertragliche und betriebliche Regelungen der B Aktiengesellschaft Bestandteil ihres Arbeitsvertrages mit der neuen Gesellschaft werden.

        

○       

Für den Fall, daß aus betrieblichen Gründen das Arbeitsverhältnis mit der neuen Gesellschaft endet, wird Ihnen die Wiedereinstellung bei der B Aktiengesellschaft angeboten. Über die Annahme dieses Angebotes haben Sie die B Aktiengesellschaft spätestens einen Monat vor Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses mit der neuen Gesellschaft zu unterrichten. Im Falle des Wiedereintritts gelten die dann bei der B Aktiengesellschaft üblichen vertraglichen Bedingungen und Ihre letzten Gehaltsbezüge bei der neuen Gesellschaft.

        

In den nächsten Tagen werden wir im Rahmen von Informationsveranstaltungen zu den Fragen Stellung nehmen, die für Sie von allgemeinem und besonderem Interesse sind.“

4

Die Beklagte und der bei ihr bestehende Betriebsrat führten vor der Ausgliederung Verhandlungen über deren Folgen. Am 4. Dezember 1986 schlossen sie eine mit „Rahmenbedingungen für in das Joint-venture B/S übertretende B AG-Mitarbeiter“ (im Folgenden: JVR 1986) überschriebene Vereinbarung. Sie hat folgenden Wortlaut:

        

„Aus Anlaß der Ausgliederung des Geschäfts mit kompatiblen Großcomputern und Peripheriesystemen aus der B AG zum 01.01.87 wird zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat folgendes vereinbart:

        

1.    

Die neue Gesellschaft, die ihren Sitz in Ma haben wird, wird die bisherigen Standorte der zur Ausgliederung aus der B AG anstehenden Betriebsteile in Ma und L ab 01.01.87 beibehalten. Standortveränderungen für die Verkaufsbüros sind z. Zt. nicht beabsichtigt. Bei den Standorten H und M kann es mittelfristig zu Umzügen innerhalb der Standorte kommen.

        

2.    

Die neue Gesellschaft wird Mitglied des Arbeitgeberverbands Chemie Baden-Württemberg e. V.

        

3.    

Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (künftig nur: Mitarbeiter), deren Arbeitsverhältnisse am 01.01.87 auf die neue Gesellschaft übergehen, erhalten von der B AG eine entsprechende - mit dem Betriebsrat abgestimmte - schriftliche Mitteilung. Betroffen hiervon sind grundsätzlich alle derzeit in dem Geschäft mit kompatiblen Großcomputern und Peripheriesystemen tätigen Mitarbeiter. Sonderfälle sind zwischen Mitarbeiter, Betriebsrat und Unternehmensleitung der B AG mit dem ernsthaften Willen zur Einigung zu beraten.

        

4.    

Ungeachtet der Bestimmung von Ziff. 3 Satz 3 kann jeder Mitarbeiter, der eine Mitteilung gem. Ziff. 3 erhalten hat, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses bis spätestens 31.12.86 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch hat zur Folge, daß das mit der B AG bestehende Arbeitsverhältnis nicht auf die neue Gesellschaft übergeht.

        

5.    

Im Falle des Widerspruchs eines Mitarbeiters ist die B AG verpflichtet, diesem unter Berücksichtigung der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten einen adäquaten Arbeitsplatz anzubieten. Sofern ein solcher nicht vorhanden oder frei ist, wird das Arbeitsverhältnis regelmäßig einvernehmlich (Aufhebungsvertrag) oder - unter Beachtung der gesetzlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen - durch einseitige Gestaltungserklärung (Kündigung des Mitarbeiters oder des Arbeitgebers) enden. Im Falle einer Kündigung durch den Mitarbeiter ist die B AG grundsätzlich bereit, auf die Einhaltung der Kündigungsfrist über den 31.12.86 hinaus zu verzichten. Die Gewährung der Jahresprämie 1986 wird dadurch nicht berührt.

        

6.    

Mitarbeiter mit mindestens 25 Dienstjahren, die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs das 55. Lebensjahr vollendet haben und die nicht mehr in die neue Gesellschaft überwechseln wollen, können auf Wunsch in der B AG verbleiben oder durch Aufhebungsvertrag aus der B AG ausscheiden.

        

7.    

Bezüglich der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten derjenigen Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnisse am 01.01.87 auf die neue Gesellschaft übergehen, gilt folgendes:

                 

a)    

Durch den Wechsel in die neue Gesellschaft ändert sich die Tätigkeit der Mitarbeiter in der Regel nicht. Sofern dies im Einzelfall doch der Fall ist, wird die Tätigkeit des Mitarbeiters in der neuen Gesellschaft seiner bisherigen in der B AG zumindest adäquat sein.

                 

b)    

Die mit der B AG abgeschlossenen schriftlichen Arbeitsverträge gehen zum 01.01.87 vollinhaltlich auf die neue Gesellschaft über. Dies gilt insbesondere auch für die in Teilzeit beschäftigten Mitarbeiter.

                 

c)    

Alle in der B AG zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden kollektiven Regelungen (Betriebsvereinbarungen, Regelungsabreden, betriebliche Übungen), aus denen sich Rechte und Pflichten der Mitarbeiter ergeben, werden mit Wirkung vom 01.01.87 zusätzlicher Bestandteil der jeweiligen Einzelarbeitsverträge der in die neue Gesellschaft überwechselnden Mitarbeiter (§ 613 a BGB). In Ergänzung und Konkretisierung hierzu wird folgendes festgelegt:

                          

aa)     

Die nachfolgend im einzelnen aufgeführten Regelungen gelten für die am 01.01.87 übertretenden B-Mitarbeiter bis zu ihrem Ausscheiden aus der neuen Gesellschaft fort. Verbesserungen und/oder Verschlechterungen dieser Betriebsvereinbarungen in der B AG nach 1987 führen unmittelbar zu einer entsprechenden Verbesserung/Verschlechterung für die zum 01.01.87 überwechselnden B-Mitarbeiter. Im einzelnen handelt es sich hierbei um folgende Regelungen:

                                   

•       

B-Altersversorgung

                                   

•       

Betriebsvereinbarung Nr. 3 (Regelungen für Mitarbeiter mit politischen Mandaten und ehrenamtlichen Tätigkeiten)

                                   

•       

Betriebsvereinbarung Nr. 13 (Jubiläumsgaben und Dienstaltersprämien)

                                   

•       

Betriebsvereinbarung Nr. 14 (Leistungen bei unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit sowie bei Heilverfahren)

                                   

•       

Betriebsvereinbarung Nr. 32 (Entlohnungsgrundsätze für außertarifliche Angestellte) mit der Maßgabe, daß als Bezugsgröße die Bestimmungen der Tarifverträge für Baden-Württemberg gelten.

                                   

•       

Altersteilzeit und Altersfreizeit für AT-Mitarbeiter

                                   

•       

Programm ‚Eltern und Kind’

                                   

•       

‚Absprache zur Behandlung der WSZ bei tariflichen Alters- und Meisterjahressprüngen, bei C.3-Zulagen und Umgruppierungen’, unter Berücksichtigung der baden-württembergischen Tarifgruppenstruktur

                          

bb)     

Ziff. 7 c) aa) gilt entsprechend für folgende, nicht in förmlichen Betriebsvereinbarungen oder Regelungsabreden festgelegte Regelungen:

                                   

•       

Die Erhöhung der WSZ bei Tarifmitarbeitern erfolgt bis einschließlich 1992 nach den jährlich in der B AG geltenden Vorgaben.

                                   

•       

Allgemeine Gesundheitsvorsorgemaßnahmen nach Gruppe II

                                   

•       

Gewährung von Hypothekendarlehen der Pensionskasse sowie von Belegschaftsdarlehen und zinslosen Darlehen durch die B AG

                                   

•       

Urlaubsgeldpauschalen für außertarifliche und schwerbehinderte Mitarbeiter

                                   

•       

Gewährung von Pensionierungsurlaub

                                   

•       

Gewährung von Vorzugsaktien für AT-Mitarbeiter (anstelle vermögenswirksamer Leistungen)

                                   

•       

Möglichkeit des Bezugs von B-Aktien im Rahmen der Netto-Jahresprämie

                                   

•       

Gewährung von Zusatzurlaub für die den Schwerbehinderten gleichgestellten Mitarbeiter

                                   

•       

Mehrarbeitspauschale und Dienstwagenregelung für Außendienst-Mitarbeiter

                                   

•       

‚Richtlinien für Dienstwagen’ sowie für ‚Bereitschaft, Noteinsätze, Meldung von Überstunden und Abfeiern’ (ORGA)

                          

cc)     

Die zum 01.01.87 übertretenden B-Mitarbeiter werden folgende Leistungen entsprechend Ziff. 7 c) aa) - jeweils nach den in der B AG geltenden Regelungen - weiterhin in Anspruch nehmen können:

                                   

•       

Werksärztlicher Dienst der B AG

                                   

•       

Leistungen der Br-Stiftung entsprechend der Satzung

                                   

•       

Werkbücherei

                                   

•       

Privatabgabestellen mit Ausnahme des Technischen Lagers (Schrottlager)

                                   

•       

Belegschaftsrabatt im Verkaufs-Center (Z 23)

                                   

•       

Derzeitiges Kantinenangebot bzw. Essensgeldzuschußzahlung

                                   

•       

Freizeit-/und Abendkursangebot

                          

dd)     

Die B Betriebskrankenkasse wird gesetzliche Pflichtkrankenkasse der neuen Gesellschaft. Freiwillig Versicherte können ihre Mitgliedschaft in der Betriebskrankenkasse fortführen. Mitgliedschaften in der Sterbekasse bleiben unberührt.

                          

ee)     

Bis einschließlich 1990 erhalten die von der B AG in die neue Gesellschaft überwechselnden Mitarbeiter eine Jahresprämie in Höhe der B AG-Jahresprämie.

                          

ff)     

Die B AG wird sicherstellen, daß die neue Gesellschaft den übertretenden B-Mitarbeitern den in der B AG üblichen Unfallversicherungsschutz (Invaliditätsfall, Todesfall) gewährt.

                          

gg)     

Soweit ein Mitarbeiter, dessen Arbeitsverhältnis am 01.01.87 auf die neue Gesellschaft übergeht, Mieter einer G/E-Wohnung ist oder ein zinsloses oder verzinsliches Darlehen von der B AG oder der Pensionskasse erhalten hat, werden die Rechte und Pflichten der Mitarbeiter (Mietvertrag, Darlehensbedingungen) durch den Übertritt in die neue Gesellschaft nicht berührt.

        

8.    

Hinsichtlich der Dienstreiserichtlinien, der Umzugskostenregelung einschl. der Bedingungen für die Gewährung eines Mietzuschusses sowie der Versetzungs- und Entsendungsrichtlinien verbleibt es für die übertretenden B-Mitarbeiter ab 01.01.87 bei den bisherigen (B-)Regelungen. Die neue Gesellschaft wird diese Regelungen im Interesse einer Vereinheitlichung neu fassen. Die Neufassung darf und wird jedoch insgesamt nicht zu einer Schlechterstellung der übertretenden B-Mitarbeiter führen.

        

9.    

Die vorstehenden Ausführungen (Ziff. 8) gelten entsprechend für die derzeit für die übertretenden Mitarbeiter gültige Gleitzeitregelung.

        

10.     

Mitarbeitern, die dem Schutz des Schwerbehindertengesetzes unterliegen, dürfen durch den Übertritt in die neue Gesellschaft keine Nachteile entstehen. Bei notwendigen Umsetzungen schwerbehinderter Mitarbeiter gilt das in der B AG für Umschulungen praktizierte Verfahren.

        

11.     

Die übertretenden Mitarbeiter können sich bis einschließlich 1992 zu den in der B AG geltenden Bedingungen an der internen Stellenausschreibung in der BASF-Werkszeitung beteiligen. Danach gelten die Regeln für Inlandsgruppengesellschaften.

        

12.     

Die Ausbildungsleistungen, welche die B bislang für den ausgegliederten Betriebsteil erbracht hat, werden durch die Ausgliederung nicht berührt. Darüber hinaus wird die neue Gesellschaft zur Deckung ihres Personalbedarfs vorrangig B-Ausgebildete einstellen.

        

13.     

Über die zuvor ausdrücklich angesprochenen, mit dem Übertritt in die neue Gesellschaft für die Mitarbeiter verbundenen Rechte und Pflichten hinaus werden die Unternehmensleitung und der Betriebsrat der B AG im Rahmen ihrer Möglichkeiten sicherstellen, daß nach Gründung der neuen Gesellschaft Betriebsrat und Unternehmensleitung dieser Gesellschaft in angemessener Frist ein alle nicht ausdrücklich erwähnte Betriebsvereinbarungen, Regelungsabreden und betriebliche Übungen einschließendes eigenständiges kollektives Regelwerk erstellen, welches für die zum 01.01.87 übertretenden B-Mitarbeiter insgesamt im Vergleich zu den zum Übertrittszeitpunkt in der B AG geltenden Regelungen nicht zu einer Schlechterstellung führen darf.

        

14.     

Die Eingruppierung und das Entgelt der in die neue Gesellschaft übertretenden B-Mitarbeiter richten sich nach dem Gehaltsrahmen-Tarifvertrag Baden-Württemberg für die chemische Industrie sowie dem am 01.01.87 geltenden Gehaltstarifvertrag. Dabei wird sichergestellt, daß sich die Mitarbeiter bei ihrem Übertritt insgesamt nicht schlechter stellen als nach den bisher für sie geltenden Tarifverträgen des Tarifbezirkes Rheinland-Pfalz. Die tarifliche Eingruppierung sowie die Höhe des Entgelts ergeben sich aus der unter Ziff. 3 genannten schriftlichen Mitteilung an die Mitarbeiter, welche diese spätestens am 10.12.86 erhalten sollen.

                 

Für außertarifliche Mitarbeiter ergibt sich die Höhe des Entgelts unter Berücksichtigung der weitergeltenden BV 32 (vgl. Ziff. 7 c) aa)) aus dem übergehenden Einzelarbeitsvertrag.

        

15.     

Die B AG garantiert den am 01.01.87 in die neue Gesellschaft überwechselnden Mitarbeitern ein Rückkehrrecht auf einen adäquaten Arbeitsplatz in der B AG, sofern eine Weiterbeschäftigung innerhalb der neuen Gesellschaft aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist.

        

…“    

5

Mit Schreiben vom 9. Dezember 1986 unterrichtete die Beklagte den Kläger über den Abschluss der JVR 1986 und händigte ihm eine Abschrift hiervon aus. In dem vom Kläger gegengezeichneten und in der Zweitschrift an die Beklagte zurückgesandten Schreiben heißt es, dass er die sich „aus dem Übergang des Arbeitsverhältnisses ergebenden Rechte und Pflichten den Rahmenbedingungen entnehmen“ könne. Mit Wirkung zum 1. Januar 1987 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die C I GmbH über.

6

In den Folgejahren erwarb die Beklagte von der S AG sukzessive deren Geschäftsanteile an der C I GmbH. In drei Tranchen - zum 1. Mai 1996, am 16. Juli 1998 sowie am 25. Oktober 1999 - veräußerte sie die Anteile an die P GmbH, die später in C H GmbH umfirmierte. Im Sommer 2003 informierte die C I GmbH die Beklagte über eine beabsichtigte Verschmelzung auf die C H GmbH, die noch vor der Umwandlung in C GmbH umfirmierte. Auf der Grundlage einer vorherigen Anfrage der C I GmbH erhielten die ehemaligen Mitarbeiter - darunter auch der Kläger - ein Schreiben der Beklagten vom 12. Dezember 2003. In diesem ist ua. ausgeführt:

        

„… auf Anfrage von C … bestätigen wir Ihnen für den Fall der uns von C mitgeteilten geplanten Verschmelzung … gerne auch persönlich folgendes:

        

Sofern Sie von dem genannten Verschmelzungsvorhaben erfasst sind und für Sie die Joint-Venture-Regelung vom 04.12.1986 anwendbar ist, bleibt bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine nach Maßgabe von Ziffer 15 der Joint-Venture-Regelung etwa begründete Rechtsposition von dem Verschmelzungsvorhaben unberührt.“

7

Zum 1. Februar 2004 verschmolz die C I GmbH auf die C GmbH. Diese informierte Anfang 2005 die Beklagte über die geplante Versetzung mehrerer ihrer ehemaligen Mitarbeiter in neu gegründete Regionalgesellschaften. In diesem Zusammenhang erklärte die Beklagte in einem an ihre - jedenfalls von der Versetzung in die C Nord GmbH & Co. KG und in die C West GmbH & Co. KG betroffenen - ehemaligen Mitarbeiter gerichteten Schreiben vom 10. Februar 2005:

        

„… Sofern auf Sie die Joint-Venture-Regelung vom 04.12.1986 anwendbar ist, bleibt bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine nach Maßgabe von Ziffer 15 der Joint-Venture-Regelung etwa begründete Rechtsposition von der Versetzung unberührt.“

8

Auch der Kläger erhielt dieses Schreiben vom 10. Februar 2005. Zum Ablauf des Jahres 2008 verschmolzen einige Regionalgesellschaften auf die C GmbH.

9

Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging im Zuge der Verschmelzung der C I GmbH auf die C GmbH über. Anfang 2005 wechselte der Kläger aufgrund der Ausgliederung in Regionalgesellschaften zu der C R GmbH & Co. KG. Anlässlich der Verschmelzung der Regionalgesellschaften auf die C GmbH zum Ablauf des Jahres 2008 wechselte er wiederum zu dieser Arbeitgeberin und war dort zuletzt als Systemberater beschäftigt.

10

Mit Beschluss vom 1. Oktober 2009 wurde über das Vermögen der C GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 12. Oktober 2009 zum 31. Januar 2010. Über die hiergegen vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage war im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung noch nicht rechtskräftig befunden; jedenfalls war der Betrieb der Insolvenzschuldnerin stillgelegt. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 5. Oktober 2009 machte der Kläger gegenüber der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sowie seine Wiedereinstellung geltend, was diese ablehnte.

11

Mit seiner der Beklagten am 1. April 2010 zugestellten Erweiterung der ursprünglich nur auf eine Verurteilung zur Beschäftigung gerichteten Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Beklagte sei zu einer Neubegründung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet. Ziffer 15 der JVR 1986 beinhalte ein zeitlich nicht befristetes Rückkehrrecht allein unter der - nunmehr eingetretenen - Bedingung, dass eine Weiterbeschäftigung in der neuen Gesellschaft aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich sei. Die Bestimmung stehe nicht unter dem Vorbehalt, dass die neue Gesellschaft im Zeitpunkt der Rückkehr noch zum Konzern der Beklagten gehören müsse; dies zeigten auch die Schreiben der Beklagten an ihn aus den Jahren 2003 und 2005. Mit diesen Schreiben sei überdies eine einzelvertragliche Wiedereinstellungszusage erklärt worden.

12

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren zuletzt noch von Bedeutung - beantragt,

        

        

die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot auf Wiedereinstellung mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2009 als Systemberater/technischer Angestellter zu den bei der B üblichen Arbeitsbedingungen mit einer Jahresvergütung in Höhe von 60.000,00 Euro brutto zuzüglich variabler Vergütung unter Anrechnung einer Betriebszugehörigkeit seit dem 1. Januar 1980 anzunehmen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, es bestehe kein kollektiv-rechtlicher Rückkehranspruch. Mit Ziffer 15 der JVR 1986 hätten die Betriebspartner außerhalb ihrer Normsetzungsbefugnis gehandelt und außerdem im Hinblick auf den Wiedereinstellungsanspruch nach § 13 Abschn. VI des für die Beklagte geltenden Manteltarifvertrags Bergbau, Chemie, Energie (MTV) den Tarifvorrang von § 77 Abs. 3 BetrVG verkannt. Ungeachtet dessen seien die Voraussetzungen für einen kollektiv-rechtlichen Wiedereinstellungsanspruch nicht gegeben. Das in Ziffer 15 der JVR 1986 vorgesehene Rückkehrrecht sei - wie die gesamten Rahmenbedingungen - auf den Zeitraum befristet, in dem die „neue Gesellschaft“ dem Konzernverbund der Beklagten angehöre. Sachlich sei es auf einen Verlust der Beschäftigungsmöglichkeit in einer Gesellschaft beschränkt, in der der Kläger zuletzt nicht mehr beschäftigt gewesen sei. Ein Wiedereinstellungsanspruch könne nicht auf die Korrespondenz mit den betroffenen Mitarbeitern nach dem Ausscheiden der C I GmbH aus dem Konzernverbund der Beklagten gestützt werden. Die Beklagte habe in ihren Schreiben stets auf eine „etwa begründete Rechtsposition“ verwiesen; eine solche habe dem Kläger bereits im Zeitpunkt der Schreiben nicht (mehr) zugestanden.

14

Das Arbeitsgericht hat dem - in der I. Instanz äußerst hilfsweise gestellten - Begehren auf Wiedereinstellung in der Fassung der Antragstellung entsprochen und die ursprünglich vom Kläger in erster Linie sowie hilfsweise verfolgten Beschäftigungsanträge abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - die arbeitsgerichtliche Entscheidung zT abgeändert und den Urteilstenor „zur Klarstellung“ wie folgt gefasst:

        

„Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines Arbeitsvertrages ab dem 1. Februar 2010 auf einem adäquaten Arbeitsplatz in der B zu den bei der Beklagten üblichen Bedingungen anzunehmen.“

15

Die die Abweisung der Beschäftigungsanträge betreffende Anschlussberufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Der Kläger hat seine - nur diese Anträge betreffende - Revision in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen. Die Beklagte begehrt mit ihrer ua. auf die Rügen einer Verletzung von § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO und von § 313 Abs. 1 Nr. 4 iVm. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gestützten Revision die Abweisung(auch) des Wiedereinstellungsantrags. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das angefochtene Urteil ist nicht verfahrensfehlerhaft. Der Entscheidungsausspruch ist weder unbestimmt, noch hat das Berufungsgericht dem Kläger unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO etwas zuerkannt, was dieser nicht beantragt hat. Der Antrag in der vom Landesarbeitsgericht tenorierten Fassung ist zulässig und begründet. Der Anspruch des Klägers auf Abschluss eines Arbeitsvertrags mit der Beklagten folgt aus Ziffer 15 der JVR 1986 iVm. den Schreiben der Beklagten vom 12. Dezember 2003 und vom 10. Februar 2005.

17

A. Die Revision rügt ohne Erfolg, dass der Ausspruch des Berufungsgerichts unbestimmt ist und darüber hinaus dem Kläger etwas zugesprochen hat, was nicht Gegenstand der Klage war.

18

I. Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO.

19

1. Nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO enthält ein verfahrensbeendendes Urteil eine Urteilsformel. Diese muss hinreichend deutlich gefasst sein. Das Erfordernis der - von Amts wegen zu prüfenden - Bestimmtheit des Urteilsausspruchs dient der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Der Umfang der materiellen Rechtskraft iSv. § 322 Abs. 1 ZPO und damit die Entscheidungswirkungen müssen festgestellt werden können(vgl. für den Entscheidungsausspruch im Beschlussverfahren BAG 12. Januar 2011 - 7 ABR 25/09 - Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 48 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 21). Bei diesen Feststellungen sind Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzend heranzuziehen, wenn die Urteilsformel den Streitgegenstand und damit den Umfang der Rechtskraft nicht für sich gesehen erkennen lässt (für eine klageabweisende Entscheidung vgl. BAG 19. Januar 2010 - 1 ABR 55/08 - Rn. 15 mwN, BAGE 133, 75; BGH 19. Mai 2011 - I ZB 57/10 - Rn. 7 mwN, BGHZ 190, 1). Insbesondere bei einer Verurteilung zu einer Willenserklärung kann zur Ermittlung des Inhalts einer auslegungsbedürftigen Urteilsformel ein Rückgriff auf Tatbestand und Entscheidungsgründe erforderlich sein (vgl. BGH 8. Juni 2011 - VIII ZR 204/10 - Rn. 9 mwN, NJW-RR 2011, 1382). Ein auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichteter Urteilsspruch ist nur dann bestimmt, wenn er so gefasst ist, dass der Inhalt der nach § 894 Satz 1 ZPO fingierten Erklärung klar ist(vgl. BGH 19. Mai 2011 - I ZB 57/10 - Rn. 7 mwN, aaO). Geht es um den Abschluss eines Arbeitsvertrags, muss die nach der speziellen Vollstreckungsregel des § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben geltende Willenserklärung den für eine Vertragseinigung notwendigen Mindestinhalt(essentialia negotii) umfassen. Nach § 611 Abs. 1 BGB gehören hierzu die „versprochenen Dienste“, also Art und Beginn der Arbeitsleistung. Eine Einigung über weitere Inhalte ist nicht erforderlich, sofern klar ist, dass die Arbeitsleistung überhaupt vergütet werden soll (vgl. Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 32 Rn. 4; Küttner/Röller Personalbuch 2012 19. Aufl. Arbeitsvertrag Rn. 7). Der Umfang der Arbeitsleistung und die Dauer des Arbeitsverhältnisses bestimmen sich ggf. nach den üblichen Umständen; die Vergütung folgt ggf. aus § 612 BGB.

20

2. Hiernach ist die Entscheidungsformel im landesarbeitsgerichtlichen Urteil hinreichend bestimmt. Die Verurteilung zur Annahme eines Angebots auf Abschluss eines Arbeitsvertrags benennt den Zeitpunkt des begehrten Vertragsschlusses. Der Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung in dem mit der Verurteilung zustande gekommenen Vertrag lässt sich ausreichend deutlich klären. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte handelt es sich um eine unbefristete Vollzeitbeschäftigung. Auch der Inhalt der Tätigkeit ist ausreichend beschrieben. Zwar eröffnet die Formulierung „auf einem adäquaten Arbeitsplatz“ einen Interpretationsspielraum. Entgegen der eigenen Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist damit aber keine „weitgehend unbestimmte Verurteilung der Beklagten vorgenommen“. Unter Hinzuziehung von Tatbestand und Entscheidungsgründen ist deutlich, dass die tenorierte Willenserklärung eine Arbeitsleistung des Klägers als Systemberater/technischer Angestellter umfasst. In dieser Tätigkeit war der Kläger zuletzt bei der C GmbH beschäftigt; diese Aufgaben hat auch das Landesarbeitsgericht als „in allererster Linie naheliegend“ erachtet. Mit seinem Ausdruck „adäquater Arbeitsplatz“ meint es zwar einen weiter gefassten Beschäftigungsbereich; auch nach den Gründen der angefochtenen Entscheidung muss dieser aber der Tätigkeit eines „Systemberaters/technischen Angestellten“ gleichwertig sein. Damit ist letztlich ein weites Direktionsrecht der Beklagten eröffnet. Sie kann dem Kläger bei solch einer Verurteilung alle Aufgaben zuweisen, die ein „Systemberater/technischer Angestellter“ schuldet. Eine „weit gefasste“ Beschreibung der Tätigkeit führt zu einem größeren Spielraum bei den arbeitgeberseitigen Weisungsrechten und nicht zu deren Unklarheit. Die ausgesprochene Verurteilung ist damit ebenso wenig unbestimmt, wie ein Vertrag mit der Beklagten über eine Tätigkeit als „Systemberater/technischer Angestellter“ unwirksam wäre. Auch ein solcher Vertrag enthielte eine Einigung über die „essentialia negotii“.

21

II. Das Landesarbeitsgericht hat § 308 Abs. 1 ZPO nicht verletzt. Der Ausspruch in dem angefochtenen Urteil betrifft keinen anderen Streitgegenstand als den vom Kläger zur Entscheidung gestellten.

22

1. Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist ein Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Umgekehrt darf die beklagte Partei nicht zu etwas anderem verurteilt werden als zu dem, worauf sie ihre Verteidigung einrichten musste (vgl. BAG 11. Dezember 2001 - 9 AZR 435/00 - zu II 2 a der Gründe mwN, EzA ZPO § 256 Nr. 59). Das Gericht darf und muss aber ein Weniger zuerkennen, wenn ein solches Begehren im jeweiligen Sachantrag enthalten ist (vgl. BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 657/08 - Rn. 15 mwN, AP ZPO § 551 Nr. 68). Etwas anderes gilt, wenn es sich nicht um ein Weniger, sondern um ein Aliud handelt. Ob dies der Fall ist, hängt von den konkreten Umständen und Ansprüchen sowie dem erkennbaren Begehren des Klägers ab (vgl. BAG 6. Juni 2007 - 4 AZR 505/06 - Rn. 17, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 308). Entscheidend sind nicht allein die wörtlichen Ausdrücke von Antrag und Urteilsausspruch, sondern deren - ggf. durch Auslegung zu ermittelnde - streitgegenständlichen Inhalte (ähnlich BGH 3. April 2003 - I ZR 1/01 - zu II 1 a der Gründe mwN, BGHZ 154, 342).

23

2. Danach hat das Landesarbeitsgericht § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht verletzt. Der vom Kläger - in den Tatsacheninstanzen äußerst hilfsweise zur Entscheidung - gestellte Antrag ist nach seinem Wortlaut unzweifelhaft auf die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe einer Annahmeerklärung gerichtet. Ihm geht es mit der erstrebten Fiktion der Abgabe der Annahmeerklärung nach § 894 Satz 1 ZPO um das endgültige Zustandekommen eines Arbeitsvertrags mit der Beklagten, das er mit übereinstimmenden Willenserklärungen - Antrag und Annahme(§§ 145 bis 147 BGB) - erwirken möchte. Die Abgabe eines Angebots ist in dem Anwaltsschreiben vom 5. Oktober 2009 zu sehen. Die auf Abgabe der Annahmeerklärung gerichtete Klage entspricht dem Regelfall des mit einer sog. Wiedereinstellungsklage bekundeten Willens des Arbeitnehmers (vgl. zB BAG 19. Oktober 2011 - 7 AZR 743/10 - Rn. 16; 21. August 2008 - 8 AZR 201/07 - Rn. 54, AP BGB § 613a Nr. 353 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 95; 25. Oktober 2007 - 8 AZR 989/06 - Rn. 14, AP BGB § 613a Wiedereinstellung Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 80; 14. August 2007 - 9 AZR 943/06 - Rn. 11, BAGE 123, 358). Der Kläger hat den Inhalt des mit der erstrebten Annahmeerklärung zustande kommenden Arbeitsvertrags näher beschrieben. Er hat den Zeitpunkt des Vertragsbeginns, die Tätigkeit, die Vergütung sowie eine anzurechnende Betriebszugehörigkeit angegeben. Hinsichtlich der für einen Arbeitsvertragsschluss notwendigen Bestandteile - der nach § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Dienste“ - hat das Berufungsgericht keine anderen Bedingungen zuerkannt. Eine Modifizierung (und wegen der beschränkten Revisionseinlegung des Klägers insoweit rechtskräftige teilweise Klageabweisung) liegt allenfalls in der zugesprochenen Vergütung und anzurechnenden Betriebszugehörigkeit. Da diese Bestandteile nicht unverzichtbar für die Annahme eines wirksamen Vertragsschlusses sind, liegt hierin aber keine Änderung des Streitgegenstands. Auch der vom Landesarbeitsgericht zuerkannte spätere Beginn des Arbeitsverhältnisses ist eine Einschränkung und keine Änderung des Klagebegehrens (vgl. zu diesem Aspekt BAG 2. Juli 2003 - 7 AZR 529/02 - zu II 1 der Gründe, BAGE 107, 18).

24

B. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht dem Klageantrag - in dem in der Revision noch angefallenen Umfang - entsprochen. Das zulässige Begehren des Klägers ist begründet.

25

I. Der durch die Revision der Beklagten noch anhängige Antrag ist auch in der Fassung, die er durch die Tenorierung des Landesarbeitsgerichts erfahren hat, zulässig. Er ist - wie ausgeführt - in dieser Fassung hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Inhalt des (anzunehmenden) Arbeitsvertrags ist ausreichend konkretisiert. Der Zeitpunkt der Wirkung der Abgabe der Annahmeerklärung - der 1. Februar 2010 - ist genannt. Die wesentlichen Vertragsbestandteile, insbesondere Art und Beginn der Tätigkeit, sind bezeichnet. Die im Klagebegehren angeführten „bei der Beklagten üblichen Bedingungen“ sind nicht unerlässlich für die Bestimmtheit, stehen aber auch außer Streit.

26

II. Der Antrag ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, die vom Kläger begehrte Willenserklärung abzugeben.

27

1. Der Antrag ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht schon deswegen unbegründet, weil die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe der Annahmeerklärung zum 1. Februar 2010 (rück-)wirken soll.

28

a) Mit der Abgabe der Annahmeerklärung kommt das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zustande, denn mit Rechtskraft eines obsiegenden Urteils gilt die Erklärung nach § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben. Zu welchem Zeitpunkt die fingierte Annahmeerklärung wirkt, beurteilt sich nach materiellem Recht. Seit Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB idF des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, die auf eine Vertragsänderung oder einen Vertragsschluss zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist. Nach § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf die Leistung zwar ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder jedermann unmöglich ist. Im Unterschied zum alten Recht ist in § 311a Abs. 1 BGB aber klargestellt, dass ein Vertrag selbst dann nicht nichtig ist, wenn er in der Vergangenheit tatsächlich nicht durchgeführt werden kann(vgl. BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 26 mwN, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2). Die rückwirkende Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch Urteil, die mit der Fiktion der Annahmeerklärung greift, ist daher zulässig. Ausgeschlossen ist lediglich eine gerichtliche Entscheidung, mit der ein Arbeitsverhältnis mit Rückwirkung zu einem Zeitpunkt vor Abgabe des Angebots begründet werden soll (vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 155/09 - Rn. 17 und 35, BAGE 134, 223).

29

b) Hiernach kann der Kläger die Begründung eines am 1. Februar 2010 beginnenden Arbeitsverhältnisses verlangen. Das Anwaltsschreiben vom 5. Oktober 2009 enthält ein Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrags. Die Annahme dieses Angebots ist mit einer gerichtlichen Entscheidung nach § 894 Satz 1 ZPO fingiert. Das Arbeitsverhältnis gilt nicht zu einem Zeitpunkt vor Abgabe des Angebots als geschlossen.

30

2. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt sein Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsvertrags nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 4. November 1986. Es kann offenbleiben, ob dieses Schreiben überhaupt ein selbständiges Wiedereinstellungsversprechen enthielte. Selbst wenn man hiervon zu Gunsten des Klägers ausginge, wäre die Zusage mit dem späteren Schreiben der Beklagten vom 9. Dezember 1986, welches der Kläger gegengezeichnet hat, einvernehmlich aufgehoben. Die Beklagte hat in diesem Schreiben auf die JVR 1986 und die dort niedergelegten Rechte und Pflichten verwiesen. Der Kläger hat mit der Gegenzeichnung der Zweitschrift des Schreibens sein Einverständnis damit bekundet, dass nunmehr die JVR 1986 Rechtsgrundlage eventueller nachvertraglicher Verpflichtungen der Beklagten ist und ggf. früher gegebene Versprechen überholt sein sollen.

31

3. Der Anspruch des Klägers auf Abgabe der vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Annahmeerklärung folgt aber aus Ziffer 15 der JVR 1986 iVm. den Schreiben der Beklagten vom 12. Dezember 2003 und vom 10. Februar 2005. In Ziffer 15 der JVR 1986 haben die Betriebsparteien für die unter den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung fallenden Arbeitnehmer das Recht zu einer Rückkehr zu der Beklagten unter der aufschiebenden Bedingung geregelt, dass eine Weiterbeschäftigung innerhalb der „neuen Gesellschaft“ aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist. Diesem kollektiv-rechtlichen Wiedereinstellungsversprechen begegnen entgegen der Auffassung der Beklagten keine grundsätzlichen Wirksamkeitsbedenken. Das aufschiebend bedingte Rückkehrrecht steht nicht unter dem - ungeschriebenen - Vorbehalt der Zugehörigkeit der C I GmbH zum Konzernverbund der Beklagten. Dies ergibt die Auslegung von Ziffer 15 der JVR 1986. Ob sich die Wiedereinstellungszusage sachlich auf den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit bei der C I GmbH beschränkt oder auch auf einen solchen bei deren Rechtsnachfolgern erstreckt, kann offenbleiben. Das - aufschiebend bedingte - Recht auf eine Rückkehr endete weder mit der Verschmelzung der C I GmbH auf die C GmbH noch mit dem Wechsel des Klägers zu der C R GmbH & Co. KG. Dies folgt jedenfalls aus den an ihn gerichteten Schreiben der Beklagten vom 12. Dezember 2003 und vom 10. Februar 2005. Die Voraussetzungen des Rückkehrrechts sind erfüllt. Der Unmöglichkeitseinwand der Beklagten ist unbegründet.

32

a) Ziffer 15 der JVR 1986 regelt in zulässiger Weise für die zum 1. Januar 1987 in die C I GmbH wechselnden Arbeitnehmer das Recht einer Rückkehr zur Beklagten, sofern eine Weiterbeschäftigung innerhalb der neuen Gesellschaft aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist.

33

aa) Die JVR 1986 gilt für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse zum 1. Januar 1987 von der Beklagten auf die C I GmbH übergegangen sind. Der Kläger gehört zu diesem Personenkreis.

34

bb) Das in Ziffer 15 der JVR 1986 „garantierte“ Rückkehrrecht ist nicht aus kollektiv-rechtlichen Gründen unwirksam. Die Betriebsparteien sind nicht grundsätzlich gehindert, einen Wiedereinstellungsanspruch für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse aufgrund eines bevorstehenden Betriebsteilübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf einen anderen Arbeitgeber übergehen, zu regeln. Eine etwaige Unwirksamkeit anderer Bestimmungen in den JVR 1986 führte jedenfalls nicht zu ihrer Gesamtunwirksamkeit. Ziffer 15 der JVR 1986 verstößt schließlich nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.

35

(1) Mit Ziffer 15 der JVR 1986 in ihrem Verständnis als Wiedereinstellungsanspruch haben die Betriebsparteien ihre Regelungskompetenz nicht überschritten.

36

(a) Bei den JVR 1986 handelt es sich um eine Betriebsvereinbarung iSe. kollektiv-rechtlichen Normenvertrags zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Eine Betriebsvereinbarung kann über alle Fragen und Angelegenheiten abgeschlossen werden, die nach dem Gesetz der Zuständigkeit des Betriebsrats unterliegen. Dies ist in erster Linie bei mitbestimmungspflichtigen Tatbeständen der Fall. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt den Betriebsparteien aber auch eine umfassende Kompetenz zu, durch freiwillige Betriebsvereinbarungen Regelungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu treffen (vgl. ausf. BAG 12. Dezember 2006 -  1 AZR 96/06 - Rn. 13 ff., BAGE 120, 308; grundlegend BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 der Gründe, BAGE 63, 211; vgl. auch Linsenmaier RdA 2008, 1; kritisch zur „globalen Regelungskompetenz“ Richardi BetrVG 13. Aufl. § 77 Rn. 67).

37

(b) Hiernach betrifft Ziffer 15 der JVR 1986 im Verständnis eines - aufschiebend bedingten - Rückkehrrechts für die von einem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse zur „neuen Gesellschaft“ mit Wirkung ab dem 1. Januar 1987 betroffenen Arbeitnehmer einen zulässigen Regelungsgegenstand. Ein Wiedereinstellungsversprechen kann als Abschlussnorm grundsätzlich zulässiger Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (vgl. BAG 19. Oktober 2005 - 7 AZR 32/05 - zu II 2 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 26 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 13; vgl. ferner auch 5. Juli 1984 - 2 AZR 246/83 - ohne ausdrückliche Problematisierung bei einem Wiedereinstellungsanspruch aus einem Sozialplan; grds. aA Diehn Rückkehrzusagen beim Betriebsübergang S. 49 ff.).

38

(aa) Die Argumentation der Revision, eine entsprechende Regelungsbefugnis könne nicht auf § 88 BetrVG gestützt werden, vernachlässigt, dass freiwillige Betriebsvereinbarungen nicht auf die dort ausdrücklich genannten Gegenstände beschränkt sind, sondern - wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt - auch über andere Gegenstände möglich sein sollen. Außerdem zeigt die Regelung in § 77 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BetrVG, dass der Gesetzgeber dort, wo die Tarifvertragsparteien ihre Befugnis zur Regelung von Arbeitsbedingungen nicht wahrnehmen, von einer Regelungskompetenz der Betriebsparteien ausgeht(vgl. näher BAG 12. Dezember 20061 AZR 96/06 - Rn. 14, BAGE 120, 308).

39

(bb) Auch der Verweis der Revision, den Betriebsparteien käme keine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Normsetzungsbefugnis zu, weil Regelungen zum Arbeitsverhältnis ein solches begriffsnotwendig voraussetzten, geht fehl. Bei Wiedereinstellungsbestimmungen, die - wie im vorliegenden Streitfall - Arbeitnehmer betreffen, die (noch) in einem Arbeitsverhältnis stehen, treffen die Betriebsparteien Regelungen zu diesen Arbeitsverhältnissen. Die von der Beklagten angeführten Legitimationsprobleme bestehen daher nicht.

40

(cc) Der Regelungsgegenstand unterliegt der sachlich-funktionellen Zuständigkeit des Betriebsrats. Es ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass er sich auf den Betrieb und auf die Interessen der vom Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer bezieht (vgl. BAG 19. Oktober 2005 - 7 AZR 32/05 - zu II 2 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 26 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 13). Dies ist vorliegend der Fall. Bei Abschluss der JVR 1986 waren die von ihrer Ziffer 15 erfassten Arbeitnehmer (noch) vom Betriebsrat repräsentiert. Die Vorschrift richtet sich nicht an eine „betriebsfremde Belegschaft“. Die Bestimmung in der Betriebsvereinbarung regelt damit nicht in unzulässiger Weise eine Arbeitsbedingung in einem Betrieb eines anderen Arbeitgebers, für deren Gestaltung der Betriebsrat nicht sachlich legitimiert wäre. Sie knüpft zwar - hinsichtlich der aufschiebenden Bedingung des Wegfalls einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit innerhalb der „neuen Gesellschaft“ aus betrieblichen Gründen - an einen Sachverhalt an, der sich bei einer anderen Gesellschaft stellt. Die Rechtsfolge der Verpflichtung zur (Wieder-)Begründung des Arbeitsverhältnisses betrifft aber allein die Beklagte. Dies unterfällt der Regelungskompetenz des bei ihr bestehenden Betriebsrats. Die Rückkehrklausel regelt keinen Erwerbertatbestand, sondern einen den Betriebsteilveräußerer - die Beklagte - anbelangenden Sachverhalt.

41

(2) Eine etwaige Unwirksamkeit anderer Bestimmungen in der JVR 1986 hinderte die Annahme der Wirksamkeit von deren Ziffer 15 nicht. Die teilweise Unwirksamkeit der JVR 1986 hat nicht deren Gesamtnichtigkeit zur Folge.

42

(a) Nach § 139 BGB ist ein ganzes Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Bei den nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar und zwingend wirkenden Betriebsvereinbarungen tritt die Rechtsfolge der Gesamtnichtigkeit wegen des Normencharakters allerdings nur dann ein, wenn der verbleibende Teil ohne den unwirksamen Teil keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung mehr darstellt(vgl. BAG 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 40 mwN, BAGE 125, 366).

43

(b) Selbst wenn alle anderen Bestimmungen der JVR 1986 wegfielen, stellte die Rückkehrbestimmung noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung dar. Darauf, ob die Betriebsparteien bei Kenntnis selbst einer überwiegenden Teilunwirksamkeit der JVR 1986 deren Ziffer 15 in gleicher Weise vereinbart hätten, kommt es nicht an (ähnlich im Fall eines Einigungsstellenspruchs BAG 26. August 2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 57, BAGE 127, 276). Es kann daher auf sich beruhen, ob andere Normen der JVR 1986 die „neue Gesellschaft“ außerhalb der Normsetzungsbefugnis der Betriebsparteien unzulässig unmittelbar verpflichten.

44

(3) Ziffer 15 der JVR 1986 ist nicht - anders als die Revision meint - wegen des Vorrangs einer tariflichen Bestimmung nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam. Sie betrifft keinen Sachverhalt, der (mittlerweile) durch einen Tarifvertrag geregelt ist.

45

(a) Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Die Vorschrift gewährleistet die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie. Dazu räumt sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang zur Regelung von Arbeitsbedingungen ein. Diese Befugnis soll nicht durch ergänzende oder abweichende Regelungen der Betriebsparteien ausgehöhlt werden können. Eine gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist unwirksam. Etwas anderes gilt nach § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG dann, wenn der Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt(vgl. zB BAG 29. April 2004 - 1 ABR 30/02 - zu B II 2 a der Gründe mwN, BAGE 110, 252).

46

(b) Hiernach verstößt Ziffer 15 der JVR 1986 nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Gegenstand der Betriebsvereinbarungsbestimmung ist keine durch den Manteltarifvertrag Bergbau, Chemie, Energie vom 24. Juni 1992 - zuletzt in der Fassung vom 16. März 2009 - (MTV) geregelte Arbeitsbedingung. Die einzig in Betracht kommende Bestimmung nach § 13 Abschn. VI Ziff. 1 des MTV lautet:

        

„Wiedereinstellung und betriebsbedingte Umsetzungen

        

Aus betriebsbedingten Gründen entlassene Arbeitnehmer, die länger als 12 Monate dem Betrieb angehört haben und deren Entlassung nicht mehr als 12 Monate zurückliegt, werden im Falle der Neubesetzung von für sie geeigneten Arbeitsplätzen bevorzugt wieder eingestellt.

        

Kommen mehr entlassene Arbeitnehmer in Betracht, als Arbeitsplätze wieder zur Verfügung stehen, hat der Arbeitgeber unter Beachtung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates gemäß § 99 BetrVG eine sachgerechte Auswahl zu treffen.“

47

Damit regelt § 13 Abschn. VI Ziff. 1 MTV nach seinem unmissverständlichen Wortlaut sowie seinem Sinn und Zweck zwar auch einen Wiedereinstellungsanspruch. Dieser ist aber von vornherein auf eine andere Sachmaterie bezogen als die von Ziffer 15 der JVR 1986 geregelte. Während § 13 Abschn. VI Ziff. 1 MTV eine Wiedereinstellung im Zusammenhang mit betriebsbedingten Kündigungen vorsieht, legt die Betriebsvereinbarungsbestimmung einen solchen im Zusammenhang mit einem bevorstehenden Übergang von Arbeitsverhältnissen auf eine „andere Gesellschaft“ fest. Tarifnorm und Betriebsvereinbarungsregel ordnen damit zwar die gleiche Rechtsfolge an, regeln aber nicht die gleichen Sachverhalte.

48

b) Das Ausscheiden der C I GmbH aus dem Konzernverbund der Beklagten beendete das aufschiebend bedingte Rückkehrrecht nicht. Wie die gebotene Auslegung ergibt, ist die „Garantie eines Rückkehrrechts“ nach Ziffer 15 der JVR 1986 nicht für die Zeit der Zugehörigkeit der C I GmbH zum Konzernverbund der Beklagten befristet.

49

aa) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (vgl. zB BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 67/09 - Rn. 9, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 52 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 31).

50

bb) Hiernach steht die Geltung der Rückkehrzusage nicht unter dem Vorbehalt einer Zugehörigkeit der „neuen Gesellschaft“ zum Konzernverbund der Beklagten. Dies hat das Landesarbeitsgericht richtig erkannt.

51

(1) Der Wortlaut von Ziffer 15 der JVR 1986 gibt keine Anhaltspunkte für eine solche Annahme. Das Rückkehrrecht bezieht sich auf die in die „neue Gesellschaft“ überwechselnden Mitarbeiter. Andere Voraussetzungen oder Bedingungen als der Wegfall einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus betrieblichen Gründen in dieser „neuen Gesellschaft“ sind nicht explizit ausgedrückt.

52

(2) Der Gesamtzusammenhang und die Regelungssystematik deuten nicht zwingend darauf, das Rückkehrrecht zur Beklagten auf die Zeit der Zugehörigkeit der „neuen Gesellschaft“ zum B-Konzern zu beschränken. Die JVR 1986 enthält zahlreiche Bestimmungen, die - ungeachtet ihrer jeweiligen kollektiv-rechtlichen Wirksamkeit - die Beibehaltung der bisher bei der Beklagten geltenden Arbeitsbedingungen einschließlich deren Verschlechterungen und Vergünstigungen zeitlich nicht begrenzen. Damit unterscheidet sich die JVR 1986 von der gleichfalls ein Rückkehrrecht beinhaltenden Betriebsvereinbarung, die von der Beklagten mit den zuständigen Betriebsräten am 4. Dezember 1990 anlässlich der Ausgliederung ihrer Magnetproduktaktivitäten in ein Tochterunternehmen geschlossen worden ist und die der Entscheidung des Senats vom 19. Oktober 2005 zugrunde lag (- 7 AZR 32/05 - [Magnetic] AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 26 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 13). Zwar sind die Geltung der „Erhöhung der WSZ bei Tarifmitarbeitern“ nach Ziffer 7 c) bb) erster Punkt der JVR 1986 und die Jahresprämienbestimmung nach Ziffer 7 c) ee) in zeitlicher Hinsicht ebenso limitiert wie die Beteiligung der zur „neuen Gesellschaft“ gewechselten Mitarbeiter an internen Stellenausschreibungen der Beklagten nach Ziffer 11 der JVR 1986. Die in Ziffer 7 c) aa) der JVR 1986 vorgesehene Fortgeltung von bei der Beklagten bestehenden Betriebsvereinbarungen einschließlich deren späteren Verbesserungen oder Verschlechterungen enthält aber keine zeitlich beschriebene „Veränderungsgrenze“. Auch die entsprechende Anwendung anderer bei der Beklagten geltender kollektiver Regelungen ist unbeschränkt niedergelegt. Den weiter geregelten Möglichkeiten der Inanspruchnahme von unternehmens- und konzernbezogenen Sozialeinrichtungen und Leistungen mag die Vorstellung eines Verbleibs der C I GmbH in der B-Gruppe zugrunde liegen, was jedenfalls in Ziffer 11 Satz 2 der JVR 1986 auch seinen sprachlichen Niederschlag gefunden hat („Regeln für Inlandsgruppengesellschaften“). Notwendig erscheint diese Annahme aber nicht. Augenscheinlich haben die Betriebspartner in dem Wissen darum, dass es sich bei der Gesellschaft, in die das Geschäftsfeld der kompatiblen Großcomputer und Peripheriesysteme zum 1. Januar 1987 ausgegliedert worden ist, um ein Joint Venture mit der S AG handelte, den wechselnden Arbeitnehmern das bei der Beklagten bestehende Niveau der Arbeitsbedingungen sichern wollen. Ein alleiniger Einfluss der Beklagten auf die C I GmbH war bereits bei Abschluss der JVR 1986 ausgeschlossen. Dies kann dafür sprechen, dass die in der JVR 1986 geregelten Leistungen für die wechselnden Arbeitnehmer - ungeachtet ihrer Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit - nach der Vorstellung der Betriebspartner nur so lange gelten sollten, wie die Beklagte überhaupt eine Einflussmöglichkeit auf die C I GmbH als konzernzugehöriges Unternehmen hat. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, muss eine ggf. anzunehmende konzernzugehörigkeitsbegrenzte Reichweite der geregelten Leistungen aber nicht auch für die Rückkehrzusage gelten.

53

cc) Sinn und Zweck des in Ziffer 15 der JVR 1986 geregelten Rückkehrrechts sprechen deutlich dafür, dieses nicht unter dem ungeschriebenen Vorbehalt eines Verbleibs der „neuen Gesellschaft“ in der B-Gruppe zu verstehen. Die Betriebspartner haben die Konditionen eines Wechsels von Arbeitnehmern zu einer anderen Vertragsarbeitgeberin festgelegt, vor allem aber den Ausgleich der Nachteile geregelt, die den überwechselnden Arbeitnehmern durch die Ausgliederung des Geschäftsfelds der kompatiblen Großcomputer und Peripheriesysteme ggf. entstehen können. Die Ausgleichsnotwendigkeit ist durch den Wegfall des Arbeitsplatzes der betroffenen Arbeitnehmer bei der Beklagten veranlasst. Entscheidend ist weniger die Kompensation von Nachteilen wegen eines Wechsels zu einer ganz bestimmten (konzernzugehörigen) Arbeitgeberin, sondern wegen der Nichtfortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten. Hierfür haben die Betriebspartner ein Äquivalent in der Form einer Wiedereinstellungszusicherung geschaffen und die Bedingung hierfür folgerichtig allein an das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus betrieblichen Gründen innerhalb der „neuen Gesellschaft“ geknüpft. Gegen den ungeschriebenen Vorbehalt eines Verbleibs der „neuen Gesellschaft“ in der B-Gruppe spricht auch, dass es anderenfalls die Beklagte als beherrschendes Unternehmen weitgehend in der Hand hätte, allein durch die Veräußerung ihrer Gesellschaftsanteile die Rückkehransprüche der begünstigten Arbeitnehmer kompensationslos zu beseitigen. Deren Rechtspositionen könnten von der Konzernmutter der Beklagten durch einseitige Maßnahmen ersatzlos entwertet werden. Anderes würde nur dann gelten, wenn in einem solchen Fall des Ausscheidens aus der B-Gruppe der Eintritt einer aufschiebenden Bedingung des Rückkehrrechts gelegen und dieses somit - bereits - zu diesem Zeitpunkt entstanden wäre. So kann Ziffer 15 der JVR 1986 aber nicht verstanden werden. Auch die Beklagte beruft sich nicht auf eine derartige Deutung. Bei einem ungeschriebenen Vorbehalt der Verbleibs der „neuen Gesellschaft“ in der B-Gruppe bliebe schließlich völlig unklar, ob ein solcher Verbleib bereits mit dem Verlust der Mehrheitsanteile und der Beendigung des Konzernverhältnisses oder erst mit der Aufgabe jeglicher Beteiligung an der „neuen Gesellschaft“ endete. Auch dies spricht gegen einen derartigen ungeschriebenen Vorbehalt.

54

c) Das für den Kläger geltende Rückkehrrecht endete nicht mit dem Wechsel seines Arbeitsverhältnisses zur C GmbH, auf die die C I GmbH mit Wirkung zum 1. Februar 2004 verschmolzen ist.

55

aa) Ob sich das Rückkehrrecht der zu der C I GmbH gewechselten Arbeitnehmer bereits nach Ziffer 15 der JVR 1986 sachlich auch auf den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit bei einem Rechtsnachfolger dieser „neuen Gesellschaft“ erstreckt, kann offenbleiben. Es erscheint einerseits klar, dass die Betriebspartner mit „neuer Gesellschaft“ allein die C I GmbH gemeint haben. Der Ausdruck wurde nur deshalb gewählt, weil die Firmenbezeichnung des Joint Venture im Zeitpunkt des Abschlusses der JVR 1986 noch nicht feststand. Der das Rückkehrrecht auslösende Wegfall der Weiterbeschäftigung aus betrieblichen Gründen „innerhalb der neuen Gesellschaft“ mag daher allein auf einen solchen bei der C I GmbH - und nicht bei rechtsnachfolgenden Gesellschaften - verstanden werden können. Andererseits deutet der bereits dargestellte Zweck des Rückkehrrechts darauf, dass mit ihm weniger der Nachteil wegen des Wechsels der betroffenen Arbeitnehmer zu der „neuen Gesellschaft“ als einem ganz bestimmten Betriebsteilerwerber ausgeglichen werden sollte, sondern es um eine Kompensation dafür ging, die Beklagte als „sichere“ Arbeitgeberin zu verlieren. Die Betriebsparteien bezweckten die Absicherung der ehemaligen Mitarbeiter der Beklagten für den Fall eines späteren Verlustes ihres (neuen) Arbeitsplatzes aus betrieblichen Gründen. Das Rückkehrrecht kann daher so verstanden werden, dass es sich auch auf die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit bei einem anderen Rechtsträger erstreckt, auf die die Arbeitsverhältnisse der vormaligen Mitarbeiter der Beklagten infolge von betrieblichen und gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen der „neuen Gesellschaft“ mittlerweile übergegangen sind. Ein solches Verständnis erscheint jedenfalls bei einer gesellschaftsrechtlichen Umwandlung der „neuen Gesellschaft“, die keine Widerspruchsmöglichkeit für die Arbeitnehmer nach § 613a Abs. 6 BGB gegen den Übergang oder den Wechsel ihrer Arbeitsverhältnisse auf eine „andere Gesellschaft“ aufgrund einer Gesamtrechtsnachfolge eröffnet, naheliegend. Dies ist der Fall, wenn - wie vorliegend im Zuge der Verschmelzung der C I GmbH auf die C GmbH - der bisherige Rechtsträger erlischt (vgl. zum Nichtbestehen eines Widerspruchsrechts ausf. BAG 21. Februar 2008 - 8 AZR 157/07 - Rn. 18 ff., BAGE 126, 105). Der betroffene Arbeitnehmer kann bei solch einer Konstellation den Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht verhindern. Er würde also allein durch umwandlungsrechtliche Maßnahmen auf Seiten seines Arbeitgebers, die er nicht beeinflussen und deren Rechtsfolgen er nicht abwenden kann, ersatzlos eine wesentliche, ihm günstige Rechtsposition verlieren. Die Frage kann vorliegend jedoch letztlich dahinstehen.

56

bb) Der Kläger hat jedenfalls aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 12. Dezember 2003 auch nach seinem Wechsel zur C GmbH gegenüber der Beklagten ein individualrechtlich versprochenes Rückkehrrecht entsprechend der Ziffer 15 der JVR 1986. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht in diesem Schreiben eine Zusage der Weitergeltung der Rückkehrmöglichkeit auch bei einem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aus betrieblichen Gründen bei der C GmbH gesehen.

57

(1) Es kann dahinstehen, ob, wofür vieles spricht, das Schreiben vom 12. Dezember 2003 typische Erklärungen beinhaltet, deren Auslegung durch das Revisionsgericht uneingeschränkt kontrollierbar ist - auch hinsichtlich der Frage, ob mit ihnen überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden soll - (vgl. dazu zB BAG 29. September 2010 -  3 AZR 546/08 - Rn. 17 mwN, AP BetrAVG § 9 Nr. 23 ), oder ob eine nichttypische Regelung vorliegt, deren Auslegung durch die Tatsachengerichte in der Revisionsinstanz nur darauf überprüfbar ist, ob sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstößt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt und ob sie rechtlich möglich ist (vgl. dazu zB BAG 23. Mai 2007 - 10 AZR 29/07 - Rn. 16 mwN). Die Auslegung des Schreibens durch das Landesarbeitsgericht hielte auch einer uneingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfung stand.

58

(2) Das Schreiben der Beklagten vom 12. Dezember 2003 ist nicht lediglich eine Wissenserklärung ohne rechtliche Bindung.

59

(a) Willenserklärungen sind nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie sie der Empfänger aufgrund des aus der Erklärung erkennbaren Willens unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der Grundsätze von Treu und Glauben(§ 242 BGB) und unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Begleitumstände vernünftigerweise verstehen durfte. Ob der Erklärende einen entsprechenden Geschäftswillen hat, ist für den Eintritt der Wirkung einer Willenserklärung im Rechtsverkehr nicht ausschlaggebend. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Empfänger aus einem bestimmten Erklärungsverhalten auf einen Bindungswillen schließen durfte. Erforderlich ist weiterhin, dass der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass sein Verhalten als Willenserklärung aufgefasst werden konnte, und dass der Erklärungsempfänger es tatsächlich so verstanden hat (vgl. BAG 17. Juni 2003 - 3 AZR 462/02 - zu III 1 der Gründe mwN, EzA BetrAVG § 2 Nr. 20).

60

(b) Die Beklagte hat sich gegenüber dem Kläger - wie auch gegenüber den anderen ehemaligen Mitarbeitern - dahingehend geäußert, dass „eine nach Maßgabe von Ziffer 15 der Joint-Venture-Regelung etwa begründete Rechtsposition“ von der Verschmelzungsmaßnahme „unberührt“ bleibe. Die Formulierung „unberührt bleibt“ lässt aus der Sicht des Klägers - wie auch der anderen Empfänger dieses Schreibens - auf einen Verpflichtungswillen der Beklagten dahingehend schließen, dass jedenfalls dann, wenn der betroffene Mitarbeiter dem aufschiebend bedingten Rückkehrrecht nach Ziffer 15 der JVR 1986 unterfällt, dieses nicht wegen der gesellschaftsrechtlichen Umwandlung der C I GmbH und des damit verbundenen Wechsels der Arbeitgeberin beseitigt sein soll. Hierfür sprechen auch die Begleitumstände des Erklärungsverhaltens der Beklagten, die sich auf Anfrage der C I GmbH in persönlichen Einzelschreiben an ihre ehemaligen Arbeitnehmer gewandt und die Nichtrelevanz der geplanten Verschmelzung für eine auf der Grundlage der Ziffer 15 der JVR 1986 „etwa begründete Rechtsposition“ „bestätigt“ hat, ohne dass es auf die vom Landesarbeitsgericht angeführte und von der Beklagten in Abrede gestellte Motivation für dieses Schreiben (Verhinderung des - ohnehin nicht gegebenen - Widerspruchs gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses) ankäme. Die Betroffenen - also ua. der Kläger - konnten das Schreiben nur so verstehen, dass die Beklagte zwar kein von den Voraussetzungen nach Ziffer 15 der JVR 1986 unabhängiges Rückkehrrecht zusichern wollte, der Wechsel ihres Arbeitsverhältnisses zu der C GmbH diesem aber nicht entgegenstehen soll. Das aufschiebend bedingte Recht einer Rückkehr, das der Kläger in diesem Zeitpunkt immer noch innehatte, war somit nicht wegen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung erloschen.

61

d) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht weiter angenommen, dass die Beklagte an ihre Zusage vom 12. Dezember 2003 gebunden ist. Mit der „Versetzung“ des Klägers - es handelte sich wohl eher um einen Übergang seines Arbeitsverhältnisses - zu der C R GmbH & Co. KG hat die Geltungsdauer des Rückkehrrechts nicht geendet. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 10. Februar 2005 erklärt, dass die „nach Maßgabe von Ziffer 15 der Joint-Venture-Regelung etwa begründete Rechtsposition von der Versetzung unberührt“ bleibe. Auch diese Erklärung beinhaltet eine bindende Zusage dahingehend, den Status als „Rückkehrberechtigten“ trotz eines Wechsels in ausgegliederte Regionalgesellschaften zu sichern. Ist - wie beim Kläger - eine Rechtsposition begründet, sollte nach dem verlautbarten Willen der Beklagten die „Versetzung“ zu einer anderen Gesellschaft den Anspruch auf eine Rückkehr zu ihr nicht tangieren.

62

e) Schließlich bewirkte der (Rück-)Wechsel des Klägers zur C GmbH keinen Untergang des Rückkehrrechts. Hinsichtlich dieser Gesellschaft war dem Kläger mit Schreiben vom 12. Dezember 2003 versprochen, dass eine nach Ziffer 15 der JVR 1986 „etwa begründete“ Rechtsposition (die der Kläger tatsächlich noch innehatte) erhalten bleibt.

63

f) Die Voraussetzungen für den Rückkehranspruch liegen vor. Dessen aufschiebende Bedingung ist eingetreten. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers bei der C GmbH ist aus betrieblichen Gründen nicht möglich. Deren Betrieb ist stillgelegt. Die Rückkehrbestimmung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht so zu interpretieren, dass sie nur bei einer rechtswirksamen betriebsbedingten Kündigung greift. Der Wiedereinstellungsanspruch setzt nur die Unmöglichkeit einer Weiterbeschäftigung aus betrieblichen Gründen voraus. Weder Wortlaut, Systematik noch Sinn und Zweck der Regelung enthalten Anhaltspunkte dafür, dass die Wirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der „neuen Gesellschaft“ den Anforderungen nach § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG entsprechen - und ggf. sogar einer gerichtlichen Prüfung unterzogen sein - muss. In einem solchen Verständnis hielte das Rückkehrrecht im Übrigen auch der Binnenschranke einer Verhältnismäßigkeitskontrolle nicht stand. Es handelte sich um eine dem Arbeitnehmer unzumutbare, mit § 75 Abs. 1 BetrVG unvereinbare Bedingung(vgl. BAG 22. November 2005 - 1 AZR 458/04 - Rn. 28, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 176 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 15; 22. Juli 2003 - 1 AZR 575/02 - zu III 1 der Gründe, BAGE 107, 100; zur Angemessenheitskontrolle einer einzelvertraglichen Wiedereinstellungszusage in vorformulierten Vertragsbedingungen vgl. BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 44 ff., AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2).

64

g) Die von der Beklagten geltend gemachte Unmöglichkeit einer Beschäftigung des Klägers zu den Konditionen des begehrten Arbeitsvertrags steht dem auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichteten Klageanspruch nicht entgegen. Mit Rechtskraft der den Vertrag begründenden Annahmeerklärung steht der Vertragsmindestinhalt fest; die Abgabe einer solchen Erklärung ist der Beklagten nicht unmöglich. Allenfalls der - in der Revisionsinstanz nicht (mehr) streitgegenständlichen - Beschäftigungsverpflichtung könnte die Beklagte mit dem Unmöglichkeitseinwand begegnen.

65

C. Die Kostenentscheidung beruht für die Zeit bis zur Rücknahme der Revision des Klägers auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 565 iVm. § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO, im Übrigen auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

    Schmidt    

        

        

        

    Günther Metzinger    

        

    Willms    

                 

(1) Der Arbeitgeber haftet

1.
für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat,
2.
für die Lohnsteuer, die er beim Lohnsteuer-Jahresausgleich zu Unrecht erstattet hat,
3.
für die Einkommensteuer (Lohnsteuer), die auf Grund fehlerhafter Angaben im Lohnkonto oder in der Lohnsteuerbescheinigung verkürzt wird,
4.
für die Lohnsteuer, die in den Fällen des § 38 Absatz 3a der Dritte zu übernehmen hat.

(2) Der Arbeitgeber haftet nicht, soweit Lohnsteuer nach § 39 Absatz 5 oder § 39a Absatz 5 nachzufordern ist und in den vom Arbeitgeber angezeigten Fällen des § 38 Absatz 4 Satz 2 und 3 und des § 41c Absatz 4.

(3)1Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner.2Das Betriebsstättenfinanzamt kann die Steuerschuld oder Haftungsschuld nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen.3Der Arbeitgeber kann auch dann in Anspruch genommen werden, wenn der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt wird.4Der Arbeitnehmer kann im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft nur in Anspruch genommen werden,

1.
wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten hat,
2.
wenn der Arbeitnehmer weiß, dass der Arbeitgeber die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig angemeldet hat.2Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer den Sachverhalt dem Finanzamt unverzüglich mitgeteilt hat.

(4)1Für die Inanspruchnahme des Arbeitgebers bedarf es keines Haftungsbescheids und keines Leistungsgebots, soweit der Arbeitgeber

1.
die einzubehaltende Lohnsteuer angemeldet hat oder
2.
nach Abschluss einer Lohnsteuer-Außenprüfung seine Zahlungsverpflichtung schriftlich anerkennt.
2Satz 1 gilt entsprechend für die Nachforderung zu übernehmender pauschaler Lohnsteuer.

(5) Von der Geltendmachung der Steuernachforderung oder Haftungsforderung ist abzusehen, wenn diese insgesamt 10 Euro nicht übersteigt.

(6)1Soweit einem Dritten (Entleiher) Arbeitnehmer im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995 (BGBl. I S. 158), das zuletzt durch Artikel 26 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854) geändert worden ist, zur Arbeitsleistung überlassen werden, haftet er mit Ausnahme der Fälle, in denen eine Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Absatz 3 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes vorliegt, neben dem Arbeitgeber.2Der Entleiher haftet nicht, wenn der Überlassung eine Erlaubnis nach § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zugrunde liegt und soweit er nachweist, dass er den nach § 51 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe d vorgesehenen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist.3Der Entleiher haftet ferner nicht, wenn er über das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung ohne Verschulden irrte.4Die Haftung beschränkt sich auf die Lohnsteuer für die Zeit, für die ihm der Arbeitnehmer überlassen worden ist.5Soweit die Haftung des Entleihers reicht, sind der Arbeitgeber, der Entleiher und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner.6Der Entleiher darf auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das inländische bewegliche Vermögen des Arbeitgebers fehlgeschlagen ist oder keinen Erfolg verspricht; § 219 Satz 2 der Abgabenordnung ist entsprechend anzuwenden.7Ist durch die Umstände der Arbeitnehmerüberlassung die Lohnsteuer schwer zu ermitteln, so ist die Haftungsschuld mit 15 Prozent des zwischen Verleiher und Entleiher vereinbarten Entgelts ohne Umsatzsteuer anzunehmen, solange der Entleiher nicht glaubhaft macht, dass die Lohnsteuer, für die er haftet, niedriger ist.8Die Absätze 1 bis 5 sind entsprechend anzuwenden.9Die Zuständigkeit des Finanzamts richtet sich nach dem Ort der Betriebsstätte des Verleihers.

(7) Soweit der Entleiher Arbeitgeber ist, haftet der Verleiher wie ein Entleiher nach Absatz 6.

(8)1Das Finanzamt kann hinsichtlich der Lohnsteuer der Leiharbeitnehmer anordnen, dass der Entleiher einen bestimmten Teil des mit dem Verleiher vereinbarten Entgelts einzubehalten und abzuführen hat, wenn dies zur Sicherung des Steueranspruchs notwendig ist; Absatz 6 Satz 4 ist anzuwenden.2Der Verwaltungsakt kann auch mündlich erlassen werden.3Die Höhe des einzubehaltenden und abzuführenden Teils des Entgelts bedarf keiner Begründung, wenn der in Absatz 6 Satz 7 genannte Prozentsatz nicht überschritten wird.

(9)1Der Arbeitgeber haftet auch dann, wenn ein Dritter nach § 38 Absatz 3a dessen Pflichten trägt.2In diesen Fällen haftet der Dritte neben dem Arbeitgeber.3Soweit die Haftung des Dritten reicht, sind der Arbeitgeber, der Dritte und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner.4Absatz 3 Satz 2 bis 4 ist anzuwenden; Absatz 4 gilt auch für die Inanspruchnahme des Dritten.5Im Fall des § 38 Absatz 3a Satz 2 beschränkt sich die Haftung des Dritten auf die Lohnsteuer, die für die Zeit zu erheben ist, für die er sich gegenüber dem Arbeitgeber zur Vornahme des Lohnsteuerabzugs verpflichtet hat; der maßgebende Zeitraum endet nicht, bevor der Dritte seinem Betriebsstättenfinanzamt die Beendigung seiner Verpflichtung gegenüber dem Arbeitgeber angezeigt hat.6In den Fällen des § 38 Absatz 3a Satz 7 ist als Haftungsschuld der Betrag zu ermitteln, um den die Lohnsteuer, die für den gesamten Arbeitslohn des Lohnzahlungszeitraums zu berechnen und einzubehalten ist, die insgesamt tatsächlich einbehaltene Lohnsteuer übersteigt.7Betrifft die Haftungsschuld mehrere Arbeitgeber, so ist sie bei fehlerhafter Lohnsteuerberechnung nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne und für nachträglich zu erfassende Arbeitslohnbeträge nach dem Verhältnis dieser Beträge auf die Arbeitgeber aufzuteilen.8In den Fällen des § 38 Absatz 3a ist das Betriebsstättenfinanzamt des Dritten für die Geltendmachung der Steuer- oder Haftungsschuld zuständig.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

Durch Betriebsvereinbarung können insbesondere geregelt werden

1.
zusätzliche Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Gesundheitsschädigungen;
1a.
Maßnahmen des betrieblichen Umweltschutzes;
2.
die Errichtung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
3.
Maßnahmen zur Förderung der Vermögensbildung;
4.
Maßnahmen zur Integration ausländischer Arbeitnehmer sowie zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb;
5.
Maßnahmen zur Eingliederung schwerbehinderter Menschen.

(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.

(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.

(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:

1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden;
2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte;
3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.

(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.

(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.

(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

1. Die Revisionen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 2. November 2009 - 7/5 Sa 842/09 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Revision haben der Kläger zu 95 % und die Beklagte zu 5 % zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine variable Erfolgsvergütung.

2

Der Kläger war seit Dezember 2006 bei der Beklagten als „Associate“ im Bereich Global Banking-Corporate Finance Group beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund seiner Kündigung am 31. Mai 2008.

3

Nach dem Arbeitsvertrag vom 3. Mai 2006 erhielt der Kläger ein Grundgehalt von 85.000,00 Euro, das in zwölf gleichen Monatsraten ausgezahlt wurde. Weiter heißt es in Nr. 4 des Arbeitsvertrags:

        

„Darüber hinaus erhält Herr L auf der Grundlage der jeweils gültigen Betriebsvereinbarung zum Bonussystem für außertarifliche Mitarbeiter als freiwillige variable Vergütung einen auf das Geschäftsjahr bezogenen Total Incentive Award, der pro rata temporis der Beschäftigung im Geschäftsjahr jeweils im Frühjahr des Folgejahres gewährt wird. Die Höhe des Total Incentive Award orientiert sich am geschäftlichen Ergebnis der Bank und des Einsatzbereiches sowie an der Leistung und der Verantwortung von Herrn L. Die Gewährung des Total Incentive Award steht unter der Bedingung des Bestehens eines ungekündigten Anstellungsverhältnisses am Auszahlungstag. …“

4

Der Vertragstext schließt mit einem Hinweis auf die Anwendbarkeit der für das Anstellungsverhältnis jeweils geltenden Betriebsvereinbarungen.

5

In der zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltenden Betriebsvereinbarung über die Ausgestaltung des Bonussystems für außertarifliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 18. März 2003 (BV Bonus) ist bestimmt:

        

Präambel

                 
        

… Durch die Weiterentwicklung des Bonussystems soll ein Teil der Gesamtvergütung unmittelbar leistungsorientiert erfolgen. Im Rahmen einer grundsätzlich marktorientierten Vergütung wird damit jedem Mitarbeiter die Chance geboten, individuell und leistungsbasiert Einkommenssteigerungen zu erreichen. …

                 
        

1.    

Allgemeine Bestimmungen

        

1.1.   

Geltungsbereich

                 

Diese Betriebsvereinbarung regelt die Grundsätze, Methoden sowie die Anwendung des Bonussystems für die außertariflichen Mitarbeiter der D AG in Deutschland. …

        

1.2.   

Ausgestaltung

        

1.2.1.

Grundsätze

                 

Grundlage einer marktgerechten Weiterentwicklung der Vergütung der außertariflichen Mitarbeiter ist eine Gesamtvergütung, die sich aus dem Grundgehalt und einem Total Incentive zusammensetzt, … Die Betriebsvereinbarung regelt den Teil des Total Incentive, der bar zur Auszahlung kommt (im Folgenden Bonus). …

                 

… In seiner Höhe ist der Bonus grundsätzlich von

                 

•       

den geschäftlichen Ergebnissen der Bank und

                 

•       

der persönlichen Leistung des Mitarbeiters

                 

abhängig.

6

Nach Nr. 2.1.1 BV Bonus ermittelt sich die Höhe des individuellen Bonus nach dem zugeteilten Bonuspool, der zugewiesenen Aufgabe bzw. Wertigkeit der Funktion sowie der Leistung der Mitarbeiter. Zur Bestimmung der Leistungsanforderung für den Mitarbeiter sind drei bis fünf Ziele zu vereinbaren (Nr. 2.2.1 BV Bonus), die schriftlich zu dokumentieren sind (Nr. 2.2.4 BV Bonus). Die Leistungsanforderung und der jeweilige Leistungsstand des Mitarbeiters sind Gegenstand eines regelmäßigen Feedback-Gesprächs des Vorgesetzten (Nr. 2.2.3 BV Bonus). Weiter heißt es in der BV Bonus:

        

„2.1.2.

Mindestbonus

                 

Die Mindesthöhe des festzusetzenden Bonus beträgt 10 % des jeweils aktuellen Grundgehaltes, …

        

…       

        
        

3.    

Bonusauszahlung

                 

Die Bonusauszahlung steht grundsätzlich unter der Bedingung des Bestehens eines ungekündigten Anstellungsverhältnisses am Auszahlungstag.

                 

Ausgenommen von diesem Grundsatz sind solche Fälle, in denen das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen beendet wird bzw. der tatsächliche Grund des Ausscheidens auf betriebsbedingten Gründen beruht, der Mitarbeiter aber eine Eigenkündigung vorzieht. In diesen Fällen erfolgt eine Leistungsbewertung rechtzeitig und ggf. unter Berücksichtigung der eingeschränkten Möglichkeiten des Mitarbeiters, die Leistungsbestandteile im vereinbarten Umfang zu erbringen. Die Festlegung der individuellen, anteiligen Bonushöhe sowie die Zahlung des Bonus erfolgt unmittelbar.

                 

Ebenfalls ausgenommen sind die Fälle, in denen das Anstellungsverhältnis aus folgenden Gründen beendet wird:

                 

• Pensionierung

                 

• Vorruhe- oder Wartestand

                 

• Erwerbsminderung

                 

• Tod.

                 

…       

                 

In Fällen eines unterjährigen Eintritts in den Geltungsbereich dieser Vereinbarung wird die Bonuszahlung pro rata temporis auf Basis eines zum Eintrittszeitpunkt in Aussicht gestellten Bonusbetrages bei Erfüllung der Leistungsanforderung und Erreichen des geplanten Ergebnisses vorgenommen.“

7

Die Bonuszahlung erfolgt bei der Beklagten jeweils zum 15. Februar des Folgejahres.

8

Der Kläger erhielt für das Geschäftsjahr 2007 einen Bonus in Höhe von 185.000,00 Euro. Für das Geschäftsjahr 2008 erhielt er keine Bonuszahlung. Mit ihm wurden - wie im Vorjahr - auch keine Leistungsanforderungen nach Maßgabe von Nr. 2.2 BV Bonus vereinbart.

9

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die in der Betriebsvereinbarung enthaltene Stichtagsregelung sei unwirksam, da sie eine unzulässige Kündigungserschwerung enthalte. Die Höhe des ihm für das Geschäftsjahr 2008 zustehenden Bonus könne er nicht darlegen, da ihm die maßgeblichen Einzelkriterien für die Berechnung der variablen Erfolgsvergütung nicht bekannt seien. Aus diesem Grund könne er die Zahlung eines anteiligen Bonus auf der Grundlage der für das Geschäftsjahr 2007 erhaltenen Zahlung verlangen.

10

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 77.083,33 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Februar 2009 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr in Höhe von 4.166,66 Euro entsprochen und im Übrigen die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richten sich die Revisionen beider Parteien, mit denen diese ihre ursprünglichen Anträge weiterverfolgen.

Entscheidungsgründe

13

Die von beiden Parteien eingelegten Revisionen sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klageforderung zutreffend lediglich in Höhe von 4.166,66 Euro entsprochen. Dem Kläger steht nach Nr. 4 des Arbeitsvertrags iVm. der Regelung in Nr. 2.1.2 Satz 1 BV Bonus für das Geschäftsjahr 2008 nur ein Anspruch auf Zahlung des anteiligen Mindestbonus zu. Dem steht die Stichtagsregelung in Nr. 3 Satz 1 BV Bonus nicht entgegen. Diese Bestimmung ist unwirksam.

14

1. Der Kläger kann nach dem Arbeitsvertrag vom 3. Mai 2006 für seine Arbeitsleistung im jeweiligen Geschäftsjahr die Zahlung einer durch Betriebsvereinbarung auszugestaltenden erfolgsabhängigen Vergütung verlangen.

15

a) Bei den von der Beklagten im Arbeitsvertrag vorformulierten Vertragsbedingungen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB, deren Auslegung durch das Berufungsgericht einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt(BAG 20. Januar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 12, AP BGB § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18).

16

b) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden nicht rechtskundigen Vertragspartners (BAG 19. März 2008 - 5 AZR 429/07 - Rn. 23, BAGE 126, 198). Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut (BAG 27. Juni 2010 - 3 AZR 777/08 - Rn. 21, AP BGB § 307 Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 48). Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, NZA 2011, 628).

17

c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts erschöpft sich die unter der Überschrift „Vergütung“ in Nr. 4 des Arbeitsvertrags enthaltene Vereinbarung nicht in einer bloßen Bezugnahme auf die BV Bonus in ihrer jeweiligen Fassung. Die Beklagte ist nach dem Arbeitsvertrag gegenüber dem Kläger zur Zahlung eines auf das Geschäftsjahr bezogenen Bonus verpflichtet, dessen Voraussetzungen sich nach den in einer Betriebsvereinbarung getroffenen Regelungen richten.

18

aa) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach eine Verweisung im Arbeitsvertrag auf die anwendbaren betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften im Zweifel deklaratorisch gemeint ist. Die Arbeitsvertragsparteien wollen in der Regel durch eine Bezugnahme auf ohnehin geltende kollektive Regelungen keinen eigenständigen individualvertraglichen Geltungsgrund für diese schaffen. Das Landesarbeitsgericht hat aber den Wortlaut des Arbeitsvertrags nur unvollständig berücksichtigt und übersehen, dass dieser bereits an anderer Stelle unter der Überschrift „Weitere Anstellungsbedingungen“ auf die Geltung der jeweils anzuwendenden Betriebsvereinbarungen verweist. Dies deutet bereits darauf hin, dass die Bezugnahme auf die „jeweils gültige Betriebsvereinbarung zum Bonussystem für außertarifliche Mitarbeiter“ in der arbeitsvertraglichen Vergütungsregelung gerade nicht als nur deklaratorische Verweisung auf eine für das Arbeitsverhältnis geltende kollektive Regelung angesehen werden kann.

19

bb) Für die Begründung eines Rechtsanspruchs auf die Zahlung des Bonus sprechen die im Arbeitsvertrag über die Bezüge des Klägers getroffenen weiteren Abreden. Danach besteht seine Vergütung aus einem Grundgehalt und einem auf das Geschäftsjahr bezogenen Total Incentive Award (Bonus). Das darin liegende Leistungsversprechen der Beklagten wird nicht durch den Vorbehalt, der Bonus werde auf der Grundlage der genannten Betriebsvereinbarung als „freiwillige variable Vergütung“ gezahlt, eingeschränkt. Diese Formulierung kann angesichts des weiteren Vertragsinhalts von einem nicht rechtskundigen Vertragspartner nicht als Ausschluss eines Rechtsanspruchs auf die Zahlung einer erfolgsabhängigen Vergütung verstanden werden. Dagegen spricht maßgeblich, dass der Kläger nach dem Wortlaut des Vertrags diesen Bonus „erhält“. Lediglich die Höhe der Bonuszahlung orientiert sich am Geschäftsergebnis der Beklagten und an dem Einsatzbereich sowie an der Leistung und der Verantwortung des Klägers.

20

cc) Dem entspricht der sich aus dem vertraglichen Gesamtzusammenhang ergebende Regelungszweck. Mit der Zahlung der in Nr. 4 des Arbeitsvertrags teilweise erfolgsabhängig ausgestalteten Vergütungsbestandteile sollte zugleich die Leistung der über die betriebsübliche Arbeitszeit hinausgehenden Arbeitszeit abgegolten sein. Unabhängig von der Wirksamkeit der letztgenannten Abrede (dazu BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 50) verdeutlicht diese Bestimmung, dass der Kläger die in Aussicht gestellte erfolgsabhängige Vergütung als Gegenleistung für seine erbrachte Arbeitsleistung beanspruchen können soll.

21

d) Damit ist der Bonus Teil der vertraglich vereinbarten Gesamtvergütung des Klägers, die er von der Beklagten nach § 611 Abs. 1 BGB als Gegenleistung für die im Geschäftsjahr erbrachte Arbeitsleistung erhält. Dem steht nicht entgegen, dass diese Leistung entsprechend der Formulierung im Arbeitsvertrag noch durch eine Betriebsvereinbarung ausgestaltet werden sollte. Dies stellt ihren Charakter als synallagmatischen Entgeltbestandteil nicht in Frage. Vielmehr verpflichtet eine solche Abrede den Arbeitgeber zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung, in der - ggf. durch Anrufung der Einigungsstelle - die weiteren Verteilungsgrundsätze sowie das Verfahren zur Bemessung der Zielerreichung zu bestimmen sind.

22

2. Die unzutreffende Auslegung des Arbeitsvertrags durch das Landesarbeitsgericht führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (§ 562 Abs. 1 ZPO). Einer hierauf gestützten Zurückverweisung (§ 563 Abs. 1 ZPO) bedarf es indes nicht, da sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen als zutreffend erweist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Kläger kann aufgrund der vertraglichen Vereinbarung lediglich den in Nr. 2.1.2 BV Bonus festgelegten Mindestbonus beanspruchen. Die weitergehende Klage ist unbegründet.

23

a) Der Kläger kann die Gewährung einer erfolgsabhängigen Vergütung nach der BV Bonus nicht auf der Grundlage der im Vorjahr erhaltenen Zahlung verlangen.

24

Nach Nr. 2.1.1 BV Bonus berechnet sich die Höhe des individuellen Bonus nach dem zugeteilten Bonuspool, der zugewiesenen Aufgabe bzw. Wertigkeit der Funktion und der Leistung der Mitarbeiter. Zu diesen Einzelparametern hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger keinen Vortrag gehalten. Entgegen seiner Auffassung bestehen für den auf Zahlung einer erfolgsabhängigen Vergütung gerichteten Erfüllungsanspruch keine Erleichterungen bei der Darlegungslast, weil die Beklagte es versäumt hat, die in der BV Bonus bestimmten Voraussetzungen für die Bonusgewährung zu schaffen. Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass mit dem Kläger entgegen dem in der BV Bonus vorgesehenen Verfahren für das Geschäftsjahr 2008 keine Ziele vereinbart wurden oder Feedback-Gespräche mit seinen Vorgesetzten stattgefunden haben. Die Nichterfüllung der dem Arbeitgeber im Rahmen eines erfolgsabhängigen Vergütungsmodells obliegenden Pflichten kann aber nur zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen der entgangenen Vergütung gemäß § 280 Abs. 1, Abs. 3, § 283 Satz 1, § 252 BGB führen, der jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.

25

b) Der Kläger kann nur die Zahlung des anteiligen Mindestbonus (Nr. 2.1.2 BV Bonus) in rechnerisch unstreitiger Höhe von 4.166,66 Euro verlangen. Die in Nr. 3 Satz 1 BV Bonus enthaltene Stichtagsregelung, wonach die Bonusauszahlung grundsätzlich unter der Bedingung des Bestehens eines ungekündigten Anstellungsverhältnisses am Auszahlungstag steht, ist unwirksam. Sie ist mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Kläger bereits nach dem Arbeitsvertrag einen unbedingten Bonusanspruch hat.

26

aa) Nach Nr. 3 Satz 1 BV Bonus steht die Bonuszahlung grundsätzlich unter der Bedingung eines ungekündigten Anstellungsverhältnisses am Auszahlungstag. Damit haben die Betriebsparteien die Gewährung des Bonus von dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über das Geschäftsjahr hinaus abhängig gemacht. Dies beruht auf dem Interesse der Beklagten, eine Eigenkündigung zu verhindern oder zumindest zu erschweren. Der Arbeitnehmer soll durch den möglichen Verlust einer versprochenen Leistung davon abgehalten werden, seinen Arbeitsplatz aufzugeben und zu einem anderen Arbeitgeber zu wechseln.

27

bb) Die in Nr. 3 Satz 1 BV Bonus enthaltene Stichtagsregelung unterfällt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG. Sie betrifft weder einen Verteilungsgrundsatz nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG noch regelt sie die Auszahlung des Arbeitsentgelts nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG. Dieser Mitbestimmungstatbestand erfasst die Umstände bei der Auszahlung des Arbeitsentgelts (Wiese GK-BetrVG 9. Aufl. § 87 Rn. 426; Fitting 25. Aufl. § 87 Rn. 179). Dazu gehören die Voraussetzungen, unter denen der Entgeltanspruch untergeht, nicht.

28

cc) Die Betriebsparteien konnten den in der BV Bonus begründeten Anspruch auf eine variable Erfolgsvergütung nicht vom Bestehen eines ungekündigten Anstellungsverhältnisses am Auszahlungstag abhängig machen. § 88 BetrVG erlaubt den damit verbundenen Entzug verdienten Arbeitsentgelts nicht. Die hierdurch bewirkte Beschränkung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Arbeitsplatzwahlfreiheit des Arbeitnehmers erweist sich zudem als unverhältnismäßig.

29

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die Betriebsparteien durch Betriebsvereinbarungen Regelungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen treffen. Das Betriebsverfassungsgesetz geht nach seiner Konzeption von einer grundsätzlich umfassenden Kompetenz der Betriebsparteien zur Regelung materieller und formeller Arbeitsbedingungen aus (grundlegend BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 der Gründe, BAGE 63, 211). Dies folgt insbesondere aus § 77 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BetrVG. Zwar dient diese Regelung in erster Linie der Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie. Zugleich zeigt sie aber, dass der Gesetzgeber dort, wo die Tarifvertragsparteien ihre Befugnis zur Regelung von Arbeitsbedingungen nicht wahrnehmen oder den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen zulassen, von einer Regelungskompetenz der Betriebsparteien ausgeht. Hierfür spricht ferner, dass freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG nicht auf die dort ausdrücklich genannten Gegenstände beschränkt sind, sondern, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt, auch über andere Gegenstände möglich sein sollen(BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 14, BAGE 120, 308).

30

(2) Allerdings unterliegt die aus § 88 BetrVG folgende Regelungsbefugnis der Betriebsparteien Binnenschranken. Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB findet zwar bei Betriebsvereinbarungen keine Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB statt. Doch sind die Betriebsparteien beim Abschluss ihrer Vereinbarungen gemäß § 75 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BetrVG an die Grundsätze von Recht und Billigkeit gebunden und damit auch zur Wahrung der grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte verpflichtet. Dazu gehört die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Arbeitnehmer.

31

(3) Die von den Betriebsparteien zu wahrenden Grundsätze des Rechts erstrecken sich auf die geltende Rechtsordnung, die das Arbeitsverhältnis gestaltet und auf dieses einwirkt (ErfK/Kania 11. Aufl. § 75 BetrVG Rn. 5; Fitting § 75 Rn. 25). Dazu zählt auch § 611 Abs. 1 BGB, nach dem der Arbeitgeber zur Erbringung der vereinbarten Gegenleistung verpflichtet ist, soweit der vorleistungsverpflichtete Arbeitnehmer seinerseits die ihm obliegende Arbeitsleistung erbracht hat. Die Auszahlung verdienten Entgelts ist daher nicht von der Erfüllung weiterer Zwecke abhängig (MüArbR/Krause 3. Aufl. Bd. 1 § 54 Rn. 14). Diese gesetzliche Wertung bindet auch die Betriebsparteien.

32

(a) Bei der in der BV Bonus geregelten erfolgsabhängigen Vergütung handelt es sich um Arbeitsentgelt, das vom Arbeitnehmer durch die Erbringung einer Arbeitsleistung im Bezugszeitraum verdient wird und dessen Höhe von der Erreichung der mit ihm vereinbarten Ziele abhängt. Dies folgt aus dem Wortlaut und der Regelungssystematik der BV Bonus.

33

(aa) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 874/08 - Rn. 31, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 212 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 23).

34

(bb) Für den ausschließlichen Entgeltcharakter der in der BV Bonus geregelten erfolgsabhängigen Vergütung spricht schon der Wortlaut der ihr vorangestellten Präambel, wonach ein Teil der Gesamtvergütung unmittelbar leistungsbezogen erfolgen soll. Dabei gehen die Betriebsparteien davon aus, dass sich die Gesamtvergütung aus dem Grundgehalt und einem unmittelbar leistungsorientierten Total-Incentive-Gehaltsbestandteil zusammensetzt, dessen Höhe ua. von der persönlichen Leistung des Mitarbeiters abhängt (Nr. 1.2.1 BV Bonus). Hierfür spricht auch die Regelungssystematik. Nach den in Nr. 2.1.1 BV Bonus festgelegten Einzelparametern bestimmt sich die individuelle Bonusfestsetzung nach dem zugeteilten Bonuspool, der zugewiesenen Aufgabe bzw. Wertigkeit der Funktion sowie der Leistung der Mitarbeiter. Diese wird nach näherer Maßgabe von Nr. 2.2 BV Bonus festgelegt und bewertet. Auf Basis der Leistungsbewertung erfolgt dann die Zuteilung des individuellen Bonus (Nr. 2.2.5 BV Bonus).

35

(b) Solche Vergütungsbestandteile, die vom Erreichen von persönlichen Zielen und dem Unternehmenserfolg abhängen, sind keine anlass- oder stichtagsbezogenen Sonderzuwendungen des Arbeitgebers, sondern unmittelbare Gegenleistung für eine vom Arbeitnehmer zu erbringende Leistung, die dieser als Arbeitsentgelt für den vereinbarten Zeitraum erhält (Schaub/Linck 13. Aufl. ArbR-Hdb. § 77 Rn. 6; ähnl. ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 504). Für Sonderzuwendungen, mit denen sich der Arbeitgeber zB an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen der Arbeitnehmer beteiligt oder mit denen eine vergangenheits- sowie zukunftsbezogene Betriebstreue honoriert werden soll, ist kennzeichnend, dass diese ohne Bezug zu einer Vereinbarung über die Qualität oder die Quantität der individuellen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbracht werden. Demgegenüber bezweckt eine erfolgsabhängige Vergütung gerade eine Leistungssteigerung des Arbeitnehmers durch die Förderung seiner Motivation (BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 25, BAGE 125, 147). Sie dient - je nach Ausgestaltung der Zielvereinbarung - entweder als besonderer Anreiz für die Erreichung des vertraglich festgelegten Leistungsziels oder allgemein der Erzielung von überdurchschnittlichen Arbeitsergebnissen im Bezugszeitraum. Ein in dieser Weise ausgestalteter Vergütungsbestandteil wird daher als Gegenleistung für die gemäß der Zielvereinbarung erbrachte Arbeitsleistung geschuldet (BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 48, aaO; BSG 23. März 2006 - B 11a AL 29/05 R - SozR 4-4300 § 183 Nr. 6). Diese synallagmatische Verbindung wird nicht durch die Abhängigkeit der Höhe der variablen Erfolgsvergütung von einem Unternehmensergebnis im maßgeblichen Bezugszeitraum in Frage gestellt. Denn auch Leistungen, die an den Unternehmenserfolg geknüpft sind (wie zB Tantiemen, Gewinnbeteiligungen), werden regelmäßig als zusätzliche Vergütung für eine im Geschäftsjahr erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gezahlt (vgl. BAG 8. September 1998 - 9 AZR 273/97 - zu II 3 a der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 214 = EzA BGB § 611 Tantieme Nr. 2).

36

(c) Der Anspruch auf die variable Erfolgsvergütung nach der BV Bonus entsteht mit Ablauf des monatlichen Leistungszeitraums. Sie wird in den einzelnen Monaten anteilig verdient, jedoch aufgespart und am vereinbarten Fälligkeitstag ausgezahlt (vgl. BAG 21. April 2010 - 10 AZR 178/09 - Rn. 14, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 45). Dies folgt aus ihrer Einbindung in das vertragliche Synallagma und der Regelung in Nr. 3 BV Bonus für die dort bestimmten Fälle des vorzeitigen Ausscheidens und des unterjährigen Eintritts. In diesen haben die Betriebsparteien die Zahlung eines anteiligen Bonus ebenso wie bei einem unterjährigem Eintritt „pro rata temporis“ festgelegt.

37

(d) Entstandene Ansprüche auf Arbeitsentgelt für eine bereits erbrachte Arbeitsleistung können von den Betriebsparteien nicht unter die auflösende Bedingung des Bestehens eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag nach Ablauf des Leistungszeitraums gestellt werden.

38

Nach § 611 Abs. 1 BGB ist der Arbeitgeber als Dienstgeber zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Der Arbeitnehmer soll über die vom Arbeitgeber versprochene Gegenleistung disponieren und seine Lebensgestaltung daran ausrichten können, wenn er seinerseits die geschuldete Leistung vollständig erbracht hat. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die eigentliche Grundvergütung, sondern auch für besondere Entgeltbestandteile, die gleichermaßen in das Synallagma eingebundene Leistungen darstellen (BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - Rn. 20, BAGE 122, 182). Hierfür ist es auch unerheblich, ob der Vergütungsanspruch monatlich entsteht, an längere Abrechnungszeiträume gebunden ist oder die Arbeitsleistung von einem bestimmten Leistungserfolg abhängig ist. Ein gesetzlicher Ausnahmetatbestand, der vorsieht, dass der Arbeitnehmer die durch seine Arbeit verdiente Gegenleistung nur behalten darf, wenn er über den Zeitraum hinaus, in dem das Arbeitsentgelt verdient worden ist, dem Unternehmen angehört, existiert nicht. Diese Wertungen haben auch die Betriebsparteien nach § 75 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG bei ihrer Rechtssetzung zu beachten, wenn sie eine Regelung über Vergütungsbestandteile treffen, die von einer Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abhängig sind. Die Stichtagsregelung in Nr. 3 Satz 1 BV Bonus wird dem nicht gerecht. Sie entspricht in ihrer Wirkung einer auflösenden Bedingung, durch die dem vorleistungspflichtigen Kläger der Anspruch auf die Gegenleistung rückwirkend entzogen wird, wenn dieser vor dem Auszahlungstag des Bonus sein Arbeitsverhältnis selbst kündigt.

39

(e) Darüber hinaus ist die in der Stichtagsregelung enthaltene auflösende Bedingung auch deswegen unwirksam, weil sie die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers übermäßig beschränkt. Sie hält der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht stand.

40

(aa) Die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers nach Art. 12 Abs. 1 GG schützt mit der Freiheit der Arbeitsplatzwahl auch den Entschluss des einzelnen Arbeitnehmers, an welcher Stelle er dem gewählten Beruf nachgehen möchte. Dies umfasst seine Entscheidung, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in einem gewählten Beruf beizubehalten oder aufzugeben (BVerfG 24. April 1991 - 1 BvR 1341/90 - zu C III 1 der Gründe, BVerfGE 84, 133). In dieses Freiheitsrecht dürfen die Betriebsparteien nicht in unverhältnismäßiger Weise eingreifen. Daher muss eine die Arbeitsplatzwahlfreiheit beschränkende Regelung geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Geeignet ist die Regelung, wenn mit ihrer Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann. Erforderlich ist sie, wenn kein anderes, gleich wirksames, aber die Berufsfreiheit weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht. Angemessen ist sie, wenn sie verhältnismäßig im engeren Sinn erscheint. Es bedarf hier einer Gesamtabwägung zwischen der Intensität des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe; die Grenze der Zumutbarkeit darf nicht überschritten werden (BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 24, BAGE 120, 308).

41

(bb) Nach Nr. 3 Satz 1 BV Bonus kommt die am Ende des Geschäftsjahres verdiente variable Erfolgsvergütung nicht zur Auszahlung, wenn der Arbeitnehmer zwar bis zum Ende des Geschäftsjahres in einem Anstellungsverhältnis steht, dieses aber bis zum Auszahlungstag selbst gekündigt hat. Eine solche Regelung bewirkt der Sache nach, dass die Beklagte keine Vergütung für die vom Kläger nach Maßgabe der Zielvereinbarung geleisteten Dienste erbringen muss. Sie dient damit ihrem Interesse, einen Arbeitnehmer über das Ende des Geschäftsjahres bis zum Auszahlungstag an der selbst gewählten Aufgabe seines Arbeitsverhältnisses zu hindern. Dies wird durch die Nr. 3 Satz 5 BV Bonus zugrunde liegende Gruppenbildung verdeutlicht. Danach erhalten Beschäftigte, die ua. durch Erreichen der Altersgrenze, Vorruhestand oder Erwerbsminderung ausscheiden, den Bonus im Austrittsjahr zeitanteilig, obwohl es an einem bestehenden Arbeitsverhältnis am Auszahlungstag fehlt und sie durch ihre Arbeitsleistung wegen ihres unterjährigen Ausscheidens nur für einen Teil des Geschäftsjahres zum wirtschaftlichen Ergebnis der Beklagten beitragen. Ebenso behalten nach Nr. 3 Satz 2 BV Bonus Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis bis zum Auszahlungszeitpunkt aus betriebsbedingten Gründen beendet wird, den Anspruch auf die variable Erfolgsvergütung. Eine solche Regelung begünstigt Arbeitnehmer, die zwar zum Auszahlungstag nicht mehr in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen, für deren Weiterbeschäftigung es aber an einem betrieblichen Interesse der Beklagten fehlt. Auch dies lässt erkennen, dass es den Betriebsparteien bei der in Nr. 3 Satz 1 BV Bonus enthaltenen Stichtagsregelung vor allem darum geht, Arbeitnehmer von einem Leistungsbezug auszuschließen, die eine Eigenkündigung ausgesprochen haben und bei denen die damit verbundene Beendigung der Vertragsbeziehung und der hierdurch ermöglichte Arbeitgeberwechsel den Interessen der Beklagten widerspricht.

42

(cc) Die Stichtagsregelung in Nr. 3 Satz 1 BV Bonus ist zwar grundsätzlich geeignet, einen Anreiz zu schaffen, den Arbeitnehmer zu veranlassen, eine an sich statthafte Kündigungsmöglichkeit auszuschlagen und noch einen weiteren Zeitraum im Unternehmen zu verbleiben. Es kann auch zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass eine solche Regelung erforderlich ist, weil ihr kein anderes, gleich wirksames, aber die Berufsfreiheit des betroffenen Arbeitnehmers weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht, um diesen an der Arbeitsplatzaufgabe zu hindern.

43

Die Vorenthaltung einer bereits verdienten Arbeitsvergütung ist aber stets ein unangemessenes Mittel, die selbstbestimmte Arbeitsplatzaufgabe zu verzögern oder zu verhindern. Mit ihr sind Belastungen für den Arbeitnehmer verbunden, die unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen eines Arbeitgebers nicht zu rechtfertigen sind. Die BV Bonus betrifft typischerweise einen Personenkreis, dessen Kündigungsfrist abweichend von § 622 Abs. 2 BGB für beide Vertragsparteien verlängert ist. Im Fall des Klägers beträgt die Kündigungsfrist drei Monate zum Schluss des Kalenderhalbjahres (Nr. 14 Arbeitsvertrag). Um entsprechend der Regelungen der BV Bonus die Auszahlung der variablen Erfolgsvergütung beanspruchen zu können, führt das zu einer Bindung bis zum Ablauf des 30. Juni des folgenden Geschäftsjahres, um die bereits im vorangegangenen Geschäftsjahr verdiente variable Erfolgsvergütung nicht zu verlieren. Für die durch die Stichtagsregelung bewirkte Bindung - auch soweit ihr lediglich die in § 622 Abs. 2 BGB geregelten Kündigungsfristen zugrunde liegen - erbringt die Beklagte keine gesonderte Leistung. Vielmehr wird jene ausschließlich durch die Auszahlung von Entgelt honoriert, das der Kläger durch das Erreichen der mit ihm vereinbarten Ziele bereits im vorangegangenen Geschäftsjahr verdient hat. Der Kläger kann bei einem unterjährigen Ausscheiden im folgenden Geschäftsjahr für seine Arbeitsleistung keinen anteiligen Bonus beanspruchen. Die damit verbundene Beschränkung der Arbeitsplatzwahlfreiheit berücksichtigt daher völlig einseitig die Interessen der Beklagten am Verbleib des Klägers und ihr Bedürfnis, einen aus ihrer Sicht unerwünschten Wechsel, ggf. zu einem Wettbewerber, zumindest zu verzögern oder gar zu verhindern. Die damit einhergehenden Belastungen für den Kläger, der letztlich auf verdientes Entgelt verzichten muss, um einen in seinem Interesse liegenden Arbeitsplatzwechsel unter Einhaltung der vereinbarten oder der gesetzlichen Kündigungsfristen vornehmen zu können, sind angesichts eines Interesses der Beklagten an der Einhaltung von Betriebstreue, ohne hierfür eigene Aufwendungen erbringen zu müssen, unverhältnismäßig.

44

c) Danach kann der Kläger trotz der fehlenden Darlegung der Voraussetzungen für einen individuellen Bonus aufgrund der in Nr. 4 des Arbeitsvertrags enthaltenen Vereinbarung zumindest den in Nr. 2.1.2 BV Bonus festgelegten Mindestbonus beanspruchen. Für dessen Gewährung ist die Einhaltung des in Nr. 2 BV Bonus geregelten Verfahrens über die Festlegung des individuellen Bonus keine Anspruchsvoraussetzung. Bei der Höhe des Mindestbonus hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei die anteilige Beschäftigungszeit des Klägers bis zum 31. Mai 2008 berücksichtigt. Hiergegen wendet sich die Revision der Beklagten auch nicht.

45

3. Auf die in den Vorinstanzen von den Parteien nicht erörterte Frage, ob die von den Betriebsparteien in Nr. 3 Satz 2 und Satz 5 BV Bonus vorgenommene Gruppenbildung für den Leistungsausschluss des Arbeitnehmers den Anforderungen des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 75 Abs. 1 BetrVG) genügt, kommt es danach nicht mehr an. Ebenso wenig war zu entscheiden, ob eine unbedingte vertragliche Bonuszusage als günstigere Regelung die Stichtagsregelung in der BV Bonus hätte verdrängen können.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Wisskirchen    

        

    H. Schwitzer    

                 

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

1. Die Revisionen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 2. November 2009 - 7/5 Sa 842/09 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Revision haben der Kläger zu 95 % und die Beklagte zu 5 % zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine variable Erfolgsvergütung.

2

Der Kläger war seit Dezember 2006 bei der Beklagten als „Associate“ im Bereich Global Banking-Corporate Finance Group beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund seiner Kündigung am 31. Mai 2008.

3

Nach dem Arbeitsvertrag vom 3. Mai 2006 erhielt der Kläger ein Grundgehalt von 85.000,00 Euro, das in zwölf gleichen Monatsraten ausgezahlt wurde. Weiter heißt es in Nr. 4 des Arbeitsvertrags:

        

„Darüber hinaus erhält Herr L auf der Grundlage der jeweils gültigen Betriebsvereinbarung zum Bonussystem für außertarifliche Mitarbeiter als freiwillige variable Vergütung einen auf das Geschäftsjahr bezogenen Total Incentive Award, der pro rata temporis der Beschäftigung im Geschäftsjahr jeweils im Frühjahr des Folgejahres gewährt wird. Die Höhe des Total Incentive Award orientiert sich am geschäftlichen Ergebnis der Bank und des Einsatzbereiches sowie an der Leistung und der Verantwortung von Herrn L. Die Gewährung des Total Incentive Award steht unter der Bedingung des Bestehens eines ungekündigten Anstellungsverhältnisses am Auszahlungstag. …“

4

Der Vertragstext schließt mit einem Hinweis auf die Anwendbarkeit der für das Anstellungsverhältnis jeweils geltenden Betriebsvereinbarungen.

5

In der zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltenden Betriebsvereinbarung über die Ausgestaltung des Bonussystems für außertarifliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 18. März 2003 (BV Bonus) ist bestimmt:

        

Präambel

                 
        

… Durch die Weiterentwicklung des Bonussystems soll ein Teil der Gesamtvergütung unmittelbar leistungsorientiert erfolgen. Im Rahmen einer grundsätzlich marktorientierten Vergütung wird damit jedem Mitarbeiter die Chance geboten, individuell und leistungsbasiert Einkommenssteigerungen zu erreichen. …

                 
        

1.    

Allgemeine Bestimmungen

        

1.1.   

Geltungsbereich

                 

Diese Betriebsvereinbarung regelt die Grundsätze, Methoden sowie die Anwendung des Bonussystems für die außertariflichen Mitarbeiter der D AG in Deutschland. …

        

1.2.   

Ausgestaltung

        

1.2.1.

Grundsätze

                 

Grundlage einer marktgerechten Weiterentwicklung der Vergütung der außertariflichen Mitarbeiter ist eine Gesamtvergütung, die sich aus dem Grundgehalt und einem Total Incentive zusammensetzt, … Die Betriebsvereinbarung regelt den Teil des Total Incentive, der bar zur Auszahlung kommt (im Folgenden Bonus). …

                 

… In seiner Höhe ist der Bonus grundsätzlich von

                 

•       

den geschäftlichen Ergebnissen der Bank und

                 

•       

der persönlichen Leistung des Mitarbeiters

                 

abhängig.

6

Nach Nr. 2.1.1 BV Bonus ermittelt sich die Höhe des individuellen Bonus nach dem zugeteilten Bonuspool, der zugewiesenen Aufgabe bzw. Wertigkeit der Funktion sowie der Leistung der Mitarbeiter. Zur Bestimmung der Leistungsanforderung für den Mitarbeiter sind drei bis fünf Ziele zu vereinbaren (Nr. 2.2.1 BV Bonus), die schriftlich zu dokumentieren sind (Nr. 2.2.4 BV Bonus). Die Leistungsanforderung und der jeweilige Leistungsstand des Mitarbeiters sind Gegenstand eines regelmäßigen Feedback-Gesprächs des Vorgesetzten (Nr. 2.2.3 BV Bonus). Weiter heißt es in der BV Bonus:

        

„2.1.2.

Mindestbonus

                 

Die Mindesthöhe des festzusetzenden Bonus beträgt 10 % des jeweils aktuellen Grundgehaltes, …

        

…       

        
        

3.    

Bonusauszahlung

                 

Die Bonusauszahlung steht grundsätzlich unter der Bedingung des Bestehens eines ungekündigten Anstellungsverhältnisses am Auszahlungstag.

                 

Ausgenommen von diesem Grundsatz sind solche Fälle, in denen das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen beendet wird bzw. der tatsächliche Grund des Ausscheidens auf betriebsbedingten Gründen beruht, der Mitarbeiter aber eine Eigenkündigung vorzieht. In diesen Fällen erfolgt eine Leistungsbewertung rechtzeitig und ggf. unter Berücksichtigung der eingeschränkten Möglichkeiten des Mitarbeiters, die Leistungsbestandteile im vereinbarten Umfang zu erbringen. Die Festlegung der individuellen, anteiligen Bonushöhe sowie die Zahlung des Bonus erfolgt unmittelbar.

                 

Ebenfalls ausgenommen sind die Fälle, in denen das Anstellungsverhältnis aus folgenden Gründen beendet wird:

                 

• Pensionierung

                 

• Vorruhe- oder Wartestand

                 

• Erwerbsminderung

                 

• Tod.

                 

…       

                 

In Fällen eines unterjährigen Eintritts in den Geltungsbereich dieser Vereinbarung wird die Bonuszahlung pro rata temporis auf Basis eines zum Eintrittszeitpunkt in Aussicht gestellten Bonusbetrages bei Erfüllung der Leistungsanforderung und Erreichen des geplanten Ergebnisses vorgenommen.“

7

Die Bonuszahlung erfolgt bei der Beklagten jeweils zum 15. Februar des Folgejahres.

8

Der Kläger erhielt für das Geschäftsjahr 2007 einen Bonus in Höhe von 185.000,00 Euro. Für das Geschäftsjahr 2008 erhielt er keine Bonuszahlung. Mit ihm wurden - wie im Vorjahr - auch keine Leistungsanforderungen nach Maßgabe von Nr. 2.2 BV Bonus vereinbart.

9

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die in der Betriebsvereinbarung enthaltene Stichtagsregelung sei unwirksam, da sie eine unzulässige Kündigungserschwerung enthalte. Die Höhe des ihm für das Geschäftsjahr 2008 zustehenden Bonus könne er nicht darlegen, da ihm die maßgeblichen Einzelkriterien für die Berechnung der variablen Erfolgsvergütung nicht bekannt seien. Aus diesem Grund könne er die Zahlung eines anteiligen Bonus auf der Grundlage der für das Geschäftsjahr 2007 erhaltenen Zahlung verlangen.

10

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 77.083,33 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Februar 2009 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr in Höhe von 4.166,66 Euro entsprochen und im Übrigen die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richten sich die Revisionen beider Parteien, mit denen diese ihre ursprünglichen Anträge weiterverfolgen.

Entscheidungsgründe

13

Die von beiden Parteien eingelegten Revisionen sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klageforderung zutreffend lediglich in Höhe von 4.166,66 Euro entsprochen. Dem Kläger steht nach Nr. 4 des Arbeitsvertrags iVm. der Regelung in Nr. 2.1.2 Satz 1 BV Bonus für das Geschäftsjahr 2008 nur ein Anspruch auf Zahlung des anteiligen Mindestbonus zu. Dem steht die Stichtagsregelung in Nr. 3 Satz 1 BV Bonus nicht entgegen. Diese Bestimmung ist unwirksam.

14

1. Der Kläger kann nach dem Arbeitsvertrag vom 3. Mai 2006 für seine Arbeitsleistung im jeweiligen Geschäftsjahr die Zahlung einer durch Betriebsvereinbarung auszugestaltenden erfolgsabhängigen Vergütung verlangen.

15

a) Bei den von der Beklagten im Arbeitsvertrag vorformulierten Vertragsbedingungen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB, deren Auslegung durch das Berufungsgericht einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt(BAG 20. Januar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 12, AP BGB § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18).

16

b) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden nicht rechtskundigen Vertragspartners (BAG 19. März 2008 - 5 AZR 429/07 - Rn. 23, BAGE 126, 198). Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut (BAG 27. Juni 2010 - 3 AZR 777/08 - Rn. 21, AP BGB § 307 Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 48). Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, NZA 2011, 628).

17

c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts erschöpft sich die unter der Überschrift „Vergütung“ in Nr. 4 des Arbeitsvertrags enthaltene Vereinbarung nicht in einer bloßen Bezugnahme auf die BV Bonus in ihrer jeweiligen Fassung. Die Beklagte ist nach dem Arbeitsvertrag gegenüber dem Kläger zur Zahlung eines auf das Geschäftsjahr bezogenen Bonus verpflichtet, dessen Voraussetzungen sich nach den in einer Betriebsvereinbarung getroffenen Regelungen richten.

18

aa) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach eine Verweisung im Arbeitsvertrag auf die anwendbaren betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften im Zweifel deklaratorisch gemeint ist. Die Arbeitsvertragsparteien wollen in der Regel durch eine Bezugnahme auf ohnehin geltende kollektive Regelungen keinen eigenständigen individualvertraglichen Geltungsgrund für diese schaffen. Das Landesarbeitsgericht hat aber den Wortlaut des Arbeitsvertrags nur unvollständig berücksichtigt und übersehen, dass dieser bereits an anderer Stelle unter der Überschrift „Weitere Anstellungsbedingungen“ auf die Geltung der jeweils anzuwendenden Betriebsvereinbarungen verweist. Dies deutet bereits darauf hin, dass die Bezugnahme auf die „jeweils gültige Betriebsvereinbarung zum Bonussystem für außertarifliche Mitarbeiter“ in der arbeitsvertraglichen Vergütungsregelung gerade nicht als nur deklaratorische Verweisung auf eine für das Arbeitsverhältnis geltende kollektive Regelung angesehen werden kann.

19

bb) Für die Begründung eines Rechtsanspruchs auf die Zahlung des Bonus sprechen die im Arbeitsvertrag über die Bezüge des Klägers getroffenen weiteren Abreden. Danach besteht seine Vergütung aus einem Grundgehalt und einem auf das Geschäftsjahr bezogenen Total Incentive Award (Bonus). Das darin liegende Leistungsversprechen der Beklagten wird nicht durch den Vorbehalt, der Bonus werde auf der Grundlage der genannten Betriebsvereinbarung als „freiwillige variable Vergütung“ gezahlt, eingeschränkt. Diese Formulierung kann angesichts des weiteren Vertragsinhalts von einem nicht rechtskundigen Vertragspartner nicht als Ausschluss eines Rechtsanspruchs auf die Zahlung einer erfolgsabhängigen Vergütung verstanden werden. Dagegen spricht maßgeblich, dass der Kläger nach dem Wortlaut des Vertrags diesen Bonus „erhält“. Lediglich die Höhe der Bonuszahlung orientiert sich am Geschäftsergebnis der Beklagten und an dem Einsatzbereich sowie an der Leistung und der Verantwortung des Klägers.

20

cc) Dem entspricht der sich aus dem vertraglichen Gesamtzusammenhang ergebende Regelungszweck. Mit der Zahlung der in Nr. 4 des Arbeitsvertrags teilweise erfolgsabhängig ausgestalteten Vergütungsbestandteile sollte zugleich die Leistung der über die betriebsübliche Arbeitszeit hinausgehenden Arbeitszeit abgegolten sein. Unabhängig von der Wirksamkeit der letztgenannten Abrede (dazu BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 50) verdeutlicht diese Bestimmung, dass der Kläger die in Aussicht gestellte erfolgsabhängige Vergütung als Gegenleistung für seine erbrachte Arbeitsleistung beanspruchen können soll.

21

d) Damit ist der Bonus Teil der vertraglich vereinbarten Gesamtvergütung des Klägers, die er von der Beklagten nach § 611 Abs. 1 BGB als Gegenleistung für die im Geschäftsjahr erbrachte Arbeitsleistung erhält. Dem steht nicht entgegen, dass diese Leistung entsprechend der Formulierung im Arbeitsvertrag noch durch eine Betriebsvereinbarung ausgestaltet werden sollte. Dies stellt ihren Charakter als synallagmatischen Entgeltbestandteil nicht in Frage. Vielmehr verpflichtet eine solche Abrede den Arbeitgeber zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung, in der - ggf. durch Anrufung der Einigungsstelle - die weiteren Verteilungsgrundsätze sowie das Verfahren zur Bemessung der Zielerreichung zu bestimmen sind.

22

2. Die unzutreffende Auslegung des Arbeitsvertrags durch das Landesarbeitsgericht führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (§ 562 Abs. 1 ZPO). Einer hierauf gestützten Zurückverweisung (§ 563 Abs. 1 ZPO) bedarf es indes nicht, da sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen als zutreffend erweist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Kläger kann aufgrund der vertraglichen Vereinbarung lediglich den in Nr. 2.1.2 BV Bonus festgelegten Mindestbonus beanspruchen. Die weitergehende Klage ist unbegründet.

23

a) Der Kläger kann die Gewährung einer erfolgsabhängigen Vergütung nach der BV Bonus nicht auf der Grundlage der im Vorjahr erhaltenen Zahlung verlangen.

24

Nach Nr. 2.1.1 BV Bonus berechnet sich die Höhe des individuellen Bonus nach dem zugeteilten Bonuspool, der zugewiesenen Aufgabe bzw. Wertigkeit der Funktion und der Leistung der Mitarbeiter. Zu diesen Einzelparametern hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger keinen Vortrag gehalten. Entgegen seiner Auffassung bestehen für den auf Zahlung einer erfolgsabhängigen Vergütung gerichteten Erfüllungsanspruch keine Erleichterungen bei der Darlegungslast, weil die Beklagte es versäumt hat, die in der BV Bonus bestimmten Voraussetzungen für die Bonusgewährung zu schaffen. Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass mit dem Kläger entgegen dem in der BV Bonus vorgesehenen Verfahren für das Geschäftsjahr 2008 keine Ziele vereinbart wurden oder Feedback-Gespräche mit seinen Vorgesetzten stattgefunden haben. Die Nichterfüllung der dem Arbeitgeber im Rahmen eines erfolgsabhängigen Vergütungsmodells obliegenden Pflichten kann aber nur zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen der entgangenen Vergütung gemäß § 280 Abs. 1, Abs. 3, § 283 Satz 1, § 252 BGB führen, der jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.

25

b) Der Kläger kann nur die Zahlung des anteiligen Mindestbonus (Nr. 2.1.2 BV Bonus) in rechnerisch unstreitiger Höhe von 4.166,66 Euro verlangen. Die in Nr. 3 Satz 1 BV Bonus enthaltene Stichtagsregelung, wonach die Bonusauszahlung grundsätzlich unter der Bedingung des Bestehens eines ungekündigten Anstellungsverhältnisses am Auszahlungstag steht, ist unwirksam. Sie ist mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Kläger bereits nach dem Arbeitsvertrag einen unbedingten Bonusanspruch hat.

26

aa) Nach Nr. 3 Satz 1 BV Bonus steht die Bonuszahlung grundsätzlich unter der Bedingung eines ungekündigten Anstellungsverhältnisses am Auszahlungstag. Damit haben die Betriebsparteien die Gewährung des Bonus von dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über das Geschäftsjahr hinaus abhängig gemacht. Dies beruht auf dem Interesse der Beklagten, eine Eigenkündigung zu verhindern oder zumindest zu erschweren. Der Arbeitnehmer soll durch den möglichen Verlust einer versprochenen Leistung davon abgehalten werden, seinen Arbeitsplatz aufzugeben und zu einem anderen Arbeitgeber zu wechseln.

27

bb) Die in Nr. 3 Satz 1 BV Bonus enthaltene Stichtagsregelung unterfällt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG. Sie betrifft weder einen Verteilungsgrundsatz nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG noch regelt sie die Auszahlung des Arbeitsentgelts nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG. Dieser Mitbestimmungstatbestand erfasst die Umstände bei der Auszahlung des Arbeitsentgelts (Wiese GK-BetrVG 9. Aufl. § 87 Rn. 426; Fitting 25. Aufl. § 87 Rn. 179). Dazu gehören die Voraussetzungen, unter denen der Entgeltanspruch untergeht, nicht.

28

cc) Die Betriebsparteien konnten den in der BV Bonus begründeten Anspruch auf eine variable Erfolgsvergütung nicht vom Bestehen eines ungekündigten Anstellungsverhältnisses am Auszahlungstag abhängig machen. § 88 BetrVG erlaubt den damit verbundenen Entzug verdienten Arbeitsentgelts nicht. Die hierdurch bewirkte Beschränkung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Arbeitsplatzwahlfreiheit des Arbeitnehmers erweist sich zudem als unverhältnismäßig.

29

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die Betriebsparteien durch Betriebsvereinbarungen Regelungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen treffen. Das Betriebsverfassungsgesetz geht nach seiner Konzeption von einer grundsätzlich umfassenden Kompetenz der Betriebsparteien zur Regelung materieller und formeller Arbeitsbedingungen aus (grundlegend BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 der Gründe, BAGE 63, 211). Dies folgt insbesondere aus § 77 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BetrVG. Zwar dient diese Regelung in erster Linie der Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie. Zugleich zeigt sie aber, dass der Gesetzgeber dort, wo die Tarifvertragsparteien ihre Befugnis zur Regelung von Arbeitsbedingungen nicht wahrnehmen oder den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen zulassen, von einer Regelungskompetenz der Betriebsparteien ausgeht. Hierfür spricht ferner, dass freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG nicht auf die dort ausdrücklich genannten Gegenstände beschränkt sind, sondern, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt, auch über andere Gegenstände möglich sein sollen(BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 14, BAGE 120, 308).

30

(2) Allerdings unterliegt die aus § 88 BetrVG folgende Regelungsbefugnis der Betriebsparteien Binnenschranken. Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB findet zwar bei Betriebsvereinbarungen keine Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB statt. Doch sind die Betriebsparteien beim Abschluss ihrer Vereinbarungen gemäß § 75 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BetrVG an die Grundsätze von Recht und Billigkeit gebunden und damit auch zur Wahrung der grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte verpflichtet. Dazu gehört die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Arbeitnehmer.

31

(3) Die von den Betriebsparteien zu wahrenden Grundsätze des Rechts erstrecken sich auf die geltende Rechtsordnung, die das Arbeitsverhältnis gestaltet und auf dieses einwirkt (ErfK/Kania 11. Aufl. § 75 BetrVG Rn. 5; Fitting § 75 Rn. 25). Dazu zählt auch § 611 Abs. 1 BGB, nach dem der Arbeitgeber zur Erbringung der vereinbarten Gegenleistung verpflichtet ist, soweit der vorleistungsverpflichtete Arbeitnehmer seinerseits die ihm obliegende Arbeitsleistung erbracht hat. Die Auszahlung verdienten Entgelts ist daher nicht von der Erfüllung weiterer Zwecke abhängig (MüArbR/Krause 3. Aufl. Bd. 1 § 54 Rn. 14). Diese gesetzliche Wertung bindet auch die Betriebsparteien.

32

(a) Bei der in der BV Bonus geregelten erfolgsabhängigen Vergütung handelt es sich um Arbeitsentgelt, das vom Arbeitnehmer durch die Erbringung einer Arbeitsleistung im Bezugszeitraum verdient wird und dessen Höhe von der Erreichung der mit ihm vereinbarten Ziele abhängt. Dies folgt aus dem Wortlaut und der Regelungssystematik der BV Bonus.

33

(aa) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 874/08 - Rn. 31, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 212 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 23).

34

(bb) Für den ausschließlichen Entgeltcharakter der in der BV Bonus geregelten erfolgsabhängigen Vergütung spricht schon der Wortlaut der ihr vorangestellten Präambel, wonach ein Teil der Gesamtvergütung unmittelbar leistungsbezogen erfolgen soll. Dabei gehen die Betriebsparteien davon aus, dass sich die Gesamtvergütung aus dem Grundgehalt und einem unmittelbar leistungsorientierten Total-Incentive-Gehaltsbestandteil zusammensetzt, dessen Höhe ua. von der persönlichen Leistung des Mitarbeiters abhängt (Nr. 1.2.1 BV Bonus). Hierfür spricht auch die Regelungssystematik. Nach den in Nr. 2.1.1 BV Bonus festgelegten Einzelparametern bestimmt sich die individuelle Bonusfestsetzung nach dem zugeteilten Bonuspool, der zugewiesenen Aufgabe bzw. Wertigkeit der Funktion sowie der Leistung der Mitarbeiter. Diese wird nach näherer Maßgabe von Nr. 2.2 BV Bonus festgelegt und bewertet. Auf Basis der Leistungsbewertung erfolgt dann die Zuteilung des individuellen Bonus (Nr. 2.2.5 BV Bonus).

35

(b) Solche Vergütungsbestandteile, die vom Erreichen von persönlichen Zielen und dem Unternehmenserfolg abhängen, sind keine anlass- oder stichtagsbezogenen Sonderzuwendungen des Arbeitgebers, sondern unmittelbare Gegenleistung für eine vom Arbeitnehmer zu erbringende Leistung, die dieser als Arbeitsentgelt für den vereinbarten Zeitraum erhält (Schaub/Linck 13. Aufl. ArbR-Hdb. § 77 Rn. 6; ähnl. ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 504). Für Sonderzuwendungen, mit denen sich der Arbeitgeber zB an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen der Arbeitnehmer beteiligt oder mit denen eine vergangenheits- sowie zukunftsbezogene Betriebstreue honoriert werden soll, ist kennzeichnend, dass diese ohne Bezug zu einer Vereinbarung über die Qualität oder die Quantität der individuellen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbracht werden. Demgegenüber bezweckt eine erfolgsabhängige Vergütung gerade eine Leistungssteigerung des Arbeitnehmers durch die Förderung seiner Motivation (BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 25, BAGE 125, 147). Sie dient - je nach Ausgestaltung der Zielvereinbarung - entweder als besonderer Anreiz für die Erreichung des vertraglich festgelegten Leistungsziels oder allgemein der Erzielung von überdurchschnittlichen Arbeitsergebnissen im Bezugszeitraum. Ein in dieser Weise ausgestalteter Vergütungsbestandteil wird daher als Gegenleistung für die gemäß der Zielvereinbarung erbrachte Arbeitsleistung geschuldet (BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 48, aaO; BSG 23. März 2006 - B 11a AL 29/05 R - SozR 4-4300 § 183 Nr. 6). Diese synallagmatische Verbindung wird nicht durch die Abhängigkeit der Höhe der variablen Erfolgsvergütung von einem Unternehmensergebnis im maßgeblichen Bezugszeitraum in Frage gestellt. Denn auch Leistungen, die an den Unternehmenserfolg geknüpft sind (wie zB Tantiemen, Gewinnbeteiligungen), werden regelmäßig als zusätzliche Vergütung für eine im Geschäftsjahr erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gezahlt (vgl. BAG 8. September 1998 - 9 AZR 273/97 - zu II 3 a der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 214 = EzA BGB § 611 Tantieme Nr. 2).

36

(c) Der Anspruch auf die variable Erfolgsvergütung nach der BV Bonus entsteht mit Ablauf des monatlichen Leistungszeitraums. Sie wird in den einzelnen Monaten anteilig verdient, jedoch aufgespart und am vereinbarten Fälligkeitstag ausgezahlt (vgl. BAG 21. April 2010 - 10 AZR 178/09 - Rn. 14, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 45). Dies folgt aus ihrer Einbindung in das vertragliche Synallagma und der Regelung in Nr. 3 BV Bonus für die dort bestimmten Fälle des vorzeitigen Ausscheidens und des unterjährigen Eintritts. In diesen haben die Betriebsparteien die Zahlung eines anteiligen Bonus ebenso wie bei einem unterjährigem Eintritt „pro rata temporis“ festgelegt.

37

(d) Entstandene Ansprüche auf Arbeitsentgelt für eine bereits erbrachte Arbeitsleistung können von den Betriebsparteien nicht unter die auflösende Bedingung des Bestehens eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag nach Ablauf des Leistungszeitraums gestellt werden.

38

Nach § 611 Abs. 1 BGB ist der Arbeitgeber als Dienstgeber zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Der Arbeitnehmer soll über die vom Arbeitgeber versprochene Gegenleistung disponieren und seine Lebensgestaltung daran ausrichten können, wenn er seinerseits die geschuldete Leistung vollständig erbracht hat. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die eigentliche Grundvergütung, sondern auch für besondere Entgeltbestandteile, die gleichermaßen in das Synallagma eingebundene Leistungen darstellen (BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - Rn. 20, BAGE 122, 182). Hierfür ist es auch unerheblich, ob der Vergütungsanspruch monatlich entsteht, an längere Abrechnungszeiträume gebunden ist oder die Arbeitsleistung von einem bestimmten Leistungserfolg abhängig ist. Ein gesetzlicher Ausnahmetatbestand, der vorsieht, dass der Arbeitnehmer die durch seine Arbeit verdiente Gegenleistung nur behalten darf, wenn er über den Zeitraum hinaus, in dem das Arbeitsentgelt verdient worden ist, dem Unternehmen angehört, existiert nicht. Diese Wertungen haben auch die Betriebsparteien nach § 75 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG bei ihrer Rechtssetzung zu beachten, wenn sie eine Regelung über Vergütungsbestandteile treffen, die von einer Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abhängig sind. Die Stichtagsregelung in Nr. 3 Satz 1 BV Bonus wird dem nicht gerecht. Sie entspricht in ihrer Wirkung einer auflösenden Bedingung, durch die dem vorleistungspflichtigen Kläger der Anspruch auf die Gegenleistung rückwirkend entzogen wird, wenn dieser vor dem Auszahlungstag des Bonus sein Arbeitsverhältnis selbst kündigt.

39

(e) Darüber hinaus ist die in der Stichtagsregelung enthaltene auflösende Bedingung auch deswegen unwirksam, weil sie die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers übermäßig beschränkt. Sie hält der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht stand.

40

(aa) Die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers nach Art. 12 Abs. 1 GG schützt mit der Freiheit der Arbeitsplatzwahl auch den Entschluss des einzelnen Arbeitnehmers, an welcher Stelle er dem gewählten Beruf nachgehen möchte. Dies umfasst seine Entscheidung, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in einem gewählten Beruf beizubehalten oder aufzugeben (BVerfG 24. April 1991 - 1 BvR 1341/90 - zu C III 1 der Gründe, BVerfGE 84, 133). In dieses Freiheitsrecht dürfen die Betriebsparteien nicht in unverhältnismäßiger Weise eingreifen. Daher muss eine die Arbeitsplatzwahlfreiheit beschränkende Regelung geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Geeignet ist die Regelung, wenn mit ihrer Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann. Erforderlich ist sie, wenn kein anderes, gleich wirksames, aber die Berufsfreiheit weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht. Angemessen ist sie, wenn sie verhältnismäßig im engeren Sinn erscheint. Es bedarf hier einer Gesamtabwägung zwischen der Intensität des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe; die Grenze der Zumutbarkeit darf nicht überschritten werden (BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 24, BAGE 120, 308).

41

(bb) Nach Nr. 3 Satz 1 BV Bonus kommt die am Ende des Geschäftsjahres verdiente variable Erfolgsvergütung nicht zur Auszahlung, wenn der Arbeitnehmer zwar bis zum Ende des Geschäftsjahres in einem Anstellungsverhältnis steht, dieses aber bis zum Auszahlungstag selbst gekündigt hat. Eine solche Regelung bewirkt der Sache nach, dass die Beklagte keine Vergütung für die vom Kläger nach Maßgabe der Zielvereinbarung geleisteten Dienste erbringen muss. Sie dient damit ihrem Interesse, einen Arbeitnehmer über das Ende des Geschäftsjahres bis zum Auszahlungstag an der selbst gewählten Aufgabe seines Arbeitsverhältnisses zu hindern. Dies wird durch die Nr. 3 Satz 5 BV Bonus zugrunde liegende Gruppenbildung verdeutlicht. Danach erhalten Beschäftigte, die ua. durch Erreichen der Altersgrenze, Vorruhestand oder Erwerbsminderung ausscheiden, den Bonus im Austrittsjahr zeitanteilig, obwohl es an einem bestehenden Arbeitsverhältnis am Auszahlungstag fehlt und sie durch ihre Arbeitsleistung wegen ihres unterjährigen Ausscheidens nur für einen Teil des Geschäftsjahres zum wirtschaftlichen Ergebnis der Beklagten beitragen. Ebenso behalten nach Nr. 3 Satz 2 BV Bonus Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis bis zum Auszahlungszeitpunkt aus betriebsbedingten Gründen beendet wird, den Anspruch auf die variable Erfolgsvergütung. Eine solche Regelung begünstigt Arbeitnehmer, die zwar zum Auszahlungstag nicht mehr in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen, für deren Weiterbeschäftigung es aber an einem betrieblichen Interesse der Beklagten fehlt. Auch dies lässt erkennen, dass es den Betriebsparteien bei der in Nr. 3 Satz 1 BV Bonus enthaltenen Stichtagsregelung vor allem darum geht, Arbeitnehmer von einem Leistungsbezug auszuschließen, die eine Eigenkündigung ausgesprochen haben und bei denen die damit verbundene Beendigung der Vertragsbeziehung und der hierdurch ermöglichte Arbeitgeberwechsel den Interessen der Beklagten widerspricht.

42

(cc) Die Stichtagsregelung in Nr. 3 Satz 1 BV Bonus ist zwar grundsätzlich geeignet, einen Anreiz zu schaffen, den Arbeitnehmer zu veranlassen, eine an sich statthafte Kündigungsmöglichkeit auszuschlagen und noch einen weiteren Zeitraum im Unternehmen zu verbleiben. Es kann auch zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass eine solche Regelung erforderlich ist, weil ihr kein anderes, gleich wirksames, aber die Berufsfreiheit des betroffenen Arbeitnehmers weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht, um diesen an der Arbeitsplatzaufgabe zu hindern.

43

Die Vorenthaltung einer bereits verdienten Arbeitsvergütung ist aber stets ein unangemessenes Mittel, die selbstbestimmte Arbeitsplatzaufgabe zu verzögern oder zu verhindern. Mit ihr sind Belastungen für den Arbeitnehmer verbunden, die unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen eines Arbeitgebers nicht zu rechtfertigen sind. Die BV Bonus betrifft typischerweise einen Personenkreis, dessen Kündigungsfrist abweichend von § 622 Abs. 2 BGB für beide Vertragsparteien verlängert ist. Im Fall des Klägers beträgt die Kündigungsfrist drei Monate zum Schluss des Kalenderhalbjahres (Nr. 14 Arbeitsvertrag). Um entsprechend der Regelungen der BV Bonus die Auszahlung der variablen Erfolgsvergütung beanspruchen zu können, führt das zu einer Bindung bis zum Ablauf des 30. Juni des folgenden Geschäftsjahres, um die bereits im vorangegangenen Geschäftsjahr verdiente variable Erfolgsvergütung nicht zu verlieren. Für die durch die Stichtagsregelung bewirkte Bindung - auch soweit ihr lediglich die in § 622 Abs. 2 BGB geregelten Kündigungsfristen zugrunde liegen - erbringt die Beklagte keine gesonderte Leistung. Vielmehr wird jene ausschließlich durch die Auszahlung von Entgelt honoriert, das der Kläger durch das Erreichen der mit ihm vereinbarten Ziele bereits im vorangegangenen Geschäftsjahr verdient hat. Der Kläger kann bei einem unterjährigen Ausscheiden im folgenden Geschäftsjahr für seine Arbeitsleistung keinen anteiligen Bonus beanspruchen. Die damit verbundene Beschränkung der Arbeitsplatzwahlfreiheit berücksichtigt daher völlig einseitig die Interessen der Beklagten am Verbleib des Klägers und ihr Bedürfnis, einen aus ihrer Sicht unerwünschten Wechsel, ggf. zu einem Wettbewerber, zumindest zu verzögern oder gar zu verhindern. Die damit einhergehenden Belastungen für den Kläger, der letztlich auf verdientes Entgelt verzichten muss, um einen in seinem Interesse liegenden Arbeitsplatzwechsel unter Einhaltung der vereinbarten oder der gesetzlichen Kündigungsfristen vornehmen zu können, sind angesichts eines Interesses der Beklagten an der Einhaltung von Betriebstreue, ohne hierfür eigene Aufwendungen erbringen zu müssen, unverhältnismäßig.

44

c) Danach kann der Kläger trotz der fehlenden Darlegung der Voraussetzungen für einen individuellen Bonus aufgrund der in Nr. 4 des Arbeitsvertrags enthaltenen Vereinbarung zumindest den in Nr. 2.1.2 BV Bonus festgelegten Mindestbonus beanspruchen. Für dessen Gewährung ist die Einhaltung des in Nr. 2 BV Bonus geregelten Verfahrens über die Festlegung des individuellen Bonus keine Anspruchsvoraussetzung. Bei der Höhe des Mindestbonus hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei die anteilige Beschäftigungszeit des Klägers bis zum 31. Mai 2008 berücksichtigt. Hiergegen wendet sich die Revision der Beklagten auch nicht.

45

3. Auf die in den Vorinstanzen von den Parteien nicht erörterte Frage, ob die von den Betriebsparteien in Nr. 3 Satz 2 und Satz 5 BV Bonus vorgenommene Gruppenbildung für den Leistungsausschluss des Arbeitnehmers den Anforderungen des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 75 Abs. 1 BetrVG) genügt, kommt es danach nicht mehr an. Ebenso wenig war zu entscheiden, ob eine unbedingte vertragliche Bonuszusage als günstigere Regelung die Stichtagsregelung in der BV Bonus hätte verdrängen können.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Wisskirchen    

        

    H. Schwitzer    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 28. April 2009 - 17 Sa 1522/08 - teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. September 2008 - 1 Ca 3987/08 - teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst:

Die Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an den Kläger 18.304,00 Euro nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2008 zu zahlen.

3. Im Übrigen werden die Revision und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine variable Erfolgsvergütung.

2

Der Kläger war seit August 1999 bei der beklagten Bank zuletzt als Firmenkundenbetreuer beschäftigt. Er kündigte das Arbeitsverhältnis mit der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende zum Ablauf des 30. Juni 2008. Aufgrund einer anschließend getroffenen Aufhebungsvereinbarung schied der Kläger zum Ende des Geschäftsjahres 2007/2008 am 31. März 2008 aus.

3

Nach § 3 des Arbeitsvertrags vom 6. März 2001 erhielt der Kläger ein Festgehalt von 8.000,00 DM sowie ein 13. Monatsgehalt, das bei Eintritt bzw. Austritt im laufenden Kalenderjahr zeitanteilig zu zahlen war. Weiter heißt es in § 3 des Arbeitsvertrags:

        

Variable Erfolgsvergütung (VE)

        

Die nach Beendigung eines Geschäftsjahres von der Bank an Sie auszuzahlende variable Erfolgsvergütung erfolgt gemäß der entsprechenden Betriebsvereinbarung auf der Grundlage einer individuell festgelegten Zielgröße (Ziel-VE). In Ihrem Falle setzten wir für das erste volle Geschäftsjahr Ihrer Tätigkeit eine Ziel-VE in Höhe von DM 7.200,-- … brutto fest. ...

        

Abgeltung/Ausschluß

        

Mit der Zahlung der vereinbarten Bezüge ist die Leistung von Mehrarbeit abgegolten. …“

4

Die zwischen dem Gesamtbetriebsrat und dem Vorstand abgeschlossene Betriebsvereinbarung „Variable Erfolgsvergütung“ vom 20. Februar 2001 (BV VE) lautet:

        

„Präambel

        

…       

        

Mit dieser neuen VE-Regelung wird die Ausrichtung aller Aktivitäten auf die geschäftspolitischen Ziele verstärkt, eine nachhaltige adäquate Risiko- und Qualitätssteuerung erreicht und der vernetzte Vertrieb forciert. Wir erwarten hierdurch eine Mobilisierung aller Potentiale der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter … dadurch, dass hervorragende Leistungen auch entsprechend honoriert werden können. …

        

§ 2     

Ziel-VE

                 

Grundlage der variablen Erfolgsvergütung ist eine individuelle Ziel-VE, die jedem Mitarbeiter im voraus genannt wird. …

                 

…       

                 

Die Ist-VE wird jeweils mit den Bezügen für den Monat Juli ausgezahlt, wenn der Mitarbeiter die mit ihm vereinbarten Ziele erreicht und der Geschäftsverlauf der Bank - bezogen auf die Ergebnisplanung - den Erwartungen entspricht.“

5

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 BV VE vereinbaren die Führungskraft und der Mitarbeiter für das anstehende Geschäftsjahr drei bis fünf Ziele, die quantitative und qualitative Zielgrößen aus den in der BV VE genannten Zielbereichen abdecken sollen. Die erfolgsabhängige Vergütung (Ist-VE) ergibt sich aus der Multiplikation der individuellen Ziel-VE, einem aufgrund der individuellen Zielerreichung festgesetzten Leistungsfaktor sowie dem Ergebnisfaktor, der sich nach einer von der Beklagten zu bestimmenden „Performance des Konzerns“ errechnet.

6

Weiter heißt es in der BV VE:

        

§ 8   

Ausnahmen

                 

Eine Ist-VE kommt nicht zur Auszahlung, wenn der Mitarbeiter unterjährig durch Kündigung ausscheidet oder bis zum Auszahlungstag das Arbeitsverhältnis gekündigt wird. Bei Austritt durch Erreichen der Altersgrenze oder Vorruhestand sowie bei Mutterschutz-/Erziehungsurlaub und Erwerbsunfähigkeit kommt die Ist-VE pro rata temporis zur Auszahlung.

                 

…       

                 

In Fällen eines unterjährigen Eintritts erfolgt die Zahlung der Ist-VE pro rata temporis entsprechend der persönlichen Zielerreichung.“

7

Nach einer Bezügemitteilung vom 12. Juni 2007 betrug das monatliche Fixgehalt des Klägers 6.160,00 Euro brutto sowie die Ziel-VE für das Geschäftsjahr 2007/2008 16.000,00 Euro brutto. Der Kläger, der im Geschäftsjahr 2007/2008 einen Leistungsfaktor von 1,43 erreichte, verlangte von der Beklagten die Zahlung einer variablen Erfolgsvergütung iHv. 22.880,00 Euro, was diese unter Hinweis auf § 8 Abs. 1 BV VE ablehnte.

8

Mit seiner am 14. Juli 2008 zugestellten Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass sich ein Anspruch auf die variable Erfolgsvergütung für das Geschäftsjahr 2007/2008 bereits aus dem Arbeitsvertrag ergebe. Der in § 8 Abs. 1 BV VE enthaltene Anspruchsausschluss sei unwirksam. Die Vorschrift enthalte eine überraschende Klausel und stelle darüber hinaus eine unangemessene Benachteiligung der durch Kündigung ausscheidenden Arbeitnehmer dar. Angesichts seiner individuellen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende bewirke die Vorschrift eine unzulässige Kündigungserschwernis. § 8 Abs. 1 BV VE verstoße zudem gegen § 75 Abs. 1 BetrVG; bei der erfolgsabhängigen Vergütung handele es sich um Entgelt im engeren Sinne, das der Disposition der Betriebsparteien entzogen sei.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 22.880,00 Euro brutto nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat behauptet, der Ergebnisfaktor sei wegen des schlechten Betriebsergebnisses nur auf 0,8 festgesetzt worden, sodass dem Kläger allenfalls 18.304,00 Euro zustünden.

11

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision des Klägers ist überwiegend begründet. Der Kläger hat Anspruch auf eine variable Erfolgsvergütung für das Geschäftsjahr 2007/2008 iHv. 18.304,00 Euro.

13

I. Der Anspruch auf die Zahlung der variablen Erfolgsvergütung folgt aus § 2 BV VE.

14

1. Nach dieser Vorschrift ist Grundlage der variablen Erfolgsvergütung die von der Beklagten mitzuteilende Ziel-VE, die mit dem individuellen Leistungsfaktor (§ 5 BV VE) und dem vom Unternehmenserfolg abhängigen Ergebnisfaktor (§ 6 BV VE) zu multiplizieren ist. Entsprechend dem unstreitigen Parteivorbringen errechnet sich die variable Erfolgsvergütung des Klägers ausgehend von der im Schreiben vom 12. Juni 2007 mitgeteilten individuellen Ziel-VE von 16.000,00 Euro sowie einem Leistungsfaktor von 1,43 und dem Ergebnisfaktor für das Geschäftsjahr 2007/2008 von 0,8 mit 18.304,00 Euro. Ein weitergehender, auf der Grundlage eines Ergebnisfaktors von 1,0 zu errechnender Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Dieser ist dem Vortrag der Beklagten, wonach der Ergebnisfaktor in diesem Geschäftsjahr wegen ihrer schwierigen wirtschaftlichen Lage lediglich 0,8 betragen hat, zuletzt nicht mehr entgegengetreten, sodass diese Tatsache nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.

15

2. Die in § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BV VE enthaltene Stichtagsregelung, wonach eine variable Erfolgsvergütung nicht zur Auszahlung kommt, wenn das Arbeitsverhältnis bis zum Auszahlungstag gekündigt wird, steht dem Anspruch nicht entgegen. Diese Regelung ist mit höherrangigem Recht nicht vereinbar.

16

a) § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BV VE bestimmt, dass die variable Erfolgsvergütung an solche Arbeitnehmer nicht ausgezahlt wird, die im laufenden Geschäftsjahr unterjährig durch Kündigung ausscheiden. Hingegen erfasst der 2. Halbs. nur Arbeitsverhältnisse, die durch den Arbeitnehmer zwischen dem Ende des Geschäftsjahres bis zum Auszahlungstag gekündigt werden. Die Verwendung des Passivs „gekündigt wird“ lässt zwar offen, von welcher Arbeitsvertragspartei die Kündigung ausgeht. Doch sprechen die Regelungssystematik sowie das darin zum Ausdruck kommende Interesse der Beklagten, eine Eigenkündigung zu verhindern oder zumindest zu erschweren, dafür, dass die Betriebsparteien die Stichtagsregelung nur an eine vom Arbeitnehmer ausgesprochene Kündigung knüpfen wollten und eine solche des Arbeitgebers als auszahlungsunschädlich betrachten.

17

b) Die in § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BV VE enthaltene Stichtagsregelung unterfällt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG. Sie betrifft weder einen Verteilungsgrundsatz nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG noch regelt sie die Auszahlung des Arbeitsentgelts nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG. Dieser Mitbestimmungstatbestand erfasst die Umstände bei der Auszahlung des Arbeitsentgelts (Wiese GK-BetrVG 9. Aufl. § 87 Rn. 426; Fitting 25. Aufl. § 87 Rn. 179). Dazu gehören die Voraussetzungen, unter denen der Entgeltanspruch untergeht, nicht.

18

c) Die Betriebsparteien konnten den in der BV VE begründeten Anspruch auf eine variable Erfolgsvergütung nicht vom Bestehen eines vom Arbeitnehmer ungekündigten Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag abhängig machen. § 88 BetrVG erlaubt den damit verbundenen Entzug verdienten Arbeitsentgelts nicht. Darüber hinaus erweist sich die hierdurch bewirkte Beschränkung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Arbeitsplatzwahlfreiheit des Arbeitnehmers als unverhältnismäßig.

19

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die Betriebsparteien durch Betriebsvereinbarungen Regelungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen treffen. Das Betriebsverfassungsgesetz geht nach seiner Konzeption von einer grundsätzlich umfassenden Kompetenz der Betriebsparteien zur Regelung materieller und formeller Arbeitsbedingungen aus (grundlegend BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 der Gründe, BAGE 63, 211). Dies folgt insbesondere aus § 77 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BetrVG. Zwar dient diese Regelung in erster Linie der Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie. Zugleich zeigt sie aber, dass der Gesetzgeber dort, wo die Tarifvertragsparteien ihre Befugnis zur Regelung von Arbeitsbedingungen nicht wahrnehmen oder den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen zulassen, von einer Regelungskompetenz der Betriebsparteien ausgeht. Hierfür spricht ferner, dass freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG nicht auf die dort ausdrücklich genannten Gegenstände beschränkt sind, sondern, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt, auch über andere Gegenstände möglich sein sollen(BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 14, BAGE 120, 308).

20

bb) Allerdings unterliegt die aus § 88 BetrVG folgende Regelungsbefugnis der Betriebsparteien Binnenschranken. Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB findet zwar bei Betriebsvereinbarungen keine Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB statt. Doch sind die Betriebsparteien beim Abschluss ihrer Vereinbarungen gemäß § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG an die Grundsätze von Recht und Billigkeit gebunden und damit auch zur Wahrung der grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte verpflichtet. Dazu gehört die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Arbeitnehmer.

21

cc) Die von den Betriebsparteien zu wahrenden Grundsätze des Rechts erstrecken sich auf die geltende Rechtsordnung, die das Arbeitsverhältnis gestaltet und auf dieses einwirkt (ErfK/Kania 11. Aufl. § 75 BetrVG Rn. 5; Fitting § 75 Rn. 25). Dazu zählt auch § 611 Abs. 1 BGB, nach dem der Arbeitgeber zur Erbringung der vereinbarten Gegenleistung verpflichtet ist, soweit der vorleistungsverpflichtete Arbeitnehmer seinerseits die ihm obliegende Arbeitsleistung erbracht hat. Die Auszahlung verdienten Entgelts ist daher nicht von der Erfüllung weiterer Zwecke abhängig (MüArbR/Krause 3. Aufl. Bd. 1 § 54 Rn. 14). Diese gesetzliche Wertung bindet auch die Betriebsparteien.

22

(1) Bei der in der BV VE geregelten erfolgsabhängigen Vergütung handelt es sich um Arbeitsentgelt, das vom Arbeitnehmer durch die Erbringung einer Arbeitsleistung im Bezugszeitraum verdient wird und dessen Höhe von der Erreichung der mit ihm vereinbarten Ziele abhängt. Dies folgt aus dem Wortlaut und der Regelungssystematik der BV VE.

23

(a) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 874/08 - Rn. 31, EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 23).

24

(b) Für den ausschließlichen Entgeltcharakter der in der BV VE geregelten erfolgsabhängigen Vergütung spricht schon der Wortlaut der ihr vorangestellten Präambel. Danach haben die Betriebsparteien mit dem Abschluss der BV VE die Erwartung verbunden, alle Potentiale der Mitarbeiter dadurch zu mobilisieren, dass hervorragende Leistungen auch entsprechend honoriert werden. Auch aus der Regelungssystematik folgt, dass die erfolgsabhängige Vergütung eine Gegenleistung des Arbeitgebers für die Erreichung der mit den Mitarbeitern vereinbarten Ziele ist. So hängt die Höhe der variablen Erfolgsvergütung ua. von der persönlichen Arbeitsleistung der Mitarbeiter im jeweiligen Geschäftsjahr ab. Nach den § 2 BV VE zugrunde liegenden Einzelparametern bestimmt sich die Zahlung nach einer individuellen Ziel-VE, einem Leistungsfaktor sowie dem Ergebnisfaktor, der sich nach dem wirtschaftlichen Erfolg der Beklagten in dem jeweils maßgeblichen Geschäftsjahr richtet. Der Leistungsfaktor ist Ausdruck der individuellen Leistung des Mitarbeiters gemessen am Zielerreichungsgrad der mit ihm persönlich vereinbarten Ziele (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BV VE). Er bemisst sich nach einer zwischen den Arbeitsvertragsparteien abzuschließenden Zielvereinbarung und nicht nach der einseitigen Festlegung von Zielen, die von der Beklagten in Ausübung ihres Direktionsrechts einseitig bestimmt werden können. Die Vereinbarung der Ziele erfolgt unter Berücksichtigung der persönlichen Leistungsmöglichkeiten des Mitarbeiters (§ 4 Abs. 2 Satz 1 BV VE).

25

(2) Solche Vergütungsbestandteile, die vom Erreichen von persönlichen Zielen und dem Unternehmenserfolg abhängen, sind keine anlass- oder stichtagsbezogenen Sonderzuwendungen des Arbeitgebers, sondern unmittelbare Gegenleistung für eine vom Arbeitnehmer zu erbringende Leistung, die dieser als Arbeitsentgelt für den vereinbarten Zeitraum erhält (Schaub/Linck 13. Aufl. § 77 Rn. 6; ähnl. ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 504). Für Sonderzuwendungen, mit denen sich der Arbeitgeber zB an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen der Arbeitnehmer beteiligt oder mit denen eine vergangenheits- sowie zukunftsbezogene Betriebstreue honoriert werden soll, ist kennzeichnend, dass diese ohne Bezug zu einer Vereinbarung über die Qualität oder die Quantität der individuellen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbracht werden. Demgegenüber bezweckt eine erfolgsabhängige Vergütung gerade eine Leistungssteigerung des Arbeitnehmers durch die Förderung seiner Motivation (BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 25, BAGE 125, 147). Sie dient - je nach Ausgestaltung der Zielvereinbarung - entweder als besonderer Anreiz für die Erreichung des vertraglich festgelegten Leistungsziels oder allgemein der Erzielung von überdurchschnittlichen Arbeitsergebnissen im Bezugszeitraum. Ein in dieser Weise ausgestalteter Vergütungsbestandteil wird daher als Gegenleistung für die gemäß der Zielvereinbarung erbrachte Arbeitsleistung geschuldet (BAG 12. Dezember 2007 -  10 AZR 97/07 - Rn. 48, aaO; BSG 23. März 2006 - B 11a AL 29/05 R - SozR 4-4300 § 183 Nr. 6). Diese synallagmatische Verbindung wird nicht durch die Abhängigkeit der Höhe der variablen Erfolgsvergütung von einem Unternehmensergebnis im maßgeblichen Bezugszeitraum in Frage gestellt. Denn auch Leistungen, die an den Unternehmenserfolg geknüpft sind (wie zB Tantiemen, Gewinnbeteiligungen), werden regelmäßig als zusätzliche Vergütung für eine im Geschäftsjahr erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gezahlt (vgl. BAG 8. September 1998 - 9 AZR 273/97 - zu II 3 a der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 214 = EzA BGB § 611 Tantieme Nr. 2).

26

(3) Der Anspruch auf die variable Erfolgsvergütung nach der BV VE entsteht mit Ablauf des monatlichen Leistungszeitraums. Sie wird in den einzelnen Monaten anteilig verdient, jedoch aufgespart und am vereinbarten Fälligkeitstag ausgezahlt (BAG 21. April 2010 - 10 AZR 178/09 - Rn. 14, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 45). Dies folgt aus ihrer Einbindung in das vertragliche Synallagma und der Regelung in § 8 Abs. 1, Abs. 3 BV VE für die dort bestimmten Fälle des vorzeitigen Ausscheidens und des unterjährigen Eintritts. In diesen haben die Betriebsparteien ausdrücklich die Entstehung des Anspruchs „pro rata temporis“ festgelegt.

27

(4) Entstandene Ansprüche auf Arbeitsentgelt für eine bereits erbrachte Arbeitsleistung können von den Betriebsparteien nicht unter die auflösende Bedingung des Bestehens eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag nach Ablauf des Leistungszeitraums gestellt werden.

28

Nach § 611 Abs. 1 BGB ist der Arbeitgeber als Dienstgeber zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Der Arbeitnehmer soll über die vom Arbeitgeber versprochene Gegenleistung disponieren und seine Lebensgestaltung daran ausrichten können, wenn er seinerseits die geschuldete Leistung vollständig erbracht hat. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die eigentliche Grundvergütung, sondern auch für besondere Entgeltbestandteile, die gleichermaßen in das Synallagma eingebundene Leistungen darstellen (BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - Rn. 20, BAGE 122, 182). Hierfür ist es auch unerheblich, ob der Vergütungsanspruch monatlich entsteht, an längere Abrechnungszeiträume gebunden ist oder die Arbeitsleistung von einem bestimmten Leistungserfolg abhängig ist. Ein gesetzlicher Ausnahmetatbestand, der vorsieht, dass der Arbeitnehmer die durch seine Arbeit verdiente Gegenleistung nur behalten darf, wenn er über den Zeitraum hinaus, in dem das Arbeitsentgelt verdient worden ist, dem Unternehmen angehört, existiert nicht. Diese Wertungen haben auch die Betriebsparteien nach § 75 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG bei ihrer Rechtssetzung zu beachten, wenn sie eine Regelung über Vergütungsbestandteile treffen, die von einer Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abhängig sind. Die Stichtagsregelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BV VE wird dem nicht gerecht. Sie entspricht in ihrer Wirkung einer auflösenden Bedingung, durch die dem vorleistungspflichtigen Kläger der Anspruch auf die Gegenleistung rückwirkend entzogen wird, wenn dieser nach Ablauf des Geschäftsjahres, aber vor dem Auszahlungstag der variablen Erfolgsvergütung sein Arbeitsverhältnis selbst kündigt.

29

dd) Darüber hinaus ist die in der Stichtagsregelung enthaltene auflösende Bedingung auch deswegen unwirksam, weil sie die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers übermäßig beschränkt. Sie hält der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht stand.

30

(1) Die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers nach Art. 12 Abs. 1 GG schützt mit der Freiheit der Arbeitsplatzwahl auch den Entschluss des einzelnen Arbeitnehmers, an welcher Stelle er dem gewählten Beruf nachgehen möchte. Dies umfasst seine Entscheidung, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in einem gewählten Beruf beizubehalten oder aufzugeben (BVerfG 24. April 1991 - 1 BvR 1341/90 - zu C III 1 der Gründe, BVerfGE 84, 133). In dieses Freiheitsrecht dürfen die Betriebsparteien nicht in unverhältnismäßiger Weise eingreifen. Daher muss eine die Arbeitsplatzwahlfreiheit beschränkende Regelung geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Geeignet ist die Regelung, wenn mit ihrer Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann. Erforderlich ist sie, wenn kein anderes, gleich wirksames, aber die Berufsfreiheit weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht. Angemessen ist sie, wenn sie verhältnismäßig im engeren Sinn erscheint. Es bedarf hier einer Gesamtabwägung zwischen der Intensität des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe; die Grenze der Zumutbarkeit darf nicht überschritten werden (BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 24, BAGE 120, 308).

31

(2) Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BV VE kommt die am Ende des Geschäftsjahres verdiente variable Erfolgsvergütung nicht zur Auszahlung, wenn der Arbeitnehmer zwar bis zum Ende des Geschäftsjahres in einem Arbeitsverhältnis steht, dieses aber bis zum Auszahlungstag selbst gekündigt hat. Eine solche Regelung bewirkt der Sache nach, dass die Beklagte entgegen § 611 Abs. 1 BGB keine Vergütung für die vom Kläger nach Maßgabe der Zielvereinbarung geleisteten Dienste erbringen muss. Sie dient ihrem Interesse, einen Arbeitnehmer über das Ende des Geschäftsjahres bis zum Auszahlungstag an der selbst gewählten Aufgabe seines Arbeitsverhältnisses zu hindern. Dies wird durch die § 8 Abs. 1 Satz 2 BV VE zugrunde liegende Gruppenbildung verdeutlicht. Danach erhalten Beschäftigte, die durch Erreichen der Altersgrenze oder Vorruhestand ausscheiden, die variable Erfolgsvergütung im Austrittsjahr zeitanteilig, obwohl es an einem bestehenden Arbeitsverhältnis am Auszahlungstag fehlt und sie durch ihre Arbeitsleistung wegen ihres unterjährigen Ausscheidens nur für einen Teil des Geschäftsjahres zum wirtschaftlichen Ergebnis der Beklagten beitragen. Ebenso behalten nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BV VE Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis nach Beendigung des Geschäftsjahres bis zum Auszahlungszeitpunkt durch einen Aufhebungsvertrag beenden oder die aufgrund einer Kündigung der Beklagten ausscheiden, den Anspruch auf die variable Erfolgsvergütung. Eine solche Regelung begünstigt Arbeitnehmer, die zwar zum Auszahlungstag nicht mehr in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen, für deren Weiterbeschäftigung es aber entweder an einem betrieblichen Interesse der Beklagten fehlt oder bei denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses - wie bei dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags - mit ihrem Einverständnis erfolgt ist. Auch dies lässt erkennen, dass es den Betriebsparteien bei der in § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BV VE enthaltenen Stichtagsregelung vor allem darum geht, Arbeitnehmer von einem Leistungsbezug auszuschließen, die eine Eigenkündigung ausgesprochen haben und bei denen die damit verbundene Beendigung der Vertragsbeziehung und der hierdurch ermöglichte Arbeitgeberwechsel den Interessen der Beklagten widerspricht.

32

(3) Die Stichtagsregelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BV VE ist zwar grundsätzlich geeignet, einen Anreiz zu schaffen, den Arbeitnehmer zu veranlassen, eine an sich statthafte Kündigungsmöglichkeit auszuschlagen und noch einen weiteren Zeitraum im Unternehmen zu verbleiben. Es kann auch zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass eine solche Regelung erforderlich ist, weil ihr kein anderes, gleich wirksames, aber die Berufsfreiheit des betroffenen Arbeitnehmers weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht, um diesen an der Arbeitsplatzaufgabe zu hindern.

33

Die Vorenthaltung einer bereits verdienten Arbeitsvergütung ist aber stets ein unangemessenes Mittel, die selbst bestimmte Arbeitsplatzaufgabe zu verzögern oder zu verhindern. Mit ihr sind Belastungen für den Arbeitnehmer verbunden, die unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen eines Arbeitgebers nicht zu rechtfertigen sind. Die BV VE betrifft typischerweise einen Personenkreis, dessen Kündigungsfrist abweichend von § 622 Abs. 2 BGB für beide Vertragsparteien verlängert ist. Im Fall des Klägers beträgt die Kündigungsfrist sechs Monate, in anderen gerichtsbekannten Fällen drei Monate zum Quartalsende. Um entsprechend der Regelungen der BV VE die Auszahlung der variablen Erfolgsvergütung beanspruchen zu können, führt das zu einer Bindung bis zum Ablauf des nächsten Geschäftsjahres, jedenfalls aber zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Jahresende, um die im vorangegangenen Geschäftsjahr verdiente variable Erfolgsvergütung nicht zu verlieren. Für die durch die Stichtagsregelung bewirkte Bindung - auch soweit ihr lediglich die in § 622 Abs. 2 BGB geregelten Kündigungsfristen zugrunde liegen - erbringt die Beklagte keine gesonderte Leistung. Vielmehr wird jene ausschließlich durch die Auszahlung von Entgelt honoriert, das der Kläger durch das Erreichen der mit ihm vereinbarten Ziele bereits im vorangegangenen Geschäftsjahr verdient hat. Die damit verbundene Beschränkung der Arbeitsplatzwahlfreiheit berücksichtigt daher völlig einseitig die Interessen der Beklagten am Verbleib des Klägers und ihr Bedürfnis, einen aus ihrer Sicht unerwünschten Wechsel, ggf. zu einem Wettbewerber, zumindest zu verzögern oder gar zu verhindern. Die damit einhergehenden Belastungen für den Kläger, der letztlich auf verdientes Entgelt verzichten muss, um einen in seinem Interesse liegenden Arbeitsplatzwechsel unter Einhaltung der vereinbarten oder der gesetzlichen Kündigungsfristen vornehmen zu können, sind angesichts eines Interesses der Beklagten an der Einhaltung von Betriebstreue, ohne hierfür eigene Aufwendungen erbringen zu müssen, unverhältnismäßig.

34

II. Auf die zwischen den Parteien streitigen und von den Vorinstanzen erörterten Fragen nach weiteren Anspruchsgrundlagen kommt es nicht mehr an. Dies gilt insbesondere für die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach sich die im Arbeitsvertrag enthaltene Vereinbarung über die „auszuzahlende variable Erfolgsvergütung“ in einer bloßen Bezugnahme auf die in der BV VE getroffenen Regelungen erschöpft. Ebenso bedarf es keiner Entscheidung, ob die von den Betriebsparteien in § 8 BV VE vorgenommene Gruppenbildung für den Leistungsausschluss des Arbeitgebers den Anforderungen des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes(§ 75 Abs. 1 BetrVG) genügt.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Rath    

        

    Olaf Kunz    

                 

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.

(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.

(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:

1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden;
2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte;
3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.

(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. November 2009 - 14 Sa 1249/09 - aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. Mai 2009 - 17 Ca 3075/09 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger mit Wirkung vom 1. August 2009 ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags zu unterbreiten, wonach der Kläger als vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer in Vergütungsgruppe T 5 Stufe 4 nach § 10 des Entgeltrahmentarifvertrags zu beschäftigen ist und die Tarifverträge der Deutschen Telekom AG in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Parteien vereinbart gelten.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Wiedereinstellungsanspruch.

2

Der Kläger war seit 1. September 1980 zunächst beim Post- und Fernmeldeamt S, dann bei der Deutschen Bundespost Telekom und seit November 1991 bei der Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigt. Er ist im Januar 1964 geboren. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand ua. der Tarifvertrag über Sonderregelungen (TV SR) Anwendung. Nach § 7 Nr. 2 Buchst. b Spiegelstrich 3 TV SR war das Arbeitsverhältnis mit Vollendung des 43. Lebensjahres nur noch außerordentlich kündbar.

3

Der Kläger wurde infolge von Restrukturierungsmaßnahmen von der Beklagten beurlaubt. Aufgrund Arbeitsvertrags vom 24. September 1999 wurde er seit 1. Oktober 1999 von der D GmbH beschäftigt. In der Folgezeit wurde er zunächst von der B GmbH & Co. KG und später von der K Vertrieb & Service GmbH & Co. KG (K) „übernommen“.

4

Der Kläger und die Beklagte schlossen am 1. Juni 2004 einen Auflösungsvertrag zum 30. September 2004, der Regelungen über ein vertragliches Rückkehrrecht enthält. In ihm heißt es ua.:

        

„§ 2 Regelungen zum Rückkehrrecht

        

1.    

Der Arbeitnehmer erhält in Zusammenhang mit dem bei der K Vertrieb & Service GmbH & Co. KG bestehenden Arbeitsverhältnis ein zeitlich begrenztes Rückkehrrecht zur Deutschen Telekom AG, dessen Modalitäten sich abschließend aus der diesem Vertrag beigefügten Anlage 1, die Bestandteil dieses Vertrages ist, ergeben.

        

…       

        
        

Anlage 1 zum Auflösungsvertrag

        

‚Regelungen zum Rückkehrrecht - Stand 1.7.2003 -’

        

…       

        

1.    

Die Deutsche Telekom AG räumt den Arbeitnehmern ein Rückkehrrecht zur Deutschen Telekom AG ein

                 

a.    

innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten (berechnet ab dem 1. Januar 2004) ohne das Vorliegen besonderer Gründe (allgemeines Rückkehrrecht),

                 

b.    

nach Ablauf des allgemeinen Rückkehrrechts für weitere 18 Monate ein Rückkehrrecht unter besonderen Bedingungen (besonderes Rückkehrrecht).

        

2.    

Besondere Bedingungen (im Sinne des Absatzes 1.b) liegen vor, wenn

                 

a.    

das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Absatz 2 ff KSchG aus dringenden betrieblichen Gründen wirksam gekündigt wird

                          

oder   

                 

…“    

        
5

Die Beklagte, mehrere Kabelgesellschaften - ua. die K - und die Gewerkschaft ver.di trafen am 8. April 2005 eine sog. schuldrechtliche Vereinbarung (SV). Sie lautet auszugsweise:

        

„1.     

Die Deutsche Telekom AG räumt den Arbeitnehmern einzelvertraglich ein Rückkehrrecht zur Deutschen Telekom AG ein

                 

a.    

innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten (berechnet ab dem 1. Januar 2004) ohne das Vorliegen besonderer Gründe (allgemeines Rückkehrrecht),

                 

b.    

nach Ablauf des allgemeinen Rückkehrrechts für weitere 36 Monate ein Rückkehrrecht unter besonderen Bedingungen (besonderes Rückkehrrecht).

                 

…       

        
        

2.    

Besondere Bedingungen (im Sinne des Absatzes 1.b) liegen vor, wenn

                 

a.    

das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Absatz 2 ff KSchG aus dringenden betrieblichen Gründen wirksam gekündigt wird

                          

oder   

                 

…       

        
        

3.    

Der Arbeitnehmer kann von seinem Rückkehrrecht nach der Ziffer 1 frühestens 6 Monate nach Beginn des Rückkehrzeitraums für das allgemeine Rückkehrrecht Gebrauch machen. Es ist bei dem Rückkehrrecht nach Ziffern 1 a. und b. eine Ankündigungsfrist von 3 Monaten einzuhalten. Im Falle des besonderen Rückkehrrechts nach Ziffer 1 b. i.V.m. 2 a. findet eine Rückkehr jedoch erst nach Ablauf der für den Arbeitgeber (Kabelgesellschaft bzw. Rechtsnachfolger) geltenden jeweiligen individuellen Kündigungsfrist statt, soweit diese länger ist als die dreimonatige Ankündigungsfrist.

                 

…       

        

4.    

Im Falle der Rückkehr finden ab diesem Zeitpunkt die Bestimmungen der jeweils geltenden Rationalisierungsschutz-Tarifverträge der Deutschen Telekom AG Anwendung. Der Arbeitnehmer wird hinsichtlich der zu vereinbarenden Arbeitsvertragsbedingungen und anzuwendenden tarifvertraglichen Regelungen so gestellt, als wäre er ohne Unterbrechung bei der Deutschen Telekom AG weiter beschäftigt worden.

        

5.    

Das Rückkehrrecht besteht nicht, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung bzw. eines Aufhebungsvertrags beendet wird und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund verhaltensbedingter Gründe des Arbeitnehmers oder aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen erfolgt und ein eventueller Rechtsstreit nicht zu Gunsten des Arbeitnehmers entschieden hat.

        

6.    

Derzeit noch von der Deutschen Telekom AG zu einer Kabelgesellschaft beurlaubte Arbeitnehmer erhalten ein Angebot zur Annahme dieser schuldrechtlichen Vereinbarung bei gleichzeitiger Beendigung der Beurlaubung sowie Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Deutschen Telekom AG.“

6

Der Kläger und die Beklagte schlossen am 30. April 2005 einen „Vertrag zur Abänderung des Auflösungsvertrages in Zusammenhang mit der Schuldrechtlichen Vereinbarung vom 08.08.2002“. Dem Vertrag war als Anlage 1 die SV beigefügt. In ihm ist ua. geregelt:

        

„§ 1 Regelungen zum Rückkehrrecht

        

Die Parteien sind sich darüber einig, dass für das zeitlich begrenzte Rückkehrrecht zur Deutschen Telekom AG gemäß § 2 Abs. 1 des Auflösungsvertrages in Zusammenhang mit der Schuldrechtlichen Vereinbarung vom 08.08.2002 ab dem 01. Juni 2005 die in der Anlage 1, die Bestandteil dieses Vertrages ist, festgelegten Regelungen gelten. Die bisherigen Regelungen werden ohne Nachwirkung mit Ablauf des 31. Mai 2005 aufgehoben.

        

Darüber hinaus bleiben alle weiteren Regelungen des Auflösungsvertrages unverändert bestehen.

        

§ 2 Einverständniserklärung zur Personaldatenweitergabe

        

Herr F ist damit einverstanden, dass im Falle der Inanspruchnahme des Rückkehrrechtes die K Vertrieb & Service GmbH & Co KG Bln/Bdbg. der Deutschen Telekom AG die Daten mit Bezug auf sein Arbeitsverhältnis offen legt sowie die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung stellt, aus denen sich die Voraussetzungen für das und die Folgen aus dem geltend gemachten Rückkehrrecht ergeben. Im Falle der Rückkehr auf Grund Ziffer 2a der schuldrechtlichen Vereinbarung erfasst dies auch die soziale Rechtfertigung, Wirksamkeit und Zulässigkeit der Kündigung.

        

Die Deutsche Telekom AG gewährleistet bezüglich der ihr von der K Vertrieb & Service GmbH & Co KG Bln/Bdbg. übermittelten personenbezogenen Daten die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der personenbezogenen Daten.“

7

Die K kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter dem 9. Dezember 2008 nach Anhörung des Betriebsrats „aus betriebsbedingten Gründen“ außerordentlich zum 31. Juli 2009. Der Betriebsrat hatte der beabsichtigten Kündigung nicht widersprochen. Die Kündigung war Teil einer umfangreichen Restrukturierung im Bereich Technical Operations, in deren Verlauf ein Interessenausgleich und ein Sozialplan geschlossen wurden. Abschn. B § 1 Buchst. a des Sozialplans vom 12. November 2008 nahm von der Beklagten beurlaubte Mitarbeiter von dem Abfindungsanspruch aus, wenn sie nicht wirksam auf ihre Rechte aus der Rechtsbeziehung zur Beklagten, insbesondere ihr Rückkehrrecht nach Widerruf der Beurlaubung, verzichteten. Der Kläger erhob fristgerecht Kündigungsschutzklage. Darüber informierte er die Beklagte mit Schreiben vom 19. Dezember 2008. Zugleich teilte er mit, er mache vorsorglich sein besonderes Rückkehrrecht geltend. Der Kläger nahm die Kündigungsschutzklage gegen die K mit Schriftsatz vom 4. Mai 2009 zurück.

8

Mit der am 13. Februar 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger sein Rückkehrrecht gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, er habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Wiedereinstellung nach dem Vertrag vom 30. April 2005 iVm. der SV. Die aus dringenden betrieblichen Gründen ausgesprochene Kündigung der K sei wirksam. Er habe gegenüber der K weder eine Obliegenheit zur Durchführung einer Kündigungsschutzklage, noch sei er gegenüber der Beklagten darlegungs- und beweispflichtig für die Wirksamkeit der von der K ausgesprochenen Kündigung.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Vertragsangebot als vollbeschäftigter Arbeitnehmer ab 1. August 2009 mit der Vergütungsgruppe T 5 Stufe 4 gemäß § 10 des Entgeltrahmentarifvertrags zu unterbreiten, wonach für das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen der Tarifverträge der Deutschen Telekom AG in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Parteien vereinbart gelten;

        

2.    

die Beklagte hilfsweise zu verurteilen, ihm ein Vertragsangebot zu unterbreiten, nach welchem er hinsichtlich der vereinbarten Arbeitsvertragsbedingungen und der anzuwendenden tarifvertraglichen Regelungen so gestellt wird, als wäre er ohne Unterbrechung bei der Deutschen Telekom AG weiterbeschäftigt worden.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Dem Kläger stehe kein Rückkehrrecht zu. Er habe nicht bis 31. Dezember 2008 tatsächlich zu ihr zurückkehren können, weil er durch die Auslauffrist noch bis 31. Juli 2009 an das Arbeitsverhältnis mit der K gebunden gewesen sei. Jedenfalls sei das Erfordernis einer wirksamen Kündigung, die aus dringenden betrieblichen Gründen ausgesprochen worden sei, dh. die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG erfülle, nicht gewahrt. Die durch die Rücknahme der Kündigungsschutzklage gegen die K eingetretene Fiktion der § 7 Halbs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG beschränke sich auf die Rechtswirksamkeit der außerordentlichen Kündigung. Die Kündigungsgründe würden demgegenüber nicht fingiert. Für sie sei der Kläger im Wiedereinstellungsrechtsstreit darlegungs- und beweispflichtig.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision hat Erfolg. Die Vorinstanzen haben die auf Abgabe eines Wiedereinstellungsangebots gerichtete Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Anspruch des Klägers folgt aus § 1 des Änderungsvertrags der Parteien vom 30. April 2005 iVm. § 2 Nr. 1 des Vertrags vom 1. Juni 2004 und Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 Buchst. a SV. Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen sind erfüllt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde von der K wirksam gekündigt. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts musste der Kläger nicht darlegen und beweisen, dass die Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt war.

13

A. Die Revision ist zulässig. Entgegen den von der Beklagten geäußerten Zweifeln genügt die Revisionsbegründung den gesetzlichen Anforderungen.

14

I. Nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört die Angabe der Revisionsgründe zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung. Bei Sachrügen sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO. Die Revisionsbegründung muss die angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind (vgl. für die st. Rspr. BAG 10. November 2010 - 5 AZR 844/09 - Rn. 11). Die Revisionsbegründung hat sich daher mit den tragenden Gründen des Berufungsurteils auseinanderzusetzen. Das erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll. Der Revisionsführer darf sich nicht darauf beschränken, seine Rechtsausführungen aus den Vorinstanzen zu wiederholen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass er das angefochtene Urteil für das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage durchdenkt. Die Revisionsbegründung soll durch ihre Kritik an dem Berufungsurteil außerdem zur richtigen Rechtsfindung des Revisionsgerichts beitragen (vgl. BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 13 mwN, NZA 2010, 1446).

15

II. Die Revisionsbegründung genügt diesen Anforderungen.

16

1. Die Revisionsbegründung setzt sich im Einzelnen mit der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auseinander, der Kläger trage im Wiedereinstellungsprozess die Darlegungs- und Beweislast für die Kündigungsgründe der K. Sie führt zudem an, die SV sei entgegen den Erwägungen des Berufungsgerichts kein Tarifvertrag iSv. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB. Deshalb sei eine Inhaltskontrolle durchzuführen. Das in Nr. 2 Buchst. a SV enthaltene Erfordernis „unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Absatz 2 ff KSchG wirksam gekündigt“ sei bei objektiver Auslegung unklar oder mehrdeutig und benachteilige den Kläger unangemessen. Seit Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB idF des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts sei eine Verurteilung zu einer rückwirkenden Wiedereinstellung des Arbeitnehmers möglich.

17

2. Die Revisionsbegründung behandelt damit hinreichend die tragenden Argumentationslinien des Landesarbeitsgerichts. In allen Teilen schlüssig oder sogar richtig braucht die Revisionsbegründung nicht zu sein. Mit der ausreichenden Angabe der Revisionsgründe iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO durch Sachrügen eröffnet die Revision dem Senat die volle materielle Überprüfung des angefochtenen Urteils (§ 557 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

18

B. Die Revision ist in der Sache erfolgreich. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und zur Stattgabe des Hauptantrags. Der Hauptantrag ist zulässig und begründet. Der Hilfsantrag fällt deswegen nicht zur Entscheidung des Senats an.

19

I. Der Hauptantrag ist zulässig.

20

1. Der Wortlaut des Antrags ist eindeutig auf die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe eines Angebots gerichtet. Er ist nicht abweichend von seinem Wortlaut dahin auszulegen, dass der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Annahme des Vertragsangebots verlangt, das er selbst mit Zustellung des Hauptantrags abgegeben haben könnte. Dem Kläger geht es auch nach der Klagebegründung noch nicht um das endgültige Zustandekommen eines Arbeitsvertrags mit der Beklagten, das er nur mit übereinstimmenden Willenserklärungen - Antrag und Annahme (§§ 145 bis 147 BGB) - erwirken könnte. Eine solche Auslegung wird zwar häufig dem mit einer sog. Wiedereinstellungsklage bekundeten Willen des Arbeitnehmers entsprechen (vgl. zB BAG 21. August 2008 - 8 AZR 201/07 - Rn. 54, AP BGB § 613a Nr. 353 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 95; 25. Oktober 2007 - 8 AZR 989/06 - Rn. 14, AP BGB § 613a Wiedereinstellung Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 80). Zwingend ist das aber nicht. Es kann auch im Interesse des Arbeitnehmers liegen, nicht schon mit Rechtskraft des seiner Klage stattgebenden Urteils vertraglich gebunden zu sein, sondern unter Berücksichtigung der konkreten Umstände entscheiden zu können, ob er das Vertragsangebot des Arbeitgebers annimmt. Dafür spricht ua., dass im Fall einer Wiedereinstellungsklage eine Regelung fehlt, die § 12 Satz 1 KSchG entspricht. Der Arbeitnehmer kann sich nicht durch besondere Erklärung einseitig von dem Arbeitsverhältnis lösen, das mit Rechtskraft des Urteils durch die Fiktion der Abgabe der Annahmeerklärung nach § 894 Satz 1 ZPO entsteht(vgl. zu der Fiktion BAG 17. Dezember 2009 - 6 AZR 242/09 - Rn. 12 f., AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 41 = EzA BGB 2002 § 623 Nr. 10; 13. August 2008 - 7 AZR 513/07 - Rn. 14, BAGE 127, 239). Ihm bleibt nur sein - idR ordentliches - Kündigungsrecht, wenn er inzwischen ein anderes Arbeitsverhältnis eingegangen ist. Dem Arbeitnehmer kann es demnach im ersten Schritt auch nur um die Abgabe eines Angebots gehen.

21

2. Der Hauptantrag ist in dieser Auslegung zulässig.

22

a) Er ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Inhalt des anzubietenden Arbeitsvertrags ist ausreichend konkretisiert. Der Zeitpunkt der Wirkung der Abgabe des Angebots - der 1. August 2009 - ist genannt. Die wesentlichen Vertragsbestandteile der Arbeitszeit (Vollzeit) und der Vergütung (Vergütungsgruppe T 5 Stufe 4 nach § 10 des Entgeltrahmentarifvertrags) sind bezeichnet. Die übrigen Arbeitsbedingungen ergeben sich aus Nr. 4 Satz 2 SV. Danach wird der Arbeitnehmer hinsichtlich der zu vereinbarenden Arbeitsvertragsbedingungen und anzuwendenden tarifvertraglichen Regelungen so gestellt, als wäre er ohne Unterbrechung bei der Beklagten weiterbeschäftigt worden.

23

b) Für die erstrebte Verurteilung zur Abgabe eines Angebots auf Abschluss eines Arbeitsvertrags besteht entgegen der Auffassung der Beklagten ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis ( vgl. zu einer auf Abgabe eines Angebots gerichteten zulässigen Klage BAG 27. Juli 2005 - 7 AZR 488/04 - zu I 1 der Gründe, AP BGB § 308 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 2). Das gilt insbesondere deshalb, weil ein einseitiges, § 12 Satz 1 KSchG entsprechendes Lösungsrecht des Arbeitnehmers vom Vertrag fehlt.

24

II. Der Hauptantrag hat in der Sache Erfolg. Er ist in nicht zu beanstandender Weise auf die rückwirkende Abgabe einer Angebotserklärung gerichtet. Der Kläger hat Anspruch auf Abgabe des Angebots. Die Regelungen des Rückkehrrechts im Auflösungsvertrag vom 1. Juni 2004, in § 1 des Änderungsvertrags vom 30. April 2005 und in der SV unterliegen einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die in Nr. 2 Buchst. a SV enthaltene Anspruchsvoraussetzung, die nicht nur eine wirksame Kündigung, sondern darüber hinaus dringende betriebliche Gründe unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG verlangt, ist unwirksam. Sie benachteiligt den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Kläger erfüllt die übrigen Voraussetzungen des sog. Rückkehrrechts der SV.

25

1. Die Klage ist entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht schon deswegen teilweise unbegründet, weil die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe der Angebotserklärung zum 1. August 2009 (rück-)wirken soll.

26

a) Die Abgabe der Angebotserklärung als der ersten der beiden nötigen übereinstimmenden Willenserklärungen soll es dem Kläger ermöglichen, darüber zu entscheiden, ob er erneut ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten eingehen will. Mit Rechtskraft eines obsiegenden Urteils gilt die Angebotserklärung nach § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben. Zu welchem Zeitpunkt die fingierte Abgabe des Antrags wirkt, beurteilt sich nach materiellem Recht. Seit Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB idF des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, die auf eine Vertragsänderung zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist. Nach § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf die Leistung zwar ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder jedermann unmöglich ist. Im Unterschied zum alten Recht ist in § 311a Abs. 1 BGB aber klargestellt, dass ein Vertrag selbst dann nicht nichtig ist, wenn er in der Vergangenheit tatsächlich nicht durchgeführt werden kann(vgl. für die st. Rspr. BAG 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 15 mwN, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31; 25. Oktober 2007 - 8 AZR 989/06 - Rn. 25 f., AP BGB § 613a Wiedereinstellung Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 80).

27

b) Die rückwirkende Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch Urteil, die mit der Fiktion der Abgabe der Angebotserklärung vorbereitet werden soll, ist daher zulässig. Ausgeschlossen ist lediglich eine gerichtliche Entscheidung, mit der ein Arbeitsverhältnis mit Rückwirkung zu einem Zeitpunkt vor Abgabe des Angebots begründet werden soll (vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 155/09 - Rn. 17 und 35, AP ATG § 3 Nr. 21 = EzA ZPO 2002 § 894 Nr. 2).

28

2. Der Kläger hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Anspruch auf Abgabe der mit dem Hauptantrag verlangten Angebotserklärung. Grundlage des Anspruchs ist § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags der Parteien vom 30. April 2005 iVm. § 2 Nr. 1 des Vertrags vom 1. Juni 2004 und Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 Buchst. a SV. Das ergibt eine Auslegung dieser Regelungen.

29

a) § 2 Nr. 1 des ursprünglichen Auflösungsvertrags der Parteien vom 1. Juni 2004 ist ein von der Beklagten vorformulierter Vertrag, den sie nach dem Erscheinungsbild mehrfach verwendet hat. Der Text der Vereinbarung enthält über die persönlichen Daten des Klägers hinaus keine individuellen Besonderheiten. Dieser Vertrag wurde durch § 1 der Vereinbarung vom 30. April 2005 lediglich an die von der SV umgestalteten Rückkehrrechte angepasst, blieb nach § 1 Abs. 2 des Vertrags vom 30. April 2005 aber im Übrigen bestehen. Den Inhalt eines solchen typischen Mustervertrags kann der Senat selbst nach §§ 133, 157 BGB auslegen(vgl. etwa BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 79 mwN, BAGE 130, 119).

30

b) Die Regelung des besonderen Rückkehrrechts in § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags der Parteien vom 30. April 2005 iVm. § 2 Nr. 1 des Vertrags vom 1. Juni 2004 und Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 Buchst. a SV enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Auch Vertragsbedingungen, die vor ihrer Verwendung kollektivrechtlich ausgehandelt worden sind, können Allgemeine Geschäftsbedingungen sein (vgl. BAG 19. März 2009 - 6 AZR 557/07 - Rn. 20 mwN, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17).

31

aa) Die Parteien haben hier in § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags vom 30. April 2005 auf die in Anlage 1 enthaltene SV verwiesen. Sie haben den Text der SV vollständig verwendet, so dass deren Charakter als Allgemeine Geschäftsbedingung erhalten geblieben ist.

32

bb) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Dabei kommt es nur dann auf das Verständnis des Wortlauts durch die konkreten Vertragspartner an, wenn sie den Inhalt der Regelung übereinstimmend abweichend vom objektiven Wortsinn interpretieren (§ 305b BGB). Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, ist für die Auslegung entscheidend, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist. Der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner muss beachtet werden (§ 157 BGB). Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, gilt das nur für typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele. Eine solche Auslegung nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab ist geboten, weil der Vertragspartner des Verwenders auf den Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die für eine Vielzahl von Fallgestaltungen vorformuliert worden sind und gerade unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls zur Anwendung kommen sollen, keinen Einfluss nehmen kann (vgl. BAG 19. März 2009 - 6 AZR 557/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17).

33

cc) Klauseln in arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, die auf kollektivrechtlich ausgehandelte Vertragsbedingungen Bezug nehmen oder inhaltlich mit ihnen übereinstimmen, sind nach denselben Maßstäben auszulegen wie einseitig vom Arbeitgeber vorformulierte Klauseln. Auch sie betreffen eine Vielzahl von Fällen, die eine einheitliche Auslegung erfordern. Die Arbeitnehmer, die derartige Verträge unterzeichnen, waren zudem an der Aushandlung der Kollektivregelung nicht beteiligt und konnten sie nicht beeinflussen. Die Gründe, die zu der später in die vertragliche Vereinbarung übernommenen Kollektivregelung geführt haben, sind ihnen unbekannt. Für die Auslegung solcher Klauseln kommt es deshalb nicht auf das Verständnis der an den Verhandlungen über die Kollektivregelung Beteiligten, sondern nach § 157 BGB auf die Verständnismöglichkeiten der Arbeitnehmer an, mit denen später die darauf verweisende arbeitsvertragliche Regelung vereinbart wird(vgl. BAG 19. März 2009 - 6 AZR 557/07 - Rn. 22 mwN, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17).

34

c) § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags der Parteien vom 30. April 2005 iVm. § 2 Nr. 1 des Vertrags vom 1. Juni 2004 und Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 Buchst. a SV begründen ein sog. besonderes, bis 31. Dezember 2008 auszuübendes Rückkehrrecht des Klägers in die Dienste der Beklagten. Der Kläger hat diesen Wiedereinstellungsanspruch wirksam geltend gemacht.

35

aa) Die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger ist ehemaliger Arbeitnehmer der Beklagten. Er stand zum 1. Oktober 2002 in einem Arbeitsverhältnis mit einer der sog. Kabelgesellschaften und war von der Beklagten beurlaubt.

36

bb) Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der K wurde aus dringenden betrieblichen Gründen iSv. Nr. 2 Buchst. a SV gekündigt. Dem steht nicht entgegen, dass diese Bestimmung auf § 1 Abs. 2 ff. KSchG Bezug nimmt, die K wegen des tariflichen Sonderkündigungsschutzes des Klägers jedoch eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist erklärte. Die Wirksamkeit einer solchen außerordentlichen „betriebsbedingten“ Kündigung wird zwar nicht an § 1 KSchG gemessen, sondern an § 626 BGB. Zu prüfen ist nach § 626 Abs. 1 BGB aber, ob dem Arbeitnehmer im Fall ordentlicher Kündbarkeit eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar wäre(vgl. nur BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 16 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17). Die Voraussetzungen der außerordentlichen Kündigung sind dadurch mit denen einer ordentlichen Kündigung verknüpft. Bei einer außerordentlichen „betriebsbedingten“ Kündigung handelt es sich deswegen um eine Kündigung „aus dringenden betrieblichen Gründen“ iSv. Nr. 2 Buchst. a SV. Das Erfordernis einer „aus dringenden betrieblichen Gründen“ ausgesprochenen Kündigung dient der Abgrenzung von personen- und verhaltensbedingten Kündigungen, bei denen kein Rückkehrrecht besteht. Das macht insbesondere Nr. 5 SV deutlich. Aus der SV geht im Übrigen nicht hervor, dass dieses Regelwerk Arbeitnehmer, die tariflich gegen ordentliche Kündigungen geschützt sind, von ihrem persönlichen Geltungsbereich ausnehmen will. Wegen des besonderen Schutzes dieser Arbeitnehmergruppe hätte es hierfür eines klaren Anhaltspunkts im Wortlaut der SV bedurft.

37

cc) Der Kläger hat ein besonderes Rückkehrrecht iSv. Nr. 1 Buchst. b SV, obwohl sein Arbeitsverhältnis mit der K nicht schon mit dem 31. Dezember 2008, sondern erst am 31. Juli 2009 endete.

38

(1) Nach Nr. 1 Buchst. b SV räumte die Beklagte dem Kläger ein besonderes Rückkehrrecht „nach Ablauf des allgemeinen Rückkehrrechts für weitere 36 Monate“ ein. Das allgemeine Rückkehrrecht bestand nach Nr. 1 Buchst. a SV für einen Zeitraum von 24 Monaten, berechnet ab 1. Januar 2004, also bis 31. Dezember 2005. Der Zeitraum für das besondere Rückkehrrecht endete 36 Monate später mit dem 31. Dezember 2008.

39

(2) Das Landesarbeitsgericht hat richtig erkannt, dass Nr. 1 Buchst. b SV auslegungsbedürftig ist. Aus dem Wortlaut der Regelung geht nicht eindeutig hervor, ob mit dem Rückkehrrecht „für weitere 36 Monate“ die Entstehung des Rechts bis 31. Dezember 2008, seine Geltendmachung oder die tatsächliche Rückkehr bis zu diesem Zeitpunkt gemeint ist. Der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner (§ 157 BGB) spricht jedoch dafür, dass es jedenfalls genügt, wenn das Rückkehrrecht bis 31. Dezember 2008 durch den Zugang einer ordentlichen oder außerordentlichen „betriebsbedingten“ Kündigung entstand und gegenüber der Beklagten geltend gemacht wurde. Mit Ausübung des Rückkehrrechts bis 31. Dezember 2008 erlangte die beklagte Verwenderin Planungssicherheit hinsichtlich der tatsächlichen Rückkehr des einzelnen Arbeitnehmers. Die in Nr. 3 Satz 2 SV enthaltene Ankündigungsfrist von drei Monaten deutet zudem darauf hin, dass das Regelwerk zwischen dem Rückkehrrecht und der tatsächlichen Rückkehr unterscheidet.

40

(3) Der Kläger erfüllt diese Voraussetzung des besonderen Rückkehrrechts. Die K kündigte sein Arbeitsverhältnis mit ihr unter dem 9. Dezember 2008 außerordentlich „aus betriebsbedingten Gründen“. Der Kläger machte das besondere Rückkehrrecht mit Schreiben vom 19. Dezember 2008 gegenüber der Beklagten geltend.

41

dd) Nr. 2 Buchst. a SV verlangt nicht nur eine wirksame Kündigung. Nach der Regelung genügt insbesondere nicht der Eintritt der Fiktion der § 7 Halbs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Erforderlich ist darüber hinaus, dass die Kündigung unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG ausgesprochen wurde. Auch die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB führt zu keinem anderen Ergebnis.

42

(1) Bleibt bei der Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht er nach § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel setzt voraus, dass die Auslegung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht. Der Arbeitgeber, der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendet, muss bei Unklarheiten die ihm am wenigsten günstige Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (vgl. BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 14 mwN, EzA-SD 2011, Nr. 9, 8 - 10; Linck FS Bauer S. 645, 648 mwN).

43

(2) Die Voraussetzung zumindest zweier gleichrangiger Auslegungsergebnisse ist nicht erfüllt. Die Klausel in Nr. 2 Buchst. a SV lässt nach gebotener Auslegung (§§ 133, 157 BGB) unter Beachtung eines objektiv-generalisierenden Maßstabs hinreichend klar erkennen, dass das Rückkehrrecht an eine Kündigung gebunden wird, die wirksam und darüber hinaus unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG aus dringenden betrieblichen Gründen ausgesprochen wird. Aus dem Erfordernis der Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG geht der Wille der verwendenden Beklagten hervor, das Rückkehrrecht davon abhängig zu machen, dass auch im Fall der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines ordentlich Unkündbaren bestimmte Umstände - dringende betriebliche Gründe - tatsächlich gegeben sind. Es genügt daher nicht, dass die außerordentliche oder ordentliche Kündigung durch Unterlassen oder Rücknahme der Kündigungsschutzklage aufgrund der Fiktionen in § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 7 Halbs. 1 iVm. § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG wirksam wird.

44

ee) Das in Nr. 2 Buchst. a SV begründete Erfordernis einer nicht nur wirksamen, sondern unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG ausgesprochenen Kündigung ist unwirksam. Das hat das Landesarbeitsgericht übersehen. Das Erfordernis benachteiligt den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle. Dem stehen weder § 310 Abs. 4 Satz 1 noch § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB entgegen.

45

(1) § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB hindert die Inhaltskontrolle nicht.

46

(a) Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB finden §§ 305 ff. BGB auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen keine Anwendung. Formularmäßig verwendete Klauseln in Arbeitsverträgen, die auf eine solche Kollektivregelung Bezug nehmen oder mit ihr übereinstimmen und lediglich deren gesamten Inhalt wiedergeben, unterliegen deshalb keiner Inhaltskontrolle (vgl. BAG 19. März 2009 - 6 AZR 557/07 - Rn. 22 mwN, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17).

47

(b) Die Unterzeichner der SV haben dem Regelwerk nicht den normativen Charakter eines Tarifvertrags iSv. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB beigelegt.

48

(aa) Entscheidend ist, ob die Vertragspartner ihren Willen zur Normsetzung hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht haben. Dazu müssen sie durch bindende, dh. normative Regelungen die Klärung von Rechtsanwendungsproblemen verbindlich vorwegnehmen (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 903/08 - Rn. 37 und 39, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 46).

49

(bb) Das trifft auf die SV nicht zu. Nach Nr. 1 SV räumt die Beklagte den Arbeitnehmern „einzelvertraglich“ ein Rückkehrrecht zu ihr ein. Daran wird deutlich, dass die SV den Anspruch nicht normativ durch unmittelbare und zwingende Wirkung für die Regelungsunterworfenen begründen will. Sie trifft vielmehr nur eine vereinheitlichende Regelung für individualvertragliche Umsetzungsakte. Das ist der typische Fall Allgemeiner Geschäftsbedingungen.

50

(2) § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB schließt eine Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht aus.

51

(a) § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB bestimmt, dass die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308, 309 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Eine fehlende ausdrückliche gesetzliche Regelung führt aber nicht dazu, dass ein Klauselwerk nicht nach §§ 307 ff. BGB zu kontrollieren wäre. Auch Vertragstypen, die gesetzlich nicht geregelt sind, können am Maßstab der §§ 307 ff. BGB gemessen werden (vgl. BAG 18. Januar 2006 - 7 AZR 191/05 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 305 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 13).

52

(aa) Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind von der Inhaltskontrolle zum einen deklaratorische Vertragsklauseln ausgenommen, die in jeder Hinsicht mit einer bestehenden gesetzlichen Regelung übereinstimmen. Eine Inhaltskontrolle derartiger Klauseln liefe leer, weil an ihre Stelle im Fall ihrer Unwirksamkeit nach § 306 Abs. 2 BGB die inhaltsgleiche gesetzliche Bestimmung träte(vgl. BAG 18. Januar 2006 - 7 AZR 191/05 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 305 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 13).

53

(bb) Zum anderen unterliegen Abreden, die ihrer Art nach nicht der Regelung durch Gesetz oder andere Rechtsvorschriften unterfallen, sondern von den Vertragsparteien festgelegt werden müssen, nicht der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB. Das sind Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung (sog. Leistungsbeschreibung) und des dafür zu zahlenden Entgelts. Der gerichtlichen Kontrolle entzogene Leistungsbeschreibungen sind solche, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen. Demgegenüber sind Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern oder ausgestalten, inhaltlich zu kontrollieren (vgl. BAG 18. Januar 2006 - 7 AZR 191/05 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 305 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 13).

54

(b) Nach diesen Grundsätzen unterliegt die Regelung des besonderen Rückkehrrechts in Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 Buchst. a SV der Angemessenheitskontrolle des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Regelungen ändern iVm. § 1 des Vertrags vom 30. April 2005 die Bestimmungen in § 2 Nr. 1 und Anlage 1 Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 Buchst. a des Auflösungsvertrags vom 1. Juni 2004. Dieser Vertrag vom 1. Juni 2004, der nach seinem Erscheinungsbild selbst Allgemeine Geschäftsbedingungen enthält, verknüpfte die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses der Parteien mit den Rückkehrrechten. Er änderte damit das Hauptleistungsversprechen.

55

(3) Das in Nr. 2 Buchst. a SV begründete Erfordernis einer nicht nur wirksamen, sondern unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG ausgesprochenen Kündigung benachteiligt den Kläger unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

56

(a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Die beiderseitigen Positionen müssen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben umfassend gewürdigt werden. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts sind zu berücksichtigen (vgl. BAG 18. Januar 2006 - 7 AZR 191/05 - Rn. 30 mwN, AP BGB § 305 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 13).

57

(b) Eine unangemessene Benachteiligung ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. § 307 Abs. 2 BGB konkretisiert § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sind die Voraussetzungen des § 307 Abs. 2 BGB erfüllt, wird eine unangemessene Benachteiligung vermutet(vgl. BAG 18. Januar 2006 - 7 AZR 191/05 - Rn. 31, AP BGB § 305 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 13).

58

(c) Gemessen daran wird hier unwiderlegt vermutet, dass das in Nr. 2 Buchst. a SV begründete Erfordernis einer von ihm zu beweisenden nicht nur wirksamen, sondern unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG ausgesprochenen Kündigung den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB benachteiligt.

59

(aa) Nr. 2 Buchst. a SV verkehrt zum einen die für den Kündigungsschutzprozess in § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG vorgesehene Darlegungs- und Beweislast. Denn die Regelung macht die Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG für eine von der K ausgesprochene „betriebsbedingte“ Kündigung zur Anspruchsvoraussetzung des Rückkehrrechts. Zum anderen beseitigt Nr. 2 Buchst. a SV die Fiktion der § 13 Abs. 1 Satz 2, § 7 Halbs. 1 KSchG. Die Wirkung dieser Fiktion beschränkt sich darauf, dass eine bestimmte Kündigung wirksam ist. Ob der Kündigungsgrund tatsächlich zutrifft, ist nicht Gegenstand der Fiktion (vgl. APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 7 KSchG Rn. 7; KR/Rost 9. Aufl. § 7 KSchG Rn. 20a).

60

(bb) Diese in Nr. 2 Buchst. a SV enthaltene Voraussetzung ist nach § 307 Abs. 2 iVm. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

61

(aaa) Für den Arbeitnehmer, der das Rückkehrrecht ausüben will, begründet sie die Obliegenheit, eine Kündigungsschutzklage nicht nur anzustrengen, sondern sie durch streitiges, klageabweisendes und rechtskräftiges Urteil zu beenden. Darin liegt eine unzumutbare Belastung des Arbeitnehmers, dh. eine Einschränkung, die es gefährdet, dass der Vertragszweck - die Verknüpfung der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit dem Wiedereinstellungsanspruch - erreicht wird (vgl. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Der Arbeitnehmer kann sich nicht frei entschließen, die Unsicherheiten und Belastungen eines Kündigungsschutzrechtsstreits auf sich zu nehmen, wenn er das besondere Rückkehrrecht - den Wiedereinstellungsanspruch - durchsetzen will. Er kann seine Klage gegen die Kabelgesellschaft nicht zurücknehmen, keinen Klageverzicht erklären, kein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lassen und sich, ohne den Verlust des Wiedereinstellungsanspruchs zu riskieren, nicht vergleichsweise einigen. Er kann seine Entscheidung über die Einleitung und Fortführung des Rechtsstreits auch nicht von einer Beurteilung der Prozessaussichten abhängig machen. Er muss den Rechtsstreit vielmehr sogar dann führen, wenn er selbst der Auffassung ist, die klagebegründenden Tatsachen nicht schlüssig vortragen zu können (vgl. zu einer auf der Grundlage von § 75 Abs. 1 BetrVG überprüften Klageobliegenheit im Zusammenhang mit einer Sozialplanforderung BAG 22. Juli 2003 - 1 AZR 575/02 - zu III 1 b cc (1) der Gründe, BAGE 107, 100 ). Der Prozesserfolg steht regelmäßig erst nach Jahren fest. Das widerspricht dem typischen Zweck eines Wiedereinstellungsanspruchs, der ua. darin besteht, Zeiten der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken.

62

(bbb) Hinzu kommt die von § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG abweichende atypische Verkehrung der Darlegungs- und Beweislast im Wiedereinstellungsprozess. Der Arbeitnehmer muss hinsichtlich der Kündigungsgründe Tatsachen darlegen und beweisen, die er selbst idR nicht kennt und die jedenfalls nicht aus seiner Sphäre stammen. Diese atypische Überbürdung der Beweislast für die Kündigungsgründe auf den gekündigten Arbeitnehmer ist nicht etwa geboten, um die berechtigten Interessen der Beklagten zu wahren. Sie mag ein berechtigtes Interesse daran haben, den sich aufdrängenden Verdacht eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Arbeitnehmer und der Kabelgesellschaft beim Ausspruch der Kündigung erkennen zu können. Die berechtigten Belange der Beklagten gebieten es aber nicht, die Beweislast und das sog. non-liquet-Risiko für die Kündigungstatsachen auf den Arbeitnehmer zu übertragen. Die Interessen der Beklagten sind ausreichend durch § 2 Abs. 1 Satz 2 des Vertrags vom 30. April 2005 gewahrt. Der Kläger hat ihr damit das Recht eingeräumt, sich die Fragen der sozialen Rechtfertigung und Wirksamkeit der Kündigung von der K offenlegen zu lassen.

63

ff) Das besondere Rückkehrrecht in Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 Buchst. a SV kann ohne das Erfordernis einer nicht nur wirksamen, sondern unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG ausgesprochenen Kündigung aufrechterhalten bleiben.

64

(1) § 306 Abs. 1 BGB weicht von der Auslegungsregel des § 139 BGB ab. Er bestimmt, dass der Vertrag bei Teilnichtigkeit grundsätzlich aufrechterhalten bleibt. Die Teilbarkeit der Klausel ist durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln. Ist die verbleibende Regelung weiter verständlich, bleibt sie bestehen (sog. blue-pencil-test, vgl. bspw. BAG 12. März 2008 - 10 AZR 152/07 - Rn. 28 mwN, AP BGB § 305 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 33; Linck FS Bauer S. 645, 650 f. mwN).

65

(2) Die Klausel in Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 Buchst. a SV ist teilbar und kann ohne unzumutbare Härte für die Beklagte iSv. § 306 Abs. 3 BGB aufrechterhalten bleiben. Der wirksame Teil der Nr. 2 Buchst. a SV beschränkt sich auf die Voraussetzung einer wirksamen Kündigung, die auch bei Eintritt der Fiktion des § 7 Halbs. 1 KSchG (im Fall einer außerordentlichen Kündigung iVm. § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG) erfüllt ist.

66

gg) Das danach ausreichende Erfordernis einer wirksamen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers durch die K ist gewahrt. Die von der K ausgesprochene Kündigung gilt nach § 7 Halbs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO als wirksam. Der Kläger musste entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht weiter darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG erfüllt sind. Für ein kollusives Zusammenwirken des Klägers mit der K bei Ausspruch der Kündigung bestehen im Streitfall keinerlei Anhaltspunkte. Dagegen sprechen schon der im Zusammenhang mit der Restrukturierungsmaßnahme geschlossene Interessenausgleich und Sozialplan sowie der Umstand, dass der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung nicht widersprochen hat.

67

3. Der Rechtsstreit ist abschließend entscheidungsreif iSv. § 563 Abs. 3 ZPO. Die Beklagte hat die geltend gemachten Vertragsbedingungen - auch hinsichtlich der Eingruppierung in Vergütungsgruppe T 5 Stufe 4 nach § 10 des Entgeltrahmentarifvertrags - auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht in erheblicher Weise bestritten.

68

a) Der Senat hat aufgrund der tatbestandlichen Bezugnahme des Landesarbeitsgerichts auf die Schriftsätze erster und zweiter Instanz zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit Nichtwissen bestritten hat (§ 138 Abs. 4 ZPO), der Kläger habe bis September 1999 Tätigkeiten der Vergütungsgruppe T 5 Stufe 4 versehen. Der Senat hat selbst rechtlich zu würdigen, ob dieses Bestreiten erheblich ist (vgl. zB BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 544/08 - Rn. 46 f., EzA BGB 2002 § 123 Nr. 9).

69

b) Das Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen ist unzulässig.

70

aa) Nach § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Den Handlungen und Wahrnehmungen der Partei stehen die ihrer gesetzlichen Vertreter gleich. Für Geschehnisse im Bereich der eigenen Wahrnehmungsmöglichkeiten besteht grundsätzlich eine Pflicht der Partei, sich das für die Erklärung erforderliche Wissen zu verschaffen. Daher scheidet ein Bestreiten mit Nichtwissen aus, wenn eine Partei in ihrem eigenen Geschäftsbereich Erkundigungen einziehen kann. Über solche Vorgänge kann sich eine Partei nur dann mit Nichtwissen erklären, wenn sie in ihrem Unternehmen ohne Erfolg Erkundigungen über das Verhalten von Personen angestellt hat, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind (vgl. BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 30 mwN, AP HRG § 57a Nr. 12 = EzA TzBfG § 15 Nr. 2).

71

bb) Diesen Anforderungen wird das Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen nicht gerecht. Der Kläger war bis September 1999 bei der Beklagten beschäftigt. Seine Eingruppierung war deshalb möglicher Gegenstand der Wahrnehmung der Repräsentanten der Beklagten. Diese kann sich jedenfalls nicht ohne nähere Erläuterung in zulässiger Weise mit Nichtwissen zu der vom Kläger behaupteten Eingruppierung erklären.

72

C. Die Beklagte hat nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

    Gallner    

        

        

        

    Coulin    

        

    Spie    

                 

(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.

(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss

1.
die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und
2.
der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,
und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.

(3) Die Vertragsparteien können für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Beachtung der in Absatz 2 bezeichneten Erfordernisse im Voraus vereinbaren.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 genannten Versorgungsträger erfolgen. Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.

(2) Betriebliche Altersversorgung liegt auch vor, wenn

1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln (beitragsorientierte Leistungszusage),
2.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zu zahlen und für Leistungen zur Altersversorgung das planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital auf der Grundlage der gezahlten Beiträge (Beiträge und die daraus erzielten Erträge), mindestens die Summe der zugesagten Beiträge, soweit sie nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden, hierfür zur Verfügung zu stellen (Beitragszusage mit Mindestleistung),
2a.
der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet wird, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung nach § 22 zu zahlen; die Pflichten des Arbeitgebers nach Absatz 1 Satz 3, § 1a Absatz 4 Satz 2, den §§ 1b bis 6 und 16 sowie die Insolvenzsicherungspflicht nach dem Vierten Abschnitt bestehen nicht (reine Beitragszusage),
3.
künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden (Entgeltumwandlung) oder
4.
der Arbeitnehmer Beiträge aus seinem Arbeitsentgelt zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung leistet und die Zusage des Arbeitgebers auch die Leistungen aus diesen Beiträgen umfasst; die Regelungen für Entgeltumwandlung sind hierbei entsprechend anzuwenden, soweit die zugesagten Leistungen aus diesen Beiträgen im Wege der Kapitaldeckung finanziert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 330/05 Verkündetam:
13.Juni2007
Fritz
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtin
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: nein
1. Werden aus einer kapitalbildenden Lebensversicherung nur die Ansprüche auf
den Todesfall zur Sicherheit abgetreten, gibt es für die Frage, ob damit zugleich
der Anspruch auf den Rückkaufswert (nach Kündigung) abgetreten ist, keinen generellen
Vorrang für seine Zuordnung zu den Ansprüchen auf den Todesfall (Fortführung
von BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 - IV ZR 59/02 - VersR 2003, 1021 unter
II 1 c).
2. Ob die Abtretung auch den Anspruch auf den Rückkaufswert erfasst, hat der Tatrichter
vielmehr durch Auslegung der bei der Sicherungsabtretung abgegebenen
Erklärungen unter Berücksichtigung der Parteiinteressen und des Zwecks des
Rechtsgeschäfts zu ermitteln.
3. Haben danach Zedent und Zessionar mit der Beschränkung der Sicherungsabtretung
auf den Anspruch auf den Todesfall das Ziel verfolgt, dem Sicherungsgeber
mit Blick auf das Steueränderungsgesetz 1992 steuerliche Vorteile (Abzugsfähigkeit
der Versicherungsprämien als Sonderausgaben und Steuerfreiheit der Kapitalerträge
aus der Lebensversicherung) zu erhalten, ist im Regelfalle der Anspruch
auf den Rückkaufswert nicht mit übertragen.
BGH, Urteil vom 13. Juni 2007 - IV ZR 330/05 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Felsch und
Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2007

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 25. Mai 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin begehrt von dem beklagten Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners H. E. gemäß § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO Befriedigung aus vom Beklagten eingezogenen Rückkaufswerten von vier kapitalbildenden Lebensversicherungen, hilfsweise Schadensersatz.
2
Zur Sicherung von Kreditforderungen der Klägerin in Höhe von insgesamt 610.000 DM trat der Schuldner ihr Anfang Dezember 1995 aus zwei bei der V. Lebensversicherungs AG und zwei bei der G. Lebensversicherungs AG gehaltenen Lebensversicherungsverträgen seine sämtlichen gegenwärtigen und künftige Rechte und Ansprüche für den Todesfall ab.
3
die Für Abtretungserklärungen fand ein Formular der Klägerin Verwendung, das unter der Nr. 1 die Möglichkeit eröffnet, die Abtretung durch Ankreuzen entsprechender Textstellen auf die Ansprüche für den Todesfall (Nr. 1 a) und/oder für den Erlebensfall (Nr. 1 b) zu erstrecken. In den vier Abtretungserklärungen ist jeweils angekreuzt, die Abtretung umfasse die gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag für den Todesfall in voller Höhe. Weiter heißt es unter Nr. 1 der Formulare: "Die Abtretung für den Erlebensfall umfaßt auch etwaige Rechte und Ansprüche im Fall der Verwertung vor Fälligkeit gem. Nr. 4.1."
4
Durchgestrichen ist in den vier Abtretungsurkunden jeweils der nachfolgende Absatz: "3 Entfallen der Steuerbegünstigung Die Sparkasse weist ausdrücklich darauf hin, daß durch diese Abtretung die steuerliche Begünstigung der Lebensversicherung (Sonderausgabenabzug für die Prämien, Steuerfreiheit der Zinsen) entfallen kann, §§ 10 Abs. 2, 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Dem Versicherungsnehmer wird empfohlen , diese Angelegenheit mit einem Berater in Steuerfragen zu besprechen."
5
Im Übrigen heißt es in den Formularen unter anderem: "4 Verwertung und Kündigung 4.1 Die Sparkasse ist berechtigt, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, insbesondere wenn der Kreditnehmer seinen Verpflichtungen in von ihm zu vertretender Weise nicht nachkommt, sich den abgetretenen (Teil-)Betrag im Rahmen des vereinbarten Sicherungszwecks entweder durch Kündigung des Vertrages und Erhebung des Rückkaufwertes oder durch Einziehung bei Fälligkeit zu beschaffen und die sonstigen sich aus dieser Abtretung ergebenden Rechte aus der Versicherung auszuüben, insbesondere die Versicherung in eine beitragsfreie umzuwandeln, die Versiche- rung durch Kündigung aufzulösen, Auszahlungen auf die Versicherung oder eine etwa angesammelte Dividende zu erheben sowie die Rechte und Ansprüche beliebig, auch durch Übertragung an Dritte, zu verwerten. Das gleiche gilt, wenn der Versicherungsnehmer seinen Verpflichtungen aus diesem Vertrage nicht nachkommt. Der Versicherungsnehmer verzichtet auf seine Mitwirkung bei diesen Rechtshandlungen. Soweit etwa eine Genehmigung erforderlich sein sollte, erteilt er sie hiermit im voraus. … 4.4 Soweit ausschließlich Todesfallansprüche abgetreten sind, ist die Ausübung der unter Nr. 4.1 genannten Rechte durch den Versicherungsnehmer, insbesondere die Kündigung des Lebensversicherungsvertrages, nur mit Zustimmung der Sparkasse möglich, soweit dadurch Rechte der Sparkasse aus dieser Vereinbarung beeinträchtigt werden könnten."
6
Am 2. April 1998 trat der Schuldner aus den beiden bei der V. Lebensversicherungs AG gehaltenen Lebensversicherungen zusätzlich auch sämtliche gegenwärtigen und künftigen Rechte auf den Erlebensfall an die Klägerin ab. Alle Abtretungen wurden den beiden Versicherern angezeigt.
7
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigte die Klägerin die Darlehen, meldete beim Beklagten daraus Forderungen in Höhe von 204.193,53 € an und teilte mit, ihr stehe aus den vorgenannten Abtretungen ein Recht zur abgesonderten Befriedigung zu.
8
Der Beklagte, der dieses Recht bestreitet und gegen die Abtretungen der Versicherungsleistungen auf den Erlebensfall die Einrede der Anfechtbarkeit wegen Gläubigerbenachteiligung erhebt, hat die vier Lebensversicherungen gekündigt und deren Rückkaufswerte, insgesamt 92.849,52 €, eingezogen.
9
Die Klägerin meint, der Beklagte müsse ihr - hilfsweise im Wege des Schadensersatzes - die eingezogenen Rückkaufswerte auskehren. Unter Abzug von 4% Feststellungskosten und unter Zubilligung von Rechtsanwaltsgebühren für die Kündigungen der Versicherungsverträge fordert die Klägerin die Zahlung von 89.092,62 €.
10
Landgericht Das hat der Klage in Höhe eines Betrages von 89.033,12 € nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


11
DasRechtsmittel hat keinen Erfolg.
12
A. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe weder ein Anspruch auf Befriedigung aus dem Erlös der eingezogenen Rückkaufswerte noch ein Schadensersatzanspruch zu. Die Abtretung der Todesfallleistungen aus den vier Lebensversicherungen verschaffe der Klägerin kein Recht auf abgesonderte Befriedigung. Soweit sie ihr Begehren daneben auf die Abtretung der Erlebensfallleistungen zweier Lebensversicherungen stütze, stehe dem die Einrede der Anfechtbarkeit aus § 146 Abs. 2 InsO entgegen.
13
I. Die Auslegung der Abtretungserklärungen vom Dezember 1995, insbesondere ein Vergleich der jeweiligen Nummern 4.1 und 4.4 des Formulartextes, ergebe, dass die Abtretungen der Todesfallleistungen nicht die Rechte des Versicherungsnehmers auf den Rückkaufswert er- fasst hätten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Vertragsparteien die Abtretung ersichtlich steuerunschädlich hätten gestalten wollen, wie auch der Streichung des steuerrechtlichen Hinweises in Nr. 3 des Formulars über die Abtretungserklärung entnommen werden könne. Den Bestimmungen der §§ 10 Abs. 2 Satz 2 und 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes von 1992 Rechnung zu tragen und dem Kreditgeber die steuerlichen Vorteile (Abzugsfähigkeit der Prämien als Sonderausgaben und Steuerfreiheit der Zinsen) zu erhalten, sei nur mittels solcher Abtretungen zu erreichen gewesen, die die Rückkaufswerte nicht erfassten. Auch wenn die Abtretungen die Kreditgeberin danach allein vor dem Ausfall von Zins- und Tilgungsleistungen wegen Todes des Kreditnehmers, nicht jedoch vor einer Insolvenz des Kreditnehmers geschützt hätten, seien sie nicht als wirtschaftlich sinnlos anzusehen.
14
II. Die am 2. April 1998 erklärten Abtretungen der Erlebensfallleistungen zweier Lebensversicherungen seien wegen Gläubigerbenachteiligung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO anfechtbar, weshalb der Beklagte dem Leistungsbegehren insoweit die Einrede der Anfechtbarkeit nach § 146 Abs. 2 InsO entgegenhalten könne.
15
Durch die innerhalb der 10-Jahresfrist des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO erklärten Abtretungen seien Insolvenzgläubiger objektiv benachteiligt worden. Darauf sei auch der - jedenfalls bedingte - Vorsatz des Schuldners gerichtet gewesen. Dafür spreche vor allem, dass der Klägerin ohne jede Gegenleistung eine Sicherheit eingeräumt worden sei, auf die kein Anspruch bestanden habe, und dass die Klägerin zur Zeit der Abtretungserklärungen ausweislich einer von ihr selbst erstellten Vermögensbewertung gewusst habe, dass der Schuldner in einer finanziell äußerst beengten Lage gewesen sei.

16
Eine - hier vorliegende - inkongruente Deckung bilde regelmäßig ein starkes Indiz sowohl für die Benachteiligungsabsicht des Schuldners als auch die Kenntnis des Gläubigers davon. Die Abtretung der Erlebensfallleistungen aus den Lebensversicherungsverträgen habe die Klägerin weder aufgrund der Darlehensverträge noch aus einem allgemeinen Anspruch auf Verstärkung bankmäßiger Sicherheiten verlangen können. Es stelle auch keine Gegenleistung der Klägerin dar, dass sie dem Schuldner den zur Zeit der Abtretungserklärungen aufgelaufenen Ratenrückstand von 30.000 DM anlässlich der Abtretung vorläufig gestundet habe, weil diese Forderung bei Fälligstellung ohnehin nicht ohne Weiteres zu realisieren gewesen wäre. Insoweit werde die Inkongruenz nicht ausgeschlossen.
17
Für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners spreche neben den genannten Indizien, dass der Schuldner zur Zeit der Abtretungserklärungen erhebliche Verbindlichkeiten, unter anderem aus bereits seit Herbst 1996 nicht mehr abgeführten Sozialabgaben für seine Mitarbeiter, aus offenen Versicherungsprämien für Unfall- und Rechtsschutzversicherungen , aus unbezahlten Telefonrechungen und Kfz-Leasing-Raten, ferner aus der Haftung für Baumängel und offenen Steuerberater- und Architektenhonorarforderungen gehabt und nicht habe davon ausgehen können, alle Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigen zu können. Insoweit seien das substantiierte Vorbringen des Beklagten von der Klägerin lediglich pauschal - und damit unbeachtlich - bestritten und auch im Übrigen die für einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die entsprechende Kenntnis der Klägerin maßgeblichen Beweisanzeichen nicht entkräftet.
18
Da III. die Ansprüche auf die Rückkaufswerte beim Schuldner verblieben seien, habe sich der Beklagte mit deren Einziehung auch nicht schadensersatzpflichtig gemacht.
19
B. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
20
I. Die am 1. Dezember 1995 erklärten Abtretungen der Ansprüche auf den Todesfall aus den vier Lebensversicherungen haben die jeweiligen Ansprüche auf die Rückkaufswerte nicht mit erfasst. Der Klägerin steht deshalb weder ein Recht auf abgesonderte Befriedigung (§ 51 Nr. 1 InsO) aus den vom Beklagten eingezogenen Beträgen noch ein Schadensersatzanspruch zu.
21
Der Versicherungsnehmer kann über die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag unterschiedlich verfügen. Das gilt nicht nur für die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechtes (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 - IV ZR 59/02 - VersR 2003, 1021 unter II), sondern auch für die Sicherungsabtretung von Rechten aus dem Versicherungsvertrag. Auch dann, wenn aus einer kapitalbildenden Lebensversicherung nur die Ansprüche auf den Todesfall zur Sicherheit abgetreten werden , gibt es für die Frage, ob damit zugleich der Anspruch auf den Rückkaufswert abgetreten ist, keinen generellen Vorrang für seine Zuordnung zu den Ansprüchen auf den Todesfall. Gegen eine Übertragung der Grundsätze der zur Einräumung einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung ergangenen Entscheidung BGHZ 45, 162 ff. auf die Sicherungszession von Ansprüchen auf den Todesfall spricht bereits, dass sich diese Entscheidung vorwiegend auf Erwägungen zur familiären Fürsorge des Versicherungsnehmers stützt, die auf die Motivlage bei der Sicherungs- zession nicht übertragbar sind (BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 aaO unter II 1 c). Der erkennende Senat (aaO) hat zudem mit Blick auf die Einräumung einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung bereits ausgesprochen , dass für die Zuordnung der Ansprüche nicht eine theoretische rechtliche Konstruktion oder Bedingungshierarchie, sondern allein der im rechtlich möglichen Rahmen geäußerte, durch Auslegung zu ermittelnde Gestaltungswille des Versicherungsnehmers entscheidend ist (vgl. dazu auch Herrmann, Sicherungsabtretung und Verpfändung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag durch den Versicherungsnehmer, Diss. 2003 S. 92 ff.).
22
gilt Das für die Sicherungsabtretung von Rechten aus dem Lebensversicherungsvertrag in gleicher Weise. Auch hier unterliegt es im Rahmen des rechtlich Möglichen der freien Gestaltung der Parteien, auf welche Rechte sich die Abtretung erstreckt. Ob sie auch den Anspruch auf den Rückkaufswert erfasst, hat der Tatrichter deshalb durch Auslegung der bei der Sicherungsabtretung abgegebenen Erklärungen unter Berücksichtigung der Parteiinteressen und des Zwecks des Rechtsgeschäfts zu ermitteln.
23
1. Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, ergibt schon der Wortlaut der Abtretungserklärungen, dass der Anspruch auf den Rückkaufswert von der Sicherungsabtretung der Ansprüche auf den Todesfall jeweils nicht mit erfasst wurde.
24
Selbst wenn die Formulierung unter Nr. 1 der Abtretungserklärungen , es würden "die gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche … für den Todesfall in voller Höhe" abgetreten, es für sich genommen noch möglich erscheinen ließe, dass auch der Anspruch auf den Rückkaufswert erfasst sein sollte, wird dies durch die weiteren Bestimmungen der Abtretungserklärungen ausgeschlossen.
25
a) Nach deren Nr. 1 b umfasst die - hier nicht gewählte - Abtretung der Rechte und Ansprüche für den Erlebensfall auch etwaige Rechte und Ansprüche im Fall der Verwertung vor Fälligkeit gemäß Nr. 4.1. Dort ist geregelt, dass die Sparkasse aus wichtigem Grund, insbesondere bei Nichterfüllung der Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag, unter anderem den Lebensversicherungsvertrag kündigen und den Rückkaufswert erheben könne. Der vom Berufungsgericht gezogene Umkehrschluss , dass das im Falle der Abtretung ausschließlich der Ansprüche für den Todesfall (Nr. 1 a der Abtretungserklärungen) demnach nicht gelte , wird durch Nr. 4.4 bestätigt, wonach der Versicherungsnehmer die in Nr. 4.1 genannten Rechte nur mit Zustimmung der Sparkasse ausüben darf, was gerade voraussetzt, dass ihm diese Rechte (nicht nur das Kündigungsrecht , sondern auch das Recht zur Erhebung des Rückkaufswertes ) zunächst verbleiben.
26
b) Zu Unrecht meint die Revision, die Regelung in Nr. 4.4 der Abtretungserklärungen müsse sich allein auf das Kündigungsrecht beziehen , weil der Zustimmungsvorbehalt nur den einen Zweck haben könne, der Sicherungsnehmerin den ihr übertragenen Anspruch auf den Rückkaufswert zu erhalten. Das steht schon im Widerspruch zum Wortlaut der Bestimmung, die von den unter Nr. 4.1 genannten Rechten spricht und nur "insbesondere" die Kündigung als eines dieser Rechte hervorhebt. Im Übrigen macht der Zustimmungsvorbehalt in Nr. 4.4 auch dann Sinn, wenn der Anspruch auf den Rückkaufswert beim Versicherungsnehmer verbleibt. Denn eine Kündigung des Versicherungsvertrages führt dazu, dass der Versicherer die Todesfallleistung, also das zentrale Sicherungsinstrument , welches die Sicherungsnehmerin vor Zahlungsausfall durch Tod des Darlehensnehmers schützen soll, nicht mehr erbringen muss. Vor dieser Folge wird die Sicherungsnehmerin durch den Zustimmungsvorbehalt geschützt.
27
2. Im Einklang mit diesem aus dem Wortlaut der Abtretungserklärungen gewonnenen Ergebnis steht, dass die Beschränkung der Zession zu dem Zweck erfolgte, dem Versicherungsnehmer die steuerliche Privilegierung für die vier Lebensversicherungsverträge dadurch zu erhalten, dass die Rückkaufswerte nicht für die Darlehenssicherung herangezogen wurden. Das zeigt schon die Streichung des steuerrechtlichen Hinweises in Nr. 3 der Formulare über die Abtretungserklärungen. Mit ihr wurde zum Ausdruck gebracht, dass Zedent und Zessionarin übereinstimmend davon ausgingen, die Abtretungen hätten keine nachteiligen Konsequenzen für die steuerrechtliche Begünstigung der von den Abtretungen betroffenen Lebensversicherungsverträge.
28
a) Insoweit erschließt sich der Zweck der hier gewählten Abtretung der Ansprüche auf den Todesfall aus den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes zur steuerrechtlichen Privilegierung von Kapitallebensversicherungen (vgl. dazu Herrmann aaO S. 10-18; Janca ZInsO 2003, 449, 452; Wagner VersR 1998, 1083).
29
Prämienzahlungen aa) für Kapitallebensversicherungen mit mindestens 12-jähriger Laufzeit konnten nach der bis zum Februar 1992 geltenden Fassung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. b EStG - im Rahmen von Höchstbezügen - als steuermindernde Sonderausgaben geltend gemacht werden. Zinsen aus solchen privilegierten Versicherungen waren von der Steuerpflicht für Kapitaleinnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG ausgenommen. Infolgedessen wurden Lebensversicherungen vermehrt zur Steuerersparnis im Rahmen von Finanzierungen genutzt, ohne dabei der privaten Alters- oder Hinterbliebenenversorgung zu dienen (s. dazu BT-Drucks. 12/1108 S. 55 ff.). Dem ist der Gesetzgeber, der darin einen zweckwidrigen Missbrauch der steuerlichen Förderung sah, durch das Steueränderungsgesetz vom 25. Februar 1992 (BGBl. I S. 297) entgegengetreten (vgl. dazu auch BT-Drucks. 12/1108 aaO).
30
bb) Seither sind Lebensversicherungsverträge grundsätzlich nicht mehr steuerlich privilegiert, wenn sie auch zu Lebzeiten der versicherten Person (d.h. mit der "Erlebensfallleistung") der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienen, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind (§ 10 Abs. 2 Satz 2 EStG).
31
b) Für die Besicherung von Darlehen durch Lebensversicherungsverträge im gewerblichen Bereich ergab sich aus der Gesetzesänderung, dass seit Ende Februar 1992 die genannten steuerlichen Vorteile unter anderem dann erhalten blieben, wenn lediglich die Ansprüche auf den Todesfall zur Darlehenssicherung herangezogen wurden (vgl. dazu Janca aaO S. 452 m.w.N. in Fn. 51). Umgekehrt sahen die Finanzbehörden eine Erstreckung der Darlehenssicherung auf den Rückkaufswert einer Lebensversicherung als "steuerschädlich" an (vgl. dazu Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 6. Mai 1994 - IV B 2 - S 2134 - 56/94 - NJW 1994, 1714). War es bis Anfang 1992 bei Sicherungsabtretungen der Rechte aus Lebensversicherungen die Regel, alle Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag abzutreten (Janca aaO), gingen Banken und Sparkassen in der Folgezeit dazu über, sich nur noch die Ansprüche für den Todesfall abtreten zu lassen (vgl. dazu Herrmann aaO S. 17, 18; Wagner aaO; Meyer-Scharenberg DStR 1993, 1768 1774), um so eine "steuerunschädliche" Verwendung der Lebensversicherungen zu gewährleisten , das heißt ihren Kunden die bisherigen Steuervorteile zu erhalten und damit deren Entscheidung für eine Sicherungsabtretung zu erleichtern.
32
Dafür, dass die Parteien der Sicherungszessionen hier von anderen Motiven geleitet gewesen wären, spricht nichts.
33
3. Anders als die Revision meint, hat das Berufungsgericht auch nicht gegen den Grundsatz interessengerechter Auslegung verstoßen, weil seine Lösung zur Folge hat, dass die gewährte Sicherheit im Fall der Insolvenz des Sicherungsgebers versagt.
34
Schon wegen des dargelegten steuerrechtlichen Hintergrundes spricht alles dafür, dass die Klägerin die vier Lebensversicherungsverträge zunächst bewusst nur noch zu dem eingeschränkten Sicherungszweck heranziehen wollte, gegen Kreditratenausfall durch Tod des Darlehensnehmers geschützt zu sein (vgl. Herrmann aaO; Wagner aaO; Janca aaO). Die Absicherung (allein) gegen den vorzeitigen Tod des Darlehensnehmers ist für die Kreditgeberin auch nicht wirtschaftlich sinnlos , sondern schützt vor einem wesentlichen Kreditausfallrisiko.
35
Für die Auslegung des Berufungsgerichts spricht im Übrigen gerade der Umstand, dass die Klägerin sich im April 1998 zusätzlich zu den ihr schon übertragenen Ansprüchen auf den Todesfall alle weiteren Rechte aus den beiden bei der V. Versicherungs AG gehaltenen Lebensversicherungen gesondert übertragen ließ, als sich wirtschaftliche Probleme des Darlehensnehmers abzeichneten. Das belegt, dass auch die Klägerin die vorherige Abtretung noch nicht als insolvenzfeste Absicherung ansah.
36
II.OhneRechtsfehler hat das Berufungsgericht diese Abtretungen der Ansprüche auf den Erlebensfall vom 2. April 1998 für anfechtbar gemäß § 133 Abs. 1 Abs. 1 InsO erachtet. Danach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung diesen Vorsatz des Schuldners kannte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind diese Voraussetzungen gegeben.
37
1. Entgegen der Annahme der Revision hat das Berufungsgericht nicht verkannt, dass die Darlegungs- und Beweislast für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners beim Insolvenzverwalter liegt (BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - IX ZR 272/02 - ZIP 2003, 1799 unter II 1 a m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bildet aber die Inkongruenz der angefochtenen Leistung ein Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz (vgl. BGHZ 123, 320, 326; 138, 291, 308; 157, 242, 253; BGH, Urteile vom 11. März 2004 - IX ZR 160/02 - ZIP 2004, 1060 unter II 1 c, bb; vom 22. April 2004 - IX ZR 370/00 - ZIP 2004, 1160 unter II 3 b, aa; vom 8. Dezember 2005 - IX ZR 182/01 - WM 2006, 190 unter II 2 a, aa). Die aus der Inkongruenz der Leistung folgende Beweiserleichterung ist bei der Vorsatzanfechtung auch außerhalb des Drei-Monats-Zeitraums des § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO anzuwenden. Voraussetzung ist allerdings, dass die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als zumindest aus der Sicht des Anfechtungsgegners Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln.
38
a) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Abtretung der Erlebensfallansprüche als Gewährung einer inkongruenten Deckung angesehen. Auf diese Abtretung hatte die Klägerin keinen Anspruch. Zwar hatte ein früherer Darlehensvertrag vom 22. Juni 1994 zunächst eine Besicherung ihrer Forderungen durch Bestellung einer Grundschuld vorgesehen. Da das dafür in Aussicht genommene Grundstück jedoch nie in das Eigentum des Schuldners gelangt war, wurde stattdessen die streitgegenständliche Sicherungsabtretung vereinbart. Leistet der Schuldner eine andere Sicherheit als geschuldet, ist die Leistung inkongruent, wenn die Abweichung nicht geringfügig ist (MünchKomm-lnsO/Kirchhof, § 131 Rdn. 37). Die Geringfügigkeit der Abweichung hat das Berufungsgericht mit zutreffenden Erwägungen verneint.
39
Zu Unrecht beanstandet die Revision an dieser Stelle, der Tatrichter habe nicht berücksichtigt, dass die Abtretungen nicht im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld der Insolvenz geschahen. Die von der Revision dazu herangezogene Rechtsprechung, wonach die Indizwirkung einer inkongruenten Deckung um so weniger ins Gewicht fällt, je länger die angefochtene Handlung vor der Verfahrenseröffnung liegt (BGHZ 157, 242, 254), betrifft nämlich nicht den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners, sondern allein die Frage Kenntnis des anderen Teils hiervon (vgl. dazu unten 2.).
40
b) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Liquidität des Schuldners bereits zum Zeitpunkt der Abtretung sehr angespannt war.
41
Ob hier vom Vorliegen eines einfachen oder eines starken Beweisanzeichens für den Benachteiligungsvorsatz auszugehen war, ist nicht entscheidungserheblich, weil das Berufungsgericht ein weiteres Indiz zu Recht daraus hergeleitet hat, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Abtretung erhebliche Verbindlichkeiten hatte, nicht davon ausgehen konnte, alle Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigen zu können, und die Abtre- tungen dazu dienten, Beitreibungsmaßnahmen seitens der Klägerin zu verhindern. Ein Schuldner, der weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er nicht alle seine Gläubiger befriedigen kann, und dennoch die Forderungen eines einzelnen Gläubigers befriedigt oder ihm eine zusätzliche Sicherheit verschafft, rechnet mit einer dadurch eintretenden Benachteiligung der anderen Gläubiger, für die damit weniger übrig bleibt. Dies genügt für die Annahme des Vorsatzes im Sinne des § 133 InsO (BGHZ 131, 189, 195; BGH, Urteile vom 17. Juli 2003 aaO unter II 1 c, bb; vom 11. März 2004 aaO unter II 1 c, cc; vgl. ferner BGHZ 167, 190, 194 f.). Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass die Klägerin die im Einzelnen vorgetragenen und durch die Vorlage von Urkunden belegten Forderungen der Gläubiger lediglich pauschal - und damit unbeachtlich - bestritten hat.
42
2. Auf Grund der tatrichterlichen Feststellungen ist ferner davon auszugehen, dass die Klägerin den Vorsatz des Schuldners kannte, seine Gläubiger zu benachteiligen.
43
a) Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ist diese Kenntnis zu vermuten, wenn der Anfechtungsgegner zum maßgeblichen Zeitpunkt (§ 140 InsO) wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte (vgl. dazu BGHZ 155, 75, 85; BGH, Urteil vom 8. Dezember 2005 aaO).
44
Der Tatrichter hat aus dem eigenen Vortrag der Klägerin und den von ihr vorgelegten Urkunden - insbesondere der im Hause der Klägerin erstellten Vorlage an den eigenen Vorstand vom 26. März 1998 - ihre Kenntnis entnommen, dass sich der Schuldner damals in einer finanziell äußerst beengten Lage befand. In dieser Vorlage heißt es am Schluss: "Der bisher erzielte Gewinn ... war ... nicht ausreichend. Liquiditätsprob- leme werden sich, sofern die avisierten Großaufträge nicht eintreffen, nicht lösen." Zu diesem Zeitpunkt kannte die Klägerin bereits das Schreiben des Schuldners vom 4. März 1998, aus dem die Revision ableitet , die Klägerin habe nicht von dauerhaft beengten finanziellen Verhältnissen des Schuldners ausgehen müssen. Die anders lautende tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts ist danach nicht nur möglich , sondern auch nahe liegend.
45
Unter diesen Umständen brauchte das Berufungsgericht auch nicht den als Zeugen angebotenen Mitarbeiter S. der Klägerin zu vernehmen. In das Wissen des Zeugen war gestellt, der Schuldner habe sich aus einem größeren Bauvorhaben, das nicht zustande gekommen ist, eine Provision von 1% bis 1,5% des Bauvolumens erhofft. Darauf kam es aber nicht an, weil das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei dargelegt hat, die Klägerin selbst habe - wie ihre erwähnte Vorlage belege - nie auf diese Hoffnung des Schuldners gebaut.
46
Dass die Klägerin die Gläubiger benachteiligende Wirkung der Abtretung nicht erkannt habe, macht die Revision selbst nicht geltend.
47
b) Im Übrigen ist die Inkongruenz der Abtretung auch ein Beweisanzeichen für die Kenntnis der Klägerin von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners (ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 157, 242, 250 ff.; BGH, Urteile vom 11. März 2004 aaO unter II 1 d; vom 22. April 2004 aaO unter II 3 c), wobei es genügt, dass ihr die Tatsachen bekannt waren, die den Rechtsbegriff der Inkongruenz ausfüllen (BGH, Urteile vom 11. März 2004 aaO; vom 22. April 2004 aaO). Dass sie statt der geschuldeten eine andere Sicherheit erhielt, wusste die Klägerin.
48
c) Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen , dass die Klägerin weder die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO noch das Beweisanzeichen der Inkongruenz entkräftet hat.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 27.07.2004 - 10 O 209/04 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 25.05.2005 - 6 U 168/04 -

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 107/01 Verkündet am:
19. Januar 2005
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 305 Abs. 2 Nr. 2 (= AGBG § 2 Abs. 1 Nr. 2), 305 c (= AGBG §§ 3, 5), AKB

a) Eine formularmäßig getroffene Vereinbarung über die Haftungsbefreiung des Mieters
eines Kraftfahrzeugs gegen zusätzliches Entgelt ist objektiv nach dem Willen
verständiger und redlicher Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der
normalerweise an solchen Geschäften beteiligten Kreise auszulegen.

b) Die dem Mieter eines Kraftfahrzeugs gegen Zahlung eines zusätzlichen Entgelts
gewährte Haftungsfreistellung erfaßt auch bei einem allgemeinen Hinweis auf die
Grundsätze einer Vollkaskoversicherung Schäden durch unsachgemäße Behandlung
des Fahrzeugs, insbesondere durch einen Schaltfehler.
BGH, Urteil vom 19. Januar 2005 - XII ZR 107/01 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Januar 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter
Fuchs und Dr. Ahlt, die Richterin Dr. Vézina und denRichter Dose

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. März 2001 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz für einen Motorschaden an einem vermieteten Kraftfahrzeug. Der Beklagte mietete von der Klägerin für die Zeit vom 21. bis 22. Juli 1999 einen VW L 80 Kastenwagen. In dem schriftlichen Mietvertrag vereinbarten die Parteien u.a. zum Vollkaskoschutz folgendes: "Vollkaskoschutz 1 Tag á 33,62 DEM Eigenbeteiligung 1 300 DEM"
In den dem Mietvertrag beiliegenden "Allgemeinen Vermietbedingungen" , die die Klägerin bundesweit verwendet, ist zur Haftung des Mieters folgendes geregelt: "10. Haftung des Mieters
a) Der Mieter haftet bei von ihm verschuldeten Unfallschäden am gemieteten Fahrzeug nur für reine Reparaturkosten und beschränkt auf den in der jeweils gültigen Preisliste angegebenen Höchstbetrag.
b) Der Mieter haftet jedoch für Unfallschäden unbeschränkt, sofern er den Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat oder der Schaden durch alkohol- oder drogenbedingte Fahruntüchtigkeit entstanden ist. Das gleiche gilt für Schäden, die durch Nichtbeachtung des Zeichens 205 (Durchfahrtshöhe) gemäß § 41 Abs. 2 Ziff. 6 StVO verursacht werden.
c) Hat der Mieter Unfallflucht begangen oder seine Pflichten gemäß Ziff. 8 dieser Bedingungen verletzt, so haftet er ebenfalls voll, es sei denn, die Verletzung hat keinen Einfluß auf die Feststellung des Schadensfalles gehabt.
d) Der Mieter haftet ebenso unbeschränkt für alle von ihm zu vertretenden Schäden, die bei der Benutzung durch einen nicht berechtigten Fahrer (Ziff. 5) oder zu verbotenem Zweck (Ziff. 6), durch das Ladegut oder durch unsachgemäße Behandlung des Fahrzeuges entstanden sind.
e) Wird eine Haftungsbefreiung gegen Zahlung eines zusätzlichen Entgeltes vereinbart, wird E. den Mieter nach den Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung bei PKW mit DM 450,-- bei LKW mit
DM 650,-- Selbstbeteiligung bzw. mit DM 1.000,-- Selbstbeteiligung bei Mieter/Fahrer unter 23 Jahren pro Schadenfall für Schäden am gemieteten Fahrzeug freistellen. Von der Verpflichtung gemäß Ziff. 6 und 8 ist er nicht befreit. Bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verursachung des Schadens, insbesondere bei alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit sowie bei Verletzung der vertraglichen Obliegenheiten und Verpflichtungen haftet der Mieter voll.
f) Im übrigen bleibt es bei der gesetzlichen Regelung." Während der Fahrt verursachte der Bruder des Beklagten durch einen Schaltfehler einen erheblichen Motorschaden an dem Mietfahrzeug. Dadurch wurden Reparaturkosten notwendig, die die vereinbarte Eigenbeteiligung jedenfalls übersteigen. Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben und lediglich im Wege der Vorteilsausgleichung von den Materialkosten 10 % "neu für alt" abgesetzt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage im wesentlichen abgewiesen und den Beklagten nur zur Zahlung eines Betrages in Höhe der vereinbarten Eigenbeteiligung von 300 DM verurteilt. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin bleibt ohne Erfolg.

I.

1. Das Oberlandesgericht, dessen Urteil in VersR 2001, 773 veröffentlicht ist, ist zwar von einer Schadensersatzpflicht des Beklagten ausgegangen. Seine Haftung sei allerdings nach der Vereinbarung der Parteien auf die Eigenbeteiligung von 300 DM beschränkt. Schon eine Auslegung der Ziff. 10 der Allgemeinen Vermietbedingungen führe dazu, daß fahrlässige Bedienungsfehler von der Haftungsbefreiung in Ziff. 10 e erfaßt seien. Die Vereinbarung zur Haftung des Mieters erfasse unter Ziff. 10 d auch eine Haftung für unsachgemäße Behandlung des Fahrzeugs, wozu auch Bedienungsfehler zu rechnen seien. Die unmittelbar danach in Ziff. 10 e geregelte Haftungsbefreiung stehe damit aus Sicht eines durchschnittlichen Kunden im Zusammenhang und beziehe sich deswegen auch auf Schäden durch Bedienungsfehler. Das gelte insbesondere deswegen, weil die Regelung zur Haftungsbefreiung in Satz 1 der Ziff. 10 e durch die folgenden Sätze 2 und 3 ausdrücklich eingeschränkt werde, was einer weiteren Einschränkung nach Maßstäben der Vollkaskoversicherung entgegenstehe. Im Zweifel sei die Gesamtregelung deswegen so auszulegen, daß neben den in Ziff. 10 e Satz 2 und 3 ausdrücklich geregelten Ausnahmen keine weiteren unbenannten Ausnahmen gelten. Der Umfang einer Haftungsbefreiung sei für einen Kunden sonst auch nicht eindeutig erkennbar. Zwar müsse sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Umfang einer Haftungsbefreiung gegen zusätzliches Entgelt in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Autovermieters am Leitbild einer Vollkaskoversicherung orientieren. Konkrete Regelungen in Vermietbedingungen seien deswegen nicht zu beanstanden, wenn sie mit den Bestimmungen über die Leistungsfreiheit in den AKB korrespondieren. Dazu bedürfe es allerdings einer
konkreten Regelung der Ausnahmetatbestände in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ob eine bloße Bezugnahme auf die früher geltenden AKB die Voraussetzungen des § 2 AGBG erfülle, müsse nicht entschieden werden. Jedenfalls mit der Freigabe der Versicherungsbedingungen seit 1995 gebe es keine einheitlichen, allgemein verbindlichen AKB mehr, denen sich allgemeine Grundsätze insbesondere zum Umfang der Leistungspflicht des Versicherers entnehmen ließen. Wegen der unterschiedlichen Bestimmungen des Versicherungsfalls in einer Vielzahl von alternativen Fassungen lasse sich nicht mehr allgemein verbindlich ableiten, welche Schadensfälle nicht versichert seien und deshalb auch bei einer Kfz-Miete nicht zur Haftungsfreistellung führen könnten. Auch die Interessenlage des Mieters spreche für eine Gleichbehandlung der Haftung für Unfallschäden und für Schäden aus Bedienungsfehlern. Aus seiner Sicht begründe es keinen Unterschied, ob er beispielsweise mit einem gemieteten Fahrzeug einen Unfall mit Blechschaden verursache, weil er die Fahrzeugabmessungen falsch eingeschätzt habe, oder ob er einen Motorschaden verursache, weil er sich verschaltet habe. Beide Vorfälle beruhten darauf, daß er mit dem Fahrzeug nicht vertraut sei und die gesteigerten Sorgfaltsanforderungen nicht hinreichend beachtet habe. Er müsse deswegen annehmen, daß das vereinbarte Zusatzentgelt für die Haftungsbefreiung so kalkuliert und die Haftungsbefreiung deshalb so zu verstehen sei, daß diese Schäden unterschiedslos erfaßt werden, soweit nicht eindeutig etwas Abweichendes geregelt sei. Diese Auslegung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei naheliegend und jedenfalls als die kundenfreundlichere nach § 5 AGBG vorzuziehen. Wollte man die Klausel in Ziff. 10 e der Allgemeinen Vermietbedingungen so auslegen, daß von der Haftungsbefreiung auch fahrlässige Bedienungsfehler ausgenommen seien, sei die Vorschrift neben der ausdrücklichen Regelung in den Sätzen 2 und 3 überraschend und deswegen nach § 3 AGBG unwirksam.
Abgesehen davon sei die Regelung dann auch intransparent und deswegen nach § 9 AGBG unwirksam. 2. Die Revision der Klägerin meint hingegen, eine Einschränkung der Haftungsbefreiung ergebe sich aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf die Grundsätze einer Vollkaskoversicherung. Die Regelung sei auch nicht unklar, weil durch einen Schaltfehler verursachte Fahrzeugschäden auch nach Freigabe der Versicherungsbedingungen durchweg nicht in den Vollkasko-Versicherungsschutz einbezogen seien. Von der Haftungsbefreiung seien in Ziff. 10 e Satz 3 der Allgemeinen Vermietbedingungen Verletzungen der vertraglichen Obliegenheiten und Verpflichtungen sogar ausdrücklich ausgenommen. Zu diesen Verpflichtungen des Mieters gehöre auch die ordnungsgemäße Betätigung der Gangschaltung eines gemieteten Fahrzeugs. Der Ausschluß einer Haftungsbefreiung für fahrlässige Bedienungsfehler sei weder überraschend oder unangemessen, noch verstoße er gegen das Transparenzgebot. Auch von der Vollkaskoversicherung seien Schäden, die auf eine Verletzung vertraglicher Verpflichtungen des Mieters eines Kraftfahrzeugs zurückgehen, regelmäßig nicht erfasst. Dieses entspreche der Verletzung von Obliegenheiten des Versicherungsnehmers , wenn er selbst Eigentümer des Kfz sei.

II.

Diesen Angriffen der Revision hält das Berufungsgericht in vollem Umfang stand. 1. Die Klägerin verwendet ihre "Allgemeinen Vermietbedingungen" nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts im gesamten Bundesgebiet. Die Auslegung durch das Berufungsgericht unter-
liegt deshalb der uneingeschränkten Nachprüfung in der Revisionsinstanz (BGHZ 98, 256, 258; 105, 24, 27). Die Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin sind als Allgemeine Geschäftsbedingungen nach gefestigter Rechtsprechung unabhängig von der Gestaltung des Einzelfalles sowie dem Willen und den Belangen der jeweils konkreten Vertragspartner, also nach ihrem typischen Sinn auszulegen. Es kommt darauf an, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise an solchen Geschäften beteiligten Kreise verstanden werden (BGHZ 77, 116, 118 m.w.N.). Ansatzpunkt für die bei einem Formularvertrag gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut (BGH Urteil vom 17. Februar 1993 - VIII ZR 37/92 - NJW 1993, 1381, 1382). Ist der Wortlaut eines Formularvertrages nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muß (BGHZ 33, 216, 218 f.; 77 a.a.O.). Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist (vgl. insoweit BGH Urteil vom 10. Juni 1983 - V ZR 252/80 - NJW 1984, 169, 170), kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten. Bleiben nach Erwägung dieser Umstände Zweifel, geht dies gemäß § 5 AGBG (in der hier anwendbaren Fassung, jetzt § 305 c Abs. 2 BGB) zu Lasten des Verwenders (BGH Urteil vom 14. Februar 1968 - VIII ZR 220/65 - NJW 1968, 885); in solchen Fällen setzt sich also die kundenfreundlichere Lösung durch (BGH Urteil vom 17. Februar 1993 aaO). Denn der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nach Treu und Glauben gehalten, die Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und überschaubar darzustellen. Er muß somit die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so ge-
nau beschreiben, daß für ihn kein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum entsteht. Die Beschreibung muß für den anderen Vertragsteil aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters nachprüfbar und darf nicht irreführend sein. Dabei ist zu beachten, daß durch eine allzu detaillierte Regelung unübersichtliche und nur schwer durchschaubare Klauselwerke entstehen können, die den Interessen des anderen Vertragsteils abträglich sind (BGHZ 111, 388, 391). 2. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, daß von der Haftungsbefreiung in Ziff. 10 e der Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin Schäden durch unsachgemäße Behandlung des Fahrzeugs, insbesondere durch einen Schaltfehler, nicht ausgenommen sind.
a) Der Wortlaut der allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin enthält keine ausdrückliche Regelung zur Haftungsbefreiung bei unsachgemäßer Behandlung des Fahrzeugs z.B. durch einen Schaltfehler. Zwar hat die Klägerin als Verwenderin in Ziff. 10 e ihrer Allgemeinen Vermietbedingungen für den Fall einer Haftungsbefreiung gegen zusätzliches Entgelt eine Freistellung "nach den Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung" zugesagt. Das allein sagt zum Umfang der Haftung allerdings nichts aus, weil der Begriff der Grundsätze einer Vollkaskoversicherung seinerseits auslegungsbedürftig ist.
b) Zu Recht hat das Berufungsgericht bei der gebotenen Auslegung auf den Gesamtzusammenhang der Regelung in Ziff. 10 der Allgemeinen Vermietbedingungen abgestellt. Nach dessen Ziff. 10 d haftet der Mieter ausdrücklich auch für Schäden, die durch unsachgemäße Behandlung des Fahrzeugs entstanden sind. Dazu gehören auch Bedienungsfehler, wie der Schaltfehler im vorliegenden Fall. Die unmittelbar danach unter Ziff. 10 e folgende Haftungsbefreiung bezieht sich schon vom optischen Eindruck, aber auch vom Sinngehalt
auf die zuvor beschriebene Haftung des Mieters, mithin auch auf Bedienungsfehler. Das gilt umso mehr, als in den Sätzen 2 und 3 der Ziff. 10 e ausdrücklich Ausnahmen der Haftungsfreistellung benannt sind. Auch dieses spricht nach dem objektiven Empfängerhorizont für eine abgeschlossene Regelung, die nicht zusätzlich durch einen allgemeinen Bezug auf die Vorschriften der Vollkaskoversicherung beschränkt ist. Daran ändert auch die Bezeichnung der Freistellung als "nach den Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung" nichts, weil dieser Formulierung aus Sicht der typischerweise an solchen Geschäften beteiligten Verkehrskreise keine eigenständige Beschränkung der Haftungsfreistellung zukommt. Die Grenzen der Haftungsfreistellung sind vielmehr ausdrücklich in den Sätzen 2 und 3 der Ziff. 10 e geregelt. Diesen Ausnahmevorschriften bleibt ihr voller Wirkungsgehalt nur dann erhalten, wenn der Haftungsausschluß in Satz 1 der Ziff. 10 e alle zuvor erwähnten Haftungstatbestände erfasst. Denn wenn die Haftungsfreistellung schon allgemein auf den Umfang einer Vollkaskoversicherung begrenzt wäre, hätte es des ausdrücklich vorgesehenen Ausschlusses für vorsätzliche und grob fahrlässige Schadensverursachung sowie für Schäden infolge alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit nicht bedurft.
c) Ebenfalls zu Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, daß die von der Klägerin verwendete Formulierung "Grundsätze einer Vollkaskoversicherung" unklar und für eine Einschränkung der Haftungsbefreiung nicht geeignet ist. Zwar hat der Bundesgerichtshof in gefestigter Rechtsprechung entschieden, daß sich eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Autovermieters gegen zusätzliches Entgelt gewährte Haftungsbefreiung am Leitbild einer Vollkaskoversicherung orientieren muß. Nur dann genügt der gewerbliche Vermieter von Kraftfahrzeugen seiner aus dem Grundsatz von Treu und Glauben erwachsenen Verpflichtung, schon bei der Festlegung seiner Allgemeinen Geschäfts-
bedingungen die Interessen künftiger Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen (BGH Urteil vom 17. Dezember 1980 - VIII ZR 316/79 - NJW 1981, 1211). Dabei ist er von den seinerzeit gültigen AKB ausgegangen, die unter § 12 Abs. 1 II e vorsahen: "Die Fahrzeugversicherung umfaßt die Beschädigung … durch Unfall, d.h. durch ein unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis; Brems-, Betriebs- und reine Bruchschäden sind keine Unfallschäden" (vgl. BGH Urteile vom 6. März 1996 - IV ZR 275/95 - VersR 1996, 622, vom 8. Januar 1986 - VIII ZR 313/84 - NJW 1986, 1608, vom 16. Dezember 1981 - VIII ZR 1/81 - NJW 1982, 987, vom 11. November 1981 - VIII ZR 271/80 - NJW 1982, 167 und BGHZ 70, 304). Dieser Mindestumfang der mietvertraglichen Haftungsfreistellung schließt eine über den Umfang der Vollkaskoversicherung hinausgehende vertragliche Freistellung durch den Vermieter allerdings nicht aus. Wie in der Vollkaskoversicherung ist die Haftung des Mieters deswegen nur dann beschränkt, wenn in den AGB des Vermieters ausdrücklich auf den Wortlaut der Vorschrift des § 12 AKB hingewiesen worden ist (Wolf/Eckert/Ball Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 9. Aufl. Rdn. 588). Das ist hier gerade nicht der Fall. Zwar ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch ein Verweis auf andere allgemeine Regelungen zulässig (BGHZ 111, a.a.O. 390 ff.). Das setzt allerdings voraus, daß dieses Regelungswerk wirksam gemäß § 2 Abs. 1 Ziff. 2 AGBG (jetzt § 305 Abs. 2 Ziff. 2 BGB) in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einbezogen worden ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist danach grundsätzlich gehalten, seinem Vertragspartner die Kenntnisnahme von allen Bedingungen zu ermöglichen, die er dem Vertrag zugrundelegen will. Ein bloßer Verweis auf weitere, in dem verfügbaren Text nicht mit abgedruckte Bestimmungen reicht regelmäßig nicht aus, um auch sie in das Vertragswerk mit einzubeziehen. Anders ist es nur dann, wenn der Verwender mit Sicherheit erwarten darf, daß der Vertragspartner die fraglichen Geschäftsbedingungen
bereits kennt, etwa weil sie sich in seinem Geschäftszweig als Vertragsmuster durchgesetzt haben und niemand in der Branche ohne Kenntnis dieser Bedingungen tätig sein kann (BGHZ 86, 135, 138). Das ist hier gerade nicht der Fall. Jedenfalls seit der Freigabe der Versicherungsbedingungen 1995 existieren keine einheitlichen AKB mehr, sondern nur noch Musterbedingungen. Ob diese Bedingungen dem Beklagten als Grundsätze einer Vollkaskoversicherung bekannt waren, hat das Berufungsgericht - von der Revision nicht angegriffen - nicht festgestellt.
d) Diese Auslegung der Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin entspricht auch der Interessenlage beider Parteien. Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die Benutzung eines Mietfahrzeugs für den Mieter mit höheren Risiken verbunden ist als die Fahrt mit dem eigenen, vertrauten Fahrzeug. Die gegen Entgelt vereinbarte Haftungsfreistellung soll deswegen gerade diese zusätzlichen Risiken abdecken. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Mieter leicht fahrlässig einen Unfall herbeiführt oder ob er sich während der Fahrt mit dem nicht vertrauten Fahrzeug verschaltet und dadurch einen Motorschaden verursacht. Zwar trägt der Vermieter somit das Risiko einer über den Umfang seiner eigenen Vollkaskoversicherung hinaus gehenden Haftungsbefreiung des Mieters. Dem ist allerdings hinreichend durch den nach Tagen bemessenen erhöhten Versicherungsbeitrag des Mieters Rechnung getragen. 3. Der Beklagte schuldet der Klägerin den begehrten vollen Schadensersatz auch nicht aufgrund der ausdrücklichen Regelung in Ziff. 10 e Satz 3 der Allgemeinen Vermietbedingungen. Zwar kann die Haftungsbefreiung danach auch entfallen, wenn der Mieter die vertraglichen Obliegenheiten und Verpflichtungen verletzt. Allerdings ist auch diese Ausnahmevorschrift aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters auszulegen. Grundsätzlich entfällt die Haf-
tungsbefreiung nach Ziff. 10 e Satz 3 1. HS bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schadensverursachung. Die Tatbestände einer alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit oder einer Verletzung der vertraglichen Obliegenheiten und Verpflichtungen sind im folgenden lediglich als Beispielsfälle dieses allgemeinen Grundsatzes genannt. Auch diese Pflichtverletzungen führen deswegen nur dann zur vollen Haftung des Mieters, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurden. Das ist nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts allerdings nicht der Fall.
Hahne Fuchs Ahlt Vézina Dose

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.

(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.

(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:

1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden;
2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte;
3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.

(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 16. September 2010 - 15 Sa 812/10 - aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch über einen Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation. Die Klägerin war vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2009 für den Beklagten als Steuerfachwirtin tätig. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Beklagten vom 23. November 2009.

2

§ 5 „Gehalt und sonstige Vergütungen“ des Arbeitsvertrags regelt Folgendes:

        

„(1) Die Angestellte erhält ein monatliches, nachträglich zu zahlendes Gehalt von EURO 1.900,00 (in Worten EURO eins-neun-null-null).

        

(2) Der Angestellte erhält mit der Vergütung nach Abs. 1 jeweils für den Monat November eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von EURO 1.900,00 (in Worten EURO eins-neun-null-null).

        

…       

        

(4) Im Eintrittsjahr wird die Gratifikation entsprechend der Dauer der Beschäftigungszeit gezahlt. Besteht das Anstellungsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung noch keine drei Monate, wird keine Gratifikation gezahlt.

        

(5) Der Anspruch auf Gratifikation ist ausgeschlossen, wenn sich das Anstellungsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung in gekündigtem Zustand befindet.

        

(6) Eine Gratifikation ist gleichzeitig Treueprämie. Soweit eine Weihnachtsgratifikation gezahlt wird, ist sie zurückzuzahlen, wenn der Angestellte aufgrund eigener Kündigung oder aufgrund außerordentlicher, verhaltensbedingter oder personenbedingter Kündigung des Praxisinhabers vor dem 31. März des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres oder, sofern die Gratifikation eine Monatsvergütung erreicht, bis zum 31. März des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres oder, sofern die Gratifikation eine Monatsvergütung übersteigt, vor dem 30. Juni des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres ausscheidet. Dies gilt nicht, wenn die Gratifikation den Betrag von DM 200,00 nicht übersteigt.

        

…“    

        
3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe für das Jahr 2009 eine Weihnachtsgratifikation zu. Der Ausschluss des Anspruchs bei gekündigtem Arbeitsverhältnis sei unwirksam. Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe im Jahr 2009 seine Mitarbeiter aufgefordert, freiwillig auf das Weihnachtsgeld zu verzichten. Ihr Arbeitsverhältnis sei nur deshalb gekündigt worden, weil sie im Gegensatz zu ihren Kolleginnen nicht verzichtet habe.

4

Die Klägerin hat beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.900,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Zustellung der Klage zu zahlen.

5

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Anspruch bestehe nicht, weil das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung gekündigt gewesen sei. Die Kündigung habe auf betrieblichen Gründen beruht.

6

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann der Klage nicht stattgegeben werden. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen nicht entscheiden, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung der Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2009 hat. Die Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

8

I. Die Klage ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb begründet, weil der in § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags bestimmte Ausschluss des Anspruchs auf eine Weihnachtsgratifikation bei gekündigtem Arbeitsverhältnis unwirksam ist. Eine Sonderzuwendung kann vielmehr vom ungekündigten Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Auszahlung abhängig gemacht werden, wenn sie nicht der Vergütung geleisteter Arbeit dient und nur das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraussetzt.

9

1. Steht eine Sonderzuwendung im Synallagma zur erbrachten Arbeitsleistung und ist sie vom Arbeitnehmer durch die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung verdient worden, kann ihre Zahlung nicht vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen abhängig gemacht werden.

10

a) Sonderzuwendungen können vom Erreichen persönlicher Ziele abhängen. Zweck einer erfolgsabhängigen Vergütung ist die Leistungssteigerung des Arbeitnehmers. Sie ist besonderer Anreiz für die Erreichung vertraglich festgelegter Leistungsziele oder allgemein Anreiz für die Erzielung überdurchschnittlicher Arbeitsergebnisse im Bezugszeitraum. Eine erfolgsabhängige Vergütung wird als unmittelbare Gegenleistung für die entsprechend der Zielvereinbarung erbrachte Arbeitsleistung geschuldet (BAG 5. Juli 2011 - 1 AZR 94/10 - Rn. 35; 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 25, NZA 2011, 989; 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 25, BAGE 125, 147). Auch Sonderzuwendungen, die nur an den Unternehmenserfolg anknüpfen, werden regelmäßig als zusätzliche Vergütung für eine im Geschäftsjahr erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gezahlt (BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 25, aaO; 3. Mai 2006 - 10 AZR 310/05 - Rn. 46, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 18); die synallagmatische Verbindung zwischen Arbeitsleistung und Sonderzuwendung wird durch die Abhängigkeit von einem Unternehmensergebnis nicht in Frage gestellt. Schließlich können auch nicht erfolgsabhängige Sonderzuwendungen wie ein 13. Monatsgehalt im Bezugszeitraum erbrachte Arbeitsleistungen zusätzlich honorieren. Der Anspruch auf eine solche Zuwendung entsteht während des Bezugzeitraums entsprechend der zurückgelegten Dauer und wird nur zu einem anderen Zeitpunkt insgesamt fällig (vgl. BAG 28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - Rn. 17, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 265 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 21).

11

b) Zulässig ist nach der Rechtsprechung des Senats, den Anspruch auf eine Bonuszahlung an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Geschäftsjahr zu knüpfen. Ein Bonus, der auf das Geschäftsergebnis bezogen ist, kann erst dann verdient sein, wenn das Geschäftsjahr abgeschlossen ist (BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44). Dagegen kann eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugszeitraums abhängig gemacht werden (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 -). Es ist unangemessen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und widerspricht der gesetzlichen Wertung des § 611 BGB, vereinbartes Arbeitsentgelt dem Arbeitnehmer über eine Stichtagsklausel oder eine sonstige Zahlungsbedingung wieder zu entziehen, wenn der vorleistungsverpflichtete Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbracht hat.

12

2. Dient eine Sonderzuwendung hingegen nicht der Vergütung erbrachter Arbeitsleistungen, sondern verfolgt der Arbeitgeber damit sonstige Zwecke, kann eine Klausel, wonach die Zahlung den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungstag voraussetzt, einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB standhalten. Eine Sonderzuwendung weicht nicht von der gesetzlichen Grundkonzeption des § 611 BGB ab, wenn sie nicht im Synallagma zur erbrachten Arbeitsleistung steht. Ihre Zahlung kann deshalb grundsätzlich an den Eintritt weiterer Bedingungen geknüpft werden.

13

a) Sonderzuwendungen können als Treueprämie erwiesene oder als „Halteprämie“ künftige Betriebstreue honorieren (vgl. BAG 28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - Rn. 18, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 265 = EzA BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 21); der Arbeitgeber kann aber auch den Zweck verfolgen, sich an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen seiner Arbeitnehmer zu beteiligen (vgl. BAG 5. Juli 2011 - 1 AZR 94/10 - Rn. 35). Ist die Honorierung künftiger Betriebstreue bezweckt, wird dies regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Sonderzuwendung nur bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über einen Stichtag hinaus bis zum Ende eines dem Arbeitnehmer noch zumutbaren Bindungszeitraums gezahlt wird oder der Arbeitnehmer diese zurückzuzahlen hat, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf zumutbarer Bindungsfristen endet (vgl. BAG 21. Mai 2003 - 10 AZR 390/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 106, 159). Ist die Honorierung erwiesener Betriebstreue bezweckt, wird dies regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Zahlung der Sonderzuwendung vom (ungekündigten) Bestand des Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag abhängig gemacht wird. Die Zahlung solcher Sonderzuwendungen hängt nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung, sondern regelmäßig nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses ab.

14

b) Eine Klausel, die eine Sonderzuwendung in diesem Sinne allein an das Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses knüpft, kann nach ständiger Rechtsprechung auch dann zulässig sein, wenn der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in der Sphäre des Arbeitnehmers liegt, sondern auf einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers beruht (BAG 28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - Rn. 18, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 265 = EzA BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 21; 4. Mai 1999 - 10 AZR 417/98 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 214: Klausel in einem Tarifvertrag; 2. Dezember 1992 - 10 AZR 238/91 -: Klausel in einer Betriebsordnung; 19. November 1992 - 10 AZR 264/91 - BAGE 72, 1: einzelvertragliche Zusage; 25. April 1991 - 6 AZR 183/90 - BAGE 68, 41: Klausel in einer Betriebsvereinbarung; 4. September 1985 - 5 AZR 655/84 - BAGE 49, 281). Der Arbeitgeber darf unabhängig vom Verhalten des Arbeitnehmers allein die fortdauernde Betriebszugehörigkeit über den Stichtag hinaus zur Voraussetzung der Sonderzahlung machen, weil ihre motivierende Wirkung sich nur bei den Arbeitnehmern entfalten kann, die dem Betrieb noch - oder noch einige Zeit - angehören (BAG 19. November 1992 - 10 AZR 264/91 - zu II 2 b der Gründe, aaO).

15

3. Ob der Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich vergüten oder sonstige Zwecke verfolgen will, ist durch Auslegung der vertraglichen Bestimmungen zu ermitteln. Macht die Sonderzuwendung einen wesentlichen Anteil der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers aus, handelt es sich regelmäßig um Arbeitsentgelt, das als Gegenleistung zur erbrachten Arbeitsleistung geschuldet wird. Der Vergütungscharakter ist eindeutig, wenn die Sonderzahlung an das Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele geknüpft ist. Fehlt es hieran und sind auch weitere Anspruchsvoraussetzungen nicht vereinbart, spricht dies ebenfalls dafür, dass die Sonderzahlung als Gegenleistung für die Arbeitsleistung geschuldet wird (BAG 21. Mai 2003 - 10 AZR 408/02 - zu II 2 b bb der Gründe, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 8). Will der Arbeitgeber andere Zwecke verfolgen, so muss sich dies deutlich aus der zugrunde liegenden Vereinbarung ergeben. Gratifikationscharakter können nur die Sonderzuwendungen haben, die sich im üblichen Rahmen reiner Treue- und Weihnachtsgratifikationen bewegen und keinen wesentlichen Anteil an der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers ausmachen.

16

II. Die in § 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vereinbarte Weihnachtsgratifikation dient nicht der zusätzlichen Vergütung erbrachter Arbeitsleistungen.

17

1. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts liegen dem Arbeitsvertrag Allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 305 ff. BGB zugrunde. Als solche sind sie nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 831/09 - Rn. 14, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 88; 9. Juni 2010 - 5 AZR 696/09 - Rn. 14, NZA 2011, 109). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen kann durch das Revisionsgericht uneingeschränkt überprüft werden (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 831/09 - Rn. 14, aaO).

18

2. Nach § 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrags erhält der Angestellte mit der Vergütung nach Abs. 1 jeweils für den Monat November eine „Weihnachtsgratifikation“. Der Wortlaut legt nahe, dass damit ein Beitrag des Arbeitgebers zu den erhöhten Weihnachtsaufwendungen zugesagt werden sollte, eindeutig ist dies für sich genommen jedoch nicht (vgl. BAG 21. Mai 2003 - 10 AZR 408/02 - EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 8: Weihnachtsgeld als reines Arbeitsentgelt; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 15/08 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 280: Weihnachtsgeld als Gratifikation, die das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zu Weihnachten voraussetzt; 30. März 1994 - 10 AZR 134/93 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 161 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 109). Die weiteren Bestimmungen verdeutlichen jedoch, dass die zugesagte Weihnachtsgratifikation keinen Vergütungscharakter hat. Nach § 5 Abs. 6 Satz 1 des Arbeitsvertrags soll eine Gratifikation „gleichzeitig“ Treueprämie sein und nach Satz 2 ist eine Weihnachtsgratifikation bei einem arbeitnehmerseitig oder in bestimmten Fällen arbeitgeberseitig veranlassten Ausscheiden im Rahmen zulässiger Bindungsfristen wieder zurückzuzahlen. Diese Zahlungsbedingungen lassen bei einem verständigen Vertragspartner keinen Zweifel daran zu, dass mit der Weihnachtsgratifikation ein Beitrag zum Weihnachtsfest geleistet und zusätzlich Betriebstreue honoriert werden soll. Bestätigt wird dies dadurch, dass die Weihnachtsgratifikation keinen wesentlichen Anteil an der Gesamtvergütung der Klägerin ausmacht, sondern sich in der Größenordnung typischer Gratifikationen ohne Vergütungscharakter bewegt. Dieser Auslegung steht § 5 Abs. 4 des Arbeitsvertrags nicht entgegen, wonach im Eintrittsjahr die Gratifikation entsprechend der Dauer der Beschäftigungszeit gezahlt wird. Eine mit einer bestimmten Zwecksetzung zugesagte Gratifikation wird nicht dadurch zu einem im Synallagma stehenden Vergütungsbestandteil, dass sie im Eintrittsjahr nur anteilig entsprechend der Dauer des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird. Daraus folgt nur, dass sich die Höhe des Beitrags zum Weihnachtsfest im Eintrittsjahr an der Dauer des Arbeitsverhältnisses orientiert. Wesentliche Anspruchsvoraussetzung für die Gratifikation ist nach § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags allein der ungekündigte Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungstag.

19

III. § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags ist rechtswirksam und hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Die Klägerin wird nicht deshalb unangemessen benachteiligt, weil der Anspruch auf eine Gratifikation ausgeschlossen ist, wenn sich das Anstellungsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung im gekündigten Zustand befindet.

20

1. Die Klausel verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

21

a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 22, NZA 2012, 81; 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - Rn. 29, AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 47; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40).

22

b) Diese Gefahr besteht nicht. § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags ist eindeutig. Die Zahlung der Weihnachtsgratifikation ist vom „ungekündigten“ Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungstag abhängig. Der Begriff „ungekündigt“ ist vorliegend nicht missverständlich. Ungekündigt ist ein Arbeitsverhältnis, wenn keiner der Vertragsparteien eine Kündigung erklärt hat. Dafür, dass nur eine arbeitnehmerseitig ausgesprochene Kündigung den Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation ausschließen soll, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Dies bestätigt die Systematik des Vertrags, der in § 5 Abs. 6 eine nach arbeitgeber- und arbeitnehmerseitiger Kündigung differenzierende Verpflichtung zur Rückzahlung der Weihnachtsgratifikation bestimmt.

23

2. Die Klausel ist nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligend.

24

a) Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB angemessen zu berücksichtigen(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 33, NZA 2012, 81; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 27, AP GewO § 106 Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 49; 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f., AP BGB § 307 Nr. 26; 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 33 f., BAGE 118, 22). Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist(BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - Rn. 32, AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 47; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 28, AP GewO § 106 Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 49).

25

b) Es ist nicht unangemessen benachteiligend, dass die Weihnachtsgratifikation nicht zur Auszahlung kommt, wenn das Arbeitsverhältnis zum Auszahlungstag durch den Arbeitgeber gekündigt ist und die Beendigung damit nicht auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Arbeitnehmers liegen.

26

aa) Eine Stichtagsregelung ist nicht nur als Anreiz für die Nichtausübung des Kündigungsrechts durch den Arbeitnehmer denkbar. Der Arbeitgeber kann, wie oben ausgeführt, unabhängig vom Verhalten des Arbeitnehmers die fortdauernde Betriebszugehörigkeit als solche über den Stichtag hinaus zur Voraussetzung der Sonderzahlung machen, weil ihre motivierende Wirkung sich nur bei den Arbeitnehmern entfalten kann, die dem Betrieb noch - oder noch einige Zeit - angehören (BAG 19. November 1992 - 10 AZR 264/91 - BAGE 72, 1). Nur eine wirksame Kündigung kann zum Anspruchsausschluss führen. Entscheidend ist, dass nicht in das Synallagma eingriffen und dem Arbeitnehmer verdientes Entgelt entzogen wird.

27

bb) Eine solche Klausel weicht auch nicht vom Grundgedanken des § 162 Abs. 2 BGB ab. Danach gilt der Eintritt einer Bedingung als nicht erfolgt, wenn er von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt wird. Die Norm enthält eine Regelung zur Ausübungskontrolle. Niemand darf aus einer treuwidrig herbeigeführten Lage Vorteile ziehen. Einer abstrakten Regelung, dass bei einer wirksamen Kündigung ein Arbeitnehmer von einer Gratifikation ausgeschlossen werden kann, steht § 162 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Ob die Kündigung auf einem treuwidrigen Verhalten beruht, ist im Rahmen der Ausübungskontrolle zu prüfen. Eine nicht als Gegenleistung für erbrachte Arbeit zugesagte Weihnachtsgratifikation kann deshalb unter den Vorbehalt des Bestehens eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt gestellt werden.

28

IV. Der Rechtsstreit ist nicht entscheidungsreif. Zwar besteht nach § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags ein Anspruch der Klägerin auf die Weihnachtsgratifikation grundsätzlich nicht, weil das Arbeitsverhältnis zum Auszahlungstag wirksam gekündigt war. Die Klägerin hat aber geltend gemacht, ihr Arbeitsverhältnis sei nur deshalb gekündigt worden, weil sie sich geweigert habe, auf das Weihnachtsgeld zu verzichten. Die Klägerin hat damit einen schlüssigen Vortrag dazu gehalten, dass der Beklagte sich nach § 162 Abs. 2 BGB nicht auf den Anspruchsausschluss bei gekündigtem Arbeitsverhältnis berufen kann. War die Kündigung Reaktion auf die Weigerung der Klägerin, Verzicht zu leisten, so hat er den Bedingungseintritt treuwidrig herbeigeführt. Das Landesarbeitsgericht wird diesem Vortrag nachgehen müssen.

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Beck    

        

    Maurer    

                 

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Juli 2010 - 7 Sa 1881/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf eine Sonderzahlung für das Jahr 2008.

2

Der Kläger ist seit dem 4. September 1981 als Sozialpädagoge bei dem beklagten Verein beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Vertrag vom 1. August 1982 zugrunde, der auszugsweise lautet:

        

㤠4

        

Der Arbeitnehmer erhält eine Bruttovergütung in Höhe von DM 3.400,-, zahlbar spätestens am Ende eines jeden Monats. Die Zahlung erfolgt bargeldlos auf ein vom Arbeitnehmer anzugebendes Konto.

        

Mit der vereinbarten Vergütung sind etwa anfallende Überstunden pauschal abgegolten.

        

Sonstige, in diesem Vertrag nicht vereinbarte Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer sind freiwillig und jederzeit widerruflich. Auch wenn der Arbeitgeber sie mehrmals und regelmäßig erbringen sollte, erwirbt der Arbeitnehmer dadurch keinen Rechtsanspruch für die Zukunft.

        

...     

        

§ 15

        

Vertragsänderungen und -ergänzungen bedürfen der Schriftform.“

3

Der Kläger erhielt mehr als 20 Jahre lang jeweils mit dem Entgelt für den Monat November ein 13. Monatsgehalt ausgezahlt. Für das Jahr 2006 erfolgte die Zahlung in zwölf Monatsraten nachträglich im Laufe des Jahres 2007. Für das Jahr 2007 erstritt sich der Kläger die Zahlung durch rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 8. Oktober 2008 (- 3 Ca 175/08 -).

4

Mit Schreiben vom 28. November 2008 wies der Beklagte auf eine angespannte wirtschaftliche Situation hin und bot dem Kläger drei Modelle über eine verringerte Zahlung und/oder veränderte Auszahlungsmodalitäten an. Der Kläger lehnte dies ab, worauf keine Zahlung für das Jahr 2008 erfolgte. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2008 forderte der Kläger den Beklagten unter Fristsetzung zum 24. Dezember 2008 zur Zahlung auf.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags habe nicht verhindern können, dass ihm ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung erwachsen sei. Die Klausel sei unklar und widersprüchlich.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.956,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Dezember 2008 zu zahlen.

7

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, dass in Fällen, in denen eine Leistung in einem Vertrag überhaupt nicht zugesagt und erwähnt werde, § 307 BGB insoweit keine Anwendung finden könne, da es sich nicht um eine vertragliche Leistung handele. § 4 Abs. 3 Satz 2 des Arbeitsvertrags sei ausreichend, um das für die betriebliche Übung erforderliche Vertrauensmoment nicht entstehen zu lassen. Selbst wenn § 4 Abs. 3 Satz 1 des Arbeitsvertrags als in sich widersprüchliche Regelung unwirksam sei, behalte die restliche Regelung nach dem sog. Blue-pencil-Test ihre Bedeutung als wirksamer Vorbehalt.

8

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung eines 13. Monatsgehalts für das Jahr 2008.

10

I. Der Beklagte hat mehr als 20 Jahre lang jeweils mit dem Entgelt für den Monat November ein 13. Monatsgehalt an den Kläger ausgezahlt. Dadurch ist ein vertraglicher Anspruch des Klägers auf diese Leistung entstanden. Dem steht die Regelung in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags nicht entgegen.

11

1. Bei Zahlung einer über das arbeitsvertraglich vereinbarte Gehalt hinausgehenden Vergütung ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln, ob sich der Arbeitgeber nur zu der konkreten Leistung (bspw. Gratifikation im Kalenderjahr) oder darüber hinaus auch für die Zukunft verpflichtet hat.

12

a) Eine dauerhafte Verpflichtung kann sich insbesondere aus einem Verhalten mit Erklärungswert, wie einer betrieblichen Übung ergeben. Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern regelmäßig stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen für die Zukunft. Entscheidend ist dabei nicht, ob der Erklärende einen Verpflichtungswillen hatte, sondern ob der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) dahin verstehen konnte und durfte, der Arbeitgeber wolle sich zu einer über seine gesetzlichen, tarifvertraglichen und vertraglichen Pflichten hinausgehenden Leistung verpflichten (st. Rspr., bspw. BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 11, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51; 24. März 2010 - 10 AZR 43/09 - Rn. 16, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 90 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 13). Dies ist im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers zu ermitteln. Die Anforderungen an den Erklärungswert bestimmen sich nach der Art des Verhaltens des Vertragspartners, das eine betriebliche Übung begründen soll. Eine vertragliche Bindung wird regelmäßig anzunehmen sein, wenn besondere Umstände ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer begründen (vgl. BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 849/06 - Rn. 15, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 78). Dabei kommt dem konkreten Verhalten des Arbeitgebers, insbesondere dessen Intensität und Regelmäßigkeit, entscheidendes Gewicht zu. Zwar hat der Senat bisher keine verbindliche Regel aufgestellt, ab welcher Anzahl von Leistungen der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, er werde die Leistung auch zukünftig erhalten. Allerdings ist für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen die Regel aufgestellt worden, nach der eine zumindest dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt, falls nicht besondere Umstände hiergegen sprechen oder der Arbeitgeber bei der Zahlung einen Bindungswillen für die Zukunft ausgeschlossen hat (vgl. BAG 21. Januar 2009 - 10 AZR 219/08 - Rn. 13, BAGE 129, 164).

13

b) Auch wenn es an einer betrieblichen Übung fehlt, weil beispielsweise der Arbeitgeber eine Zahlung nur an einen Arbeitnehmer vorgenommen hat und damit das kollektive Element fehlt, kann für diesen ein Anspruch entstanden sein. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer aus einem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers auf ein Angebot schließen konnte, das er gemäß § 151 BGB durch schlüssiges Verhalten angenommen hat(BAG 21. April 2010 - 10 AZR 163/09 - Rn. 11, 17, AP BGB § 151 Nr. 5).

14

2. Der Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt ist - abgesehen von der Frage des arbeitsvertraglichen Vorbehalts (dazu unter I 3) - Bestandteil der arbeitsvertraglichen Regelungen der Parteien geworden.

15

a) Die seit mehr als 20 Jahren im November erfolgte Zahlung einer als 13. Monatsgehalt bezeichneten Zuwendung konnte der Kläger unter Berücksichtigung der konkreten Einzelfallumstände, wie der Häufigkeit der Leistung, der Art der kommentarlosen Auszahlung und der Höhe der Sonderzahlung (ein Monatsgehalt), sowie unter Beachtung von Treu und Glauben nur so auffassen, dass der Beklagte sich auch zur zukünftigen dauerhaften Leistung verpflichten wollte (vgl. zur Auslegung der Erklärungen insoweit: JbArbR Bd. 47 S. 93, 112). Da der Beklagte bei den Zahlungen weder einen ausdrücklichen Freiwilligkeitsvorbehalt erklärt noch auf den vertraglich formulierten Vorbehalt Bezug genommen hatte, musste der Kläger auch nicht annehmen, die Sonderzahlung erfolge lediglich für das konkrete Jahr und ohne Rechtsbindungswillen für die Zukunft. Er durfte vielmehr berechtigterweise auf eine fortdauernde Leistungsgewährung für die Folgejahre vertrauen (zu diesem Vertrauensaspekt: vgl. Annuß FS Picker S. 861, 865). Vom Bestehen eines entsprechenden Anspruchs ging offensichtlich auch der Beklagte aus; anders kann der Inhalt des Schreibens vom 28. November 2008 kaum gedeutet werden. Ein Angebot auf Vertragsänderung zur teilweisen Beseitigung oder Umgestaltung eines Anspruchs ist nur dann erforderlich, wenn ein solcher Anspruch besteht. Auch die Bezeichnung als „13. Gehalt“ spricht für einen Anspruch.

16

Dabei kann dahinstehen, ob der Anspruch aufgrund betrieblicher Übung entstanden ist - wovon das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist, ohne allerdings entsprechende Feststellungen zu treffen - oder aufgrund konkludenten Verhaltens ausschließlich im Verhältnis der Parteien.

17

b) Dem Anspruch steht die arbeitsvertraglich vereinbarte Schriftformklausel nicht entgegen. Eine einfache Schriftformklausel, nach der Änderungen und Ergänzungen des Vertrags der Schriftform bedürfen, verhindert eine konkludente Vertragsänderung oder das Entstehen einer betrieblichen Übung nicht. Die Vertragsparteien können das für eine Vertragsänderung vereinbarte Schriftformerfordernis jederzeit schlüssig und formlos aufheben. Das ist sogar dann möglich, wenn die Vertragsparteien bei ihrer mündlichen Abrede an die Schriftform überhaupt nicht gedacht haben (BAG 20. Mai 2008 - 9 AZR 382/07 - Rn. 17, BAGE 126, 364 [betriebliche Übung]; vgl. 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 25, AP ZPO § 50 Nr. 17 = EzA TzBfG § 8 Nr. 17 [konkludente Vertragsänderung]).

18

3. Ebenso wenig steht dem Anspruch der Vorbehalt aus § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags entgegen. Das Landesarbeitsgericht geht zu Recht davon aus, dass die vertragliche Formulierung das Entstehen eines zukünftigen Anspruchs auf Zahlung eines 13. Monatsgehalts nicht ausschließen konnte. Sie ist nicht geeignet, den Wert der späteren Erklärungen des Beklagten im Zusammenhang mit den mehrfach geleisteten Zahlungen hinreichend zu entwerten. Die Klausel ist wegen der Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt intransparent und verstößt gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Darüber hinaus benachteiligt ein derartig weit gefasster Freiwilligkeitsvorbehalt den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB.

19

a) Bei der vom Beklagten in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags vorformulierten Vertragsbedingung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB. Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51). Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, aaO).

20

b) Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Freiwilligkeitsvorbehalt das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine künftige Sonderzahlung wirksam verhindern (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 16 mwN, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51). Der Arbeitgeber kann - außer bei laufendem Arbeitsentgelt (vgl. BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - BAGE 122, 182) - einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich ausschließen und sich eine Entscheidung vorbehalten, ob und in welcher Höhe er zukünftig Sonderzahlungen gewährt. Er bleibt grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob und unter welchen Voraussetzungen er zum laufenden Arbeitsentgelt eine zusätzliche Leistung erbringen will. Gibt es einen klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt, der jeden Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung ausschließt, fehlt es an einer versprochenen Leistung iSd. § 308 Nr. 4 BGB. In diesen Fällen wird eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung der Sonderzahlung unabhängig von dem mit der Sonderzuwendung verfolgten Zweck von vornherein nicht begründet. Allerdings muss ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt klar und verständlich iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB formuliert worden sein, um den Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung eindeutig auszuschließen(BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 16, aaO). Er darf insbesondere nicht in Widerspruch zu anderen Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien stehen (BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 39, BAGE 127, 185; vgl. 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 18, BAGE 124, 259; Preis NZA 2009, 281, 285).

21

c) Die im Streitfall formulierte Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

22

aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB(BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - Rn. 29, ZTR 2011, 547; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Eine solche Situation ist bei der Kombination eines Freiwilligkeits- mit einem Widerrufsvorbehalt regelmäßig gegeben.

23

bb) § 4 Abs. 3 Satz 1 des Arbeitsvertrags formuliert, dass im(schriftlichen) Vertrag nicht vereinbarte Leistungen freiwillig sind. Eine solche Bestimmung ist im Zweifel nur als Hinweis zu verstehen, dass der Arbeitgeber Leistungen erbringt, ohne dazu durch andere Regelungen gezwungen zu sein (vgl. BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 17, BAGE 124, 259; 1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 24 f., BAGE 117, 155). Allerdings enthält § 4 Abs. 3 Satz 2 des Arbeitsvertrags darüber hinaus den für sich genommen klaren Hinweis, dass auch bei einer mehrmaligen und regelmäßigen Zahlung der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch für die Zukunft erwerben solle. Einen solchen Vorbehalt hat der Senat als ausreichend angesehen, um einen Anspruch auf eine zukünftige Leistung auszuschließen (vgl. BAG 18. März 2009 - 10 AZR 289/08 - EzA BGB 2002 § 307 Nr. 43 [Vorbehalt bei Zahlung]; 21. Januar 2009 - 10 AZR 219/08 - BAGE 129, 164 [Vorbehalt im Formulararbeitsvertrag]).

24

cc) Die Klausel in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags ist aber deshalb unklar und missverständlich, weil Satz 1 darüber hinaus eine Widerrufsmöglichkeit vorsieht. Der Beklagte hat eine freiwillige Leistung unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt. Bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt entsteht schon kein Anspruch auf die Leistung, bei einem Widerrufsvorbehalt hingegen hat der Arbeitnehmer einen Anspruch, der Arbeitgeber behält sich aber vor, die versprochene Leistung einseitig zu ändern (vgl. bspw. BAG 20. April 2011 - 5 AZR 191/10 - Rn. 10, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 12; 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 113, 140).

25

Dem Landesarbeitsgericht ist in der Annahme zu folgen, dass in einer solchen Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt regelmäßig ein zur Unwirksamkeit der Klausel führender Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt, sodass der Arbeitgeber sich auf den Freiwilligkeitsvorbehalt nicht berufen kann (noch offengelassen in BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 20, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51). Der Begriff des Widerrufsvorbehalts hat eine bestimmte arbeitsrechtliche Bedeutung. Nutzt der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen einen solchen Begriff, so darf sein Vertragspartner diesem eine entsprechende Bedeutung zumessen. Im Widerrufsvorbehalt liegt damit nicht nur eine „Verstärkung“ des Freiwilligkeitsvorbehalts. Bei der Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt wird vielmehr schon nach dem Vertragstext auch für den um Verständnis bemühten Vertragspartner nicht deutlich, ob nun jegliche zukünftige Bindung ausgeschlossen oder lediglich eine Möglichkeit eröffnet werden soll, sich später wieder von einer vertraglichen Bindung loszusagen. Erfolgen dann noch mehrfache Zahlungen einer bestimmten Leistung ohne weitere Vorbehalte, so ist erst recht nicht mehr erkennbar, ob ein Rechtsbindungswille für die Zukunft ausgeschlossen bleiben soll.

26

dd) Entgegen der Auffassung des Beklagten kann die Klausel nicht so geteilt werden, dass lediglich ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt aufrechterhalten bliebe.

27

Handelt es sich um eine teilbare Klausel, ist die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36). Maßgeblich ist, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Die Teilbarkeit einer Klausel ist durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (vgl. BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11, AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44).

28

Die Aufrechterhaltung eines zulässigen Teils der Klausel kommt hier grundsätzlich nicht in Betracht. Die Intransparenz der vertraglichen Regelung und damit ihre Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB folgt gerade aus der Kombination zweier Klauselteile, die jeweils für sich genommen ausreichend transparent sein mögen. Dies unterscheidet die Fallgestaltung von den Fällen, in denen ein abgrenzbarer Teil der Vertragsklausel unwirksam ist. Nur in solchen Fällen ist eine Streichung des unwirksamen Teils möglich, ohne gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (§ 306 Abs. 2 BGB) zu verstoßen (vgl. dazu BAG 23. September 2010 - 8 AZR 897/08 - Rn. 37 f., AP BGB § 307 Nr. 48 = EzA BGB § 309 Nr. 6).

29

d) Darüber hinaus benachteiligt der in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, den Kläger unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB und ist deshalb unwirksam.

30

aa) Der Senat ist bisher davon ausgegangen, dass nicht nur Freiwilligkeitsvorbehalte, die bei der jeweiligen Zahlung erklärt werden, sondern auch vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalte dazu führen können, dass das spätere konkludente Verhalten des Arbeitgebers entgegen seinem gewöhnlichen Erklärungswert nicht als Angebot zur dauerhaften Leistungserbringung zu verstehen ist. Vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalte wurden grundsätzlich als wirksam im Hinblick auf eine Inhaltskontrolle nach § 305 ff. BGB angesehen. In den entschiedenen Fällen ging es jeweils um Ansprüche auf Leistungen, die als „Weihnachtsgeld“ oder „Weihnachtsgratifikation“ bezeichnet waren, auch wenn die Vertragsklauseln teilweise auch andere Leistungen erfassten (zB BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51; 20. Januar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 14, AP BGB § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18; 21. Januar 2009 - 10 AZR 219/08 - Rn. 14 f., BAGE 129, 164 und - 10 AZR 221/08 - Rn. 14 f.; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 12, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40; 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 39, BAGE 127, 185).

31

bb) Der Senat hat bereits Bedenken, ob ein solcher vertraglicher Vorbehalt dauerhaft den Erklärungswert einer ohne jeden Vorbehalt und ohne den Hinweis auf die vertragliche Regelung erfolgten Zahlung so erschüttern kann, dass der Arbeitnehmer das spätere konkludente Verhalten des Arbeitgebers entgegen seinem gewöhnlichen Erklärungswert nicht als Angebot zur dauerhaften Leistungserbringung verstehen kann (kritisch auch Däubler/Bonin/Deinert/ Bonin 3. Aufl. § 307 BGB Rn. 200 ff.; ErfK/Preis 11. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 68; Kittner/Zwanziger/Deinert 6. Aufl. § 11 Rn. 135a, 224; aA bei Gratifikationen DFL/Löwisch 4. Aufl. § 308 BGB Rn. 4; Henssler/Moll AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen S. 35; HWK/Thüsing 4. Aufl. § 611 BGB Rn. 508 ff.; MüArbR/Krause 3. Aufl. § 56 Rn. 7; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 35 Rn. 67). Die vorliegende Fallgestaltung mit einer mehr als 20 Jahre lang erfolgten vorbehaltlosen Zahlung einer zusätzlichen Vergütung lässt eine entsprechende Annahme als zweifelhaft erscheinen.

32

cc) Unabhängig hiervon muss diese Rechtsprechung in den Fällen eingeschränkt werden, in denen ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfassen soll. Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt bezieht unzulässigerweise laufende Leistungen ein und verstößt sowohl gegen den in § 305b BGB bestimmten Vorrang der Individualabrede als auch gegen den allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass vertragliche Regelungen einzuhalten sind.

33

(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 angemessen zu berücksichtigen(BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f., AP BGB § 307 Nr. 26; vgl. 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 33, BAGE 118, 22). Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

34

(2) Der Vorbehalt in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags lässt eine Auslegung zu, wonach er alle zukünftigen, im Vertrag nicht unmittelbar vereinbarten Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfassen soll.

35

Der Vorbehalt bezieht sich nach seinem Wortlaut auf alle im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 1. August 1982 nicht vereinbarten Leistungen. Es wird nicht danach unterschieden, ob es sich um laufende Leistungen oder einmalige Sonderzahlungen handeln soll; eine Konkretisierung auf bestimmte Leistungen oder zumindest auf eine bestimmte Art von Leistungen ist nicht enthalten. Ebenso wenig wird auf den Entstehungsgrund der Leistung abgestellt. Der Wortlaut erfasst sowohl Fälle der betrieblichen Übung als auch konkludente, zB auf einer Gesamtzusage beruhende Vereinbarungen und sogar ausdrückliche vertragliche Einzelabreden. Entgegen der Auffassung des Beklagten lässt sich der vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalt nicht dahingehend auslegen, dass damit allein das Entstehen einer betrieblichen Übung hinsichtlich bestimmter Sonderzahlungen ausgeschlossen werden sollte. Aus dem Wortlaut der Regelung ist eine solche Beschränkung nicht zu entnehmen. Auch aus den übrigen vertraglichen Regelungen lässt sich aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise eine Beschränkung auf die Verhinderung einer betrieblichen Übung nicht erkennen. Zwar ist eine solche Auslegung möglich; ebenso nahe liegend erscheint aber eine dem Wortlaut entsprechende weiter gefasste Auslegung. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 20, AP GewO § 106 Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 49; 12. Dezember 2006 - 3 AZR 388/05 - Rn. 30, AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 67 = EzA BetrAVG § 1 Zusatzversorgung Nr. 18; auch st. Rspr. des BGH, vgl. zB 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08 - Rn. 41, BGHZ 186, 180; 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09 - Rn. 16, NJW 2010, 2877).

36

(3) Der Ausschluss jeden Rechtsanspruchs für außerhalb der früheren vertraglichen Vereinbarungen gezahltes laufendes Arbeitsentgelt benachteiligt den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

37

Der Ausschluss jeden Rechtsanspruchs bei laufendem Arbeitsentgelt widerspricht dem Zweck des Arbeitsvertrags. Dem Arbeitgeber soll damit ermöglicht werden, vom Arbeitnehmer die vollständige Erbringung der geschuldeten Leistung zu verlangen und seinerseits über die von ihm geschuldete Gegenleistung zu disponieren. Damit verhindert der Ausschluss des Rechtsanspruchs die Verwirklichung des Prinzips der Vertragsbindung und löst die synallagmatische Verknüpfung der Leistungen beider Vertragsparteien. Die Möglichkeit, eine nach Zeitabschnitten bemessene Vergütung grundlos und noch dazu ohne jegliche Erklärung einzustellen, beeinträchtigt die Interessen des Arbeitnehmers grundlegend. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei den unter einem Vorbehalt stehenden Leistungen nicht um die eigentliche Grundvergütung, sondern um eine zusätzliche Abgeltung der Arbeitsleistung in Form einer Zulage oder sonstiger laufender Leistungen handelt (BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - Rn. 20, BAGE 122, 182; Schaub/Linck § 35 Rn. 70 f.).

38

(4) Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers liegt auch darin, dass der vertragliche Vorbehalt spätere Individualabreden iSv. § 305b BGB erfasst.

39

Nach § 305b BGB haben individuelle Vertragsabreden Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Individualabreden können grundsätzlich alle Abreden zwischen den Vertragsparteien außerhalb der einseitig vom Verwender vorgegebenen Geschäftsbedingungen sein. Sie können sowohl ausdrücklich als auch konkludent getroffen werden (vgl. zu § 4 AGBG: BGH 6. März 1986 - III ZR 234/84 - zu II 2 a der Gründe, NJW 1986, 1807). Auch nachträglich getroffene Individualabreden haben Vorrang vor kollidierenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Es kommt nicht darauf an, ob die Parteien eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beabsichtigt haben oder sich der Kollision mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bewusst geworden sind (BGH 21. September 2005 - XII ZR 312/02 - zu 2 a der Gründe, BGHZ 164, 133). Mit diesem Vorrang der Individualabrede ist ein Freiwilligkeitsvorbehalt nicht zu vereinbaren, der so ausgelegt werden kann, dass er Rechtsansprüche aus späteren Individualabreden ausschließt (vgl. auch zur doppelten Schriftformklausel: BAG 20. Mai 2008 - 9 AZR 382/07 - Rn. 39, BAGE 126, 364).

40

(5) Darüber hinaus weicht eine solche Regelung von dem allgemeinen Grundsatz „pacta sunt servanda“ (Verträge sind einzuhalten) ab (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Jeder Vertrag und die sich aus ihm ergebenden Verpflichtungen sind für jede Seite bindend (BAG 7. Dezember 2005 - 5 AZR 535/04 - Rn. 34, BAGE 116, 267; 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - zu B I 4 a der Gründe, BAGE 113, 140). Dies gilt auch für nach Abschluss des ursprünglichen Vertrags im laufenden Arbeitsverhältnis eingegangene Verpflichtungen. Von diesen kann nicht unter Hinweis auf einen vertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt wieder Abstand genommen werden.

41

(6) Es gibt auch keine objektiv feststellbaren Besonderheiten des Arbeitsrechts iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB(vgl. dazu zB BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 22, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 55 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15; 13. April 2010 - 9 AZR 113/09 - Rn. 29, AP BGB § 308 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 11), die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würden. Dies gilt insbesondere, weil es dem Arbeitgeber unschwer möglich ist, bei der Erbringung der jeweiligen Leistung kontrollfrei zu bestimmen, ob es sich um eine einmalige Leistung handeln soll, und ggf. einen entsprechenden Vorbehalt zu erklären (vgl. Preis/Preis Der Arbeitsvertrag 4. Aufl. II V 70 Rn. 44, 71; Reinhard NJW 2011, 2317).

42

4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 BGB.

43

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Thiel    

        

    A. Effenberger    

                 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 8. Mai 2008 - 2 Sa 9/08 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Weiterbildungskosten.

2

Der Beklagte ist Bankkaufmann. Er war seit dem 8. Februar 2002 als Angestellter bei dem Kläger beschäftigt. Nach dem zwischen den Parteien am 19. Februar 2002 geschlossenen Arbeitsvertrag richtete sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem galten die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge. Seit dem 1. Oktober 2005 fand auf das Arbeitsverhältnis der TVöD-S/TVÜ-VKA Anwendung, der aufgrund der bis zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Tarifbindung des Klägers den bis dahin geltenden BAT ersetzte. Der Beklagte war zuletzt in die Entgeltgruppe 5 Stufe 2 TVöD-S (dies entspricht der Vergütungsgruppe VII BAT) eingruppiert.

3

Bereits im Februar 2003 hatte der Beklagte bei dem Kläger schriftlich beantragt, im Rahmen der Weiterbildungskonzeption des Klägers den Studiengang „Sparkassenbetriebswirt“ zu absolvieren. An diesen schriftlichen Antrag schlossen sich weitere mündliche Anfragen an. Letztlich verständigten sich die Parteien darauf, dass der Beklagte nach seiner Rückkehr von der Bundeswehr mit dem Studiengang beginnen sollte. Unter dem 6./7. Juni 2006 schlossen sie die „Lehrgangsvereinbarung zum Studiengang ‚Sparkassenbetriebswirt/Sparkassenbetriebswirtin’“ (im Folgenden: Lehrgangsvereinbarung), in der es ua. heißt:

        

§ 1   

        

Anmeldung

        

Die Sparkasse meldet den Beschäftigten auf seinen Wunsch zum Besuch des Präsenzteils für den Studiengang ‚Sparkassenbetriebswirt/Sparkassenbetriebswirtin’ beim Sparkassenverband Bayern.

        

§ 2     

        

Leistungen der Sparkasse

        

(1)     

Die Sparkasse gewährt dem Beschäftigten in der Erwartung, dass das Arbeitsverhältnis nach Abschluss des Studiengangs fortgesetzt wird, folgende Leistungen:

                 

a)    

Freistellung von der Arbeit für alle Lehrgangsveranstaltungen und Prüfungen unter Fortzahlung der Vergütung in bisheriger Höhe einschließlich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und der Umlagen und Beiträge zur Zusatzversorgung; ...

                 

b)    

Übernahme der Lehrgangs- und Prüfungsgebühren von derzeit 8.535,00 €. Änderungen in der Höhe dieser Gebühren werden umgehend mitgeteilt und werden dann Bestandteil dieses Vertrages.

                 

Sonstige Kosten, insbesondere für Unterkunft, Verpflegung und Reisekosten sind von dem Beschäftigten zu tragen und der Sparkasse zu erstatten.

        

…       

        

§ 3     

        

Obliegenheiten des Beschäftigten

        

(1)     

Dem Beschäftigten obliegt es, die ihm im Rahmen des Studiengangs gebotenen Weiterbildungsmöglichkeiten wahrzunehmen. Er wird insbesondere die Sparkassenfachprüfung ablegen.

        

…       

        
        

§ 4     

        

Ersatzpflicht vor Beendigung des Lehrgangs

        

(1)     

Der Beschäftigte hat der Sparkasse ihre Leistungen nach § 2 Abs. 1 - mit Ausnahme der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung - in voller Höhe zu erstatten, wenn er auf eigenen Wunsch oder aus seinem Verschulden

                 

a)    

die Anmeldung zurückzieht, aus dem Studiengang ausscheidet oder ausgeschlossen wird,

                 

b)    

die Sparkassenfachprüfung nicht ablegt oder

                 

c)    

aus dem Arbeitsverhältnis vor Ablauf des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wird, ausscheidet.

                 

Gleiches gilt für die auf volle Kalendermonate des Studiengangs entfallenden Teile der Sparkassensonderzahlung.

        

(2)     

…       

        

§ 5     

        

Ersatzpflicht nach Beendigung des Lehrgangs

        

Scheidet der Beschäftigte auf eigenen Wunsch oder aus seinem Verschulden innerhalb von 24 Monaten nach Ablauf des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wurde, aus dem Arbeitsverhältnis aus, so hat er der Sparkasse für jeden Kalendermonat, der an diesem Zeitraum fehlt, 1/24 der in § 2 Abs. 1 genannten Leistungen mit Ausnahme der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung zu erstatten. Gleiches gilt für die auf volle Kalendermonate des Studiengangs entfallenden Teile der Sparkassensonderzahlung.

        

…“    

4

Der Studiengang „Sparkassenbetriebswirt/Sparkassenbetriebswirtin“ richtet sich nach der Satzung für den Studiengang „Sparkassenbetriebswirt/Sparkassenbetriebswirtin“ des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes vom 12. August 1994 (im Folgenden: Satzung des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes), die ua. folgenden Inhalt hat:

        

„I. Allgemeine Bestimmungen

        

§ 1     

        

Ziel und Gliederung des Studiengangs

        

(1)     

Der Studiengang dient der breiten und aufgabenorientierten Weiterbildung in sparkassenrelevanten Fachgebieten.

        

(2)     

Der Studiengang gliedert sich in einen Vorbereitungsteil von bis zu 15 Monaten Dauer und einen Präsenzteil aus drei Kursen von jeweils etwa fünf Wochen Dauer.

        

(3)     

Der Präsenzteil schließt mit der Sparkassenfachprüfung ab.

        

(4)     

…       

        

II. Vorbereitungsteil

        

§ 2     

        

Studienanforderungen und -inhalte

        

(1)     

Der Vorbereitungsteil dient der breiten Weiterbildung in sparkassenrelevanten Fachgebieten und erstreckt sich auf die Studieninhalte

                 

-       

Allgemeines Kreditwesen

                 

-       

Volkswirtschaftslehre

                 

-       

Betriebswirtschaftslehre einschließlich Rechnungswesen

                 

-       

Rechtskunde einschließlich Steuerrecht

                 

-       

Sparkassengeschäfte.

        

…       

        
        

§ 4     

        

Wiederholung des Vorbereitungsteils - Nachholung einzelner Aufsichtsarbeiten

        

…       

        

III. Präsenzteil

        

§ 5     

        

Zulassungsvoraussetzungen

        

(1)     

Zum Präsenzteil kann zugelassen werden, wer

                 

1.    

die Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Bankkaufmann oder des Lehrgangs ‚Sparkassenkaufmann/Sparkassenkauffrau’ des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbands oder eine diesen Prüfungen nach § 3 Abs. 3 der Anlage 3 zum BAT gleichwertige Prüfung bestanden hat,

                 

2.    

danach mindestens drei Jahre im Sparkassendienst die erforderlichen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen gesammelt hat; für Abiturienten kann diese Zeit auf bis zu zwei Jahre verkürzt werden,

                 

3.    

innerhalb der letzten zwei Jahre vor Beginn des Pflichtkurses Unternehmerische Basisqualifikation den Vorbereitungsteil erfolgreich abgeschlossen hat; …

        

(2)     

…       

        

§ 6     

        

Studienanforderungen; Kurse

        

(1)     

Der Präsenzteil dient der aufgabenorientierten Weiterbildung; in ihm werden Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt, die zur selbständigen Wahrnehmung qualifizierter Aufgaben erforderlich sind.

        

(2)     

Der Präsenzteil besteht aus einem Pflichtkurs ‚Unternehmerische Basisqualifikation’ und zwei Wahlkursen.

        

(3)     

Die Wahlkurse zielen auf eine qualifizierte Tätigkeit in den Bereichen

                 

-       

…       

                 

-       

Firmenkundengeschäft

                 

-       

…       

                 

…       

        
        

§ 7     

        

Studieninhalte

        

…       

        

IV. Sparkassenfachprüfung

        

§ 8     

        

Wesen der Sparkassenfachprüfung; Prüfungsausschuss

        

(1)     

Die Sparkassenprüfung ist die Zweite Prüfung im Sinn des § 25 BAT in Verbindung mit § 1 der Anlage 3 zum BAT.

        

(2)     

…       

        

§ 9     

        

Prüfungen; Prüfungsstoff

        

(1)     

Die Sparkassenfachprüfung besteht aus drei schriftlichen Aufgaben und drei mündlichen Prüfungen.

        

(2)     

…       

        

(3)     

Jeweils am Ende des Pflichtkurses und der beiden Wahlkurse werden aus deren Studieninhalten eine schriftliche Aufgabe und eine mündliche Prüfung abgehalten.

        

§ 10   

        

Prüfungsanforderungen

        

…       

        

§ 11   

        

Bewertung der Prüfungsleistungen; Prüfungsgesamtnote

        

(1)     

…       

        

(2)     

Die Prüfungsgesamtnote wird aus dem arithmetischen Mittel der in den Prüfungsleistungen erzielten Noten ermittelt.

        

§ 12   

        

Prüfungserfolg; Prüfungszeugnis

        

(1)     

…       

        

(2)     

Wer die Sparkassenfachprüfung bestanden hat, erhält ein Prüfungszeugnis. …

        

§ 13   

        

Wiederholung des Präsenzteils; Nachholung einzelner Prüfungen

        

…       

        

V. Führung der Bezeichnung ‚Sparkassenbetriebswirt/Sparkassenbetriebswirtin’

        

§ 14   

        

Sparkassenbetriebswirt/Sparkassenbetriebswirtin

        

Wer die Sparkassenfachprüfung bestanden hat, kann die Bezeichnung ‚Sparkassenbetriebswirt/Sparkassenbetriebswirtin’ führen. Über die Befugnis dazu wird eine besondere Urkunde ausgestellt.

        

…“    

5

Der Beklagte absolvierte in der Zeit vom 19. Juni 2006 bis zum 20. Juli 2006 den ersten Kurs (Firmenkreditgeschäft 1/FK 1). Da er sich noch bis zum 30. Juni 2006 im Grundwehrdienst befand, wurde er bis zu diesem Tag von dort aus für die Teilnahme freigestellt. Der zweite Kurs (Unternehmerische Basisqualifikation/UBQ) wurde vom Beklagten in der Zeit vom 15. Januar 2007 bis zum 15. Februar 2007 besucht. Dem Kläger sind für die Teilnahme des Beklagten am ersten und zweiten Kurs Lehrgangs- und Prüfungsgebühren iHv. jeweils 2.845,00 Euro entstanden.

6

Mit Schreiben vom 22. März 2007 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis und schied mit dem 30. Juni 2007 aus den Diensten des Klägers aus. Den dritten und letzten Kurs (Firmenkreditgeschäft 2/FK 2), zu dem er bereits für die Zeit vom 9. Oktober 2007 bis 13. November 2007 angemeldet war, absolvierte der Beklagte nicht mehr.

7

Mit Schreiben vom 13. Juni 2007 forderte der Kläger den Beklagten erfolglos zur Erstattung der Lehrgangs- und Prüfungsgebühren für den ersten und zweiten Kurs iHv. jeweils 2.845,00 Euro sowie zur Rückzahlung des während der Freistellung fortgezahlten Entgelts - mit Ausnahme der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung - iHv. 3.554,64 Euro auf und setzte dem Beklagten eine Frist zur Zahlung des Gesamtbetrages iHv. 9.244,64 Euro bis zum 30. Juni 2007.

8

Mit der am 3. September 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger den Beklagten auf Zahlung von 9.244,64 Euro nebst Zinsen in Anspruch genommen. Er hat die Auffassung vertreten, sein Anspruch folge aus § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung. Die Rückzahlungsklausel sei wirksam. § 4 und § 5 der Lehrgangsvereinbarung regelten unterschiedliche Tatbestände und seien deshalb getrennt zu beurteilen. Dem stehe nicht entgegen, dass sich der Studiengang zum Sparkassenbetriebswirt in Bayern in verschiedene Abschnitte gliedere, die zeitlich nicht direkt aneinander anschlössen, sondern unterbrochen seien. Gehe es - wie hier - um die Rückzahlung der Ausbildungskosten vor Abschluss der Ausbildung, komme es auf die Frage der zulässigen Bindungsdauer nicht an. Die Ausbildung sei für den Beklagten von geldwertem Vorteil. Die Qualifikation als Sparkassenbetriebswirt sei Zugangsvoraussetzung für die Eingruppierung in den gehobenen Sparkassendienst. Ohne die Zusatzausbildung hätte der Beklagte nur mit Tätigkeiten bis zur Vergütungsgruppe Vc der Anlage 1a zum BAT (= EG 8 Anlage 3 TVÜ-VKA) weiterbeschäftigt werden können. Der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung hätte die Beschäftigung mit Tätigkeiten bis zur Vergütungsgruppe III der Anlage 1a zum BAT (= EG 11 Anlage 3 TVÜ-VKA) ermöglicht. Mit der erfolgreich abgeschlossenen Weiterbildung hätte der Beklagte zudem Aufstiegschancen nicht nur bei ihm, sondern in der gesamten Sparkassenorganisation mit rund 450 Arbeitgebern und bei jedem anderen Arbeitgeber im Bankenbereich gehabt.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 9.244,64 Euro zzgl. Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Juli 2007 zu zahlen.

10

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

11

Er hat die Meinung vertreten, nicht zur Zahlung verpflichtet zu sein. Auf § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung allein könne der Kläger sein Begehren nicht mit Erfolg stützen. Die Bestimmung lasse bereits offen, welches Prüfungszeugnis gemeint sei. Auf die Satzung des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes könne sich der Kläger nicht berufen, da diese nicht Gegenstand der Lehrgangsvereinbarung gewesen sei. Sollte unter dem Prüfungszeugnis das Abschlusszeugnis nach Ablegung der Sparkassenfachprüfung zu verstehen sein, bewirke die Lehrgangsvereinbarung eine unangemessene Bindung des Beklagten an das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger. § 4 und § 5 der Lehrgangsvereinbarung seien als einheitliche Regelung anzusehen. Damit beginne die Bindung bereits mit der Anmeldung zum Lehrgang und ende erst 24 Monate nach Ausstellung des „Prüfungszeugnisses“. Folglich betrage die Bindungsdauer insgesamt 3,5 Jahre. Eine solche Bindung sei - gemessen an einer Ausbildungsdauer von ca. drei Monaten - unangemessen lang. Außerdem berücksichtige § 4 der Lehrgangsvereinbarung nicht den Fall, dass der Arbeitnehmer auf eigenen Wunsch das Arbeitsverhältnis beende, jedoch ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers vorliege, und sei auch deshalb unwirksam. Die Ausbildung zum Sparkassenbetriebswirt sei im Übrigen nur im Betrieb des Klägers von Nutzen und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht verwertbar.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die arbeitsgerichtliche Entscheidung auf die Berufung des Beklagten teilweise abgeändert und den Beklagten zur Erstattung von Lehrgangs- und Prüfungsgebühren iHv. insgesamt 5.690,00 Euro sowie zur Rückzahlung der vom Kläger während der Freistellung in der Zeit vom 1. Juli bis zum 20. Juli 2006 und vom 15. Januar bis zum 15. Februar 2007 gezahlten Vergütung iHv. 2.232,25 Euro verurteilt; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren nach vollständiger Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht iHv. insg. 7.922,25 Euro nebst Zinsen stattgegeben. Der Kläger kann von dem Beklagten in dieser Höhe die Rückzahlung der Weiterbildungskosten nach § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung verlangen.

14

I. Nach § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung hat der Beschäftigte der Sparkasse die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren sowie die während der Teilnahme an den Lehrgangs- und Prüfungsveranstaltungen fortgezahlte Vergütung zu erstatten, wenn er auf eigenen Wunsch oder aus seinem Verschulden vor Ablauf des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wird, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.

15

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Beklagte ist durch Eigenkündigung und damit auf eigenen Wunsch vor der Ausstellung des Prüfungszeugnisses aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten ist mit dem „Prüfungszeugnis“ iSd. § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung nicht das jeweils am Ende eines Kurses erstellte Zeugnis, sondern das über die Sparkassenfachprüfung erstellte Abschlusszeugnis gemeint. Dies ergibt die Auslegung der Vertragsklausel.

16

1. Bei den Bestimmungen der Lehrgangsvereinbarung, also auch bei deren § 4, handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Zwar hat das Landesarbeitsgericht nicht ausdrücklich entsprechende Tatsachenfeststellungen getroffen. Es hat dies allerdings vorausgesetzt, denn es hat die in § 4 Abs. 1 der Lehrgangsvereinbarung enthaltene Rückzahlungsklausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB unterzogen. Im Übrigen ist unter den Parteien nicht streitig, dass die Bestimmungen der mit dem Beklagten abgeschlossenen Lehrgangsvereinbarung vom Kläger vorformuliert waren und standardmäßig für eine Vielzahl von Arbeitnehmern Verwendung fanden.

17

Als Allgemeine Geschäftsbedingung ist § 4 der Lehrgangsvereinbarung nach seinem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie er von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird. Dabei sind nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen (vgl. BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 36 mwN, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 18; 27. Juli 2010 - 3 AZR 777/08 - Rn. 21, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 48).

18

2. Danach ist mit dem Prüfungszeugnis das über die Sparkassenfachprüfung erstellte Abschlusszeugnis gemeint.

19

a) Das ergibt sich bereits daraus, dass § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung nicht von den Zeugnissen, sondern von „dem“ Prüfungszeugnis spricht und damit erkennbar auf die in § 4 Abs. 1 Buchst. b) ausdrücklich aufgeführte Sparkassenfachprüfung Bezug nimmt. Zudem unterscheidet die Lehrgangsvereinbarung hinsichtlich der Rückzahlungsverpflichtung zwischen der Ersatzpflicht vor der Beendigung des Lehrgangs (§ 4)und der Ersatzpflicht nach der Beendigung des Lehrgangs (§ 5)und grenzt beide Tatbestände durch das Ende des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wurde, voneinander ab.

20

b) Dass es sich bei dem in § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung aufgeführten Prüfungszeugnis um das Prüfungszeugnis über die Sparkassenfachprüfung handelt, folgt auch aus § 12 Abs. 2 der Satzung des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes. Dort ist als Prüfungszeugnis nur das Zeugnis über das Bestehen der Sparkassenfachprüfung, also das Abschlusszeugnis genannt. Die Satzung kann zur Auslegung von § 4 der Lehrgangsvereinbarung herangezogen werden, obgleich die Parteien sie nicht ausdrücklich in ihrer Vereinbarung in Bezug genommen haben. Die Parteien haben sich zumindest konkludent darauf verständigt, dass sich die Weiterbildung des Beklagten nach der Satzung des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes richten sollte. Sie haben die Lehrgangsvereinbarung nicht zu irgendeinem Studiengang, sondern zu dem Studiengang „Sparkassenbetriebswirt/Sparkassenbetriebswirtin“ abgeschlossen. Dieser Studiengang wurde vom Sparkassenverband Bayern durchgeführt. Dementsprechend hatte sich der Kläger in § 1 der Lehrgangsvereinbarung ausdrücklich verpflichtet, den Beklagten zum Besuch des Präsenzteils für den Studiengang „Sparkassenbetriebswirt/Sparkassenbetriebswirtin“ beim Sparkassenverband Bayern anzumelden. Es war daher für den Beklagten ohne Weiteres erkennbar, dass sich die Weiterbildung nach den Vorgaben in der Satzung des Bayerischen Sparkassenverbandes richtete. Dass der Kläger bei Vertragsschluss weder auf die Satzung des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes ausdrücklich hingewiesen, noch dem Beklagten die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft hat, ändert hieran nichts. Nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB ist § 305 Abs. 2 und 3 BGB bei Arbeitsverträgen nicht anzuwenden.

21

II. Die in § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung geregelte Rückzahlungsklausel ist wirksam. Insbesondere hält sie einer Kontrolle nach den §§ 307 ff. BGB stand.

22

1. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB steht der uneingeschränkten AGB-Kontrolle nach den §§ 307 ff. BGB nicht entgegen. Danach gelten die Abs. 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Dazu gehören auch Regelungen, die die Umstände des vom Verwender gemachten Hauptleistungsversprechens ausgestalten (vgl. BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 - Rn. 12 mwN, BAGE 129, 121). Um eine derartige Regelung handelt es sich hier. Der Kläger hat in § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung festgelegt, unter welchen Voraussetzungen der Beklagte zur Erstattung der von ihm getragenen Kosten für die Weiterbildung verpflichtet sein sollte.

23

2. § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

24

a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Diese Regelung verpflichtet den Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein und verlangt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Es darf den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen jedoch nicht überfordern. Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht deshalb nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 896/07 - Rn. 19 mwN, AP BGB § 306 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 45; 27. Juli 2010 - 3 AZR 777/08 - Rn. 19, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 48; BGH 20. Juli 2005 - VIII ZR 121/04 - zu A I 1 a der Gründe, BGHZ 164, 11).

25

b) § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung genügt diesen Anforderungen. Die Regelung lässt mit der gebotenen Eindeutigkeit erkennen, dass der Beklagte zur Rückzahlung der vom Kläger nach § 2 Abs. 1 der Lehrgangsvereinbarung erbrachten Leistungen nur dann verpflichtet sein soll, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des Kalendermonats, in dem das Abschlusszeugnis über das Bestehen der Sparkassenfachprüfung ausgestellt wird, aufgrund von Umständen endet, die in den alleinigen Verantwortungs- und Risikobereich des Beklagten fallen, also ausschließlich seiner Sphäre zuzurechnen sind. § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung knüpft die Verpflichtung zur Rückzahlung an das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis „auf eigenen Wunsch“ oder „aus seinem Verschulden“. Beide Voraussetzungen betreffen ausschließlich die Sphäre des Beklagten. Damit war für den Beklagten ohne Weiteres erkennbar, dass er dann nicht mit Ausbildungskosten belastet werden sollte, wenn er sich wegen eines Fehlverhaltens des Klägers als zur Eigenkündigung berechtigt ansehen durfte oder wenn der Kläger aus betriebsbedingten Gründen das Arbeitsverhältnis beendete.

26

3. § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung ist auch nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Der Beklagte wird durch die Rückzahlungsklausel nicht unangemessen benachteiligt.

27

a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird (vgl. BAG 8. August 2007 - 7 AZR 855/06 - Rn. 16, BAGE 123, 327). Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus (vgl. BAG 2. September 2009 - 7 AZR 233/08 - Rn. 28, AP TzBfG § 14 Nr. 66 = EzA TzBfG § 14 Nr. 61). Dabei ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 896/07 - Rn. 30, AP BGB § 306 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 45). Es kommt nicht auf die besonderen Umstände des Einzelfalls, sondern auf die typische Sachlage an (vgl. BGH 29. Mai 1991 - IV ZR 187/90 - zu II 3 a der Gründe, NJW 1991, 2763). Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner unter Berücksichtigung der Art, des Gegenstandes, des Zwecks und der besonderen Eigenart des jeweiligen Geschäfts (vgl. BAG 2. September 2009 - 7 AZR 233/08 - aaO).

28

b) In Anwendung dieser Grundsätze benachteiligt § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung den Beklagten nicht unangemessen.

29

aa) Eine unangemessene Benachteiligung folgt nicht daraus, dass § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung dem Beklagten keine ausreichende Überlegungsfrist einräumt, innerhalb derer er - ohne Kostenrisiko - hätte entscheiden können, die Ausbildungsmaßnahme fortzusetzen oder aufzugeben.

30

Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 20. Februar 1975 (- 5 AZR 240/74 - zu II 4 b der Gründe, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 2 = EzA GG Art. 12 Nr. 12) entschieden, dass der Arbeitgeber bei länger dauernden Ausbildungsmaßnahmen auf die besondere Situation eines Auszubildenden Rücksicht zu nehmen hat und der Auszubildende Gelegenheit haben muss, innerhalb einer angemessenen Frist zu prüfen, ob er für die beabsichtigte Ausbildung geeignet ist und die erforderlichen Neigungen besitzt. Es kann dahingestellt bleiben, welche Reichweite diese Grundsätze haben. Jedenfalls im Streitfall sind sie nicht anwendbar. Hier ging es - anders als in dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Februar 1975 (- 5 AZR 240/74 - aaO) zugrunde liegenden Fall - nicht um eine längere Ausbildung eines Arbeitnehmers zur Ausübung eines weiteren Berufes, sondern - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat - um den Erwerb einer zusätzlichen Qualifikation innerhalb eines Berufsbildes. Hinzu kommt, dass der Beklagte - wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat - keiner Überlegungsfrist bedurfte, innerhalb derer er über die Fortsetzung oder die Beendigung des Studiengangs hätte entscheiden können, ohne mit Kosten belastet zu werden. Der Beklagte hatte vor Abschluss der Lehrgangsvereinbarung an dem zum Studiengang selbst gehörenden Vorbereitungsteil teilgenommen. Während dieser Zeit konnte er sich darüber klar werden, ob der Studiengang insgesamt für ihn geeignet war oder nicht. Dies ist für die Angemessenheitsprüfung von Bedeutung. Bei der von den Parteien geschlossenen Lehrgangsvereinbarung handelt es sich um einen Verbrauchervertrag iSd. § 310 Abs. 3 BGB(vgl. zum Arbeitsvertrag BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - BAGE 115, 19). Deshalb sind bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen, § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB. Ein solcher Umstand ist die Tatsache, dass der Beklagte die erforderliche Entscheidung bereits aufgrund der Teilnahme an dem Vorbereitungsteil treffen konnte.

31

bb) Die vom Kläger gestellte Klausel belastet den Beklagten auch nicht ohne Ausnahme für jeden Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Rückzahlungspflicht für entstandene Ausbildungskosten (vgl. hierzu BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 21, BAGE 118, 36; 23. Januar 2007 - 9 AZR 482/06 - Rn. 21, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 38 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 19). Die Bestimmung unterscheidet vielmehr danach, ob der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Sphäre des Arbeitgebers oder der des Arbeitnehmers zuzuordnen ist. Sie sieht eine Rückzahlungspflicht gerade nicht für die Fälle vor, in denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber (mit)veranlasst wurde, zB durch betriebsbedingte Kündigung oder Kündigung des Arbeitnehmers wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers.

32

cc) Unangemessen benachteiligt würde der Beklagte durch die in § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung vorgesehene Rückzahlungsklausel allerdings dann, wenn er nach Ablauf des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wird, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden könnte, ohne mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastet zu sein. Dies ist jedoch nicht der Fall. Nach § 5 der Lehrgangsvereinbarung hätte der Beklagte, sofern er auf eigenen Wunsch oder aus seinem Verschulden innerhalb von 24 Monaten nach Ablauf des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wurde, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, dem Kläger für jeden Kalendermonat, der an diesem Zeitraum fehlt, 1/24 der in § 2 Abs. 1 genannten Leistungen mit Ausnahme der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung zu erstatten. Diese Bestimmung ist wirksam, insbesondere benachteiligt sie den Beklagten nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 BGB).

33

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind einzelvertragliche Vereinbarungen grundsätzlich zulässig, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, wenn er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Allerdings können derartige Zahlungsverpflichtungen, die an eine vom Arbeitnehmer zu verantwortende Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, gegen Treu und Glauben verstoßen. Ob dies der Fall ist, ist anhand einer Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei ist das Interesse des Arbeitgebers, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig zu nutzen, einerseits mit dem Interesse des Arbeitnehmers daran, durch die Ausbildung die eigenen Arbeitsmarktchancen zu verbessern und sich gegenüber dem Arbeitgeber nur in einem solchen Umfang zu binden, wie es im Verhältnis zu dessen Aufwendungen angemessen ist, andererseits ins Verhältnis zu setzen (vgl. BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 - Rn. 17 mwN, BAGE 129, 121).

34

Eine Rückzahlungsklausel ist danach nur zulässig, wenn die Aus- und Fortbildungsmaßnahme für den Arbeitnehmer von geldwertem Vorteil ist, sei es, dass bei seinem bisherigen Arbeitgeber die Voraussetzungen einer höheren Vergütung erfüllt sind oder dass sich die erworbenen Kenntnisse auch anderweitig nutzbar machen lassen. Zudem müssen die Vorteile der Ausbildung und die Dauer der Bindung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Dies ist in erster Linie nach der Dauer der Aus- oder Fortbildungsmaßnahme, aber auch anhand der Qualität der erworbenen Qualifikation zu beurteilen. Dabei gelten die folgenden Grundsätze: Bei einer Fortbildungsdauer von bis zu einem Monat ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung ist regelmäßig eine Bindungsdauer bis zu sechs Monaten zulässig, bei einer Fortbildungsdauer von bis zu zwei Monaten eine einjährige Bindung, bei einer Fortbildungsdauer von drei bis vier Monaten eine zweijährige Bindung, bei einer Fortbildungsdauer von sechs Monaten bis zu einem Jahr keine längere Bindung als drei Jahre und bei einer mehr als zweijährigen Dauer eine Bindung von fünf Jahren. Dabei geht es allerdings nicht um rechnerische Gesetzmäßigkeiten, sondern um richterrechtlich entwickelte Regelwerte, die einzelfallbezogenen Abweichungen zugänglich sind (vgl. BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 - Rn. 18 mwN, BAGE 129, 121).

35

(2) In Anwendung dieser Grundsätze begegnet die in § 5 der Lehrgangsvereinbarung enthaltene Rückzahlungsklausel keinen rechtlichen Bedenken.

36

(a) Die Ausbildung zum Sparkassenbetriebswirt ist - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat - für den Beklagten von geldwertem Vorteil. Nach § 8 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes ist die Sparkassenfachprüfung die Zweite Prüfung iSd. § 25 BAT iVm. § 1 der Anlage 3 zum BAT. Nach § 17 Abs. 1 TVÜ-VKA gelten diese Bestimmungen auch nach Inkrafttreten des TVöD bis zum Inkrafttreten von Eingruppierungsvorschriften fort. Die Qualifikation ist damit Zugangsvoraussetzung für den gehobenen Sparkassendienst. Ohne die Zusatzausbildung hat der Beklagte - im Übrigen nicht nur beim Kläger, sondern in der gesamten Sparkassenorganisation mit rund 450 Arbeitgebern - nur Aufstiegschancen bis zur Vergütungsgruppe Vc der Anlage 1a zum BAT (= EG 8 Anlage 3 TVÜ-VKA). Der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung hätte demgegenüber eine Eingruppierung bis hin zur Vergütungsgruppe III der Anlage 1a zum BAT (= EG 11 Anlage 3 TVÜ-VKA) ermöglicht. Dies ist ein erheblicher geldwerter Vorteil. Die Fortbildung zum Sparkassenbetriebswirt ist demnach, wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 5. Juni 2007 (- 9 AZR 604/06 - Rn. 20, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 11) ausdrücklich ausgeführt hat, „ihres Geldes wert“.

37

(b) Fortbildungs- und Bindungsdauer stehen auch in einem ausgewogenen Verhältnis. Der Präsenzteil, zu dessen Besuch der Kläger den Beklagten beim Sparkassenkassenverband Bayern angemeldet hatte, bestand aus drei Kursen von jeweils etwa fünf Wochen Dauer. Damit belief sich die Ausbildungszeit auf insgesamt 15 Wochen. Eine hieran anknüpfende Bindungsdauer von zwei Jahren ist für den Arbeitnehmer regelmäßig nicht unangemessen benachteiligend. An dieser Bewertung ändert sich auch dann nichts, wenn der Zeitraum, während dessen der Beklagte zur Teilnahme an der Weiterbildung vom Grundwehrdienst freigestellt war, nicht als Weiterbildungszeit berücksichtigt würde. Dann verblieben jedenfalls noch 13 Wochen, mithin etwa drei Monate. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beklagte mit der Ausbildung einen erheblichen geldwerten Vorteil erlangt hätte, wäre auch hier eine Bindungsdauer von zwei Jahren nicht zu beanstanden.

38

dd) § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung benachteiligt den Beklagten auch nicht deshalb entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil der Beklagte bereits während der Dauer der Fortbildung aufgrund der Rückzahlungspflicht an das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger gebunden war. Die Klausel bewirkt vielmehr einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen.

39

(1) Obwohl einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich zulässig sind (vgl. 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 24 mwN, BAGE 118, 36), können Zahlungsverpflichtungen, die - wie die vorliegende - an eine vom Arbeitnehmer zu verantwortende Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen. Da sie geeignet sind, das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 GG einzuschränken, muss die Rückzahlungspflicht einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen. Den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer muss ein angemessener Ausgleich gegenüberstehen; der Arbeitnehmer muss mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten. Insgesamt muss die Erstattungspflicht - auch dem Umfang nach - dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein (BAG 11. April 1984 - 5 AZR 430/82 - zu II der Gründe, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 8 = EzA BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 4; 8. August 1990 - 5 AZR 545/89 - zu I der Gründe; 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 25 mwN, aaO; 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 - Rn. 17, BAGE 129, 121).

40

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber Ausbildungskosten nur für solche Arbeitnehmer aufwenden will, die auch bereit sind, ihm die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten einige Zeit zur Verfügung zu stellen. Er hat ein berechtigtes Interesse daran, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig zu nutzen. Demgegenüber geht das Interesse des Arbeitnehmers dahin, durch die Ausbildung die eigenen Arbeitsmarktchancen zu verbessern und dem Arbeitgeber deshalb nicht Kosten für eine Aus- oder Weiterbildung erstatten zu müssen, die sich als Investition im ausschließlichen Arbeitgeberinteresse darstellen (vgl. BAG 18. November 2008 - 3 AZR 192/07 - Rn. 34, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 42). Zudem hat der Arbeitnehmer ein billigenswertes Interesse daran, seinen Arbeitsplatz ohne Belastung mit der Erstattungspflicht wählen zu können (BAG 20. Februar 1975 - 5 AZR 240/74 - zu II 2 der Gründe, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 2 = EzA GG Art. 12 Nr. 12; 5. Juni 2007 - 9 AZR 604/06 - Rn. 18, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 11).

41

Endet das Arbeitsverhältnis vor Abschluss der Aus- oder Weiterbildung aufgrund von Umständen, die in den alleinigen Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitnehmers fallen, sind diese widerstreitenden Interessen idR bereits dann angemessen ausgeglichen, wenn der Arbeitnehmer mit der Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten hätte, dh. wenn die Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme für ihn von geldwertem Vorteil gewesen wäre (vgl. BAG 21. November 2001 - 5 AZR 158/00 - zu I 2 b aa der Gründe, BAGE 100, 13; 19. Februar 2004 - 6 AZR 552/02 - zu I 2 a bb der Gründe, BAGE 109, 345; 15. September 2009 - 3 AZR 173/08 - Rn. 38, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 13)und er nur die bis zum Ausscheiden tatsächlich entstandenen Kosten zurückzuzahlen hat. Dies ist vorliegend der Fall.

42

(2) Der Umstand, dass die Rückzahlungsverpflichtung nach § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung den Beklagten nicht nur während der Fortbildungszeiten, sondern auch während der zwischen den Ausbildungsabschnitten liegenden Zeiträume an das Arbeitsverhältnis bindet, führt nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung.

43

(a) Zwar müssen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Fortbildungs- und die Bindungsdauer in einem angemessenen Verhältnis stehen. Dieses Kriterium ist von der Rechtsprechung jedoch für Klauseln entwickelt worden, die eine Rückzahlungsverpflichtung für den Fall vorsehen, dass der Arbeitnehmer nach Abschluss der Ausbildung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet (vgl. BAG 21. November 2001 - 5 AZR 158/00 - zu I 2 b bb der Gründe, BAGE 100, 13; 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 - Rn. 18, BAGE 129, 121). Es ist auf Klauseln der vorliegenden Art, die eine Rückzahlungsverpflichtung für den Fall auslösen, dass das Arbeitsverhältnis auf alleinige Veranlassung des Arbeitnehmers vor Abschluss der Ausbildung beendet wird, nicht übertragbar.

44

Das Interesse des Arbeitgebers ist von vornherein darauf gerichtet, die vom Arbeitnehmer mit der Ausbildung erworbene Qualifikation möglichst langfristig für seinen Betrieb nutzen zu können. Das setzt das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den Zeitpunkt des Abschlusses der Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme voraus. Scheidet der Arbeitnehmer vor deren Abschluss aus dem Arbeitsverhältnis aus, erweisen sich die vom Arbeitgeber getätigten Aufwendungen als nutzlos. Demgegenüber hat sich der Arbeitnehmer mit Rücksicht auf das zum Arbeitgeber bestehende Arbeitsverhältnis und in Kenntnis der Interessen des Arbeitgebers dafür entschieden, die von diesem finanzierte Aus- oder Fortbildungsmaßnahme durchzuführen. Er hat daher sein Grundrecht aus Art. 12 GG gerade dahin ausgeübt, seine Qualifikation und seine Aufstiegschancen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu seinem Arbeitgeber zu verbessern und sich deshalb gegenüber dem Arbeitgeber zur Teilnahme an der Aus- oder Fortbildung verpflichtet. Die Bindung an das Arbeitsverhältnis bis zum Abschluss der Aus- oder Fortbildung ist daher idR zumutbar.

45

Dies gilt grundsätzlich nicht nur dann, wenn die Aus- oder Weiterbildung „in einem Block“ absolviert wird, sondern auch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen sie in mehreren, zeitlich voneinander getrennten Abschnitten erfolgt. Voraussetzung ist jedoch, dass nach der Fortbildungsvereinbarung die zeitliche Lage der einzelnen Aus- oder Weiterbildungsabschnitte den Vorgaben der Aus- oder Weiterbildungseinrichtung entsprechen soll und die vertragliche Vereinbarung dem Arbeitgeber nicht die Möglichkeit eröffnet, allein nach seinen Interessen die Teilnahme an den jeweiligen Aus- oder Weiterbildungsabschnitten oder deren zeitliche Lage festzulegen. Andernfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, den Arbeitnehmer länger als zur ordnungsgemäßen Absolvierung der Ausbildung nötig an sich zu binden und ihn dadurch in seinem beruflichen Fortkommen zu behindern.

46

(b) Danach wird der Beklagte durch die in § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung getroffene Rückzahlungsvereinbarung nicht unangemessen benachteiligt. Die Vereinbarung lässt eine allein an seinen Interessen orientierte Einflussnahme des Klägers auf die zeitliche Lage der Weiterbildungsabschnitte nicht zu. Die Parteien haben sich mit der Lehrgangsvereinbarung nicht nur konkludent auf eine Weiterbildung entsprechend der Satzung des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes, sondern auch darüber verständigt, dass der Besuch des Präsenzteils sich entsprechend den Vorgaben und dem Angebot der Weiterbildungseinrichtung, hier des Sparkassenverbandes Bayern, vollziehen soll. Der Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass die Dauer der Unterbrechungen zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten im Hinblick auf die Ausbildung unangemessen lang war. Es bedurfte deshalb keiner Entscheidung, ob und inwieweit die bei Abschluss der Rückzahlungsvereinbarung absehbare Länge der Unterbrechungen zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten überhaupt einer Angemessenheitskontrolle unterliegt.

47

Sofern der Kläger im Einzelfall entgegen den Absprachen Einfluss auf die zeitliche Lage der einzelnen Ausbildungsabschnitte genommen haben oder das Angebot der Weiterbildungseinrichtung nicht hinreichend gewesen sein sollte, führte dies nicht zur Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel. In einem solchen Fall könnte der Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs nur der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegenstehen. Für einen solchen Ausnahmefall hat der Beklagte jedoch nichts vorgetragen.

48

III. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1, § 247 BGB.

49

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

        

        

    Kaiser    

        

    Kanzleiter    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Januar 2009 - 3 Sa 483/08 - aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen und über die Kosten entschieden hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und die Verpflichtung zur Erstattung von Aufwendungen.

2

Der Kläger ist seit 1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, bundesweit tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, beschäftigt. Er ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und hat den Status eines Partners. Sein Jahresgehalt betrug ohne Sonderleistungen zuletzt 176.000,00 Euro brutto. Der Kläger war seit dem 1. Juli 1990 in der Niederlassung Leipzig tätig. Am 1./14. Juli 1994 wurde ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen, der unter anderem folgende Regelungen enthält:

        

㤠1

        

Mit Wirkung vom 1. Oktober 1993 ist Herr H zum Bereichsleiter (Partner Stufe III) der Zweigniederlassung Leipzig ernannt worden. Die C behält sich vor, Herrn H - sofern Geschäftsnotwendigkeiten dies erfordern - anderweitig einzusetzen und zu versetzen.

        

….    

                 
        

§ 7

        

Im Verhältnis zur C gilt als Wohnsitz von Herrn H Leipzig. Die jeweils geltende Reisekostenordnung der C findet Anwendung.“

3

Bei Dienstreisen erstattet die Beklagte ihren Mitarbeitern Aufwendungen nach den Bestimmungen der Gesamtbetriebsvereinbarung Reisekosten (Reisekostenordnung) vom 29. Juni 2004, die auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung findet. Der Begriff Dienstreise wird dort wie folgt definiert:

        

„Eine Dienstreise ist ein Ortswechsel einschließlich der Hin- und Rückfahrt aus Anlass einer vorübergehenden Auswärtstätigkeit. Eine Auswärtstätigkeit liegt vor, wenn der Mitarbeiter außerhalb seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte beruflich tätig wird. Eine Auswärtstätigkeit ist vorübergehend, wenn der Mitarbeiter voraussichtlich an die regelmäßige Arbeitsstätte zurückkehren und dort seine berufliche Tätigkeit fortsetzen wird.“

4

Der Kläger war zuletzt als „Bereichsleiter Tax“ der Niederlassung Leipzig tätig. Zwischen den Parteien kam es zum Streit über die Fähigkeiten des Klägers zur Führung der ihm unterstellten Mitarbeiter und zur Betreuung der Kunden. Angebote der Beklagten zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags lehnte der Kläger in den Monaten Februar und März 2007 ab. Mit Schreiben vom 2. Mai 2007 sprach die Beklagte eine Versetzung des Klägers „mit Wirkung zum 21. Mai 2007 zur Niederlassung Frankfurt in den Bereich Tax & Legal PS Mitte“ aus. Dort soll der Kläger als „verantwortlicher Sales-Partner“ eingesetzt werden und überwiegend Vertriebstätigkeiten ausüben. Zudem soll er den Bereich „Education/Social Security“ aufbauen und seine bereits zuvor im Bereich Controlling PS (Public Service) übernommenen Aufgaben sollen bundesweit ausgeweitet werden. Die neue Tätigkeit umfasst keine Personalverantwortung. Im Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 22. Oktober 2007 war der Kläger mit Ausnahme einer urlaubsbedingten Unterbrechung in Frankfurt am Main tätig. Seitdem wird er aufgrund entsprechender arbeitsgerichtlicher Entscheidungen wieder in der Niederlassung Leipzig eingesetzt.

5

Der Kläger hat geltend gemacht, er sei aufgrund der vertraglich vereinbarten Tätigkeit als Bereichsleiter der Niederlassung Leipzig zu beschäftigen. Die Zuweisung einer anderweitigen Tätigkeit und/oder eines anderen Tätigkeitsorts sei unzulässig. Der Versetzungsvorbehalt sei gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Darüber hinaus sei die Tätigkeit eines „verantwortlichen Sales-Partners“ hierarchisch nicht mit der Tätigkeit eines „Bereichsleiters“ gleichzusetzen. Unabhängig hiervon entspreche die Versetzung wegen der weiten Entfernung vom bisherigen Arbeitsort nicht billigem Ermessen.

6

Die vorübergehende Tätigkeit in Frankfurt am Main sei als Dienstreise zu behandeln. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 17. August 2007 und vom 3. September 2007 bis zum 22. Oktober 2007 ergebe sich ein Aufwendungsersatzanspruch nach der Reisekostenordnung in Höhe von insgesamt 7.803,35 Euro.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Bereichsleiter Tax der Niederlassung Leipzig am Standort Leipzig zu beschäftigen,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.803,35 Euro zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, dass eine Beschränkung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung auf die Tätigkeit eines Bereichsleiters der Niederlassung Leipzig nicht stattgefunden habe. Der Versetzungsvorbehalt sei wirksam, da die Interessen des Klägers in ausreichendem Maße dadurch gewahrt würden, dass die Versetzung nur im Falle einer „Geschäftsnotwendigkeit“ erfolgen dürfe. In seinem bisherigen Einsatzfeld als zuständiger Partner „PS Ost“ sei der Kläger nicht länger einsetzbar. Die wichtigen Mandanten würden den Kläger, der überwiegend Controlling-Tätigkeiten ausgeübt habe, nicht als Ansprechpartner akzeptieren. Früher habe die Betreuung dieser Mandanten durch einen weiteren in Leipzig beschäftigten Partner stattgefunden, der zum 30. Juni 2007 pensioniert worden sei. Der Umgang des Klägers mit den Mitarbeitern sei ebenfalls nicht akzeptabel, diese würden sich zunehmend verärgert zeigen. Der Kläger stehe als fachlicher Ansprechpartner nicht zur Verfügung. Sein mangelnder Arbeitseinsatz sei für alle erkennbar. Die dem Kläger zugewiesenen neuen Aufgaben seien mit seinen bisherigen Aufgaben vergleichbar; die Position befinde sich auf gleicher hierarchischer Ebene. Die Betreuung der Mandate der Region Mitte sei nur von Frankfurt am Main aus möglich, da die Mandanten eine regionale Präsenz des Partners erwarteten.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist zulässig und begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Berufung nicht zurückgewiesen werden. Der Senat kann in der Sache mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

11

I. Die auf vertragsgemäße Beschäftigung gerichtete Leistungsklage ist zulässig.

12

1. Bei einem Streit über die Berechtigung einer Versetzung bestehen für den Arbeitnehmer zwei Möglichkeiten. Er kann die Berechtigung der Versetzung im Rahmen einer Feststellungsklage klären lassen (st. Rspr., zuletzt zB BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 -). Darüber hinaus hat er die Möglichkeit, den Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung im Rahmen einer Klage auf künftige Leistung gem. § 259 ZPO durchzusetzen(vgl. BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 51 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 19). Bei der Prüfung des Beschäftigungsanspruchs ist die Wirksamkeit der Versetzung als Vorfrage zu beurteilen. Voraussetzung für eine derartige Klage ist die Besorgnis, dass der Schuldner sich andernfalls der rechtzeitigen Leistung entziehen werde.

13

2. Der Antrag des Klägers ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. In Verbindung mit der Klagebegründung ist erkennbar, welche konkrete Beschäftigung er anstrebt. Die Voraussetzungen des § 259 ZPO liegen vor, obwohl der Kläger zurzeit auf seinem bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt wird. Die derzeitige Beschäftigung erfolgt ausschließlich aufgrund der vorläufig vollstreckbaren Entscheidungen der Vorinstanzen.

14

II. Ob die Klage begründet ist, kann der Senat nicht abschließend beurteilen.

15

1. Erweist sich eine vom Arbeitgeber vorgenommene Versetzung als unwirksam, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung in seiner bisherigen Tätigkeit am bisherigen Ort (vgl. BAG 17. Februar 1998 - 9 AZR 130/97 - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 618 Nr. 27 = EzA BGB § 615 Nr. 89; 26. Januar 1988 - 1 AZR 531/86 - zu II 5 der Gründe, BAGE 57, 242; 14. Juli 1965 - 4 AZR 347/63 - BAGE 17, 241). Bei einer Versetzung handelt es sich um eine einheitliche Maßnahme, die nicht in den Entzug der bisherigen Tätigkeit und die Zuweisung einer neuen Tätigkeit aufgespalten werden kann (vgl. BAG 30. September 1993 - 2 AZR 283/93 - zu B I 3 e ff der Gründe, BAGE 74, 291). Dies gilt auch dann, wenn Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nicht abschließend festgelegt sind, sondern dem Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) unterliegen. Solange dieser nicht rechtswirksam von seinem Weisungsrecht erneut Gebrauch gemacht oder eine wirksame Freistellung von der Arbeit ausgesprochen hat, bleibt es bei der bisher zugewiesenen Arbeitsaufgabe am bisherigen Ort und der Arbeitnehmer hat einen dementsprechenden Beschäftigungsanspruch. Die gegenteilige Auffassung (LAG Hamm 8. März 2005 - 19 Sa 2128/04 - zu II 3 der Gründe, NZA-RR 2005, 462 unter Berufung auf LAG Nürnberg 10. September 2002 - 6 (4) Sa 66/01 - LAGE BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 29) übersieht, dass eine ausgeübte Weisung nicht durch eine unwirksame Versetzung beseitigt werden kann. Sie lässt sich auch nicht auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Januar 2001 (- 5 AZR 411/99 -) stützen, da dort der Entzug bestimmter Tätigkeiten noch im Rahmen des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts erfolgte. Im Übrigen beschränkt sie unangemessen die Möglichkeit einer effektiven Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs für den Zeitraum bis zu einer neuen Ausübung des Weisungsrechts durch den Arbeitgeber.

16

Wird der Arbeitgeber nach einer Versetzung zur tatsächlichen Beschäftigung zu den vorherigen Bedingungen verurteilt, ist damit die Vorfrage der Wirksamkeit der Versetzung beantwortet. Eine Entscheidung darüber, ob und ggf. in welchem Umfang der Arbeitgeber zukünftig von seinem Weisungsrecht rechtswirksam Gebrauch machen kann, ist hingegen nicht getroffen. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger seinen Beschäftigungsanspruch unter anderem damit begründet hat, er sei „auf Dauer“ als Bereichsleiter Tax der Niederlassung Leipzig am Standort Leipzig zu beschäftigen und die Zuweisung einer anderen Tätigkeit an einem anderen Arbeitsort komme nicht in Betracht, da sie nicht von dem arbeitsvertraglichen Direktionsrecht der Beklagten umfasst sei. Dabei handelt es sich um bloße Elemente der Klagebegründung, die im Falle des Obsiegens mit dem Leistungsantrag nicht gem. § 322 ZPO in materielle Rechtskraft erwachsen. Will ein Arbeitnehmer eine weitergehende Entscheidung zum Umfang des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts erreichen, so muss er bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 256 ZPO von der Möglichkeit eines gesonderten Feststellungsantrags Gebrauch machen.

17

2. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB beruht, ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:

18

a) In einem ersten Schritt ist durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei ist insbesondere festzustellen, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat. In Betracht kommt, dass eine wie ein Versetzungsvorbehalt erscheinende Klausel tatsächlich lediglich den Umfang der vertraglich geschuldeten Leistung bestimmen soll, insbesondere wenn alternative Tätigkeiten oder Tätigkeitsorte konkret benannt sind. Ungewöhnliche, insbesondere überraschende Klauseln iSv. § 305c Abs. 1 BGB(zB „versteckte“ Versetzungsvorbehalte) werden allerdings nicht Vertragsbestandteil.

19

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 36, NZA 2010, 877; 21. Oktober 2009 - 4 AZR 880/07 - Rn. 18).

20

Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gem. § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZR 388/05 - Rn. 30, AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 67 = EzA BetrAVG § 1 Zusatzversorgung Nr. 18; st. Rspr. BGH, vgl. zB zuletzt 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08 - Rn. 41, MDR 2010, 1096; 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09 - Rn. 16, NJW 2010, 2877).

21

b) Ergibt die Auslegung, dass der Vertrag eine nähere Festlegung hinsichtlich Art und/oder Ort der Tätigkeit enthält, so unterliegt diese keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Vielmehr handelt es sich um die Bestimmung des Inhalts der Hauptpflicht (vgl. BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 564/06 - Rn. 30, BAGE 123, 98; Kleinebrink ArbRB 2007, 57, 58). Dabei ist unerheblich, wie eng oder weit die Leistungsbestimmung gefasst ist. § 308 Nr. 4 BGB ist ebenfalls nicht anwendbar, da diese Vorschrift nur einseitige Bestimmungsrechte hinsichtlich der Leistung des Verwenders erfasst(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 31, BAGE 118, 22). Vorzunehmen ist lediglich eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

22

Soweit es an einer Festlegung des Inhalts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag fehlt, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Je allgemeiner die vom Arbeitnehmer zu leistenden Dienste im Arbeitsvertrag festgelegt sind, desto weiter geht die Befugnis des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer unterschiedliche Aufgaben im Wege des Direktionsrechts zuzuweisen (vgl. zB BAG 2. März 2006 - 2 AZR 23/05 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 67). Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es insoweit nicht an. Bei einer engen Bestimmung der Tätigkeit wird das Direktionsrecht hingegen eingeschränkt. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer nur die betreffenden Aufgaben zuweisen. Eine Veränderung des Tätigkeitsbereichs kann er nur einvernehmlich oder durch eine Änderungskündigung herbeiführen.

23

c) Enthält der Arbeitsvertrag neben einer Festlegung von Art und/oder Ort der Tätigkeit einen sog. Versetzungsvorbehalt, so ist zu differenzieren:

24

aa) Ergibt die Vertragsauslegung, dass der Versetzungsvorbehalt materiell (nur) dem Inhalt der gesetzlichen Regelung des § 106 GewO entspricht oder zugunsten des Arbeitnehmers davon abweicht, unterliegt diese Klausel keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern allein einer Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB(BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 24 ff.). Der Arbeitgeber, der sich lediglich die Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhalts, nicht aber eine Änderung des Vertragsinhalts vorbehält, weicht nicht zulasten des Arbeitnehmers von Rechtsvorschriften ab (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB).

25

Die Vertragsklausel muss dabei die Beschränkung auf den materiellen Gehalt des § 106 GewO unter Berücksichtigung der oben dargestellten Auslegungsgrundsätze aus sich heraus erkennen lassen. Insbesondere muss sich aus dem Inhalt der Klausel oder aus dem Zusammenhang der Regelung deutlich ergeben, dass sich der Arbeitgeber nicht die Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten - ggf. noch unter Verringerung der Vergütung - vorbehält. Dagegen erfordert auch die Verpflichtung zur transparenten Vertragsgestaltung gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht, dass die Klausel Hinweise auf den Anlass der Ausübung des Weisungsrechts enthält(vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 44 ff., AP BGB § 307 Nr. 26).

26

bb) Ergibt die Vertragsauslegung, dass sich der Arbeitgeber mit dem Versetzungsvorbehalt über § 106 GewO hinaus ein Recht zur Vertragsänderung vorbehält, so unterliegt die Regelung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

27

(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 angemessen zu berücksichtigen(BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f., AP BGB § 307 Nr. 26; 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 33 f., BAGE 118, 22).

28

Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn sich der Arbeitgeber vorbehält, ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung einseitig die vertraglich vereinbarte Tätigkeit unter Einbeziehung geringerwertiger Tätigkeiten zulasten des Arbeitnehmers ändern zu können (BAG 9. Mai 2006 - 9 AZR 424/05 - Rn. 20 ff., BAGE 118, 184; HWK/Gotthardt 4. Aufl. Anh. §§ 305 - 310 BGB Rn. 26; HWK/Lembke § 106 GewO Rn. 57; Hunold NZA 2007, 19, 21; Küttner/Reinecke Personalbuch 2010 Versetzung Rn. 5; Preis/Genenger NZA 2008, 969, 975; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 32 Rn. 80).

29

(2) Handelt es sich um eine teilbare Klausel, ist die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36). Maßgeblich ist, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. Blue-pencil-Tests durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (vgl. Senat 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11, AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44).

30

(3) Führt die Angemessenheitskontrolle zur Unwirksamkeit eines Versetzungsvorbehalts, so richtet sich der Inhalt des Vertrags gem. § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Eine geltungserhaltende Reduktion auf das angemessene Maß findet nicht statt (vgl. BAG 13. April 2010 - 9 AZR 113/09 - Rn. 42, NZA-RR 2010, 457; Senat 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - Rn. 33, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 9). Maßgeblich ist in diesem Fall § 106 GewO. Diese Vorschrift überlässt dem Arbeitgeber das Weisungsrecht aber nur insoweit, als nicht durch den Arbeitsvertrag der Leistungsinhalt festgelegt ist. Ergibt die Auslegung des Vertrags, dass ein bestimmter Leistungsinhalt vereinbart wurde, so ist der Arbeitgeber an diesen gebunden, wenn ein zusätzlich vereinbarter Versetzungsvorbehalt der Angemessenheitskontrolle nicht standhält.

31

d) Übt der Arbeitgeber im Einzelfall das Weisungsrecht aus, so unterliegt dies der Kontrolle gem. § 106 GewO. Die Ausübung eines wirksam vereinbarten Versetzungsvorbehalts unterliegt der Kontrolle gem. § 315 BGB. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80).

32

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft keine hinreichende Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags vorgenommen. Damit steht nicht fest, ob die Tätigkeit als Bereichsleiter in der Niederlassung Leipzig aufgrund dieser vertraglichen Regelung als abschließende Festlegung des Inhalts der Arbeitspflicht anzusehen ist.

33

a) Bei den streitgegenständlichen Regelungen des Arbeitsvertrags dürfte es sich - auch wenn das Landesarbeitsgericht hierzu keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat - um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handeln. Ggf. findet auch § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB Anwendung. Für die Annahme Allgemeiner Geschäftsbedingungen spricht bereits das äußere Erscheinungsbild (vgl. Senat 6. Mai 2009 - 10 AZR 390/08 - Rn. 20, AP BGB § 307 Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 8). Davon gehen offenbar auch die Parteien übereinstimmend aus.

34

b) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (Senat 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259).

35

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass die Parteien sowohl den Ort wie den Inhalt der Arbeitsleistung festgelegt haben. Dem Kläger sei die Funktion eines Bereichsleiters der Zweigniederlassung Leipzig übertragen worden, womit notwendigerweise die Vereinbarung des Arbeitsorts Leipzig verbunden gewesen sei.

36

Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Begründung lässt nicht erkennen, dass das Landesarbeitsgericht § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags überhaupt ausgelegt hat. Es fehlt schon an einer Auseinandersetzung mit dem Wortlaut der arbeitsvertraglichen Regelung. Dieser ist, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat, keineswegs eindeutig. § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags nimmt lediglich auf eine bereits zuvor, nämlich zum 1. Oktober 1993, erfolgte Ernennung des Klägers zum Bereichsleiter der Niederlassung Leipzig Bezug. Ernannt bedeutet, dass jemand für ein Amt bzw. einen Posten bestimmt worden ist. Danach könnte hierunter auch die einseitige Zuweisung einer Position zu verstehen sein. Allerdings wird durch eine Ernennung auch die Position in der Hierarchieebene des jeweiligen Unternehmens (Status) zum Ausdruck gebracht. Für ein derartiges Verständnis könnte sprechen, dass die Vertragsparteien die Ernennung zum Anlass für den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags genommen haben. Zu prüfen wäre in diesem Zusammenhang, welche Bedeutung dem Klammerzusatz „Partner Stufe III“, dem Versetzungsvorbehalt in § 1 Satz 2 und der Regelung in § 7 des Arbeitsvertrags zukommt. Völlig außer Acht gelassen hat das Landesarbeitsgericht die Frage, wie der Vertragstext aus Sicht der an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise (hier: Partner einer bundesweit tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) typischerweise zu verstehen ist. Ebenso wenig sind Feststellungen zu möglichen Regelungszwecken und erkennbaren Interessenlagen beider Parteien getroffen worden.

37

Der Senat sieht sich deshalb gehindert, selbst eine abschließende Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags vorzunehmen. Diese wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben. Ergibt sich danach, dass durch § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags keine nähere Festlegung des Tätigkeitsinhalts in inhaltlicher und/oder örtlicher Hinsicht erfolgt ist, kommt es auf die Wirksamkeit des Versetzungsvorbehalts(§ 1 Satz 2 Arbeitsvertrag) nicht an. Die streitgegenständliche Maßnahme wäre dann allerdings noch daraufhin zu überprüfen, ob sie billigem Ermessen entspricht. Ergibt die Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags hingegen, dass die bisher ausgeübte Tätigkeit und/oder der Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind, kommt es auf die Wirksamkeit des in § 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags vereinbarten Versetzungsvorbehalts an. Führt die Prüfung nach den oben genannten Grundsätzen zur Annahme der Unwirksamkeit des Versetzungsvorbehalts, bleibt es bei den vertraglichen Festlegungen.

38

III. Ob und ggf. in welchem Umfang ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen des Klägers nach den Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung Reisekosten besteht, hängt im Wesentlichen von der Wirksamkeit der Versetzung ab und kann daher vom Senat ebenfalls nicht abschließend beurteilt werden.

39

Allerdings wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass sich auch im Fall der Wirksamkeit der Versetzung ein Anspruch für die ersten sechs Wochen der Versetzung aus dem Schreiben vom 2. Mai 2007 ergeben kann. Da es sich wegen des Einzelfallcharakters um eine nichttypische Erklärung handelt, bleibt deren Auslegung aber zunächst dem Landesarbeitsgericht vorbehalten. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen gem. § 291 BGB erst ab Rechtshängigkeit zu verzinsen ist. Der Zinsanspruch bestünde dabei jeweils ab dem auf die Zustellung folgenden Kalendertag. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung lässt sich die Zeit für die Leistung nicht nach dem Kalender bestimmen (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Gegen eine derartige Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung spricht bereits der Umstand, dass der Anspruch auf die Erstattung von Aufwendungen für eine Dienstreise regelmäßig eine Reisekostenabrechnung des Arbeitnehmers voraussetzt. Eine vor Rechtshängigkeit erfolgte Mahnung iSv. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB ist vom Kläger nicht dargelegt worden.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Alex    

        

    Frese    

        

        

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 16. September 2010 - 15 Sa 812/10 - aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch über einen Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation. Die Klägerin war vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2009 für den Beklagten als Steuerfachwirtin tätig. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Beklagten vom 23. November 2009.

2

§ 5 „Gehalt und sonstige Vergütungen“ des Arbeitsvertrags regelt Folgendes:

        

„(1) Die Angestellte erhält ein monatliches, nachträglich zu zahlendes Gehalt von EURO 1.900,00 (in Worten EURO eins-neun-null-null).

        

(2) Der Angestellte erhält mit der Vergütung nach Abs. 1 jeweils für den Monat November eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von EURO 1.900,00 (in Worten EURO eins-neun-null-null).

        

…       

        

(4) Im Eintrittsjahr wird die Gratifikation entsprechend der Dauer der Beschäftigungszeit gezahlt. Besteht das Anstellungsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung noch keine drei Monate, wird keine Gratifikation gezahlt.

        

(5) Der Anspruch auf Gratifikation ist ausgeschlossen, wenn sich das Anstellungsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung in gekündigtem Zustand befindet.

        

(6) Eine Gratifikation ist gleichzeitig Treueprämie. Soweit eine Weihnachtsgratifikation gezahlt wird, ist sie zurückzuzahlen, wenn der Angestellte aufgrund eigener Kündigung oder aufgrund außerordentlicher, verhaltensbedingter oder personenbedingter Kündigung des Praxisinhabers vor dem 31. März des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres oder, sofern die Gratifikation eine Monatsvergütung erreicht, bis zum 31. März des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres oder, sofern die Gratifikation eine Monatsvergütung übersteigt, vor dem 30. Juni des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres ausscheidet. Dies gilt nicht, wenn die Gratifikation den Betrag von DM 200,00 nicht übersteigt.

        

…“    

        
3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe für das Jahr 2009 eine Weihnachtsgratifikation zu. Der Ausschluss des Anspruchs bei gekündigtem Arbeitsverhältnis sei unwirksam. Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe im Jahr 2009 seine Mitarbeiter aufgefordert, freiwillig auf das Weihnachtsgeld zu verzichten. Ihr Arbeitsverhältnis sei nur deshalb gekündigt worden, weil sie im Gegensatz zu ihren Kolleginnen nicht verzichtet habe.

4

Die Klägerin hat beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.900,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Zustellung der Klage zu zahlen.

5

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Anspruch bestehe nicht, weil das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung gekündigt gewesen sei. Die Kündigung habe auf betrieblichen Gründen beruht.

6

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann der Klage nicht stattgegeben werden. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen nicht entscheiden, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung der Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2009 hat. Die Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

8

I. Die Klage ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb begründet, weil der in § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags bestimmte Ausschluss des Anspruchs auf eine Weihnachtsgratifikation bei gekündigtem Arbeitsverhältnis unwirksam ist. Eine Sonderzuwendung kann vielmehr vom ungekündigten Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Auszahlung abhängig gemacht werden, wenn sie nicht der Vergütung geleisteter Arbeit dient und nur das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraussetzt.

9

1. Steht eine Sonderzuwendung im Synallagma zur erbrachten Arbeitsleistung und ist sie vom Arbeitnehmer durch die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung verdient worden, kann ihre Zahlung nicht vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen abhängig gemacht werden.

10

a) Sonderzuwendungen können vom Erreichen persönlicher Ziele abhängen. Zweck einer erfolgsabhängigen Vergütung ist die Leistungssteigerung des Arbeitnehmers. Sie ist besonderer Anreiz für die Erreichung vertraglich festgelegter Leistungsziele oder allgemein Anreiz für die Erzielung überdurchschnittlicher Arbeitsergebnisse im Bezugszeitraum. Eine erfolgsabhängige Vergütung wird als unmittelbare Gegenleistung für die entsprechend der Zielvereinbarung erbrachte Arbeitsleistung geschuldet (BAG 5. Juli 2011 - 1 AZR 94/10 - Rn. 35; 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 25, NZA 2011, 989; 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 25, BAGE 125, 147). Auch Sonderzuwendungen, die nur an den Unternehmenserfolg anknüpfen, werden regelmäßig als zusätzliche Vergütung für eine im Geschäftsjahr erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gezahlt (BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 25, aaO; 3. Mai 2006 - 10 AZR 310/05 - Rn. 46, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 18); die synallagmatische Verbindung zwischen Arbeitsleistung und Sonderzuwendung wird durch die Abhängigkeit von einem Unternehmensergebnis nicht in Frage gestellt. Schließlich können auch nicht erfolgsabhängige Sonderzuwendungen wie ein 13. Monatsgehalt im Bezugszeitraum erbrachte Arbeitsleistungen zusätzlich honorieren. Der Anspruch auf eine solche Zuwendung entsteht während des Bezugzeitraums entsprechend der zurückgelegten Dauer und wird nur zu einem anderen Zeitpunkt insgesamt fällig (vgl. BAG 28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - Rn. 17, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 265 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 21).

11

b) Zulässig ist nach der Rechtsprechung des Senats, den Anspruch auf eine Bonuszahlung an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Geschäftsjahr zu knüpfen. Ein Bonus, der auf das Geschäftsergebnis bezogen ist, kann erst dann verdient sein, wenn das Geschäftsjahr abgeschlossen ist (BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44). Dagegen kann eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugszeitraums abhängig gemacht werden (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 -). Es ist unangemessen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und widerspricht der gesetzlichen Wertung des § 611 BGB, vereinbartes Arbeitsentgelt dem Arbeitnehmer über eine Stichtagsklausel oder eine sonstige Zahlungsbedingung wieder zu entziehen, wenn der vorleistungsverpflichtete Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbracht hat.

12

2. Dient eine Sonderzuwendung hingegen nicht der Vergütung erbrachter Arbeitsleistungen, sondern verfolgt der Arbeitgeber damit sonstige Zwecke, kann eine Klausel, wonach die Zahlung den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungstag voraussetzt, einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB standhalten. Eine Sonderzuwendung weicht nicht von der gesetzlichen Grundkonzeption des § 611 BGB ab, wenn sie nicht im Synallagma zur erbrachten Arbeitsleistung steht. Ihre Zahlung kann deshalb grundsätzlich an den Eintritt weiterer Bedingungen geknüpft werden.

13

a) Sonderzuwendungen können als Treueprämie erwiesene oder als „Halteprämie“ künftige Betriebstreue honorieren (vgl. BAG 28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - Rn. 18, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 265 = EzA BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 21); der Arbeitgeber kann aber auch den Zweck verfolgen, sich an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen seiner Arbeitnehmer zu beteiligen (vgl. BAG 5. Juli 2011 - 1 AZR 94/10 - Rn. 35). Ist die Honorierung künftiger Betriebstreue bezweckt, wird dies regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Sonderzuwendung nur bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über einen Stichtag hinaus bis zum Ende eines dem Arbeitnehmer noch zumutbaren Bindungszeitraums gezahlt wird oder der Arbeitnehmer diese zurückzuzahlen hat, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf zumutbarer Bindungsfristen endet (vgl. BAG 21. Mai 2003 - 10 AZR 390/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 106, 159). Ist die Honorierung erwiesener Betriebstreue bezweckt, wird dies regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Zahlung der Sonderzuwendung vom (ungekündigten) Bestand des Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag abhängig gemacht wird. Die Zahlung solcher Sonderzuwendungen hängt nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung, sondern regelmäßig nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses ab.

14

b) Eine Klausel, die eine Sonderzuwendung in diesem Sinne allein an das Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses knüpft, kann nach ständiger Rechtsprechung auch dann zulässig sein, wenn der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in der Sphäre des Arbeitnehmers liegt, sondern auf einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers beruht (BAG 28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - Rn. 18, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 265 = EzA BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 21; 4. Mai 1999 - 10 AZR 417/98 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 214: Klausel in einem Tarifvertrag; 2. Dezember 1992 - 10 AZR 238/91 -: Klausel in einer Betriebsordnung; 19. November 1992 - 10 AZR 264/91 - BAGE 72, 1: einzelvertragliche Zusage; 25. April 1991 - 6 AZR 183/90 - BAGE 68, 41: Klausel in einer Betriebsvereinbarung; 4. September 1985 - 5 AZR 655/84 - BAGE 49, 281). Der Arbeitgeber darf unabhängig vom Verhalten des Arbeitnehmers allein die fortdauernde Betriebszugehörigkeit über den Stichtag hinaus zur Voraussetzung der Sonderzahlung machen, weil ihre motivierende Wirkung sich nur bei den Arbeitnehmern entfalten kann, die dem Betrieb noch - oder noch einige Zeit - angehören (BAG 19. November 1992 - 10 AZR 264/91 - zu II 2 b der Gründe, aaO).

15

3. Ob der Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich vergüten oder sonstige Zwecke verfolgen will, ist durch Auslegung der vertraglichen Bestimmungen zu ermitteln. Macht die Sonderzuwendung einen wesentlichen Anteil der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers aus, handelt es sich regelmäßig um Arbeitsentgelt, das als Gegenleistung zur erbrachten Arbeitsleistung geschuldet wird. Der Vergütungscharakter ist eindeutig, wenn die Sonderzahlung an das Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele geknüpft ist. Fehlt es hieran und sind auch weitere Anspruchsvoraussetzungen nicht vereinbart, spricht dies ebenfalls dafür, dass die Sonderzahlung als Gegenleistung für die Arbeitsleistung geschuldet wird (BAG 21. Mai 2003 - 10 AZR 408/02 - zu II 2 b bb der Gründe, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 8). Will der Arbeitgeber andere Zwecke verfolgen, so muss sich dies deutlich aus der zugrunde liegenden Vereinbarung ergeben. Gratifikationscharakter können nur die Sonderzuwendungen haben, die sich im üblichen Rahmen reiner Treue- und Weihnachtsgratifikationen bewegen und keinen wesentlichen Anteil an der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers ausmachen.

16

II. Die in § 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vereinbarte Weihnachtsgratifikation dient nicht der zusätzlichen Vergütung erbrachter Arbeitsleistungen.

17

1. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts liegen dem Arbeitsvertrag Allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 305 ff. BGB zugrunde. Als solche sind sie nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 831/09 - Rn. 14, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 88; 9. Juni 2010 - 5 AZR 696/09 - Rn. 14, NZA 2011, 109). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen kann durch das Revisionsgericht uneingeschränkt überprüft werden (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 831/09 - Rn. 14, aaO).

18

2. Nach § 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrags erhält der Angestellte mit der Vergütung nach Abs. 1 jeweils für den Monat November eine „Weihnachtsgratifikation“. Der Wortlaut legt nahe, dass damit ein Beitrag des Arbeitgebers zu den erhöhten Weihnachtsaufwendungen zugesagt werden sollte, eindeutig ist dies für sich genommen jedoch nicht (vgl. BAG 21. Mai 2003 - 10 AZR 408/02 - EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 8: Weihnachtsgeld als reines Arbeitsentgelt; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 15/08 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 280: Weihnachtsgeld als Gratifikation, die das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zu Weihnachten voraussetzt; 30. März 1994 - 10 AZR 134/93 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 161 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 109). Die weiteren Bestimmungen verdeutlichen jedoch, dass die zugesagte Weihnachtsgratifikation keinen Vergütungscharakter hat. Nach § 5 Abs. 6 Satz 1 des Arbeitsvertrags soll eine Gratifikation „gleichzeitig“ Treueprämie sein und nach Satz 2 ist eine Weihnachtsgratifikation bei einem arbeitnehmerseitig oder in bestimmten Fällen arbeitgeberseitig veranlassten Ausscheiden im Rahmen zulässiger Bindungsfristen wieder zurückzuzahlen. Diese Zahlungsbedingungen lassen bei einem verständigen Vertragspartner keinen Zweifel daran zu, dass mit der Weihnachtsgratifikation ein Beitrag zum Weihnachtsfest geleistet und zusätzlich Betriebstreue honoriert werden soll. Bestätigt wird dies dadurch, dass die Weihnachtsgratifikation keinen wesentlichen Anteil an der Gesamtvergütung der Klägerin ausmacht, sondern sich in der Größenordnung typischer Gratifikationen ohne Vergütungscharakter bewegt. Dieser Auslegung steht § 5 Abs. 4 des Arbeitsvertrags nicht entgegen, wonach im Eintrittsjahr die Gratifikation entsprechend der Dauer der Beschäftigungszeit gezahlt wird. Eine mit einer bestimmten Zwecksetzung zugesagte Gratifikation wird nicht dadurch zu einem im Synallagma stehenden Vergütungsbestandteil, dass sie im Eintrittsjahr nur anteilig entsprechend der Dauer des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird. Daraus folgt nur, dass sich die Höhe des Beitrags zum Weihnachtsfest im Eintrittsjahr an der Dauer des Arbeitsverhältnisses orientiert. Wesentliche Anspruchsvoraussetzung für die Gratifikation ist nach § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags allein der ungekündigte Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungstag.

19

III. § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags ist rechtswirksam und hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Die Klägerin wird nicht deshalb unangemessen benachteiligt, weil der Anspruch auf eine Gratifikation ausgeschlossen ist, wenn sich das Anstellungsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung im gekündigten Zustand befindet.

20

1. Die Klausel verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

21

a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 22, NZA 2012, 81; 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - Rn. 29, AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 47; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40).

22

b) Diese Gefahr besteht nicht. § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags ist eindeutig. Die Zahlung der Weihnachtsgratifikation ist vom „ungekündigten“ Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungstag abhängig. Der Begriff „ungekündigt“ ist vorliegend nicht missverständlich. Ungekündigt ist ein Arbeitsverhältnis, wenn keiner der Vertragsparteien eine Kündigung erklärt hat. Dafür, dass nur eine arbeitnehmerseitig ausgesprochene Kündigung den Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation ausschließen soll, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Dies bestätigt die Systematik des Vertrags, der in § 5 Abs. 6 eine nach arbeitgeber- und arbeitnehmerseitiger Kündigung differenzierende Verpflichtung zur Rückzahlung der Weihnachtsgratifikation bestimmt.

23

2. Die Klausel ist nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligend.

24

a) Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB angemessen zu berücksichtigen(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 33, NZA 2012, 81; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 27, AP GewO § 106 Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 49; 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f., AP BGB § 307 Nr. 26; 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 33 f., BAGE 118, 22). Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist(BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - Rn. 32, AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 47; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 28, AP GewO § 106 Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 49).

25

b) Es ist nicht unangemessen benachteiligend, dass die Weihnachtsgratifikation nicht zur Auszahlung kommt, wenn das Arbeitsverhältnis zum Auszahlungstag durch den Arbeitgeber gekündigt ist und die Beendigung damit nicht auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Arbeitnehmers liegen.

26

aa) Eine Stichtagsregelung ist nicht nur als Anreiz für die Nichtausübung des Kündigungsrechts durch den Arbeitnehmer denkbar. Der Arbeitgeber kann, wie oben ausgeführt, unabhängig vom Verhalten des Arbeitnehmers die fortdauernde Betriebszugehörigkeit als solche über den Stichtag hinaus zur Voraussetzung der Sonderzahlung machen, weil ihre motivierende Wirkung sich nur bei den Arbeitnehmern entfalten kann, die dem Betrieb noch - oder noch einige Zeit - angehören (BAG 19. November 1992 - 10 AZR 264/91 - BAGE 72, 1). Nur eine wirksame Kündigung kann zum Anspruchsausschluss führen. Entscheidend ist, dass nicht in das Synallagma eingriffen und dem Arbeitnehmer verdientes Entgelt entzogen wird.

27

bb) Eine solche Klausel weicht auch nicht vom Grundgedanken des § 162 Abs. 2 BGB ab. Danach gilt der Eintritt einer Bedingung als nicht erfolgt, wenn er von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt wird. Die Norm enthält eine Regelung zur Ausübungskontrolle. Niemand darf aus einer treuwidrig herbeigeführten Lage Vorteile ziehen. Einer abstrakten Regelung, dass bei einer wirksamen Kündigung ein Arbeitnehmer von einer Gratifikation ausgeschlossen werden kann, steht § 162 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Ob die Kündigung auf einem treuwidrigen Verhalten beruht, ist im Rahmen der Ausübungskontrolle zu prüfen. Eine nicht als Gegenleistung für erbrachte Arbeit zugesagte Weihnachtsgratifikation kann deshalb unter den Vorbehalt des Bestehens eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt gestellt werden.

28

IV. Der Rechtsstreit ist nicht entscheidungsreif. Zwar besteht nach § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags ein Anspruch der Klägerin auf die Weihnachtsgratifikation grundsätzlich nicht, weil das Arbeitsverhältnis zum Auszahlungstag wirksam gekündigt war. Die Klägerin hat aber geltend gemacht, ihr Arbeitsverhältnis sei nur deshalb gekündigt worden, weil sie sich geweigert habe, auf das Weihnachtsgeld zu verzichten. Die Klägerin hat damit einen schlüssigen Vortrag dazu gehalten, dass der Beklagte sich nach § 162 Abs. 2 BGB nicht auf den Anspruchsausschluss bei gekündigtem Arbeitsverhältnis berufen kann. War die Kündigung Reaktion auf die Weigerung der Klägerin, Verzicht zu leisten, so hat er den Bedingungseintritt treuwidrig herbeigeführt. Das Landesarbeitsgericht wird diesem Vortrag nachgehen müssen.

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Beck    

        

    Maurer    

                 

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Juli 2010 - 7 Sa 1881/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf eine Sonderzahlung für das Jahr 2008.

2

Der Kläger ist seit dem 4. September 1981 als Sozialpädagoge bei dem beklagten Verein beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Vertrag vom 1. August 1982 zugrunde, der auszugsweise lautet:

        

㤠4

        

Der Arbeitnehmer erhält eine Bruttovergütung in Höhe von DM 3.400,-, zahlbar spätestens am Ende eines jeden Monats. Die Zahlung erfolgt bargeldlos auf ein vom Arbeitnehmer anzugebendes Konto.

        

Mit der vereinbarten Vergütung sind etwa anfallende Überstunden pauschal abgegolten.

        

Sonstige, in diesem Vertrag nicht vereinbarte Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer sind freiwillig und jederzeit widerruflich. Auch wenn der Arbeitgeber sie mehrmals und regelmäßig erbringen sollte, erwirbt der Arbeitnehmer dadurch keinen Rechtsanspruch für die Zukunft.

        

...     

        

§ 15

        

Vertragsänderungen und -ergänzungen bedürfen der Schriftform.“

3

Der Kläger erhielt mehr als 20 Jahre lang jeweils mit dem Entgelt für den Monat November ein 13. Monatsgehalt ausgezahlt. Für das Jahr 2006 erfolgte die Zahlung in zwölf Monatsraten nachträglich im Laufe des Jahres 2007. Für das Jahr 2007 erstritt sich der Kläger die Zahlung durch rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 8. Oktober 2008 (- 3 Ca 175/08 -).

4

Mit Schreiben vom 28. November 2008 wies der Beklagte auf eine angespannte wirtschaftliche Situation hin und bot dem Kläger drei Modelle über eine verringerte Zahlung und/oder veränderte Auszahlungsmodalitäten an. Der Kläger lehnte dies ab, worauf keine Zahlung für das Jahr 2008 erfolgte. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2008 forderte der Kläger den Beklagten unter Fristsetzung zum 24. Dezember 2008 zur Zahlung auf.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags habe nicht verhindern können, dass ihm ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung erwachsen sei. Die Klausel sei unklar und widersprüchlich.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.956,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Dezember 2008 zu zahlen.

7

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, dass in Fällen, in denen eine Leistung in einem Vertrag überhaupt nicht zugesagt und erwähnt werde, § 307 BGB insoweit keine Anwendung finden könne, da es sich nicht um eine vertragliche Leistung handele. § 4 Abs. 3 Satz 2 des Arbeitsvertrags sei ausreichend, um das für die betriebliche Übung erforderliche Vertrauensmoment nicht entstehen zu lassen. Selbst wenn § 4 Abs. 3 Satz 1 des Arbeitsvertrags als in sich widersprüchliche Regelung unwirksam sei, behalte die restliche Regelung nach dem sog. Blue-pencil-Test ihre Bedeutung als wirksamer Vorbehalt.

8

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung eines 13. Monatsgehalts für das Jahr 2008.

10

I. Der Beklagte hat mehr als 20 Jahre lang jeweils mit dem Entgelt für den Monat November ein 13. Monatsgehalt an den Kläger ausgezahlt. Dadurch ist ein vertraglicher Anspruch des Klägers auf diese Leistung entstanden. Dem steht die Regelung in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags nicht entgegen.

11

1. Bei Zahlung einer über das arbeitsvertraglich vereinbarte Gehalt hinausgehenden Vergütung ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln, ob sich der Arbeitgeber nur zu der konkreten Leistung (bspw. Gratifikation im Kalenderjahr) oder darüber hinaus auch für die Zukunft verpflichtet hat.

12

a) Eine dauerhafte Verpflichtung kann sich insbesondere aus einem Verhalten mit Erklärungswert, wie einer betrieblichen Übung ergeben. Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern regelmäßig stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen für die Zukunft. Entscheidend ist dabei nicht, ob der Erklärende einen Verpflichtungswillen hatte, sondern ob der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) dahin verstehen konnte und durfte, der Arbeitgeber wolle sich zu einer über seine gesetzlichen, tarifvertraglichen und vertraglichen Pflichten hinausgehenden Leistung verpflichten (st. Rspr., bspw. BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 11, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51; 24. März 2010 - 10 AZR 43/09 - Rn. 16, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 90 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 13). Dies ist im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers zu ermitteln. Die Anforderungen an den Erklärungswert bestimmen sich nach der Art des Verhaltens des Vertragspartners, das eine betriebliche Übung begründen soll. Eine vertragliche Bindung wird regelmäßig anzunehmen sein, wenn besondere Umstände ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer begründen (vgl. BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 849/06 - Rn. 15, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 78). Dabei kommt dem konkreten Verhalten des Arbeitgebers, insbesondere dessen Intensität und Regelmäßigkeit, entscheidendes Gewicht zu. Zwar hat der Senat bisher keine verbindliche Regel aufgestellt, ab welcher Anzahl von Leistungen der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, er werde die Leistung auch zukünftig erhalten. Allerdings ist für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen die Regel aufgestellt worden, nach der eine zumindest dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt, falls nicht besondere Umstände hiergegen sprechen oder der Arbeitgeber bei der Zahlung einen Bindungswillen für die Zukunft ausgeschlossen hat (vgl. BAG 21. Januar 2009 - 10 AZR 219/08 - Rn. 13, BAGE 129, 164).

13

b) Auch wenn es an einer betrieblichen Übung fehlt, weil beispielsweise der Arbeitgeber eine Zahlung nur an einen Arbeitnehmer vorgenommen hat und damit das kollektive Element fehlt, kann für diesen ein Anspruch entstanden sein. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer aus einem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers auf ein Angebot schließen konnte, das er gemäß § 151 BGB durch schlüssiges Verhalten angenommen hat(BAG 21. April 2010 - 10 AZR 163/09 - Rn. 11, 17, AP BGB § 151 Nr. 5).

14

2. Der Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt ist - abgesehen von der Frage des arbeitsvertraglichen Vorbehalts (dazu unter I 3) - Bestandteil der arbeitsvertraglichen Regelungen der Parteien geworden.

15

a) Die seit mehr als 20 Jahren im November erfolgte Zahlung einer als 13. Monatsgehalt bezeichneten Zuwendung konnte der Kläger unter Berücksichtigung der konkreten Einzelfallumstände, wie der Häufigkeit der Leistung, der Art der kommentarlosen Auszahlung und der Höhe der Sonderzahlung (ein Monatsgehalt), sowie unter Beachtung von Treu und Glauben nur so auffassen, dass der Beklagte sich auch zur zukünftigen dauerhaften Leistung verpflichten wollte (vgl. zur Auslegung der Erklärungen insoweit: JbArbR Bd. 47 S. 93, 112). Da der Beklagte bei den Zahlungen weder einen ausdrücklichen Freiwilligkeitsvorbehalt erklärt noch auf den vertraglich formulierten Vorbehalt Bezug genommen hatte, musste der Kläger auch nicht annehmen, die Sonderzahlung erfolge lediglich für das konkrete Jahr und ohne Rechtsbindungswillen für die Zukunft. Er durfte vielmehr berechtigterweise auf eine fortdauernde Leistungsgewährung für die Folgejahre vertrauen (zu diesem Vertrauensaspekt: vgl. Annuß FS Picker S. 861, 865). Vom Bestehen eines entsprechenden Anspruchs ging offensichtlich auch der Beklagte aus; anders kann der Inhalt des Schreibens vom 28. November 2008 kaum gedeutet werden. Ein Angebot auf Vertragsänderung zur teilweisen Beseitigung oder Umgestaltung eines Anspruchs ist nur dann erforderlich, wenn ein solcher Anspruch besteht. Auch die Bezeichnung als „13. Gehalt“ spricht für einen Anspruch.

16

Dabei kann dahinstehen, ob der Anspruch aufgrund betrieblicher Übung entstanden ist - wovon das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist, ohne allerdings entsprechende Feststellungen zu treffen - oder aufgrund konkludenten Verhaltens ausschließlich im Verhältnis der Parteien.

17

b) Dem Anspruch steht die arbeitsvertraglich vereinbarte Schriftformklausel nicht entgegen. Eine einfache Schriftformklausel, nach der Änderungen und Ergänzungen des Vertrags der Schriftform bedürfen, verhindert eine konkludente Vertragsänderung oder das Entstehen einer betrieblichen Übung nicht. Die Vertragsparteien können das für eine Vertragsänderung vereinbarte Schriftformerfordernis jederzeit schlüssig und formlos aufheben. Das ist sogar dann möglich, wenn die Vertragsparteien bei ihrer mündlichen Abrede an die Schriftform überhaupt nicht gedacht haben (BAG 20. Mai 2008 - 9 AZR 382/07 - Rn. 17, BAGE 126, 364 [betriebliche Übung]; vgl. 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 25, AP ZPO § 50 Nr. 17 = EzA TzBfG § 8 Nr. 17 [konkludente Vertragsänderung]).

18

3. Ebenso wenig steht dem Anspruch der Vorbehalt aus § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags entgegen. Das Landesarbeitsgericht geht zu Recht davon aus, dass die vertragliche Formulierung das Entstehen eines zukünftigen Anspruchs auf Zahlung eines 13. Monatsgehalts nicht ausschließen konnte. Sie ist nicht geeignet, den Wert der späteren Erklärungen des Beklagten im Zusammenhang mit den mehrfach geleisteten Zahlungen hinreichend zu entwerten. Die Klausel ist wegen der Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt intransparent und verstößt gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Darüber hinaus benachteiligt ein derartig weit gefasster Freiwilligkeitsvorbehalt den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB.

19

a) Bei der vom Beklagten in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags vorformulierten Vertragsbedingung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB. Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51). Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, aaO).

20

b) Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Freiwilligkeitsvorbehalt das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine künftige Sonderzahlung wirksam verhindern (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 16 mwN, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51). Der Arbeitgeber kann - außer bei laufendem Arbeitsentgelt (vgl. BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - BAGE 122, 182) - einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich ausschließen und sich eine Entscheidung vorbehalten, ob und in welcher Höhe er zukünftig Sonderzahlungen gewährt. Er bleibt grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob und unter welchen Voraussetzungen er zum laufenden Arbeitsentgelt eine zusätzliche Leistung erbringen will. Gibt es einen klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt, der jeden Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung ausschließt, fehlt es an einer versprochenen Leistung iSd. § 308 Nr. 4 BGB. In diesen Fällen wird eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung der Sonderzahlung unabhängig von dem mit der Sonderzuwendung verfolgten Zweck von vornherein nicht begründet. Allerdings muss ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt klar und verständlich iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB formuliert worden sein, um den Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung eindeutig auszuschließen(BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 16, aaO). Er darf insbesondere nicht in Widerspruch zu anderen Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien stehen (BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 39, BAGE 127, 185; vgl. 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 18, BAGE 124, 259; Preis NZA 2009, 281, 285).

21

c) Die im Streitfall formulierte Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

22

aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB(BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - Rn. 29, ZTR 2011, 547; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Eine solche Situation ist bei der Kombination eines Freiwilligkeits- mit einem Widerrufsvorbehalt regelmäßig gegeben.

23

bb) § 4 Abs. 3 Satz 1 des Arbeitsvertrags formuliert, dass im(schriftlichen) Vertrag nicht vereinbarte Leistungen freiwillig sind. Eine solche Bestimmung ist im Zweifel nur als Hinweis zu verstehen, dass der Arbeitgeber Leistungen erbringt, ohne dazu durch andere Regelungen gezwungen zu sein (vgl. BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 17, BAGE 124, 259; 1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 24 f., BAGE 117, 155). Allerdings enthält § 4 Abs. 3 Satz 2 des Arbeitsvertrags darüber hinaus den für sich genommen klaren Hinweis, dass auch bei einer mehrmaligen und regelmäßigen Zahlung der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch für die Zukunft erwerben solle. Einen solchen Vorbehalt hat der Senat als ausreichend angesehen, um einen Anspruch auf eine zukünftige Leistung auszuschließen (vgl. BAG 18. März 2009 - 10 AZR 289/08 - EzA BGB 2002 § 307 Nr. 43 [Vorbehalt bei Zahlung]; 21. Januar 2009 - 10 AZR 219/08 - BAGE 129, 164 [Vorbehalt im Formulararbeitsvertrag]).

24

cc) Die Klausel in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags ist aber deshalb unklar und missverständlich, weil Satz 1 darüber hinaus eine Widerrufsmöglichkeit vorsieht. Der Beklagte hat eine freiwillige Leistung unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt. Bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt entsteht schon kein Anspruch auf die Leistung, bei einem Widerrufsvorbehalt hingegen hat der Arbeitnehmer einen Anspruch, der Arbeitgeber behält sich aber vor, die versprochene Leistung einseitig zu ändern (vgl. bspw. BAG 20. April 2011 - 5 AZR 191/10 - Rn. 10, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 12; 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 113, 140).

25

Dem Landesarbeitsgericht ist in der Annahme zu folgen, dass in einer solchen Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt regelmäßig ein zur Unwirksamkeit der Klausel führender Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt, sodass der Arbeitgeber sich auf den Freiwilligkeitsvorbehalt nicht berufen kann (noch offengelassen in BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 20, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51). Der Begriff des Widerrufsvorbehalts hat eine bestimmte arbeitsrechtliche Bedeutung. Nutzt der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen einen solchen Begriff, so darf sein Vertragspartner diesem eine entsprechende Bedeutung zumessen. Im Widerrufsvorbehalt liegt damit nicht nur eine „Verstärkung“ des Freiwilligkeitsvorbehalts. Bei der Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt wird vielmehr schon nach dem Vertragstext auch für den um Verständnis bemühten Vertragspartner nicht deutlich, ob nun jegliche zukünftige Bindung ausgeschlossen oder lediglich eine Möglichkeit eröffnet werden soll, sich später wieder von einer vertraglichen Bindung loszusagen. Erfolgen dann noch mehrfache Zahlungen einer bestimmten Leistung ohne weitere Vorbehalte, so ist erst recht nicht mehr erkennbar, ob ein Rechtsbindungswille für die Zukunft ausgeschlossen bleiben soll.

26

dd) Entgegen der Auffassung des Beklagten kann die Klausel nicht so geteilt werden, dass lediglich ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt aufrechterhalten bliebe.

27

Handelt es sich um eine teilbare Klausel, ist die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36). Maßgeblich ist, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Die Teilbarkeit einer Klausel ist durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (vgl. BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11, AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44).

28

Die Aufrechterhaltung eines zulässigen Teils der Klausel kommt hier grundsätzlich nicht in Betracht. Die Intransparenz der vertraglichen Regelung und damit ihre Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB folgt gerade aus der Kombination zweier Klauselteile, die jeweils für sich genommen ausreichend transparent sein mögen. Dies unterscheidet die Fallgestaltung von den Fällen, in denen ein abgrenzbarer Teil der Vertragsklausel unwirksam ist. Nur in solchen Fällen ist eine Streichung des unwirksamen Teils möglich, ohne gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (§ 306 Abs. 2 BGB) zu verstoßen (vgl. dazu BAG 23. September 2010 - 8 AZR 897/08 - Rn. 37 f., AP BGB § 307 Nr. 48 = EzA BGB § 309 Nr. 6).

29

d) Darüber hinaus benachteiligt der in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, den Kläger unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB und ist deshalb unwirksam.

30

aa) Der Senat ist bisher davon ausgegangen, dass nicht nur Freiwilligkeitsvorbehalte, die bei der jeweiligen Zahlung erklärt werden, sondern auch vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalte dazu führen können, dass das spätere konkludente Verhalten des Arbeitgebers entgegen seinem gewöhnlichen Erklärungswert nicht als Angebot zur dauerhaften Leistungserbringung zu verstehen ist. Vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalte wurden grundsätzlich als wirksam im Hinblick auf eine Inhaltskontrolle nach § 305 ff. BGB angesehen. In den entschiedenen Fällen ging es jeweils um Ansprüche auf Leistungen, die als „Weihnachtsgeld“ oder „Weihnachtsgratifikation“ bezeichnet waren, auch wenn die Vertragsklauseln teilweise auch andere Leistungen erfassten (zB BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51; 20. Januar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 14, AP BGB § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18; 21. Januar 2009 - 10 AZR 219/08 - Rn. 14 f., BAGE 129, 164 und - 10 AZR 221/08 - Rn. 14 f.; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 12, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40; 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 39, BAGE 127, 185).

31

bb) Der Senat hat bereits Bedenken, ob ein solcher vertraglicher Vorbehalt dauerhaft den Erklärungswert einer ohne jeden Vorbehalt und ohne den Hinweis auf die vertragliche Regelung erfolgten Zahlung so erschüttern kann, dass der Arbeitnehmer das spätere konkludente Verhalten des Arbeitgebers entgegen seinem gewöhnlichen Erklärungswert nicht als Angebot zur dauerhaften Leistungserbringung verstehen kann (kritisch auch Däubler/Bonin/Deinert/ Bonin 3. Aufl. § 307 BGB Rn. 200 ff.; ErfK/Preis 11. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 68; Kittner/Zwanziger/Deinert 6. Aufl. § 11 Rn. 135a, 224; aA bei Gratifikationen DFL/Löwisch 4. Aufl. § 308 BGB Rn. 4; Henssler/Moll AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen S. 35; HWK/Thüsing 4. Aufl. § 611 BGB Rn. 508 ff.; MüArbR/Krause 3. Aufl. § 56 Rn. 7; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 35 Rn. 67). Die vorliegende Fallgestaltung mit einer mehr als 20 Jahre lang erfolgten vorbehaltlosen Zahlung einer zusätzlichen Vergütung lässt eine entsprechende Annahme als zweifelhaft erscheinen.

32

cc) Unabhängig hiervon muss diese Rechtsprechung in den Fällen eingeschränkt werden, in denen ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfassen soll. Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt bezieht unzulässigerweise laufende Leistungen ein und verstößt sowohl gegen den in § 305b BGB bestimmten Vorrang der Individualabrede als auch gegen den allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass vertragliche Regelungen einzuhalten sind.

33

(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 angemessen zu berücksichtigen(BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f., AP BGB § 307 Nr. 26; vgl. 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 33, BAGE 118, 22). Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

34

(2) Der Vorbehalt in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags lässt eine Auslegung zu, wonach er alle zukünftigen, im Vertrag nicht unmittelbar vereinbarten Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfassen soll.

35

Der Vorbehalt bezieht sich nach seinem Wortlaut auf alle im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 1. August 1982 nicht vereinbarten Leistungen. Es wird nicht danach unterschieden, ob es sich um laufende Leistungen oder einmalige Sonderzahlungen handeln soll; eine Konkretisierung auf bestimmte Leistungen oder zumindest auf eine bestimmte Art von Leistungen ist nicht enthalten. Ebenso wenig wird auf den Entstehungsgrund der Leistung abgestellt. Der Wortlaut erfasst sowohl Fälle der betrieblichen Übung als auch konkludente, zB auf einer Gesamtzusage beruhende Vereinbarungen und sogar ausdrückliche vertragliche Einzelabreden. Entgegen der Auffassung des Beklagten lässt sich der vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalt nicht dahingehend auslegen, dass damit allein das Entstehen einer betrieblichen Übung hinsichtlich bestimmter Sonderzahlungen ausgeschlossen werden sollte. Aus dem Wortlaut der Regelung ist eine solche Beschränkung nicht zu entnehmen. Auch aus den übrigen vertraglichen Regelungen lässt sich aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise eine Beschränkung auf die Verhinderung einer betrieblichen Übung nicht erkennen. Zwar ist eine solche Auslegung möglich; ebenso nahe liegend erscheint aber eine dem Wortlaut entsprechende weiter gefasste Auslegung. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 20, AP GewO § 106 Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 49; 12. Dezember 2006 - 3 AZR 388/05 - Rn. 30, AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 67 = EzA BetrAVG § 1 Zusatzversorgung Nr. 18; auch st. Rspr. des BGH, vgl. zB 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08 - Rn. 41, BGHZ 186, 180; 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09 - Rn. 16, NJW 2010, 2877).

36

(3) Der Ausschluss jeden Rechtsanspruchs für außerhalb der früheren vertraglichen Vereinbarungen gezahltes laufendes Arbeitsentgelt benachteiligt den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

37

Der Ausschluss jeden Rechtsanspruchs bei laufendem Arbeitsentgelt widerspricht dem Zweck des Arbeitsvertrags. Dem Arbeitgeber soll damit ermöglicht werden, vom Arbeitnehmer die vollständige Erbringung der geschuldeten Leistung zu verlangen und seinerseits über die von ihm geschuldete Gegenleistung zu disponieren. Damit verhindert der Ausschluss des Rechtsanspruchs die Verwirklichung des Prinzips der Vertragsbindung und löst die synallagmatische Verknüpfung der Leistungen beider Vertragsparteien. Die Möglichkeit, eine nach Zeitabschnitten bemessene Vergütung grundlos und noch dazu ohne jegliche Erklärung einzustellen, beeinträchtigt die Interessen des Arbeitnehmers grundlegend. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei den unter einem Vorbehalt stehenden Leistungen nicht um die eigentliche Grundvergütung, sondern um eine zusätzliche Abgeltung der Arbeitsleistung in Form einer Zulage oder sonstiger laufender Leistungen handelt (BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - Rn. 20, BAGE 122, 182; Schaub/Linck § 35 Rn. 70 f.).

38

(4) Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers liegt auch darin, dass der vertragliche Vorbehalt spätere Individualabreden iSv. § 305b BGB erfasst.

39

Nach § 305b BGB haben individuelle Vertragsabreden Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Individualabreden können grundsätzlich alle Abreden zwischen den Vertragsparteien außerhalb der einseitig vom Verwender vorgegebenen Geschäftsbedingungen sein. Sie können sowohl ausdrücklich als auch konkludent getroffen werden (vgl. zu § 4 AGBG: BGH 6. März 1986 - III ZR 234/84 - zu II 2 a der Gründe, NJW 1986, 1807). Auch nachträglich getroffene Individualabreden haben Vorrang vor kollidierenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Es kommt nicht darauf an, ob die Parteien eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beabsichtigt haben oder sich der Kollision mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bewusst geworden sind (BGH 21. September 2005 - XII ZR 312/02 - zu 2 a der Gründe, BGHZ 164, 133). Mit diesem Vorrang der Individualabrede ist ein Freiwilligkeitsvorbehalt nicht zu vereinbaren, der so ausgelegt werden kann, dass er Rechtsansprüche aus späteren Individualabreden ausschließt (vgl. auch zur doppelten Schriftformklausel: BAG 20. Mai 2008 - 9 AZR 382/07 - Rn. 39, BAGE 126, 364).

40

(5) Darüber hinaus weicht eine solche Regelung von dem allgemeinen Grundsatz „pacta sunt servanda“ (Verträge sind einzuhalten) ab (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Jeder Vertrag und die sich aus ihm ergebenden Verpflichtungen sind für jede Seite bindend (BAG 7. Dezember 2005 - 5 AZR 535/04 - Rn. 34, BAGE 116, 267; 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - zu B I 4 a der Gründe, BAGE 113, 140). Dies gilt auch für nach Abschluss des ursprünglichen Vertrags im laufenden Arbeitsverhältnis eingegangene Verpflichtungen. Von diesen kann nicht unter Hinweis auf einen vertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt wieder Abstand genommen werden.

41

(6) Es gibt auch keine objektiv feststellbaren Besonderheiten des Arbeitsrechts iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB(vgl. dazu zB BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 22, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 55 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15; 13. April 2010 - 9 AZR 113/09 - Rn. 29, AP BGB § 308 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 11), die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würden. Dies gilt insbesondere, weil es dem Arbeitgeber unschwer möglich ist, bei der Erbringung der jeweiligen Leistung kontrollfrei zu bestimmen, ob es sich um eine einmalige Leistung handeln soll, und ggf. einen entsprechenden Vorbehalt zu erklären (vgl. Preis/Preis Der Arbeitsvertrag 4. Aufl. II V 70 Rn. 44, 71; Reinhard NJW 2011, 2317).

42

4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 BGB.

43

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Thiel    

        

    A. Effenberger    

                 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 8. Mai 2008 - 2 Sa 9/08 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Weiterbildungskosten.

2

Der Beklagte ist Bankkaufmann. Er war seit dem 8. Februar 2002 als Angestellter bei dem Kläger beschäftigt. Nach dem zwischen den Parteien am 19. Februar 2002 geschlossenen Arbeitsvertrag richtete sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem galten die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge. Seit dem 1. Oktober 2005 fand auf das Arbeitsverhältnis der TVöD-S/TVÜ-VKA Anwendung, der aufgrund der bis zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Tarifbindung des Klägers den bis dahin geltenden BAT ersetzte. Der Beklagte war zuletzt in die Entgeltgruppe 5 Stufe 2 TVöD-S (dies entspricht der Vergütungsgruppe VII BAT) eingruppiert.

3

Bereits im Februar 2003 hatte der Beklagte bei dem Kläger schriftlich beantragt, im Rahmen der Weiterbildungskonzeption des Klägers den Studiengang „Sparkassenbetriebswirt“ zu absolvieren. An diesen schriftlichen Antrag schlossen sich weitere mündliche Anfragen an. Letztlich verständigten sich die Parteien darauf, dass der Beklagte nach seiner Rückkehr von der Bundeswehr mit dem Studiengang beginnen sollte. Unter dem 6./7. Juni 2006 schlossen sie die „Lehrgangsvereinbarung zum Studiengang ‚Sparkassenbetriebswirt/Sparkassenbetriebswirtin’“ (im Folgenden: Lehrgangsvereinbarung), in der es ua. heißt:

        

§ 1   

        

Anmeldung

        

Die Sparkasse meldet den Beschäftigten auf seinen Wunsch zum Besuch des Präsenzteils für den Studiengang ‚Sparkassenbetriebswirt/Sparkassenbetriebswirtin’ beim Sparkassenverband Bayern.

        

§ 2     

        

Leistungen der Sparkasse

        

(1)     

Die Sparkasse gewährt dem Beschäftigten in der Erwartung, dass das Arbeitsverhältnis nach Abschluss des Studiengangs fortgesetzt wird, folgende Leistungen:

                 

a)    

Freistellung von der Arbeit für alle Lehrgangsveranstaltungen und Prüfungen unter Fortzahlung der Vergütung in bisheriger Höhe einschließlich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und der Umlagen und Beiträge zur Zusatzversorgung; ...

                 

b)    

Übernahme der Lehrgangs- und Prüfungsgebühren von derzeit 8.535,00 €. Änderungen in der Höhe dieser Gebühren werden umgehend mitgeteilt und werden dann Bestandteil dieses Vertrages.

                 

Sonstige Kosten, insbesondere für Unterkunft, Verpflegung und Reisekosten sind von dem Beschäftigten zu tragen und der Sparkasse zu erstatten.

        

…       

        

§ 3     

        

Obliegenheiten des Beschäftigten

        

(1)     

Dem Beschäftigten obliegt es, die ihm im Rahmen des Studiengangs gebotenen Weiterbildungsmöglichkeiten wahrzunehmen. Er wird insbesondere die Sparkassenfachprüfung ablegen.

        

…       

        
        

§ 4     

        

Ersatzpflicht vor Beendigung des Lehrgangs

        

(1)     

Der Beschäftigte hat der Sparkasse ihre Leistungen nach § 2 Abs. 1 - mit Ausnahme der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung - in voller Höhe zu erstatten, wenn er auf eigenen Wunsch oder aus seinem Verschulden

                 

a)    

die Anmeldung zurückzieht, aus dem Studiengang ausscheidet oder ausgeschlossen wird,

                 

b)    

die Sparkassenfachprüfung nicht ablegt oder

                 

c)    

aus dem Arbeitsverhältnis vor Ablauf des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wird, ausscheidet.

                 

Gleiches gilt für die auf volle Kalendermonate des Studiengangs entfallenden Teile der Sparkassensonderzahlung.

        

(2)     

…       

        

§ 5     

        

Ersatzpflicht nach Beendigung des Lehrgangs

        

Scheidet der Beschäftigte auf eigenen Wunsch oder aus seinem Verschulden innerhalb von 24 Monaten nach Ablauf des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wurde, aus dem Arbeitsverhältnis aus, so hat er der Sparkasse für jeden Kalendermonat, der an diesem Zeitraum fehlt, 1/24 der in § 2 Abs. 1 genannten Leistungen mit Ausnahme der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung zu erstatten. Gleiches gilt für die auf volle Kalendermonate des Studiengangs entfallenden Teile der Sparkassensonderzahlung.

        

…“    

4

Der Studiengang „Sparkassenbetriebswirt/Sparkassenbetriebswirtin“ richtet sich nach der Satzung für den Studiengang „Sparkassenbetriebswirt/Sparkassenbetriebswirtin“ des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes vom 12. August 1994 (im Folgenden: Satzung des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes), die ua. folgenden Inhalt hat:

        

„I. Allgemeine Bestimmungen

        

§ 1     

        

Ziel und Gliederung des Studiengangs

        

(1)     

Der Studiengang dient der breiten und aufgabenorientierten Weiterbildung in sparkassenrelevanten Fachgebieten.

        

(2)     

Der Studiengang gliedert sich in einen Vorbereitungsteil von bis zu 15 Monaten Dauer und einen Präsenzteil aus drei Kursen von jeweils etwa fünf Wochen Dauer.

        

(3)     

Der Präsenzteil schließt mit der Sparkassenfachprüfung ab.

        

(4)     

…       

        

II. Vorbereitungsteil

        

§ 2     

        

Studienanforderungen und -inhalte

        

(1)     

Der Vorbereitungsteil dient der breiten Weiterbildung in sparkassenrelevanten Fachgebieten und erstreckt sich auf die Studieninhalte

                 

-       

Allgemeines Kreditwesen

                 

-       

Volkswirtschaftslehre

                 

-       

Betriebswirtschaftslehre einschließlich Rechnungswesen

                 

-       

Rechtskunde einschließlich Steuerrecht

                 

-       

Sparkassengeschäfte.

        

…       

        
        

§ 4     

        

Wiederholung des Vorbereitungsteils - Nachholung einzelner Aufsichtsarbeiten

        

…       

        

III. Präsenzteil

        

§ 5     

        

Zulassungsvoraussetzungen

        

(1)     

Zum Präsenzteil kann zugelassen werden, wer

                 

1.    

die Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Bankkaufmann oder des Lehrgangs ‚Sparkassenkaufmann/Sparkassenkauffrau’ des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbands oder eine diesen Prüfungen nach § 3 Abs. 3 der Anlage 3 zum BAT gleichwertige Prüfung bestanden hat,

                 

2.    

danach mindestens drei Jahre im Sparkassendienst die erforderlichen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen gesammelt hat; für Abiturienten kann diese Zeit auf bis zu zwei Jahre verkürzt werden,

                 

3.    

innerhalb der letzten zwei Jahre vor Beginn des Pflichtkurses Unternehmerische Basisqualifikation den Vorbereitungsteil erfolgreich abgeschlossen hat; …

        

(2)     

…       

        

§ 6     

        

Studienanforderungen; Kurse

        

(1)     

Der Präsenzteil dient der aufgabenorientierten Weiterbildung; in ihm werden Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt, die zur selbständigen Wahrnehmung qualifizierter Aufgaben erforderlich sind.

        

(2)     

Der Präsenzteil besteht aus einem Pflichtkurs ‚Unternehmerische Basisqualifikation’ und zwei Wahlkursen.

        

(3)     

Die Wahlkurse zielen auf eine qualifizierte Tätigkeit in den Bereichen

                 

-       

…       

                 

-       

Firmenkundengeschäft

                 

-       

…       

                 

…       

        
        

§ 7     

        

Studieninhalte

        

…       

        

IV. Sparkassenfachprüfung

        

§ 8     

        

Wesen der Sparkassenfachprüfung; Prüfungsausschuss

        

(1)     

Die Sparkassenprüfung ist die Zweite Prüfung im Sinn des § 25 BAT in Verbindung mit § 1 der Anlage 3 zum BAT.

        

(2)     

…       

        

§ 9     

        

Prüfungen; Prüfungsstoff

        

(1)     

Die Sparkassenfachprüfung besteht aus drei schriftlichen Aufgaben und drei mündlichen Prüfungen.

        

(2)     

…       

        

(3)     

Jeweils am Ende des Pflichtkurses und der beiden Wahlkurse werden aus deren Studieninhalten eine schriftliche Aufgabe und eine mündliche Prüfung abgehalten.

        

§ 10   

        

Prüfungsanforderungen

        

…       

        

§ 11   

        

Bewertung der Prüfungsleistungen; Prüfungsgesamtnote

        

(1)     

…       

        

(2)     

Die Prüfungsgesamtnote wird aus dem arithmetischen Mittel der in den Prüfungsleistungen erzielten Noten ermittelt.

        

§ 12   

        

Prüfungserfolg; Prüfungszeugnis

        

(1)     

…       

        

(2)     

Wer die Sparkassenfachprüfung bestanden hat, erhält ein Prüfungszeugnis. …

        

§ 13   

        

Wiederholung des Präsenzteils; Nachholung einzelner Prüfungen

        

…       

        

V. Führung der Bezeichnung ‚Sparkassenbetriebswirt/Sparkassenbetriebswirtin’

        

§ 14   

        

Sparkassenbetriebswirt/Sparkassenbetriebswirtin

        

Wer die Sparkassenfachprüfung bestanden hat, kann die Bezeichnung ‚Sparkassenbetriebswirt/Sparkassenbetriebswirtin’ führen. Über die Befugnis dazu wird eine besondere Urkunde ausgestellt.

        

…“    

5

Der Beklagte absolvierte in der Zeit vom 19. Juni 2006 bis zum 20. Juli 2006 den ersten Kurs (Firmenkreditgeschäft 1/FK 1). Da er sich noch bis zum 30. Juni 2006 im Grundwehrdienst befand, wurde er bis zu diesem Tag von dort aus für die Teilnahme freigestellt. Der zweite Kurs (Unternehmerische Basisqualifikation/UBQ) wurde vom Beklagten in der Zeit vom 15. Januar 2007 bis zum 15. Februar 2007 besucht. Dem Kläger sind für die Teilnahme des Beklagten am ersten und zweiten Kurs Lehrgangs- und Prüfungsgebühren iHv. jeweils 2.845,00 Euro entstanden.

6

Mit Schreiben vom 22. März 2007 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis und schied mit dem 30. Juni 2007 aus den Diensten des Klägers aus. Den dritten und letzten Kurs (Firmenkreditgeschäft 2/FK 2), zu dem er bereits für die Zeit vom 9. Oktober 2007 bis 13. November 2007 angemeldet war, absolvierte der Beklagte nicht mehr.

7

Mit Schreiben vom 13. Juni 2007 forderte der Kläger den Beklagten erfolglos zur Erstattung der Lehrgangs- und Prüfungsgebühren für den ersten und zweiten Kurs iHv. jeweils 2.845,00 Euro sowie zur Rückzahlung des während der Freistellung fortgezahlten Entgelts - mit Ausnahme der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung - iHv. 3.554,64 Euro auf und setzte dem Beklagten eine Frist zur Zahlung des Gesamtbetrages iHv. 9.244,64 Euro bis zum 30. Juni 2007.

8

Mit der am 3. September 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger den Beklagten auf Zahlung von 9.244,64 Euro nebst Zinsen in Anspruch genommen. Er hat die Auffassung vertreten, sein Anspruch folge aus § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung. Die Rückzahlungsklausel sei wirksam. § 4 und § 5 der Lehrgangsvereinbarung regelten unterschiedliche Tatbestände und seien deshalb getrennt zu beurteilen. Dem stehe nicht entgegen, dass sich der Studiengang zum Sparkassenbetriebswirt in Bayern in verschiedene Abschnitte gliedere, die zeitlich nicht direkt aneinander anschlössen, sondern unterbrochen seien. Gehe es - wie hier - um die Rückzahlung der Ausbildungskosten vor Abschluss der Ausbildung, komme es auf die Frage der zulässigen Bindungsdauer nicht an. Die Ausbildung sei für den Beklagten von geldwertem Vorteil. Die Qualifikation als Sparkassenbetriebswirt sei Zugangsvoraussetzung für die Eingruppierung in den gehobenen Sparkassendienst. Ohne die Zusatzausbildung hätte der Beklagte nur mit Tätigkeiten bis zur Vergütungsgruppe Vc der Anlage 1a zum BAT (= EG 8 Anlage 3 TVÜ-VKA) weiterbeschäftigt werden können. Der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung hätte die Beschäftigung mit Tätigkeiten bis zur Vergütungsgruppe III der Anlage 1a zum BAT (= EG 11 Anlage 3 TVÜ-VKA) ermöglicht. Mit der erfolgreich abgeschlossenen Weiterbildung hätte der Beklagte zudem Aufstiegschancen nicht nur bei ihm, sondern in der gesamten Sparkassenorganisation mit rund 450 Arbeitgebern und bei jedem anderen Arbeitgeber im Bankenbereich gehabt.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 9.244,64 Euro zzgl. Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Juli 2007 zu zahlen.

10

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

11

Er hat die Meinung vertreten, nicht zur Zahlung verpflichtet zu sein. Auf § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung allein könne der Kläger sein Begehren nicht mit Erfolg stützen. Die Bestimmung lasse bereits offen, welches Prüfungszeugnis gemeint sei. Auf die Satzung des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes könne sich der Kläger nicht berufen, da diese nicht Gegenstand der Lehrgangsvereinbarung gewesen sei. Sollte unter dem Prüfungszeugnis das Abschlusszeugnis nach Ablegung der Sparkassenfachprüfung zu verstehen sein, bewirke die Lehrgangsvereinbarung eine unangemessene Bindung des Beklagten an das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger. § 4 und § 5 der Lehrgangsvereinbarung seien als einheitliche Regelung anzusehen. Damit beginne die Bindung bereits mit der Anmeldung zum Lehrgang und ende erst 24 Monate nach Ausstellung des „Prüfungszeugnisses“. Folglich betrage die Bindungsdauer insgesamt 3,5 Jahre. Eine solche Bindung sei - gemessen an einer Ausbildungsdauer von ca. drei Monaten - unangemessen lang. Außerdem berücksichtige § 4 der Lehrgangsvereinbarung nicht den Fall, dass der Arbeitnehmer auf eigenen Wunsch das Arbeitsverhältnis beende, jedoch ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers vorliege, und sei auch deshalb unwirksam. Die Ausbildung zum Sparkassenbetriebswirt sei im Übrigen nur im Betrieb des Klägers von Nutzen und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht verwertbar.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die arbeitsgerichtliche Entscheidung auf die Berufung des Beklagten teilweise abgeändert und den Beklagten zur Erstattung von Lehrgangs- und Prüfungsgebühren iHv. insgesamt 5.690,00 Euro sowie zur Rückzahlung der vom Kläger während der Freistellung in der Zeit vom 1. Juli bis zum 20. Juli 2006 und vom 15. Januar bis zum 15. Februar 2007 gezahlten Vergütung iHv. 2.232,25 Euro verurteilt; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren nach vollständiger Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht iHv. insg. 7.922,25 Euro nebst Zinsen stattgegeben. Der Kläger kann von dem Beklagten in dieser Höhe die Rückzahlung der Weiterbildungskosten nach § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung verlangen.

14

I. Nach § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung hat der Beschäftigte der Sparkasse die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren sowie die während der Teilnahme an den Lehrgangs- und Prüfungsveranstaltungen fortgezahlte Vergütung zu erstatten, wenn er auf eigenen Wunsch oder aus seinem Verschulden vor Ablauf des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wird, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.

15

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Beklagte ist durch Eigenkündigung und damit auf eigenen Wunsch vor der Ausstellung des Prüfungszeugnisses aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten ist mit dem „Prüfungszeugnis“ iSd. § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung nicht das jeweils am Ende eines Kurses erstellte Zeugnis, sondern das über die Sparkassenfachprüfung erstellte Abschlusszeugnis gemeint. Dies ergibt die Auslegung der Vertragsklausel.

16

1. Bei den Bestimmungen der Lehrgangsvereinbarung, also auch bei deren § 4, handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Zwar hat das Landesarbeitsgericht nicht ausdrücklich entsprechende Tatsachenfeststellungen getroffen. Es hat dies allerdings vorausgesetzt, denn es hat die in § 4 Abs. 1 der Lehrgangsvereinbarung enthaltene Rückzahlungsklausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB unterzogen. Im Übrigen ist unter den Parteien nicht streitig, dass die Bestimmungen der mit dem Beklagten abgeschlossenen Lehrgangsvereinbarung vom Kläger vorformuliert waren und standardmäßig für eine Vielzahl von Arbeitnehmern Verwendung fanden.

17

Als Allgemeine Geschäftsbedingung ist § 4 der Lehrgangsvereinbarung nach seinem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie er von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird. Dabei sind nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen (vgl. BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 36 mwN, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 18; 27. Juli 2010 - 3 AZR 777/08 - Rn. 21, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 48).

18

2. Danach ist mit dem Prüfungszeugnis das über die Sparkassenfachprüfung erstellte Abschlusszeugnis gemeint.

19

a) Das ergibt sich bereits daraus, dass § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung nicht von den Zeugnissen, sondern von „dem“ Prüfungszeugnis spricht und damit erkennbar auf die in § 4 Abs. 1 Buchst. b) ausdrücklich aufgeführte Sparkassenfachprüfung Bezug nimmt. Zudem unterscheidet die Lehrgangsvereinbarung hinsichtlich der Rückzahlungsverpflichtung zwischen der Ersatzpflicht vor der Beendigung des Lehrgangs (§ 4)und der Ersatzpflicht nach der Beendigung des Lehrgangs (§ 5)und grenzt beide Tatbestände durch das Ende des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wurde, voneinander ab.

20

b) Dass es sich bei dem in § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung aufgeführten Prüfungszeugnis um das Prüfungszeugnis über die Sparkassenfachprüfung handelt, folgt auch aus § 12 Abs. 2 der Satzung des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes. Dort ist als Prüfungszeugnis nur das Zeugnis über das Bestehen der Sparkassenfachprüfung, also das Abschlusszeugnis genannt. Die Satzung kann zur Auslegung von § 4 der Lehrgangsvereinbarung herangezogen werden, obgleich die Parteien sie nicht ausdrücklich in ihrer Vereinbarung in Bezug genommen haben. Die Parteien haben sich zumindest konkludent darauf verständigt, dass sich die Weiterbildung des Beklagten nach der Satzung des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes richten sollte. Sie haben die Lehrgangsvereinbarung nicht zu irgendeinem Studiengang, sondern zu dem Studiengang „Sparkassenbetriebswirt/Sparkassenbetriebswirtin“ abgeschlossen. Dieser Studiengang wurde vom Sparkassenverband Bayern durchgeführt. Dementsprechend hatte sich der Kläger in § 1 der Lehrgangsvereinbarung ausdrücklich verpflichtet, den Beklagten zum Besuch des Präsenzteils für den Studiengang „Sparkassenbetriebswirt/Sparkassenbetriebswirtin“ beim Sparkassenverband Bayern anzumelden. Es war daher für den Beklagten ohne Weiteres erkennbar, dass sich die Weiterbildung nach den Vorgaben in der Satzung des Bayerischen Sparkassenverbandes richtete. Dass der Kläger bei Vertragsschluss weder auf die Satzung des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes ausdrücklich hingewiesen, noch dem Beklagten die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft hat, ändert hieran nichts. Nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB ist § 305 Abs. 2 und 3 BGB bei Arbeitsverträgen nicht anzuwenden.

21

II. Die in § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung geregelte Rückzahlungsklausel ist wirksam. Insbesondere hält sie einer Kontrolle nach den §§ 307 ff. BGB stand.

22

1. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB steht der uneingeschränkten AGB-Kontrolle nach den §§ 307 ff. BGB nicht entgegen. Danach gelten die Abs. 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Dazu gehören auch Regelungen, die die Umstände des vom Verwender gemachten Hauptleistungsversprechens ausgestalten (vgl. BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 - Rn. 12 mwN, BAGE 129, 121). Um eine derartige Regelung handelt es sich hier. Der Kläger hat in § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung festgelegt, unter welchen Voraussetzungen der Beklagte zur Erstattung der von ihm getragenen Kosten für die Weiterbildung verpflichtet sein sollte.

23

2. § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

24

a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Diese Regelung verpflichtet den Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein und verlangt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Es darf den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen jedoch nicht überfordern. Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht deshalb nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 896/07 - Rn. 19 mwN, AP BGB § 306 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 45; 27. Juli 2010 - 3 AZR 777/08 - Rn. 19, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 48; BGH 20. Juli 2005 - VIII ZR 121/04 - zu A I 1 a der Gründe, BGHZ 164, 11).

25

b) § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung genügt diesen Anforderungen. Die Regelung lässt mit der gebotenen Eindeutigkeit erkennen, dass der Beklagte zur Rückzahlung der vom Kläger nach § 2 Abs. 1 der Lehrgangsvereinbarung erbrachten Leistungen nur dann verpflichtet sein soll, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des Kalendermonats, in dem das Abschlusszeugnis über das Bestehen der Sparkassenfachprüfung ausgestellt wird, aufgrund von Umständen endet, die in den alleinigen Verantwortungs- und Risikobereich des Beklagten fallen, also ausschließlich seiner Sphäre zuzurechnen sind. § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung knüpft die Verpflichtung zur Rückzahlung an das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis „auf eigenen Wunsch“ oder „aus seinem Verschulden“. Beide Voraussetzungen betreffen ausschließlich die Sphäre des Beklagten. Damit war für den Beklagten ohne Weiteres erkennbar, dass er dann nicht mit Ausbildungskosten belastet werden sollte, wenn er sich wegen eines Fehlverhaltens des Klägers als zur Eigenkündigung berechtigt ansehen durfte oder wenn der Kläger aus betriebsbedingten Gründen das Arbeitsverhältnis beendete.

26

3. § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung ist auch nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Der Beklagte wird durch die Rückzahlungsklausel nicht unangemessen benachteiligt.

27

a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird (vgl. BAG 8. August 2007 - 7 AZR 855/06 - Rn. 16, BAGE 123, 327). Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus (vgl. BAG 2. September 2009 - 7 AZR 233/08 - Rn. 28, AP TzBfG § 14 Nr. 66 = EzA TzBfG § 14 Nr. 61). Dabei ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 896/07 - Rn. 30, AP BGB § 306 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 45). Es kommt nicht auf die besonderen Umstände des Einzelfalls, sondern auf die typische Sachlage an (vgl. BGH 29. Mai 1991 - IV ZR 187/90 - zu II 3 a der Gründe, NJW 1991, 2763). Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner unter Berücksichtigung der Art, des Gegenstandes, des Zwecks und der besonderen Eigenart des jeweiligen Geschäfts (vgl. BAG 2. September 2009 - 7 AZR 233/08 - aaO).

28

b) In Anwendung dieser Grundsätze benachteiligt § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung den Beklagten nicht unangemessen.

29

aa) Eine unangemessene Benachteiligung folgt nicht daraus, dass § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung dem Beklagten keine ausreichende Überlegungsfrist einräumt, innerhalb derer er - ohne Kostenrisiko - hätte entscheiden können, die Ausbildungsmaßnahme fortzusetzen oder aufzugeben.

30

Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 20. Februar 1975 (- 5 AZR 240/74 - zu II 4 b der Gründe, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 2 = EzA GG Art. 12 Nr. 12) entschieden, dass der Arbeitgeber bei länger dauernden Ausbildungsmaßnahmen auf die besondere Situation eines Auszubildenden Rücksicht zu nehmen hat und der Auszubildende Gelegenheit haben muss, innerhalb einer angemessenen Frist zu prüfen, ob er für die beabsichtigte Ausbildung geeignet ist und die erforderlichen Neigungen besitzt. Es kann dahingestellt bleiben, welche Reichweite diese Grundsätze haben. Jedenfalls im Streitfall sind sie nicht anwendbar. Hier ging es - anders als in dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Februar 1975 (- 5 AZR 240/74 - aaO) zugrunde liegenden Fall - nicht um eine längere Ausbildung eines Arbeitnehmers zur Ausübung eines weiteren Berufes, sondern - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat - um den Erwerb einer zusätzlichen Qualifikation innerhalb eines Berufsbildes. Hinzu kommt, dass der Beklagte - wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat - keiner Überlegungsfrist bedurfte, innerhalb derer er über die Fortsetzung oder die Beendigung des Studiengangs hätte entscheiden können, ohne mit Kosten belastet zu werden. Der Beklagte hatte vor Abschluss der Lehrgangsvereinbarung an dem zum Studiengang selbst gehörenden Vorbereitungsteil teilgenommen. Während dieser Zeit konnte er sich darüber klar werden, ob der Studiengang insgesamt für ihn geeignet war oder nicht. Dies ist für die Angemessenheitsprüfung von Bedeutung. Bei der von den Parteien geschlossenen Lehrgangsvereinbarung handelt es sich um einen Verbrauchervertrag iSd. § 310 Abs. 3 BGB(vgl. zum Arbeitsvertrag BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - BAGE 115, 19). Deshalb sind bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen, § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB. Ein solcher Umstand ist die Tatsache, dass der Beklagte die erforderliche Entscheidung bereits aufgrund der Teilnahme an dem Vorbereitungsteil treffen konnte.

31

bb) Die vom Kläger gestellte Klausel belastet den Beklagten auch nicht ohne Ausnahme für jeden Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Rückzahlungspflicht für entstandene Ausbildungskosten (vgl. hierzu BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 21, BAGE 118, 36; 23. Januar 2007 - 9 AZR 482/06 - Rn. 21, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 38 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 19). Die Bestimmung unterscheidet vielmehr danach, ob der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Sphäre des Arbeitgebers oder der des Arbeitnehmers zuzuordnen ist. Sie sieht eine Rückzahlungspflicht gerade nicht für die Fälle vor, in denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber (mit)veranlasst wurde, zB durch betriebsbedingte Kündigung oder Kündigung des Arbeitnehmers wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers.

32

cc) Unangemessen benachteiligt würde der Beklagte durch die in § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung vorgesehene Rückzahlungsklausel allerdings dann, wenn er nach Ablauf des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wird, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden könnte, ohne mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastet zu sein. Dies ist jedoch nicht der Fall. Nach § 5 der Lehrgangsvereinbarung hätte der Beklagte, sofern er auf eigenen Wunsch oder aus seinem Verschulden innerhalb von 24 Monaten nach Ablauf des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wurde, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, dem Kläger für jeden Kalendermonat, der an diesem Zeitraum fehlt, 1/24 der in § 2 Abs. 1 genannten Leistungen mit Ausnahme der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung zu erstatten. Diese Bestimmung ist wirksam, insbesondere benachteiligt sie den Beklagten nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 BGB).

33

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind einzelvertragliche Vereinbarungen grundsätzlich zulässig, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, wenn er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Allerdings können derartige Zahlungsverpflichtungen, die an eine vom Arbeitnehmer zu verantwortende Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, gegen Treu und Glauben verstoßen. Ob dies der Fall ist, ist anhand einer Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei ist das Interesse des Arbeitgebers, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig zu nutzen, einerseits mit dem Interesse des Arbeitnehmers daran, durch die Ausbildung die eigenen Arbeitsmarktchancen zu verbessern und sich gegenüber dem Arbeitgeber nur in einem solchen Umfang zu binden, wie es im Verhältnis zu dessen Aufwendungen angemessen ist, andererseits ins Verhältnis zu setzen (vgl. BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 - Rn. 17 mwN, BAGE 129, 121).

34

Eine Rückzahlungsklausel ist danach nur zulässig, wenn die Aus- und Fortbildungsmaßnahme für den Arbeitnehmer von geldwertem Vorteil ist, sei es, dass bei seinem bisherigen Arbeitgeber die Voraussetzungen einer höheren Vergütung erfüllt sind oder dass sich die erworbenen Kenntnisse auch anderweitig nutzbar machen lassen. Zudem müssen die Vorteile der Ausbildung und die Dauer der Bindung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Dies ist in erster Linie nach der Dauer der Aus- oder Fortbildungsmaßnahme, aber auch anhand der Qualität der erworbenen Qualifikation zu beurteilen. Dabei gelten die folgenden Grundsätze: Bei einer Fortbildungsdauer von bis zu einem Monat ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung ist regelmäßig eine Bindungsdauer bis zu sechs Monaten zulässig, bei einer Fortbildungsdauer von bis zu zwei Monaten eine einjährige Bindung, bei einer Fortbildungsdauer von drei bis vier Monaten eine zweijährige Bindung, bei einer Fortbildungsdauer von sechs Monaten bis zu einem Jahr keine längere Bindung als drei Jahre und bei einer mehr als zweijährigen Dauer eine Bindung von fünf Jahren. Dabei geht es allerdings nicht um rechnerische Gesetzmäßigkeiten, sondern um richterrechtlich entwickelte Regelwerte, die einzelfallbezogenen Abweichungen zugänglich sind (vgl. BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 - Rn. 18 mwN, BAGE 129, 121).

35

(2) In Anwendung dieser Grundsätze begegnet die in § 5 der Lehrgangsvereinbarung enthaltene Rückzahlungsklausel keinen rechtlichen Bedenken.

36

(a) Die Ausbildung zum Sparkassenbetriebswirt ist - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat - für den Beklagten von geldwertem Vorteil. Nach § 8 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes ist die Sparkassenfachprüfung die Zweite Prüfung iSd. § 25 BAT iVm. § 1 der Anlage 3 zum BAT. Nach § 17 Abs. 1 TVÜ-VKA gelten diese Bestimmungen auch nach Inkrafttreten des TVöD bis zum Inkrafttreten von Eingruppierungsvorschriften fort. Die Qualifikation ist damit Zugangsvoraussetzung für den gehobenen Sparkassendienst. Ohne die Zusatzausbildung hat der Beklagte - im Übrigen nicht nur beim Kläger, sondern in der gesamten Sparkassenorganisation mit rund 450 Arbeitgebern - nur Aufstiegschancen bis zur Vergütungsgruppe Vc der Anlage 1a zum BAT (= EG 8 Anlage 3 TVÜ-VKA). Der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung hätte demgegenüber eine Eingruppierung bis hin zur Vergütungsgruppe III der Anlage 1a zum BAT (= EG 11 Anlage 3 TVÜ-VKA) ermöglicht. Dies ist ein erheblicher geldwerter Vorteil. Die Fortbildung zum Sparkassenbetriebswirt ist demnach, wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 5. Juni 2007 (- 9 AZR 604/06 - Rn. 20, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 11) ausdrücklich ausgeführt hat, „ihres Geldes wert“.

37

(b) Fortbildungs- und Bindungsdauer stehen auch in einem ausgewogenen Verhältnis. Der Präsenzteil, zu dessen Besuch der Kläger den Beklagten beim Sparkassenkassenverband Bayern angemeldet hatte, bestand aus drei Kursen von jeweils etwa fünf Wochen Dauer. Damit belief sich die Ausbildungszeit auf insgesamt 15 Wochen. Eine hieran anknüpfende Bindungsdauer von zwei Jahren ist für den Arbeitnehmer regelmäßig nicht unangemessen benachteiligend. An dieser Bewertung ändert sich auch dann nichts, wenn der Zeitraum, während dessen der Beklagte zur Teilnahme an der Weiterbildung vom Grundwehrdienst freigestellt war, nicht als Weiterbildungszeit berücksichtigt würde. Dann verblieben jedenfalls noch 13 Wochen, mithin etwa drei Monate. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beklagte mit der Ausbildung einen erheblichen geldwerten Vorteil erlangt hätte, wäre auch hier eine Bindungsdauer von zwei Jahren nicht zu beanstanden.

38

dd) § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung benachteiligt den Beklagten auch nicht deshalb entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil der Beklagte bereits während der Dauer der Fortbildung aufgrund der Rückzahlungspflicht an das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger gebunden war. Die Klausel bewirkt vielmehr einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen.

39

(1) Obwohl einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich zulässig sind (vgl. 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 24 mwN, BAGE 118, 36), können Zahlungsverpflichtungen, die - wie die vorliegende - an eine vom Arbeitnehmer zu verantwortende Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen. Da sie geeignet sind, das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 GG einzuschränken, muss die Rückzahlungspflicht einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen. Den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer muss ein angemessener Ausgleich gegenüberstehen; der Arbeitnehmer muss mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten. Insgesamt muss die Erstattungspflicht - auch dem Umfang nach - dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein (BAG 11. April 1984 - 5 AZR 430/82 - zu II der Gründe, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 8 = EzA BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 4; 8. August 1990 - 5 AZR 545/89 - zu I der Gründe; 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 25 mwN, aaO; 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 - Rn. 17, BAGE 129, 121).

40

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber Ausbildungskosten nur für solche Arbeitnehmer aufwenden will, die auch bereit sind, ihm die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten einige Zeit zur Verfügung zu stellen. Er hat ein berechtigtes Interesse daran, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig zu nutzen. Demgegenüber geht das Interesse des Arbeitnehmers dahin, durch die Ausbildung die eigenen Arbeitsmarktchancen zu verbessern und dem Arbeitgeber deshalb nicht Kosten für eine Aus- oder Weiterbildung erstatten zu müssen, die sich als Investition im ausschließlichen Arbeitgeberinteresse darstellen (vgl. BAG 18. November 2008 - 3 AZR 192/07 - Rn. 34, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 42). Zudem hat der Arbeitnehmer ein billigenswertes Interesse daran, seinen Arbeitsplatz ohne Belastung mit der Erstattungspflicht wählen zu können (BAG 20. Februar 1975 - 5 AZR 240/74 - zu II 2 der Gründe, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 2 = EzA GG Art. 12 Nr. 12; 5. Juni 2007 - 9 AZR 604/06 - Rn. 18, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 11).

41

Endet das Arbeitsverhältnis vor Abschluss der Aus- oder Weiterbildung aufgrund von Umständen, die in den alleinigen Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitnehmers fallen, sind diese widerstreitenden Interessen idR bereits dann angemessen ausgeglichen, wenn der Arbeitnehmer mit der Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten hätte, dh. wenn die Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme für ihn von geldwertem Vorteil gewesen wäre (vgl. BAG 21. November 2001 - 5 AZR 158/00 - zu I 2 b aa der Gründe, BAGE 100, 13; 19. Februar 2004 - 6 AZR 552/02 - zu I 2 a bb der Gründe, BAGE 109, 345; 15. September 2009 - 3 AZR 173/08 - Rn. 38, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 13)und er nur die bis zum Ausscheiden tatsächlich entstandenen Kosten zurückzuzahlen hat. Dies ist vorliegend der Fall.

42

(2) Der Umstand, dass die Rückzahlungsverpflichtung nach § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung den Beklagten nicht nur während der Fortbildungszeiten, sondern auch während der zwischen den Ausbildungsabschnitten liegenden Zeiträume an das Arbeitsverhältnis bindet, führt nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung.

43

(a) Zwar müssen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Fortbildungs- und die Bindungsdauer in einem angemessenen Verhältnis stehen. Dieses Kriterium ist von der Rechtsprechung jedoch für Klauseln entwickelt worden, die eine Rückzahlungsverpflichtung für den Fall vorsehen, dass der Arbeitnehmer nach Abschluss der Ausbildung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet (vgl. BAG 21. November 2001 - 5 AZR 158/00 - zu I 2 b bb der Gründe, BAGE 100, 13; 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 - Rn. 18, BAGE 129, 121). Es ist auf Klauseln der vorliegenden Art, die eine Rückzahlungsverpflichtung für den Fall auslösen, dass das Arbeitsverhältnis auf alleinige Veranlassung des Arbeitnehmers vor Abschluss der Ausbildung beendet wird, nicht übertragbar.

44

Das Interesse des Arbeitgebers ist von vornherein darauf gerichtet, die vom Arbeitnehmer mit der Ausbildung erworbene Qualifikation möglichst langfristig für seinen Betrieb nutzen zu können. Das setzt das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den Zeitpunkt des Abschlusses der Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme voraus. Scheidet der Arbeitnehmer vor deren Abschluss aus dem Arbeitsverhältnis aus, erweisen sich die vom Arbeitgeber getätigten Aufwendungen als nutzlos. Demgegenüber hat sich der Arbeitnehmer mit Rücksicht auf das zum Arbeitgeber bestehende Arbeitsverhältnis und in Kenntnis der Interessen des Arbeitgebers dafür entschieden, die von diesem finanzierte Aus- oder Fortbildungsmaßnahme durchzuführen. Er hat daher sein Grundrecht aus Art. 12 GG gerade dahin ausgeübt, seine Qualifikation und seine Aufstiegschancen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu seinem Arbeitgeber zu verbessern und sich deshalb gegenüber dem Arbeitgeber zur Teilnahme an der Aus- oder Fortbildung verpflichtet. Die Bindung an das Arbeitsverhältnis bis zum Abschluss der Aus- oder Fortbildung ist daher idR zumutbar.

45

Dies gilt grundsätzlich nicht nur dann, wenn die Aus- oder Weiterbildung „in einem Block“ absolviert wird, sondern auch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen sie in mehreren, zeitlich voneinander getrennten Abschnitten erfolgt. Voraussetzung ist jedoch, dass nach der Fortbildungsvereinbarung die zeitliche Lage der einzelnen Aus- oder Weiterbildungsabschnitte den Vorgaben der Aus- oder Weiterbildungseinrichtung entsprechen soll und die vertragliche Vereinbarung dem Arbeitgeber nicht die Möglichkeit eröffnet, allein nach seinen Interessen die Teilnahme an den jeweiligen Aus- oder Weiterbildungsabschnitten oder deren zeitliche Lage festzulegen. Andernfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, den Arbeitnehmer länger als zur ordnungsgemäßen Absolvierung der Ausbildung nötig an sich zu binden und ihn dadurch in seinem beruflichen Fortkommen zu behindern.

46

(b) Danach wird der Beklagte durch die in § 4 Abs. 1 Buchst. c) der Lehrgangsvereinbarung getroffene Rückzahlungsvereinbarung nicht unangemessen benachteiligt. Die Vereinbarung lässt eine allein an seinen Interessen orientierte Einflussnahme des Klägers auf die zeitliche Lage der Weiterbildungsabschnitte nicht zu. Die Parteien haben sich mit der Lehrgangsvereinbarung nicht nur konkludent auf eine Weiterbildung entsprechend der Satzung des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes, sondern auch darüber verständigt, dass der Besuch des Präsenzteils sich entsprechend den Vorgaben und dem Angebot der Weiterbildungseinrichtung, hier des Sparkassenverbandes Bayern, vollziehen soll. Der Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass die Dauer der Unterbrechungen zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten im Hinblick auf die Ausbildung unangemessen lang war. Es bedurfte deshalb keiner Entscheidung, ob und inwieweit die bei Abschluss der Rückzahlungsvereinbarung absehbare Länge der Unterbrechungen zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten überhaupt einer Angemessenheitskontrolle unterliegt.

47

Sofern der Kläger im Einzelfall entgegen den Absprachen Einfluss auf die zeitliche Lage der einzelnen Ausbildungsabschnitte genommen haben oder das Angebot der Weiterbildungseinrichtung nicht hinreichend gewesen sein sollte, führte dies nicht zur Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel. In einem solchen Fall könnte der Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs nur der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegenstehen. Für einen solchen Ausnahmefall hat der Beklagte jedoch nichts vorgetragen.

48

III. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1, § 247 BGB.

49

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

        

        

    Kaiser    

        

    Kanzleiter    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Januar 2009 - 3 Sa 483/08 - aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen und über die Kosten entschieden hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und die Verpflichtung zur Erstattung von Aufwendungen.

2

Der Kläger ist seit 1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, bundesweit tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, beschäftigt. Er ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und hat den Status eines Partners. Sein Jahresgehalt betrug ohne Sonderleistungen zuletzt 176.000,00 Euro brutto. Der Kläger war seit dem 1. Juli 1990 in der Niederlassung Leipzig tätig. Am 1./14. Juli 1994 wurde ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen, der unter anderem folgende Regelungen enthält:

        

㤠1

        

Mit Wirkung vom 1. Oktober 1993 ist Herr H zum Bereichsleiter (Partner Stufe III) der Zweigniederlassung Leipzig ernannt worden. Die C behält sich vor, Herrn H - sofern Geschäftsnotwendigkeiten dies erfordern - anderweitig einzusetzen und zu versetzen.

        

….    

                 
        

§ 7

        

Im Verhältnis zur C gilt als Wohnsitz von Herrn H Leipzig. Die jeweils geltende Reisekostenordnung der C findet Anwendung.“

3

Bei Dienstreisen erstattet die Beklagte ihren Mitarbeitern Aufwendungen nach den Bestimmungen der Gesamtbetriebsvereinbarung Reisekosten (Reisekostenordnung) vom 29. Juni 2004, die auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung findet. Der Begriff Dienstreise wird dort wie folgt definiert:

        

„Eine Dienstreise ist ein Ortswechsel einschließlich der Hin- und Rückfahrt aus Anlass einer vorübergehenden Auswärtstätigkeit. Eine Auswärtstätigkeit liegt vor, wenn der Mitarbeiter außerhalb seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte beruflich tätig wird. Eine Auswärtstätigkeit ist vorübergehend, wenn der Mitarbeiter voraussichtlich an die regelmäßige Arbeitsstätte zurückkehren und dort seine berufliche Tätigkeit fortsetzen wird.“

4

Der Kläger war zuletzt als „Bereichsleiter Tax“ der Niederlassung Leipzig tätig. Zwischen den Parteien kam es zum Streit über die Fähigkeiten des Klägers zur Führung der ihm unterstellten Mitarbeiter und zur Betreuung der Kunden. Angebote der Beklagten zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags lehnte der Kläger in den Monaten Februar und März 2007 ab. Mit Schreiben vom 2. Mai 2007 sprach die Beklagte eine Versetzung des Klägers „mit Wirkung zum 21. Mai 2007 zur Niederlassung Frankfurt in den Bereich Tax & Legal PS Mitte“ aus. Dort soll der Kläger als „verantwortlicher Sales-Partner“ eingesetzt werden und überwiegend Vertriebstätigkeiten ausüben. Zudem soll er den Bereich „Education/Social Security“ aufbauen und seine bereits zuvor im Bereich Controlling PS (Public Service) übernommenen Aufgaben sollen bundesweit ausgeweitet werden. Die neue Tätigkeit umfasst keine Personalverantwortung. Im Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 22. Oktober 2007 war der Kläger mit Ausnahme einer urlaubsbedingten Unterbrechung in Frankfurt am Main tätig. Seitdem wird er aufgrund entsprechender arbeitsgerichtlicher Entscheidungen wieder in der Niederlassung Leipzig eingesetzt.

5

Der Kläger hat geltend gemacht, er sei aufgrund der vertraglich vereinbarten Tätigkeit als Bereichsleiter der Niederlassung Leipzig zu beschäftigen. Die Zuweisung einer anderweitigen Tätigkeit und/oder eines anderen Tätigkeitsorts sei unzulässig. Der Versetzungsvorbehalt sei gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Darüber hinaus sei die Tätigkeit eines „verantwortlichen Sales-Partners“ hierarchisch nicht mit der Tätigkeit eines „Bereichsleiters“ gleichzusetzen. Unabhängig hiervon entspreche die Versetzung wegen der weiten Entfernung vom bisherigen Arbeitsort nicht billigem Ermessen.

6

Die vorübergehende Tätigkeit in Frankfurt am Main sei als Dienstreise zu behandeln. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 17. August 2007 und vom 3. September 2007 bis zum 22. Oktober 2007 ergebe sich ein Aufwendungsersatzanspruch nach der Reisekostenordnung in Höhe von insgesamt 7.803,35 Euro.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Bereichsleiter Tax der Niederlassung Leipzig am Standort Leipzig zu beschäftigen,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.803,35 Euro zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, dass eine Beschränkung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung auf die Tätigkeit eines Bereichsleiters der Niederlassung Leipzig nicht stattgefunden habe. Der Versetzungsvorbehalt sei wirksam, da die Interessen des Klägers in ausreichendem Maße dadurch gewahrt würden, dass die Versetzung nur im Falle einer „Geschäftsnotwendigkeit“ erfolgen dürfe. In seinem bisherigen Einsatzfeld als zuständiger Partner „PS Ost“ sei der Kläger nicht länger einsetzbar. Die wichtigen Mandanten würden den Kläger, der überwiegend Controlling-Tätigkeiten ausgeübt habe, nicht als Ansprechpartner akzeptieren. Früher habe die Betreuung dieser Mandanten durch einen weiteren in Leipzig beschäftigten Partner stattgefunden, der zum 30. Juni 2007 pensioniert worden sei. Der Umgang des Klägers mit den Mitarbeitern sei ebenfalls nicht akzeptabel, diese würden sich zunehmend verärgert zeigen. Der Kläger stehe als fachlicher Ansprechpartner nicht zur Verfügung. Sein mangelnder Arbeitseinsatz sei für alle erkennbar. Die dem Kläger zugewiesenen neuen Aufgaben seien mit seinen bisherigen Aufgaben vergleichbar; die Position befinde sich auf gleicher hierarchischer Ebene. Die Betreuung der Mandate der Region Mitte sei nur von Frankfurt am Main aus möglich, da die Mandanten eine regionale Präsenz des Partners erwarteten.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist zulässig und begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Berufung nicht zurückgewiesen werden. Der Senat kann in der Sache mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

11

I. Die auf vertragsgemäße Beschäftigung gerichtete Leistungsklage ist zulässig.

12

1. Bei einem Streit über die Berechtigung einer Versetzung bestehen für den Arbeitnehmer zwei Möglichkeiten. Er kann die Berechtigung der Versetzung im Rahmen einer Feststellungsklage klären lassen (st. Rspr., zuletzt zB BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 -). Darüber hinaus hat er die Möglichkeit, den Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung im Rahmen einer Klage auf künftige Leistung gem. § 259 ZPO durchzusetzen(vgl. BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 51 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 19). Bei der Prüfung des Beschäftigungsanspruchs ist die Wirksamkeit der Versetzung als Vorfrage zu beurteilen. Voraussetzung für eine derartige Klage ist die Besorgnis, dass der Schuldner sich andernfalls der rechtzeitigen Leistung entziehen werde.

13

2. Der Antrag des Klägers ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. In Verbindung mit der Klagebegründung ist erkennbar, welche konkrete Beschäftigung er anstrebt. Die Voraussetzungen des § 259 ZPO liegen vor, obwohl der Kläger zurzeit auf seinem bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt wird. Die derzeitige Beschäftigung erfolgt ausschließlich aufgrund der vorläufig vollstreckbaren Entscheidungen der Vorinstanzen.

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II. Ob die Klage begründet ist, kann der Senat nicht abschließend beurteilen.

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1. Erweist sich eine vom Arbeitgeber vorgenommene Versetzung als unwirksam, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung in seiner bisherigen Tätigkeit am bisherigen Ort (vgl. BAG 17. Februar 1998 - 9 AZR 130/97 - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 618 Nr. 27 = EzA BGB § 615 Nr. 89; 26. Januar 1988 - 1 AZR 531/86 - zu II 5 der Gründe, BAGE 57, 242; 14. Juli 1965 - 4 AZR 347/63 - BAGE 17, 241). Bei einer Versetzung handelt es sich um eine einheitliche Maßnahme, die nicht in den Entzug der bisherigen Tätigkeit und die Zuweisung einer neuen Tätigkeit aufgespalten werden kann (vgl. BAG 30. September 1993 - 2 AZR 283/93 - zu B I 3 e ff der Gründe, BAGE 74, 291). Dies gilt auch dann, wenn Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nicht abschließend festgelegt sind, sondern dem Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) unterliegen. Solange dieser nicht rechtswirksam von seinem Weisungsrecht erneut Gebrauch gemacht oder eine wirksame Freistellung von der Arbeit ausgesprochen hat, bleibt es bei der bisher zugewiesenen Arbeitsaufgabe am bisherigen Ort und der Arbeitnehmer hat einen dementsprechenden Beschäftigungsanspruch. Die gegenteilige Auffassung (LAG Hamm 8. März 2005 - 19 Sa 2128/04 - zu II 3 der Gründe, NZA-RR 2005, 462 unter Berufung auf LAG Nürnberg 10. September 2002 - 6 (4) Sa 66/01 - LAGE BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 29) übersieht, dass eine ausgeübte Weisung nicht durch eine unwirksame Versetzung beseitigt werden kann. Sie lässt sich auch nicht auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Januar 2001 (- 5 AZR 411/99 -) stützen, da dort der Entzug bestimmter Tätigkeiten noch im Rahmen des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts erfolgte. Im Übrigen beschränkt sie unangemessen die Möglichkeit einer effektiven Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs für den Zeitraum bis zu einer neuen Ausübung des Weisungsrechts durch den Arbeitgeber.

16

Wird der Arbeitgeber nach einer Versetzung zur tatsächlichen Beschäftigung zu den vorherigen Bedingungen verurteilt, ist damit die Vorfrage der Wirksamkeit der Versetzung beantwortet. Eine Entscheidung darüber, ob und ggf. in welchem Umfang der Arbeitgeber zukünftig von seinem Weisungsrecht rechtswirksam Gebrauch machen kann, ist hingegen nicht getroffen. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger seinen Beschäftigungsanspruch unter anderem damit begründet hat, er sei „auf Dauer“ als Bereichsleiter Tax der Niederlassung Leipzig am Standort Leipzig zu beschäftigen und die Zuweisung einer anderen Tätigkeit an einem anderen Arbeitsort komme nicht in Betracht, da sie nicht von dem arbeitsvertraglichen Direktionsrecht der Beklagten umfasst sei. Dabei handelt es sich um bloße Elemente der Klagebegründung, die im Falle des Obsiegens mit dem Leistungsantrag nicht gem. § 322 ZPO in materielle Rechtskraft erwachsen. Will ein Arbeitnehmer eine weitergehende Entscheidung zum Umfang des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts erreichen, so muss er bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 256 ZPO von der Möglichkeit eines gesonderten Feststellungsantrags Gebrauch machen.

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2. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB beruht, ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:

18

a) In einem ersten Schritt ist durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei ist insbesondere festzustellen, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat. In Betracht kommt, dass eine wie ein Versetzungsvorbehalt erscheinende Klausel tatsächlich lediglich den Umfang der vertraglich geschuldeten Leistung bestimmen soll, insbesondere wenn alternative Tätigkeiten oder Tätigkeitsorte konkret benannt sind. Ungewöhnliche, insbesondere überraschende Klauseln iSv. § 305c Abs. 1 BGB(zB „versteckte“ Versetzungsvorbehalte) werden allerdings nicht Vertragsbestandteil.

19

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 36, NZA 2010, 877; 21. Oktober 2009 - 4 AZR 880/07 - Rn. 18).

20

Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gem. § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZR 388/05 - Rn. 30, AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 67 = EzA BetrAVG § 1 Zusatzversorgung Nr. 18; st. Rspr. BGH, vgl. zB zuletzt 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08 - Rn. 41, MDR 2010, 1096; 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09 - Rn. 16, NJW 2010, 2877).

21

b) Ergibt die Auslegung, dass der Vertrag eine nähere Festlegung hinsichtlich Art und/oder Ort der Tätigkeit enthält, so unterliegt diese keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Vielmehr handelt es sich um die Bestimmung des Inhalts der Hauptpflicht (vgl. BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 564/06 - Rn. 30, BAGE 123, 98; Kleinebrink ArbRB 2007, 57, 58). Dabei ist unerheblich, wie eng oder weit die Leistungsbestimmung gefasst ist. § 308 Nr. 4 BGB ist ebenfalls nicht anwendbar, da diese Vorschrift nur einseitige Bestimmungsrechte hinsichtlich der Leistung des Verwenders erfasst(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 31, BAGE 118, 22). Vorzunehmen ist lediglich eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

22

Soweit es an einer Festlegung des Inhalts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag fehlt, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Je allgemeiner die vom Arbeitnehmer zu leistenden Dienste im Arbeitsvertrag festgelegt sind, desto weiter geht die Befugnis des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer unterschiedliche Aufgaben im Wege des Direktionsrechts zuzuweisen (vgl. zB BAG 2. März 2006 - 2 AZR 23/05 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 67). Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es insoweit nicht an. Bei einer engen Bestimmung der Tätigkeit wird das Direktionsrecht hingegen eingeschränkt. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer nur die betreffenden Aufgaben zuweisen. Eine Veränderung des Tätigkeitsbereichs kann er nur einvernehmlich oder durch eine Änderungskündigung herbeiführen.

23

c) Enthält der Arbeitsvertrag neben einer Festlegung von Art und/oder Ort der Tätigkeit einen sog. Versetzungsvorbehalt, so ist zu differenzieren:

24

aa) Ergibt die Vertragsauslegung, dass der Versetzungsvorbehalt materiell (nur) dem Inhalt der gesetzlichen Regelung des § 106 GewO entspricht oder zugunsten des Arbeitnehmers davon abweicht, unterliegt diese Klausel keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern allein einer Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB(BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 24 ff.). Der Arbeitgeber, der sich lediglich die Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhalts, nicht aber eine Änderung des Vertragsinhalts vorbehält, weicht nicht zulasten des Arbeitnehmers von Rechtsvorschriften ab (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB).

25

Die Vertragsklausel muss dabei die Beschränkung auf den materiellen Gehalt des § 106 GewO unter Berücksichtigung der oben dargestellten Auslegungsgrundsätze aus sich heraus erkennen lassen. Insbesondere muss sich aus dem Inhalt der Klausel oder aus dem Zusammenhang der Regelung deutlich ergeben, dass sich der Arbeitgeber nicht die Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten - ggf. noch unter Verringerung der Vergütung - vorbehält. Dagegen erfordert auch die Verpflichtung zur transparenten Vertragsgestaltung gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht, dass die Klausel Hinweise auf den Anlass der Ausübung des Weisungsrechts enthält(vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 44 ff., AP BGB § 307 Nr. 26).

26

bb) Ergibt die Vertragsauslegung, dass sich der Arbeitgeber mit dem Versetzungsvorbehalt über § 106 GewO hinaus ein Recht zur Vertragsänderung vorbehält, so unterliegt die Regelung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

27

(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 angemessen zu berücksichtigen(BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f., AP BGB § 307 Nr. 26; 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 33 f., BAGE 118, 22).

28

Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn sich der Arbeitgeber vorbehält, ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung einseitig die vertraglich vereinbarte Tätigkeit unter Einbeziehung geringerwertiger Tätigkeiten zulasten des Arbeitnehmers ändern zu können (BAG 9. Mai 2006 - 9 AZR 424/05 - Rn. 20 ff., BAGE 118, 184; HWK/Gotthardt 4. Aufl. Anh. §§ 305 - 310 BGB Rn. 26; HWK/Lembke § 106 GewO Rn. 57; Hunold NZA 2007, 19, 21; Küttner/Reinecke Personalbuch 2010 Versetzung Rn. 5; Preis/Genenger NZA 2008, 969, 975; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 32 Rn. 80).

29

(2) Handelt es sich um eine teilbare Klausel, ist die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36). Maßgeblich ist, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. Blue-pencil-Tests durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (vgl. Senat 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11, AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44).

30

(3) Führt die Angemessenheitskontrolle zur Unwirksamkeit eines Versetzungsvorbehalts, so richtet sich der Inhalt des Vertrags gem. § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Eine geltungserhaltende Reduktion auf das angemessene Maß findet nicht statt (vgl. BAG 13. April 2010 - 9 AZR 113/09 - Rn. 42, NZA-RR 2010, 457; Senat 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - Rn. 33, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 9). Maßgeblich ist in diesem Fall § 106 GewO. Diese Vorschrift überlässt dem Arbeitgeber das Weisungsrecht aber nur insoweit, als nicht durch den Arbeitsvertrag der Leistungsinhalt festgelegt ist. Ergibt die Auslegung des Vertrags, dass ein bestimmter Leistungsinhalt vereinbart wurde, so ist der Arbeitgeber an diesen gebunden, wenn ein zusätzlich vereinbarter Versetzungsvorbehalt der Angemessenheitskontrolle nicht standhält.

31

d) Übt der Arbeitgeber im Einzelfall das Weisungsrecht aus, so unterliegt dies der Kontrolle gem. § 106 GewO. Die Ausübung eines wirksam vereinbarten Versetzungsvorbehalts unterliegt der Kontrolle gem. § 315 BGB. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80).

32

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft keine hinreichende Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags vorgenommen. Damit steht nicht fest, ob die Tätigkeit als Bereichsleiter in der Niederlassung Leipzig aufgrund dieser vertraglichen Regelung als abschließende Festlegung des Inhalts der Arbeitspflicht anzusehen ist.

33

a) Bei den streitgegenständlichen Regelungen des Arbeitsvertrags dürfte es sich - auch wenn das Landesarbeitsgericht hierzu keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat - um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handeln. Ggf. findet auch § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB Anwendung. Für die Annahme Allgemeiner Geschäftsbedingungen spricht bereits das äußere Erscheinungsbild (vgl. Senat 6. Mai 2009 - 10 AZR 390/08 - Rn. 20, AP BGB § 307 Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 8). Davon gehen offenbar auch die Parteien übereinstimmend aus.

34

b) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (Senat 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259).

35

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass die Parteien sowohl den Ort wie den Inhalt der Arbeitsleistung festgelegt haben. Dem Kläger sei die Funktion eines Bereichsleiters der Zweigniederlassung Leipzig übertragen worden, womit notwendigerweise die Vereinbarung des Arbeitsorts Leipzig verbunden gewesen sei.

36

Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Begründung lässt nicht erkennen, dass das Landesarbeitsgericht § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags überhaupt ausgelegt hat. Es fehlt schon an einer Auseinandersetzung mit dem Wortlaut der arbeitsvertraglichen Regelung. Dieser ist, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat, keineswegs eindeutig. § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags nimmt lediglich auf eine bereits zuvor, nämlich zum 1. Oktober 1993, erfolgte Ernennung des Klägers zum Bereichsleiter der Niederlassung Leipzig Bezug. Ernannt bedeutet, dass jemand für ein Amt bzw. einen Posten bestimmt worden ist. Danach könnte hierunter auch die einseitige Zuweisung einer Position zu verstehen sein. Allerdings wird durch eine Ernennung auch die Position in der Hierarchieebene des jeweiligen Unternehmens (Status) zum Ausdruck gebracht. Für ein derartiges Verständnis könnte sprechen, dass die Vertragsparteien die Ernennung zum Anlass für den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags genommen haben. Zu prüfen wäre in diesem Zusammenhang, welche Bedeutung dem Klammerzusatz „Partner Stufe III“, dem Versetzungsvorbehalt in § 1 Satz 2 und der Regelung in § 7 des Arbeitsvertrags zukommt. Völlig außer Acht gelassen hat das Landesarbeitsgericht die Frage, wie der Vertragstext aus Sicht der an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise (hier: Partner einer bundesweit tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) typischerweise zu verstehen ist. Ebenso wenig sind Feststellungen zu möglichen Regelungszwecken und erkennbaren Interessenlagen beider Parteien getroffen worden.

37

Der Senat sieht sich deshalb gehindert, selbst eine abschließende Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags vorzunehmen. Diese wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben. Ergibt sich danach, dass durch § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags keine nähere Festlegung des Tätigkeitsinhalts in inhaltlicher und/oder örtlicher Hinsicht erfolgt ist, kommt es auf die Wirksamkeit des Versetzungsvorbehalts(§ 1 Satz 2 Arbeitsvertrag) nicht an. Die streitgegenständliche Maßnahme wäre dann allerdings noch daraufhin zu überprüfen, ob sie billigem Ermessen entspricht. Ergibt die Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags hingegen, dass die bisher ausgeübte Tätigkeit und/oder der Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind, kommt es auf die Wirksamkeit des in § 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags vereinbarten Versetzungsvorbehalts an. Führt die Prüfung nach den oben genannten Grundsätzen zur Annahme der Unwirksamkeit des Versetzungsvorbehalts, bleibt es bei den vertraglichen Festlegungen.

38

III. Ob und ggf. in welchem Umfang ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen des Klägers nach den Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung Reisekosten besteht, hängt im Wesentlichen von der Wirksamkeit der Versetzung ab und kann daher vom Senat ebenfalls nicht abschließend beurteilt werden.

39

Allerdings wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass sich auch im Fall der Wirksamkeit der Versetzung ein Anspruch für die ersten sechs Wochen der Versetzung aus dem Schreiben vom 2. Mai 2007 ergeben kann. Da es sich wegen des Einzelfallcharakters um eine nichttypische Erklärung handelt, bleibt deren Auslegung aber zunächst dem Landesarbeitsgericht vorbehalten. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen gem. § 291 BGB erst ab Rechtshängigkeit zu verzinsen ist. Der Zinsanspruch bestünde dabei jeweils ab dem auf die Zustellung folgenden Kalendertag. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung lässt sich die Zeit für die Leistung nicht nach dem Kalender bestimmen (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Gegen eine derartige Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung spricht bereits der Umstand, dass der Anspruch auf die Erstattung von Aufwendungen für eine Dienstreise regelmäßig eine Reisekostenabrechnung des Arbeitnehmers voraussetzt. Eine vor Rechtshängigkeit erfolgte Mahnung iSv. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB ist vom Kläger nicht dargelegt worden.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Alex    

        

    Frese    

        

        

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.

(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.

(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.