Finanzgericht München Urteil, 10. Okt. 2017 - 14 K 1548/17

bei uns veröffentlicht am10.10.2017

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger war in den Streitjahren im Klinikum der Universität München tätig. Zusammen mit anderen hat er Systeme zur endoskopischen Gewebecharakterisierung mitentwickelt. Seit 1996 ist die … GmbH & Co. KG (KG) im Rahmen von Lizenzverträgen für die Vermarktung dieser Erfindungen tätig.

Mit dem Kläger, Dr. X, Dr. Y und Dr. Z schloss sie den Vertrag vom 10. Januar 1996 und die Nachfolgevereinbarung vom 14. Mai 2007 ab; die Erfindungen betrafen die Früherkennung von A-Tumoren. Nach den Vorbemerkungen zum Vertrag vom 10. Januar 1996 haben die Lizenzgeber ein Patent in Deutschland angemeldet, gem. der Präambel des Vertrages vom 14. Mai 2007 sind Patente angemeldet/eingetragen. Art. 1 ist jeweils mit „Patentlizenz“ überschrieben. Danach räumen die Lizenzgeber der KG eine weltweite Exklusivlizenz an der Erfindung unabhängig, ob diese patentiert wird oder nicht (Vertrag vom 10. Januar 1996), bzw. eine ausschließliche Lizenz zur Herstellung, zum Vertrieb und/oder zur sonstigen weltweiten kommerziellen Nutzung der Erfindung bzw. aller an der Erfindung gegenwärtig und/oder zukünftig bestehenden Patentrechte (Vertrag vom 14. Mai 2007) ein. Gem. Art. 3 des Vertrages vom 10. Januar 1996 („Know-how/Unterstützung“) übergeben die Lizenzgeber dem Lizenznehmer sämtliche Dokumente, Unterlagen und Akten in Kopie, die sich auf die Erfindung bzw. Patente beziehen; der Lizenznehmer verpflichtet sich zur Verschwiegenheit.

Art. 4 des Vertrages vom 14. Mai 2007 verpflichtet die Lizenzgeber u.a. dazu, ihr jeweils akutellstes Know-how und angemessene technische Unterstützung zur Verfügung zu stellen; der Lizenznehmer verpflichtet sich ebenfalls zur Verschwiegenheit. Die KG darf nach Art. 5 des Vertrages vom 10. Januar 1996 und gem. Art. 6 Abs. 1 des Vertrages vom 14. Mai 2007 in anderen Ländern Patente im eigenen Namen anmelden. Gem. Art. 4 des Vertrages vom 10. Januar 1996 und nach Art. 5 des Vertrages vom 14. Mai 2007 räumen die Kläger der KG das Recht ein, ihre Namen verkaufs- und werbemäßig zu verwenden. Die „Lizenzgebühr“ ist nach Art. 2 des Vertrages vom 10. Januar 1996 zu zahlen, sofern die angemeldeten Patente erteilt werden oder solange der Lizenznehmer die Erfindung oder Teile davon alleine vertreibt für die Patentbenutzung, das Know-how und Benutzung der Namen der Erfinder. In Art. 3 des Vertrages vom 14. Mai 2007 verpflichtet sich die KG bis zur Erteilung der angemeldeten Patente und danach, unter der Voraussetzung der Gültigkeit der Patente, den Lizenzgebern eine Lizenzgebühr für die Patentbenutzung, das Know-how und die Benutzung des wissenschaftlichen Namens zu bezahlen. Vereinbart war, dass die KG jedes Jahr über die Höhe der vom Umsatz abhängigen Lizenzgebühr abrechnet. Die Bezahlung sollte durch unmittelbare Überweisung auf die von den Lizenzgebern zu bezeichneten Bankkonten zu fest im Vertrag vereinbarten Anteilen erfolgen. Die Abrechnung gilt als genehmigt und eine Überprüfung ausgeschlossen, wenn die Lizenzgeber nicht innerhalb von 30 Tagen bzw. 180 Tagen nach Erhalt der Abrechnung schriftlich bestreiten. Sofern die Lizenzgeber die Ordnungsgemäßheit der Abrechnung bestreiten, haben sie das Recht, auf eigene Kosten ein von der KG akzeptierten Buchprüfer mit der Abrechnung zu beauftragen (Art. 6 des Vertrages vom 10. Januar 1996 und Art. 7 des Vertrages vom 14. Mai 2007).

Den Vertrag vom 6. Juli 1998 schlossen der Kläger, Dr. Z und Dr. U mit der KG ab; dabei ging es um Erfindungen zur Früherkennung von B-Tumoren. Die Erfinder räumen dort der KG die weltweite Exklusivlizenz an den näher im Vertrag bezeichneten Erfindungen ein, unabhängig davon, ob diese patentiert sind oder nicht (Art. 1 „Patentlizenz“). Die Vereinbarungen zur Lizenzgebühr (Art. 2), zum „Know-how/Unterstützung“ (Art. 3), zum Namensnennungsrecht (Art. 4) und zur weiteren Patentanmeldung (Art. 5) und zur Abrechnung sowie Bezahlung (Art. 6) entsprechen im Wesentlichen denen des Vertrages vom 10. Januar 1996.

Die KG erstellte als Leistungsempfängerin jährliche Rechnungen (Gutschriften), die an den jeweiligen Erfinder adressiert waren, seinen Anteil an den Lizenzgebühren aufführten und entsprechend Umsatzsteuer nach dem allgemeinen Steuersatz auswiesen. Der Kläger wird in den Gutschriften persönlich angesprochen und es wird jeweils „gem. Art. … des Lizenzvertrages“ abgerechnet. Sie enthalten den Namen und Anschrift der KG, die Leistung wird beschrieben und das jeweilige Abrechnungsjahr genannt. Abschließend ist der Hinweis vorhanden, dass der Betrag auf ein bestimmtes Konto des Klägers überwiesen werde, was auch geschah. Die KG war und ist der Auffassung, dass die einzelnen Erfinder die Leistenden seien. Der Kläger widersprach diesen Gutschriften nicht.

In den Streitjahren erklärte der Kläger die Lizenzgebühren als Einzelunternehmer und wandte den ermäßigten Steuersatz an. Er gab die Steuererklärungen für die Jahre 1998 bis 2002 in 2004, für das Jahr 2003 in 2005, für das Jahr 2004 in 2006, für das Jahr 2005 in 2007 und für die übrigen Jahre später ab. Als Art des Unternehmens gab er „Überlassung von Lizenzrechten an“. Sie führten für alle Streitjahre zu Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, die bestandskräftig wurden.

Im Jahr 2004 hatte das damalige Finanzamt S die Auffassung vertreten, der Kläger bilde zusammen mit anderen Erfindern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Daher hatte es für die Jahre 1997 bis 2002 einheitlich ertragsteuerrechtliche Besteuerungsgrundlagen durch Bescheide festgestellt und gegenüber der vermeintlichen GbR Umsatzsteuerbescheide für diese Jahre erlassen. Gegen diese Bescheide waren Rechtsbehelfe eingelegt worden. Im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die Feststellungsbescheide hatte der Kläger u.a. vorgetragen, zwischen den Erfindern habe keine gesellschaftliche Verbindung bestanden (Schreiben vom 15. Juni 2004) und zu keiner Zeit sei einheitlich abgerechnet worden (Schreiben vom 4. August 2005). Die KG rechne mit den Beteiligten, wie vertraglich vereinbart, einzeln ab und überweise die Beträge auf die jeweiligen Konten der Beteiligten. Die vereinnahmten Beträge seien sowohl ertragsteuerrechtlich als auch umsatzsteuerrechtlich von diesen in ihren persönlichen Steuererklärungen angesetzt worden (Schreiben vom 11. November 2005). Das Finanzamt S hatte die angegriffenen Bescheide für die vermeintliche GbR wieder aufgehoben.

Nach Durchführung einer Außenprüfung bei der KG übersandte das Finanzamt T dem Beklagten (dem Finanzamt – FA –) eine Kontrollmitteilung mit der Feststellung, dass die Leistungen in Form von Gutschriften durch den Lizenznehmer mit dem nicht ermäßigten Steuersatz abgerechnet worden seien.

Das FA änderte daraufhin die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 1998 bis 2010 und veranlagte den Unterschiedsbetrag zwischen dem ermäßigten und dem allgemeinen Steuersatz als unzutreffend ausgewiesenen Steuerbetrag. Mit Bescheiden vom 12. September 2011 für die Jahre 1998 bis 2000 und 2002 bis 2010 sowie mit Bescheid vom 19. September 2011 für das Jahr 2001 setzte das FA die Umsatzsteuer für 1998 auf 3.275,85 €, für 1999 auf 4.462,04 €, für 2000 auf 7.427,54 €, für 2001 auf 4.908,40 €, für 2002 auf 4.643,80 €, für 2003 auf 2.416,02 €, für 2004 auf 3.396,58 €, für 2005 auf 4.724,06 €, für 2006 auf 4.059,87 €, für 2007 auf 5.414,11 €, für 2008 auf 6.289,66 €, für 2009 auf 4.628,24 € und für 2010 auf 4.820,94 € fest.

Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren trug der Kläger unter anderem vor, dass er nicht der einzige Lizenzgeber sei. Erstmals legte er dem Beklagten Lizenzverträge vor, aus denen hervorging, dass es um die Überlassung von Patenten ging.

Das FA änderte mit Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2013 die Steuer für 2007 wegen eines Übertragungsfehlers auf 4.152,83 € und wies ihn im Übrigen als unbegründet zurück. Auf die Umsätze des Klägers sei nicht der ermäßigte Steuersatz, sondern der Regel-steuersatz anzuwenden. Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten, weil von einer Steuerhinterziehung auszugehen sei.

Am 28. Februar 2013 erhob der Kläger Klage. Er ist der Auffassung, nicht er, sondern die jeweilige Bruchteilsgemeinschaft, die jeweils die Lizenzverträge mit der KG abgeschlossen hätte, sei der Leistende im umsatzsteuerrechtlichen Sinne. Zudem sei die Versteuerung nach dem ermäßigten Steuersatz keine neue Tatsache für das FA.

Das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren wurde am 30. Mai 2014 mit seiner Zustimmung gegen eine Geldbuße in Höhe von 800 € nach § 153a der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1379 veröffentlichten Urteil des Senats vom 9. Juni 2015 sei nicht der Kläger, sondern die aus den Erfindern bestehende Bruchteilsgemeinschaft die Unternehmerin, die die Leistungen gegenüber der KG erbracht habe. Der Kläger habe daher keine steuerpflichtigen Umsätze zu versteuern. Er sei aber Steuerschuldner aufgrund eines unberechtigten Steuerausweises.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hob das Urteil des Senats mit Urteil vom 16. März 2017 (V R 27/16, BFH/NV 2017, 1143) auf und verwies den Rechtsstreit an das Finanzgericht (FG) zurück. Die Gutschriften seien zwar im Adressfeld an den Kläger gerichtet und würden seine Anschrift ausweisen. Sie nähmen aber auch auf den jeweiligen Lizenzvertrag Bezug. Sei mit dem FG davon auszugehen, dass Unternehmer die Gemeinschaft der Erfinder, nicht aber der einzelne Erfinder sei, liege es nahe, die Gutschriften, die auf die der Leistungserbringung zugrunde liegenden Lizenzverträge verwiesen, aufgrund der Bezugnahme als an die Gemeinschaft als Leistenden erteilt anzusehen. Darüber hinaus habe das FG ggf. zu prüfen, ob eine an einen Nichtunternehmer erteilte Gutschrift überhaupt eine Steuerschuld aufgrund eines Steuerausweises begründen könne.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide vom 12. September 2011 über die Umsatzsteuer für 1998 bis 2000 und 2002 bis 2010 sowie den Bescheid vom 19. September 2011 für 2001 und die Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2013 aufzuheben.

Er trägt ergänzend vor, teilweise hätten die Patente bei Abschluss der Lizenzverträge noch gar nicht bestanden und es seien nur Unterlagen übergeben worden, so dass es sich dabei um Urheberrechtsübertragungen gehandelt habe.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze, die vorgelegten Behördenakten und die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 10. Oktober 2017 Bezug genommen.

II.

Die Klage ist unbegründet. Denn der Kläger hat nach dem Regelsteuersatz zu bemessende Leistungen ausgeführt. Außerdem durfte das FA Änderungsbescheide erlassen.

1. Der Kläger und nicht die jeweilige Gemeinschaft der Erfinder ist der Leistende.

a) Nach der Rechtsprechung des BFH kann eine Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB –) Steuerpflichtige und Unternehmerin sein (BFH-Urteile vom 1. Oktober 1998 V R 31/98, BStBl II 2008, 497; vom 6. Juli 2016 XI R 1/15, BStBl II 2016, 909, Rz 40; BFH-Beschluss vom 1. September 2010 XI S 6/10, BFH/NV 2010, 2140, Rz 8; a. A. Wäger in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 2 Rz 260; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz – UStG –, § 2 Rz 112 ff.; Schön in Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft – DStJG –, Band 13, 1990, S. 81, 87, 90 nimmt demgegenüber bei Verträgen mit Dritten eine GbR an; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer/Wäger, UStG, § 2 UStG Rz 83 hält die Gemeinschaft der Bruchteilseigentümer für die Unternehmerin). Vermieten Miteigentümer ein Grundstück an Dritte, können sie dies als Gemeinschaft oder Gesellschaft tun (BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 2140, Rz 9; vgl. BFH-Urteile vom 23. Oktober 2014 V R 11/12, BStBl II 2015, 973, Rz 21; vom 6. September 2007 V R 41/05, BStBl II 2008, 65, unter II.2.d.aa der Gründe; vom 9. September 1993 V R 63/89, BFH/NV 1994, 589; vom 25. März 1993 V R 42/89, BStBl II 1993, 729). Dies könnte dahin gehend zu verstehen sein, dass die Bruchteilsgemeinschaft – ohne weitere Vereinbarung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) – stets als Unternehmerin anzusehen ist, wenn die Gemeinschafter gemeinsam handeln. Diese Auffassung hatte der Senat in seinem Urteil in EFG 2016, 1379 vertreten (den Unternehmer offenlassend: BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1143). Daran ist aber jedenfalls für den Fall, dass eine von der Regelung des § 432 BGB abweichende Vereinbarung getroffen wird und die Gemeinschaft nach außen nicht in Erscheinung tritt, insbesondere wegen der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nicht mehr festzuhalten.

Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG). Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Sechsten Richtlinie des Rates 77/388/EWG vom 17. Mai 1977 (6. RL) gilt als Steuerpflichtiger, wer eine der in Abs. 2 dieser Bestimmung genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Der ab 1. Januar 2007 geltende Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 ABl EG Nr. L 347/1 vom 11. Dezember 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) bestimmt, dass als „Steuerpflichtiger“ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.

Gem. der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) umfasst diese weite Definition auch Einrichtungen ohne Rechtspersönlichkeiten, die objektiv die Kriterien dieser Bestimmung erfüllen (EuGH-Urteile vom 29. September 2015 C-276/14, Gmina Wroclaw, Mehrwertsteuer-Recht – MwStR – 2015, 926, ECLI:ECLI:EU:C:2015:635, Rn 28; vom 12. Oktober 2016 C-340/15, Nigl u.a., MwStR 2016, 905, ECLI:ECLI:EU:C:2016:764, Rn 27).

Für die Frage, ob haushaltsrechtliche Einrichtungen (u. a. Schulen, Kulturzentren und Diensten mit ordnungspolizeilichen Aufgaben) einer Gemeinde oder die Gemeinde selbst als Unternehmer anzusehen sind, hat der EuGH darauf abgestellt, ob diese Einrichtungen selbständig sind und hierfür geprüft, ob sie bei Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeiten in einem Unterordnungsverhältnis zu der Gemeinde stehen. Entscheidend ist dabei, ob die Tätigkeit im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung ausgeübt wird, und ob die Einrichtung das mit der Ausübung dieser Tätigkeiten einhergehende wirtschaftliche Risiko trägt (EuGH-Urteile Gmina Wroclaw in ECLI:ECLI:EU:C:2015:635, Rn 32 ff.).

Die Selbständigkeit und damit das Handeln im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung war für den EuGH auch für die Frage maßgeblich, ob die wirtschaftlichen Tätigkeiten von drei österreichischen Gesellschaften bürgerlichen Rechts diesen zuzurechnen waren. In Betracht kam nach dem vorlegenden Gericht auch eine Zurechnung zu der den Vertrieb führenden GmbH oder einer Personenvereinigung aus den Gesellschaftern (EuGH-Urteil Nigl u.a. in ECLI:ECLI:EU:C:2016:764, Rn 18 ff, 28).

Mit der Frage, ob jemand im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung handelt, ist verbunden, wem die ausgeübten Tätigkeiten als Leistender zuzurechnen sind.

Dies richtet sich regelmäßig nach den zivilrechtlichen Vereinbarungen (BFH-Urteile vom 20. Oktober 2016 V R 33/14, BFH/NV 2017, 325, Rz 13; vom 24. April 2013 XI R 7/11, BStBl II 2013, 648, Rz 22; vgl. EuGH-Urteil vom 20. Juni 2013 C-653/11, Paul Newey, Deutsches Steuerrecht-Entscheidungsdienst – DStRE – 2014, 32, ECLI:ECLI:EU:C:2013:409, Rn 43). Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde im Außenverhältnis gegenüber Dritten im eigenen Namen oder im Namen des anderen aufgetreten ist (BFH-Urteil vom 4. Februar 2015 XI R 14/14, BStBl II 2015, 908, Rz 19, m.w.N.).

Der Senat ist der Auffassung, dass eine Bruchteilsgemeinschaft grundsätzlich Leistender und Unternehmer ist, wenn die Gemeinschafter gemeinsam einen Vertrag mit einem Dritten schließen; dies gilt aber nicht, wenn die Gemeinschaft ausnahmsweise nicht nach außen in Erscheinung tritt.

Zivilrechtlich kann die Bruchteilsgemeinschaft nicht im eigenen Namen handeln, weil sie nicht rechtsfähig ist (BFH-Urteil in BStBl II 2008, 497, unter II.2.b der Gründe; Aderhold in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 741 BGB, Rz 2; Staudinger/von Proff (2015), Kommentar zum BGB, § 741 BGB, Rz 73; Wäger in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 2 Rz 237). Dies allein schließt sie aber nach der Rechtsprechung des EuGH als Unternehmerin nicht aus (a. A. Wäger in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 2 Rz 201 ff, 260). Verträge mit Dritten über den gemeinschaftlichen Gegenstand oder das gemeinschaftliche Recht schließen zivilrechtlich nicht die Gemeinschaft, sondern die Gemeinschafter ab (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2008, 497, unter II.2.b der Gründe; vom 18. Mai 2004 IX R 49/02, BStBl II 2004, 929, unter II.2.b der Gründe zum Miteigentum; vom 1. September 2010 XI S 6/10, BFH/NV 2010, 2140, Rz 9; Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 24. Januar 1973 VIII ZR 163/71, Neue Juristische Wochenschrift – NJW– 1973, 455 zum Eintritt des Gemeinschafters in den Mietvertrag bei Entstehen einer Bruchteilsgemeinschaft; Wäger in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 2 Rz 237). Im Innenverhältnis ist die gemeinsame Nutzung eine Verwaltungsmaßnahme der Gemeinschafter gem. §§ 744, 745 BGB (BFH-Urteil vom 25. März 1993 V R 42/89, BStBl II 1993, 729, unter II.1.a der Gründe). Die Gemeinschafter haften dem Vertragspartner aber im Außenverhältnis als Gesamtschuldner (vgl. §§ 421, 427, 431 BGB; BGH-Urteil in NJW 1973, 455; Aderhold in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 535 BGB, Rz 9 jeweils zur gemeinschaftlichen Vermietung); die Gemeinschaft tritt insoweit nicht in Erscheinung. Das Entgelt für die Früchte des Gegenstandes der Bruchteilsgemeinschaft ist grundsätzlich eine unteilbare Leistung nach § 432 BGB, so dass der einzelne Gemeinschafter nur die Leistung an alle Gemeinschafter verlangen und der Schuldner nur an alle gemeinschaftlich leisten kann (BGH-Urteil vom 14. November 2014 V ZR 90/13, NJW 2015, 1238, Rz 13, m.w.N.; h. M. in der Literatur, zum Meinungsstand und a.A.: Staudinger/von Proff (2015), Kommentar zum BGB, § 741 BGB, Rz 112 ff.). Insoweit tritt die Gemeinschaft nach außen in Erscheinung, weil dem Vertragspartner (Schuldner) nicht einzelne Gemeinschafter als Gläubiger gegenüberstehen, sondern alle in ihrer gemeinschaftlichen Verbundenheit. Den einzelnen Gemeinschaftern steht ihr Anteil (§ 743 Abs. 1 BGB) nach Abzug der Lasten und Kosten (§ 748 BGB) zu (BGH-Urteil vom 18. November 1963 II ZR 41/62, BGHZ 40, 326, unter III. der Gründe).

Die gemeinschaftliche Berechtigung nach § 432 BGB rechtfertigt es, die Bruchteilsgemeinschaft grundsätzlich als Unternehmerin anzusehen, weil sie insoweit nach außen in Erscheinung tritt, mangels Berechtigung der Gemeinschafter auf eigene Rechnung und wegen des Risikos des Zahlungsausfalls auf eigene Verantwortung handelt.

Etwas anderes gilt aber, wenn – was möglich ist (vgl. BGH-Urteil vom 9. Februar 1983 IVa ZR 162/81, NJW 1983, 2020; Karsten Schmid in Münchener Kommentar, 6. Auflage 2013, § 741 BGB, Rz 47) – abweichend von § 432 BGB vereinbart wird, dass der Vertragspartner nicht gemeinschaftlich an alle, sondern – in Anteilen – an die jeweiligen Gemeinschafter unmittelbar zu leisten hat. In diesem Fall tritt die Gemeinschaft überhaupt nicht nach außen auf: Vertragspartner des Dritten sind die Gemeinschafter, welche auch jeweils Gesamtschuldner sind. Gläubiger des Dritten ist ebenfalls der jeweilige Gemeinschafter mit seinem im Vertrag bestimmten Anteil. Die gemeinschaftliche Verbundenheit tritt dann nicht in Erscheinung, so dass kein Handeln im Namen der Gemeinschaft, auf Rechnung der Gemeinschaft und in Verantwortung der Gemeinschaft vorliegt. Diesem Ergebnis entspricht das BFH-Urteil vom 16. August 2001 V R 67/00 (BFH/NV 2002, 223), wonach ein Zusammenschluss natürlicher Personen regelmäßig nur dann als selbständiger Unternehmer Leistungen gegen Entgelt erbringt, wenn dem Leistungsempfänger diese Personenmehrheit als Schuldner der vereinbarten Leistung und Gläubiger des vereinbarten Entgelts (vgl. § 432 BGB) gegenübersteht.

b) Nach diesen Grundsätzen ist hier der Kläger als Leistender anzusehen. Zwar bestehen Bruchteilsgemeinschaften. Jedoch ist im jeweiligen Vertrag die von § 432 BGB abweichende Vereinbarung getroffen worden, dass die KG festgelegte Anteile unmittelbar an die einzelnen Gemeinschafter zu zahlen hat.

aa) Die jeweilige Erfindermehrheit bildet eine Bruchteilsgemeinschaft. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 des Patentgesetzes (PatentG) steht die gemeinsame Erfindung mehreren Erfindern gemeinschaftlich zu. Eine Erfindergemeinschaft kann als Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB oder als Gesamthandsgemeinschaft (GbR) gemäß §§ 705 ff. BGB bestehen. Haben die Beteiligten keine besondere Vereinbarung getroffen, stehen sie aufgrund der bloßen Tatsache der gemeinsamen erfinderischen Tätigkeit in einer Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB (BGH-Urteil vom 17. Oktober 2000 X ZR 223/98, Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport – NJW-RR – 2001, 477, unter 2.a. der Gründe). Im Streitfall gibt es keine solchen besonderen Vereinbarungen, so dass Bruchteilsgemeinschaften vorliegen.

bb) In den Verträgen mit der KG ist die von § 432 BGB abweichende Vereinbarung für das von der KG zu zahlende Entgelt vereinbart worden, dass unmittelbar und anteilig an die einzelnen Gemeinschafter zu leisten ist. Dort ist nämlich aufgeführt, welcher Anteil am Gesamtentgelt dem einzelnen Gemeinschafter zustehen sollte. Ferner war vereinbart, dass der jeweilige Anteil unmittelbar auf das jeweils von dem einzelnen Gemeinschafter benannte Konto überwiesen wird. Ein gemeinschaftliches Leisten an alle gem. § 432 BGB war der KG somit gar nicht möglich, weil die Überweisungen gerade nicht auf ein Gemeinschaftskonto der Erfinder erfolgen sollten, sondern auf verschiedene, nur den jeweiligen Gemeinschafter berechtigende Konten. Dementsprechend rechnete die KG nicht gemeinschaftlich ab, sondern adressierte die Gutschriften mit dem jeweiligen Gewinnanteil einzeln an die Gemeinschafter und überwies die Beträge auf die Konten der Gemeinschafter.

cc) Diesem Ergebnis entspricht, dass die KG von Anfang an davon ausging, der Kläger sei der Unternehmer. Das für sie zuständige Finanzamt vertrat ebenfalls diese Meinung und gewährte ihr den Vorsteuerabzug. Schließlich nahm dies auch der Kläger ursprünglich an, weil er selbst die Steuer erklärte. Im Übrigen hat der fachkundig vertretene Kläger im Rahmen seiner Klage hinsichtlich der noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheide keine Steuer von 0 € beantragt, die sich ergäbe, wenn er kein Unternehmer wäre. Vielmehr soll die Besteuerung nach dem ermäßigten Steuersatz bestehen bleiben.

c) Der Annahme, der Kläger sei der Unternehmer, steht nicht entgegen, dass der Senat gem. § 126 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Rechtsauffassung des BFH in seinem zurückverweisenden Urteil in BFH/NV 2017, 1143 gebunden ist. Denn letzterer ließ offen, wer als Leistender anzusehen ist.

2. Die Umsätze des Klägers sind gem. § 12 Abs. 1 UStG mit dem allgemeinen Satz zu versteuern.

Gem. § 12 Abs. 2 Abs. Nr. 7 Buchst. c UStG unterliegen die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben, dem ermäßigten Steuersatz. Demgegenüber fallen nach dem klaren Wortlaut gewerbliche Schutzrechte nach dem PatentG nicht darunter (vgl. Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 12 Rz 233).

In den Verträgen haben die jeweiligen Erfinder der KG weltweite Exklusivlizenzen an den Erfindungen (Verträge vom 10. Januar 1996 und vom 16. Juli 1998) oder gleichbedeutend die ausschließliche weltweite Lizenz zur Herstellung, Vertrieb und/oder sonstigen weltweiten kommerziellen Nutzung der Erfindung bzw. an der Erfindung bestehender Patentrechte eingeräumt (Vereinbarung vom 14. Mai 2007). Unschädlich ist entgegen der Auffassung des Klägers, wenn Patente bei Abschluss der Verträge lediglich angemeldet, aber noch nicht erteilt waren. Auch die Lizenz für die kommerzielle Nutzung bloßen Know-hows ist keine Übertragung von Rechten aus dem UrhG. Das Urheberrecht schützt zwar u.a. Sprachwerke und Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 7 des Urhebergesetzes -UrhG–). Es umfasst allerdings lediglich die Form des Werks, nicht jedoch dessen Gedankeninhalt (BGH-Urteil vom 1. Juni 2009, I ZR 140/09, NJW-RR 2012, 174, unter B.II.3.b.bb der Gründe m.w.N.). Die kommerzielle Nutzung von Know-how ist daher auch kein Recht aus dem UrhG. Darüber hinaus waren nach den Verträgen nicht nur Lizenzen für das Patent selbst, sondern bereits für das vorausgehende Recht auf Erteilung des Patents vereinbart worden, was nach § 15 Abs. 1 Satz 2 PatentG zulässig war. Die KG durfte nämlich weltweit Patente auf eigenen Namen anmelden (Art. 5 bzw. Art. 6 der Verträge).

Soweit in den Verträgen zusätzlich vereinbart ist, dass Unterlagen über die Erfindungen in Kopie überlassen werden, kann dahinstehen, inwieweit dabei Rechte aus dem Urhebergesetz betroffen sind, weil es sich um unselbständige Nebenleistungen zur Einräumung der Lizenz handelt (vgl. Martin in Sölch/Ringleb, UStG, § 3 Rz 47).

In der Regel ist jede Lieferung oder Dienstleistung eine eigene, selbständige Leistung. Bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen umfasst, ist aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind unter Berücksichtigung eines Durchschnittsverbrauchers die charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden. Andererseits sind mehrere formal getrennt erbrachte Einzelumsätze als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind. Danach liegt eine einheitliche Leistung insbesondere dann vor, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist insbesondere dann Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (BFH-Urteil vom 27. Februar 2014 V R 14/13, BStBl II 2014, 869, Rz 20, m.w.N.).

Dies ist hier hinsichtlich der zu überlassenden Unterlagen der Fall. Sie dienen dazu, dass die KG ihre Lizenzen besser nutzen kann. Denn wesentlich für die Verträge ist die Einräumung von Lizenzen an Patenten oder die Nutzung von Know-how.

3. Selbst wenn die Umsätze nach dem ermäßigten Steuersatz zu bemessen wären, schuldete der Kläger die Umsatzsteuer nach dem allgemeinen Steuersatz aufgrund eines unrichtigen Steuerausweises.

Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen, so schuldet er auch den Mehrbetrag. (§ 14 Abs. 2 Satz 1 UStG in der Fassung bis 31. Dezember 2003 –UStG a.F. –). Entsprechend ist dies seit 1. Januar 2004 in § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG geregelt. Damit soll einer Gefährdung des Steueraufkommens entgegengewirkt werden, die sich aus dem Recht auf Vorsteuerabzug ergeben kann (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1143, Rz 11, m.w.N. zum unberechtigten Steuerausweis).

Die Rechnung, die zu einem unrichtigen oder unberechtigten Steuerausweis führt, muss gewisse Mindestangaben enthalten. Hierzu gehören nach der Rechtsprechung des BFH Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer (BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 39/09, BStBl II 2011, 734, Rz 25). Ob diese Angaben unzutreffend sind und zu einer Steuerschuld aufgrund eines unberechtigten Steuerausweises führen können, bestimmt sich nach allgemeinen Grundsätzen. Daher sind wie bei der Prüfung, ob eine Rechnung hinreichende Angaben enthält, die zum Vorsteuerabzug berechtigten, auch bei Anwendung von § 14 Abs. 2, 3 UStG a.F. bzw. § 14c UStG in der Fassung ab 1. Januar 2004 (UStG n. F.) Bezugnahmen in der Rechnung auf andere Dokumente zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1143, Rz 12 f., m.w.N. zum unberechtigten Steuerausweis).

a) Der Kläger ist in den von der KG erstellten Gutschriften als Leistender ausgewiesen. Sie sind alle an den Kläger persönlich adressiert und der Kläger wird dort persönlich angesprochen. In den Gutschriften wird zwar auf den Lizenzvertrag verwiesen. Aus diesen Verträgen ergibt sich aber kein anderer Leistender (vgl. II.1. der Gründe). Darüber hinaus ist offenbar auch der von Anfang an fachkundig vertretene Kläger zunächst davon ausgegangen, dass er in den Gutschriften ausgewiesen ist, weil er die Steuer als Einzelunternehmer erklärte, als gem. § 34 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) für eine Gemeinschaft Verpflichteter keine Erklärung für die Erfindergemeinschaften abgab und den Gutschriften nicht widersprach. Die KG wollte ebenfalls gegenüber dem Kläger als Leistenden abrechnen.

b) Die Gutschriften wirken als Rechnung.

Bis 31. Dezember 2003 galt als Rechnung auch eine Gutschrift, mit der ein Unternehmer über eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung abrechnet, die an ihn ausgeführt wurde (§ 14 Abs. 5 Satz 1 UStG a. F.). Dabei war eine Gutschrift anzuerkennen, wenn der leistende Unternehmer zum gesonderten Ausweis der Steuer in einer Rechnung berechtigt war, zwischen dem Aussteller und dem Empfänger der Gutschrift Einverständnis darüber bestand, dass mit einer Gutschrift über die Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, die Gutschrift die vorgeschriebenen Rechnungsangaben enthielt und die Gutschrift dem leistenden Unternehmer zugeleitet worden war (§ 14 Abs. 5 Satz 2 UStG a.F.). Seit dem 1. Januar 2004 kann eine Rechnung gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG n. F. u. a. von einem Unternehmer für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Stets verlor und verliert die Gutschrift ihre Wirkung mit dem Widerspruch des Empfängers (§ 14 Abs. 5 Satz 4 UStG a.F. und § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG n. F.).

Im Streitfall war in den Lizenzverträgen die Abrechnung durch die KG vereinbart. Der Kläger war zum Ausweis von Steuer berechtigter Unternehmer und widersprach den Gutschriften nicht.

c) Die Gutschriften enthalten die erforderlichen Angaben: Vorhanden sind die Namen und Anschriften des Leistenden und Leistungsempfängers, die Leistung wird beschrieben, das Entgelt ist aufgeführt und die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen. Ferner lässt sich der Zeitpunkt der Leistungen entnehmen (vgl. § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG a.F. für die Zeiträume vor 2004).

d) Auf die vom BFH in seinem zurückverweisenden Urteil aufgeworfene Frage, ob eine Gutschrift Nichtunternehmern gegenüber erfolgen könne, kommt es nicht an, weil der Senat nunmehr die Auffassung vertritt, dass der Kläger Leistender war.

4. Festsetzungsverjährung stand den Änderungsbescheiden nicht entgegen.

a) Sie beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist und abweichend hiervon, wenn – wie im Streitfall – eine Steuererklärung abzugeben war, mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuererklärung abgegeben wurde, spätestens aber mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Die Umsatzsteuer ist hier für das erste Streitjahr 1998 mit Ablauf des Jahres 1998 entstanden (vgl. § 13 Abs. 1 UStG). Der Kläger gab die Erklärung für dieses Jahr in 2004 und die übrigen Erklärungen später ab. Damit begann die Verjährung für das erste Streitjahr mit Ablauf des Jahres 2001, für die übrigen Streitjahre in den weitern Jahren.

b) Die Verjährung dauerte hier 10 Jahre, weil der Kläger eine Steuerhinterziehung begangen hat. Damit war die Festsetzungsfrist bei Ergehen der Änderungsbescheide im Jahr 2011 weder für das erste Streitjahr noch für die folgenden Jahre abgelaufen.

Gem. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist für Umsatzsteuer vier Jahre. Sie dauert zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen worden ist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO).

Eine Steuerhinterziehung begeht, wer den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder sie pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO). Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden (§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO). Eine Steuerhinterziehung kann nur vorsätzlich begangen werden (vgl. § 15 des Strafgesetzbuches). Für eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung bedarf es dabei keiner Absicht oder eines direkten Hinterziehungsvorsatzes; es genügt, dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestands für möglich hält und billigend in Kauf nimmt – Eventualvorsatz – (BGH-Urteil vom 8. September 2011 1 StR 38/11, BFH/NV 2011, 2221).

Der Kläger erfüllte den objektiven Tatbestand. Steuererklärungen sind nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, soweit – wie hier – keine mündliche Steuererklärung zugelassen ist (§ 150 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Angaben sind wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen zu machen (§ 150 Abs. 2 Satz 1 AO). Der Kläger hat unvollständige Angaben gemacht. Denn er erklärte seine Umsätze zu 7%, verschwieg aber dem FA, dass in den Gutschriften der allgemeine Steuersatz ausgewiesen war. Er hätte den gesamten Sachverhalt offenlegen müssen (vgl. BGH-Urteil vom 10. November 1999 5 StR 221/99, Neue Zeitschrift für Strafrecht – NStZ – 2000, 203, unter II.3. der Gründe). Hätte er vollständige Angaben gemacht, so hätte das FA die Steuer bereits deswegen nach dem allgemeinen Steuersatz festgesetzt.

Ferner handelte der Kläger vorsätzlich. Das Gericht hält es für fernliegend, dass der Kläger nicht jedenfalls die Möglichkeit erkannte, der ausgewiesene Betrag könne bereits deswegen aufgrund des Ausweises in den Gutschriften dem FA zustehen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger dies für möglich hielt und dem FA die zusätzlich in den Gutschriften ausgewiesene Steuer verschwieg. Den Gutschriften widersprach er indessen nicht, sondern behielt den Unterschiedsbetrag zwischen dem allgemeinen und dem ermäßigten Steuersatz für sich.

5. Das FA durfte die Festsetzungen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern. Nach dieser Vorschrift ist u.a. zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer höheren Steuer führen. Dies ist hier der Fall. Denn das FA erfuhr erst im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens, dass es in den Lizenzverträgen um Patente ging. Soweit der Kläger in seinen Erklärungen angab, Gegenstand des Unternehmens sei die „Übertragung von Lizenzrechten“ ergibt sich hieraus nicht, dass es sich um Patente handelt. Denn Lizenzrechte können sich auf alle gewerblichen Schutzrechte, auch solche nach dem Urhebergesetz beziehen.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

Abgabenordnung - AO 1977 | § 169 Festsetzungsfrist


(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf d

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(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,2.die Finanzbehörden pflichtwidrig über steu

Abgabenordnung - AO 1977 | § 173 Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel


(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,1.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,2.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 14 Ausstellung von Rechnungen


(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und

Abgabenordnung - AO 1977 | § 170 Beginn der Festsetzungsfrist


(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist. (2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn1.eine Steuererklärung od

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 2 Unternehmer, Unternehmen


(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. G

Abgabenordnung - AO 1977 | § 34 Pflichten der gesetzlichen Vertreter und der Vermögensverwalter


(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 421 Gesamtschuldner


Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von j

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 12 Steuersätze


(1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (§§ 10, 11, 25 Abs. 3 und § 25a Abs. 3 und 4). (2) Die Steuer ermäßigt sich auf sieben Prozent für die folgenden Umsätze:1.die Lieferungen, die Einfuhr u

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 14c Unrichtiger oder unberechtigter Steuerausweis


(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Ber

Abgabenordnung - AO 1977 | § 150 Form und Inhalt der Steuererklärungen


(1) Eine Steuererklärung ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, wenn1.keine elektronische Steuererklärung vorgeschrieben ist,2.nicht freiwillig eine gesetzlich oder amtlich zugelassene elektronische Steuererklärung abgegeben wird,3.kei

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 745 Verwaltung und Benutzung durch Beschluss


(1) Durch Stimmenmehrheit kann eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung beschlossen werden. Die Stimmenmehrheit ist nach der Größe der Anteile zu berechnen. (2) Jeder Teilhab

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 432 Mehrere Gläubiger einer unteilbaren Leistung


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Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 13 Entstehung der Steuer


(1) Die Steuer entsteht 1. für Lieferungen und sonstige Leistungen a) bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Das gilt auch fü

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 741 Gemeinschaft nach Bruchteilen


Steht ein Recht mehreren gemeinschaftlich zu, so finden, sofern sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt, die Vorschriften der §§ 742 bis 758 Anwendung (Gemeinschaft nach Bruchteilen).

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 743 Früchteanteil; Gebrauchsbefugnis


(1) Jedem Teilhaber gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte. (2) Jeder Teilhaber ist zum Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstands insoweit befugt, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Teilhaber beeinträchtigt wird.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 748 Lasten- und Kostentragung


Jeder Teilhaber ist den anderen Teilhabern gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Gegenstands sowie die Kosten der Erhaltung, der Verwaltung und einer gemeinschaftlichen Benutzung nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen.

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Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 10. Oktober 2017  14 K 1548/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

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Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 12. November 2014  6 K 2574/11 aufgehoben.

Die Sache wird an das Hessische Finanzgericht zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten über das Vorliegen einer umsatzsteuerrechtlichen Geschäftsveräußerung.

2

In den Jahren 1999 bis 2001 errichtete die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ein Geschäftshaus in A.

3

Seit dem 1. Dezember 2000 vermietete die Klägerin dessen Erdgeschoss (mit 350 qm Fläche) an ihren Ehemann. Die Mietzeit war bis zum 30. November 2010 befristet.

4

Die Räume im Obergeschoss des Gebäudes (mit ca. 350 qm Fläche) sowie Werkstatt und Lagerraum im Erdgeschoss (mit zusammen 76,3 qm Fläche) waren zunächst an einen Dritten (B) vermietet. Später wurde das Obergeschoss an die Firmen C und D vermietet.

5

Die Klägerin verzichtete für sämtliche Vermietungsumsätze auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) und nahm aus den Eingangsleistungen den vollen Vorsteuerabzug vor.

6

Mit Kaufvertrag vom 24. Mai 2007 veräußerte die Klägerin das Geschäftshaus zum Preis von ... € an die E-GmbH (Erwerberin). Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG erfolgte nicht.

7

§ 6 Abs. 2 und 3 des Kaufvertrags lauten wie folgt:

        

"Der Grundbesitz ist an den Ehemann der Verkäuferin vermietet. Das Mietverhältnis wird nicht übernommen. Der Verkäufer hat für eine frist- und ordnungsgemäße Räumung zu sorgen.

        

Es bestehen zwei weitere Mietverhältnisse für Büroräume im 1. OG (D sowie C), welche durch den Käufer übernommen werden. Der Inhalt der Mietverträge ist dem Käufer bekannt."

8

Die Erwerberin führte die Mietverhältnisse mit C und D unverändert fort, während sie das Erdgeschoss in der Folgezeit für eigene unternehmerische Zwecke nutzte.

9

Die Klägerin nahm in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2007 (Streitjahr) keine Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 15a UStG vor.

10

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat nach Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Umsatzsteuer-Änderungsbescheid vom 2. Juni 2009 die Auffassung, die Klägerin sei offenbar von einer Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a UStG) ausgegangen; deshalb sei eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs unterblieben (§ 15a Abs. 10 UStG). Eine Geschäftsveräußerung liege jedoch weder ganz noch teilweise vor. Die Vorsteuer sei daher gemäß § 15a Abs. 4 und 6 UStG zu berichtigen.

11

Auf den Einspruch der Klägerin setzte das FA zwar mit Einspruchsentscheidung vom 28. September 2011 die Umsatzsteuer für das Jahr 2007 aus nicht streitigen Gründen herab; im Übrigen wurde der Einspruch der Klägerin jedoch als unbegründet zurückgewiesen.

12

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, die Voraussetzungen einer Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a Abs. 1, 4 und 6 UStG lägen im Streitfall vor. Die Veräußerung des Geschäftshauses durch die Klägerin sei vom FA zu Recht nicht als nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung behandelt worden.

13

Zwar habe die Erwerberin im vorliegenden Fall die Mietverträge mit C und D übernommen, das Vermietungsunternehmen der Klägerin insoweit fortgeführt und damit "die grundlegende Voraussetzung für eine Geschäftsveräußerung im Ganzen erfüllt". Nach der gebotenen Gesamtwürdigung ähnelten sich aber die vor und nach der Grundstücksveräußerung durch die Klägerin bzw. die Erwerberin des Hauses ausgeübten Tätigkeiten nicht derart hinreichend, dass im Ergebnis eine Geschäftsveräußerung vorliege. Während das Vermietungsunternehmen der Klägerin die gesamte Immobilie umfasst habe, habe es sich, nachdem die Erwerberin das Erdgeschoss fortan zu eigenunternehmerischen Zwecken nutzte, um etwa die Hälfte seines Umfangs reduziert.

14

Dem stehe nicht entgegen, dass im Übergabezeitpunkt entsprechend den im Mietvertrag zwischen Klägerin und Erwerberin getroffenen Vereinbarungen das Erdgeschoss geräumt und der Mietvertrag mit dem Ehemann der Klägerin beendet gewesen sei. Zur Beantwortung der Frage, ob sich die unternehmerischen Tätigkeiten vor und nach der Übertragung hinreichend ähneln, sei zumindest dann, "wenn Änderungen am Unternehmen im unmittelbaren Zusammenhang mit dessen Veräußerung erfolgen, nicht allein auf einen bestimmten Zeitpunkt, sondern auf die Gesamtumstände abzustellen".

15

Schließlich sei eine andere rechtliche Würdigung auch nicht durch den Umstand gerechtfertigt, dass verpachtete bzw. vermietete Gebäudeteile, an denen Teil- bzw. Wohneigentum besteht, Gegenstand einer Geschäftsveräußerung sein könnten. Während es sich insoweit um Unternehmen, zumindest aber um jeweils selbständige Unternehmensteile handeln könne, sei dies bei einzelnen vermieteten oder verpachteten Wohnungen oder Räumen, welche Bestandteil eines zivilrechtlich einheitlichen Grundstücks sind, ausgeschlossen. Die Qualifikation als selbständiger Unternehmensteil setze voraus, dass der Unternehmensteil ein "zivilrechtlich selbständiges Wirtschaftsgut als wesentlichen materiellen Bestandteil" enthalte.

16

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 681 veröffentlicht.

17

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 1 Abs. 1a UStG). Das FG habe zu Unrecht das Vorliegen einer (partiellen) Geschäftsveräußerung verneint. Es sei hierfür nicht entscheidend, ob das Vermietungsunternehmen des Veräußerers (hier: der Klägerin) sich bisher auf die gesamte Immobilie erstreckt habe oder nicht. Die Übertragung teilweise vermieteter Immobilien führe zu einer Geschäftsveräußerung in Bezug auf den vermieteten Teil.

18

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben, den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2007 vom 2. Juni 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. September 2011 dahin gehend zu ändern, dass hinsichtlich der an C und D vermieteten Räume eine Vorsteuerberichtigung unterbleibt, sowie die Berechnung der festzusetzenden Umsatzsteuer dem FA zu übertragen.

19

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

20

Es verteidigt die angefochtene Vorentscheidung.

Entscheidungsgründe

21

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

22

Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass hinsichtlich des an C und D verpachteten Gebäudeteils keine Geschäftsveräußerung vorliegt. Die Sache ist allerdings nicht spruchreif; es sind noch weitere Feststellungen zur Höhe der vorzunehmenden Vorsteuerberichtigung zu treffen.

23

1. Im Streitfall findet, wovon das FG zu Recht stillschweigend ausgegangen ist, § 15a UStG in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung (UStG a.F.) Anwendung.

24

Denn der zum 1. Januar 2005 in Kraft getretene § 15a UStG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (BGBl I 2004, 3310) ist gemäß § 27 Abs. 11 UStG (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Februar 2009 V R 85/07, BFHE 224, 473, BStBl II 2010, 76, unter II.1.b, Rz 11; Abschn. 27.1 Abs. 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses --UStAE--) nur auf Vorsteuerbeträge anzuwenden, deren zugrunde liegende Umsätze erst nach dem 31. Dezember 2004 ausgeführt wurden.

25

Hieran fehlt es im Streitfall; denn die Klägerin bezog die Eingangsleistungen zur Errichtung des Geschäftshauses in den Jahren 1999 bis 2001.

26

2. Das FG ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass die --steuerpflichtige-- Veräußerung des Geschäftshauses zu einer Änderung der Verhältnisse geführt hat, falls keine Geschäftsveräußerung vorliegt (s. dazu 3.). Im Streitfall hätten sich dann die für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse im Streitjahr i.S. des § 15a Abs. 1 und 4 UStG geändert; denn die Klägerin hat ein zuvor ausschließlich zur Ausführung steuerpflichtiger Vermietungsumsätze verwendetes Grundstück nebst Gebäude nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei an die Erwerberin veräußert. Die Berichtigung für das Streitjahr und die folgenden Kalenderjahre (§ 15a Abs. 6 UStG a.F.) ist im Streitjahr vorzunehmen (§ 44 Abs. 4 Satz 3 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung). Hierüber besteht zwischen den Beteiligten zu Recht kein Streit.

27

3. Allerdings liegt hinsichtlich der an C und D verpachteten Räume keine Änderung der Verhältnisse vor. Die Lieferung des Gebäudes von der Klägerin an die Erwerberin ist insoweit nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei, sondern als Geschäftsveräußerung gemäß § 1 Abs. 1a UStG nicht steuerbar.

28

a) Bei einer Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a UStG) wird nach § 15a Abs. 6a Satz 1 UStG a.F. (jetzt: § 15a Abs. 10 UStG) der für das Wirtschaftsgut maßgebliche Berichtigungszeitraum nicht unterbrochen. Dadurch werden Geschäftsveräußerungen i.S. von § 1 Abs. 1a UStG von einer Berichtigung nach § 15a UStG ausgenommen (vgl. BFH-Urteil vom 6. September 2007 V R 41/05, BFHE 217, 338, BStBl II 2008, 65, unter II.1., Rz 30; s.a. BFH-Urteile vom 15. September 2011 V R 8/11, BFHE 235, 516, BStBl II 2012, 368, Rz 26; vom 19. Dezember 2012 XI R 38/10, BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 28; ebenso Abschn. 15a.10 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, 15a.2 Abs. 3 UStAE).

29

b) Voraussetzung für die Geschäftsveräußerung ist gemäß § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. § 1 Abs. 1a UStG ist entsprechend Art. 19 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) richtlinienkonform auszulegen(vgl. BFH-Urteil in BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 30 ff., m.w.N.). Dabei kann auch die Rechtsprechung zu Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) herangezogen werden (so z.B. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- SKF vom 29. Oktober 2009 C-29/08, EU:C:2009:665, BFH/NV 2009, 2099, Rz 36 ff.; BFH-Urteil vom 4. Februar 2015 XI R 42/13, BFHE 248, 472, BStBl II 2015, 616, Rz 25).

30

c) Nach Art. 19 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten "die Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen".

31

aa) Die Bestimmung erfasst die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann (EuGH-Urteile Zita Modes vom 27. November 2003 C-497/01, EU:C:2003:644, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2004, 19, Rz 40; Schriever vom 10. November 2011 C-444/10, EU:C:2011:724, BStBl II 2012, 848, Rz 25; SKF, EU:C:2009:665, BFH/NV 2009, 2099, Rz 37; BFH-Urteile vom 18. Januar 2012 XI R 27/08, BFHE 235, 571, BStBl II 2012, 842, und in BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 33). Maßgeblich ist hierfür --entgegen der Auffassung des FG-- die Lage im Zeitpunkt der Übertragung (vgl. ebenso Abschn. 1.5 Abs. 4 Satz 2 UStAE; s.a. FG Köln, Urteil vom 12. Dezember 2006  8 K 1130/05, EFG 2007, 456).

32

bb) Der Erwerber muss außerdem beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben. Nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit (EuGH-Urteil Zita Modes, EU:C:2003:644, UR 2004, 19, Rz 44; BFH-Urteile vom 30. April 2009 V R 4/07, BFHE 226, 138, BStBl II 2009, 863, unter II.2.a, Rz 25; in BFHE 235, 571, BStBl II 2012, 842, Rz 19; in BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 34). Das Unionsrecht fordert aber nicht, dass der Begünstigte vor der Übertragung eine wirtschaftliche Tätigkeit derselben Art ausgeübt haben müsste wie der Übertragende (EuGH-Urteil Zita Modes, EU:C:2003:644, UR 2004, 19, Rz 45). Der Erwerber darf den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb z.B. aus betriebswirtschaftlichen oder kaufmännischen Gründen in seinem Zuschnitt ändern oder modernisieren (vgl. BFH-Urteile vom 23. August 2007 V R 14/05, BFHE 219, 229, BStBl II 2008, 165, unter II.1.b, Rz 31; vom 29. August 2012 XI R 10/12, BFHE 239, 359, BStBl II 2013, 221, Rz 22).

33

d) Das FG hat ausgehend davon zwar zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung bezüglich der ursprünglich an den Ehemann der Klägerin verpachteten Räume schon deshalb nicht vorliegen, weil die Erwerberin diese Räume nicht weiterhin verpachtet, sondern für ihre eigene unternehmerische Tätigkeit selbst genutzt hat (vgl. BFH-Urteile vom 18. Januar 2005 V R 53/02, BFHE 208, 491, BStBl II 2007, 730, unter II.2.c, Rz 32 f.; vom 4. September 2008 V R 23/06, BFH/NV 2009, 426, unter II.1.b cc (1), Rz 30; vom 6. Mai 2010 V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II 2010, 1114, Rz 32; vom 21. Oktober 2015 XI R 40/13, BFHE 251, 474, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2016, 50, Rz 63; BFH-Beschluss vom 15. April 2016 XI B 109/15, BFH/NV 2016, 1306, Rz 29; s.a. BFH-Urteil vom 24. September 2009 V R 6/08, BFHE 227, 506, BStBl II 2010, 315, Rz 24, zum Erwerb durch den bisherigen Mieter).

34

e) Entgegen der Annahme des FG sind jedoch die an C und D vermieteten Räume ein selbständiger Unternehmensteil. Der in Art. 19 MwStSystRL verwendete Begriff des Teilvermögens, das Gegenstand einer Geschäftsveräußerung sein kann, verlangt bei teilweiser Vermietung eines Grundstücks nicht, dass der vermietete Grundstücksteil ein "zivilrechtlich selbständiges Wirtschaftsgut" ist. Die dies fordernde Vorentscheidung ist bereits deshalb aufzuheben.

35

aa) Da das Unionsrecht für die Ermittlung von Sinn und Bedeutung des Begriffs "Übertragung eines ... Teilvermögens" nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, handelt es sich bei diesem Begriff um einen autonomen unionsrechtlichen Begriff, der eine einheitliche Auslegung finden muss, um eine unterschiedliche Anwendung der Mehrwertsteuerregelung in den Mitgliedstaaten zu verhindern (vgl. EuGH-Urteile Zita Modes, EU:C:2003:644, UR 2004, 19, Rz 32 und 34 f., und Schriever, EU:C:2011:724, BStBl II 2012, 848, Rz 22).

36

Dies schließt es aus, für die Annahme eines Teilvermögens mit dem FG ein "zivilrechtlich selbständiges Wirtschaftsgut" zu verlangen. Denn der Begriff des Teilvermögens wäre damit von der Ausgestaltung des nationalen Zivilrechts abhängig. Für die Auslegung des § 1 Abs. 1a UStG sind aber nicht zivilrechtliche, sondern umsatzsteuerrechtliche Kriterien maßgebend (vgl. dazu allgemein auch BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 84/99, BFHE 207, 67, BStBl II 2005, 155, unter II.1.b, Rz 17, betreffend Vorgründungsgesellschaft; in BFHE 217, 338, BStBl II 2008, 65, unter II.2.d aa, Rz 39 f., zur Begründung von Miteigentum; in BFHE 230, 256, BStBl II 2010, 1114, Rz 32, zur fehlenden Fortführung bei Organschaft). Ebenso wenig kann auf ertragsteuerrechtliche Kriterien des nationalen Rechts abgestellt werden (vgl. BFH-Beschluss vom 1. April 2004 V B 112/03, BFHE 205, 511, BStBl II 2004, 802, unter II.2.a, Rz 12; BFH-Urteil in BFHE 239, 359, BStBl II 2013, 221, Rz 29).

37

bb) Der Begriff des Teilvermögens bezieht sich vielmehr nach der Rechtsprechung auf eine Kombination von Bestandteilen eines Unternehmens, die zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausreicht, auch wenn diese Tätigkeit nur Teil eines größeren Unternehmens ist, von dem sie abgespalten wurde (vgl. BFH-Urteile in BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 35; vom 4. Februar 2015 XI R 14/14, BFHE 250, 240, BStBl II 2015, 908, Rz 26).

38

Die organisatorischen Verhältnisse beim Veräußerer sind unmaßgeblich (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 45; in BFHE 248, 472, BStBl II 2015, 616, Rz 20). Es kommt nicht darauf an, ob bereits beim Veräußerer eine eigenständige betriebliche Organisation vorlag, sondern darauf, ob ein Teilvermögen übertragen wird, das vom Erwerber selbständig hätte übernommen werden können und für das im Falle der entgeltlichen Übertragung der Erwerber eine Gegenleistung gezahlt hätte (vgl. EuGH-Urteil X vom 30. Mai 2013 C-651/11, EU:C:2013:346, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2013, 754, Rz 53; s.a. Abschn. 1.5 Abs. 6 Satz 2 UStAE; Tehler in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 1 Rz 521; Stadie, Umsatzsteuergesetz, § 1 Rz 133, 135).

39

Ob das Grundstück vom Veräußerer vor Übertragung zivilrechtlich (z.B. durch Bildung von Teil- oder Wohnungseigentum) geteilt worden ist (so im Streitfall des BFH-Beschlusses in BFHE 205, 511, BStBl II 2004, 802; vgl. dazu Beschluss des FG München vom 28. April 2003  14 V 5377/02, EFG 2003, 1344, Rz 2 f.) oder nicht, spielt daher für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung insoweit keine Rolle (gl.A. Behrens, Betriebs-Berater 2015, 1767; a.A. Verfügung der Oberfinanzdirektion Karlsruhe vom 19. Februar 2015, USt-Kartei BW § 1 Abs. 1a UStG S 7100 b Karte 1, Tz. 5).

40

cc) Nur diese Auslegung steht zudem im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH, wonach bei Begründung von Miteigentum an einem teilweise vermieteten Grundstück die unternehmerische Vermietungstätigkeit auf die Bruchteilsgemeinschaft übergeht, aber die Geschäftsveräußerung sich dem Umfang nach auf den vermieteten Grundstücksteil beschränkt (BFH-Urteil vom 22. November 2007 V R 5/06, BFHE 219, 442, BStBl II 2008, 448, unter II.4.a, 5.a aa, Rz 20 f., 30). Auch dies setzt voraus, dass (nur) der vermietete Grundstücksteil das Teilvermögen ist, das Gegenstand der (vom BFH für diesen Fall bejahten) Geschäftsveräußerung an die neu entstehende Bruchteilsgemeinschaft ist.

41

f) Auch die weitere Begründung des FG, eine Geschäftsveräußerung in Bezug auf die an C und D verpachteten Räume scheide auch deshalb aus, weil die Erwerberin nicht die gesamte Verpachtungstätigkeit der Klägerin fortgeführt habe, hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

42

aa) Denn für das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung ist unerheblich, ob der Veräußerer gleichzeitig mit der Übertragung eine andere wirtschaftliche Tätigkeit einstellt (vgl. EuGH-Urteil X, EU:C:2013:346, HFR 2013, 754, Rz 52 ff.). Die Prüfung der Voraussetzungen der Geschäftsveräußerung beschränkt sich auf das jeweils übertragene Teilvermögen, ohne dass es auf daneben erfolgte, weitere Übertragungsvorgänge ankommt (vgl. BFH-Urteil vom 25. November 2015 V R 66/14, BFHE 251, 526, DStR 2016, 311, Rz 26 und 29).

43

bb) Mit dieser Auffassung weicht der Senat nicht von Rz 28 (II.2.d) des BFH-Urteils in BFHE 226, 138, BStBl II 2009, 863 ab.

44

Denn dort ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen auch leerstehende Flächen zu einem im Rahmen einer Geschäftsveräußerung übertragenen (Gesamt- oder Teil-)Vermögen gehören können. Vorliegend hatte die Klägerin die Verpachtungstätigkeit in Bezug auf die früher an den Ehemann der Klägerin verpachteten Räume aber nicht nur vorübergehend unterbrochen, sondern beendet (vgl. dazu BFH-Urteil vom 11. Oktober 2007 V R 57/06, BFHE 219, 284, BStBl II 2008, 447, unter I., II.2. und 3., Rz 1 und 14 f.).

45

4. Die Sache ist nicht spruchreif.

46

a) Der Senat kann aufgrund der vom FG festgestellten Tatsachen zwar selbst entscheiden, dass die Übertragung der an C und D verpachteten Räume eine Geschäftsveräußerung ist (vgl. allgemein BFH-Urteile vom 18. Oktober 2006 XI R 42/04, BFH/NV 2007, 1283, unter II.2.a aa, Rz 27; vom 6. Juni 2013 IV R 28/10, BFH/NV 2013, 1810, Rz 37).

47

Denn die an die Erwerberin veräußerten, weiterhin an C und D verpachteten Räume bilden bei der Erwerberin einen selbständigen Unternehmensteil, mit dem die Erwerberin die selbständige wirtschaftliche (Verpachtungs-)Tätigkeit der Klägerin fortführen konnte. Dies folgt schon daraus, dass das FG festgestellt hat, die Erwerberin habe die Mietverträge mit C und D übernommen und dadurch die unternehmerische Tätigkeit der Klägerin mit dem von der Klägerin übertragenen Teilvermögen (unverändert) fortgeführt (vgl. dazu BFH-Urteile vom 7. Juli 2005 V R 78/03, BFHE 211, 63, BStBl II 2005, 849, unter II.1.a bb (2), Rz 23; in BFHE 219, 284, BStBl II 2008, 447; vom 12. August 2015 XI R 16/14, BFHE 251, 275, DStR 2016, 47, Rz 26, m.w.N.; s.a. BFH-Urteil vom 5. Juni 2014 V R 10/13, BFH/NV 2014, 1600, Rz 11, betreffend Ferienwohnung). Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerberin die Absicht hatte, die Tätigkeit nicht fortzuführen, sondern alsbald abzuwickeln, sind weder vom FA vorgetragen noch sonst ersichtlich.

48

b) Das FG hat aber --ausgehend von seiner Rechtsauffassung konsequenterweise-- keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen ist, wenn eine Geschäftsveräußerung in Bezug auf die fortgeführte Vermietungstätigkeit vorliegt. Inhalt und Umfang der Mietverträge mit C und D sind vom FG ebenso wenig wie die Gesamtfläche des Gebäudes festgestellt. Die Sache geht deshalb zur Nachholung der notwendigen weiteren Feststellungen an das FG zurück.

49

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) setzte gegen die aus den Miteigentümern X und Y bestehende Grundstücksgemeinschaft Umsatzsteuer für 2003 --zuletzt durch Änderungsbescheid vom 5. Oktober 2004-- fest und wies den Einspruch durch die ebenfalls an die Grundstücksgemeinschaft gerichtete Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2005 als unbegründet zurück.

2

Das FA ging dabei davon aus, dass die Grundstücksgemeinschaft bis zum 20. März 2003 umsatzsteuerrechtlicher Organträger der Z-GmbH (GmbH) gewesen sei, deren Gesellschafter (ebenfalls) X und Y waren. An diesem Tag hatten die Gesellschafter ihre Geschäftsanteile an der GmbH an einen Dritten übertragen.

3

Das Finanzgericht (FG) wies die von den Gemeinschaftern X und Y jeweils im eigenen Namen gegen den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 2003 vom 5. Oktober 2004 und gegen die Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2005 erhobene Klage als unbegründet ab. Es folgte der Auffassung des FA und führte aus, "die Kläger als Grundstücksgemeinschaft" seien bis zur Veräußerung ihrer Geschäftsanteile am 20. März 2003 Organträger der GmbH gewesen; sie seien daher bis zu diesem Zeitpunkt "Steuerschuldner hinsichtlich aller von der Organgesellschaft verwirklichten Umsatzsteuertatbestände".

4

Daraufhin haben X und Y jeweils in eigenem Namen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (XI B 19/10) und Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt --XI S 2/10 (PKH) und XI S 3/10 (PKH)--.

5

Das FA hat mit Bescheid vom 13. April 2010, der ebenfalls an die Grundstücksgemeinschaft gerichtet ist, Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Umsatzsteuer für 2003 in Höhe von … € sowie von Umsatzsteuer-Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt … € gegen Sicherheitsleistung in Höhe von … € gewährt; die beantragte AdV ohne Sicherheitsleistung lehnte es ab.

6

Im vorliegenden Verfahren beantragen X und Y, unter Änderung des Bescheids des FA vom 13. April 2010 AdV "der Umsatzsteuer 2003 sowie der darauf berechneten Säumniszuschläge ohne Sicherheitsleistung" zu gewähren.

Entscheidungsgründe

7

II. 1. Antragstellerin im vorliegenden Verfahren ist die Grundstücksgemeinschaft X und Y, gegen die der Umsatzsteuer-Änderungsbescheid des FA vom 5. Oktober 2004, die Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2005 sowie der AdV-Bescheid vom 13. April 2010 ergangen sind --und nicht X und Y als Miteigentümer des Grundstücks.

8

a) Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) kann auch eine Bruchteilsgemeinschaft sein. Rechtsfähigkeit im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist für die Eigenschaft als Steuerpflichtiger im Sinne des UStG nicht erforderlich. Die Verwaltung gemeinschaftlichen Eigentums (des Gegenstandes der Gemeinschaft) kann als unternehmerische Tätigkeit nach den Regeln der Gemeinschaft ausgeführt werden. Der Bildung einer gesonderten GbR bedarf es nicht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. März 1993 V R 42/89, BFHE 172, 134, BStBl II 1993, 729, unter II.1.a, und vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243).

9

b) Vermieten die Miteigentümer eines Grundstücks dieses an eine dritte Person, können sie dies als GbR oder Gemeinschaft tun. Umsatzsteuerrechtlich werden die Vermietungsleistungen von der GbR bzw. der Gemeinschaft ausgeführt. Der Gesellschafter bzw. der Teilhaber wird nicht allein durch seine zivilrechtliche Stellung als Mitvermieter Unternehmer. Nur die GbR bzw. die Gemeinschaft ist (wegen dieser Vermietungsumsätze) Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG. Die Tätigkeit der Personenvereinigung wird im Umsatzsteuerrecht nicht ihrem Mitglied zugerechnet. Eine Mitunternehmerschaft kennt das UStG nicht (vgl. BFH-Urteil vom 16. Mai 2002 V R 4/01, BFH/NV 2002, 1347, unter II.1.c).

10

c) Richtet sich ein Umsatzsteuerbescheid gegen eine Grundstücksgemeinschaft als Steuerschuldnerin, so ist grundsätzlich nur diese --und nicht ein Gemeinschafter-- einspruchsbefugt. Diesem Grundsatz entsprechend muss eine Klage im Namen der Gemeinschaft, und zwar gemäß § 744 Abs. 1 BGB durch alle Gemeinschafter, erhoben werden (vgl. für eine GbR z.B. BFH-Beschluss vom 19. Oktober 2001 V B 54/01, BFH/NV 2002, 370).

11

d) Dass --wie die Antragstellerin vorträgt-- X und Y nach dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts vom 18. Juni 2008 in einem Zwangsversteigerungsverfahren mit Eintragung in das Grundbuch vom 22. August 2008 nicht mehr Eigentümer des Grundstücks sind, ändert an der fortbestehenden Unternehmereigenschaft der Antragstellerin nichts.

12

Eine Personengesellschaft besteht in der Regel so lange als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts fort, bis alle gemeinschaftlichen Rechtsbeziehungen unter den Gesellschaftern, zu denen auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Finanzamt gehört, beseitigt sind (vgl. BFH-Beschluss vom 21. September 2006 V B 102/05, juris). Das gilt auch für eine Bruchteilsgemeinschaft.

13

2. Der Antrag, die im Bescheid des FA vom 13. April 2010 verfügte AdV ohne Sicherheit zu gewähren, hat Erfolg.

14

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll die AdV auf Antrag u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Nach § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO kann die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO ist der Antrag nach Abs. 3 beim Gericht der Hauptsache vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf AdV ganz oder zum Teil abgelehnt hat.

15

b) Im Streitfall ist der zutreffend beim BFH als dem für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde XI B 19/10 zuständigen Gericht der Hauptsache i.S. von § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO gestellte Antrag auf eine AdV ohne Sicherheitsleistung gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO zulässig.

16

Denn eine teilweise Ablehnung durch die Finanzbehörde liegt auch vor, wenn --wie im Streitfall-- das FA eine uneingeschränkt beantragte AdV nur gegen Sicherheitsleistung bewilligt hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. Oktober 1981 I B 69/80, BFHE 134, 239, BStBl II 1982, 135, und vom 10. Oktober 2002 VII S 28/01, BFH/NV 2003, 12).

17

c) Das FA ist in dem Bescheid vom 13. April 2010 davon ausgegangen, dass AdV zu gewähren ist. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

18

d) Das öffentliche Interesse an einer Sicherheitsleistung nach § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO entfällt u.a. dann, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. Dezember 1999 III B 15/99, BFH/NV 2000, 827, unter II.2.c, m.w.N.; vom 17. Mai 2005 I B 109/04, BFH/NV 2005, 1782, und vom 19. Oktober 2009 XI B 60/09, BFH/NV 2010, 58). Entgegen der Ansicht des FA ist diese Voraussetzung im Streitfall gegeben.

19

Der BFH hat mit Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09 (BFH/NV 2010, 1581, Deutsches Steuerrecht 2010, 1277) entschieden, dass keine umsatzsteuerrechtliche Organschaft vorliegt, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer Personengesellschaft und an einer GmbH verfügen; in diesem Fall sei die GmbH nicht finanziell in die Personengesellschaft eingegliedert.

20

Diese Rechtsprechung des BFH ist im vorliegenden Fall anwendbar, weil X und Y als Gemeinschafter der Grundstücksgemeinschaft an der GmbH mit einem Anteil von jeweils 50 % beteiligt sind und deshalb nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit verfügen. Die von der GmbH verwirklichten Umsatzsteuertatbestände können deshalb --anders als vom FA im Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 2003 vom 5. Oktober 2004 und vom FG in dem angefochtenen Urteil angenommen-- nicht der Antragstellerin zugerechnet werden.

21

Deshalb ist die Revision aufgrund der Nichtzulassungsbeschwerde XI B 19/10 zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) zuzulassen. Das FG-Urteil weicht von dieser (neuen) Rechtsprechung des BFH ab. Für eine Divergenz ist der Stand der Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung maßgebend (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2007 XI B 32/07, juris; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 51).

22

3. Der Antrag, für das vorliegende Verfahren PKH zu gewähren, hat keinen Erfolg.

23

Eine parteifähige Vereinigung kann nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) nur dann PKH erhalten, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.

24

Diese Vorschrift ist vorliegend einschlägig. Die Antragstellerin gehört zu den parteifähigen Vereinigungen i.S. des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO, wenn sie befugt ist, selbständig gegen Umsatzsteuerbescheide Klage zu erheben (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. April 1992 V S 1/92, juris; vom 3. August 2007 V S 18/07 (PKH), BFH/NV 2007, 2309, und vom 29. Mai 2009 V S 15/09 (PKH), BFH/NV 2009, 1453). Das ist bei einer Grundstücksgemeinschaft der Fall (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 6. September 2007 V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710, und in BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243). Ob --wie die Antragstellerin geltend macht-- im Zivilprozess eine Miteigentümergemeinschaft nicht parteifähig und deshalb § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO dort nicht anwendbar ist, ist deshalb hier ohne Bedeutung.

25

Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, dass es allgemeinen Interessen zuwiderliefe, wenn sie ihre Rechte nicht durch die Nichtzulassungsbeschwerde XI B 19/10 verfolgen würde; dafür ist auch nichts ersichtlich.

26

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über den Antrag auf PKH ist gerichtsgebührenfrei (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. dem Kostenverzeichnis der Anlage 1).

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

(1) Haben mehrere eine unteilbare Leistung zu fordern, so kann, sofern sie nicht Gesamtgläubiger sind, der Schuldner nur an alle gemeinschaftlich leisten und jeder Gläubiger nur die Leistung an alle fordern. Jeder Gläubiger kann verlangen, dass der Schuldner die geschuldete Sache für alle Gläubiger hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abliefert.

(2) Im Übrigen wirkt eine Tatsache, die nur in der Person eines der Gläubiger eintritt, nicht für und gegen die übrigen Gläubiger.

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 27. Juni 2013  5 K 2529/11 U wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erbringt im Rahmen von Postdienstleistungen Transport- und Sortierarbeiten.

2

Auf Grund eines Vertrages mit der Deutschen Post AG (D) bündelt sie als sogenannter Postkonsolidierer Sendungen verschiedener Absender, erbringt für diese Sendungen bestimmte Leistungen der Briefbeförderungskette selbst und speist sie dann in die Beförderungskette der D ein. Hierfür werden ihr --gestaffelt nach dem Umfang der Einlieferungen-- Vergütungen gezahlt.

3

Hinsichtlich der von ihr betreuten Absender unterscheidet die Klägerin zwischen Großkunden und Kleinkunden. Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Geschäfte mit den Großkunden ist unstrittig. Mit den Kleinkunden schloss die Klägerin Dienstleistungsverträge ab, in denen sie sich verpflichtete, innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens deren Eingangspost zuzustellen und die Ausgangspost abzuholen. Die Klägerin holte danach die Post (Standardbriefe) bei den Kunden ab, sortierte sie und lieferte sie in die Briefzentren der D zur weiteren Beförderung durch D ein. Außerdem lieferte sie die für die Kunden bestimmte Eingangspost bei diesen ab. Hierfür war jeweils ein Pauschalfestpreis von ca. 30 bis 50 € pro Woche vereinbart worden, dessen umsatzsteuerrechtliche Behandlung unstrittig ist. Die Kunden waren zudem verpflichtet, der Klägerin die Sendungen versandfertig und frankiert zu übergeben.

4

Die D unterwarf alle bei ihr von der Klägerin eingelieferten Postsendungen der Umsatzbesteuerung und behandelte die auf Grund der Frankierung bereits bezahlten Porti als (Netto-)Entgelte, auf die sie 19 % Umsatzsteuer berechnete. Für die Rückvergütungen an die Klägerin erteilte sie dieser gegenüber Gutschriften mit Umsatzsteuerausweis. Die Klägerin gab die Rückvergütungen nicht an ihre Kleinkunden weiter und behandelte sie als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt.

5

Die Klägerin unterhielt auch Geschäftsbeziehungen zu der F-GmbH (F), über die ebenfalls Postsendungen eingeliefert wurden und die der Klägerin sog. "Konsolidierungsrabatte" einräumte.

6

Auf Grund einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Klägerin als Konsolidierer im eigenen Namen Postdienstleistungen von der D und der F bezogen habe, die sie an ihre Kunden weitergeleistet habe. Sie habe also den Kleinkunden gegenüber Postdienstleistungen erbracht, die als steuerpflichtige Umsätze der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen seien. Das FA behandelte das von den Kleinkunden gezahlte Porto (0,55 € für den Standardbrief) als Bruttoentgelt. Es erkannte sämtliche der Klägerin von der D und der F in Rechnung gestellten Umsatzsteuerbeträge, denen jeweils das Porto als Nettoentgelt zugrunde lag, als Vorsteuer an. Auf dieser Grundlage setzte es die Umsatzsteuervorauszahlung für Juli 2010 auf 9.469,02 €, für August 2010 auf ./. 10.278,07 € und für September 2010 auf 27.226,55 € fest.

7

Einspruch und Klage gegen die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) entschied, es könne dahingestellt bleiben, ob die Postdienstleistungen der D und der F unmittelbar an die Kleinkunden der Klägerin erbracht worden seien oder ob eine Leistungskette unter Einschaltung der Klägerin vorliege. Im ersten Fall habe die Klägerin zwar insoweit keine steuerpflichtigen Umsätze an die Kleinkunden ausgeführt, mangels steuerpflichtiger Ausgangsumsätze entfalle allerdings der Vorsteuerabzug. Im zweiten Fall habe das FA zurecht steuerpflichtige Postdienstleistungen der Klägerin an die Kleinkunden angenommen. In keinem der beiden Fälle ergäbe sich aber eine geringere als die festgesetzte Steuer.

8

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Sie macht geltend, sie erbringe gegenüber ihren Kleinkunden lediglich eine Kurierdienstleistung bis zur Annahmestation der D. Zudem führe sie als weitere steuerpflichtige Ausgangsumsätze Konsolidierungsleistungen gegenüber D und F aus. Wegen der von ihr ausgeführten steuerpflichtigen Konsolidierungsleistungen könne sie die von D und F in Rechnung gestellte Vorsteuer abziehen.

9

Die Klägerin beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuervorauszahlung für Juli 2010 auf ./. 25.394,08 €, für August 2010 auf ./. 29.374,02 € und für September 2010 auf ./. 7.474,46 € festzusetzen.

10

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Klägerin hat gegenüber ihren Kleinkunden insoweit geleistet, als sie deren Ausgangspost abholte und in das Briefzentrum der D gegen den Pauschalfestpreis einlieferte. Damit entfällt der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der D und der F. Die angegriffenen Steuerfestsetzungen enthalten daher keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin.

12

1. Die Klägerin hat an die Kleinkunden nur das Abholen der Ausgangspost und deren Einlieferung in das Briefzentrum gegen den Pauschalfestpreis als steuerpflichtige Leistung erbracht. Das Porto war daher kein Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung der Klägerin an die Kleinkunden, sondern für die Briefbeförderung der D.

13

a) Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Voraussetzung dafür ist ein Rechtsverhältnis zwischen Leistendem und Leistungsempfänger. Der Leistungsinhalt und die Person des Leistungsempfängers sind grundsätzlich nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu bestimmen (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union Newey vom 20. Juni 2013 C-653/11, EU:C:2013:409, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2013, 851, Rz 40, 43; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Dezember 2012  1 BvR 1747/11, juris, Rz 7; Vorlagebeschluss des Senats vom 22. Dezember 2011 V R 29/10, BFHE 236, 242, BStBl II 2012, 441, Rz 23 f.; Senatsurteil vom 10. September 2015 V R 41/14, BFHE 251, 439, BStBl II 2016, 308, Rz 18).

14

Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des FG war Gegenstand der Verträge zwischen der Klägerin und den Kleinkunden nur die Einlieferung der Ausgangspost bei D, nicht die weitere Beförderung ab dem Briefzentrum. Auch die Klägerin selbst gibt an, gegenüber den Kleinkunden nur eine Beförderungsleistung bis zum Briefzentrum erbracht zu haben. Die weitere Beförderung ab dem Briefzentrum war damit kein Bestandteil einer Leistung der Klägerin an die Kleinkunden.

15

b) Für ihre Leistung hat die Klägerin nur den Pauschalfestpreis als Entgelt erhalten. Entgelt ist nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer.

16

c) Diese Leistung war auch steuerpflichtig. Voraussetzung für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11 Buchst. b UStG wäre unter anderem, dass die Klägerin eine Verpflichtung nach § 4 Nr. 11 Buchst. b Satz 2 UStG eingegangen wäre. Dafür ist nichts ersichtlich.

17

2. Die Klägerin ist nicht zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der D berechtigt.

18

a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Unionsrechtliche Grundlage ist Art. 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (Mehrwertsteuersystemrichtlinie). Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige danach berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, von dem Betrag der von ihm geschuldeten Steuer die in diesem Mitgliedstaat geschuldete und entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden, abzuziehen.

19

b) Für die Steuer aus den Rechnungen der D an die Klägerin sind diese Voraussetzungen im Streitfall nicht erfüllt, da es schon an einer Leistung der D an die Klägerin fehlt.

20

aa) Nach dem vom FG in Bezug genommenen Vertrag zwischen D und der Klägerin sollte die Klägerin Sendungen verschiedener Absender bündeln, für diese Leistungen bestimmte Leistungen der Briefbeförderungskette selbst erbringen und diese Sendungen dann in die Beförderungskette der D einspeisen. Danach liegt nur eine Leistung der Klägerin an D vor.

21

bb) Bei dieser Sachlage ist entsprechend der wirtschaftlichen Realität (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 6. April 2016 V R 25/15, BFHE 254, 139, Rz 51, m.w.N.) eine Leistung der D an die Klägerin ausgeschlossen. Erbringt die Klägerin eine Leistung an D, folgt hieraus, dass D die von der Klägerin bezogene Leistung zur Erbringung eigener Leistungen gegenüber den Absendern verwendet. Dies entspricht auch den Leistungsbeziehungen zwischen der Klägerin und ihren Kleinkunden (siehe unter 1.).

22

c) Aus dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 13. Dezember 2006 IV A 5 - S 7100 - 177/06 (BStBl I 2007, 119) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Danach erbringt ein Postunternehmen eine Postbeförderungsleistung gegenüber dem Konsolidierer, wenn dieser --anders als im Streitfall (siehe unter II.1.)-- gegenüber dem Postunternehmen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung auftritt.

23

3. Hinsichtlich der unter Beteiligung der F beförderten Sendungen gilt im Ergebnis nichts anderes. Auf Grundlage der Feststellungen des FG geht der Senat davon aus, dass F in einer Leistungskette zwischen der Klägerin und D stand. Diese Zwischenschaltung der F lässt sowohl den Inhalt der Vereinbarungen zwischen der Klägerin und den Kleinkunden als auch die Vorsteuerabzugsberechtigung hinsichtlich des Briefportos unberührt.

24

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts A eingetragene inländische Zweigniederlassung der X Versicherungs-Gesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Z. Sie ist Organträgerin einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft, zu der im Streitjahr 1994 mehrere Versicherungsgesellschaften gehörten.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stimmte der für den Organkreis eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung für 1994 zunächst zu. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung erging am 8. Mai 2003 ein Änderungsbescheid, mit dem --neben der Änderung weiterer, im Revisionsverfahren nicht streitiger Besteuerungsgrundlagen-- die Bemessungsgrundlage für die steuerpflichtigen Umsätze der Klägerin um die von ihr erlösten sog. Führungsprovisionen aus Mitversicherungsgeschäften in Höhe von ... DM erhöht und bei diesen Geschäften angefallene Vorsteuerbeträge in Höhe von ... DM berücksichtigt wurden.

3

Bei der "offenen Mitversicherung", derer sich die Klägerin u.a. bedient, wird das Versicherungsrisiko aus einzelnen Verträgen mit einem oder mehreren Versicherungsunternehmen geteilt. Soll ein Risiko im Wege der offenen Mitversicherung versichert werden, bietet ein Versicherungsunternehmen einem Mitbewerber eine Beteiligung an. Ist der andere Versicherer bereit, das Risiko mitzutragen, entsteht die offene Mitversicherung technisch durch Aufnahme einer Beteiligungsklausel in den Versicherungsvertrag, wonach eine Mehrzahl von Versicherungsunternehmen anteilig nach einer bestimmten Quote Versicherungsschutz bietet. Die Versicherungsgesellschaft, die den Kundenkontakt hergestellt hat, übernimmt regelmäßig die Führung innerhalb des Mitversicherungsgeschäftes. Dieses sog. Führungsgeschäft beinhaltet die Durchführung der bei Begründung und Abwicklung der Verträge anfallenden Verwaltungsaufgaben wie Besichtigungen, Berechnungen, Ausstellung des Versicherungsscheins, Einziehung der Prämien, Regulierung der Schäden und Ähnliches. Die Prämie wird von dem Versicherungsnehmer entweder anteilig an die einzelnen Versicherer gezahlt oder aber --regelmäßig im Interesse der Einfachheit-- als Ganzes an die führende Gesellschaft. Von der Gesamtprämie erhält die führende Gesellschaft für den Abschluss und die Bearbeitung des Geschäftes einen bevorzugten Anteil in Höhe von 1 bis 3 % der Gesamtprämie. Der Mehranteil an Prämie, den das führende Versicherungsunternehmen erhält, wird allgemein als Führungsprovision bezeichnet. Sie wird in Form eines Anteils an der Gesamtprovision berechnet. Eine gesonderte Vergütung anteiliger Verwaltungskosten findet nicht statt.

4

Die Klägerin behandelte die von ihr vereinnahmten Führungsprovisionen als Entgelt für nach § 4 Nr. 10 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) umsatzsteuerfreie Leistungen aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des Versicherungsteuergesetzes (VersStG). Das FA hingegen sieht die Führungsprovision als eine Tätigkeitsvergütung für die mit der "Führung" zusammenhängende Mehrarbeit der Klägerin, d.h. eine gegenüber den Mitversicherern erbrachte selbständige sonstige Leistung an, für die eine Steuerbefreiung nicht greife. Wie der Einspruch der Klägerin in der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2004 blieb auch die Klage ohne Erfolg.

5

Das Finanzgericht (FG) entschied, das FA habe die der Klägerin mit den sog. Führungsprovisionen vergüteten sonstigen Leistungen zu Recht der Umsatzsteuer unterworfen. Die im Rahmen der offenen Mitversicherung von der Klägerin infolge der Führungsklausel erbrachten sonstigen Leistungen seien nicht i.S. des § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG aufgrund eines Versicherungsverhältnisses, sondern aufgrund eines Vertrags über eine gesondert zu beurteilende Geschäftsbesorgung i.S. des § 675 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) mit den an dem Versicherungsverhältnis beteiligten Mitversicherern erbracht worden. Während noch der Reichsfinanzhof (RFH) in seinem Urteil vom 21. Dezember 1931 V A 389/30 (RFHE 30, 62, RStBl 1932, 380) die offene Mitversicherung als ein einheitliches Versicherungsverhältnis angesehen habe, das den Rechtsgrund für die Leistungen der Mitversicherer untereinander bilde und für eine selbständige Vereinbarung über die Art der Beteiligung und die Abgabe einer Sondervergütung an die führende Gesellschaft keinen Raum lasse, habe sich die zivilrechtliche Beurteilung der im Rahmen einer offenen Mitversicherung zwischen den Beteiligten entstehenden rechtlichen Beziehungen mittlerweile gewandelt. Die Existenz separater Führungsverträge sei inzwischen anerkannt; sofern eine "Führungsprovision" vereinbart sei, werde dies als Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter gemäß § 675 Abs. 1 i.V.m. § 611 BGB qualifiziert. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) habe sich, wenn auch nicht in eindeutiger Abkehr von der RFH-Rechtsprechung, mit Urteil vom 12. November 1964 V 173/62 U (BFHE 81, 361, BStBl III 1965, 129) dieser Betrachtungsweise angeschlossen.

6

Die aufgrund der Führungsklausel erbrachten Leistungen der Klägerin an die Mitversicherer könnten auch nicht als unselbständige Nebenleistungen zu den steuerbefreiten Versicherungsleistungen der Mitversicherer an den Versicherungsnehmer angesehen werden. In diese Leistungsbeziehung sei die Klägerin nicht eingebunden; Nebenleistungen Dritter gebe es nicht.

7

Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG komme nicht in Betracht, da die Klägerin anderen Personen nur insoweit Versicherungsschutz verschafft habe, als sie selbst (Teil-)Versicherungsschutz schulde. Die nach der Führungsvereinbarung geschuldeten Leistungen beträfen dieses Versicherungsverhältnis aber nicht, sondern vielmehr die Abwicklung des Versicherungsschutzes, den die Mitversicherer ihrerseits aufgrund selbständiger Verträge den Versicherungsnehmern verschafft hätten.

8

Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg auf Art. 13 Teil B Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) --nunmehr Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL)-- berufen. Die in § 4 Nr. 11 UStG umgesetzte Richtlinienbestimmung sei für die Leistungen der Klägerin nicht einschlägig, da sie nicht zum Kreis der Versicherungsmakler und –vertreter gehöre.

9

Schließlich sei auch die gerügte Doppelbesteuerung mit Umsatz- und Versicherungsteuer nicht gegeben, da in der Leistungsbeziehung zwischen der Klägerin und den Mitversicherern Versicherungsteuer nicht anfalle.

10

Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1101 veröffentlicht.

11

Mit ihrer Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, das FG leite aus der "versicherungsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung" abstrakt-generell ihre Verpflichtung gegenüber den Mitversicherern ab, ohne allerdings entsprechende Feststellungen getroffen zu haben. Neben der von einem jeden Mitversicherer geschuldeten anteiligen Risikotragung werde eine Verwaltungsdienstleistungsverpflichtung eines jeden Mitversicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer unterstellt, deren Erfüllung sie als führender Versicherer vermeintlich übernommen habe. Tatsächlich werde die Führungsabrede jedoch im Verhältnis des "Führenden" zum Versicherungsnehmer getroffen. Insoweit hätte es einer Auseinandersetzung mit dem Handelsbrauch bedurft, das FG sei jedoch seiner Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) nicht nachgekommen, weshalb das Verfahren zur konkreten Sachverhaltsaufklärung an die Vorinstanz zurückzuverweisen sei.

12

Zwar würden im Falle einer offenen Mitversicherung aus neuerer deutscher zivilrechtlicher Sicht mehrere unmittelbare Vertragsverhältnisse der Mitversicherer mit dem einen Versicherungsnehmer begründet. Jedoch sei es produkttypisch allein der führende Versicherer, der im Verhältnis zum Versicherungsnehmer sämtliche Verwaltungs- und Abwicklungsaufgaben schulde und erledige, die von den übrigen Mitversicherern gerade nicht geschuldet würden.

13

Allerdings sei auch auf der Basis des von dem FG unterstellten Sachverhalts die Klage begründet. Danach habe sie als "Führende" aufgrund der konkludent getroffenen Absprachen im eigenen Namen für Rechnung der Mitversicherer gehandelt. Damit seien die Voraussetzungen der Leistungskommission erfüllt. Dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 17. Januar 2013 C-224/11 --BGZ Leasing-- (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 262, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2013, 270) sei zu entnehmen, dass es nicht auf das zivilrechtliche Konzept der Vertragsbeziehungen ankomme, sondern darauf, ob ein Versicherungsumsatz im Sinne des Umsatzsteuerrechts vorliege.

14

Zumindest habe eine Vorlage an den EuGH unter dem Aspekt der Leistungskommission und dem Stichwort der Mitversicherung zu erfolgen, um Divergenzen mit anderen nationalen Gerichtsentscheidungen zu vermeiden und um das weltweit für die Versicherungswirtschaft wichtige Vertragskonzept der offenen Mitversicherung in der umsatzsteuerrechtlichen Dimension auf eine in der Europäischen Union einheitliche tragfähige Basis zu stellen.

15

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH seien die Steuerbefreiungen des Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen und bei denen der Gesamtzusammenhang des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu beachten ist (z.B. EuGH-Urteile vom 8. März 2001 C-240/99 --Skandia--, Slg. 2001, I-1951, BFH/NV Beilage 2001, 130, Rz 23; vom 3. März 2005 C-472/03 --Arthur Andersen--, Slg. 2005, I-1719, UR 2005, 201, Rz 25). Zwar erfasse die Befreiung gemäß Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG zunächst nur die Versicherungsumsätze im eigentlichen Sinne; das Wesen eines Versicherungsumsatzes sei, dass der Versicherer sich verpflichte, dem Versicherten gegen vorherige Zahlung einer Prämie beim Eintritt des Versicherungsfalls die bei Vertragsschluss vereinbarte Leistung zu erbringen (EuGH-Urteil --Arthur Andersen-- in Slg. 2005, I-1719, UR 2005, 201, Rz 34). Neben der das Wesen eines Versicherungsverhältnisses kennzeichnenden wechselseitigen Pflicht zur Zahlung der Prämie einerseits und zur Übernahme des Risikos samt Leistungspflicht bei Eintritt des Versicherungsfalls andererseits bildeten jedoch die Dokumentation, die Verwaltung, das Beitragsinkasso und die Abwicklung des Versicherungsverhältnisses einen integralen Bestandteil der vom Versicherer dem Versicherungsnehmer insgesamt geschuldeten Gesamtleistung von "Versicherungsschutz", für die der Versicherungsnehmer als Gegenleistung das Versicherungsentgelt erbringe. Dieser Prämienumsatz unterliege --wie im Streitfall die an die Klägerin gezahlten Versicherungsentgelte ("Gesamtprämien")-- der Versicherungsteuer und sei deswegen, um dessen Doppelbelastung mit Umsatzsteuer zu vermeiden, ausdrücklich von der Umsatzsteuer befreit; eine gesonderte Vergütung anteiliger Verwaltungskosten finde nach den Feststellungen des FG nicht statt.

16

Jedenfalls sei die umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage zu korrigieren. Hierbei sei zum Ersten der Anteil der dem Führenden wegen der Vertragsvermittlung zustehenden Prämie zu bewerten, zum Zweiten die Mehrarbeit und das dafür aufgewandte Entgelt zu ermitteln, zum Dritten in jedem Fall der Teil der angeblich umsatzsteuerrelevanten Vorabprämie ("Führungsprovision") im Verhältnis Mitversicherer zu Führendem um den eigenen (quotalen) Verwaltungsanteil des Führenden gegenüber dem Versicherungsnehmer zu reduzieren.

17

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Bescheids vom 8. Mai 2003 sowie der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2004 die Umsatzsteuer für 1994 auf ... DM (./. ... €) festzusetzen,
hilfsweise die Sache dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens vorzulegen,
äußerst hilfsweise die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

18

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

Entscheidungsgründe

19

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die von der Klägerin in Erledigung der sog. Führungsaufgaben ausgeführten Umsätze steuerbar und steuerpflichtig sind.

20

1. Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und unterliegen gemäß Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG dem Anwendungsbereich der Steuer, wenn zwischen der Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27. November 2008 V R 8/07, BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397, unter II.1.; vom 30. Juni 2010 XI R 22/08, BFHE 231, 248, BStBl II 2010, 1084, Rz 11 f.; vom 14. März 2012 XI R 8/10, BFH/NV 2012, 1667, Rz 52).

21

a) Eine Leistung gegen Entgelt liegt regelmäßig auch dann vor, wenn der Leistende im Auftrag des Leistungsempfängers für diesen eine Aufgabe übernimmt und insoweit gegen Aufwendungsersatz tätig wird (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 11. April 2002 V R 65/00, BFHE 198, 233, BStBl II 2002, 782, unter II.1.; vom 18. März 2004 V R 101/01, BFHE 205, 342, BStBl II 2004, 798; in BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397). Dasselbe gilt auch dann, wenn ein Unternehmer für einen anderen als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig wird und von ihm nach § 683 BGB den Ersatz seiner Aufwendungen verlangen kann (BFH-Urteil vom 16. Januar 2003 V R 92/01, BFHE 201, 339, BStBl II 2003, 732).

22

b) Wer bei einem Umsatz als Leistender bzw. als Leistungsempfänger anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 12. August 2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259, und vom 10. November 2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867, jeweils m.w.N.). Dasselbe gilt auch bei der Bestimmung des Leistungsempfängers (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876; vom 14. Dezember 2011 XI R 32/09, BFH/NV 2012, 1004).

23

2. Im Streitfall geht es um die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung sog. Führungsleistungen bei einer "offenen Mitversicherung".

24

a) Unter "Mitversicherung" wird die Versicherung ein und desselben Interesses gegen dieselbe Gefahr durch mehrere Versicherer verstanden (Schnepp in Bruck/Möller, Versicherungsvertragsgesetz --VVG--, 9. Aufl., § 77 Rz 18 ff.; Halbach in Langheid/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG, 1. Aufl., § 77 Rz 7; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., Vorbemerkung zu § 77 Rz 1; Langheid in Römer/Langheid, VVG, 3. Aufl., § 77 Rz 2).

25

aa) Bei der sog. verdeckten (internen, stillen) Mitversicherung schließt der Versicherungsnehmer --anders als im Streitfall-- nur mit einem Versicherer einen Versicherungsvertrag. Der Versicherer wiederum schließt weitere Verträge mit anderen Versicherern, wobei Prämien und Risiko aufgeteilt werden. Rechtlich liegt eine Rückversicherung vor, wobei im Gegensatz zur einfachen Rückversicherung bei der verdeckten Mitversicherung eine mehrfache Rückversicherung besteht (Hofmann, Privatversicherungsrecht, 3. Aufl., § 5 Rz 24 f.; Halbach in Langheid/Wandt, a.a.O., § 77 Rz 7; Armbrüster in Prölss/ Martin, a.a.O., Vorbemerkung zu § 77 Rz 1; Langheid in Römer/ Langheid, a.a.O., § 77 Rz 6).

26

bb) Bei der sog. offenen Mitversicherung tritt gegenüber dem Versicherungsnehmer eine Mehrzahl von Versicherern auf, um sich an der Deckung desselben Risikos zu beteiligen. Nach ganz herrschender Meinung handelt es sich hierbei nicht um einen einheitlichen Versicherungsvertrag, sondern um eine Mehrzahl rechtlich selbständiger Verträge zwischen dem Versicherungsnehmer und dem jeweiligen Mitversicherer (vgl. z.B. Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts --OLG-- Hamburg vom 19. Februar 2008  6 U 119/07, Versicherungsrecht 2008, 1249, Rz 24; Urteil des OLG Celle vom 19. November 2009  8 U 238/08, Recht und Schaden 2010, 424, Rz 621; Franz, Betriebs-Berater 2011, 2141; Hofmann, a.a.O., § 5 Rz 21; Halbach in Langheid/ Wandt, a.a.O., § 77 Rz 7; Armbrüster in Prölss/Martin, a.a.O., Vorbemerkung zu § 77 Rz 4; Langheid in Römer/Langheid, a.a.O., § 77 Rz 7; Schaloske, Das Recht der so genannten offenen Mitversicherung, Diss., Berlin 2006, S. 69; nunmehr auch entgegen der Vorauflage Schnepp in Bruck/Möller, a.a.O., § 77 Rz 22). Danach ist jeder Mitversicherer Träger einer eigenen Versicherung mit eigener Einzelversicherungssumme, eigener Leistungsverpflichtung, eigenem Prämienanspruch und eigenen Versicherungsbedingungen (Schaloske, a.a.O., S. 83).

27

b) Zur Vereinfachung der Vertragsdurchführung bestimmen die an der Mitversicherung beteiligten Versicherer meist einen führenden Versicherer (vgl. z.B. Halbach in Langheid/Wandt, a.a.O., § 77 Rz 12). Führungsverträge werden jedoch in aller Regel nicht ausdrücklich geschlossen. In Betracht kommen daher stillschweigende Vereinbarungen und die Geltung von Handelsbräuchen (Schaloske, a.a.O., S. 233).

28

Während der Zusammenschluss der Mitversicherer zu einer offenen Mitversicherung nach überwiegender Ansicht als Innengesellschaft bürgerlichen Rechts qualifiziert wird (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, a.a.O., Vorbemerkung zu § 77 Rz 7; Schaloske, a.a.O., S. 230), ist die Führungsvereinbarung als ein von dem gesellschaftsrechtlichen Zusammenschluss zu trennendes Rechtsverhältnis zwischen dem Führenden und den beteiligten Mitversicherern anzusehen. Denn der Führende vertritt im Außenverhältnis zum Versicherungsnehmer, da --wie oben dargelegt-- Vertragspartner des Versicherungsnehmers jeweils der einzelne Mitversicherer ist, nicht die (Innen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sondern vielmehr den einzelnen Mitversicherer hinsichtlich des von diesem übernommenen Anteils am Gesamtrisiko; die Führungsvereinbarung bildet das Grundverhältnis der dem Führenden von den Mitversicherern insoweit erteilten Vollmachten (Schaloske, a.a.O., S. 231).

29

c) Wird für die Wahrnehmung der Interessen der Mitversicherer eine Führungsprovision vereinbart, liegt ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB), sonst ein Auftrag (§ 662 BGB) vor (vgl. Hofmann, a.a.O., § 5 Rz 22; Halbach in Langheid/Wandt, a.a.O., § 77 Rz 12 f.; Armbrüster in Prölss/ Martin, a.a.O., Vorbemerkung zu § 77 Rz 9, 16; Schaloske, a.a.O., S. 233 ff.).

30

3. Nach den Feststellungen des FG gewährte eine Mehrzahl von Versicherern --darunter die Klägerin-- dem jeweiligen Versicherungsnehmer durch Aufnahme einer entsprechenden Beteiligungsklausel in den Versicherungsvertrag anteilig nach einer bestimmten Quote Versicherungsschutz. Die Klägerin übernahm die streitbefangenen sog. Führungsgeschäfte und erledigte hierbei die bei Begründung und Abwicklung der Mitversicherungsverträge anfallenden Verwaltungsaufgaben wie Besichtigungen, Berechnungen, Ausstellung des Versicherungsscheins, Einziehung der Prämien, Regulierung der Schäden und Ähnliches, wofür sie die sog. Führungsprovision bzw. laut Klägerin eine "Vorabprämie", d.h. einen bevorzugten Anteil von 1 bis 3 % aus dem Versicherungsentgelt erhielt.

31

Das FG hat ferner festgestellt, dass die Klägerin die Führungsgeschäfte "in Folge der Führungsklausel erbracht" hat. Dabei handelt es sich dem Inhalt nach um eine Tatsachenfeststellung, auch wenn diese Passage sich in den Entscheidungsgründen findet (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juni 2001 X R 48/96, BFH/NV 2002, 153; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 37, 39; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Rz 64, 81; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 118 FGO Rz 135, 140, 215).

32

Danach war die Übernahme der Führungsgeschäfte durch die Klägerin es den Mitversicherern wert, sich mit einer um die Führungsprovision geminderten Prämie zu begnügen und nicht einen Anteil an der Gesamtprämie zu beanspruchen, der dem übernommenen Anteil am Gesamtrisiko entsprochen hätte.

33

4. Auf der Grundlage dieser Feststellungen --bei denen es sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht um "Unterstellungen" handelt-- und vor dem unter II.2. dargelegten Hintergrund ist die Entscheidung des FG, dass die Klägerin in Erledigung des sog. Führungsgeschäfts gegenüber den Mitversicherern im Rahmen ihres Unternehmens jeweils eine steuerpflichtige sonstige Leistung gegen Entgelt ausgeführt hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG), revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere liegt der von der Klägerin geltend gemachte Verstoß des FG gegen die ihm obliegende Sachaufklärungspflicht (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht vor.

34

a) Die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen, d.h. die Ermittlung dessen, was die Vertragsparteien erklärt und was sie gewollt haben, gehört grundsätzlich zu den "tatsächlichen Feststellungen" i.S. des § 118 Abs. 2 FGO, deren Vornahme dem FG obliegt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Februar 1997 IV R 15/96, BFHE 183, 39, BStBl II 1997, 535; vom 14. Januar 2004 X R 37/02, BFHE 205, 96, BStBl II 2004, 493; Lange in HHSp, § 118 FGO Rz 195 f.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz 24). Verstößt die Sachverhaltswürdigung des FG nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, ist sie für den BFH selbst dann bindend, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902; vom 20. November 2012 VIII R 57/10, BFHE 239, 422).

35

Dagegen ist die rechtliche Einordnung des (nach Maßgabe des FG) von den Vertragspartnern Gewollten am Maßstab der jeweils einschlägigen Normen für das Revisionsgericht nicht nach § 118 Abs. 2 FGO bindend, sondern in vollem Umfang nachprüfbare Rechtsanwendung (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 2. April 1998 III R 67/97, BFHE 186, 79, BStBl II 1998, 613; vom 19. Februar 2004 V R 10/03, BFHE 205, 495, BStBl II 2004, 675; Lange in HHSp, § 118 FGO Rz 197; Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz 24).

36

b) Nach diesen Maßstäben ist die Würdigung des FG, dass die Klägerin mit der Erledigung der sog. Führungsaufgaben für die Mitversicherer eine Geschäftsbesorgung übernommen und hierfür als Entgelt eine Führungsprovision erhalten hat, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

37

Wenn die Klägerin hingegen meint, sie schulde die Erledigung von Verwaltungsaufgaben nicht aufgrund einer entsprechenden Führungsklausel den Mitversicherern, sondern aufgrund des Mitversicherungsvertrags originär dem Versicherungsnehmer, setzt sie lediglich ihre Würdigung an die Stelle der vertretbaren Würdigung des FG.

38

aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin beruht die Würdigung des FG auf einer tragfähigen Grundlage. Ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) liegt nicht vor; das Verfahren ist nicht "zur konkreten Sachverhaltsaufklärung" an das FG zurückzuverweisen.

39

Nach dem Vorbringen der Klägerin ist im Streitfall weder im Verhältnis des Führenden zum Versicherungsnehmer noch im Verhältnis zu Mitversicherern ein schriftlicher Vertrag mit einer ausdrücklichen "Führungsklausel" geschlossen worden. Davon ist auch das FG ausgegangen. Eine Zurückverweisung mit dem Ziel der Feststellung des Inhalts vertraglich vereinbarter Führungsklauseln scheidet danach aus.

40

Auch soweit die Klägerin geltend macht, wegen des Fehlens schriftlicher vertraglicher Vereinbarungen obliege es dem FG, sich mit dem Handelsbrauch, also dem üblichen Inhalt von Führungsklauseln, auseinanderzusetzen --was bisher unterblieben sei--, rechtfertigt dies keine Zurückverweisung der Sache. Denn die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, im Streitjahr 1994 habe es einen (eindeutigen) Handelsbrauch gegeben, der den Feststellungen und der tatsächlichen Würdigung des FG widerspreche.

41

bb) Die rechtliche Würdigung des FG, die Klägerin sei gegenüber den Mitversicherern im Rahmen einer Geschäftsbesorgung mit Dienstleistungscharakter (§ 675 Abs. 1 i.V.m. § 611 BGB) tätig geworden und habe hierbei sonstige Leistungen gegen Entgelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG) erbracht, ist frei von Rechtsfehlern. Sie entspricht der unter II.2. dargelegten zivilrechtlichen Rechtslage.

42

cc) Aus dem von der Klägerin in Bezug genommenen EuGH-Urteil vom 29. April 2004 C-77/01 --EDM-- (Slg. 2004, I-4295, UR 2004, 292, HFR 2004, 812, Rz 91) ergibt sich nichts anderes. Denn die Klägerin ist über die Verwaltung des bloß von ihr übernommenen Risikos hinaus tätig geworden. Gerade hierfür erhielt die Klägerin die streitbefangene Führungsprovision oder Vorabprämie.

43

dd) Soweit dem RFH-Urteil in RFHE 30, 62, RStBl 1932, 380 auch nach Ergehen des BFH-Urteils in BFHE 81, 361, BStBl III 1965, 129 überhaupt noch Bedeutung zukommen sollte, steht die Sichtweise des RFH, die Führungsprovision stelle "nur einen Ausgleich für die Mehrbelastung, die der führenden Gesellschaft bei dem Versicherungsgeschäft zufällt," dar, nicht der Annahme entgegen, dass die Klägerin in Erledigung der Führungsgeschäfte gegenüber den Mitversicherern jeweils eine sonstige Leistung erbracht hat.

44

ee) Diese rechtliche Einordnung der Führungsleistungen bzw. der Führungsklausel kann bereits deshalb nicht gegen einen --so die Klägerin-- "gemeinschaftsrechtlich einheitlich verstandenen Begriff der Mitversicherung in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 78/473/EWG" verstoßen, da diese Richtlinie in Art. 2 Abs. 2 gerade vorsieht, dass (andere) "Mitversicherungsgeschäfte, welche die Voraussetzungen von Absatz 1 nicht erfüllen..., weiterhin dem bei Inkrafttreten der Richtlinie geltenden einzelstaatlichen Recht" unterliegen. Des von der Klägerin insoweit beantragten Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH bedarf es danach nicht (vgl. zu den Voraussetzungen einer Vorlage: EuGH-Urteile vom 6. Oktober 1982  283/81 --C.I.L.F.I.T. u.a.--, Slg. 1982, 3415, Neue Juristische Wochenschrift 1983, 1257, Rz 21; vom 6. Dezember 2005 C-461/03 --Gaston Schul--, Slg. 2005, I-10513, HFR 2006, 416, Rz 16; vom 15. September 2005 C-495/03 --Intermodal Transports--, Slg. 2005, I-8151, HFR 2005, 1236, Rz 33).

45

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sie auf der Basis des vom FG festgestellten Sachverhalts nicht aufgrund einer konkludent getroffenen Absprache im eigenen Namen und für Rechnung der Mitversicherer gehandelt. Auf den Streitfall finden die Rechtsgrundsätze der Leistungskommission (vgl. § 3 Abs. 11 UStG n.F., Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG) keine Anwendung.

46

Die Leistungskommission setzt voraus, dass der Unternehmer im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung handelt. Vorliegend jedoch ist die Klägerin hinsichtlich der Verwaltung des mitversicherten Risikos nach außen hin stets im Namen Dritter, d.h. im Namen des jeweiligen Mitversicherers, aufgetreten. Selbst wenn aber die Annahme der Klägerin zuträfe, sie habe als "Führende" die Verwaltung der Mitversicherungen dem Versicherungsnehmer originär geschuldet, so hätte sie diesbezüglich gegenüber dem Versicherungsnehmer auf eigene Rechnung gehandelt.

47

Auch insoweit kommt die von der Klägerin angeregte EuGH-Vorlage nicht in Betracht.

48

5. Die streitbefangene Führungsleistung unterfällt keiner Steuerbefreiung.

49

a) Nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG sind die Leistungen aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des VersStG steuerfrei; das gilt auch, wenn die Zahlung des Versicherungsentgelts nicht der Versicherungsteuer unterliegt. Steuerfrei sind ferner nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG die Leistungen, die darin bestehen, dass anderen Personen Versicherungsschutz verschafft wird, sowie nach § 4 Nr. 11 UStG die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Diese Befreiungsvorschriften dienen der Umsetzung von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG --nunmehr Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL-- (z.B. Vorlagebeschluss des BFH vom 16. April 2008 XI R 54/06, BFHE 221, 464, BStBl II 2008, 772, unter C.; Handzik in Offerhaus/Söhn/Lange, § 4 Nr. 10 UStG Rz 8, anders § 4 Nr. 11 UStG Rz 3). Danach befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer "die Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden".

50

b) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG umschrieben sind, eng auszulegen, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (vgl. z.B. EuGH-Urteile --Skandia-- in Slg. 2001, I-1951, BFH/NV Beilage 2001, 130, Rz 32; vom 20. November 2003 C-8/01 --Taksatorringen--, Slg. 2003, I-13711, BFH/NV Beilage 2004, 122, Rz 36).

51

c) Diese Steuerbefreiungen sind autonome unionsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen und bei denen der Gesamtzusammenhang des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu beachten ist (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 25. Februar 1999 C-349/96 --CPP--, Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254, Rz 15; --Skandia-- in Slg. 2001, I-1951, BFH/NV Beilage 2001, 130, Rz 23).

52

d) Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG definiert den Begriff "Versicherungsumsätze" nicht. Gleichwohl bedarf es keiner --von der Klägerin insoweit hilfsweise beantragten-- Vorlage an den EuGH. Denn daran, dass die streitigen Leistungen keine "Versicherungsumsätze" i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG sind, hat der Senat keinen ein Vorabentscheidungsersuchen rechtfertigenden "vernünftigen Zweifel".

53

aa) Zum Begriff "Versicherungsumsätze" hat der EuGH bereits ausgeführt, dass es nach allgemeinem Verständnis das Wesen eines Versicherungsumsatzes ist, dass der Versicherer sich verpflichtet, dem Versicherten gegen vorherige Zahlung einer Prämie beim Eintritt des Versicherungsfalls die bei Vertragsschluss vereinbarte Leistung zu erbringen (EuGH-Urteile --CPP-- in Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254, Rz 17; --Taksatorringen-- in Slg. 2003, I-13711, BFH/NV Beilage 2004, 122, Rz 38 ff.).

54

Zwar hat der EuGH dargelegt, dass der Ausdruck "Versicherungsumsätze" nicht nur die von den Versicherern selbst getätigten Umsätze erfasst, sondern grundsätzlich weit genug ist, um die Gewährung von Versicherungsschutz durch einen Steuerpflichtigen zu umfassen, der nicht selbst der Versicherer ist, der aber im Rahmen einer Gruppenversicherung seinen Kunden einen solchen Schutz durch Inanspruchnahme der Leistungen eines Versicherers verschafft, der das versicherte Risiko zu decken übernimmt (EuGH-Urteile --CPP-- in Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254, Rz 22; --Skandia-- in Slg. 2001, I-1951, BFH/NV Beilage 2001, 130, Rz 38). Entsprechend der in der Rechtssache --Taksatorringen-- in Slg. 2003, I-13711, BFH/NV Beilage 2004, 122, Rz 39 angeführten Definition des Versicherungsumsatzes hat der EuGH indessen in der Rechtssache --Skandia-- festgestellt, dass die Identität des Dienstleistungsempfängers für die Bestimmung der von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG erfassten Art von Dienstleistungen von Bedeutung ist und dass ein Versicherungsumsatz seinem Wesen nach eine Vertragsbeziehung zwischen dem Erbringer der Versicherungsdienstleistung und der Person, deren Risiken von der Versicherung gedeckt werden, d.h. dem Versicherten, voraussetzt (EuGH-Urteile --Skandia-- in Slg. 2001, I-1951, BFH/NV Beilage 2001, 130, Rz 41; vom 22. Oktober 2009 C-242/08 --Swiss Re Germany Holding--, Slg. 2009, I-10099, BFH/NV 2009, 2108, UR 2009, 891, Rz 36).

55

bb) Danach handelt es sich bei den hier streitigen Leistungen der Klägerin gegenüber den Mitversicherern als Leistungsempfängern weder um Versicherungsumsätze i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG noch gemäß § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG um Leistungen aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des VersStG.

56

Die --so die Klägerin-- Gefahr eines Wertungswiderspruches in der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von offener Mitversicherung zu verdeckter Mitversicherung und Rückversicherung --sollten sie trotz der dargestellten Unterschiede (s.o. unter II.2.a) bestehen-- könnte eine andere Beurteilung im Streitfall nicht rechtfertigen.

57

cc) Auch hierzu besteht angesichts der bereits vorliegenden Rechtsprechung des EuGH kein Anlass für ein Vorabentscheidungsersuchen. Die Klägerin hat insoweit auch nicht belegt, dass in den übrigen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft die "Führungsprovision" in der Mitversicherung regelmäßig als Teil des gemeinschaftsweit von der Umsatzsteuer befreiten "Versicherungsumsatzes" angesehen wird.

58

Soweit die Klägerin diesbezüglich auf die Entscheidungen des Conseil d'État vom 18. Juni 1997 N° 133230 und des Finanzgerichts der Provinz Mailand vom 19. Oktober 2009 N° 3628/09 verweist, ist weder ersichtlich, dass diese Entscheidungen auf einer abweichenden Auslegung hier einschlägiger Vorschriften der Richtlinie 77/388/EWG beruhen, noch angesichts der in den Entscheidungen enthaltenen Tatbestände überhaupt gesichert, ob den angeblichen Divergenzentscheidungen im Wesentlichen entsprechende Sachverhalte zugrunde liegen.

59

Insoweit ebenso wenig aussagekräftig ist der Hinweis der Klägerin auf eine Kommentierung zum österreichischen UStG, wonach die Führungsprovision lediglich einen Vorzugsprämienanteil an der Gesamtprämie darstelle, "der u.E. nach § 6 Z. 9 lit. c UStG 1972 umsatzsteuerfrei behandelt werden kann". Dasselbe gilt für die von der Klägerin vorgelegten Papiere des Comité Européen des Assurances aus den Jahren 2006 und 2008.

60

dd) Die Führungsleistung ist ferner entgegen der Auffassung der Klägerin nicht als Nebenleistung zu der nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG umsatzsteuerfreien Hauptleistung der Klägerin, die darin besteht, dem Versicherungsnehmer im Wege der Mitversicherung anteilig selbst Versicherungsschutz zu gewähren, zu behandeln.

61

Nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich der BFH angeschlossen hat, liegt eine einheitliche Leistung vor, wenn ein oder mehrere Teile als die Hauptleistung, andere Teile aber als Nebenleistungen anzusehen sind, die das steuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 10. März 2011 C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09 --Bog u.a.--, Slg. 2011, I-1457, UR 2011, 272, Rz 54; --CPP-- in Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254, Rz 30; BFH-Urteile vom 17. April 2008 V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712, unter II.2.b; vom 19. Oktober 2011 XI R 20/09, BFHE 235, 538, BStBl II 2012, 374, Rz 27, jeweils m.w.N.).

62

Die streitige Führungsleistung bezieht sich aber gerade nicht auf die von der Klägerin gegenüber dem Versicherungsnehmer erbrachte Hauptleistung, dem Gewähren von (anteiligem) Versicherungsschutz durch sie selbst, sondern ausschließlich auf das von den Mitversicherern übernommene Risiko, indem die Klägerin die Mitversicherer von entsprechenden Verwaltungsaufgaben entbindet. Vor diesem Hintergrund stehen die Gewährung von Versicherungsschutz durch die Klägerin einerseits sowie deren Wahrnehmen von Verwaltungsaufgaben bezüglich der Gewährung von Versicherungsschutz durch Dritte andererseits nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung in Bezug auf denselben Leistungsempfänger. Mehrere Leistungen können aber unter dem Gesichtspunkt von Haupt- und Nebenleistung nach der dargelegten Rechtsprechung nur dann zu einer einheitlichen Leistung "verschmolzen" werden, wenn die Leistungen gegenüber ein und demselben Leistungsempfänger erbracht werden; Nebenleistungen Dritter oder an Dritte gibt es nicht (vgl. z.B. Lange, UR 2009, 289 ff.; Klenk in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 10 Rz 66). Auch insoweit bedarf es keiner Vorlage der Sache an den EuGH.

63

ee) Die streitbefangenen Führungsleistungen der Klägerin sind auch dann nicht steuerfrei, wenn sie in nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG steuerbefreite Umsätze der Leistungsempfänger, hier der Mitversicherer, eingeflossen sind. Denn maßgeblich ist, ob die streitigen Führungsleistungen selbst als Versicherungsumsätze betrachtet werden können (zu § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG vgl. Senatsurteil in BFHE 235, 538, BStBl II 2012, 374, unter II.3., m.w.N.); dies ist nach vorstehenden Ausführungen zu verneinen.

64

e) Die Klägerin ist in Erledigung der streitbefangenen Führungsaufgaben auch nicht als Versicherungsmakler oder Versicherungsvertreter i.S. des § 4 Nr. 11 UStG und des Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG tätig geworden. Insbesondere handelt es sich dabei nicht um "dazugehörige Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden" i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG.

65

aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH erfasst dieser Begriff allein die "Dienstleistungen der Berufsausübenden ..., die zugleich mit dem Versicherer und dem Versicherten in Verbindung stehen, wobei klargestellt wird, dass der Makler lediglich ein Vermittler ist" (EuGH-Urteil --Taksatorringen-- in Slg. 2003, I-13711, BFH/NV Beilage 2004, 122, Rz 44). Der Beruf des Maklers wird dadurch charakterisiert, dass dieser eine Verbindung zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer herstellt (EuGH-Urteil --Taksatorringen-- in Slg. 2003, I-13711, BFH/NV Beilage 2004, 122, Rz 45).

66

bb) Die streitigen Führungsleistungen sind nicht in diesem Sinne "Dienstleistungen der Berufsausübenden ..., die zugleich mit dem Versicherer und dem Versicherten in Verbindung stehen". Die Klägerin ist in Erledigung der Führungsaufgaben als Versicherer und nicht als Versicherungsmakler oder -vertreter tätig geworden. Es ist undenkbar, dass Führungsaufgaben der streitigen Art von Versicherungsmaklern oder -vertretern wahrgenommen werden.

67

Deshalb ist auch unerheblich, dass --wie die Klägerin vorträgt-- Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie des Rates vom 13. Dezember 1976 über Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die Tätigkeiten des Versicherungsagenten und des Versicherungsmaklers (Richtlinie 77/92/EWG) für den Versicherungsvertreter ausdrücklich keine Mitarbeit bei dem Zustandekommen des Versicherungsvertrags voraussetze, es für den EuGH für dessen Entscheidung --Taksatorringen-- in Slg. 2003, I-13711, BFH/NV Beilage 2004, 122 ausschlaggebend gewesen sei, dass der Taksatorring keine Befugnis hatte, den Versicherer rechtlich zu binden, und dies sich im Streitfall gerade anders verhalte.

68

Ebenso folgt der Senat deshalb nicht der Auffassung der Klägerin, die zentrale Tätigkeit des Führenden sei "diejenige, andere, zur Risikoübernahme quotal bereitstehende Versicherer als Mitversicherer zu gewinnen", so dass es zwingend sei, sämtliche Tätigkeiten, die damit in Verbindung stünden --wie hier die zum typischen Tätigkeitsbereich von Versicherungsmaklern oder -vertretern gehörenden Vertragsabwicklungen-- als Nebenleistungen respektive "dazugehörige Dienstleistungen" anzusehen.

69

Soweit die Klägerin auf die Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlungen (Richtlinie 2002/92/EG; Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2003, L 9/3) Bezug nimmt, die die Richtlinie 77/92/EWG ersetzt hat, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Nr. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2002/92/EG der Ausdruck "Versicherungsvermittlung" zwar "das Anbieten, Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall" bezeichnet, jedoch nach Art. 2 Nr. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2002/92/EG "diese Tätigkeiten... nicht als Versicherungsvermittlung [gelten], wenn sie von einem Versicherungsunternehmen oder einem Angestellten eines Versicherungsunternehmens, der unter der Verantwortung des Versicherungsunternehmens tätig wird, ausgeübt werden."

70

cc) Daran, dass mithin die streitigen Leistungen nicht unter den Begriff der "dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden" i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG fallen, hat der Senat keine "vernünftigen Zweifel", so dass auch insoweit die von der Klägerin beantragte Vorlage der Sache an den EuGH ausscheidet.

71

Das gilt auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten --aber einen völlig anderen Sachverhalt betreffenden-- Entscheidung des französischen Conseil d'État vom 7. Januar 2000 N° 201021.

72

f) Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG sind --wovon im Übrigen auch die Klägerin ausgeht-- ebenfalls nicht erfüllt. Die Klägerin hat nicht anderen Personen Versicherungsschutz verschafft, da sie keinen Versicherungsvertrag zugunsten eines Dritten abgeschlossen hat (vgl. dazu BFH-Urteil vom 9. Oktober 2002 V R 67/01, BFHE 200, 126, BStBl II 2003, 378).

73

g) Die von der Klägerin gerügte Doppelbelastung mit Versicherungsteuer und Umsatzsteuer liegt nicht vor. Das Gewähren von Versicherungsschutz durch die Mitversicherer einerseits und die Durchführung der bei Begründung und Abwicklung dieser Verträge anfallenden Verwaltungsaufgaben durch die Klägerin andererseits sind keine deckungsgleichen Rechtsvorgänge, die sowohl der Versicherungsteuer als auch der Umsatzsteuer unterliegen.

74

6. Schließlich ist entgegen der Ansicht der Klägerin die im Streitfall angesetzte Bemessungsgrundlage nicht zu beanstanden.

75

a) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG) und nicht, wie die Klägerin offensichtlich meint, nach ihrer "Mehrarbeit"; Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG).

76

b) Die Gegenleistung besteht im Streitfall darin, dass sich der jeweilige Mitversicherer zugunsten der Klägerin mit einer um die Führungsprovision geminderten Prämie begnügte. Denn das FG hat festgestellt, dass die Klägerin als führende Gesellschaft "von der Gesamtprämie ... für den Abschluss und die Bearbeitung des Geschäftes einen bevorzugten Anteil in Höhe von ein bis drei Prozent der Gesamtprämie" erhalten hat. Dass in der streitbefangenen Führungsprovision --wie die Klägerin offenkundig meint-- Entgeltanteile für die Vermittlung des Abschlusses von Mitversicherungen sowie für die Verwaltung des von der Klägerin selbst übernommenen Risikos enthalten seien, widerspricht den --nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen-- Feststellungen des FG.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. März 2014  6 K 1396/10 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GbR. Gesellschafter der Klägerin sind die Eheleute X. Die Klägerin vermietete Grundbesitz an die Betreiber von drei "Seniorenresidenzen" in A, B und C; deren Betreiber sind Schwestergesellschaften der Klägerin in der Rechtsform einer OHG, an denen die Eheleute X ebenfalls je zur Hälfte beteiligt sind. Die Vermietung der Grundstücke erfolgte steuerfrei. Soweit die Klägerin auch Eigentümerin des Inventars war, vermietete sie dieses den Betreibern steuerpflichtig; aus den Anschaffungskosten für das Inventar wurde ihr der Vorsteuerabzug gewährt. Die Grundstücke und das Inventar waren bei der Klägerin als Gesamthandsvermögen bilanziert.

2

Ab dem 1. Januar 2006 wurden die drei Seniorenresidenzen von den Betreibergesellschaften unterverpachtet an die Z-GmbH (im Folgenden Z).

3

Daneben verpachtete die Klägerin Grundstücke an die Betreiber von weiteren Seniorenresidenzen; bei den Betreibern handelte es sich u.a. um die X GmbH & Co. KG sowie weitere Schwestergesellschaften.

4

Mit notariellem Vertrag vom 22. Dezember 2006 wurden sämtliche Seniorenresidenzen zum 1. Januar 2007 zu einem Kaufpreis von ... € an eine aus vier Aktiengesellschaften bestehende schwedische Investorengruppe veräußert. In dem Vertrag traten elf verschiedene Verkäufer auf. Herr X wurde als "Verkäufer 1" und seine Ehefrau als "Verkäuferin 2" --beide gemeinsam auch als "Eheleute X"-- bezeichnet. Sie handelten u.a. --in ihrer Eigenschaft als allein vertretungsberechtigte, persönlich haftende Gesellschafter-- für die Seniorenresidenz A OHG ("Verkäufer 9"), für die Seniorenresidenz B OHG ("Verkäufer 10") und für die Seniorenresidenz C OHG ("Verkäufer 11").

5

Der Verkäufer 1 und die Verkäuferin 2 veräußerten u.a. den Grundbesitz an die Gesellschaft I AB (Grundstückskäuferin) und als "die Verkäufer" das Inventar an die Gesellschaft J AB (Inventarkäuferin). Zugleich veräußerten der Verkäufer 1 und die Verkäuferin 2 die Beteiligungen an den Personengesellschaften an zwei weitere Gesellschaften, nämlich die K AB (Gesellschaftskäuferin 1) und die L AB (Gesellschaftskäuferin 2); die Erwerber traten gemäß Ziffern 1.5 und 6. des Vertrages vom 22. Dezember 2006 in die Pachtverträge mit der Z ein.

6

Die Klägerin nahm eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) an und reichte deshalb für das Jahr 2007 (Streitjahr) keine Umsatzsteuererklärung ein. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) führte bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Die Prüferin ging wegen des Erwerbs von Grundbesitz und Inventar durch verschiedene Gesellschaften von einer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbaren --und auch steuerpflichtigen-- Veräußerung des Inventars der Seniorenresidenzen in A, B und C durch die Klägerin aus.

7

Das FA erließ am 25. Juni 2009 entsprechend den Prüfungsfeststellungen gegenüber der Klägerin einen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2007, mit dem es die Umsatzsteuer auf ... € festsetzte. Der dagegen gerichtete Einspruch, mit dem die Klägerin vorgetragen hatte, die Veräußerungsvorgänge seien als Einheit anzusehen, da die Investorengruppe das Unternehmen habe unverändert fortführen wollen, wurde mit Einspruchsentscheidung vom 17. März 2010 als unbegründet zurückgewiesen.

8

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es war der Auffassung, dass die Umsätze aus dem notariellen Vertrag vom 22. Dezember 2006 hinsichtlich des (allein) streitbefangenen Inventars zu Recht der Klägerin zugerechnet worden seien, auch wenn diese insoweit nicht ausdrücklich als Verkäuferin bezeichnet worden sei. Die Veräußerung des Inventars sei nicht steuerbar. Denn "hinsichtlich der Veräußerung der Grundstücke, des Inventars und der Anteile" an den Betriebsgesellschaften sei eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S. von § 1 Abs. 1a UStG anzunehmen. Werde --wie im Streitfall-- ein Geschäftsbetrieb von einer Veräußerergruppe an eine Erwerbergruppe --ohne dass die Voraussetzungen der Organschaft erfüllt seien-- veräußert, so könne gleichwohl insgesamt eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegen. Insoweit folge der Senat den Ausführungen des FG Nürnberg in dessen Urteil vom 6. August 2013  2 K 1964/10 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2013, 1964).

9

Im Streitfall sei die Fortführung des Unternehmens "Verpachtung an die Z" in der bisherigen Form nur unter Einbeziehung aller --bewusst in einem Zug übertragenen-- "Komponenten" möglich gewesen. Unerheblich sei, dass auf der Erwerberseite mehrere Gesellschaften --und nicht nur ein einziger Erwerber-- die für die Fortführung des Unternehmens erforderlichen Gegenstände erworben hätten und dass auch auf der Veräußererseite im Streitfall mehrere Personen beteiligt seien, eine davon die Klägerin.

10

Das Urteil des FG ist in EFG 2014, 1036 veröffentlicht.

11

Zur Begründung der Revision beruft sich das FA auf die Verletzung materiellen Rechts.

12

Nach seiner Auffassung sind die Voraussetzungen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen schon deshalb nicht erfüllt, weil auf der Veräußererseite und auf der Erwerberseite jeweils mehrere Unternehmer vorhanden seien. In den insoweit eindeutigen unionsrechtlichen Vorgaben und in § 1 Abs. 1a UStG seien jeweils einzelne Personen auf Veräußerer- und Erwerberseite genannt. Die vom FG vorgenommene rein wirtschaftliche Betrachtungsweise stehe damit nicht im Einklang. Die vom FG letztendlich vollzogene Verkäufergruppenbildung sei im Übrigen nicht handhabbar. Erschwerend komme der komplexe Sachverhalt mit Auslandsbezug hinzu. Schließlich fehlten tatsächliche Feststellungen des FG zur entscheidungserheblichen Rechtsfrage, ob überhaupt eine Fortführung des Unternehmens durch die Erwerber stattgefunden habe. Während die Grundstücksübertragung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG und die Anteilsveräußerung nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG steuerfrei seien, sei die von der Klägerin durchgeführte Übertragung des Inventars mithin steuerbar und auch steuerpflichtig.

13

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

14

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

15

Sie hält die Entscheidung der Vorinstanz für zutreffend.

Entscheidungsgründe

16

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

17

Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass im Streitfall hinsichtlich der Veräußerung des Inventars unter Einbeziehung der Übertragungen des Grundbesitzes und der Gesellschaftsanteile die Voraussetzungen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG vorliegen.

18

1. Die Entscheidung des FG, dass die Klägerin hinsichtlich der (allein) streitbefangenen Übertragung des Inventars als Leistende anzusehen ist, begegnet im Ergebnis keinen revisionsrechtlichen Bedenken.

19

a) Wer Leistender ist, kann regelmäßig den zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen entnommen werden (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. April 2013 XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648, Rz 22; vgl. dazu auch Gerichtshof der Europäischen Union --EuGH--, Urteil vom 20. Juni 2013 C-653/11, Paul Newey, Mehrwertsteuerrecht --MwStR-- 2013, 373, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 628). Leistender ist grundsätzlich derjenige, der im eigenen Namen Lieferungen oder sonstige Leistungen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde im Außenverhältnis gegenüber Dritten im eigenen Namen oder im Namen des anderen aufgetreten ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28. November 1990 V R 31/85, BFHE 164, 134, BStBl II 1991, 381; vgl. auch Lippross, Umsatzsteuer, 23. Aufl., S. 83).

20

b) Die vom FG vorgenommene Auslegung des Vertrags vom 22. Dezember 2006 dahingehend, dass die Veräußerung des Inventars der Klägerin als leistende Unternehmerin i.S. von § 2 Abs. 1 UStG --und nicht jeweils den Eheleuten X als Einzelpersonen-- zuzurechnen ist, wird von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen, ist möglich, verfahrensfehlerfrei zustande gekommen, verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze und bindet daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO den Senat (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. Oktober 2011 IX R 58/10, BFHE 235, 423, BStBl II 2012, 286, Rz 14, m.w.N.; vom 11. Juli 2012 XI R 11/11, BFHE 238, 560, BFH/NV 2013, 326, Rz 26 f., m.w.N.).

21

2. Entgegen der Auffassung des FG ist die Steuerbarkeit der Lieferung des Inventars nicht wegen des Vorliegens einer Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG ausgeschlossen.

22

a) Nach § 1 Abs. 1a UStG unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird (§ 1 Abs. 1a Satz 2 UStG). Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers (§ 1 Abs. 1a Satz 3 UStG).

23

aa) Diese Vorschriften beruhen unionsrechtlich auf Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Richtlinie 77/388/EWG-- (nunmehr Art. 19 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--). Danach können die Mitgliedstaaten die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen.

24

bb) Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG bezweckt nach der Rechtsprechung des EuGH, die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern und zu vereinfachen (EuGH-Urteile vom 27. November 2003 C-497/01, Zita Modes, Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 39; vom 10. November 2011 C-444/10, Schriever, Slg. 2011, I-11071, BStBl II 2012, 848, UR 2011, 937, Rz 23; vom 30. Mai 2013 C-651/11, X BV, MwStR 2013, 337, UR 2013, 582, Rz 41) und erfasst dementsprechend die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann (EuGH-Urteile Zita Modes in Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 40; Schriever in Slg. 2011, I-11071, BStBl II 2012, 848, UR 2011, 937, Rz 25; BFH-Urteile vom 18. Januar 2012 XI R 27/08, BFHE 235, 571, BStBl II 2012, 842, und vom 19. Dezember 2012 XI R 38/10, BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 33).

25

Der Erwerber muss dabei beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben. Nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit (EuGH-Urteil Zita Modes in Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 44; BFH-Urteile vom 30. April 2009 V R 4/07, BFHE 226, 138, BStBl II 2009, 863, unter II.2.a; in BFHE 235, 571, BStBl II 2012, 842, Rz 19; in BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 34).

26

cc) Der Begriff des Teilvermögens bezieht sich nicht auf einen oder mehrere lose Bestandteile eines Unternehmens, sondern auf eine Kombination von ihnen, die zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausreicht, auch wenn diese Tätigkeit nur Teil eines größeren Unternehmens ist, von dem sie abgespalten wurde (vgl. BFH-Urteil in BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 35, m.w.N.).

27

dd) Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist es für die Annahme einer Geschäftsveräußerung entscheidend, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht (vgl. BFH-Urteile in BFHE 235, 571, BStBl II 2012, 842, und in BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 36) und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 36, m.w.N.). Es kommt insoweit nicht darauf an, ob beim Veräußerer eine eigenständige betriebliche Organisation vorlag, sondern vielmehr darauf, ob ein Teilvermögen übertragen wird, das vom Erwerber als selbständiges Unternehmen fortgeführt werden kann (vgl. z.B. EuGH-Urteil X BV in MwStR 2013, 337, UR 2013, 582, Rz 53); die organisatorischen Verhältnisse beim Veräußerer sind damit unmaßgeblich (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 45, m.w.N.).

28

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG unzutreffend angenommen, die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen lägen vor. Es hat zu Unrecht bei dem streitbefangenen Verkauf des Inventars auch die Veräußerungen des Grundbesitzes und der Gesellschaftsanteile berücksichtigt und dabei als unmaßgeblich angesehen, dass mehrere Veräußerer und mehrere Erwerber mehrere Veräußerungen vorgenommen haben.

29

aa) Der EuGH hat u.a. mit Hinweis darauf, dass Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Formulierung "Übertragender" nur im Singular verwendet, inzwischen geklärt, dass bei Prüfung der Voraussetzungen dieser Bestimmung und Vorliegen mehrerer Leistungsbeziehungen "jeder Vorgang einzeln und selbständig zu beurteilen" ist (EuGH-Urteil X BV in MwStR 2013, 337, UR 2013, 582, Rz 45 bis 47). Dies gilt gleichermaßen für die seit dem 1. Januar 2007 geltende Regelung in Art. 19 MwStSystRL, in der die Person "des Übertragenden" ebenfalls nur in der Einzahl erwähnt ist. Dementsprechend heißt es in § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG, dass "der erwerbende Unternehmer an die Stelle des Veräußerers" tritt (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 4. Februar 2015 XI R 42/13, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2015, 937).

30

bb) Dies bedeutet, dass für die Prüfung der Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen im Rahmen der streitbefangenen umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehung zwischen der Klägerin und der Inventarkäuferin Leistungen außer Betracht bleiben müssen, die --wie hier-- Gegenstand von weiteren --davon zu unterscheidenden-- umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen zwischen anderen Unternehmern sind (so auch Wüst, MwStR 2014, 409).

31

cc) Die Begründung des FG, im zu beurteilenden Fall gehe es "wirtschaftlich" um die Veräußerung eines Geschäftsbetriebs "Verpachtung von Seniorenheimen" durch eine Unternehmergruppe an eine "gänzlich anders strukturiert[e]" andere Unternehmergruppe, das Unternehmen "Verpachtung von Seniorenheimen" an die Z werde jedoch "von der Erwerbergruppe in gleicher Weise wie vom Veräußerer" fortgeführt (Rz 76 des Urteils), ist mithin nicht maßgeblich.

32

Auch soweit das FG --im Anschluss an das einen anderen Sachverhalt betreffende, nicht rechtskräftige Urteil des FG Nürnberg in EFG 2013, 1964-- meint, der Zweck des § 1 Abs. 1a UStG, die Übertragung von Unternehmen bzw. Unternehmensteilen zu erleichtern sowie der Neutralitätsgrundsatz geböten es, eine Geschäftsveräußerung auch dann anzunehmen, wenn ein Geschäftsbetrieb zwar auf mehrere Unternehmer übertragen werde, diese den Geschäftsbetrieb aber in der bisherigen Form nur gemeinsam fortführen könnten und dies auch täten (Rz 95 f. des Urteils), folgt der Senat dem aus den dargelegten Gründen nicht (ebenso Meiisel/Walzer, Der Betrieb 2014, 83; Wüst, MwStR 2014, 409; wohl auch Pogodda-Grünwald, MwStR 2013, 744; Meyer, EFG 2013, 1966).

33

dd) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ergibt sich für den Streitfall, dass hinsichtlich der streitbefangenen Veräußerung des Inventars durch die Klägerin keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorlag, weil die Erwerber durch diese Anschaffung allein nicht einen selbständigen Unternehmensteil erworben haben, der sie in die Lage versetzt hätte, das von der Klägerin vorher betriebene Vermietungs- und Verpachtungsunternehmen fortzusetzen (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteil Zita Modes in Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 40). Vielmehr waren dazu --wie das FG wiederholt dargelegt hat-- noch die Übertragungen der Gesellschaftsanteile und des Grundbesitzes erforderlich. Diese Vorgänge durften aber nicht bei der Prüfung der Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen hinsichtlich des streitbefangenen Umsatzes zwischen der Klägerin und der Inventarkäuferin einbezogen werden, weil es sich insoweit um umsatzsteuerrechtliche Leistungsbeziehungen zwischen anderen Vertragspartnern handelte.

34

ee) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des FG nicht aus dem BFH-Urteil vom 6. Mai 2010 V R 25/09 (BFH/NV 2010, 1873), wonach eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung durch Grundstücksübertragung im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung aufgrund besonderer Umstände auch dann vorliegen kann, wenn auf den Erwerber kein bestehender Mietvertrag übergeht.

35

Denn diese Rechtsprechung betrifft allein die Frage der Fortführung einer unternehmerischen Tätigkeit durch den Erwerber im Falle der Übertragung von Grundstücken ohne Übergang eines entsprechenden Pacht- oder Mietvertrages (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 1873, Rz 17 ff.). Darum --oder um Vergleichbares-- geht es im vorliegenden Fall nicht. Hier ist ausschließlich entscheidend, ob die von den Veräußerern vorgenommenen Übertragungen von Grundbesitz und Gesellschaftsanteilen an dritte Erwerber in die Würdigung der Leistungsbeziehung zwischen der Klägerin und der Inventarkäuferin einbezogen werden dürfen. Auf diese --zu verneinende-- Frage ist die Rechtsprechung im BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 1873 nicht übertragbar.

36

ff) Dem steht nicht die Rechtsprechung des EuGH und des BFH entgegen, wonach bei dem Erwerb eines Warenbestandes und der Geschäftsausstattung eines Einzelhandelsgeschäfts unter gleichzeitiger Vermietung des Ladenlokals an den Erwerber eine Geschäftsveräußerung im Ganzen gegeben sein kann (vgl. EuGH-Urteil Schriever in Slg. 2011, I-11071, BStBl II 2012, 848, UR 2011, 937, und BFH-Urteil in BFHE 235, 571, BStBl II 2012, 842). Denn der Streitfall ist mit dem diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalt nicht vergleichbar.

37

3. Die streitbefangene Lieferung des Inventars war auch steuerpflichtig.

38

a) Insoweit greift keiner der in § 4 UStG genannten gesetzlichen Steuerbefreiungstatbestände ein.

39

b) Eine Steuerbefreiung kommt insbesondere nicht deshalb in Betracht, weil die Übertragung des Grundbesitzes nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei ist und die von der Klägerin ausgeführte Lieferung des Inventars als dieser Hauptleistung untergeordnete Nebenleistung anzusehen wäre. Denn mehrere Leistungen können unter dem Gesichtspunkt von Haupt- und Nebenleistung nur dann als einheitliche Leistung gelten, wenn die Leistungen durch einen Leistenden gegenüber ein und demselben Leistungsempfänger erbracht werden (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648, Rz 62, und vom 14. Mai 2014 XI R 13/11, BFHE 245, 424, BStBl II 2014, 734, Rz 37; Lange, UR 2009, 289 ff.). Davon ist auch das FG ausgegangen (Rz 54 des Urteils). Dies war im Streitfall nicht gegeben, weil das Inventar und der Grundbesitz an verschiedene Erwerber verkauft wurden.

40

Dasselbe gilt im Verhältnis der streitbefangenen Lieferung des Inventars zu den von den Eheleuten X durchgeführten Veräußerungen der Gesellschaftsanteile, die nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG steuerfrei waren, was das FG zutreffend ausgeführt hat (Rz 83 f. des Urteils) und zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist.

41

4. Das FG ist im Hinblick auf die Anwendung des § 1 Abs. 1a UStG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif im Sinne einer Klageabweisung.

42

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Steht ein Recht mehreren gemeinschaftlich zu, so finden, sofern sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt, die Vorschriften der §§ 742 bis 758 Anwendung (Gemeinschaft nach Bruchteilen).

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) setzte gegen die aus den Miteigentümern X und Y bestehende Grundstücksgemeinschaft Umsatzsteuer für 2003 --zuletzt durch Änderungsbescheid vom 5. Oktober 2004-- fest und wies den Einspruch durch die ebenfalls an die Grundstücksgemeinschaft gerichtete Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2005 als unbegründet zurück.

2

Das FA ging dabei davon aus, dass die Grundstücksgemeinschaft bis zum 20. März 2003 umsatzsteuerrechtlicher Organträger der Z-GmbH (GmbH) gewesen sei, deren Gesellschafter (ebenfalls) X und Y waren. An diesem Tag hatten die Gesellschafter ihre Geschäftsanteile an der GmbH an einen Dritten übertragen.

3

Das Finanzgericht (FG) wies die von den Gemeinschaftern X und Y jeweils im eigenen Namen gegen den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 2003 vom 5. Oktober 2004 und gegen die Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2005 erhobene Klage als unbegründet ab. Es folgte der Auffassung des FA und führte aus, "die Kläger als Grundstücksgemeinschaft" seien bis zur Veräußerung ihrer Geschäftsanteile am 20. März 2003 Organträger der GmbH gewesen; sie seien daher bis zu diesem Zeitpunkt "Steuerschuldner hinsichtlich aller von der Organgesellschaft verwirklichten Umsatzsteuertatbestände".

4

Daraufhin haben X und Y jeweils in eigenem Namen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (XI B 19/10) und Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt --XI S 2/10 (PKH) und XI S 3/10 (PKH)--.

5

Das FA hat mit Bescheid vom 13. April 2010, der ebenfalls an die Grundstücksgemeinschaft gerichtet ist, Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Umsatzsteuer für 2003 in Höhe von … € sowie von Umsatzsteuer-Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt … € gegen Sicherheitsleistung in Höhe von … € gewährt; die beantragte AdV ohne Sicherheitsleistung lehnte es ab.

6

Im vorliegenden Verfahren beantragen X und Y, unter Änderung des Bescheids des FA vom 13. April 2010 AdV "der Umsatzsteuer 2003 sowie der darauf berechneten Säumniszuschläge ohne Sicherheitsleistung" zu gewähren.

Entscheidungsgründe

7

II. 1. Antragstellerin im vorliegenden Verfahren ist die Grundstücksgemeinschaft X und Y, gegen die der Umsatzsteuer-Änderungsbescheid des FA vom 5. Oktober 2004, die Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2005 sowie der AdV-Bescheid vom 13. April 2010 ergangen sind --und nicht X und Y als Miteigentümer des Grundstücks.

8

a) Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) kann auch eine Bruchteilsgemeinschaft sein. Rechtsfähigkeit im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist für die Eigenschaft als Steuerpflichtiger im Sinne des UStG nicht erforderlich. Die Verwaltung gemeinschaftlichen Eigentums (des Gegenstandes der Gemeinschaft) kann als unternehmerische Tätigkeit nach den Regeln der Gemeinschaft ausgeführt werden. Der Bildung einer gesonderten GbR bedarf es nicht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. März 1993 V R 42/89, BFHE 172, 134, BStBl II 1993, 729, unter II.1.a, und vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243).

9

b) Vermieten die Miteigentümer eines Grundstücks dieses an eine dritte Person, können sie dies als GbR oder Gemeinschaft tun. Umsatzsteuerrechtlich werden die Vermietungsleistungen von der GbR bzw. der Gemeinschaft ausgeführt. Der Gesellschafter bzw. der Teilhaber wird nicht allein durch seine zivilrechtliche Stellung als Mitvermieter Unternehmer. Nur die GbR bzw. die Gemeinschaft ist (wegen dieser Vermietungsumsätze) Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG. Die Tätigkeit der Personenvereinigung wird im Umsatzsteuerrecht nicht ihrem Mitglied zugerechnet. Eine Mitunternehmerschaft kennt das UStG nicht (vgl. BFH-Urteil vom 16. Mai 2002 V R 4/01, BFH/NV 2002, 1347, unter II.1.c).

10

c) Richtet sich ein Umsatzsteuerbescheid gegen eine Grundstücksgemeinschaft als Steuerschuldnerin, so ist grundsätzlich nur diese --und nicht ein Gemeinschafter-- einspruchsbefugt. Diesem Grundsatz entsprechend muss eine Klage im Namen der Gemeinschaft, und zwar gemäß § 744 Abs. 1 BGB durch alle Gemeinschafter, erhoben werden (vgl. für eine GbR z.B. BFH-Beschluss vom 19. Oktober 2001 V B 54/01, BFH/NV 2002, 370).

11

d) Dass --wie die Antragstellerin vorträgt-- X und Y nach dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts vom 18. Juni 2008 in einem Zwangsversteigerungsverfahren mit Eintragung in das Grundbuch vom 22. August 2008 nicht mehr Eigentümer des Grundstücks sind, ändert an der fortbestehenden Unternehmereigenschaft der Antragstellerin nichts.

12

Eine Personengesellschaft besteht in der Regel so lange als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts fort, bis alle gemeinschaftlichen Rechtsbeziehungen unter den Gesellschaftern, zu denen auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Finanzamt gehört, beseitigt sind (vgl. BFH-Beschluss vom 21. September 2006 V B 102/05, juris). Das gilt auch für eine Bruchteilsgemeinschaft.

13

2. Der Antrag, die im Bescheid des FA vom 13. April 2010 verfügte AdV ohne Sicherheit zu gewähren, hat Erfolg.

14

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll die AdV auf Antrag u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Nach § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO kann die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO ist der Antrag nach Abs. 3 beim Gericht der Hauptsache vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf AdV ganz oder zum Teil abgelehnt hat.

15

b) Im Streitfall ist der zutreffend beim BFH als dem für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde XI B 19/10 zuständigen Gericht der Hauptsache i.S. von § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO gestellte Antrag auf eine AdV ohne Sicherheitsleistung gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO zulässig.

16

Denn eine teilweise Ablehnung durch die Finanzbehörde liegt auch vor, wenn --wie im Streitfall-- das FA eine uneingeschränkt beantragte AdV nur gegen Sicherheitsleistung bewilligt hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. Oktober 1981 I B 69/80, BFHE 134, 239, BStBl II 1982, 135, und vom 10. Oktober 2002 VII S 28/01, BFH/NV 2003, 12).

17

c) Das FA ist in dem Bescheid vom 13. April 2010 davon ausgegangen, dass AdV zu gewähren ist. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

18

d) Das öffentliche Interesse an einer Sicherheitsleistung nach § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO entfällt u.a. dann, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. Dezember 1999 III B 15/99, BFH/NV 2000, 827, unter II.2.c, m.w.N.; vom 17. Mai 2005 I B 109/04, BFH/NV 2005, 1782, und vom 19. Oktober 2009 XI B 60/09, BFH/NV 2010, 58). Entgegen der Ansicht des FA ist diese Voraussetzung im Streitfall gegeben.

19

Der BFH hat mit Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09 (BFH/NV 2010, 1581, Deutsches Steuerrecht 2010, 1277) entschieden, dass keine umsatzsteuerrechtliche Organschaft vorliegt, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer Personengesellschaft und an einer GmbH verfügen; in diesem Fall sei die GmbH nicht finanziell in die Personengesellschaft eingegliedert.

20

Diese Rechtsprechung des BFH ist im vorliegenden Fall anwendbar, weil X und Y als Gemeinschafter der Grundstücksgemeinschaft an der GmbH mit einem Anteil von jeweils 50 % beteiligt sind und deshalb nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit verfügen. Die von der GmbH verwirklichten Umsatzsteuertatbestände können deshalb --anders als vom FA im Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 2003 vom 5. Oktober 2004 und vom FG in dem angefochtenen Urteil angenommen-- nicht der Antragstellerin zugerechnet werden.

21

Deshalb ist die Revision aufgrund der Nichtzulassungsbeschwerde XI B 19/10 zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) zuzulassen. Das FG-Urteil weicht von dieser (neuen) Rechtsprechung des BFH ab. Für eine Divergenz ist der Stand der Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung maßgebend (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2007 XI B 32/07, juris; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 51).

22

3. Der Antrag, für das vorliegende Verfahren PKH zu gewähren, hat keinen Erfolg.

23

Eine parteifähige Vereinigung kann nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) nur dann PKH erhalten, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.

24

Diese Vorschrift ist vorliegend einschlägig. Die Antragstellerin gehört zu den parteifähigen Vereinigungen i.S. des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO, wenn sie befugt ist, selbständig gegen Umsatzsteuerbescheide Klage zu erheben (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. April 1992 V S 1/92, juris; vom 3. August 2007 V S 18/07 (PKH), BFH/NV 2007, 2309, und vom 29. Mai 2009 V S 15/09 (PKH), BFH/NV 2009, 1453). Das ist bei einer Grundstücksgemeinschaft der Fall (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 6. September 2007 V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710, und in BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243). Ob --wie die Antragstellerin geltend macht-- im Zivilprozess eine Miteigentümergemeinschaft nicht parteifähig und deshalb § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO dort nicht anwendbar ist, ist deshalb hier ohne Bedeutung.

25

Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, dass es allgemeinen Interessen zuwiderliefe, wenn sie ihre Rechte nicht durch die Nichtzulassungsbeschwerde XI B 19/10 verfolgen würde; dafür ist auch nichts ersichtlich.

26

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über den Antrag auf PKH ist gerichtsgebührenfrei (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. dem Kostenverzeichnis der Anlage 1).

(1) Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Gegenstands steht den Teilhabern gemeinschaftlich zu.

(2) Jeder Teilhaber ist berechtigt, die zur Erhaltung des Gegenstands notwendigen Maßregeln ohne Zustimmung der anderen Teilhaber zu treffen; er kann verlangen, dass diese ihre Einwilligung zu einer solchen Maßregel im Voraus erteilen.

(1) Durch Stimmenmehrheit kann eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung beschlossen werden. Die Stimmenmehrheit ist nach der Größe der Anteile zu berechnen.

(2) Jeder Teilhaber kann, sofern nicht die Verwaltung und Benutzung durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss geregelt ist, eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen.

(3) Eine wesentliche Veränderung des Gegenstands kann nicht beschlossen oder verlangt werden. Das Recht des einzelnen Teilhabers auf einen seinem Anteil entsprechenden Bruchteil der Nutzungen kann nicht ohne seine Zustimmung beeinträchtigt werden.

Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet.

Verpflichten sich mehrere durch Vertrag gemeinschaftlich zu einer teilbaren Leistung, so haften sie im Zweifel als Gesamtschuldner.

Schulden mehrere eine unteilbare Leistung, so haften sie als Gesamtschuldner.

(1) Haben mehrere eine unteilbare Leistung zu fordern, so kann, sofern sie nicht Gesamtgläubiger sind, der Schuldner nur an alle gemeinschaftlich leisten und jeder Gläubiger nur die Leistung an alle fordern. Jeder Gläubiger kann verlangen, dass der Schuldner die geschuldete Sache für alle Gläubiger hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abliefert.

(2) Im Übrigen wirkt eine Tatsache, die nur in der Person eines der Gläubiger eintritt, nicht für und gegen die übrigen Gläubiger.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg - 4. Zivilsenat - vom 25. Februar 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin und ihr Ehemann sind bosnische Staatsangehörige, die in Deutschland leben. Im Januar 2007 ließ die Staatsanwaltschaft in einem gegen den Ehemann gerichteten Ermittlungsverfahren wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln die Wohnung der Eheleute durchsuchen. Dabei wurden in der Küche - versteckt in einer Kunststoffdose - 42.300 € in bar gefunden. Die Dose samt Geldscheinen wurde sichergestellt und anschließend durch das Amtsgericht beschlagnahmt; das Geld wurde auf ein Konto der Landesjustizkasse eingezahlt. Der Ehemann wurde zu einer Freiheitsstrafe von dreizehn Jahren verurteilt. Zugleich wurde der Wertersatzverfall in Höhe von 30.500 € angeordnet (§ 73a StGB). Die Staatsanwaltschaft erklärte hinsichtlich des sichergestellten Betrags die Aufrechnung mit den auf dem Wertersatzverfall und den Verfahrenskosten des Strafverfahrens beruhenden Ansprüchen des beklagten Freistaats Bayern.

2

Mit der Behauptung, sie sei Eigentümerin des Geldes gewesen, erstritt die Klägerin im Wege der Teilklage einen Zahlungstitel über 5.000 € gegen den Beklagten. Die verbleibenden 37.300 € waren zunächst Gegenstand der vorliegenden Klage. Über einen Anspruch in Höhe von 16.150 € ist in erster Instanz ein Anerkenntnisurteil ergangen. Im Übrigen hat die Klage in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren auf Zahlung der restlichen 21.150 € gerichteten Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

I.

3

Das Berufungsgericht sieht das behauptete Alleineigentum der Klägerin an den Geldscheinen nicht als bewiesen an. Es sei offen geblieben, ob das Geld von ihr oder ihrem Ehemann stamme. Andererseits werde nicht das Eigentum des Ehemannes gemäß § 1362 BGB zugunsten des Beklagten vermutet, weil das anzuwendende bosnische Recht eine solche Vermutung nicht kenne.

4

Im Zeitpunkt der Beschlagnahme habe jedenfalls Mitbesitz der Eheleute an den Geldscheinen bestanden. Deshalb werde deren Miteigentum vermutet (§§ 1006, 1008 BGB), und zwar gemäß § 742 BGB zu gleichen Anteilen. Infolgedessen habe der Klägerin ursprünglich ein Anspruch auf Übergabe von 21.150 € in bar zugestanden. Die Geldschuld sei das typische Beispiel einer teilbaren Leistung; auch aus Rechtsgründen handele es sich nicht um eine unteilbare Leistung, weil weder eine entsprechende Parteiabrede noch eine gemeinsame Empfangszuständigkeit bestehe. Da die sichergestellten Geldscheine nicht mehr konkret vorhanden seien, habe die Klägerin gemäß § 285 BGB nunmehr einen Zahlungsanspruch in Höhe von 21.150 € erworben, der durch das Urteil in dem Vorprozess und das Anerkenntnisurteil bereits zuerkannt worden sei. Den Anspruch ihres Ehemannes auf Zahlung von 21.150 € könne sie nicht geltend machen, weil dieser durch Aufrechnung erloschen sei.

II.

5

Die Revision ist begründet. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht an, die (verbleibende) Hälfte des sichergestellten Betrags - bzw. der Anspruch auf Ersatz des Wertes - stehe gemäß § 742 BGB im Zweifel dem Ehemann der Klägerin zu, während der Klägerin selbst der ihr gebührende Anteil bereits zuerkannt worden sei.

6

1. Bei seiner Begründung lässt das Berufungsgericht schon im Ausgangspunkt außer Acht, dass es sich um die Rückabwicklung einer strafprozessualen Beschlagnahme handelt.

7

a) Die durch das Amtsgericht gemäß § 98 Abs. 2 StPO angeordnete Beschlagnahme endete mit dem Abschluss des Strafverfahrens (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 98 Rn. 29 mwN). Das Geld muss zurückgegeben bzw. Wertersatz geleistet werden, weil es (nur) als mögliches Beweismittel (§ 94, § 98 Abs. 2 StPO) vorläufig sichergestellt und sodann beschlagnahmt wurde; der Verfall (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB) wurde in dem Strafurteil nicht angeordnet, sondern nur der Wertersatzverfall (§ 73a StGB). Durch letzteren entsteht zwar ein staatlicher Zahlungsanspruch, der auf einer Schätzung der aus den Straftaten erlangten Vorteile beruht und wie eine Geldstrafe beigetrieben wird (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 73a Rn. 8); mit dem beschlagnahmten Geld steht dies aber nicht in Zusammenhang. Eine Pfändung des Geldes aufgrund eines dinglichen Arrests gemäß § 111b Abs. 2, § 111d StPO ist nicht erfolgt.

8

b) Die Rückgabe nach dem Ende einer förmlichen Beschlagnahme zu Beweiszwecken stellt eine dem deutschen Recht unterliegende öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden dar. Da sie dem Restitutionsgedanken folgt, muss der Gegenstand - sofern nicht § 111k StPO eingreift - regelmäßig an den letzten Gewahrsamsinhaber zurückgegeben werden; es ist der Zustand wiederherzustellen, der vor der Beschlagnahme bestand (Nr. 75 Abs. 2 RiStBV; BGH, Urteile vom 9. November 1978 - III ZR 116/77, BGHZ 72, 302, 304 f.; vom 13. Juli 2000 - IX ZR 131/99, NJW 2000, 3218; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 94 Rn. 22; Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 98 Rn. 8; Ernst, JZ 2014, 28, 30, jeweils mwN). Im Grundsatz ist es nicht die Aufgabe des Strafverfahrens, die Eigentums- und Besitzverhältnisse an Sachen, die für die Zwecke des Verfahrens vorübergehend in amtlichen Gewahrsam gebracht worden sind, unter den Beteiligten zu regeln (Ernst, JZ 2014, 28, 31; Malitz, NStZ 2003, 61, 63).

9

c) Danach wäre den Eheleuten der Mitgewahrsam - der im Zeitpunkt der Beschlagnahme bestand - wieder einzuräumen, wenn die in deren Wohnung beschlagnahmten Geldscheine noch vorhanden wären; für das Eigentum anderer Personen gibt es keine Anhaltspunkte. Weil allein die Gewahrsamsverhältnisse im Zeitpunkt der Beschlagnahme entscheidend sind, kommt es in diesem Zusammenhang weder auf die Eigentumsvermutung gemäß § 1006 BGB noch auf das eheliche Güterrecht und die von der Revision in diesem Zusammenhang aufgeworfenen internationalprivatrechtlichen Fragen an. Unanwendbar ist auch die in § 1362 Abs. 1 Satz 1 BGB enthaltene Vermutung. Danach wird bei Eheleuten zugunsten der Gläubiger vermutet, dass die im Besitz eines Ehegatten oder beider Ehegatten befindlichen beweglichen Sachen dem Schuldner gehören, und zwar unter den Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 2 EGBGB auch bei ausländischem Ehewirkungsstatut. § 1362 BGB bezieht sich aber auf die Zwangsvollstreckung; die Norm dient dem Schutz der Gläubiger und soll im Zusammenwirken mit § 739 ZPO verhindern, dass diese bei der Vollstreckung in Beweisnot geraten (vgl. MünchKomm-BGB/Weber-Monecke, 6. Aufl., § 1362 Rn. 2). Die Bestimmung kann deshalb anwendbar sein, wenn ein im Ermittlungsverfahren angeordneter dinglicher Arrest durch Pfändung vollzogen wird (§ 111d Abs. 2 StPO, § 930 Abs. 1 und 2 ZPO). Eine strafprozessuale Beschlagnahme zu Beweiszwecken - bzw. deren Rückabwicklung - regelt die Norm jedoch nicht; insoweit bedarf es weder einer Eigentums- noch einer Gewahrsamsvermutung, wie sie § 739 ZPO enthält. Denn für die Rechtmäßigkeit einer Beschlagnahme ist es ohne Belang, ob die Sache im Eigentum oder Gewahrsam des Beschuldigten oder eines Dritten steht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 94 Rn. 1; Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 94 Rn. 1).

10

d) Weil das beschlagnahmte Bargeld auf ein Konto eingezahlt worden ist, trat an die Stelle des ursprünglichen öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruchs ein entsprechender Zahlungsanspruch zugunsten der Eheleute als den letzten Gewahrsamsinhabern (§ 285 BGB analog).

11

2. Die Aufrechnung mit den gegen den Ehemann gerichteten Ansprüchen des Beklagten aus dem Strafverfahren hat nicht zum Erlöschen des Zahlungsanspruchs geführt, weil die Eheleute Mitgläubiger gemäß § 432 BGB waren und es demzufolge an der gemäß § 387 BGB erforderlichen Gegenseitigkeit fehlt.

12

a) Die Gegenseitigkeit wäre nur dann gegeben, wenn entweder eine Teilgläubigerschaft bestanden hätte, bei der der Schuldner gegenüber jedem Teilhaber den diesem zustehenden Anteil schuldet, oder aber eine Gesamtgläubigerschaft (§ 428 BGB), bei der der Schuldner nach seinem Belieben an einen der Gläubiger leisten kann. Dagegen fehlte sie, wenn eine Mitgläubigerschaft der Eheleute (§ 432 BGB) bestand. In diesem Fall kann eine wirksame Aufrechnung nur mit einer Forderung erfolgen, für deren Erfüllung sämtliche Mitgläubiger - hier also beide Ehegatten - dem Schuldner haften (vgl. Senat, Urteil vom 16. Juli 2010 - V ZR 215/09, NJW 2011, 451 Rn. 13). Eine Mitgläubigerschaft besteht auch dann, wenn die Forderung zwar auf eine im natürlichen Sinne teilbare Leistung gerichtet, aber rechtlich unteilbar ist. Voraussetzung hierfür ist die gemeinsame Empfangszuständigkeit der Gläubiger, die sich kraft Abrede oder kraft Gesetzes aus dem Innenverhältnis der Gläubiger ergeben kann (vgl. Senat, Urteil vom 23. Januar 1998 - V ZR 272/96, NJW 1998, 1482, 1483 unter 3.; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., vor § 420 Rn. 1, § 432 Rn. 3; Staudinger/Looschelders, BGB [2012], § 420 Rn. 16, § 432 Rn. 4).

13

b) Daran gemessen sind beide Eheleute Mitgläubiger im Sinne von § 432 BGB. Bestünde - wie es das Berufungsgericht annimmt - zwischen den Ehegatten eine Bruchteilsgemeinschaft nach deutschem Recht, hätte dies ohne weiteres eine gemeinsame Empfangszuständigkeit zur Folge (vgl. nur Senat, Urteil vom 23. Januar 1998 - V ZR 272/96, NJW 1998, 1482, 1483 unter 3.; BGH, Urteil vom 19. Oktober 2000 - IX ZR 255/99, NJW 2001, 231, 233 unter III. [insoweit in BGHZ 145, 352 nicht abgedruckt], st. Rspr.; Staudinger/Looschelders, BGB [2012], § 432 Rn. 24 mwN). Dies kann jedoch dahinstehen. Eine gemeinsame Empfangszuständigkeit besteht schon aufgrund der erforderlichen Restitution. Weil der im Zeitpunkt der Beschlagnahme bestehende Zustand wiederherzustellen ist, kann der Schuldner nicht nach seinem Belieben an einen der Gläubiger leisten oder die Leistung aufteilen. Vielmehr setzt sich der (wiederherzustellende) Mitgewahrsam an den Geldscheinen bei dem Sekundäranspruch als gemeinsame Empfangszuständigkeit fort (vgl. für vertragliche Sekundäransprüche BGH, Urteil vom 5. März 2009 - III ZR 302/07, NJW-RR 2009, 687 Rn. 8 f. mwN; für die Erlösverteilung nach Zwangsversteigerung BGH, Urteil vom 20. Februar 2008 - XII ZR 58/04, BGHZ 175, 297 Rn. 23). Die Aufteilung im Innenverhältnis ist allein Sache der vormaligen Gewahrsamsinhaber.

14

3. Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Selbst wenn ein Auseinandersetzungsanspruch des Ehemannes im Hinblick auf die Forderung bestehen sollte, fehlte es an der Gegenseitigkeit, solange dieser nicht durchgesetzt worden ist.

III.

15

Das Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden, weil die Klägerin bislang Zahlung an sich verlangt hat und das Berufungsgericht – von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig – auf eine Änderung des Klageantrags nicht hingewirkt hat. Die Klägerin muss daher Gelegenheit erhalten, ihren Klageantrag umzustellen. Zwar hat ihre Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf eine Erklärung des Ehemannes in dem Vorprozess verwiesen, wonach dieser keine Ansprüche an dem Geld erhebt. In diesem Fall könnte die Klägerin Zahlung an sich allein verlangen. Benennt der letzte Gewahrsamsinhaber einen Dritten als Empfangsberechtigten, ist an diesen herauszugeben (vgl. Nr. 75 Abs. 2 RiStBV; SK/Wohlers, StPO [2009], § 98 Rn. 57); folglich ist an den Mitgewahrsamsinhaber herauszugeben, den die früheren Gewahrsamsinhaber übereinstimmend benennen. Diesbezüglicher Tatsachenvortrag der Klägerin - der nach dem bisherigen Rechtsstandpunkt der Vorinstanzen nicht erheblich war - fehlt bislang jedoch. Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt grundsätzlich nur das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtliche Parteivorbringen (§ 559 Abs. 1 ZPO). Beide verhalten sich zu dem hier in Rede stehenden Punkt nicht. Wird eine Akte beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht, wird dadurch nicht ohne weiteres der gesamte Akteninhalt zum Bestandteil des Parteivorbringens (Senat, Urteil vom 4. April 2014- V ZR 110/13, NJW-RR 2014, 903 Rn. 14 f.).

16

Darüber hinaus hat sich das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang nicht mit der Frage befasst, ob nach dem bosnischen Recht als dem Ehewirkungsstatut (Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB) eine Haftung der Klägerin für die Schulden ihres Ehemannes besteht; nach dem Gerichtsgutachten aus dem vorangegangenen Verfahren dürfte dies allerdings zu verneinen sein.

Stresemann                       Schmidt-Räntsch                        Brückner

                    Weinland                                    Kazele

Steht ein Recht mehreren gemeinschaftlich zu, so finden, sofern sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt, die Vorschriften der §§ 742 bis 758 Anwendung (Gemeinschaft nach Bruchteilen).

(1) Jedem Teilhaber gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte.

(2) Jeder Teilhaber ist zum Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstands insoweit befugt, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Teilhaber beeinträchtigt wird.

Jeder Teilhaber ist den anderen Teilhabern gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Gegenstands sowie die Kosten der Erhaltung, der Verwaltung und einer gemeinschaftlichen Benutzung nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen.

(1) Haben mehrere eine unteilbare Leistung zu fordern, so kann, sofern sie nicht Gesamtgläubiger sind, der Schuldner nur an alle gemeinschaftlich leisten und jeder Gläubiger nur die Leistung an alle fordern. Jeder Gläubiger kann verlangen, dass der Schuldner die geschuldete Sache für alle Gläubiger hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abliefert.

(2) Im Übrigen wirkt eine Tatsache, die nur in der Person eines der Gläubiger eintritt, nicht für und gegen die übrigen Gläubiger.

Steht ein Recht mehreren gemeinschaftlich zu, so finden, sofern sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt, die Vorschriften der §§ 742 bis 758 Anwendung (Gemeinschaft nach Bruchteilen).

(1) Haben mehrere eine unteilbare Leistung zu fordern, so kann, sofern sie nicht Gesamtgläubiger sind, der Schuldner nur an alle gemeinschaftlich leisten und jeder Gläubiger nur die Leistung an alle fordern. Jeder Gläubiger kann verlangen, dass der Schuldner die geschuldete Sache für alle Gläubiger hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abliefert.

(2) Im Übrigen wirkt eine Tatsache, die nur in der Person eines der Gläubiger eintritt, nicht für und gegen die übrigen Gläubiger.

Das Recht auf das Patent hat der Erfinder oder sein Rechtsnachfolger. Haben mehrere gemeinsam eine Erfindung gemacht, so steht ihnen das Recht auf das Patent gemeinschaftlich zu. Haben mehrere die Erfindung unabhängig voneinander gemacht, so steht das Recht dem zu, der die Erfindung zuerst beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 223/98 Verkündet am:
17. Oktober 2000
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Rollenantriebseinheit

a) Miterfinder bilden eine Gemeinschaft nach den §§ 741 ff. BGB, wenn sie ihr
Innenverhältnis nicht anderweitig durch Vereinbarung geregelt haben; jeder
Miterfinder kann über seinen Anteil an der Erfindung frei verfügen.

b) Begehrt ein Erfinder für eine während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer
einer GmbH und in deren Unternehmensbereich zustande gekommene Erfindung
von dieser eine Vergütung als angeblicher Alleinerfinder, so darf
das Gericht die Klage nicht deshalb abweisen, weil der Kläger nicht Alleinerfinder
, sondern Miterfinder ist; der Anspruch auf Zahlung einer Vergütung
als Alleinerfinder umfaßt grundsätzlich auch den Anspruch auf eine
Vergütung als Miterfinder.
BGH, Urt. v. 17. Oktober 2000 - X ZR 223/98 - OLG München
LG München I
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter Rogge und
die Richter Dr. Jestaedt, Dr. Melullis, Scharen und Keukenschrijver

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. September 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Klagen auf Feststellung und auf Zahlung einer Erfindervergütung abgewiesen hat.
In diesem Umfang wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte befaßt sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Vorrichtungen , die für die Ausstattung von Flugzeugen verwendet werden. Der Kläger war von 1988 bis 1994 Geschäftsführer der Beklagten.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 391 175 (Klagepatents), das die Priorität des deutschen Patents 39 11 214 vom 6. April 1989 in Anspruch nimmt. Das Klagepatent ist am 23. März 1990 angemeldet und der Hinweis auf die Patenterteilung am 8. Juni 1994 bekannt gemacht worden. Als Erfinder ist der Kläger eingetragen. Die Erfindung wurde im Rahmen von Entwicklungsarbeiten bei der Beklagten gemacht.
Das Klagepatent betrifft eine Rollenantriebseinheit. Wegen des Wortlauts der Patentansprüche wird auf die Klagepatentschrift Bezug genommen.
Die von der Beklagten hergestellten und unter den Bezeichnungen 2955 P. und 2944 P. vertriebenen Rollenantriebseinheiten sind mit dem in Patentanspruch 1 beschriebenen Schleppkeil ausgestattet.
In einer in Englisch abgefaßten Vereinbarung ("Assignment") vom 28. März 1990 übertrug der Kläger der Beklagten alle Rechte an bestimmten - nicht näher beschriebenen - Erfindungen und Verbesserungen an einer - ebenfalls nicht näher beschriebenen - Rollenantriebseinheit. Darin bestätigte der Kläger, er habe als Gegenleistung jeweils 1 US-$ und "other good and valuable considerations" erhalten.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Vergütung der im Klagepatent geschützten Erfindung. Zur Begründung hat er ausgeführt, daß er Alleinerfinder der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten sogenannten Schleppkeillösung sei. Dem hat die Beklagte entgegengehalten, daß die Unteransprüche 2, 4 bis 7, 9 und 10 des Klagepatents von einem ihrer früheren Mitarbeiter, dem Zeugen J., stammten, so daß der Kläger allenfalls Miterfinder sein
könne. Vor dem Landgericht hat der Kläger die Beklagte auf Auskunftserteilung , Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung für die Zeit, für die noch keine Auskunft erteilt worden sei, ansonsten Zahlung von Erfindervergütung und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hinsichtlich bereits erteilter Auskünfte betreffend das Klagepatent sowie weiterer Schutzrechte in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit seiner Berufung hat der Kläger sein Begehren auf die von der Beklagten hergestellten und vertriebenen Rollenantriebseinheiten der Typen 2944 und 2955, die Ansprüche des Klagepatents verwirklichen, beschränkt und insoweit weiterhin Auskunftserteilung, Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung bzw. Zahlung von Erfindervergütung sowie Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verlangt. Das Berufungsgericht hat dem auf Auskunft gerichteten Antrag stattgegeben, die Klage im übrigen aber abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger nur noch seine auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung bzw. Zahlung von Erfindervergütung gerichteten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Teilaufhebung des Urteils im Umfang der Anfechtung und zur Zurückverweisung der Sache in diesem Umfang an das Berufungsgericht.
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Erfindervergütung verneint. Es hat den Kläger nicht als Alleinerfinder der im Klagepatent geschützten Erfindung angesehen, weil der Zeuge J. Miterfinder gewesen sei und deshalb der Kläger nicht die volle Erfindervergütung, wie mit Feststellungs- und Zahlungsanträgen beansprucht, verlangen könne.
1. Die Revision nimmt die Feststellung des Berufungsgerichts hin, der Kläger sei nicht Alleinerfinder, sondern Miterfinder. Durchgreifende rechtliche Bedenken sind insoweit nicht ersichtlich.

a) § 6 Satz 2 PatG (1981) knüpft an den Tatbestand, daß mehrere gemeinsam eine Erfindung gemacht haben, die Rechtsfolge, daß ihnen das Recht auf das Patent gemeinschaftlich zusteht. Das Patentgesetz enthält jedoch keine Regelung der Voraussetzungen der Miterfinderschaft. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist derjenige Miterfinder, der einen schöpferischen Beitrag zu der gemeinschaftlichen Erfindung geleistet hat (RG GRUR 1938, 256, 262; RG GRUR 1940, 339, 341; RG GRUR 1944, 80, 81; Sen.Urt. v. 30.04.1968 - X ZR 67/66, GRUR 1969, 133, 135 - Luftfilter). Hingegen reicht konstruktive Mithilfe an der Erfindung nicht aus. Der Beitrag des Miterfinders braucht allerdings nicht selbständig erfinderisch zu sein; es ist nicht erforderlich , daß er für sich allein betrachtet alle Voraussetzungen einer patentfähigen Erfindung erfüllt. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Einzelbeitrag die erfinderische Gesamtleistung mitbeeinflußt hat, also nicht unwesentlich in bezug auf die Lösung ist (BGH, Urt. v. 05.06.1966 - Ia ZR 110/64, GRUR 1966, 558, 559 - Spanplatten; Sen.Urt. v. 20.06.1978 - X ZR 49/75, GRUR 1978, 583, 585 - Motorkettensäge; Sen.Urt. v. 17.01.1995 - X ZR 130/93, Mitt. 1996, 16, 18 - Gummielastische Masse).


b) Entsprechend diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht angenommen , der Kläger und der Zeuge J. seien Miterfinder. Dabei hat es zutreffend auf das Klagepatent als Ganzes und nicht auf dessen einzelne Patentansprüche abgestellt. Denn die Erfindung ist im Umfang des Klagepatents, bestimmt durch den Inhalt der Patentansprüche, unter Schutz gestellt worden (Art. 69 Satz 1 EPÜ). Nicht zu beanstanden ist weiter die Auffassung des Berufungsgerichts , die Miterfinderschaft des Zeugen J. könne nicht deshalb verneint werden, weil in seinem Beitrag nicht der "springende Punkt" des Patents, die Schleppkeillösung, liege. Zwar kann allein die Feststellung, der Zeuge J. habe als Diplomingenieur bei der Beklagten und als Mitglied im damaligen Entwicklungsteam die Lösungen gefunden, die in den Unteransprüchen 2 bis 7, 9 und 10 niedergelegt seien, die Annahme einer Miterfinderschaft des Zeugen nicht begründen. Denn die (formale) Aufnahme einer besonderen Ausbildung des im Hauptanspruch beschriebenen Gegenstandes in einen Unteranspruch sagt nichts darüber aus, ob darin auch ein schöpferischer Beitrag zur Gesamterfindung liegt (Sen.Urt. v. 20.02.1979 - X ZR 63/77, GRUR 1979, 540, 541 - Biedermeiermanschetten). Auch die weitere Begründung des Berufungsgerichts, der Zeuge sei an der Entwicklung der Gesamtlösung nicht nur in untergeordneter und unwesentlicher Weise beteiligt gewesen, wie seine qualitativen Beiträge in Form der Unteransprüche ergäben, die wesentlich in die Gesamtlösung eingeflossen seien, ist wenig aussagekräftig. Jedoch könnte - wovon das Berufungsgericht ohne Feststellungen anscheinend ausgeht - ein schöpferischer Beitrag des Zeugen in der in Unteranspruch 7 beschriebenen sogenannten Federlösung liegen. Dies stellt auch die Revision nicht in Abrede. Dafür spricht der Umstand, daß die Federlösung auf das deutsche Patent 39 11 214 zurückgeht, deren Priorität das Klagepatent für sich in Anspruch
nimmt, und daß die von dem Zeugen J. im Streit um eine Arbeitnehmervergütung angerufene Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes die Federlösung als einen die Höhe des Lizenzsatzes beeinflussenden Gesichtspunkt gesehen hat.
Letztlich kommt es hierauf im vorliegenden Revisionsverfahren nicht an, weil das angefochtene Urteil aus anderen Gründen keinen Bestand haben kann.
2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob der Kläger der Beklagten statt des Rechts an der Erfindung als Alleinerfinder einen Anteil als Miterfinder an der Erfindergemeinschaft übertragen hat und aus diesem Grund die geltend gemachte Erfindervergütung ganz oder teilweise beanspruchen kann.

a) Eine Erfindergemeinschaft kann als Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB oder als Gesamthandsgemeinschaft (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) gemäß §§ 705 ff. BGB bestehen. Haben die Beteiligten keine besondere Vereinbarung getroffen, stehen die Beteiligten aufgrund der bloßen Tatsache der gemeinsamen erfinderischen Tätigkeit in einem Gemeinschaftsverhältnis nach §§ 741 ff. BGB (Benkard/Bruchhausen, PatG/GebrMG, 9. Aufl., § 6 PatG, Rdn. 34, m.w.N.). Besteht eine Gemeinschaft, kann zwar über das Patent als Ganzes nur gemeinschaftlich verfügt werden. Die Teilhaber sind jedoch in der Lage, über ihren Anteil an der Erfindung frei zu disponieren (§ 747 Satz 1 BGB; Sen.Urt. v. 20.02.1979 - X ZR 63/77, GRUR 1979, 540, 541 - Biedermeiermanschetten; MünchKomm/K. Schmidt, BGB, 3. Aufl., § 741 BGB, Rdn. 55, § 747 BGB, Rdn. 2; Storch, Festschrift für Preu, 1988, S. 39, 43).
Überträgt der Geschäftsführer seinen Anteil an einer während seiner Tätigkeit für die Gesellschaft und im Zusammenhang mit dieser zustande gekommenen Erfindung auf die Gesellschaft, kann er dafür eine Vergütung nach § 612 BGB verlangen, vorausgesetzt die Beteiligten haben in einem Dienstvertrag oder in einer anderen Vereinbarung keine davon abweichende Regelung getroffen (vgl. Sen.Urt. v. 24.10.1989 - X ZR 58/88, GRUR 1990, 193 f. - Auto-Kindersitz; Sen.Urt. v. 11.04.2000 - X ZR 185/97, GRUR 2000, 788 - Gleichstromsteuerschaltung ).

b) Das Berufungsgericht hat diese Anspruchsgrundlage nicht in Erwägung gezogen. Dazu wäre es aber aufgrund des sich aus dem Berufungsurteil ergebenden Vorbringens des Klägers und seiner eigenen tatsächlichen Feststellungen verpflichtet gewesen. Der Kläger hat vorgetragen, Alleinerfinder der Schleppkeillösung des Streitpatents gewesen zu sein. Entsprechend stellt das Berufungsgericht in seinen Entscheidungsgründen fest, daß der Kläger zumindest "zu einem kleinen Anteil Miterfinder bezüglich der Schleppkeillösung" sei. Damit stand die Frage im Raum, ob der Kläger, wenn er schon nicht Alleinerfinder der im Klagepatent unter Schutz gestellten Erfindung gewesen ist, doch zumindest - neben dem Zeugen J. - als Miterfinder anzusehen ist, als solcher seinen Anteil an einer Erfindergemeinschaft mit der Vereinbarung ("Assignment") vom 28. März 1990 auf die Beklagte übertragen hat und dafür Vergütung verlangen kann.
Das Berufungsgericht durfte diese Anspruchsgrundlage nicht übergehen , sondern hatte - auf der Grundlage des Vorbringens der Parteien - auch darüber zu entscheiden.
Würde nämlich das Berufungsurteil in den mit der Revision angegriffenen Teilen in Rechtskraft erwachsen, könnte der Kläger die Beklagte nicht erneut auf Vergütung wegen Übertragung eines Anteils an der Erfindergemeinschaft in Anspruch nehmen, weil darüber bereits im Berufungsurteil entschieden worden ist. Denn vor dem Berufungsgericht war der entsprechende Lebenssachverhalt bereits vorgetragen, so daß die sich daraus ergebenden Vergütungsansprüche von der Rechtskraftwirkung des Berufungsurteils erfaßt werden (vgl. BGH, Urt .v. 13.12.1989 - IVb ZR 18/87, NJW 1990, 1795, 1796).
Aufgrund des Vorbringens der Parteien war nicht nur streitig, ob der Kläger als Alleinerfinder für die Übertragung seines Rechts an der Erfindung Vergütung von der Beklagten verlangen kann, sondern auch, ob er einen Anspruch wenigstens als Miterfinder für die Übertragung seines Anteils an einer Miterfindergemeinschaft mit dem Zeugen J. gehabt hat. Im Zusammenhang mit der Behandlung des Auskunftsanspruchs hat das Berufungsgericht dies ebenso gesehen.
3. Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts geben keine hinreichende Grundlage, über den Anspruch in der Revisionsinstanz abschließend zu entscheiden (§ 563 ZPO).
Der Anspruch des Miterfinders an der Erfindergemeinschaft richtet sich dem Grunde und der Höhe nach dem Beitrag, den ein Beteiligter zu der Erfindung beigesteuert hat, wobei das Gewicht der Einzelbeiträge im Verhältnis zueinander und zur erfinderischen Gesamtleistung abzuwägen sind. Dies kann nur erschöpfend beurteilt werden, wenn zunächst der Gegenstand der im Patent unter Schutz gestellten Erfindung ermittelt, sodann die Einzelbeiträge
(Einzelleistungen) der Beteiligten am Zustandekommen dieser Erfindung festgestellt und zur erfinderischen Gesamtleistung abgewogen werden (Sen.Urt. v. 20.02.1979 - X ZR 63/77, GRUR 1979, 540, 541 - Biedermeiermanschetten). Sind die Beiträge der Miterfinder deutlich voneinander zu trennen, können bei der Bemessung des Miterfinderanteils auch technische und/oder wirtschaftliche Gesichtspunkte wie besondere Vorteilhaftigkeit der Konstruktion, Bevorzugung der einen oder anderen Konstruktion bei der Umsetzung in die Praxis, unterschiedliche Wertschätzung am Markt Berücksichtigung finden (Bartenbach /Volz, ArbErfG, 3. Aufl., § 12 ArbErfG, Rdn. 32, m.w.N.; vgl. auch Benkard/ Bruchhausen, aaO, § 6 PatG, Rdn. 35; Lüdecke, Erfindungsgemeinschaften, 1962, S. 62 ff., 66 ff.). Der Kläger hat insoweit vorgetragen, daß die Funktion der Feder und die des Schleppkeils keinen Bezug zueinander aufwiesen und die Feder in der Praxis nicht verwendet worden sei, hingegen der Schleppkeil
die Beklagte in die Lage versetzt habe, mit der Rollenantriebseinheit ihre hohen Umsatzerlöse zu erzielen. Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Es wird diese nachzuholen haben.
Rogge Jestaedt Melullis
Scharen Keukenschrijver

(1) Haben mehrere eine unteilbare Leistung zu fordern, so kann, sofern sie nicht Gesamtgläubiger sind, der Schuldner nur an alle gemeinschaftlich leisten und jeder Gläubiger nur die Leistung an alle fordern. Jeder Gläubiger kann verlangen, dass der Schuldner die geschuldete Sache für alle Gläubiger hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abliefert.

(2) Im Übrigen wirkt eine Tatsache, die nur in der Person eines der Gläubiger eintritt, nicht für und gegen die übrigen Gläubiger.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (§§ 10, 11, 25 Abs. 3 und § 25a Abs. 3 und 4).

(2) Die Steuer ermäßigt sich auf sieben Prozent für die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen, die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände mit Ausnahme der in der Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 bezeichneten Gegenstände;
2.
die Vermietung der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände mit Ausnahme der in der Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 bezeichneten Gegenstände;
3.
die Aufzucht und das Halten von Vieh, die Anzucht von Pflanzen und die Teilnahme an Leistungsprüfungen für Tiere;
4.
die Leistungen, die unmittelbar der Vatertierhaltung, der Förderung der Tierzucht, der künstlichen Tierbesamung oder der Leistungs- und Qualitätsprüfung in der Tierzucht und in der Milchwirtschaft dienen;
5.
(weggefallen);
6.
die Leistungen aus der Tätigkeit als Zahntechniker sowie die in § 4 Nr. 14 Buchstabe a Satz 2 bezeichneten Leistungen der Zahnärzte;
7.
a)
die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen, sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler
b)
die Überlassung von Filmen zur Auswertung und Vorführung sowie die Filmvorführungen, soweit die Filme nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit oder nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 des Jugendschutzgesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730, 2003 I S. 476) in der jeweils geltenden Fassung gekennzeichnet sind oder vor dem 1. Januar 1970 erstaufgeführt wurden,
c)
die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben,
d)
die Zirkusvorführungen, die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller sowie die unmittelbar mit dem Betrieb der zoologischen Gärten verbundenen Umsätze;
8.
a)
die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung). Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt Satz 1 nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht,
b)
die Leistungen der nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Gemeinschaften der in Buchstabe a Satz 1 bezeichneten Körperschaften, wenn diese Leistungen, falls die Körperschaften sie anteilig selbst ausführten, insgesamt nach Buchstabe a ermäßigt besteuert würden;
9.
die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie die Verabreichung von Heilbädern. Das Gleiche gilt für die Bereitstellung von Kureinrichtungen, soweit als Entgelt eine Kurtaxe zu entrichten ist;
10.
die Beförderungen von Personen
a)
im Schienenbahnverkehr,
b)
im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art und im genehmigten Linienverkehr mit Schiffen sowie die Beförderungen im Fährverkehr
aa)
innerhalb einer Gemeinde oder
bb)
wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt;
11.
die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen. Satz 1 gilt nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind;
12.
die Einfuhr der in Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände;
13.
die Lieferungen und der innergemeinschaftliche Erwerb der in Nummer 53 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände, wenn die Lieferungen
a)
vom Urheber der Gegenstände oder dessen Rechtsnachfolger bewirkt werden oder
b)
von einem Unternehmer bewirkt werden, der kein Wiederverkäufer (§ 25a Absatz 1 Nummer 1 Satz 2) ist, und die Gegenstände
aa)
vom Unternehmer in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt wurden,
bb)
von ihrem Urheber oder dessen Rechtsnachfolger an den Unternehmer geliefert wurden oder
cc)
den Unternehmer zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt haben;
14.
die Überlassung der in Nummer 49 Buchstabe a bis e und Nummer 50 der Anlage 2 bezeichneten Erzeugnisse in elektronischer Form, unabhängig davon, ob das Erzeugnis auch auf einem physischen Träger angeboten wird, mit Ausnahme der Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen aus Videoinhalten oder hörbarer Musik bestehen. Ebenfalls ausgenommen sind Erzeugnisse, für die Beschränkungen als jugendgefährdende Trägermedien oder Hinweispflichten nach § 15 Absatz 1 bis 3 und 6 des Jugendschutzgesetzes in der jeweils geltenden Fassung bestehen, sowie Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken, einschließlich Reisewerbung, dienen. Begünstigt ist auch die Bereitstellung eines Zugangs zu Datenbanken, die eine Vielzahl von elektronischen Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften oder Teile von diesen enthalten;
15.
die nach dem 30. Juni 2020 und vor dem 1. Januar 2024 erbrachten Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen, mit Ausnahme der Abgabe von Getränken.
-----
*)
§ 12 Abs. 2 Nr. 10: Gilt gem. § 28 Abs. 4 idF d. Art. 8 Nr. 9 G v. 20.12.2007 I 3150 bis zum 31. Dezember 2011 in folgender Fassung:
"10.
a)
die Beförderungen von Personen mit Schiffen,
b)
die Beförderungen von Personen im Schienenbahnverkehr, im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art und die Beförderungen im Fährverkehr
aa)
innerhalb einer Gemeinde oder
bb)
wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt."

(3) Die Steuer ermäßigt sich auf 0 Prozent für die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen von Solarmodulen an den Betreiber einer Photovoltaikanlage, einschließlich der für den Betrieb einer Photovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Photovoltaikanlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Die Voraussetzungen des Satzes 1 gelten als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 Kilowatt (peak) beträgt oder betragen wird;
2.
den innergemeinschaftlichen Erwerb der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen;
3.
die Einfuhr der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen;
4.
die Installation von Photovoltaikanlagen sowie der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Lieferung der installierten Komponenten die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllt.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Fluggesellschaft, stellte in den Streitjahren (1999 bis 2001) auf grenzüberschreitenden Flügen ihren Fluggästen Speisen und Getränke zur Verfügung, die die Kunden durch den Flugpreis vergüteten. Darüber hinaus stellte sie den Fluggästen gegen gesondertes Entgelt weitere Speisen und Getränke wie z.B. Snacks, Süßigkeiten und (alkoholische) Getränke zur Verfügung. Die Klägerin war der Auffassung, dass auch die Abgabe von Speisen und Getränken gegen gesondertes Entgelt nicht der Umsatzsteuer unterliege.

2

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Abgabe von Speisen und Getränken gegen gesondertes Entgelt nicht steuerfrei sei und erließ für die Streitjahre nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geänderte Steuerbescheide. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

3

Das Finanzgericht (FG) gab in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 973 veröffentlichten Urteil der Klage insoweit statt, als die Klägerin Speisen und Getränke gegen gesondertes Entgelt bei Flügen in Drittstaaten im Inland als nichtsteuerbare Leistung abgegeben habe. Demgegenüber sei die Abgabe von Speisen und Getränken gegen gesondertes Entgelt bei Flügen im Gemeinschaftsgebiet gemäß § 3e des Umsatzsteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (UStG) steuerbar und auch steuerpflichtig gewesen. Die entgeltliche Abgabe von Süßigkeiten und (alkoholischen) Getränken an Bord eines Flugzeugs sei --anders als die sog. inkludierte Restauration-- nicht als unselbständige Nebenleistung Teil eines Flugbeförderungsgeschäfts, das gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 UStG von der Umsatzbesteuerung auszunehmen sei. Es handele sich um eigenständige Lieferungen von Gegenständen, nicht aber --auch unter Berücksichtigung der Inanspruchnahme von Klapptischen-- um sonstige Leistungen. § 4 Nr. 6 Buchst. e UStG sei nicht anzuwenden.

4

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision, für die sie Verletzung materiellen Rechts anführt. Die Abgabe der Speisen und Getränke zum Verzehr an Bord der Flugzeuge gegen gesondertes Entgelt unterliege als Teil der grenzüberschreitenden Personenbeförderung im Luftverkehr nicht der Umsatzsteuer. Zumindest sei § 4 Nr. 6 Buchst. e UStG analog anzuwenden. Die eigenständige Bestellung und Bezahlung der Speisen und Getränke stehe der Annahme einer Nebenleistung nicht entgegen. Es sei nicht zwischen einer Grundversorgung mit Nahrungsmitteln an Bord und einer darüber hinausgehenden Genussbefriedigung zu unterscheiden. Eine derartige Differenzierung stehe nicht mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in Einklang. Der Verzehr der Speisen und Getränke sei örtlich und zeitlich an den Flug gebunden. Zwischen Schiffs- und Flugreisen sei nicht zu differenzieren. Auf die Preisgestaltung komme es nicht an.

5

Die Klägerin beantragt,
unter teilweiser Aufhebung des Urteils des FG und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 1. April 2009 und unter Abänderung der Umsatzsteuerbescheide 1999 bis 2001 vom 6. September 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. April 2009 die Umsatzsteuer 1999 auf ... €, die Umsatzsteuer 2000 auf ... € und die Umsatzsteuer 2001 auf ... € festzusetzen.

6

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Es lägen gesonderte Lieferungen vor, die gegenüber der Flugbeförderung eigenständig seien. Die Lieferungen seien nicht steuerfrei.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass es sich bei den von der Klägerin erbrachten Leistungen um Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG handelte, die bei den im Revisionsverfahren noch streitigen Beförderungen innerhalb des Gemeinschaftsgebiets gemäß § 3e UStG als am Abgangsort des jeweiligen Beförderungsmittels im Gemeinschaftsgebiet erbracht gelten. Diese Lieferungen sind nicht steuerfrei und unterliegen auch keinem Besteuerungsverzicht.

9

1. Die Klägerin hat mit der Abgabe von Speisen und Getränken im Inland steuerbare Lieferungen ausgeführt.

10

a) Wird ein Gegenstand an Bord eines Schiffes, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn während einer Beförderung innerhalb des Gemeinschaftsgebiets geliefert, gilt gemäß § 3e Abs. 1 UStG der Abgangsort des jeweiligen Beförderungsmittels im Gemeinschaftsgebiet als Ort der Lieferung.

11

Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Für den Fall, dass die Lieferung von Gegenständen an Bord eines Schiffes, eines Flugzeugs oder in einer Eisenbahn und während des innerhalb der Gemeinschaft stattfindenden Teils einer Beförderung erfolgt, gilt danach als Ort der Lieferung der Abgangsort des Personenbeförderungsmittels.

12

Unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht ersichtlich, dass § 3e Abs. 1 UStG im Widerspruch zu seinem eindeutigen Wortlaut, der nicht nach der Art der gelieferten Gegenstände unterscheidet, auf bestimmte Arten von Lieferungen wie etwa der Lieferung "abgabenfreier Ware" zu beschränken sein könnte.

13

b) Die von der Klägerin ausgeführten Leistungen sind umsatzsteuerrechtlich als Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1 UStG und nicht als sonstige Leistungen anzusehen.

14

Nach § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen eines Unternehmers Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Demgegenüber war gemäß § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle eine sonstige Leistung, wobei Speisen und Getränke in diesem Sinne zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben wurden, wenn sie nach den Umständen der Abgabe dazu bestimmt waren, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Abgabeort in einem räumlichen Zusammenhang stand, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten wurden.

15

Da der Wortlaut dieser Regelungen nicht in vollem Umfang richtlinienkonform war (BFH-Urteil vom 18. Dezember 2008 V R 55/06, BFHE 223, 539, BFH/NV 2009, 673, unter II.4.a), bestimmten § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG nicht abschließend, unter welchen Voraussetzungen die Abgabe von Speisen als sonstige Leistung zu beurteilen ist (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2011 V R 66/09, BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250, unter II.2.c), d.h. allein der Umstand, dass Speisen und Getränke zum "Verzehr an Ort und Stelle abgegeben werden", rechtfertigt nicht die Annahme einer sonstigen Leistung (BFH-Urteil in BFHE 223, 539, BFH/NV 2009, 673). Vielmehr liegt bei der Abgrenzung zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen im Bereich der Speisenzubereitung bei der Abgabe frisch zubereiteter Speisen oder Nahrungsmittel zum sofortigen Verzehr eine Lieferung vor, wenn es sich um die Abgabe von "Standardspeisen" als Ergebnis einer "einfachen, standardisierten Zubereitung" handelt (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 10. März 2011 Bog u.a. in den verbundenen Rechtssachen C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09, Slg. 2011, I-1457).

16

Soweit es sich bei den von der Klägerin verkauften Snacks überhaupt um frisch zubereitete Speisen gehandelt hat, hat es sich jedenfalls um Standardspeisen in diesem Sinn gehandelt, bei deren Verkauf von einer Lieferung auszugehen ist.

17

Im Streitfall erfolgte die Abgabe von Snacks, kleinen Süßigkeiten und Getränken als Lieferung i.S. von § 3 Abs. 1 UStG. Es handelt sich insbesondere nicht um die Abgabe frisch zubereiteter Speisen oder Nahrungsmittel zum sofortigen Verzehr, bei denen unter bestimmten Voraussetzungen die Annahme einer sonstigen Leistung in Betracht kommen kann (vgl. hierzu allgemein EuGH-Urteil Bog u.a. in Slg. 2011, I-1457, und BFH-Urteil in BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250).

18

Das Vorliegen einer sonstigen Leistung ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass die Klägerin Speisen und Getränke an die von ihr sitzend beförderten Fluggäste abgab. Denn als Dienstleistungselement ist bereitgestelltes Mobiliar des Leistenden nicht zu berücksichtigen, wenn es --wie im Streitfall die Sitze und die an ihnen angebrachten Klapptische-- nicht ausschließlich dazu bestimmt ist, den Verzehr von Lebensmitteln zu erleichtern (BFH-Urteil vom 30. Juni 2011 V R 3/07, BFHE 234, 484, BStBl II 2013, 241, Leitsatz 2).

19

c) Bei den Lieferungen der Klägerin handelte es sich nicht um Nebenleistungen zur Flugbeförderung.

20

aa) Nach ständiger Rechtsprechung ist in der Regel jede Lieferung oder Dienstleistung eine eigene, selbständige Leistung. Bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen umfasst, ist aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind unter Berücksichtigung eines Durchschnittsverbrauchers die charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden. Andererseits sind mehrere formal getrennt erbrachte Einzelumsätze als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind (BFH-Urteil vom 10. Januar 2013 V R 31/10, BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, unter II.1.a aa). Danach liegt eine einheitliche Leistung insbesondere dann vor, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist insbesondere dann Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. z.B. EuGH-Urteil Bog u.a. in Slg. 2011, I-1457, Rdnr. 54, und Senatsurteil in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, unter II.1.a bb (1).

21

Nach der Rechtsprechung des BFH sind bei einer auch Unterkunft und Verpflegung umfassenden Pauschalreise auf einem Schiff Übernachtung und Verpflegung Nebenleistungen zur Beförderung als Hauptleistung (BFH-Urteile vom 1. August 1996 V R 58/94, BFHE 181, 208, BStBl II 1997, 160, unter III.2.a bb; vom 29. August 1996 V R 103/93, BFH/NV 1997, 383, und vom 19. September 1996 V R 129/93, BFHE 181, 216, BStBl II 1997, 164). Hiervon geht der BFH auch bei einer mehrtägigen Hochseeangelreise aus (BFH-Urteil vom 2. März 2011 XI R 25/09, BFHE 233, 348, BStBl II 2011, 737, Leitsatz).

22

bb) Im Streitfall waren die Lieferungen der Speisen und Getränke keine Nebenleistungen zur Flugbeförderung.

23

Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Abgabe dieser Gegenstände, die der Befriedigung eigenständiger Konsum- und Verbrauchszwecke dient, ein Mittel ist, um die Flugbeförderung als Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Welche Bedeutung vollwertigen Mahlzeiten an Bord eines Flugzeugs zukommt, deren Abgabe im Hinblick auf die Flugdauer erforderlich sein kann, ist im Streitfall nicht zu entscheiden.

24

Gegen die Behandlung als Nebenleistung spricht zudem die eigenständige Preisbildung. Insoweit ist zu berücksichtigen, "dass die Rechnungsstellungs- und Preisbildungsmodalitäten Hinweise auf die Einheitlichkeit einer Leistung liefern können (...) ... und eine gesonderte Rechnungsstellung und eine eigenständige Bildung des Leistungspreises für das Vorliegen selbständiger Leistungen [sprechen], ohne dass diesen Faktoren allerdings eine entscheidende Bedeutung zukäme" (EuGH-Urteil vom 17. Januar 2013 C-224/11, BGZ Leasing, Umsatzsteuer-Rundschau 2013, 262, Rdnr. 44).

25

2. Die Lieferungen der Klägerin sind nicht steuerfrei.

26

a) Steuerfrei waren gemäß § 4 Nr. 6 Buchst. e UStG "die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle (§ 3 Abs. 9 Satz 4) im Verkehr mit Wasserfahrzeugen für die Seeschiffahrt zwischen einem inländischen und ausländischen Seehafen und zwischen zwei ausländischen Seehäfen. ..." Für die Vorschrift besteht im Unionsrecht keine Rechtsgrundlage.

27

b) Im Streitfall sind die Lieferungen der Klägerin nicht nach § 4 Nr. 6 Buchst. e UStG steuerfrei, da sie Speisen und Getränke nicht im Verkehr mit Wasserschiffen, sondern im Flugverkehr geliefert hat. Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung dieser Vorschrift kommt im Hinblick auf ihre Unionsrechtswidrigkeit nicht in Betracht. Hierfür spricht neben dem allgemeinen Grundsatz enger Auslegung von Ausnahmetatbeständen, dass Vorschriften des nationalen Rechts auch dann eng auszulegen sind, wenn sie ansonsten nicht der Richtlinie entsprechen (BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 14/11, BFHE 237, 279, BStBl II 2012, 630, unter II.2.c bb).

28

3. Die Klägerin kann im Streitfall auch keinen Besteuerungsverzicht beanspruchen.

29

Nach § 26 Abs. 3 Satz 1 UStG kann das Bundesministerium der Finanzen unbeschadet der Vorschriften der §§ 163 und 227 der Abgabenordnung anordnen, daß die Steuer für grenzüberschreitende Beförderungen von Personen im Luftverkehr niedriger festgesetzt oder ganz oder zum Teil erlassen wird, soweit der Unternehmer keine Rechnungen mit gesondertem Ausweis der Steuer (§ 14 Abs. 1) erteilt hat. Da es sich hierbei um eine besonders geregelte Billigkeitsentscheidung handelt, ist hierüber nicht im Besteuerungsverfahren, sondern in einem gesonderten Billigkeitsverfahren zu entscheiden.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) Umsatzsteuer aufgrund eines unberechtigten Steuerausweises schuldet.

2

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen zur Produktion und zum Vertrieb von Spirituosen in der Rechtsform einer GmbH. Im Rahmen einer im Januar 2006 durchgeführten Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin in den Monaten April, Mai und Juni 2005 der T-GmbH insgesamt drei Rechnungen erteilt hatte. In diesen Rechnungen war Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 74.121,60 € gesondert ausgewiesen. Die in den Rechnungen bezeichneten Lieferungen wurden nicht ausgeführt. Die Rechnungen wiesen keinen Lieferzeitpunkt und keine fortlaufende Rechnungsnummer auf. Die Rechnungsempfängerin verwendete die Rechnungen zum Vorsteuerabzug. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erfasste die gesondert ausgewiesenen Steuerbeträge unter Hinweis auf § 14c Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1999/2005 in der Fassung durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 2003.

3

Die Klage hatte nach erfolglosem Einspruchsverfahren Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seines in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1684 veröffentlichten Urteils aus, die Klägerin sei zu Unrecht für die unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 2 UStG in Anspruch genommen worden. Bei den von der Klägerin begebenen Urkunden habe es sich nicht um Rechnungen i.S. des § 14c UStG gehandelt, weil sie nicht sämtliche in § 14 Abs. 4 UStG aufgezählten Merkmale einer Rechnung enthalten hätten. Es hätten die Angabe des Lieferzeitpunkts (§ 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG) sowie eine fortlaufende Rechnungsnummer (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 UStG) gefehlt. Da § 14c UStG keine Definition der Rechnung enthalte, müsse der allgemeine Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 1 bis 4 UStG gelten. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes folgende Bestimmtheitsgebot verlange vom Gesetzgeber, Vorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich sei. Wolle der Gesetzgeber in § 14c Abs. 2 UStG einen vom allgemeinen abweichenden, besonderen Rechnungsbegriff verwenden, um dem mit der Norm verfolgten Zweck der Gefährdung des Steueraufkommens zu begegnen, so habe dies durch eine entsprechende Definition zu geschehen. Für eine am Zweck der Norm orientierte Auslegung des § 14c UStG sei kein Raum.

4

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. § 14c UStG beziehe sich auf den allgemeinen Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 1 UStG. Danach sei Rechnung jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet werde. Vorliegend seien die drei Dokumente ausdrücklich als Rechnung bezeichnet worden. Auf die einzelnen Merkmale des § 14 Abs. 4 UStG komme es für den Gefährdungstatbestand des § 14c UStG nicht an. Eine Gefährdungslage bestehe bereits, wenn die wesentlichen Merkmale einer Rechnung wie Entgelt und ausgewiesene inländische Umsatzsteuer enthalten seien. § 14c UStG umfasse deshalb jedes Abrechnungspapier, das aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers beim Empfänger rein äußerlich den Eindruck erwecke, es liege eine Rechnung vor, die die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs eröffne. Allein durch die Angabe des Entgelts und des ausgewiesenen Steuerbetrages liege aus der Sicht des Empfängers nach der Aufmachung eine Rechnung vor, die ihn nach seiner Ansicht zum Vorsteuerabzug berechtige.

5

Auch nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 18. Juni 2009 C-566/07, Stadeco BV (Slg. 2009, I-5295, BFH/NV 2009, 1371) zu Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) sei ausreichend, dass "in einer Rechnung oder einem ähnlichen Dokument" die Umsatzsteuer eines Mitgliedstaates der EU ausgewiesen werde. Im Streitfall fehlten lediglich die fortlaufende Rechnungsnummer, deren Bedeutung die Rechtsprechung schon relativiert habe, sowie das Leistungsdatum. Die wesentlichen Merkmale einer Rechnung, insbesondere das Entgelt und der Steuerbetrag seien aber angegeben.

6

Die Auffassung des FG erleichtere den Umsatzsteuerbetrug. § 14c Abs. 2 UStG orientiere sich an den Vorgaben des EuGH, da eine Korrektur der "Rechnung" zugelassen werde, wenn die Gefährdungslage beseitigt sei. Die Klägerin habe im Streitjahr die Rechnungen nicht korrigiert. Auch habe der aus den drei Dokumenten in Anspruch genommene Vorsteuerabzug bislang nicht wieder rückgängig gemacht werden können.

7

Die von der Klägerin geforderte Übereinstimmung zwischen den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG 1999 in der Fassung vor Inkrafttreten des StÄndG 2003 (UStG a.F.) und des § 14 Abs. 3 UStG a.F. habe auch nach altem Recht nicht bestanden. Die unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen für den Vorsteuerabzug einerseits und die Haftung für einen unberechtigten Steuerausweis andererseits seien auch begründet, weil sich beide Normen in dem von ihnen verfolgten Zweck unterschieden.

8

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

10

Für die Rechtslage bis zum 31. Dezember 2003 sei es sowohl für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug als auch für den unberechtigten Steuerausweis nach § 14 Abs. 3 UStG a.F. unbeachtlich gewesen, ob tatsächlich alle Angaben des § 14 Abs. 1 UStG a.F. in einer Rechnung enthalten gewesen seien. § 14 Abs. 4 UStG konkretisiere nunmehr den allgemeinen Rechnungsbegriff in einer Art und Weise, wie dies vor Änderung des Gesetzes nicht der Fall gewesen sei.

11

§ 15 UStG sei ebenfalls an die neue Rechtslage angepasst worden, da § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG nunmehr eine nach § 14a UStG ausgestellte Rechnung verlange. Daher könne durch eine Rechnung, die diese Anforderungen nicht erfülle, keine Vorsteuergefährdung entstehen.

12

Sie, die Klägerin, sei in ihrem Vertrauen auf die Gesetzesregelung und die Verwaltungsauffassung zu schützen, dass die von ihr begebenen Dokumente bei verständiger Würdigung eines mit dem UStG vertrauten Sachbearbeiters der Finanzverwaltung nicht zu einem Vorsteuerabzug hätten führen können. Dass der Empfänger des Abrechnungspapiers durch betrügerische Handlungen Vorsteuerbeträge erhalten habe, könne nicht zu ihren Lasten gehen.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Auffassung des FG handelt es sich bei den von der Klägerin begebenen Rechnungen um Rechnungen i.S. des § 14c Abs. 2 UStG. Ohne Bedeutung ist insoweit, dass die Rechnungen die Merkmale des § 14 Abs. 4 Nr. 4 UStG (fortlaufende Rechnungsnummer) und des § 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG (Lieferzeitpunkt) nicht enthielten.

14

Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet gemäß § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt (§ 14c Abs. 2 Satz 2 UStG). Die Regelung beruht auf Art. 21 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 77/388/EWG in der im Streitjahr geltenden Fassung, wonach im inneren Anwendungsbereich "jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausweist", die Mehrwertsteuer schuldet.

15

a) Zweck der Regelung ist es, Missbräuche durch Ausstellung von Rechnungen mit offenem Steuerausweis zu verhindern (zur Vorgängervorschrift § 14 Abs. 3 UStG a.F. vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. September 1987 V R 50/85, BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688; vom 24. September 1987 V R 125/86, BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694; vom 27. Januar 1994 V R 113/91, BFHE 173, 466, BStBl II 1994, 342; vom 4. Mai 1995 V R 83/93, BFH/NV 1996, 190; vom 17. Mai 2001 V R 77/99, BFHE 194, 552, BStBl II 2004, 370; vgl. BFH-Beschluss vom 6. Juni 2002 V R 20/99, BFH/NV 2002, 1620; zu Art. 21 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 77/388/EWG in der im Streitjahr geltenden Fassung: EuGH-Urteile Stadeco BV in Slg. 2009, I-5295, BFH/NV 2009, 1371 Rdnr. 28, m.w.N.; vom 19. September 2000 C-454/98, Schmeink & Cofreth und Strobel, Slg. 2000, I-6973 Rdnrn. 57 und 61; vom 6. November 2003 C-78/02 bis C-80/02, Karageorgou u.a., Slg. 2003, I-13295 Rdnrn. 50 und 53).

16

b) § 14c Abs. 2 UStG stellt auf den Steuerausweis in einer "Rechnung" ab, ohne den Rechnungsbegriff selbst oder mittels einer Verweisung zu definieren. Den Begriff der Rechnung definiert § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG. Danach ist eine Rechnung jedes Dokument, "... mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird".

17

c) § 14c Abs. 2 UStG setzt darüber hinaus nicht voraus, dass eine Rechnung alle in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 9 UStG aufgezählten Merkmale aufweist (Niedersächsisches FG, Urteil vom 30. Juli 2010  16 K 55/10, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 23; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 168 UStG Rz 22; Widmann in Plückebaum/Malitzky, UStG, § 14c Rz 6; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 14c Rz 58 ff.; Stadie, UStG 2009, S. 908 § 14c Rz 2; Frye, UR 2011, 1; Kraeusel/Schmidt in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 14c Rz 13, 16, anders aber in Rz 68; Abschn. 190d Abs. 1 Satz 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008, ab 1. November 2010 Abschn. 14c.2. Abs. 1 Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; a.A. Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 14c Rz 3; Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, UStG § 14c Rz 9, 10; Schlosser-Zeuner in Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., § 14c Rz 5; Wagner in Sölch/ Ringleb, UStG § 14c Rz 20, 147; ders. in Deutsches Steuerrecht 2004, 477).

18

aa) Nach der früheren Rechtsprechung verwies § 14 Abs. 3 UStG a.F. zur Konkretisierung des Merkmals "Rechnung" auf den allgemeinen Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 4 UStG a.F., nicht dagegen auf § 14 Abs. 1 UStG (vgl. BFH-Urteile vom 16. März 1988 X R 7/80, BFH/NV 1989, 197; in BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688; in BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694; in BFHE 173, 466, BStBl II 1994, 342; in BFH/NV 1996, 190; in BFHE 194, 552, BStBl II 2004, 370, m.w.N.). § 14 Abs. 4 UStG a.F. definierte die Rechnung --wie § 14 Abs. 1 UStG-- als jede Urkunde, mit der ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter über eine Lieferung oder sonstige Leistung abrechnet, gleichgültig, wie diese Urkunde im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Diese Anknüpfung entspricht dem Zweck des § 14 Abs. 3 UStG 1973, Missbräuche durch das Ausstellen von Rechnungen mit offenem Steuerausweis in Bezug auf den Vorsteuerabzug zu verhindern (vgl. Senatsentscheidungen vom 9. September 1993 V R 45/91, BFHE 172, 237, BStBl II 1994, 131, und vom 8. Dezember 1988 V R 28/84, BFHE 155, 427, BStBl II 1989, 250).

19

Soweit der Senat zur alten Rechtslage hiervon abweichend entschieden hat, dass § 14 Abs. 3 UStG a.F. nur eingreift, wenn die Urkunde nach ihrem Inhalt zum Vorsteuerabzug geeignet ist (BFH-Urteil in BFHE 173, 466, BStBl II 1994, 342) und alle insoweit erforderlichen Angaben enthält (zuletzt BFH-Urteile vom 30. Januar 2003 V R 98/01, BFHE 201, 550, BStBl II 2003, 498; vom 18. Januar 2001 V R 83/97, BFHE 194, 483), hält der Senat hieran für § 14c Abs. 2 UStG nicht fest (Änderung der Rechtsprechung).

20

bb) Gegen die Auffassung, nur eine Rechnung, die --gegebenenfalls auch unzutreffend-- alle Pflichtangaben des § 14 Abs. 4 UStG enthalte, erfülle die Voraussetzungen des § 14c Abs. 2 UStG, spricht der Vergleich zwischen § 14c UStG und § 15 Abs. 1 UStG, insbesondere die Gegenüberstellung der mit diesen Vorschriften verfolgten Zwecke. Daraus ergibt sich, dass die Gefährdungstatbestände des § 14c UStG und das Recht auf Vorsteuerabzug aus § 15 Abs. 1 UStG hinsichtlich der Anforderungen an die in Bezug genommene Rechnung unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen unterliegen und beide Vorschriften unterschiedliche Ziele verfolgen.

21

aaa) § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG verlangt für den Vorsteuerabzug, dass der Unternehmer "eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung" besitzt. Damit setzt die Berechtigung zum Vorsteuerabzug den Besitz einer gleichsam qualifizierten Rechnung voraus, die über die Merkmale der Rechnungsdefinition in § 14 Abs. 1 UStG hinaus die in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 9 UStG aufgezählten Angaben enthält. Diese für den Vorsteuerabzug erforderlichen Pflichtangaben in einer Rechnung dienen dazu, das Gleichgewicht von Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger und Umsatzsteuer beim Leistenden zu gewährleisten. Der Finanzverwaltung wird dadurch nicht nur ermöglicht, das Vorliegen der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug zu überprüfen und damit einen unberechtigten Vorsteuerabzug beim Rechnungsempfänger zu vermeiden, sondern vor allem auch eine mit dem Vorsteuerabzug korrespondierende Besteuerung beim leistenden Unternehmer sicherzustellen.

22

bbb) Im Gegensatz zu § 15 Abs. 1 UStG verweist § 14c UStG nicht auf §§ 14, 14a UStG. Wenn der Gesetzgeber aber im Rahmen des § 14c UStG denselben Rechnungsbegriff hätte verwenden wollen wie in § 15 Abs. 1 UStG, hätte es nahegelegen, in beiden Vorschriften, die zeitgleich mit Wirkung ab 1. Januar 2004 durch dasselbe Gesetz, das StÄndG 2003, neu gefasst bzw. in das UStG aufgenommen wurden, auch dieselbe Verweisung zu verwenden (zu Recht Frye, UR 2011, 1, 3).

23

ccc) Darüber hinaus dient § 14c UStG auch einem anderen Zweck als § 15 Abs. 1 UStG. Diese andere Zielsetzung gebietet die Anwendung des allgemeinen Rechnungsbegriffs des § 14 Abs. 1 UStG ohne die Pflichtangaben des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 9 UStG. Der Normzweck des § 14c UStG besteht daher darin, Missbrauch durch Ausstellung von Rechnungen zu verhindern und der Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens durch ein Ungleichgewicht von Steuer und Vorsteuerabzug zu begegnen (BRDrucks 630/03 vom 5. September 2003, zu Art. 4 zu Nr. 17 --§ 14c neu--; vgl. auch Niedersächsisches FG in UR 2011, 23). § 14c UStG ist deshalb als Gefährdungstatbestand in das Gesetz aufgenommen worden, wie sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, weil § 14c Abs. 2 Satz 3 und 4 UStG im Rahmen der Berichtigungsmöglichkeit die Beseitigung der "Gefährdung des Steueraufkommens" voraussetzt.

24

ddd) Gegenstand der Regelung ist die Gefährdung des Steueraufkommens durch Abrechnungsdokumente, die die elementaren Merkmale einer Rechnung aufweisen oder den Schein einer solchen erwecken und den Empfänger zum Vorsteuerabzug verleiten (ebenso Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 14c Rz 58). Eine Gefährdung tritt dabei nicht nur ein, wenn eine alle Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 UStG erfüllende Rechnung vorliegt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Steuerfestsetzung um ein Massenverfahren handelt, bei dem die Verwaltung nicht in der Lage ist, die Voraussetzungen aller geltend gemachten Vorsteuerbeträge vollumfänglich auch hinsichtlich aller einzelnen Merkmale des § 14 Abs. 4 UStG vor der regelmäßig unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerfestsetzung zu prüfen.

25

§ 14c UStG könnte den mit der Norm verfolgten Zweck, Missbräuche zu vereiteln und das Steueraufkommen zu sichern, nicht erfüllen, wenn sich Rechnungsaussteller durch Weglassen auch nur eines Merkmals des § 14 Abs. 4 UStG ihrer Inanspruchnahme entziehen könnten (zutreffend Frye, UR 2011, 1, 7). Auch ist, nicht zuletzt wegen der Berichtigungsmöglichkeit nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG kein schutzwürdiges Interesse eines Rechnungsausstellers erkennbar, risikolos Dokumente in den Rechtsverkehr zu bringen, die als Abrechnungen über angebliche umsatzsteuerpflichtige Vorgänge erscheinen und dem Rechnungsempfänger einen unberechtigten Vorsteuerbetrug erst ermöglichen. Für die Anwendung des § 14c Abs. 2 UStG reicht es deshalb aus, dass das Dokument als Abrechnung über eine (angebliche umsatzsteuerpflichtige) Leistung durch einen (angeblichen) Unternehmer wegen des Ausweises der Umsatzsteuer abstrakt die Gefahr begründet, vom Empfänger oder einem Dritten zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs gebraucht zu werden. Danach reicht es aus, wenn es sich um ein Dokument handelt, das den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung, sowie das Entgelt und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ausweist.

26

eee) Diesem Ergebnis steht das Unionsrecht nicht entgegen. Nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 77/388/EWG schuldet die Mehrwertsteuer "jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausweist".

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(1) Die Steuer entsteht

1.
für Lieferungen und sonstige Leistungen
a)
bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Das gilt auch für Teilleistungen. Sie liegen vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird. Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist,
b)
bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind,
c)
in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung nach § 16 Abs. 5 in dem Zeitpunkt, in dem der Kraftomnibus in das Inland gelangt,
d)
in den Fällen des § 18 Abs. 4c mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Abs. 1a Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
e)
in den Fällen des § 18 Absatz 4e mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1b Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
f)
in den Fällen des § 18i mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1c Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
g)
in den Fällen des § 18j vorbehaltlich des Buchstabens i mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1d Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
h)
in den Fällen des § 18k mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1e Satz 1, in dem die Lieferungen ausgeführt worden sind; die Gegenstände gelten als zu dem Zeitpunkt geliefert, zu dem die Zahlung angenommen wurde,
i)
in den Fällen des § 3 Absatz 3a zu dem Zeitpunkt, zu dem die Zahlung angenommen wurde;
2.
für Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und 9a mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem diese Leistungen ausgeführt worden sind;
3.
in den Fällen des § 14c im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung;
4.
(weggefallen)
5.
im Fall des § 17 Abs. 1 Satz 6 mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist;
6.
für den innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 1a mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Kalendermonats;
7.
für den innergemeinschaftlichen Erwerb von neuen Fahrzeugen im Sinne des § 1b am Tag des Erwerbs;
8.
im Fall des § 6a Abs. 4 Satz 2 in dem Zeitpunkt, in dem die Lieferung ausgeführt wird;
9.
im Fall des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem der Gegenstand aus einem Umsatzsteuerlager ausgelagert wird.

(2) Für die Einfuhrumsatzsteuer gilt § 21 Abs. 2.

(3) (weggefallen)

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 38/11
vom
8. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
8. September 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 2. August 2010 aufgehoben , soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in weiteren zwölf Fällen hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen diesen Teilfreispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift vom 6. Januar 2010 hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last gelegt, in 17 Fällen dadurch Umsatzsteuer hinterzogen zu haben, dass er für sechs von ihm geleitete Unternehmen mit Sitz in Luxemburg, Belgien, Frankreich und Polen für die Jahre 2002 bis 2005 vorsätzlich keine Umsatzsteuerjahreserklärungen abgegeben habe. Hierzu sei er aber verpflichtet gewesen , weil er über diese Firmen an deutsche Landwirte und Winzer, die umsatzsteuerlich von der Pauschalregelung des § 24 UStG Gebrauch gemacht haben, Lieferungen von Pflanzenschutzmitteln ausgeführt habe. Die Lieferungen seien für ihn in Deutschland steuerpflichtig gewesen.
3
2. Nach den Feststellungen des Landgerichts lieferte der Angeklagte in den Jahren 2002 bis 2005 als alleinverantwortlich Handelnder mehrerer Gesellschaften , die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Deutschland ihren Sitz hatten und lediglich in Luxemburg, Frankreich und Belgien Lagerräumlichkeiten unterhielten, Pflanzenschutzmittel an deutsche Landwirte und Winzer. Die Empfänger wurden als Betreiber landwirtschaftlicher Betriebe umsatzsteuerlich nach § 24 UStG besteuert. Die den Lieferungen zugrunde liegenden Bestellungen erfolgten zumeist über Sammelbesteller für Einkaufs- gemeinschaften, die vom Angeklagten Bestellscheine mit angefügten „Speditionsauftragsschreiben“ erhalten ha tten. Hinsichtlich der Art und Menge der Be- ladung sowie des Zeitpunkts der Auslieferung wurden die Speditionen allein vom Angeklagten angewiesen, die Landwirte bzw. Sammelbesteller teilten allein die Abladestelle in Deutschland mit.
4
Das Landgericht ist der Ansicht, die Lieferungen hätten der deutschen Umsatzbesteuerung unterlegen, weil es sich um Versandgeschäfte gehandelt habe und deshalb der Ort der Lieferung gemäß § 3c UStG jeweils in Deutschland gelegen habe. Der Angeklagte sei deshalb verpflichtet gewesen, für die von ihm geleiteten Firmen in der Bundesrepublik Deutschland Umsatzsteuererklärungen abzugeben, was er pflichtwidrig unterlassen habe.
5
Das Landgericht hat sich die Überzeugung gebildet, dass der Angeklagte bis zu einer Befragung durch die luxemburgische Steuerfahndung im Oktober oder November 2005 davon ausgegangen ist, die von ihm getätigten Geschäfte unterlägen nicht der Umsatzsteuer (UA S. 10). Es hat den Angeklagten daher - nach einer Teileinstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich zweier Fälle - nur wegen dreier im Jahr 2006 begangener Taten der pflichtwidrigen Nichtabgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen für das Jahr 2005 wegen Steuerhinterziehung verurteilt (Fälle 4, 14, und 17 der Anklageschrift). Der Angeklagte war insoweit geständig (UA S. 11). Vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in weiteren zwölf Fällen hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, es konnte sich insoweit von einem Hinterziehungsvorsatz des Angeklagten nicht überzeugen. Dem Angeklagten sei für die Zeit vor dem Erscheinen der luxemburgischen Steuerfahnder bei ihm im Jahr 2005 nicht nachzuweisen gewesen, gewusst zu haben, dass bei dem von ihm gewählten Geschäftsmodell eine Steuerpflicht nach deutschem Umsatzsteuerrecht eintritt. Eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit kenne § 370 AO nicht (UA S. 41).

II.

6
Der Teilfreispruch wegen Annahme eines Tatumstandsirrtums hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand. Zum einen beruhen die deswegen ebenfalls aufzuhebenden Feststellungen zum Tatvorsatz auf einer in sich widersprüchlichen sowie lückenhaften und damit nicht tragfähigen Beweiswürdigung (a). Zum anderen hat das Landgericht nicht geprüft, ob sich der Angeklagte zumindest einer leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) schuldig gemacht hat, was einem Freispruch entgegenstehen würde (b). Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer tatrichterlicher Prüfung auf der Grundlage diesbezüglich insgesamt neu zu treffender Feststellungen.
7
a) Die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
aa) Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09 Rn. 18, HFR 2010, 866; vom 11. September 2007 - 5 StR 213/07, wistra 2008, 22, 24; vom 6. September 2006 - 5 StR 156/06, wistra 2007, 18, 19; jew. mwN).
9
bb) Derartige Rechtsfehler in der Beweiswürdigung liegen hier vor; die Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite können daher keinen Bestand haben.
10
(1) Die Beweiswürdigung ist in sich widersprüchlich. Sie setzt sich hinsichtlich des freisprechenden Teils des Urteils in Widerspruch zu den die Verurteilung betreffenden Feststellungen.
11
Das Landgericht hat als gegen einen Tatvorsatz des Angeklagten sprechenden Umstand gewertet, dass er seine geschäftliche Tätigkeit nicht verheimlicht , sondern Rechnungen mit ausländischer Umsatzsteuer erstellt habe (UA S. 39). Weiter hat es ausgeführt, die Tatsache, dass der Angeklagte die angefallenen ausländischen Umsatzsteuern in seinen Rechnungen aufgeführt und „wohl“ im Ausland erklärt und abgeführt habe, sei ein Indiz dafür, dass ihm die Steuerbarkeit der Umsätze nach deutschem Umsatzsteuerrecht nicht bewusst gewesen sei (UA S. 40). Diese Wertungen lassen sich nicht mit den - im Rahmen der Verurteilung strafschärfend gewerteten (UA S. 34) - Feststellungen vereinbaren, dass der Angeklagte ab dem Jahr 2005, in dem er von der luxemburgischen Steuerfahndung aufgesucht worden war, „die zuvor aufgebau- ten Unternehmensstrukturen fortgeführt und somit im Ergebnis ein aufwendiges Täuschungssystem genutzt“ habe. Durch die Firmenverlagerung nach Polen, die fortgesetzte Einschaltung von Firmen in Belgien, Luxemburg und Frankreich und die Gründung von Zwischenlagern in Deutschland habe er insbesondere „hinsichtlich der Lieferwege und der Umsatzermittlung einen schwer aufklärbaren Sachverhalt geschaffen“ (UA S. 34). War das Gesamtsystem aber schon vor dem Erscheinen der Steuerfahnder auf Täuschung angelegt, dann konnte die Ausstellung von Rechnungen mit gegenüber dem deutschen Steuersatz zum Teil deutlich niedrigeren ausländischen Umsatzsteuersätzen zwischen drei und zwölf Prozent (UA S. 9) kein Indiz für eine beabsichtigte Steuerehrlichkeit des Angeklagten sein.
12
(2) Die Beweiswürdigung ist zudem lückenhaft. Denn das Landgericht hat wesentliche, den Urteilsfeststellungen zu entnehmende belastende Umstände nicht in die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite eingestellt.
13
Zwar können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt vielmehr von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalls ab; dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Insbesondere dann, wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt, obwohl gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss es jedoch in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (vgl. BGH, Urteile vom 6. September 2006 - 5 StR 156/06, wistra 2007, 18, 19 und vom 22. August 2002 - 5 StR 240/02, wistra 2002, 430 mwN).
14
Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht gerecht. Sie ist lückenhaft, weil sie sich mit wesentlichen, den Angeklagten belastenden Umständen nicht auseinandersetzt, die für die subjektive Tatseite bedeutsam sind (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1986 - 3 StR 500/86, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2). Zu einer umfassenden Gesamtwürdigung aller den Angeklagten be- und entlastenden Umstände hätte sich das Landgericht hier schon deshalb gedrängt sehen müssen, weil der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen noch nach entsprechenden Hinweisen der luxemburgischen Steuerfahndung auf die in Deutschland bestehende Steuerpflicht das bisherige System der Vermeidung der Besteuerung in Deutschland unverändert fortsetzte.
15
Das Landgericht hätte - worauf der Generalbundesanwalt bereits in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat - auch in die Gesamtwürdigung einbeziehen müssen, dass der Angeklagte den steuerlich bedeutsamen Ort der Lieferung in seinen Rechnungen jedenfalls teilweise absichtlich falsch deklariert hat, was für eine bewusste Täuschung der Finanzbehörden spricht. So hat der Angeklagte auch die Lieferungen seiner polnischen Firmen als Abholgeschäfte mit dem Umsatzsteuersatz von drei Prozent deklariert (UA S. 9 f.), obwohl er nach den Feststellungen in Polen gar kein Warenlager unterhielt (UA S. 4, 38) und die Kunden selbst bei der Bestellung keinen Kontakt nach Polen hatten (UA S. 32). Dieser primär den Fall 15 der Urteilsgründe betreffende Umstand der Ausstellung falscher Rechnungen war auch für die Vorsatzfrage hinsichtlich der Tatvorwürfe betreffend die Jahre 2002 bis 2004 von erheblicher Bedeutung.
16
b) Der Teilfreispruch kann auch deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht nicht geprüft hat, ob das Verhalten des Angeklagten nicht zumindest den Bußgeldtatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) verwirklicht hat. § 378 AO wirkt in solchen Fällen wie ein Auffangtatbestand (BGH, Beschluss vom 13. Januar 1988 - 3 StR 450/87, BGHR AO § 378 Leichtfertigkeit 1; BGH, Urteil vom 23. Februar 2000 - 5 StR 570/99, NStZ 2000, 320, 321; BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09 Rn. 39 ff., HFR 2010,

866).

17
Leichtfertig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Einzelfalls und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, obwohl sich ihm aufdrängen musste, dass dadurch eine Steuerverkürzung eintreten wird (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 aaO Rn. 40).
18
Jeder Steuerpflichtige muss sich über diejenigen steuerlichen Pflichten unterrichten, die ihn im Rahmen seines Lebenskreises treffen. Dies gilt in besonderem Maße in Bezug auf solche steuerrechtlichen Pflichten, die aus der Ausübung eines Gewerbes oder einer freiberuflichen Tätigkeit erwachsen. Bei einem Kaufmann sind deshalb jedenfalls bei Rechtsgeschäften, die zu seiner kaufmännischen Tätigkeit gehören, höhere Anforderungen an die Erkundigungspflichten zu stellen als bei anderen Steuerpflichtigen (vgl. BFH, Urteil vom 19. Februar 2009 - II R 49/07 mwN, BFHE 225, 1). In Zweifelsfällen hat er von sachkundiger Seite Rat einzuholen (vgl. dazu auch Joecks in Franzen/ Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 378 AO Rn. 39 mwN). Dies gilt insbe- sondere dann, wenn er die erkannte Steuerpflichtigkeit eines Geschäfts durch eine modifizierte Gestaltung des Geschäfts zu vermeiden sucht (zu den Erkundigungspflichten vgl. auch Sahan in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht , § 378 AO Rn. 28 ff.). Zudem ist es Steuerpflichtigen regelmäßig möglich und zumutbar, offene Rechtsfragen nach Aufdeckung des vollständigen und wahren Sachverhalts im Besteuerungsverfahren zu klären (vgl. BVerfG - Kammer - Beschlüsse vom 16. Juni 2011 - 2 BvR 542/09 und vom 29. April 2010 - 2 BvR 871/04, 2 BvR 414/08, wistra 2010, 396, 404, jew. mwN).
19
Im vorliegenden Fall war deshalb in den Blick zu nehmen, dass der Angeklagte für sechs Unternehmen als alleinverantwortlich Handelnder tätig war, die jeweils in großem Umfang grenzüberschreitenden Handel mit Pflanzenschutzmitteln an Landwirte und Winzer durchführten. Er hatte erkannt, dass die Durchführung der von ihm geplanten Lieferungen als „Versandgeschäfte“ zu einer Steuerpflicht in Deutschland führen würde und wählte deswegen eine Ge- schäftsabwicklung, die nach seiner Wertung als „Abholgeschäfte“ im Empfän- gerstaat Deutschland nicht steuerbar waren. Ob er hierbei Rechtsrat eingeholt hatte, hat das Landgericht nicht festgestellt.

III.

20
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat im Hinblick auf die subjektive Tatseite auf Folgendes hin:
21
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört zum Vorsatz der Steuerhinterziehung, dass der Täter den Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennt oder zumindest für möglich hält und ihn auch verkürzen will (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 1953 - 5 StR 342/53, BGHSt 5, 90, 91 f.; BGH, Urteil vom 5. März 1986 - 2 StR 666/85, wistra 1986, 174; BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09 Rn. 37, HFR 2010, 866; BGHR AO § 370 Abs. 1 Vorsatz 2, 4, 5). Für eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung bedarf es dabei keiner Absicht oder eines direkten Hinterziehungsvorsatzes ; es genügt, dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestands für möglich hält und billigend in Kauf nimmt (Eventualvorsatz ). Der Hinterziehungsvorsatz setzt deshalb weder dem Grunde noch der Höhe nach eine sichere Kenntnis des Steueranspruchs voraus (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09 Rn. 37, HFR 2010, 866; zu strenge Anforderungen OLG München, Beschluss vom 15. Februar 2011 - 4 St RR 167/10 mit Anm. Roth, StRR 2011, 235).
22
2. Hat der Steuerpflichtige irrtümlich angenommen, dass ein Steueranspruch nicht entstanden ist, liegt nach dieser Rechtsprechung ein Tatumstandsirrtum vor, der den Vorsatz ausschließt (§ 16 Abs. 1 Satz 1 StGB).
23
3. Ob dies auch dann gilt, wenn der Irrtum über das Bestehen eines Steueranspruchs allein auf einer Fehlvorstellung über die Reichweite steuerlicher Normen - hier etwa des § 3c UStG über den Ort der Lieferung in besonderen Fällen - beruht, oder ob dann vielmehr ein Verbotsirrtum (§ 17 StGB) gegeben ist, wird in der neueren Literatur teilweise in Frage gestellt (vgl. Allgayer in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 369 AO Rn. 28 mwN; vgl. zum Irrtum über die Arbeitgebereigenschaft in § 266a StGB auch BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2009 - 1 StR 478/09, NStZ 2010, 337).
24
4. Der Senat braucht diese Frage hier nicht zu entscheiden, denn sie stellt sich erst dann, wenn ein rechtserheblicher Irrtum über das Bestehen eines Steueranspruchs festgestellt ist. Ein solcher Irrtum liegt aber dann nicht vor, wenn der Erklärungspflichtige hinsichtlich der Verkürzung eines Steueran- spruchs mit Eventualvorsatz handelt. Bei der Klärung der Frage, ob ein solcher Irrtum bestanden hat, ist Folgendes zu beachten:
25
a) Die bloße Berufung eines Angeklagten auf einen derartigen Irrtum nötigt das Tatgericht nicht, einen solchen Irrtum als gegeben anzunehmen. Es bedarf vielmehr einer Gesamtwürdigung aller Umstände, die für das Vorstellungsbild des Angeklagten von Bedeutung waren. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Umstände oder Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen - außer der bloßen Behauptung des Angeklagten - keine Anhaltspunkte bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 18. August 2009 - 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85).
26
b) Ein Tatumstandsirrtum scheidet bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen im Übrigen dann aus, wenn der Täter es für möglich hält, dass er die Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dass durch sein Verhalten Steuern verkürzt werden oder dass er oder ein anderer nicht gerechtfertigte Vorteile erlangt. Weitergehende Einschränkungen der Annahme eines Eventualvorsatzes ergeben sich auch nicht aus der voluntativen Seite des Vorsatzes. Ob der Täter will, dass ein Steueranspruch besteht, ist für den Hinterziehungsvorsatz bedeutungslos. Es kommt insoweit allein auf die Vorstellung des Täters an, ob ein solcher Steueranspruch besteht oder nicht. Hält er die Existenz eines Steueranspruchs für möglich und lässt er die Finanzbehörden über die Besteuerungsgrundlagen gleichwohl in Unkenntnis, findet er sich also mit der Möglichkeit der Steuerverkürzung ab, handelt er mit bedingtem Tatvorsatz.
27
Ob ein Angeklagter das Bestehen eines Steueranspruchs für möglich gehalten hat, muss vom Tatgericht im Rahmen der Beweiswürdigung geklärt werden. Dabei hat das Gericht bei Kaufleuten deren Umgang mit den in ihrem Gewerbe bestehenden Erkundigungspflichten in die Würdigung einzubeziehen. Informiert sich ein Kaufmann über die in seinem Gewerbe bestehenden steuerrechtlichen Pflichten nicht, kann dies auf seine Gleichgültigkeit hinsichtlich der Erfüllung dieser Pflichten hindeuten. Dasselbe gilt, wenn es ein Steuerpflichtiger unterlässt, in Zweifelsfällen Rechtsrat einzuholen. Auch in Fällen, in denen ein nicht steuerlich sachkundiger Steuerpflichtiger eine von ihm für möglich gehaltene Steuerpflicht dadurch vermeiden will, dass er von der üblichen Geschäftsabwicklung abweichende Vertragskonstruktionen oder Geschäftsabläufe wählt, kann es für die Inkaufnahme einer Steuerverkürzung sprechen, wenn er keinen zuverlässigen Rechtsrat einholt, sondern allein von seinem laienhaften Rechtsverständnis ausgeht. Dies gilt nicht nur bei rechtlich schwierigen oder ungewöhnlichen Inlandsgeschäften, sondern gerade auch bei grenzüberschreitenden Lieferungen oder Leistungen.
28
5. Im vorliegenden Fall wird es daher für die Frage des Tatvorsatzes darauf ankommen, ob der Angeklagte eine Steuerentstehung in Deutschland für möglich erachtet hat. Im Hinblick darauf, dass er - jedenfalls nach den bisherigen Feststellungen - gerade zur Vermeidung einer Besteuerung in Deutschland zugunsten der Anwendung niedrigerer ausländischer Steuersätze die bei Versandgeschäften übliche Geschäftsabwicklung verändert hat, wird dabei der Frage, ob er sachkundigen Rechtsrat eingeholt hat, besondere Bedeutung zukommen. Dasselbe gilt, wenn das neue Tatgericht wieder zu entsprechenden Feststellungen gelangen sollte, für den Umstand, dass der Angeklagte die luxemburgischen Steuerfahndungsbeamten gebeten hat, die deutschen Finanzbehörden nicht zu informieren (UA S. 13).
29
6. Sollte das neue Tatgericht aufgrund seiner Beweisaufnahme und Beweiswürdigung bezogen auf die Fälligkeitszeitpunkte für die Abgabe von Umsatzsteuererklärungen wieder zur Annahme eines vorsatzausschließenden Tat- umstandsirrtums des Angeklagten gelangen, wird es die Prüfung einer Unterlassenstrafbarkeit auch darauf zu erstrecken haben, ob der Irrtum noch vor Wegfall der Erklärungspflicht, insbesondere vor Eintritt der steuerlichen Festsetzungsverjährung wieder entfallen ist. Bedeutung könnte insoweit dem Umstand zukommen, dass der Angeklagte - jedenfalls nach den bisherigen Feststellungen - von der luxemburgischen Steuerfahndung auf die Bedenken gegen seine steuerliche Behandlung der Lieferungen nach Deutschland hingewiesen wurde (UA S. 13). RiBGH Hebenstreit befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Nack Wahl Nack Jäger Sander

(1) Eine Steuererklärung ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, wenn

1.
keine elektronische Steuererklärung vorgeschrieben ist,
2.
nicht freiwillig eine gesetzlich oder amtlich zugelassene elektronische Steuererklärung abgegeben wird,
3.
keine mündliche oder konkludente Steuererklärung zugelassen ist und
4.
eine Aufnahme der Steuererklärung an Amtsstelle nach § 151 nicht in Betracht kommt.
§ 87a Absatz 1 Satz 1 ist nur anzuwenden, soweit eine elektronische Steuererklärung vorgeschrieben oder zugelassen ist. Der Steuerpflichtige hat in der Steuererklärung die Steuer selbst zu berechnen, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist (Steueranmeldung).

(2) Die Angaben in den Steuererklärungen sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen.

(3) Ordnen die Steuergesetze an, dass der Steuerpflichtige die Steuererklärung eigenhändig zu unterschreiben hat, so ist die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten nur dann zulässig, wenn der Steuerpflichtige infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands oder durch längere Abwesenheit an der Unterschrift gehindert ist. Die eigenhändige Unterschrift kann nachträglich verlangt werden, wenn der Hinderungsgrund weggefallen ist.

(4) Den Steuererklärungen müssen die Unterlagen beigefügt werden, die nach den Steuergesetzen vorzulegen sind. Dritte Personen sind verpflichtet, hierfür erforderliche Bescheinigungen auszustellen.

(5) In die Steuererklärungsformulare können auch Fragen aufgenommen werden, die zur Ergänzung der Besteuerungsunterlagen für Zwecke einer Statistik nach dem Gesetz über Steuerstatistiken erforderlich sind. Die Finanzbehörden können ferner von Steuerpflichtigen Auskünfte verlangen, die für die Durchführung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes erforderlich sind. Die Finanzbehörden haben bei der Überprüfung der Angaben dieselben Befugnisse wie bei der Aufklärung der für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse.

(6) Zur Erleichterung und Vereinfachung des automatisierten Besteuerungsverfahrens kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass und unter welchen Voraussetzungen Steuererklärungen oder sonstige für das Besteuerungsverfahren erforderliche Daten ganz oder teilweise durch Datenfernübertragung oder auf maschinell verwertbaren Datenträgern übermittelt werden können. In der Rechtsverordnung können von den §§ 72a und 87b bis 87d abweichende Regelungen getroffen werden. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit die Kraftfahrzeugsteuer, die Luftverkehrsteuer, die Versicherungsteuer und Verbrauchsteuern, mit Ausnahme der Biersteuer, betroffen sind.

(7) Können Steuererklärungen, die nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abgegeben oder nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung übermittelt werden, nach § 155 Absatz 4 Satz 1 zu einer ausschließlich automationsgestützten Steuerfestsetzung führen, ist es dem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, Angaben, die nach seiner Auffassung Anlass für eine Bearbeitung durch Amtsträger sind, in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung zu machen. Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe des § 93c an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, gelten als Angaben des Steuerpflichtigen, soweit sie in den Steuererklärungsformularen als eDaten gekennzeichnet sind oder bei nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung übermittelten Steuererklärungen für den Belegabruf bereitgestellt werden und er nicht in einem dafür vorzusehenden Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung abweichende Angaben macht.

(8) Ordnen die Steuergesetze an, dass die Finanzbehörde auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten kann, ist einem solchen Antrag zu entsprechen, wenn eine Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung des amtlich vorgeschriebenen Datensatzes nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre oder wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.