Finanzgericht Hamburg Urteil, 27. Nov. 2014 - 2 K 108/14

bei uns veröffentlicht am27.11.2014

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Aufhebung einer Einspruchsentscheidung.

2

Der Kläger wurde mit Bescheid vom 25. Oktober 2013 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer 2012 veranlagt. Die Einkommensteuer wurde auf 2.596 € festgesetzt. Die Eheleute legten am 1. November 2013 Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid ein und beantragten die zusätzliche steuermindernde Berücksichtigung von mehreren Positionen in Form von Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit, von Sonderausgaben, von außergewöhnlichen Belastungen und eines Pflegepauschbetrags nach § 33b Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

3

Mit Schreiben vom 5. Februar 2014 kündigte der Beklagte an, Teile der geltend gemachten Posten in Form des Pflegepauschbetrags nach § 33b Abs. 6 EStG in Höhe von 924 €, weiterer außergewöhnlicher Belastungen in Höhe von 2.846,63 €, Werbungskosten in Form von Abschreibungen für einen Computer in Höhe von 370,66 € und eines Behinderten-Pauschbetrags von 310 € berücksichtigen zu wollen. Gleichzeitig wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass die Finanzbehörde gemäß § 367 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) im Falle eines Einspruchs die Sache voll überprüfen müsse und der Verwaltungsakt auch zum Nachteil des Steuerpflichtigen geändert werden könne. Die als außergewöhnliche Belastungen bislang berücksichtigten behinderungsbedingten Fahrtkosten in Höhe von 4.480 € seien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Deshalb könnten diese nur noch mit einem Pauschbetrag von 900 € angesetzt werden. Dies würde zu einer Verböserung führen, die durch Rücknahme des Einspruchs verhindert werden könne. Der Kläger wurde gebeten, bis zum 28. Februar 2014 mitzuteilen, ob der Einspruch aufrechterhalten bleibe und diesen gegebenenfalls weiter zu begründen.

4

Mit Einspruchsentscheidung vom 14. März 2014 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2012 abweichend (höher) auf 3.030 € fest und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

5

Mit einem auf den 14. März 2014 datierten Schreiben, beim Beklagen eingegangen am 20. März 2014, wies der Kläger darauf hin, dass er mit seiner Frau erst am 14. März 2014 nach einem längeren Auslandsaufenthalt zurückgekommen sei und deshalb erst jetzt antworten könne. Er beantragte "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand", um die Stellungnahme adäquat vorbereiten zu können. Inhaltlich werde bis zum 28. März 2014 zum Schreiben vom 5. Februar 2014 Stellung genommen werden.

6

Der Kläger hat am 10. April 2014 Klage erhoben. Ihm gehe es darum, die eingetretene Verböserung durch Rücknahme des Einspruchs zu beseitigen. Er sei zusammen mit seiner Ehefrau vom 3. Februar bis zum 14. März 2014 in ... gewesen. Zum Nachweis werde auf eine eingereichte Rechnung des Reisebüros und die Bordkarten nebst Flugplänen Bezug genommen. Als sie am 14. März 2014 (einem Freitag) zurückgekehrt seien, hätten sie das Schreiben des Beklagten vom 5. Februar 2014 vorgefunden und bereits am 17. März 2014 geantwortet und um Fristverlängerung gebeten. Am 18. März 2014 sei dann die Einspruchsentscheidung zugegangen. Es liege ein Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO vor. Das rechtliche Gehör sei nicht gewährt worden. Er, der Kläger, sei bei seiner nur vorübergehenden Urlaubsabwesenheit von 39 Tagen nicht verpflichtet gewesen, dafür Sorge zu tragen, dass ihn Postsendungen erreichten. Bei der Versäumung von gesetzlichen Fristen sei in solchen Fällen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die vorliegende Fallgestaltung sei im Ergebnis gleich zu behandeln. Jedenfalls nach dem Grundsatz von Treu und Glauben müsse ihm Gelegenheit gegeben werden, seinen Einspruch zurückzunehmen.

7

Der Kläger beantragt nach dem Inhalt seines schriftsätzlichen Vorbringens sinngemäß,
die Einspruchsentscheidung vom 14. März 2014 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

9

Es liege kein wesentlicher Verfahrensfehler vor. Der Kläger sei mit dem Schreiben vom 5. Februar 2014 unter ausreichender Fristsetzung auf die Möglichkeit einer Verböserung hingewiesen worden. Die nachträglich am 17. März 2014 ausgestellte Rechnung des Reisebüros über die Flugreise sei wenig beweiskräftig. Im Übrigen sei die Reise - wenn sie denn stattgefunden habe - bereits am ... 2013 gebucht worden. Ein Hinweis sei ihm, dem Beklagten, jedoch nicht erteilt worden.

10

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) einverstanden erklärt.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Akten des Beklagten (Einkommensteuerakte, Rechtsbehelfsakte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Über die Klage konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 90 Abs. 2 FGO).

13

Die Klage ist zulässig (I) und begründet (II).

I.

14

Es ist zulässig, lediglich die Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 14. März 2014 zu beantragen. Gegenstand einer Anfechtungsklage ist gemäß § 44 Abs. 2 FGO zwar grundsätzlich der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat. Eine isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung ist aber ausnahmsweise dann zulässig und kann dementsprechend beantragt werden, wenn diese Entscheidung eine selbständige Beschwer enthält. Dies ist etwa dann der Fall, wenn - wie hier - geltend gemacht wird, dass ein erheblicher Verfahrensmangel vorliegt, weil die Finanzbehörde einen Steuerbescheid zum Nachteil des Einspruchsführers geändert hat, ohne diesen nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO auf die Möglichkeit der Verböserung hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Juli 2004 IX B 102/03, BFH/NV 2004, 1514; vom 3. Juli 2012 IX B 37/12, BFH/NV 2012, 1630; BFH-Urteil vom 15. Mai 2013 VIII R 18/10, BStBl. II 2013, 669; v. Beckerath in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 44 FGO Rn. 191). Dem Einspruchsführer wird damit die Möglichkeit genommen, durch Rücknahme seines Einspruchs die Verböserung zu vermeiden. Durch eine Aufhebung der Einspruchsentscheidung wird das Einspruchsverfahren wieder eröffnet und eine Rücknahme des Einspruchs (§ 362 Abs. 1 AO) ermöglicht.

II.

15

Die Einspruchsentscheidung vom 14. März 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Durch sie ist die Einkommensteuer 2012 höher als im Ausgangsbescheid mit 3.030 € festgesetzt worden, ohne dass die Einspruchsführer vor Erlass der Entscheidung gemäß § 367 Abs. 2 Satz 2 AO auf die Möglichkeit einer Verböserung unter Gelegenheit zur Stellungnahme hingewiesen worden sind. Mit dem Schreiben des Beklagten vom 5. Februar 2014 ist zwar ein dementsprechender Hinweis erteilt worden. Dieser Hinweis ist aber fehlgeschlagen, weil die Einspruchsführer ihn erst nach Erlass der Einspruchsentscheidung zur Kenntnis nehmen konnten.

1)

16

Nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO kann ein Verwaltungsakt im Einspruchsverfahren auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Zweck des Hinweises als Ausprägung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs ist es, dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zur Stellungnahme und zur Rücknahme des Einspruchs zu geben. Damit wird unter Umständen zwar eine materiell unrichtige Entscheidung bestandskräftig. Das Gesetz räumt aber der Gewährung rechtlichen Gehörs und dem Verfahrensrecht in dieser Situation ausnahmsweise den Vorrang ein vor der materiellen Richtigkeit der Entscheidung. Unterbleibt die in § 367 Abs. 2 Satz 2 AO vorgesehene Anhörung, führt dies zur isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels. Dem steht § 127 AO nicht entgegen, wonach die Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein wegen eines Verfahrensmangels beansprucht werden kann, wenn keine andere Entscheidung in der Sache getroffen werden könnte. Die Wertung des § 127 AO, die einen Vorrang der materiellen Richtigkeit vor dem Verfahrensrecht postuliert, greift nicht durch in Fällen der Verböserung im Einspruchsverfahren (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Juli 2012 IX B 37/12, BFH/NV 2012, 1630; BFH-Urteil vom 15. Mai 2013 VIII R 18/10, BStBl. II 2013, 669).

2)

17

Der im Schreiben des Beklagten vom 5. Februar 2014 erteilte Hinweis auf die Möglichkeit der Verböserung mit der Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 28. Februar 2014 genügt zwar den Voraussetzungen für eine Verböserung nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO. Die Gründe für eine Verböserung wurden mit dem Hinweis auf den fehlenden Nachweis der behinderungsbedingten Fahrten mitgeteilt und die Frist von 23 Tagen zur Stellungnahme war angemessen lang. Allerdings ist der Hinweis erst nach Erlass der Einspruchsentscheidung erteilt worden und damit fehlgeschlagen, weil die Einspruchsführer (der Kläger und seine Ehefrau) ihn erst nach Rückkehr aus ihrem Urlaub zur Kenntnis nehmen konnten.

a)

18

Der Hinweis nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO ist kein Verwaltungsakt, sondern eine unselbständige Verfahrenshandlung. Er entfaltet erst dann die Wirkung, rechtliches Gehör zu gewährleisten, wenn er vom Einspruchsführer tatsächlich derart zur Kenntnis genommen werden kann, dass eine Stellungnahme möglich ist, die von der Finanzbehörde vor Erlass der Einspruchsentscheidung berücksichtigt werden kann.

19

Die Vorschriften über die Bekanntgabe von schriftlichen Verwaltungsakten und insbesondere die Bekanntgabefiktionen des § 122 Abs. 2 AO greifen für den Hinweis nicht. Es reicht deshalb nicht - wie für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten - aus, dass der Hinweis, etwa durch Einwerfen in den Briefkasten, derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen von seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann und die Kenntnisnahme nach den von ihm selbst getroffenen Vorkehrungen und nach allgemeinen Gepflogenheiten auch erwartet werden kann, ohne dass es auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme ankommt und deshalb auch bei Urlaubsabwesenheit von einer Bekanntgabe derart in den Machtbereich des Empfängers gelangter schriftlicher Verwaltungsakte auszugehen ist (st. Rspr. vgl. etwa BFH-Urteile vom 13. Oktober 1994 IV R 100/93, BStBl II 1995, 484; vom 9. Dezember 1999 III R 37/97, BStBl II 2000, 175; vom 28. Mai 2009 III R 84/06 BStBl II 2009, 949; BFH-Beschluss vom 15. Oktober 2008 VII B 14/08, BFH/NV 2009, 115; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 122 AO Rn. 11 m. w. N.). Vielmehr sind auch nicht normale Umstände - wie etwa Urlaubsabwesenheiten oder Krankenhausaufenthalte - zu berücksichtigen, so dass es auf die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme des Hinweises ankommt und nicht auf eine (hypothetische) unter normalen Umständen. Andernfalls würde der Hinweis seine Funktion nicht erfüllen können, weil eine Rücknahme des Einspruchs nur bis zur Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung möglich ist (§ 362 Abs. 1 Satz 1 AO) und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) mangels Versäumung einer gesetzlichen Frist nicht in Betracht kommt.

b)

20

Vorliegend konnte der Hinweis vom 5. Februar 2014 vom Kläger und seiner Ehefrau als Einspruchsführer erst nach Erlass der Einspruchsentscheidung vom 14. März 2014 zur Kenntnis genommen werden und deshalb seine Funktion nicht erfüllen. Die Einspruchsentscheidung ist am 14. März 2014 (einem Freitag) zur Post gegeben worden. Nach Auskunft des Beklagten im Erörterungstermin am 25. August 2014 erfolgt der Postversand mittags. Der Kläger und seine Ehefrau sind aber erst am 14. März 2014 um etwa 14.00 Uhr auf dem Flughafen A nach einer am 3. Februar 2014 begonnenen Auslandsreise in ... gelandet. Sie konnten deshalb unter Berücksichtigung der üblichen Gepäckabfertigungs- und Fahrzeiten frühestens ab 14.45 Uhr - und damit nach dem Postversand der Einspruchsentscheidung - in ihrer Wohnung sein und das Hinweisschreiben zur Kenntnis nehmen. Der Kläger hat seine Auslandsreise vom 3. Februar bis zum 14. März 2014 zur Überzeugung des Gerichts durch Vorlage der Bordkarten für sich und seine Frau für die Flüge am 3. Februar 2014 von A über B nach C, die ... Flüge am ... von D über E nach F sowie für die Rückflüge am ... 2014 von G nach B und von dort am 14. März 2014 nach A (Boarding Time 12.30 Uhr) nachgewiesen. Dies wird durch die eingereichte Rechnung der H GmbH vom 17. März 2014 und die Flugpläne unterstützt, aus denen sich die Reisedaten ergeben. Aus den Flugplänen ergibt sich auch die voraussichtliche Ankunftszeit am Flughafen A um 14.05 Uhr. Der Beklagte hat die Flugreise und deren Daten nach Übermittlung der Bordkarten und Reisepläne auch nicht mehr substantiiert bestritten.

c)

21

Der Hinweis war auch nicht überflüssig. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Finanzbehörde den mit dem Einspruch angefochtenen Bescheid unabhängig von der Rücknahme des Rechtsbehelfs zu Lasten des Einspruchsführers ändern könnte, weil der Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO steht (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 1998 IX R 45/96 BFH/NV 1998, 816) oder ein Vorläufigkeitsvermerk (§ 165 Abs. 1 AO) die Änderung deckt (vgl. Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 367 AO Rn. 457). Beides ist hier in Bezug auf den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 25. Oktober 2013 nicht der Fall.

d)

22

Dem Kläger ist es auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Verspätung des Hinweises zu berufen.

23

Der im Steuerrechtsverhältnis, einschließlich des Verfahrensrechts uneingeschränkt zu beachtende Grundsatz von Treu und Glauben gebietet es unter anderem, auf die schutzwürdigen Belange des jeweils anderen Teils Rücksicht zu nehmen und sich insbesondere nicht zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch zu setzen (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 2011 XI R 30/09, BStBl II 2011, 613, m. w. N.). Schutzwürdig ist der andere Teil, wenn er im berechtigten Vertrauen disponiert oder Dispositionen unterlassen hat (vgl. BFH-Urteile vom 9. August 1989 I R 181/85, BStBl II 1989, 990; vom 15. Mai 2013 VIII R 18/10, BStBl II 2013, 669). Der Kläger verhielte sich durch die Berufung auf den verspäteten Erhalt des Hinweises etwa dann treuwidrig, wenn er dem Beklagten vor Erlass der Einspruchsentscheidung eindeutig zu erkennen gegeben hätte, dass er in jedem Fall - somit auch bei einer Verböserung - an seinem Einspruch festhalten würde. Dies ist vorliegend allerdings nicht der Fall. Der Kläger hat sein Anliegen im Einspruchsverfahren zwar engagiert verfolgt, allerdings nicht zu Ausdruck gebracht "um jeden Preis" an dem Einspruch festhalten zu wollen.

24

Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt auch nicht deshalb vor, weil der Kläger den Beklagten nicht auf seinen mehrwöchigen Urlaub hingewiesen hat, damit dieser beim Ablauf des Einspruchsverfahrens darauf Rücksicht nehmen konnte. Ein solcher Hinweis war nicht notwendig. Der Beklagte hätte den Einspruchsführern die Einspruchsentscheidung trotz der Urlaubsabwesenheit nach den obigen Darlegungen bekannt geben und damit das Einspruchsverfahren wirksam abschließen können. Es hätte dem Kläger in einem solchen Fall oblegen, bei einer Versäumung der Klagefrist um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachzusuchen (§ 56 FGO). Mangels vorheriger Anhaltspunkte brauchte der Kläger auch nicht mit einem Verböserungshinweis nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO zu rechnen, was gegebenenfalls eine Pflicht zum Hinweis auf die Urlaubsabwesenheit oder zur Gewährleistung der Möglichkeit der Kenntnisnahme von Schriftstücken des Beklagten ausgelöst hätte. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung konnte der Beklagte vielmehr mit urlaubsbedingten Abwesenheiten der Einspruchsführer rechnen. Dabei liegt die Reisedauer vom 3. Februar bis zum 14. März 2014, und damit von knapp 6 Wochen, nicht so erheblich über dem Üblichen, dass sie eine Hinweispflicht des Klägers gegenüber dem Beklagten oder eine Pflicht zur Gewährleistung der Möglichkeit der Kenntnisnahme von Schriftstücken des Beklagten ausgelöst hätte.

25

Dies wird durch die Grundsätze gestützt, die zum Verschulden bei urlaubsbedingten Abwesenheiten im Rahmen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entwickelt worden sind (§ 110 AO, § 56 FGO). Dabei wird häufig davon ausgegangen, dass der übliche Jahresurlaub von bis zu 6 Wochen noch als kurzfristige Abwesenheit anzusehen ist, ohne grundsätzlich eine Verpflichtung zu besonderen Vorkehrungen zu begründen, um die Kenntnisnahme von Bescheiden sicherzustellen (vgl. Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 110 AO Rn. 14; Kuczynski in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 110 AO Rn. 34, jeweils m. w. N.). Vorliegend ist der Kläger mit seiner Urlaubsreise knapp unter der Grenze von 6 Wochen geblieben, so dass der Grundsatz von Treu und Glauben es ihm - erst Recht - nicht verwehrt, sich auf die Verspätung des Hinweises nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO zu berufen. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ab welcher Abwesenheitsdauer eine Hinweis- oder Vorkehrungspflicht ausgelöst wird.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

27

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO, § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

28

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 115 Abs. 2 FGO).

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(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Vers

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(1)1Wegen der Aufwendungen für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, für die Pflege sowie für einen erhöhten Wäschebedarf können Menschen mit Behinderungen unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 einen Pauschbetrag nach Absatz 3 geltend machen (Behinderten-Pauschbetrag).2Das Wahlrecht kann für die genannten Aufwendungen im jeweiligen Veranlagungszeitraum nur einheitlich ausgeübt werden.

(2) Einen Pauschbetrag erhalten Menschen, deren Grad der Behinderung auf mindestens 20 festgestellt ist, sowie Menschen, die hilflos im Sinne des Absatzes 3 Satz 4 sind.

(3)1Die Höhe des Pauschbetrags nach Satz 2 richtet sich nach dem dauernden Grad der Behinderung.2Als Pauschbetrag werden gewährt bei einem Grad der Behinderung von mindestens:

20384 Euro,
30620 Euro,
40860 Euro,
501 140 Euro,
601 440 Euro,
701 780 Euro,
802 120 Euro,
902 460 Euro,
1002 840 Euro.


3Menschen, die hilflos im Sinne des Satzes 4 sind, Blinde und Taubblinde erhalten einen Pauschbetrag von 7 400 Euro; in diesem Fall kann der Pauschbetrag nach Satz 2 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.4Hilflos ist eine Person, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf.5Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den in Satz 4 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist.

(4)1Personen, denen laufende Hinterbliebenenbezüge bewilligt worden sind, erhalten auf Antrag einen Pauschbetrag von 370 Euro (Hinterbliebenen-Pauschbetrag), wenn die Hinterbliebenenbezüge geleistet werden

1.
nach dem Bundesversorgungsgesetz oder einem anderen Gesetz, das die Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes über Hinterbliebenenbezüge für entsprechend anwendbar erklärt, oder
2.
nach den Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung oder
3.
nach den beamtenrechtlichen Vorschriften an Hinterbliebene eines an den Folgen eines Dienstunfalls verstorbenen Beamten oder
4.
nach den Vorschriften des Bundesentschädigungsgesetzes über die Entschädigung für Schäden an Leben, Körper oder Gesundheit.
2Der Pauschbetrag wird auch dann gewährt, wenn das Recht auf die Bezüge ruht oder der Anspruch auf die Bezüge durch Zahlung eines Kapitals abgefunden worden ist.

(5)1Steht der Behinderten-Pauschbetrag oder der Hinterbliebenen-Pauschbetrag einem Kind zu, für das der Steuerpflichtige Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat, so wird der Pauschbetrag auf Antrag auf den Steuerpflichtigen übertragen, wenn ihn das Kind nicht in Anspruch nimmt.2Dabei ist der Pauschbetrag grundsätzlich auf beide Elternteile je zur Hälfte aufzuteilen, es sei denn, der Kinderfreibetrag wurde auf den anderen Elternteil übertragen.3Auf gemeinsamen Antrag der Eltern ist eine andere Aufteilung möglich.4In diesen Fällen besteht für Aufwendungen, für die der Behinderten-Pauschbetrag gilt, kein Anspruch auf eine Steuerermäßigung nach § 33.5Voraussetzung für die Übertragung nach Satz 1 ist die Angabe der erteilten Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) des Kindes in der Einkommensteuererklärung des Steuerpflichtigen.

(6)1Wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die einem Steuerpflichtigen durch die Pflege einer Person erwachsen, kann er anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 einen Pauschbetrag geltend machen (Pflege-Pauschbetrag), wenn er dafür keine Einnahmen im Kalenderjahr erhält und der Steuerpflichtige die Pflege entweder in seiner Wohnung oder in der Wohnung des Pflegebedürftigen persönlich durchführt und diese Wohnung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat gelegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist.2Zu den Einnahmen nach Satz 1 zählt unabhängig von der Verwendung nicht das von den Eltern eines Kindes mit Behinderungen für dieses Kind empfangene Pflegegeld.3Als Pflege-Pauschbetrag wird gewährt:

1.
bei Pflegegrad 2600 Euro,
2.
bei Pflegegrad 31 100 Euro,
3.
bei Pflegegrad 4 oder 51 800 Euro.
4Ein Pflege-Pauschbetrag nach Satz 3 Nummer 3 wird auch gewährt, wenn die gepflegte Person hilflos im Sinne des § 33b Absatz 3 Satz 4 ist.5Bei erstmaliger Feststellung, Änderung oder Wegfall des Pflegegrads im Laufe des Kalenderjahres ist der Pflege-Pauschbetrag nach dem höchsten Grad zu gewähren, der im Kalenderjahr festgestellt war.6Gleiches gilt, wenn die Person die Voraussetzungen nach Satz 4 erfüllt.7Sind die Voraussetzungen nach Satz 4 erfüllt, kann der Pauschbetrag nach Satz 3 Nummer 1 und 2 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.8Voraussetzung für die Gewährung des Pflege-Pauschbetrags ist die Angabe der erteilten Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) der gepflegten Person in der Einkommensteuererklärung des Steuerpflichtigen.9Wird ein Pflegebedürftiger von mehreren Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum gepflegt, wird der Pflege-Pauschbetrag nach der Zahl der Pflegepersonen, bei denen die Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 vorliegen, geteilt.

(7) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, wie nachzuweisen ist, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Pauschbeträge vorliegen.

(8) Die Vorschrift des § 33b Absatz 6 ist ab Ende des Kalenderjahres 2026 zu evaluieren.

(1) Über den Einspruch entscheidet die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch Einspruchsentscheidung. Ist für den Steuerfall nachträglich eine andere Finanzbehörde zuständig geworden, so entscheidet diese Finanzbehörde; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, hat die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Einer Einspruchsentscheidung bedarf es nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft.

(2a) Die Finanzbehörde kann vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Sie hat in dieser Entscheidung zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll.

(2b) Anhängige Einsprüche, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht abgeholfen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. Sachlich zuständig für den Erlass der Allgemeinverfügung ist die oberste Finanzbehörde. Die Allgemeinverfügung ist im Bundessteuerblatt und auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen zu veröffentlichen. Sie gilt am Tag nach der Herausgabe des Bundessteuerblattes, in dem sie veröffentlicht wird, als bekannt gegeben. Abweichend von § 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung endet die Klagefrist mit Ablauf eines Jahres nach dem Tag der Bekanntgabe. § 63 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung gilt auch, soweit ein Einspruch durch eine Allgemeinverfügung nach Satz 1 zurückgewiesen wurde.

(3) Richtet sich der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, so entscheidet die zuständige Finanzbehörde über den Einspruch. Auch die für die zuständige Finanzbehörde handelnde Behörde ist berechtigt, dem Einspruch abzuhelfen.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1) In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

(2) Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat.

(1) Über den Einspruch entscheidet die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch Einspruchsentscheidung. Ist für den Steuerfall nachträglich eine andere Finanzbehörde zuständig geworden, so entscheidet diese Finanzbehörde; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, hat die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Einer Einspruchsentscheidung bedarf es nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft.

(2a) Die Finanzbehörde kann vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Sie hat in dieser Entscheidung zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll.

(2b) Anhängige Einsprüche, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht abgeholfen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. Sachlich zuständig für den Erlass der Allgemeinverfügung ist die oberste Finanzbehörde. Die Allgemeinverfügung ist im Bundessteuerblatt und auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen zu veröffentlichen. Sie gilt am Tag nach der Herausgabe des Bundessteuerblattes, in dem sie veröffentlicht wird, als bekannt gegeben. Abweichend von § 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung endet die Klagefrist mit Ablauf eines Jahres nach dem Tag der Bekanntgabe. § 63 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung gilt auch, soweit ein Einspruch durch eine Allgemeinverfügung nach Satz 1 zurückgewiesen wurde.

(3) Richtet sich der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, so entscheidet die zuständige Finanzbehörde über den Einspruch. Auch die für die zuständige Finanzbehörde handelnde Behörde ist berechtigt, dem Einspruch abzuhelfen.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

Soweit sich die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ausdrücklich gegen die "fehlerhafte Tatsachenwürdigung" und Rechtsauffassung des Finanzgerichts (FG) wenden, haben sie schon keinen Zulassungsgrund bezeichnet. Mit einer dahin gehenden, der Revision vorbehaltenen Rüge können die Kläger im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht gehört werden (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Juni 2002 IX B 74/01, BFH/NV 2002, 1331).

3

Das angefochtene Urteil leidet auch nicht unter dem von den Klägern geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind Verstöße des FG gegen das Gerichtsverfahrensrecht (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Mai 2010 VIII B 72/09, BFH/NV 2010, 1474, m.w.N.), nicht hingegen der hier gerügte Fehler des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) im außergerichtlichen Vorverfahren, der --jedenfalls nach Auffassung der Kläger-- vor seiner verbösernden Einspruchsentscheidung den nach § 367 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung vorgeschriebenen Hinweis zu Unrecht unterlassen habe. Zwar unterläuft dem FA ein wesentlicher Verfahrensmangel, wenn es eine verbösernde Einspruchsentscheidung ohne Hinweis auf die Verböserungsmöglichkeit erlässt; die Gerichte haben den Betroffenen dann so zu stellen, dass er durch das unrechtmäßige Verhalten keinen Schaden erleidet. Zweck des Hinweises auf eine drohende Verböserung ist es, dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zur Stellungnahme und zur Zurücknahme seines Einspruchs zu geben. Wenn indes für den Steuerpflichtigen --nach einer entsprechenden Aufforderung-- eine Zurücknahme des Rechtsbehelfs nicht in Betracht kommt, er vielmehr --wie die Kläger im Streitfall-- im außergerichtlichen Vorverfahren zusätzliche materiell-rechtliche Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung erhebt und die Herabsetzung der Steuer beantragt, liegt der behauptete Verfahrensfehler des FA schon nicht vor. Vor diesem Hintergrund hat auch das FG im Streitfall nicht i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO verfahrensfehlerhaft entschieden.

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegen den Kläger und Revisionskläger (Kläger) Aussetzungszinsen in Höhe von 168 € fest. Dagegen erhob der Kläger Einspruch. Das FA forderte den Kläger mit Schreiben vom 18. März 2009 auf, seinen Einspruch zu begründen und teilte im Übrigen mit, die Überprüfung nach § 367 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) habe ergeben, dass die Zinsen verbösernd auf 1.181 € festgesetzt werden müssten. In dem Schreiben heißt es u.a. wörtlich:

"Bitte reichen Sie die erforderliche Einspruchsbegründung bis zum 15. April 2009 nach. ...
Ich bitte um Prüfung und Antwort bis zum 15. April 2009.
Ich rege an, dass Sie den Einspruch bis zum 15. April 2009 schriftlich zurücknehmen."

2

Mit Schreiben vom 26. März 2009 begründete der Kläger seinen Einspruch mit einem Satz. Außerdem bat er um Mitteilung, wie die Aussetzungszinsen ermittelt worden seien. Die Zinsfestsetzung sei für ihn nicht nachvollziehbar. Deshalb sei auch eine Einspruchsbegründung "naturgemäß" nicht möglich. Ferner beantragte der Kläger den Erlass der Aussetzungszinsen sowie die Aussetzung der Vollziehung (AdV).

3

Am 30. März 2009 wies das FA den Einspruch zurück und setzte die Aussetzungszinsen auf 1.181 € fest. In der Einspruchsentscheidung heißt es u.a. wörtlich: "Die Einwendungen des Ef. sind unverständlich, im Übrigen jedenfalls vollständig unzutreffend. Sie dienen offensichtlich nur der Vermeidung der Bestandskraft der Zinsfestsetzung."

4

Mit Schreiben vom 15. April 2009, bei dem FA eingegangen am 16. April 2009, erklärte der Kläger, er könne zwar den Sachverhalt nicht verstehen, folge jedoch der Anregung des FA und nehme den Einspruch zurück. Die Einspruchsentscheidung sei aufzuheben. Das FA lehnte die Aufhebung ab und erklärte, die Rücknahme des Einspruchs gehe ins Leere.

5

Dagegen hat der Kläger Klage erhoben, die das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1006 veröffentlichten Urteil abgewiesen hat.

6

Dagegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger die Verletzung von Bundesrecht (Grundsatz von Treu und Glauben) rügt.

7

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung vom 30. März 2009 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

9

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- hier: Aufhebung der verbösernden Einspruchsentscheidung).

11

1. Das FG hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe den Einspruch nicht rechtzeitig zurückgenommen. Aus dem Schreiben des Klägers vom 26. März 2009 habe das FA nur folgern können, dass der Kläger endgültig an seinem Einspruch festhalte. Danach sei das FA an die von ihm selbst gesetzte Frist nicht mehr gebunden gewesen.

12

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig, weil sie vor Ablauf der von dem FA selbst gesetzten Frist erlassen worden ist. Das FG hat dies verkannt. Sein Urteil ist deswegen aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden; die Klage ist begründet. Die im Streitfall unter Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vorzeitig erlassene (verbösernde) Einspruchsentscheidung ist aufzuheben.

13

a) Hat das FA im Einspruchsverfahren eine Frist bestimmt, bis zu der es dem Steuerpflichtigen möglich sein soll, bei Vermeidung der zugleich angedrohten Verböserung den Einspruch zurückzunehmen, so kann ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegen, wenn es gleichwohl vor Ablauf der selbst gesetzten Frist die (verbösernde) Einspruchsentscheidung erlässt.

14

aa) Der im Steuerrechtsverhältnis, einschließlich des Verfahrensrechts uneingeschränkt zu beachtende Grundsatz von Treu und Glauben gebietet es u.a., auf die schutzwürdigen Belange des jeweils anderen Teils Rücksicht zu nehmen und sich insbesondere nicht zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch zu setzen (vgl. nur Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. März 2011 XI R 30/09, BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613, m.w.N.). Schutzwürdig ist der andere Teil, wenn er im berechtigten Vertrauen disponiert oder Dispositionen unterlassen hat (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990). Eine vom FA im Verfahren selbst gesetzte Frist muss beachtet werden. Widerspruchsfrei verhält sich die Behörde nur, wenn sie vor ihrer Entscheidung den Ablauf der selbst gesetzten Frist abwartet, denn die Fristbestimmung schließt die Zusage ein, dass vor Ablauf der Frist nicht entschieden wird.

15

bb) Schutzwürdig ist der Steuerpflichtige, wenn er aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Beteiligten mit einer Entscheidung der Finanzbehörde vor Ablauf der Frist nicht rechnen musste und wenn er sein Verhalten darauf eingestellt hatte. Dazu genügt es, wenn er eine abschließende Äußerung noch nicht abgegeben hat, denn Fristen dürfen ausgeschöpft werden (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Juli 2011 III B 7/10, BFH/NV 2011, 1895). Anders wäre die Rechtslage, wenn der Steuerpflichtige durch sein Verhalten eindeutig zu erkennen gegeben hätte, dass er entweder von der ihm eingeräumten Gelegenheit zur Äußerung keinen Gebrauch machen werde oder hiervon bereits abschließend Gebrauch gemacht habe. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach Maßgabe der Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen aus dem objektiven Empfängerhorizont.

16

b) Nach diesen Grundsätzen war das FA im Streitfall nicht berechtigt, von der selbst gesetzten Frist abzuweichen und schon vor Fristablauf die verbösernde Einspruchsentscheidung zu erlassen.

17

aa) Anders als das FG meint, hatte der Kläger nicht eindeutig zu erkennen gegeben, von der Gelegenheit zur Äußerung und Begründung des Einspruchs keinen Gebrauch mehr machen zu wollen. Zwar hat der Kläger innerhalb der Frist eine Erklärung abgegeben, aus der sich ergeben könnte, dass er von weiteren Äußerungen innerhalb der Frist absehen werde. Diese Schlussfolgerung, die das FG gezogen hat, ist jedoch mit dem eindeutigen Inhalt jenes Schreibens nicht in Übereinstimmung zu bringen und kann den Senat deshalb nicht binden (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Auslegung des Schreibens ergibt vielmehr, dass sich der Kläger eine abschließende Begründung des Einspruchs im Verfahren vorbehalten hatte.

18

Dafür spricht vor allem, dass der Kläger angesichts der divergierenden Berechnungen im ursprünglichen Zinsbescheid und in dem Schreiben vom 18. März 2009 ausdrücklich, wenn auch "hilfsweise" um Erläuterung der Berechnung gebeten und darauf hingewiesen hatte, dass ihm vorher "naturgemäß" die Begründung des Einspruchs nicht möglich sei. Diese Formulierungen können nur so verstanden werden, dass sich der Kläger für den Fall nachträglicher Erläuterung der Berechnungsgrundlagen eine abschließende Stellungnahme vorbehalten wollte. Angesichts dessen kann weder aus der einleitenden Formel ("unseren o.g. Einspruch begründen wir wie folgt") noch aus dem einzigen Begründungssatz oder den abschließenden Anträgen auf Erlass der Zinsen und AdV mit der erforderlichen Sicherheit geschlossen werden, dass sich der Kläger innerhalb der Frist zum Verfahren nicht mehr äußern werde.

19

bb) Entsprechendes gilt für die Frage, ob der Kläger von der Möglichkeit, den Einspruch innerhalb der Frist zurückzunehmen, noch Gebrauch machen wollte. Da dem Kläger wegen fehlender Informationen eine abschließende Begründung des Einspruchs noch nicht möglich erschien, kann sein Schreiben (mit der Bitte um Erläuterung der Berechnungsweise) nur so verstanden werden, dass er sich im Hinblick auf die erbetenen Informationen auch die Rücknahme des Einspruchs noch offenhalten wollte.

20

c) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil wird deshalb aufgehoben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Der im vorzeitigen Erlass der Einspruchsentscheidung liegende Verstoß gegen Treu und Glauben hat zur Folge, dass die Einspruchsentscheidung aufgehoben werden muss, weil der Verfahrensmangel sonst ohne rechtliche Sanktion wäre.

21

aa) Dem steht § 127 AO nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Zwar ist die Einspruchsentscheidung ein Verwaltungsakt und findet § 127 AO auch im Einspruchsverfahren grundsätzlich Anwendung (§ 365 Abs. 1 AO). Die Wertung des § 127 AO, die einen Vorrang der materiellen Richtigkeit vor dem Verfahrensrecht postuliert, schlägt aber nicht durch in Fällen der Verböserung von Steuerbescheiden im Einspruchsverfahren. Der mit dem Einspruch angefochtene Verwaltungsakt darf zum Nachteil des Einspruchsführers nur geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern (§ 367 Abs. 2 Satz 2 AO). Die Pflicht zur vorherigen Anhörung bringt es mit sich, dass die Verböserung durch die jederzeit mögliche Einspruchsrücknahme (§ 362 AO) vermieden werden kann. Durch die einseitige Erklärung, den Einspruch zurückzunehmen, kann der Steuerpflichtige das Rechtsbehelfsverfahren sofort beenden mit der Folge, dass eine Einspruchsentscheidung nicht mehr ergehen darf. Dadurch wird unter Umständen eine materiell unrichtige Entscheidung bestandskräftig. Das Gesetz räumt damit der Gewährung des rechtlichen Gehörs und dem Verfahrensrecht in dieser Situation ausnahmsweise den Vorrang ein vor der materiellen Richtigkeit der Entscheidung. Unterbleibt die in § 367 Abs. 2 Satz 2 AO vorgesehene Anhörung, führt dies zur isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels (vgl. nur BFH-Beschluss vom 3. Juli 2012 IX B 37/12, BFH/NV 2012, 1630).

22

bb) Diese Wertung ist auf den vorliegenden Fall übertragbar. Der Verstoß des FA gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz von Treu und Glauben führt bei beabsichtigter Verböserung im Einspruchsverfahren abweichend von dem Grundsatz des § 127 AO als wesentlicher Verfahrensmangel ebenfalls zur isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidung. Andernfalls bliebe der Verfahrensverstoß sanktionslos; das wäre mit der Wertung des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO nicht vereinbar.

(1) In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

(2) Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat.

(1) Der Einspruch kann bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch zurückgenommen werden. § 357 Abs. 1 und 2 gilt sinngemäß.

(1a) Soweit Besteuerungsgrundlagen für ein Verständigungs- oder ein Schiedsverfahren nach einem Vertrag im Sinne des § 2 von Bedeutung sein können, kann der Einspruch hierauf begrenzt zurückgenommen werden. § 354 Abs. 1a Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Die Rücknahme hat den Verlust des eingelegten Einspruchs zur Folge. Wird nachträglich die Unwirksamkeit der Rücknahme geltend gemacht, so gilt § 110 Abs. 3 sinngemäß.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Über den Einspruch entscheidet die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch Einspruchsentscheidung. Ist für den Steuerfall nachträglich eine andere Finanzbehörde zuständig geworden, so entscheidet diese Finanzbehörde; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, hat die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Einer Einspruchsentscheidung bedarf es nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft.

(2a) Die Finanzbehörde kann vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Sie hat in dieser Entscheidung zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll.

(2b) Anhängige Einsprüche, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht abgeholfen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. Sachlich zuständig für den Erlass der Allgemeinverfügung ist die oberste Finanzbehörde. Die Allgemeinverfügung ist im Bundessteuerblatt und auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen zu veröffentlichen. Sie gilt am Tag nach der Herausgabe des Bundessteuerblattes, in dem sie veröffentlicht wird, als bekannt gegeben. Abweichend von § 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung endet die Klagefrist mit Ablauf eines Jahres nach dem Tag der Bekanntgabe. § 63 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung gilt auch, soweit ein Einspruch durch eine Allgemeinverfügung nach Satz 1 zurückgewiesen wurde.

(3) Richtet sich der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, so entscheidet die zuständige Finanzbehörde über den Einspruch. Auch die für die zuständige Finanzbehörde handelnde Behörde ist berechtigt, dem Einspruch abzuhelfen.

Die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 125 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

Soweit sich die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ausdrücklich gegen die "fehlerhafte Tatsachenwürdigung" und Rechtsauffassung des Finanzgerichts (FG) wenden, haben sie schon keinen Zulassungsgrund bezeichnet. Mit einer dahin gehenden, der Revision vorbehaltenen Rüge können die Kläger im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht gehört werden (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Juni 2002 IX B 74/01, BFH/NV 2002, 1331).

3

Das angefochtene Urteil leidet auch nicht unter dem von den Klägern geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind Verstöße des FG gegen das Gerichtsverfahrensrecht (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Mai 2010 VIII B 72/09, BFH/NV 2010, 1474, m.w.N.), nicht hingegen der hier gerügte Fehler des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) im außergerichtlichen Vorverfahren, der --jedenfalls nach Auffassung der Kläger-- vor seiner verbösernden Einspruchsentscheidung den nach § 367 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung vorgeschriebenen Hinweis zu Unrecht unterlassen habe. Zwar unterläuft dem FA ein wesentlicher Verfahrensmangel, wenn es eine verbösernde Einspruchsentscheidung ohne Hinweis auf die Verböserungsmöglichkeit erlässt; die Gerichte haben den Betroffenen dann so zu stellen, dass er durch das unrechtmäßige Verhalten keinen Schaden erleidet. Zweck des Hinweises auf eine drohende Verböserung ist es, dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zur Stellungnahme und zur Zurücknahme seines Einspruchs zu geben. Wenn indes für den Steuerpflichtigen --nach einer entsprechenden Aufforderung-- eine Zurücknahme des Rechtsbehelfs nicht in Betracht kommt, er vielmehr --wie die Kläger im Streitfall-- im außergerichtlichen Vorverfahren zusätzliche materiell-rechtliche Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung erhebt und die Herabsetzung der Steuer beantragt, liegt der behauptete Verfahrensfehler des FA schon nicht vor. Vor diesem Hintergrund hat auch das FG im Streitfall nicht i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO verfahrensfehlerhaft entschieden.

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegen den Kläger und Revisionskläger (Kläger) Aussetzungszinsen in Höhe von 168 € fest. Dagegen erhob der Kläger Einspruch. Das FA forderte den Kläger mit Schreiben vom 18. März 2009 auf, seinen Einspruch zu begründen und teilte im Übrigen mit, die Überprüfung nach § 367 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) habe ergeben, dass die Zinsen verbösernd auf 1.181 € festgesetzt werden müssten. In dem Schreiben heißt es u.a. wörtlich:

"Bitte reichen Sie die erforderliche Einspruchsbegründung bis zum 15. April 2009 nach. ...
Ich bitte um Prüfung und Antwort bis zum 15. April 2009.
Ich rege an, dass Sie den Einspruch bis zum 15. April 2009 schriftlich zurücknehmen."

2

Mit Schreiben vom 26. März 2009 begründete der Kläger seinen Einspruch mit einem Satz. Außerdem bat er um Mitteilung, wie die Aussetzungszinsen ermittelt worden seien. Die Zinsfestsetzung sei für ihn nicht nachvollziehbar. Deshalb sei auch eine Einspruchsbegründung "naturgemäß" nicht möglich. Ferner beantragte der Kläger den Erlass der Aussetzungszinsen sowie die Aussetzung der Vollziehung (AdV).

3

Am 30. März 2009 wies das FA den Einspruch zurück und setzte die Aussetzungszinsen auf 1.181 € fest. In der Einspruchsentscheidung heißt es u.a. wörtlich: "Die Einwendungen des Ef. sind unverständlich, im Übrigen jedenfalls vollständig unzutreffend. Sie dienen offensichtlich nur der Vermeidung der Bestandskraft der Zinsfestsetzung."

4

Mit Schreiben vom 15. April 2009, bei dem FA eingegangen am 16. April 2009, erklärte der Kläger, er könne zwar den Sachverhalt nicht verstehen, folge jedoch der Anregung des FA und nehme den Einspruch zurück. Die Einspruchsentscheidung sei aufzuheben. Das FA lehnte die Aufhebung ab und erklärte, die Rücknahme des Einspruchs gehe ins Leere.

5

Dagegen hat der Kläger Klage erhoben, die das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1006 veröffentlichten Urteil abgewiesen hat.

6

Dagegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger die Verletzung von Bundesrecht (Grundsatz von Treu und Glauben) rügt.

7

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung vom 30. März 2009 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

9

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- hier: Aufhebung der verbösernden Einspruchsentscheidung).

11

1. Das FG hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe den Einspruch nicht rechtzeitig zurückgenommen. Aus dem Schreiben des Klägers vom 26. März 2009 habe das FA nur folgern können, dass der Kläger endgültig an seinem Einspruch festhalte. Danach sei das FA an die von ihm selbst gesetzte Frist nicht mehr gebunden gewesen.

12

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig, weil sie vor Ablauf der von dem FA selbst gesetzten Frist erlassen worden ist. Das FG hat dies verkannt. Sein Urteil ist deswegen aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden; die Klage ist begründet. Die im Streitfall unter Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vorzeitig erlassene (verbösernde) Einspruchsentscheidung ist aufzuheben.

13

a) Hat das FA im Einspruchsverfahren eine Frist bestimmt, bis zu der es dem Steuerpflichtigen möglich sein soll, bei Vermeidung der zugleich angedrohten Verböserung den Einspruch zurückzunehmen, so kann ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegen, wenn es gleichwohl vor Ablauf der selbst gesetzten Frist die (verbösernde) Einspruchsentscheidung erlässt.

14

aa) Der im Steuerrechtsverhältnis, einschließlich des Verfahrensrechts uneingeschränkt zu beachtende Grundsatz von Treu und Glauben gebietet es u.a., auf die schutzwürdigen Belange des jeweils anderen Teils Rücksicht zu nehmen und sich insbesondere nicht zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch zu setzen (vgl. nur Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. März 2011 XI R 30/09, BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613, m.w.N.). Schutzwürdig ist der andere Teil, wenn er im berechtigten Vertrauen disponiert oder Dispositionen unterlassen hat (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990). Eine vom FA im Verfahren selbst gesetzte Frist muss beachtet werden. Widerspruchsfrei verhält sich die Behörde nur, wenn sie vor ihrer Entscheidung den Ablauf der selbst gesetzten Frist abwartet, denn die Fristbestimmung schließt die Zusage ein, dass vor Ablauf der Frist nicht entschieden wird.

15

bb) Schutzwürdig ist der Steuerpflichtige, wenn er aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Beteiligten mit einer Entscheidung der Finanzbehörde vor Ablauf der Frist nicht rechnen musste und wenn er sein Verhalten darauf eingestellt hatte. Dazu genügt es, wenn er eine abschließende Äußerung noch nicht abgegeben hat, denn Fristen dürfen ausgeschöpft werden (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Juli 2011 III B 7/10, BFH/NV 2011, 1895). Anders wäre die Rechtslage, wenn der Steuerpflichtige durch sein Verhalten eindeutig zu erkennen gegeben hätte, dass er entweder von der ihm eingeräumten Gelegenheit zur Äußerung keinen Gebrauch machen werde oder hiervon bereits abschließend Gebrauch gemacht habe. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach Maßgabe der Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen aus dem objektiven Empfängerhorizont.

16

b) Nach diesen Grundsätzen war das FA im Streitfall nicht berechtigt, von der selbst gesetzten Frist abzuweichen und schon vor Fristablauf die verbösernde Einspruchsentscheidung zu erlassen.

17

aa) Anders als das FG meint, hatte der Kläger nicht eindeutig zu erkennen gegeben, von der Gelegenheit zur Äußerung und Begründung des Einspruchs keinen Gebrauch mehr machen zu wollen. Zwar hat der Kläger innerhalb der Frist eine Erklärung abgegeben, aus der sich ergeben könnte, dass er von weiteren Äußerungen innerhalb der Frist absehen werde. Diese Schlussfolgerung, die das FG gezogen hat, ist jedoch mit dem eindeutigen Inhalt jenes Schreibens nicht in Übereinstimmung zu bringen und kann den Senat deshalb nicht binden (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Auslegung des Schreibens ergibt vielmehr, dass sich der Kläger eine abschließende Begründung des Einspruchs im Verfahren vorbehalten hatte.

18

Dafür spricht vor allem, dass der Kläger angesichts der divergierenden Berechnungen im ursprünglichen Zinsbescheid und in dem Schreiben vom 18. März 2009 ausdrücklich, wenn auch "hilfsweise" um Erläuterung der Berechnung gebeten und darauf hingewiesen hatte, dass ihm vorher "naturgemäß" die Begründung des Einspruchs nicht möglich sei. Diese Formulierungen können nur so verstanden werden, dass sich der Kläger für den Fall nachträglicher Erläuterung der Berechnungsgrundlagen eine abschließende Stellungnahme vorbehalten wollte. Angesichts dessen kann weder aus der einleitenden Formel ("unseren o.g. Einspruch begründen wir wie folgt") noch aus dem einzigen Begründungssatz oder den abschließenden Anträgen auf Erlass der Zinsen und AdV mit der erforderlichen Sicherheit geschlossen werden, dass sich der Kläger innerhalb der Frist zum Verfahren nicht mehr äußern werde.

19

bb) Entsprechendes gilt für die Frage, ob der Kläger von der Möglichkeit, den Einspruch innerhalb der Frist zurückzunehmen, noch Gebrauch machen wollte. Da dem Kläger wegen fehlender Informationen eine abschließende Begründung des Einspruchs noch nicht möglich erschien, kann sein Schreiben (mit der Bitte um Erläuterung der Berechnungsweise) nur so verstanden werden, dass er sich im Hinblick auf die erbetenen Informationen auch die Rücknahme des Einspruchs noch offenhalten wollte.

20

c) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil wird deshalb aufgehoben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Der im vorzeitigen Erlass der Einspruchsentscheidung liegende Verstoß gegen Treu und Glauben hat zur Folge, dass die Einspruchsentscheidung aufgehoben werden muss, weil der Verfahrensmangel sonst ohne rechtliche Sanktion wäre.

21

aa) Dem steht § 127 AO nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Zwar ist die Einspruchsentscheidung ein Verwaltungsakt und findet § 127 AO auch im Einspruchsverfahren grundsätzlich Anwendung (§ 365 Abs. 1 AO). Die Wertung des § 127 AO, die einen Vorrang der materiellen Richtigkeit vor dem Verfahrensrecht postuliert, schlägt aber nicht durch in Fällen der Verböserung von Steuerbescheiden im Einspruchsverfahren. Der mit dem Einspruch angefochtene Verwaltungsakt darf zum Nachteil des Einspruchsführers nur geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern (§ 367 Abs. 2 Satz 2 AO). Die Pflicht zur vorherigen Anhörung bringt es mit sich, dass die Verböserung durch die jederzeit mögliche Einspruchsrücknahme (§ 362 AO) vermieden werden kann. Durch die einseitige Erklärung, den Einspruch zurückzunehmen, kann der Steuerpflichtige das Rechtsbehelfsverfahren sofort beenden mit der Folge, dass eine Einspruchsentscheidung nicht mehr ergehen darf. Dadurch wird unter Umständen eine materiell unrichtige Entscheidung bestandskräftig. Das Gesetz räumt damit der Gewährung des rechtlichen Gehörs und dem Verfahrensrecht in dieser Situation ausnahmsweise den Vorrang ein vor der materiellen Richtigkeit der Entscheidung. Unterbleibt die in § 367 Abs. 2 Satz 2 AO vorgesehene Anhörung, führt dies zur isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels (vgl. nur BFH-Beschluss vom 3. Juli 2012 IX B 37/12, BFH/NV 2012, 1630).

22

bb) Diese Wertung ist auf den vorliegenden Fall übertragbar. Der Verstoß des FA gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz von Treu und Glauben führt bei beabsichtigter Verböserung im Einspruchsverfahren abweichend von dem Grundsatz des § 127 AO als wesentlicher Verfahrensmangel ebenfalls zur isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidung. Andernfalls bliebe der Verfahrensverstoß sanktionslos; das wäre mit der Wertung des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO nicht vereinbar.

(1) Über den Einspruch entscheidet die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch Einspruchsentscheidung. Ist für den Steuerfall nachträglich eine andere Finanzbehörde zuständig geworden, so entscheidet diese Finanzbehörde; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, hat die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Einer Einspruchsentscheidung bedarf es nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft.

(2a) Die Finanzbehörde kann vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Sie hat in dieser Entscheidung zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll.

(2b) Anhängige Einsprüche, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht abgeholfen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. Sachlich zuständig für den Erlass der Allgemeinverfügung ist die oberste Finanzbehörde. Die Allgemeinverfügung ist im Bundessteuerblatt und auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen zu veröffentlichen. Sie gilt am Tag nach der Herausgabe des Bundessteuerblattes, in dem sie veröffentlicht wird, als bekannt gegeben. Abweichend von § 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung endet die Klagefrist mit Ablauf eines Jahres nach dem Tag der Bekanntgabe. § 63 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung gilt auch, soweit ein Einspruch durch eine Allgemeinverfügung nach Satz 1 zurückgewiesen wurde.

(3) Richtet sich der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, so entscheidet die zuständige Finanzbehörde über den Einspruch. Auch die für die zuständige Finanzbehörde handelnde Behörde ist berechtigt, dem Einspruch abzuhelfen.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben

1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post,
2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.

(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.

(7) Betreffen Verwaltungsakte

1.
Ehegatten oder Lebenspartner oder
2.
Ehegatten mit ihren Kindern, Lebenspartner mit ihren Kindern oder Alleinstehende mit ihren Kindern,
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.

(1) Der Einspruch kann bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch zurückgenommen werden. § 357 Abs. 1 und 2 gilt sinngemäß.

(1a) Soweit Besteuerungsgrundlagen für ein Verständigungs- oder ein Schiedsverfahren nach einem Vertrag im Sinne des § 2 von Bedeutung sein können, kann der Einspruch hierauf begrenzt zurückgenommen werden. § 354 Abs. 1a Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Die Rücknahme hat den Verlust des eingelegten Einspruchs zur Folge. Wird nachträglich die Unwirksamkeit der Rücknahme geltend gemacht, so gilt § 110 Abs. 3 sinngemäß.

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Finanzbehörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.

(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.

(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.

(1) Soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuer eingetreten sind, kann sie vorläufig festgesetzt werden. Diese Regelung ist auch anzuwenden, wenn

1.
ungewiss ist, ob und wann Verträge mit anderen Staaten über die Besteuerung (§ 2), die sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken, für die Steuerfestsetzung wirksam werden,
2.
das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit eines Steuergesetzes mit dem Grundgesetz festgestellt hat und der Gesetzgeber zu einer Neuregelung verpflichtet ist,
2a.
sich auf Grund einer Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union ein Bedarf für eine gesetzliche Neuregelung ergeben kann,
3.
die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Gerichtshof der Europäischen Union, dem Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht ist oder
4.
die Auslegung eines Steuergesetzes Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesfinanzhof ist.
Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind anzugeben. Unter den Voraussetzungen der Sätze 1 oder 2 kann die Steuerfestsetzung auch gegen oder ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt werden.

(2) Soweit die Finanzbehörde eine Steuer vorläufig festgesetzt hat, kann sie die Festsetzung aufheben oder ändern. Wenn die Ungewissheit beseitigt ist, ist eine vorläufige Steuerfestsetzung aufzuheben, zu ändern oder für endgültig zu erklären; eine ausgesetzte Steuerfestsetzung ist nachzuholen. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 4 endet die Ungewissheit, sobald feststeht, dass die Grundsätze der Entscheidung des Bundesfinanzhofs über den entschiedenen Einzelfall hinaus allgemein anzuwenden sind. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 muss eine vorläufige Steuerfestsetzung nach Satz 2 nur auf Antrag des Steuerpflichtigen für endgültig erklärt werden, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist.

(3) Die vorläufige Steuerfestsetzung kann mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung verbunden werden.

(1) Über den Einspruch entscheidet die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch Einspruchsentscheidung. Ist für den Steuerfall nachträglich eine andere Finanzbehörde zuständig geworden, so entscheidet diese Finanzbehörde; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, hat die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Einer Einspruchsentscheidung bedarf es nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft.

(2a) Die Finanzbehörde kann vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Sie hat in dieser Entscheidung zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll.

(2b) Anhängige Einsprüche, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht abgeholfen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. Sachlich zuständig für den Erlass der Allgemeinverfügung ist die oberste Finanzbehörde. Die Allgemeinverfügung ist im Bundessteuerblatt und auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen zu veröffentlichen. Sie gilt am Tag nach der Herausgabe des Bundessteuerblattes, in dem sie veröffentlicht wird, als bekannt gegeben. Abweichend von § 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung endet die Klagefrist mit Ablauf eines Jahres nach dem Tag der Bekanntgabe. § 63 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung gilt auch, soweit ein Einspruch durch eine Allgemeinverfügung nach Satz 1 zurückgewiesen wurde.

(3) Richtet sich der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, so entscheidet die zuständige Finanzbehörde über den Einspruch. Auch die für die zuständige Finanzbehörde handelnde Behörde ist berechtigt, dem Einspruch abzuhelfen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob eine Umsatzsteuerfestsetzung gegen Treu und Glauben verstößt.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Diplom-Psychologin und betreibt eine psychotherapeutische Praxis. Daneben erstellt sie für Familiengerichte psychologische Gutachten zur Frage des Sorge- und Umgangsrechts, in denen auch die Frage nach der Erziehungsfähigkeit eines Elternteils oder beider Elternteile zu beurteilen sein kann, sowie aussagepsychologische Gutachten in Strafverfahren für die Staatsanwaltschaft oder auch für Familiengerichte, die die Feststellung der Aussagetüchtigkeit eines meist kindlichen Zeugen sowie die Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit einer Aussage zum Gegenstand haben.

3

Auf telefonische Anfragen der Klägerin und nach Vorlage zweier von ihr erstellter Gutachten erteilte ihr ein Mitarbeiter des Veranlagungsbezirks des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt --FA--) unter dem 2. Januar 1997 folgende schriftliche Auskunft:

4

"Sehr geehrte Frau ...,

die Voraussetzung der Steuerfreiheit für Gerichtsgutachten ist die Annahme einer 'ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit'. Voraussetzung ist hierfür u.a. bei nichtärztlichen Psychotherapeuten das Vorliegen einer Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 HeilpraktG und diese damit der staatlichen Überprüfung unterliegen. Die erforderliche Erlaubnis wurde von Ihnen bereits vorgelegt. Die Erstellung von Gutachten für Gerichte stellt bei Ärzten und Heilpraktikern eine 'heilberufliche Tätigkeit' im Sinne des Absch. 88 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 Umsatzsteuerrichtlinien dar. Die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz ist nach Aktenlage also gegeben.

Eine verbindliche Auskunft kann ich Ihnen leider nicht erteilen, da die Voraussetzungen nach § 204 der Abgabenordnung nicht erfüllt sind."

5

Die Klägerin stellte nachfolgend die Rechnungen über ihre Gutachtertätigkeit ohne Ausweis von Umsatzsteuer aus und gab keine Umsatzsteuererklärungen ab.

6

Bei der Einkommensteuerveranlagung für 2002 vermerkte der Sachbearbeiter des FA auf der Einnahmen-Überschussrechnung der Klägerin vom 10. März 2003 bei den erklärten Einnahmen aus schriftlichen Gutachten "USt-Pflicht?", nahm bei den erklärten Ausgaben (Kfz-Kosten 95 %, Bewirtungskosten 80 %, Telefon und Geschenke) Anmerkungen vor und brachte den Vermerk "Bp melden!" an.

7

Im April 2003 meldete der veranlagende Teilbezirk des FA den Steuerfall der zuständigen Betriebsprüfungsstelle zur Durchführung einer Außenprüfung und erhielt im Mai 2003 die Antwort, eine Prüfung (für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004) sei für das Kalenderjahr 2006 vorgemerkt.

8

Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 9. März 2006 fand bei der Klägerin im Frühjahr/Sommer 2006 eine Außenprüfung statt, die sich auf die Veranlagungszeiträume für 2002 bis 2004 bezog und auch die Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuer umfasste.

9

Die Betriebsprüferin kam hinsichtlich der Gutachtertätigkeit der Klägerin zu der Auffassung, dass diese umsatzsteuerpflichtig sei. Nach eigenen Angaben der Klägerin bestehe die Kernaussage ihrer Gutachten u.a. in der Stellungnahme über die Erziehungsfähigkeit eines Elternteils oder die Aussagetüchtigkeit eines zu beurteilenden Kindes. Die ggf. ausgesprochenen therapeutischen Empfehlungen seien nicht Hauptzweck des ihr vom Gericht erteilten Auftrags. Da ein therapeutisches Ziel, also die medizinische Betreuung bei ihrer Tätigkeit als Gerichtssachverständige nicht im Vordergrund stehe, liege eine umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit vor (Hinweis auf die Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 13. Februar 2001 IV D I -S 7170- 4/01, BStBl I 2001, 157, und vom 8. November 2001 IV D I -S 7170- 201/01, BStBl I 2001, 826).

10

Das FA folgte der Auffassung der Betriebsprüferin und erließ am 1. Februar 2007 erstmalige Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2004. Den hiergegen eingelegten Einspruch, mit dem die Klägerin im Wesentlichen einen Verstoß gegen Treu und Glauben geltend machte, wies das FA für das Jahr 2004 (Streitjahr) mit Einspruchsentscheidung vom 29. November 2007 als unbegründet zurück, nachdem es die Einspruchsverfahren hinsichtlich der Jahre 2002 und 2003 antragsgemäß zum Ruhen gebracht hatte.

11

Das Finanzgericht (FG) hob den Umsatzsteuerbescheid für 2004 und die Einspruchsentscheidung auf. Es führte zur Begründung aus:

12

Das FA habe zwar die gutachtliche Tätigkeit der Klägerin zutreffend als umsatzsteuerpflichtig angesehen, weil dabei ein therapeutisches Ziel jedenfalls nicht im Vordergrund gestanden habe (Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 14. September 2000 Rs. C-384/98 --D--, Slg. 2000, I-6795, BFH/NV Beilage 2001, 31, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2000, 918; BMF-Schreiben in BStBl I 2001, 157). Das FA sei aber dennoch an der angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert.

13

Die Klägerin könne sich zwar nicht allein aufgrund der Auskunft vom 2. Januar 1997 auf Vertrauensschutz berufen. Ebenso könne sie sich nicht allein wegen der Nichtbesteuerung ihrer Umsätze in den Jahren 1997 bis 2001 entsprechend dieser Auskunft auf Vertrauensschutz berufen. Auch allein aus dem Unterlassen eines Hinweises durch den Veranlagungsbezirk im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2002 an die Klägerin, dass nunmehr die Umsatzsteuerpflicht ihrer Gutachtertätigkeit in Frage stehe, sei kein Vertrauensschutz für die Klägerin gegeben. Schließlich ergebe sich auch kein Vertrauensschutz für die Klägerin allein aus dem Umstand, dass die Veranlagungen für 2002 bis 2004 ebenfalls ohne Aufforderung durch das FA, Umsatzsteuererklärungen einzureichen, durchgeführt wurden. Vertrauensschutz könne die Klägerin aber aus dem Zusammenwirken dieser Umstände beanspruchen.

14

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2009, 630 veröffentlicht.

15

Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht das FA im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des FG seien die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Vertrauenstatbestand --auch im Zusammenwirken aller Umstände-- im Streitfall nicht gegeben.

16

Das FA beantragt,

die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

17

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

18

Sie führt zur Begründung im Einzelnen aus, bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aller hier entscheidungserheblichen Umstände sei der Tatbestand von Treu und Glauben erfüllt und stehe der streitigen Umsatzsteuer-Nachforderung für 2004 entgegen, wie das FG zutreffend dargelegt habe.

19

Hierzu macht sie u.a. geltend, sie, die Klägerin, treffe kein Mitverschulden, das die Schutzwürdigkeit ihres Vertrauens beeinträchtige. Sie habe eine Meinungsänderung des FA frühestens seit Erhalt der Prüfungsanordnung vom 9. März 2006 erahnen können. Zudem sei es um reine Rechtsfragen gegangen, deren Klärung allein Sache des FA gewesen sei. Ihre Mitwirkungspflichten und die ihrer Bevollmächtigten hätten sich auf die hier von Anfang an völlig unproblematische Sachaufklärung beschränkt.

20

Im Übrigen sei bei der Gewichtung der beiderseitigen Pflichten zu berücksichtigen, dass hier ein Umsatzsteuer-Rechtsverhältnis zu beurteilen sei, bei dem sie mit Rücksicht auf ihre Indienstnahme im öffentlichen Interesse in besonderem Maße schutzwürdig (gewesen) sei.

21

Auf ein Billigkeitsverfahren --das vorliegend abredegemäß ruhe-- könne sie nicht verwiesen werden.

Entscheidungsgründe

22

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat den Grundsatz von Treu und Glauben, auf den es seine Entscheidung gestützt hat, nicht rechtsfehlerfrei angewendet.

23

1. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Erstellung der psychologischen Gutachten der Klägerin nicht nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei ist, da ein therapeutisches Ziel bei diesen Gutachten jedenfalls nicht im Vordergrund steht.

24

a) Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind "die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker" steuerfrei.

25

§ 4 Nr. 14 Satz 1 UStG ist richtlinienkonform restriktiv dahin auszulegen, dass nur Tätigkeiten zur Diagnose, Behandlung und --soweit möglich-- Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen steuerfrei sind (vgl. z.B. EuGH-Urteil --D-- in Slg. 2000, I-6795, BFH/NV Beilage 2001, 31, HFR 2000, 918; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Dezember 2000 V R 54/98, BFHE 194, 275, unter II.3.a aa; BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 27/03, BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862, unter II.2.; vom 30. Januar 2008 XI R 53/06, BFHE 221, 399, BStBl II 2008, 647, unter II.2.a).

26

b) Diese Voraussetzung ist bei Gutachten der vorliegenden Art nicht gegeben (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Juli 2007 V B 98/06, BFHE 217, 94, BStBl II 2008, 35, unter II.2.; BFH-Urteil vom 8. Oktober 2008 V R 32/07, BFHE 222, 184, BStBl II 2009, 429). Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

27

2. Zutreffend ist das FG ferner davon ausgegangen, dass ein FA nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert sein kann, einen nach dem Gesetz entstandenen Steueranspruch geltend zu machen. Dies kann der Steuerpflichtige (bereits) gegenüber einer Steuerfestsetzung geltend machen; eines gesonderten Billigkeitsverfahrens bedarf es dazu entgegen der Auffassung des FA (ebenso Reuß, EFG 2009, 633, 635) nicht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274, unter 2.).

28

a) Der auch für das Besteuerungsverfahren geltende allgemeine Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben gebietet, dass im konkreten Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem früheren Verhalten, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er in irreparabler Weise disponiert hat, nicht in Widerspruch setzt (vgl. BFH-Urteile vom 9. August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990; vom 8. Februar 1996 V R 54/94, BFH/NV 1996, 733).

29

Er verdrängt jedoch gesetztes Recht --wie im Streitfall die Umsatzsteuerpflicht der Tätigkeit der Klägerin-- nur in besonders liegenden Fällen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in so hohem Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen (vgl. BFH-Urteile vom 25. Oktober 1977 VII R 5/74, BFHE 124, 105, 107, BStBl II 1978, 274; vom 5. Februar 1980 VII R 101/77, BFHE 130, 90, 95; in BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990, unter II.1.; vom 29. November 2000 X R 25/97, BFH/NV 2001, 1013, unter II.2.a).

30

b) Dies kommt nur dann in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, unter 1.; BFH-Beschluss vom 26. November 2001 V B 88/00, BFH/NV 2002, 551, unter II.1.b; BFH-Urteile vom 29. April 2008 VIII R 75/05, BFHE 221, 136, BStBl II 2008, 817, unter II.2.e; vom 14. Januar 2010 IV R 86/06, BFH/NV 2010, 1096, unter II.5.).

31

3. Der Klägerin ist keine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden. Das wäre nur dann der Fall, wenn sie eine verbindliche Zusage beantragt und das FA eine solche ohne Einschränkung oder Vorbehalte erteilt hätte (vgl. BFH-Urteile vom 17. September 1992 IV R 39/90, BFHE 169, 290, BStBl II 1993, 218; vom 14. September 1994 I R 125/93, BFH/NV 1995, 369, unter 1.b; vom 16. November 2005 X R 3/04, BFHE 211, 30, BStBl II 2006, 155, unter II.2.i). Jedenfalls letztere Voraussetzung liegt hier nicht vor.

32

Das FA hat in dem Schreiben vom 2. Januar 1997 keine verbindliche Auskunft erteilt. Das ergibt sich eindeutig aus dem Zusatz, dass eine verbindliche Auskunft leider nicht erteilt werden könne. Der Auffassung der Klägerin, dabei handele es sich lediglich um eine floskelhafte Einschränkung, so dass die Auskunft --jedenfalls im Zusammenwirken mit anderen Umständen-- als verbindlich angesehen werden könne, vermag der Senat nicht zu folgen. Vielmehr kann das Schreiben vom 2. Januar 1997 nach seinem objektiven Erklärungswert (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) aus Empfängersicht eindeutig nur als unverbindliche Auskunft verstanden werden.

33

Für dieses Verständnis ist ohne Belang, ob die Voraussetzungen zur Erteilung einer verbindlichen Zusage nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 24. Juni 1987 (BStBl I 1987, 474) vorlagen oder leicht hätten geschaffen werden können oder ob --wie das FG meint-- das FA zu einer dahingehenden Beratung gemäß § 89 der Abgabenordnung verpflichtet war.

34

Unerheblich für die Würdigung des Schreibens vom 2. Januar 1997 als unverbindliche Auskunft sind ferner --entgegen der Auffassung der Klägerin-- die Begleitumstände (alleinige Initiative der Klägerin, erkennbare Dringlichkeit einer verlässlichen Äußerung, fortwährendes Angewiesensein der Klägerin auf die Richtigkeit der erteilten Auskunft für eine zutreffende Rechnungserteilung).

35

4. Das FA hat durch sein Verhalten nicht außerhalb einer verbindlichen Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen, und zwar --entgegen der Auffassung des FG-- auch nicht im Zusammenwirken der verschiedenen vom FG dafür genannten Umstände.

36

a) Ein Vertrauenstatbestand besteht in einem bestimmten Verhalten des einen Teils, aufgrund dessen der andere bei objektiver Beurteilung annehmen konnte, jener werde an seiner Position oder seinem Verhalten konsequent und auf Dauer festhalten (vgl. BFH-Urteile vom 26. April 1995 XI R 81/93, BFHE 178, 4, BStBl II 1995, 754, unter II.5.a; vom 15. Dezember 1999 XI R 11/99, BFH/NV 2000, 708, unter II.1.).

37

b) Die Klägerin konnte nicht davon ausgehen, das FA werde an seiner im Schreiben vom 2. Januar 1997 vertretenen Rechtsauffassung auf Dauer festhalten. Denn die Auskunft, dass nach Aktenlage die Umsatzsteuerfreiheit für die Gutachtertätigkeit gemäß § 4 Nr. 14 UStG und Abschn. 88 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) gegeben sei, stand wegen der Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung offensichtlich unter dem Vorbehalt, dass sich die Rechtslage nicht änderte - was hier aber der Fall war.

38

aa) Es entspricht dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der Abschnittsbesteuerung, dass das FA in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen hat. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muss es zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgeben; dies grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte. Dies gilt auch dann, wenn die --fehlerhafte-- Auffassung im Prüfungsbericht niedergelegt worden ist oder wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hatte. Das FA ist an eine bei einer früheren Veranlagung zugrunde gelegten Rechtsauffassung auch dann nicht gebunden, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert hat (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Juli 2006 IV B 9/05, BFH/NV 2006, 2028, m.w.N.).

39

bb) Hinsichtlich der Umsatzsteuerfreiheit ärztlicher Gutachten nach § 4 Nr. 14 UStG ist nach dem 2. Januar 1997 eine Rechtsänderung eingetreten.

40

(1) Wie in dem Schreiben des FA vom 2. Januar 1997 zutreffend ausgeführt wurde, stellte nach damaliger Rechtsauffassung und Besteuerungspraxis die Erstellung von Gutachten für Gerichte bei Ärzten und Heilpraktikern eine "heilberufliche Tätigkeit" i.S. des Abschn. 88 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 der seinerzeit geltenden UStR 1996 dar.

41

Nach Abschn. 88 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 UStR fiel unter die Tätigkeit als Arzt i.S. des § 4 Nr. 14 UStG "die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens - auch lediglich auf der Grundlage der Akten - über den Gesundheitszustand eines Menschen oder über den Kausalzusammenhang zwischen einem rechtserheblichen Tatbestand und einer Gesundheitsstörung oder zwischen einer früheren Erkrankung und dem jetzigen körperlichen oder seelischen Zustand sowie über die Tatsache oder Ursache des Todes".

42

(2) Im Jahr 2000 hat aber der EuGH --wie bereits dargelegt-- in seinem Urteil --D-- in Slg. 2000, I-6795, BFH/NV Beilage 2001, 31, HFR 2000, 918 entschieden, der Begriff der "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern könne nicht so ausgelegt werden, dass er medizinische Eingriffe umfasse, die zu einem anderen Zweck als dem der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen durchgeführt würden (Rz 18); gemäß dem Grundsatz, dass sämtliche Bestimmungen zur Einführung einer Umsatzsteuerbefreiung eng auszulegen seien, müssten die Leistungen, die keinem solchen therapeutischen Ziel dienen, vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung ausgeschlossen werden (Rz 19).

43

(3) Daraufhin hat das BMF mit Schreiben in BStBl I 2001, 157 unter Hinweis auf dieses EuGH-Urteil u.a. ausgeführt, abweichend von Abschn. 88 Abs. 3 Nrn. 1, 2 und 4 UStR sei die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens nur dann nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei, wenn ein therapeutisches Ziel im Vordergrund stehe. In der nachfolgenden beispielhaften Aufzählung der nicht (mehr) unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG fallenden Gutachten sind sämtliche Gutachten genannt, die von der Finanzverwaltung in Abschn. 88 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 UStR 1996 (bislang) als steuerfrei angesehen wurden.

44

Mit weiterem Schreiben in BStBl I 2001, 826 hat das BMF u.a. ergänzt, dass auch Gutachten über den Kausalzusammenhang zwischen einem rechtserheblichen Tatbestand und einer Gesundheitsstörung abweichend von Abschn. 88 Abs. 3 Nr. 1 UStR grundsätzlich nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG fallen.

45

Die Auffassung der Klägerin, bei der Verwaltung habe sich die veränderte Rechtsanschauung erst mit der Neufassung der UStR für 2005 "erkennbar und eindeutig durchgesetzt", ist vor diesem Hintergrund nicht haltbar.

46

cc) Würde diese Rechtsänderung nicht auf die Umsatzbesteuerung der Klägerin angewendet, verstieße dies nicht nur gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit, sondern auch gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, weil die Bevorzugung eines Steuerpflichtigen entgegen den gesetzlichen Vorschriften für alle anderen Steuerpflichtigen, die dem Gesetz entsprechend behandelt werden, eine Benachteiligung bedeutet (vgl. BFH-Urteil vom 16. Juli 1964 V 92/61 S, BFHE 80, 446, BStBl III 1964, 634).

47

c) Entgegen der Auffassung des FG hat das FA die Klägerin nicht dadurch in ihrem Vertrauen auf die Auskunft vom 2. Januar 1997 und die entsprechenden Veranlagungen bestärkt und zu entsprechenden weiteren Dispositionen veranlasst, dass der Veranlagungsbeamte des FA die Klägerin auf die in Frage stehende Umsatzsteuerpflicht ihrer gutachtlichen Tätigkeit nicht hingewiesen hat.

48

Denn da die Klägerin von den (internen) Bedenken des Veranlagungsbeamten hinsichtlich der Umsatzsteuerfreiheit ihrer Tätigkeit keine Kenntnis erhielt --worauf sie in anderem Zusammenhang selbst hinweist--, konnte durch das Unterlassen eines Hinweises auf diese Bedenken ihr Vertrauen nicht gestärkt werden.

49

Im Übrigen überspannt das FG insoweit nach Auffassung des Senats den Grundsatz von Treu und Glauben. Eine derartige Hinweis- und Beratungspflicht eines FA vor Änderung seiner langjährigen Rechtsauffassung ist der Rechtsprechung des BFH nicht zu entnehmen. Vielmehr hat der BFH auch dann, wenn eine --fehlerhafte-- Auffassung in einem Prüfungsbericht niedergelegt worden war (BFH-Urteil in BFHE 80, 446, BStBl III 1964, 634) oder wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hatte (BFH-Urteil vom 22. Juni 1971 VIII 23/65, BFHE 103, 77, BStBl II 1971, 749), einen Hinweis des FA auf die von ihm später als falsch erkannte Rechtsauffassung nicht gefordert.

50

Zudem war die Umsatzsteuerpflicht der Tätigkeit der Klägerin für den Veranlagungsbeamten im Jahr 2003 nicht offensichtlich. Sie konnte vielmehr erst nach Vorlage von (exemplarischen) Gutachten oder nach näheren Angaben der Klägerin zum Gegenstand und Ziel der Gutachten --die sie im Rahmen der Außenprüfung 2006 gemacht hat-- beurteilt werden.

51

5. Schließlich ist entgegen der Auffassung der Klägerin bei der Gewichtung der beiderseitigen Pflichten unerheblich, dass hier ein Umsatzsteuer-Rechtsverhältnis zu beurteilen ist, bei dem die Klägerin ihrer Meinung nach mit Rücksicht auf ihre Indienstnahme im öffentlichen Interesse in besonderem Maße schutzwürdig (gewesen) sei.

52

Denn auf diesen Umstand kommt es bei der hier maßgeblichen Frage, ob die Klägerin bei objektiver Beurteilung annehmen konnte, das FA werde an seiner in seinem Schreiben vom 2. Januar 1997 vertretenen Position oder an seinem späteren Verhalten der Nichtbesteuerung konsequent und auf Dauer festhalten, nicht an.

53

Dementsprechend hat der BFH auch bisher in ähnlichen Fällen bei der Prüfung, ob eine Billigkeitsmaßnahme aus Gründen des Vertrauensschutzes in Betracht kommt, unberücksichtigt gelassen, dass es um ein Umsatzsteuer-Rechtsverhältnis ging (vgl. zur Umsatzsteuerpflicht von Schönheitsoperationen: BFH-Beschluss vom 26. September 2007 V B 8/06, BFHE 219, 245, BStBl II 2008, 405; BFH-Urteil vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, juris, unter II.4.).

54

6. Da mithin das FA im Streitfall keinen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, braucht der Senat der --vom FG unerörtert gelassenen-- Frage nicht weiter nachzugehen, ob die Klägerin bereits 2001 (nach der Entscheidung des EuGH --D-- in Slg. 2000, I-6795, BFH/NV Beilage 2001, 31, HFR 2000, 918, und den BMF-Schreiben in BStBl I 2001, 157 und 826) von der Problematik der Umsatzsteuerfreiheit ärztlicher Gutachten Kenntnis erlangt hat oder zumindest hätte erlangen können.

55

Hierzu hat das FA im Revisionsverfahren unwidersprochen vorgetragen, dass die Klägerin zumindest seit dem Jahr 1993 steuerlich beraten gewesen sei und dass das Thema der Umsatzbesteuerung im Jahr 2001 in Gutachterkreisen lebhaft diskutiert worden sei (vgl. dazu auch Reuß, EFG 2009, 633, 635). Das FA hat ferner in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in Anwesenheit der Klägerin unwidersprochen darauf hingewiesen, die Klägerin habe in ihrem Schreiben an die Betriebsprüferin vom 19. Juni 2006 u.a. ausgeführt, dass ihr und ihrem Steuerberater die Inhalte der BMF-Schreiben bekannt gewesen seien - was nach Aktenlage zutrifft.

56

Nach der Rechtsprechung des BFH kann aber ein schutzwürdiges nachhaltiges Vertrauen in den Fortbestand einer früheren --nach neuerer Rechtsprechung nicht mehr haltbaren-- Rechtsauffassung nur dann und solange gegeben sein, bis der Steuerpflichtige mit einer Änderung rechnen musste oder ihm zumindest Zweifel hätten kommen müssen (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 219, 245, BStBl II 2008, 405, unter II.2.b und c; siehe auch BFH-Urteil vom 17. September 2008 IX R 79/99, BFH/NV 2009, 144, unter II.4.).

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegen den Kläger und Revisionskläger (Kläger) Aussetzungszinsen in Höhe von 168 € fest. Dagegen erhob der Kläger Einspruch. Das FA forderte den Kläger mit Schreiben vom 18. März 2009 auf, seinen Einspruch zu begründen und teilte im Übrigen mit, die Überprüfung nach § 367 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) habe ergeben, dass die Zinsen verbösernd auf 1.181 € festgesetzt werden müssten. In dem Schreiben heißt es u.a. wörtlich:

"Bitte reichen Sie die erforderliche Einspruchsbegründung bis zum 15. April 2009 nach. ...
Ich bitte um Prüfung und Antwort bis zum 15. April 2009.
Ich rege an, dass Sie den Einspruch bis zum 15. April 2009 schriftlich zurücknehmen."

2

Mit Schreiben vom 26. März 2009 begründete der Kläger seinen Einspruch mit einem Satz. Außerdem bat er um Mitteilung, wie die Aussetzungszinsen ermittelt worden seien. Die Zinsfestsetzung sei für ihn nicht nachvollziehbar. Deshalb sei auch eine Einspruchsbegründung "naturgemäß" nicht möglich. Ferner beantragte der Kläger den Erlass der Aussetzungszinsen sowie die Aussetzung der Vollziehung (AdV).

3

Am 30. März 2009 wies das FA den Einspruch zurück und setzte die Aussetzungszinsen auf 1.181 € fest. In der Einspruchsentscheidung heißt es u.a. wörtlich: "Die Einwendungen des Ef. sind unverständlich, im Übrigen jedenfalls vollständig unzutreffend. Sie dienen offensichtlich nur der Vermeidung der Bestandskraft der Zinsfestsetzung."

4

Mit Schreiben vom 15. April 2009, bei dem FA eingegangen am 16. April 2009, erklärte der Kläger, er könne zwar den Sachverhalt nicht verstehen, folge jedoch der Anregung des FA und nehme den Einspruch zurück. Die Einspruchsentscheidung sei aufzuheben. Das FA lehnte die Aufhebung ab und erklärte, die Rücknahme des Einspruchs gehe ins Leere.

5

Dagegen hat der Kläger Klage erhoben, die das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1006 veröffentlichten Urteil abgewiesen hat.

6

Dagegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger die Verletzung von Bundesrecht (Grundsatz von Treu und Glauben) rügt.

7

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung vom 30. März 2009 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

9

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- hier: Aufhebung der verbösernden Einspruchsentscheidung).

11

1. Das FG hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe den Einspruch nicht rechtzeitig zurückgenommen. Aus dem Schreiben des Klägers vom 26. März 2009 habe das FA nur folgern können, dass der Kläger endgültig an seinem Einspruch festhalte. Danach sei das FA an die von ihm selbst gesetzte Frist nicht mehr gebunden gewesen.

12

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig, weil sie vor Ablauf der von dem FA selbst gesetzten Frist erlassen worden ist. Das FG hat dies verkannt. Sein Urteil ist deswegen aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden; die Klage ist begründet. Die im Streitfall unter Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vorzeitig erlassene (verbösernde) Einspruchsentscheidung ist aufzuheben.

13

a) Hat das FA im Einspruchsverfahren eine Frist bestimmt, bis zu der es dem Steuerpflichtigen möglich sein soll, bei Vermeidung der zugleich angedrohten Verböserung den Einspruch zurückzunehmen, so kann ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegen, wenn es gleichwohl vor Ablauf der selbst gesetzten Frist die (verbösernde) Einspruchsentscheidung erlässt.

14

aa) Der im Steuerrechtsverhältnis, einschließlich des Verfahrensrechts uneingeschränkt zu beachtende Grundsatz von Treu und Glauben gebietet es u.a., auf die schutzwürdigen Belange des jeweils anderen Teils Rücksicht zu nehmen und sich insbesondere nicht zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch zu setzen (vgl. nur Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. März 2011 XI R 30/09, BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613, m.w.N.). Schutzwürdig ist der andere Teil, wenn er im berechtigten Vertrauen disponiert oder Dispositionen unterlassen hat (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990). Eine vom FA im Verfahren selbst gesetzte Frist muss beachtet werden. Widerspruchsfrei verhält sich die Behörde nur, wenn sie vor ihrer Entscheidung den Ablauf der selbst gesetzten Frist abwartet, denn die Fristbestimmung schließt die Zusage ein, dass vor Ablauf der Frist nicht entschieden wird.

15

bb) Schutzwürdig ist der Steuerpflichtige, wenn er aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Beteiligten mit einer Entscheidung der Finanzbehörde vor Ablauf der Frist nicht rechnen musste und wenn er sein Verhalten darauf eingestellt hatte. Dazu genügt es, wenn er eine abschließende Äußerung noch nicht abgegeben hat, denn Fristen dürfen ausgeschöpft werden (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Juli 2011 III B 7/10, BFH/NV 2011, 1895). Anders wäre die Rechtslage, wenn der Steuerpflichtige durch sein Verhalten eindeutig zu erkennen gegeben hätte, dass er entweder von der ihm eingeräumten Gelegenheit zur Äußerung keinen Gebrauch machen werde oder hiervon bereits abschließend Gebrauch gemacht habe. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach Maßgabe der Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen aus dem objektiven Empfängerhorizont.

16

b) Nach diesen Grundsätzen war das FA im Streitfall nicht berechtigt, von der selbst gesetzten Frist abzuweichen und schon vor Fristablauf die verbösernde Einspruchsentscheidung zu erlassen.

17

aa) Anders als das FG meint, hatte der Kläger nicht eindeutig zu erkennen gegeben, von der Gelegenheit zur Äußerung und Begründung des Einspruchs keinen Gebrauch mehr machen zu wollen. Zwar hat der Kläger innerhalb der Frist eine Erklärung abgegeben, aus der sich ergeben könnte, dass er von weiteren Äußerungen innerhalb der Frist absehen werde. Diese Schlussfolgerung, die das FG gezogen hat, ist jedoch mit dem eindeutigen Inhalt jenes Schreibens nicht in Übereinstimmung zu bringen und kann den Senat deshalb nicht binden (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Auslegung des Schreibens ergibt vielmehr, dass sich der Kläger eine abschließende Begründung des Einspruchs im Verfahren vorbehalten hatte.

18

Dafür spricht vor allem, dass der Kläger angesichts der divergierenden Berechnungen im ursprünglichen Zinsbescheid und in dem Schreiben vom 18. März 2009 ausdrücklich, wenn auch "hilfsweise" um Erläuterung der Berechnung gebeten und darauf hingewiesen hatte, dass ihm vorher "naturgemäß" die Begründung des Einspruchs nicht möglich sei. Diese Formulierungen können nur so verstanden werden, dass sich der Kläger für den Fall nachträglicher Erläuterung der Berechnungsgrundlagen eine abschließende Stellungnahme vorbehalten wollte. Angesichts dessen kann weder aus der einleitenden Formel ("unseren o.g. Einspruch begründen wir wie folgt") noch aus dem einzigen Begründungssatz oder den abschließenden Anträgen auf Erlass der Zinsen und AdV mit der erforderlichen Sicherheit geschlossen werden, dass sich der Kläger innerhalb der Frist zum Verfahren nicht mehr äußern werde.

19

bb) Entsprechendes gilt für die Frage, ob der Kläger von der Möglichkeit, den Einspruch innerhalb der Frist zurückzunehmen, noch Gebrauch machen wollte. Da dem Kläger wegen fehlender Informationen eine abschließende Begründung des Einspruchs noch nicht möglich erschien, kann sein Schreiben (mit der Bitte um Erläuterung der Berechnungsweise) nur so verstanden werden, dass er sich im Hinblick auf die erbetenen Informationen auch die Rücknahme des Einspruchs noch offenhalten wollte.

20

c) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil wird deshalb aufgehoben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Der im vorzeitigen Erlass der Einspruchsentscheidung liegende Verstoß gegen Treu und Glauben hat zur Folge, dass die Einspruchsentscheidung aufgehoben werden muss, weil der Verfahrensmangel sonst ohne rechtliche Sanktion wäre.

21

aa) Dem steht § 127 AO nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Zwar ist die Einspruchsentscheidung ein Verwaltungsakt und findet § 127 AO auch im Einspruchsverfahren grundsätzlich Anwendung (§ 365 Abs. 1 AO). Die Wertung des § 127 AO, die einen Vorrang der materiellen Richtigkeit vor dem Verfahrensrecht postuliert, schlägt aber nicht durch in Fällen der Verböserung von Steuerbescheiden im Einspruchsverfahren. Der mit dem Einspruch angefochtene Verwaltungsakt darf zum Nachteil des Einspruchsführers nur geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern (§ 367 Abs. 2 Satz 2 AO). Die Pflicht zur vorherigen Anhörung bringt es mit sich, dass die Verböserung durch die jederzeit mögliche Einspruchsrücknahme (§ 362 AO) vermieden werden kann. Durch die einseitige Erklärung, den Einspruch zurückzunehmen, kann der Steuerpflichtige das Rechtsbehelfsverfahren sofort beenden mit der Folge, dass eine Einspruchsentscheidung nicht mehr ergehen darf. Dadurch wird unter Umständen eine materiell unrichtige Entscheidung bestandskräftig. Das Gesetz räumt damit der Gewährung des rechtlichen Gehörs und dem Verfahrensrecht in dieser Situation ausnahmsweise den Vorrang ein vor der materiellen Richtigkeit der Entscheidung. Unterbleibt die in § 367 Abs. 2 Satz 2 AO vorgesehene Anhörung, führt dies zur isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels (vgl. nur BFH-Beschluss vom 3. Juli 2012 IX B 37/12, BFH/NV 2012, 1630).

22

bb) Diese Wertung ist auf den vorliegenden Fall übertragbar. Der Verstoß des FA gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz von Treu und Glauben führt bei beabsichtigter Verböserung im Einspruchsverfahren abweichend von dem Grundsatz des § 127 AO als wesentlicher Verfahrensmangel ebenfalls zur isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidung. Andernfalls bliebe der Verfahrensverstoß sanktionslos; das wäre mit der Wertung des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO nicht vereinbar.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder ohne Antrag bewilligt werden, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(1) Über den Einspruch entscheidet die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch Einspruchsentscheidung. Ist für den Steuerfall nachträglich eine andere Finanzbehörde zuständig geworden, so entscheidet diese Finanzbehörde; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, hat die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Einer Einspruchsentscheidung bedarf es nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft.

(2a) Die Finanzbehörde kann vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Sie hat in dieser Entscheidung zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll.

(2b) Anhängige Einsprüche, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht abgeholfen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. Sachlich zuständig für den Erlass der Allgemeinverfügung ist die oberste Finanzbehörde. Die Allgemeinverfügung ist im Bundessteuerblatt und auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen zu veröffentlichen. Sie gilt am Tag nach der Herausgabe des Bundessteuerblattes, in dem sie veröffentlicht wird, als bekannt gegeben. Abweichend von § 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung endet die Klagefrist mit Ablauf eines Jahres nach dem Tag der Bekanntgabe. § 63 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung gilt auch, soweit ein Einspruch durch eine Allgemeinverfügung nach Satz 1 zurückgewiesen wurde.

(3) Richtet sich der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, so entscheidet die zuständige Finanzbehörde über den Einspruch. Auch die für die zuständige Finanzbehörde handelnde Behörde ist berechtigt, dem Einspruch abzuhelfen.

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Finanzbehörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder ohne Antrag bewilligt werden, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Finanzbehörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

(1) Über den Einspruch entscheidet die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch Einspruchsentscheidung. Ist für den Steuerfall nachträglich eine andere Finanzbehörde zuständig geworden, so entscheidet diese Finanzbehörde; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, hat die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Einer Einspruchsentscheidung bedarf es nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft.

(2a) Die Finanzbehörde kann vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Sie hat in dieser Entscheidung zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll.

(2b) Anhängige Einsprüche, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht abgeholfen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. Sachlich zuständig für den Erlass der Allgemeinverfügung ist die oberste Finanzbehörde. Die Allgemeinverfügung ist im Bundessteuerblatt und auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen zu veröffentlichen. Sie gilt am Tag nach der Herausgabe des Bundessteuerblattes, in dem sie veröffentlicht wird, als bekannt gegeben. Abweichend von § 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung endet die Klagefrist mit Ablauf eines Jahres nach dem Tag der Bekanntgabe. § 63 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung gilt auch, soweit ein Einspruch durch eine Allgemeinverfügung nach Satz 1 zurückgewiesen wurde.

(3) Richtet sich der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, so entscheidet die zuständige Finanzbehörde über den Einspruch. Auch die für die zuständige Finanzbehörde handelnde Behörde ist berechtigt, dem Einspruch abzuhelfen.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.