Bundesgerichtshof Urteil, 18. Dez. 2003 - I ZR 195/01

published on 18/12/2003 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 18. Dez. 2003 - I ZR 195/01
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 195/01 Verkündet am:
18. Dezember 2003
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHR: ja
BGHZ: nein
Ein in den Entscheidungsgründen gegebener "Hinweis", dem sich nicht ohne
weiteres entnehmen läßt, weshalb die Klage (zum Teil) ebenfalls unbegründet
sein könnte, stellt in der Regel keine die Klageabweisung tragende Erwägung
dar, die mit der Berufungsbegründung selbständig angegriffen werden muß.
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2003 - I ZR 195/01 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. Juni 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt als Transportversicherer aus übergegangenem und abgetretenem Recht der in Irland ansässigen Firma K. Ireland (im folgenden : Versicherungsnehmerin) die ebenfalls in Irland ansässige Beklagte auf Schadensersatz wegen des Verlusts von Transportgut in Anspruch.
Die Versicherungsnehmerin gab im Juni bzw. Juli 1996 zwei Sendungen zum Transport von Irland zur D. AG in S. auf, die teilweise verlorengingen.
Die Klägerin hat behauptet, die Versicherungsnehmerin habe die Beklagte mit der Beförderung beauftragt. Sie habe die Versicherungsnehmerin in Höhe des mit der Klage geltend gemachten Betrags entschädigt. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte hafte als CMR-Frachtführer.
Ihre auf Zahlung von 35.396,68 DM nebst Zinsen gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das angerufene Gericht sei nur dann international und örtlich zuständig, wenn zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten ein der CMR unterliegendes Vertragsverhältnis bestanden habe. Es könne jedoch dahinstehen, ob dies der Fall gewesen sei. Denn die geltend gemachten Ersatzansprüche seien jedenfalls nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 CMR verjährt. Die Klageerhebung habe die Verjährung nicht unterbrochen, weil die Verjährungsfrist bezüglich der Ansprüche wegen der ersten Sendung bereits abgelaufen und die Klägerin hinsichtlich der zweiten Sendung zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht Forderungsinhaberin gewesen sei. Das Landgericht hat "im übrigen" darauf "hingewiesen" , die Klägerin habe durch Vorlage des Versicherungsvertrags nicht dargelegt , daß sie für den Schadenszeitpunkt 1996 alleiniger Versicherer gewesen sei; denn der Alleinversicherervermerk trage das Datum 15. Januar 1997.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat die Berufung mit der Begründung als unzulässig verworfen, sie sei nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form begründet worden. Nach dem Inhalt des landgerichtlichen Urteils werde die Klageabweisung durch zwei selbständige rechtliche Gesichtspunkte getragen, nämlich zum einen durch die vom Landgericht angenommene Verjährung, zum anderen durch die fehlende Darlegung, daß die Klägerin zum Schadenszeitpunkt alleiniger Versicherer gewesen, also aktivlegitimiert sei. In einem solchen Fall müsse die Berufungsbegründung darlegen, weshalb weder der eine noch der andere rechtliche Gesichtspunkt die Klageabweisung trage. Daran fehle es hier, weil sich die Berufungsbegründung ausschließlich mit der vom Landgericht angenommenen Verjährung befasse.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung auf die gemäß § 547 ZPO a.F. i.V. mit § 26 Nr. 7 EGZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Revision nicht stand. Die Berufungsbegründung der Klägerin genügt den Erfordernissen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F.
1. Nach dieser Vorschrift muß die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe ) sowie der neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden
enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Die Vorschrift soll gewährleisten, daß der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muß die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen. Sie hat daher für jede der mehreren Erwägungen darzulegen, warum sie die Entscheidung nicht trägt; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (BGHZ 143, 169, 171; BGH, Urt. v. 13.11.2001 - VI ZR 414/00, NJW 2002, 682, 683 m.w.N.).
2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Klägerin. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat das Landgericht die Abweisung der Klage nicht auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt.

a) Dem Berufungsgericht kann nicht darin gefolgt werden, daß das Landgericht die Klageabweisung nicht nur auf Verjährung, sondern zusätzlich darauf gestützt hat, die Klägerin habe nicht dargelegt, zum Schadenszeitpunkt alleiniger Versicherer gewesen zu sein, ihr fehle die Aktivlegitimation.
Das Landgericht hat die Abweisung der Klage nicht ausdrücklich auf diese angeblich unzureichende Darlegung gestützt. Es hat, nachdem es sich ausführlich mit der Frage der internationalen Zuständigkeit und der Verjährung gemäß Art. 32 CMR befaßt hat, nur auf die fehlende Darlegung hingewiesen ("Darauf hingewiesen sei im übrigen"). Sein Hinweis bezieht sich zudem nur auf
die mangelnde Darlegung, daß die Klägerin für den Schadenszeitpunkt 1996 alleiniger Versicherer gewesen sei, weil der Alleinversicherervermerk das Datum 15. Januar 1997 trage. Von einem Fehlen der Aktivlegitimation ist dagegen in dem landgerichtlichen Urteil nicht die Rede. Auch dem Zusammenhang der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe läßt sich nicht entnehmen, daß die Abweisung der Klage mit der fehlenden Aktivlegitimation begründet werden sollte.
Sollten neben dem mit der Klägerin begründeten Versicherungsverhältnis noch Neben- oder Mitversicherungen durch andere Versicherer bestanden haben , so hätte dies allenfalls zur Folge, daß der Forderungsübergang gemäß § 67 VVG auf den auf die Klägerin nach ihrer Beteiligungsquote entfallenden Teil beschränkt wäre (vgl. Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 67 Rdn. 26). Daß überhaupt kein Versicherungsverhältnis mit der Klägerin bestand, aufgrund dessen diese Schadensersatzleistungen an ihre Versicherungsnehmerin mit der Folge des § 67 VVG erbracht hat, ist vom Landgericht nicht angenommen worden. Es hat lediglich darauf abgestellt, daß die Zahlungen der Klägerin und damit der Forderungsübergang nach § 67 VVG erst nach dem Ablauf der seiner Ansicht nach einjährigen Verjährungsfrist gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 1 CMR erfolgt seien.

b) Selbst wenn der genannte Hinweis des Landgerichts als eine selbständige Begründung für die Klageabweisung wegen fehlender Aktivlegitimation verstanden werden sollte, genügt die Berufungsbegründung der Klägerin den gesetzlichen Anforderungen. Ihre Rügen zur Verjährung greifen auf die fehlende Aktivlegitimation durch.
Die Folgerung des Landgerichts, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, weil sie zum Zeitpunkt des Schadenseintritts nicht alleiniger Versicherer gewe-
sen sei, ist verknüpft mit seinen Erwägungen zur Verjährung. Die einjährige Verjährungsfrist, so führt das Landgericht aus, habe durch die Klageerhebung (29. Juli 1997) nicht unterbrochen werden können, weil sie bezüglich des Schadensfalles aus dem Transport vom 13. Juni 1996 bereits abgelaufen gewesen sei. Bezüglich des Schadensfalles aus dem Transport vom 27. Juli 1996 habe nicht die Berechtigte Klage erhoben; es sei davon auszugehen, daß die Klägerin erst zu einem späteren Zeitpunkt (Schreiben vom 28. August 1997) und nach Ablauf der einjährigen Verjährungsfrist (hier wegen Hemmung erst am 4. August 1997) Forderungsinhaberin aufgrund Zahlung gemäß § 67 VVG und durch Abtretung geworden sei. Die Erwägungen des Landgerichts stehen und fallen mit seiner Annahme, es gelte die einjährige Verjährungsfrist. Sie haben keine Bedeutung, wenn die von der Klägerin behauptete dreijährige Verjährungsfrist gilt. Mit den Angriffen der Berufung gegen die Anwendung der einjährigen Verjährungsfrist ist folglich auch die (unterstellt selbständige) Erwägung des Landgerichts zur fehlenden Aktivlegitimation vom Gericht i.S. des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. gerügt worden.
III. Auf die Revision der Klägerin ist das Berufungsurteil somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Die Sache ist zur Verhandlung und Entscheidung über die mit der Berufung der Klägerin erhobenen Rügen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).
Ullmann Bornkamm Büscher Schaffert Bergmann
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Versicherungsvertragsgesetz - VVG

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges
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Tenor I. Die Beschwerde wird verworfen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Gründe
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Tenor 1.Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 29.02.2016 - 12 Ca 6754/15 teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger für Juni 2015 7.527,15 € brutto abzüglich erhaltener 1.785,05 € netto
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Annotations

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.