Tenor

1. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 wird bis zur Entscheidung des Antragsgegners über den hiergegen erhobenen Einspruch von der Vollziehung ausgesetzt.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
I. Der Antragsteller wendet sich gegen ein Beitreibungsersuchen des griechischen Staates für Steuerforderungen, die im Wege der Amtshilfe von der deutschen Finanzverwaltung durch eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung vollstreckt werden.
Der Antragsteller ist griechischer Staatsangehöriger und lebt in Deutschland. Er ist geschieden und hat eine Tochter. Der Antragsteller hatte in den Jahren 2001 und 2002 in Griechenland eine Tankstelle mit Werkstatt betrieben und kehrte anschließend nach Deutschland zurück.
Im Januar 2007 eröffnete das Amtsgericht x das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers. Das Insolvenzverfahren wurde im September 2007 aufgehoben und dem Antragsteller im Januar 2013 die Restschuldbefreiung erteilt.
Mit E-Mail vom 14. März 2016 schickte das Bundeszentralamt für Steuern ein Amtshilfeersuchen des griechischen Staates in Gestalt des Local Tax Office of y an den Antragsgegner (Finanzamt -FA- w), in dessen Bezirk der Antragsteller im November 2015 gezogen war. Vor dem Umzug war das FA x mit der Beitreibung betraut worden, das den Antragsteller im Oktober 2015 über die vom griechischen Staat gegen ihn geltend gemachten Forderungen informiert hatte.
Das Amtshilfeersuchen beruht auf dem Gesetz vom 7. Dezember 2011 über die Durchführung der Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Bundesgesetzblatt - BGBl - I 2011, 2592, nachfolgend EUBeitrG) sowie die diesem Gesetz zu Grunde liegenden Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen (ABl. L 84 vom 31.03.2010, nachfolgend EU-Beitreibungsrichtlinie).
Das Amtshilfeersuchen hat die Beitreibung von in Griechenland titulierten Forderungen gegen den Antragssteller zum Gegenstand (sog. einheitlicher Vollstreckungstitel). Der Vollstreckungstitel betrifft eine im Jahr 2002 entstandene und am 8. November 2013 festgesetzte Forderung i.H.v. xxx.xxx,xx EUR wegen Hinterziehung von Umsatz- und Einkommensteuer („Administrative fine of Books & Records Code regarding tax evasion of VAT and Income Tax“, vgl. Bl. 4 der Vollstreckungsakte) sowie eine im Jahr 2015 entstandene und am 18. Februar 2015 festgesetzte andere steuerliche Forderung aus „Administrative Enforcement Expenses“ i.H.v. xx,xx EUR (vgl. Bl. 5 der Vollstreckungsakte). Hieraus ergab sich zusammen mit Nebenforderungen eine Beitreibungssumme von insgesamt xxx.xxx,xx EUR.
Mit Schreiben vom 3. Mai 2016 forderte das FA den Antragsteller auf, den geforderten Betrag bis zum 20. Mai 2016 zu bezahlen und kündigte bei Nichtzahlung die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen an. Den Einwand des Antragstellers, dass die angebliche Forderung aus dem Jahr 2002 wegen des Insolvenzverfahrens und der Restschuldbefreiung im Januar 2013 untergegangen sei, begegnete das FA mit dem Hinweis, dass Einwendungen gegen die Forderung oder gegen deren Vollstreckbarkeit nur bei der zuständigen ausländischen Behörde vorgebracht werden könnten.
Am 16. Juni 2016 erließ das FA eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung für die Beitreibungsforderung von xxx.xxx,xx EUR gegen die Volksbank x, wo der Antragsteller ein Konto hat. Die Volksbank x antwortete in ihrer Drittschuldnererklärung vom 21. Juni 2016, dass das Konto des Antragsstellers als Pfändungsschutzkonto geführt werde.
Der Antragsteller hat am 18. Juli 2016 einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Vollstreckungsersuchens gestellt. Er trägt vor, dass aufgrund der Restschuldbefreiung im Januar 2013 alle Forderungen sämtlicher Gläubiger untergegangen seien, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Januar 2007 einen Anspruch gegen ihn gehabt hätten. Hierzu gehörten auch die angeblichen, im Jahr 2002 entstandenen Forderungen der griechischen Finanzverwaltung. Bis heute liege ihm kein Steuerbescheid vor, gegen den er sich in Griechenland wehren könnte.
10 
Der Antragsteller beantragt,
die Vollziehung des Vollstreckungsersuchens des Local Tax Office of y bis zu einer Entscheidung im Klageverfahren in Griechenland ohne Sicherheitsleistung auszusetzen und ihm hierfür Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
11 
Das FA beantragt,
den Antrag als unzulässig abzuweisen.
12 
Der Antrag sei unzulässig, weil deutsche Behörden einem Zwangsvollstreckungs- oder Beitreibungsersuchen eines anderen Mitgliedstaates auf der Grundlage der EU-Beitreibungsrichtlinie Folge zu leisten hätten, ohne dessen inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen. Der Vollstreckungsstaat habe nach dem EUBeitrG weder die Forderung noch den Vollstreckungstitel des ausländischen Staates in der Sache selbst zu prüfen. Das könne allein durch den ausländischen Staat nach Maßgabe seiner Rechtsordnung geschehen.

Entscheidungsgründe

 
13 
II. Der zulässige Aussetzungsantrag ist begründet. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die in der Sache angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung rechtmäßig ist, weil der Vollstreckung der ausländischen Steuerforderung die im Inland erteilte Restschuldbefreiung entgegenstehen könnte.
14 
1. Der Aussetzungsantrag ist zulässig.
15 
a) Der Senat geht davon aus, dass der Antragsteller mit seinem gegen das „Vollstreckungsersuchen“ gerichteten Aussetzungsantrag entsprechend § 96 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1, § 113 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begehrt, dass das Finanzgericht die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 und nicht das ihr zugrunde liegende Vollstreckungsersuchen aussetzen soll. Denn eine Aussetzung der Vollziehung des ausländischen Vollstreckungsersuchens wäre rechtlich nicht möglich.
16 
aa) Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 EUBeitrG werden Forderungen, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht, wie eine inländische Forderung vollstreckt. Der dem ausländischen Vollstreckungsersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel, dessen Inhalt im Wesentlichen dem des ursprünglichen Vollstreckungstitels entspricht (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 EU-Beitreibungsrichtlinie), gilt im Inland als vollstreckbarer Verwaltungsakt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 EUBeitrG). Gegen diese Fiktion eines Verwaltungsakts besteht kein inländischer Rechtsschutz. Wie sich aus § 13 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG ergibt, dürfen im Vollstreckungsstaat weder die Forderung noch der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder dessen Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel in der Sache selbst nachgeprüft werden. Die Überprüfung erfolgt durch den Ursprungsstaat und richtet sich nach dessen Rechtsordnung. Dementsprechend enthält § 13 Abs. 2 Satz 2 EUBeitrG nur die Möglichkeit, die Vollstreckung für den Zeitraum auszusetzen, in dem der Schuldner im Ursprungsstaat gegen den Vollstreckungstitel als solchen oder dessen Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel vorgeht. Ob der Sachentscheidung im Ursprungsstaat ein Verfahrensverstoß zu Grunde liegt, weil beispielsweise der ursprüngliche Vollstreckungstitel - wie im Streitfall vom Antragsteller behauptet - nicht zugestellt wurde, darf im Vollstreckungsstaat nicht geprüft werden. Solange die Bestätigung des ursprünglichen Vollstreckungstitels als einheitlicher Vollstreckungstitel durch den Ursprungsstaat nicht aufgehoben wurde, ist die Vollstreckung durchzuführen. Es kann daher vorkommen, dass der Schuldner - wie möglicherweise im Streitfall der Antragsteller - erst im Zuge der Vollstreckung von der Existenz des ursprünglichen Vollstreckungstitels informiert wird. Dies hat der Gesetzgeber offenbar im Vertrauen auf die Rechtsstaatlichkeit der Verwaltung und die ordnungsgemäße Rechtspflege in den Mitgliedstaaten in Kauf genommen. Dieses Vertrauen beinhaltet, dass nur das Gericht des Ursprungsstaates beurteilen darf, ob die Voraussetzungen für die Bestätigung des Vollstreckungstitels als einheitlicher Vollstreckungstitel vorliegen.
17 
bb) Der Ausschluss inländischen Rechtschutzes gegen die der Vollstreckung zugrunde liegende Forderung (Vollstreckungstitel) schließt aber nicht den inländischen Rechtsschutz gegen die Vollstreckung selbst aus. Ebenso wie nach inländischen Recht Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsmitteln zu verfolgen sind (§ 256 AO), kann der Betroffene eines Beitreibungsersuchens im ersuchenden Staat gegen den Vollstreckungstitel und im vollstreckenden Staat gegen die Vollstreckungsmaßnahme aufgrund des Beitreibungsersuchens vorgehen. Die anfechtbare Vollstreckungsmaßnahme ist daher allein die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016.
18 
Der Antragsteller wendet sich nach dem Wortlaut seines Antrags zwar gegen das „Vollstreckungsersuchen“. In seiner Antragsbegründung verweist er aber auch auf „seine Einwendungen gegenüber der Pfändungsverfügung“. Der Antragsteller hat damit hinreichend deutlich gemacht, dass er sich gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung zur Umsetzung des Vollstreckungsersuchens wendet. Dass das Vollstreckungsersuchen selbst ebenso wie die dem Ersuchen zugrunde liegende ausländische Steuerforderung im Inland nicht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden kann, war dem Antragsteller aufgrund der Hinweise des FA bekannt. Von dem gegen das Vollstreckungsersuchen gerichteten Rechtschutzbegehren ist daher die auf das Ersuchen im Wege der Amtshilfe ausgeführte Vollstreckungsmaßnahme in Form der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 mit umfasst.
19 
b) Der sachdienlich ausgelegte Aussetzungsantrag ist zulässig. Die Pfändungsverfügung nach § 309 AO ist ebenso wie die Einziehungsverfügung nach § 314 AO ein vollziehbarer Verwaltungsakt, der nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 69 Abs. 2 Satz 2 bis 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vom Finanzgericht als Gericht der Hauptsache aussetzt werden kann. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden (§ 69 Abs. 3 Satz 2 FGO).
20 
aa) Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 ist ein „angefochtener“ Verwaltungsakt i. S. von § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO, gegen den als Vollstreckungsmaßnahme nach § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO ohne vorherigen Antrag bei der Finanzbehörde unmittelbar beim Finanzgericht die Aussetzung begehrt werden kann. Denn eine Vollstreckung droht jedenfalls dann, wenn sich der Aussetzungsantrag unmittelbar gegen einen Verwaltungsakt im Vollstreckungsverfahren richtet.
21 
Der Antragsteller hat die dem Drittschuldner am 18. Juni 2016 zugestellte Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 nach Lage der vorliegenden Vollstreckungsakte zwar nicht gegenüber dem Antragsgegner mit Einspruch angefochten. Der am 18. Juli 2016 beim Finanzgericht gestellte Aussetzungsantrag ist aber ebenso wie der Aussetzungsantrag selbst rechtsschutzgewährend als ein Einspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 auszulegen, weil sich der Antragsteller auch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung wendet.
22 
bb) Der Einspruch ist fristgerecht. Das Finanzgericht hat den als Einspruch auszulegenden Antragsschriftsatz vom 18. Juli 2016 am 19. Juli 2016 dem Antragsgegner per Fax weitergeleitet. Die Monatsfrist zur Einlegung des Einspruch gegen die dem Antragsteller als „Ausfertigung für den Vollstreckungsschuldner“ mit Datum vom 16. Juni 2016 bekannt gegebene Pfändungs- und Einziehungsverfügung (Bl. 25 der Gerichtsakte) ist daher gewahrt. Gemäß § 122 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Der dritte Tag nach einer frühestens am 16. Juni 2016 zu unterstellenden Postaufgabe wäre der 19. Juni 2016 (Sonntag). Die Einspruchsfrist konnte daher frühestens am 20. Juli 2016 ablaufen, einen Tag nachdem der Antragsgegner vom Finanzgericht über das Rechtsschutzbegehren informiert worden war.
23 
2. Der Aussetzungsantrag ist begründet.
24 
a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Sätze 2 bis 6 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Das ist der Fall, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsakts gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Juni 2003 IX B 16/03, BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663, m.w.N.). Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen (BFH-Beschluss vom 28. November 1974 V B 44/74, BStBI. II 1975, 240). Ist die Sach- und Rechtslage nicht eindeutig, so ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern zumindest im Regelfall die Vollziehung auszusetzen (BFH-Beschluss vom 3. Februar 2005 I B 208/04, BStBl II 2005, 351).
25 
b) Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist ernstlich zweifelhaft, weil der Vollstreckung die dem Antragsteller erteilte Restschuldbefreiung entgegen stehen könnte.
26 
aa) Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung (§§ 309 und 314 AO) beruht auf dem einheitlichen Vollstreckungstitel des griechischen Fiskus und damit auf einem vollstreckbaren Verwaltungsakt (§ 251 Abs. 1 AO i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 EUBeitrG). Zu den Forderungen, die im Wege der Amtshilfe beigetrieben werden können, gehören nicht nur Steuerforderungen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EUBeitrG), sondern auch Geldstrafen, Geldbußen, Gebühren und Zuschläge in Bezug auf diese Forderungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 EUBeitrG). Weil der einheitliche Vollstreckungstitel „die alleinige Grundlage für die … zu ergreifenden Beitreibungs- und Sicherungsmaßnahme ist“ (§ 10 Abs. 3 Satz 1 EUBeitrG), bedarf es keines Leistungsgebots i.S. des § 254 Abs. 1 AO (FG Köln, Urteil vom 30. September 2015 14 K 2097/13, EFG 2016, 494; vgl. auch BFH-Beschluss vom 30. August 2010 VII B 48/10, BFH/NV 2010, 2235 zur Nichtanfechtbarkeit einer inländischen Zahlungsaufforderung bei der Vollstreckung ausländischer Forderungen).
27 
bb) Obwohl die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach § 251 Abs. 1 AO gegeben sind, könnte der Vollstreckung die Restschuldbefreiung des Antragstellers entgegenstehen, weil nach § 251 Abs. 2 Satz 1 AO die Vorschriften der Insolvenzordnung (InsO) unberührt bleiben.
28 
Die dem Antragsteller erteilte Restschuldbefreiung wirkt gemäß § 286 und § 301 Abs. 1 Satz 1 InsO gegen alle Insolvenzgläubiger, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hatten. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben (§ 301 Abs. 1 Satz 2 InsO). Wird dem Schuldner durch Beschluss gemäß § 300 InsO Restschuldbefreiung erteilt, wandeln sich die Insolvenzforderungen in unvollkommene Verbindlichkeiten, die weiterhin erfüllbar, aber nicht mehr erzwingbar sind. Eine Vollstreckung ist unzulässig.
29 
Diese Rechtswirkung der Restschuldbefreiung bindet auch ausländische Gläubiger. Nach Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO, Amtsblatt der Europäischen Union -ABlEU- Nr. L 160/1) wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein nach Art. 3 der Verordnung zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats in allen übrigen Mitgliedstaaten anerkannt, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung wirksam ist. Ohne weitere Förmlichkeiten werden die zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen ebenfalls anerkannt, wenn diese von einem Gericht getroffen worden sind, dessen Eröffnungsentscheidung nach Art. 16 EuInsVO anerkannt wird (Art. 25 Abs. 1 EuInsVO). Die vom Amtsgericht - Insolvenzgericht - x getroffenen Entscheidung der Restschuldbefreiung ist daher auch für den griechischen Fiskus als ausländischer Gläubiger grundsätzlich verbindlich (vgl. zum umgekehrten Fall der Anerkennung einer ausländischen Restschuldbefreiung im Inland, BFH-Beschluss vom 27. Januar 2016 VII B 119/15, BFH/NV 2016, 1586).
30 
Für die deswegen nach inländischem Recht zu beantwortenden Frage, ob Steuerforderungen Insolvenzforderungen sind und damit von der Restschuldbefreiung umfasst sind, ist entscheidend, ob die Hauptforderung ihrem Kern nach bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Es kommt nicht darauf an, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden ist, sondern darauf, ob in diesem Zeitpunkt nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt war (BFH-Beschluss vom 6. Oktober 2005 VII B 309/04, BFH/NV 2006, 369). Daher ist ein Steueranspruch immer dann Insolvenzforderung i.S. des § 38 InsO, wenn er vor Eröffnung des Verfahrens in der Weise begründet worden ist, dass der zu Grunde liegende Sachverhalt, der zur Entstehung der Steuerforderung führt, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 1. April 2008 X B 201/07, BFH/NV 2008, 925).
31 
Nach diesem Maßstab war die dem Beitreibungsersuchen und damit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung zugrunde liegende Forderung bereits im Jahr 2002 entstanden, als der Antragsteller in Griechenland gewerblich tätig war. Die mit dem Beitreibungsersuchen geltend gemachte Forderung war insolvenzrechtlich daher bereits im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 15. Januar 2007 entstanden. Das ergibt sich auch aus dem Formular des Beitreibungsersuchens, in dem unter dem Textfeld „Beschreibung der Forderung(en)“ für die am 8. August 2013 festgesetzte Forderung ein Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2002 angegeben ist (vgl. Bl. 13 der Vollstreckungsakte). Dass die zu vollstreckende Forderung erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung am 17. Januar 2013 in Griechenland festgesetzt wurde, ändert nichts an der früheren insolvenzrechtlichen Entstehung der Forderung im Jahr 2002.
32 
Die im Jahr 2002 in Griechenland entstandene Forderung würde auch dann an der Restschuldbefreiung im Jahr 2013 teilhaben, wenn es sich hierbei um eine aus einer Steuerstraftat resultierende Forderung handeln sollte. Hierzu ist im Formular über den einheitlichen Vollstreckungstitel ergänzend vermerkt (vgl. Bl. 13 der Vollstreckungsakte), dass die Forderung auf einem Bußgeld bzgl. der Steuerhinterziehung von Umsatz- und Einkommensteuer beruht und deswegen derzeit eine Strafverfolgung in Griechenland stattfinde. Selbst wenn es sich bei der Forderung um einen aus einer Steuerhinterziehung entstandenen Anspruch handeln sollte, würde dies an der Restschuldbefreiung nichts ändern, solange der Antragsteller deswegen nicht rechtskräftig verurteilt worden ist. Nach § 302 Nr. 1 InsO in der seit 1. Juli 2014 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15. Juli 2013 (BGB. I 2013, 2379) werden von der Erteilung der Restschuldbefreiung Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung oder aus einem Steuerschuldverhältnis nicht berührt, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist. Ohne eine rechtskräftige Verurteilung schließt der Zusammenhang mit einer Steuerstraftat die Restschuldbefreiung nicht aus. Hinterzogene Steuern rechnen allerdings nicht zu den Verbindlichkeiten aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (BFH-Urteil vom 19. August 2008 VII R 6/07, BFHE 222, 199, BStBl II 2008, 947).
33 
Wegen der sich aus der Restschuldbefreiung ergebenden Zweifel an der Vollstreckbarkeit der beizutreibenden Forderung war dem Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung zu gewähren. Diese umfasst auch die Forderung aus „Administrative Enforcement Expenses“ i.H.v. xx,xx EUR. Der Senat geht davon aus, dass diese Forderung mit der geltend gemachten Hauptforderung aus der Steuerhinterziehung in einem untrennbaren Sachzusammenhang steht.
34 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Gründe

 
13 
II. Der zulässige Aussetzungsantrag ist begründet. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die in der Sache angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung rechtmäßig ist, weil der Vollstreckung der ausländischen Steuerforderung die im Inland erteilte Restschuldbefreiung entgegenstehen könnte.
14 
1. Der Aussetzungsantrag ist zulässig.
15 
a) Der Senat geht davon aus, dass der Antragsteller mit seinem gegen das „Vollstreckungsersuchen“ gerichteten Aussetzungsantrag entsprechend § 96 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1, § 113 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begehrt, dass das Finanzgericht die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 und nicht das ihr zugrunde liegende Vollstreckungsersuchen aussetzen soll. Denn eine Aussetzung der Vollziehung des ausländischen Vollstreckungsersuchens wäre rechtlich nicht möglich.
16 
aa) Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 EUBeitrG werden Forderungen, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht, wie eine inländische Forderung vollstreckt. Der dem ausländischen Vollstreckungsersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel, dessen Inhalt im Wesentlichen dem des ursprünglichen Vollstreckungstitels entspricht (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 EU-Beitreibungsrichtlinie), gilt im Inland als vollstreckbarer Verwaltungsakt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 EUBeitrG). Gegen diese Fiktion eines Verwaltungsakts besteht kein inländischer Rechtsschutz. Wie sich aus § 13 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG ergibt, dürfen im Vollstreckungsstaat weder die Forderung noch der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder dessen Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel in der Sache selbst nachgeprüft werden. Die Überprüfung erfolgt durch den Ursprungsstaat und richtet sich nach dessen Rechtsordnung. Dementsprechend enthält § 13 Abs. 2 Satz 2 EUBeitrG nur die Möglichkeit, die Vollstreckung für den Zeitraum auszusetzen, in dem der Schuldner im Ursprungsstaat gegen den Vollstreckungstitel als solchen oder dessen Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel vorgeht. Ob der Sachentscheidung im Ursprungsstaat ein Verfahrensverstoß zu Grunde liegt, weil beispielsweise der ursprüngliche Vollstreckungstitel - wie im Streitfall vom Antragsteller behauptet - nicht zugestellt wurde, darf im Vollstreckungsstaat nicht geprüft werden. Solange die Bestätigung des ursprünglichen Vollstreckungstitels als einheitlicher Vollstreckungstitel durch den Ursprungsstaat nicht aufgehoben wurde, ist die Vollstreckung durchzuführen. Es kann daher vorkommen, dass der Schuldner - wie möglicherweise im Streitfall der Antragsteller - erst im Zuge der Vollstreckung von der Existenz des ursprünglichen Vollstreckungstitels informiert wird. Dies hat der Gesetzgeber offenbar im Vertrauen auf die Rechtsstaatlichkeit der Verwaltung und die ordnungsgemäße Rechtspflege in den Mitgliedstaaten in Kauf genommen. Dieses Vertrauen beinhaltet, dass nur das Gericht des Ursprungsstaates beurteilen darf, ob die Voraussetzungen für die Bestätigung des Vollstreckungstitels als einheitlicher Vollstreckungstitel vorliegen.
17 
bb) Der Ausschluss inländischen Rechtschutzes gegen die der Vollstreckung zugrunde liegende Forderung (Vollstreckungstitel) schließt aber nicht den inländischen Rechtsschutz gegen die Vollstreckung selbst aus. Ebenso wie nach inländischen Recht Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsmitteln zu verfolgen sind (§ 256 AO), kann der Betroffene eines Beitreibungsersuchens im ersuchenden Staat gegen den Vollstreckungstitel und im vollstreckenden Staat gegen die Vollstreckungsmaßnahme aufgrund des Beitreibungsersuchens vorgehen. Die anfechtbare Vollstreckungsmaßnahme ist daher allein die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016.
18 
Der Antragsteller wendet sich nach dem Wortlaut seines Antrags zwar gegen das „Vollstreckungsersuchen“. In seiner Antragsbegründung verweist er aber auch auf „seine Einwendungen gegenüber der Pfändungsverfügung“. Der Antragsteller hat damit hinreichend deutlich gemacht, dass er sich gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung zur Umsetzung des Vollstreckungsersuchens wendet. Dass das Vollstreckungsersuchen selbst ebenso wie die dem Ersuchen zugrunde liegende ausländische Steuerforderung im Inland nicht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden kann, war dem Antragsteller aufgrund der Hinweise des FA bekannt. Von dem gegen das Vollstreckungsersuchen gerichteten Rechtschutzbegehren ist daher die auf das Ersuchen im Wege der Amtshilfe ausgeführte Vollstreckungsmaßnahme in Form der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 mit umfasst.
19 
b) Der sachdienlich ausgelegte Aussetzungsantrag ist zulässig. Die Pfändungsverfügung nach § 309 AO ist ebenso wie die Einziehungsverfügung nach § 314 AO ein vollziehbarer Verwaltungsakt, der nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 69 Abs. 2 Satz 2 bis 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vom Finanzgericht als Gericht der Hauptsache aussetzt werden kann. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden (§ 69 Abs. 3 Satz 2 FGO).
20 
aa) Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 ist ein „angefochtener“ Verwaltungsakt i. S. von § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO, gegen den als Vollstreckungsmaßnahme nach § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO ohne vorherigen Antrag bei der Finanzbehörde unmittelbar beim Finanzgericht die Aussetzung begehrt werden kann. Denn eine Vollstreckung droht jedenfalls dann, wenn sich der Aussetzungsantrag unmittelbar gegen einen Verwaltungsakt im Vollstreckungsverfahren richtet.
21 
Der Antragsteller hat die dem Drittschuldner am 18. Juni 2016 zugestellte Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 nach Lage der vorliegenden Vollstreckungsakte zwar nicht gegenüber dem Antragsgegner mit Einspruch angefochten. Der am 18. Juli 2016 beim Finanzgericht gestellte Aussetzungsantrag ist aber ebenso wie der Aussetzungsantrag selbst rechtsschutzgewährend als ein Einspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 auszulegen, weil sich der Antragsteller auch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung wendet.
22 
bb) Der Einspruch ist fristgerecht. Das Finanzgericht hat den als Einspruch auszulegenden Antragsschriftsatz vom 18. Juli 2016 am 19. Juli 2016 dem Antragsgegner per Fax weitergeleitet. Die Monatsfrist zur Einlegung des Einspruch gegen die dem Antragsteller als „Ausfertigung für den Vollstreckungsschuldner“ mit Datum vom 16. Juni 2016 bekannt gegebene Pfändungs- und Einziehungsverfügung (Bl. 25 der Gerichtsakte) ist daher gewahrt. Gemäß § 122 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Der dritte Tag nach einer frühestens am 16. Juni 2016 zu unterstellenden Postaufgabe wäre der 19. Juni 2016 (Sonntag). Die Einspruchsfrist konnte daher frühestens am 20. Juli 2016 ablaufen, einen Tag nachdem der Antragsgegner vom Finanzgericht über das Rechtsschutzbegehren informiert worden war.
23 
2. Der Aussetzungsantrag ist begründet.
24 
a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Sätze 2 bis 6 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Das ist der Fall, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsakts gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Juni 2003 IX B 16/03, BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663, m.w.N.). Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen (BFH-Beschluss vom 28. November 1974 V B 44/74, BStBI. II 1975, 240). Ist die Sach- und Rechtslage nicht eindeutig, so ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern zumindest im Regelfall die Vollziehung auszusetzen (BFH-Beschluss vom 3. Februar 2005 I B 208/04, BStBl II 2005, 351).
25 
b) Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist ernstlich zweifelhaft, weil der Vollstreckung die dem Antragsteller erteilte Restschuldbefreiung entgegen stehen könnte.
26 
aa) Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung (§§ 309 und 314 AO) beruht auf dem einheitlichen Vollstreckungstitel des griechischen Fiskus und damit auf einem vollstreckbaren Verwaltungsakt (§ 251 Abs. 1 AO i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 EUBeitrG). Zu den Forderungen, die im Wege der Amtshilfe beigetrieben werden können, gehören nicht nur Steuerforderungen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EUBeitrG), sondern auch Geldstrafen, Geldbußen, Gebühren und Zuschläge in Bezug auf diese Forderungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 EUBeitrG). Weil der einheitliche Vollstreckungstitel „die alleinige Grundlage für die … zu ergreifenden Beitreibungs- und Sicherungsmaßnahme ist“ (§ 10 Abs. 3 Satz 1 EUBeitrG), bedarf es keines Leistungsgebots i.S. des § 254 Abs. 1 AO (FG Köln, Urteil vom 30. September 2015 14 K 2097/13, EFG 2016, 494; vgl. auch BFH-Beschluss vom 30. August 2010 VII B 48/10, BFH/NV 2010, 2235 zur Nichtanfechtbarkeit einer inländischen Zahlungsaufforderung bei der Vollstreckung ausländischer Forderungen).
27 
bb) Obwohl die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach § 251 Abs. 1 AO gegeben sind, könnte der Vollstreckung die Restschuldbefreiung des Antragstellers entgegenstehen, weil nach § 251 Abs. 2 Satz 1 AO die Vorschriften der Insolvenzordnung (InsO) unberührt bleiben.
28 
Die dem Antragsteller erteilte Restschuldbefreiung wirkt gemäß § 286 und § 301 Abs. 1 Satz 1 InsO gegen alle Insolvenzgläubiger, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hatten. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben (§ 301 Abs. 1 Satz 2 InsO). Wird dem Schuldner durch Beschluss gemäß § 300 InsO Restschuldbefreiung erteilt, wandeln sich die Insolvenzforderungen in unvollkommene Verbindlichkeiten, die weiterhin erfüllbar, aber nicht mehr erzwingbar sind. Eine Vollstreckung ist unzulässig.
29 
Diese Rechtswirkung der Restschuldbefreiung bindet auch ausländische Gläubiger. Nach Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO, Amtsblatt der Europäischen Union -ABlEU- Nr. L 160/1) wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein nach Art. 3 der Verordnung zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats in allen übrigen Mitgliedstaaten anerkannt, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung wirksam ist. Ohne weitere Förmlichkeiten werden die zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen ebenfalls anerkannt, wenn diese von einem Gericht getroffen worden sind, dessen Eröffnungsentscheidung nach Art. 16 EuInsVO anerkannt wird (Art. 25 Abs. 1 EuInsVO). Die vom Amtsgericht - Insolvenzgericht - x getroffenen Entscheidung der Restschuldbefreiung ist daher auch für den griechischen Fiskus als ausländischer Gläubiger grundsätzlich verbindlich (vgl. zum umgekehrten Fall der Anerkennung einer ausländischen Restschuldbefreiung im Inland, BFH-Beschluss vom 27. Januar 2016 VII B 119/15, BFH/NV 2016, 1586).
30 
Für die deswegen nach inländischem Recht zu beantwortenden Frage, ob Steuerforderungen Insolvenzforderungen sind und damit von der Restschuldbefreiung umfasst sind, ist entscheidend, ob die Hauptforderung ihrem Kern nach bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Es kommt nicht darauf an, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden ist, sondern darauf, ob in diesem Zeitpunkt nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt war (BFH-Beschluss vom 6. Oktober 2005 VII B 309/04, BFH/NV 2006, 369). Daher ist ein Steueranspruch immer dann Insolvenzforderung i.S. des § 38 InsO, wenn er vor Eröffnung des Verfahrens in der Weise begründet worden ist, dass der zu Grunde liegende Sachverhalt, der zur Entstehung der Steuerforderung führt, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 1. April 2008 X B 201/07, BFH/NV 2008, 925).
31 
Nach diesem Maßstab war die dem Beitreibungsersuchen und damit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung zugrunde liegende Forderung bereits im Jahr 2002 entstanden, als der Antragsteller in Griechenland gewerblich tätig war. Die mit dem Beitreibungsersuchen geltend gemachte Forderung war insolvenzrechtlich daher bereits im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 15. Januar 2007 entstanden. Das ergibt sich auch aus dem Formular des Beitreibungsersuchens, in dem unter dem Textfeld „Beschreibung der Forderung(en)“ für die am 8. August 2013 festgesetzte Forderung ein Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2002 angegeben ist (vgl. Bl. 13 der Vollstreckungsakte). Dass die zu vollstreckende Forderung erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung am 17. Januar 2013 in Griechenland festgesetzt wurde, ändert nichts an der früheren insolvenzrechtlichen Entstehung der Forderung im Jahr 2002.
32 
Die im Jahr 2002 in Griechenland entstandene Forderung würde auch dann an der Restschuldbefreiung im Jahr 2013 teilhaben, wenn es sich hierbei um eine aus einer Steuerstraftat resultierende Forderung handeln sollte. Hierzu ist im Formular über den einheitlichen Vollstreckungstitel ergänzend vermerkt (vgl. Bl. 13 der Vollstreckungsakte), dass die Forderung auf einem Bußgeld bzgl. der Steuerhinterziehung von Umsatz- und Einkommensteuer beruht und deswegen derzeit eine Strafverfolgung in Griechenland stattfinde. Selbst wenn es sich bei der Forderung um einen aus einer Steuerhinterziehung entstandenen Anspruch handeln sollte, würde dies an der Restschuldbefreiung nichts ändern, solange der Antragsteller deswegen nicht rechtskräftig verurteilt worden ist. Nach § 302 Nr. 1 InsO in der seit 1. Juli 2014 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15. Juli 2013 (BGB. I 2013, 2379) werden von der Erteilung der Restschuldbefreiung Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung oder aus einem Steuerschuldverhältnis nicht berührt, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist. Ohne eine rechtskräftige Verurteilung schließt der Zusammenhang mit einer Steuerstraftat die Restschuldbefreiung nicht aus. Hinterzogene Steuern rechnen allerdings nicht zu den Verbindlichkeiten aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (BFH-Urteil vom 19. August 2008 VII R 6/07, BFHE 222, 199, BStBl II 2008, 947).
33 
Wegen der sich aus der Restschuldbefreiung ergebenden Zweifel an der Vollstreckbarkeit der beizutreibenden Forderung war dem Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung zu gewähren. Diese umfasst auch die Forderung aus „Administrative Enforcement Expenses“ i.H.v. xx,xx EUR. Der Senat geht davon aus, dass diese Forderung mit der geltend gemachten Hauptforderung aus der Steuerhinterziehung in einem untrennbaren Sachzusammenhang steht.
34 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Baden-Württemberg Beschluss, 07. Nov. 2016 - 1 V 2137/16

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Referenzen - Gesetze

Finanzgericht Baden-Württemberg Beschluss, 07. Nov. 2016 - 1 V 2137/16 zitiert 26 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Abgabenordnung - AO 1977 | § 370 Steuerhinterziehung


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,2.die Finanzbehörden pflichtwidrig über steu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 69


(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für

Abgabenordnung - AO 1977 | § 122 Bekanntgabe des Verwaltungsakts


(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden

Insolvenzordnung - InsO | § 38 Begriff der Insolvenzgläubiger


Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

Abgabenordnung - AO 1977 | § 251 Vollstreckbare Verwaltungsakte


(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem

Insolvenzordnung - InsO | § 300 Entscheidung über die Restschuldbefreiung


(1) Das Insolvenzgericht entscheidet nach dem regulären Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Der Beschluss ergeht nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters oder Treuhänders und des Schuldners. Ein

Insolvenzordnung - InsO | § 302 Ausgenommene Forderungen


Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt: 1. Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gew

Abgabenordnung - AO 1977 | § 374 Steuerhehlerei


(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst s

Insolvenzordnung - InsO | § 301 Wirkung der Restschuldbefreiung


(1) Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. (2) Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners so

Abgabenordnung - AO 1977 | § 373 Gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel


(1) Wer gewerbsmäßig Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben hinterzieht oder gewerbsmäßig durch Zuwiderhandlungen gegen Monopolvorschriften Bannbruch begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist

Abgabenordnung - AO 1977 | § 309 Pfändung einer Geldforderung


(1) Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner schriftlich zu verbieten, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen, und dem Vollstreckungsschuldner schriftlich zu gebieten, sich jeder Verfügung über d

Abgabenordnung - AO 1977 | § 254 Voraussetzungen für den Beginn der Vollstreckung


(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, darf die Vollstreckung erst beginnen, wenn die Leistung fällig ist und der Vollstreckungsschuldner zur Leistung oder Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden ist (Leistungsgebot) und seit der Aufforderung

Insolvenzordnung - InsO | § 286 Grundsatz


Ist der Schuldner eine natürliche Person, so wird er nach Maßgabe der §§ 287 bis 303a von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 256 Einwendungen gegen die Vollstreckung


Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt sind außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 113


(1) Für Beschlüsse gelten § 96 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 105 Abs. 2 Nr. 6, §§ 107 bis 109 sinngemäß. (2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über di

Abgabenordnung - AO 1977 | § 314 Einziehungsverfügung


(1) Die Vollstreckungsbehörde ordnet die Einziehung der gepfändeten Forderung an. § 309 Abs. 2 gilt entsprechend. (2) Die Einziehungsverfügung kann mit der Pfändungsverfügung verbunden werden. (3) Wird die Einziehung eines bei einem Geldinsti

EU-Beitreibungsgesetz - EUBeitrG | § 1 Anwendungsbereich und anzuwendendes Recht


(1) Dieses Gesetz regelt die Einzelheiten der Amtshilfe zwischen Deutschland und den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Mitgliedstaaten) zur Geltendmachung von in den Mitgliedstaaten entstandenen Forderungen. Forderungen im Sinne dieses

EU-Beitreibungsgesetz - EUBeitrG | § 9 Beitreibungsersuchen von anderen Mitgliedstaaten


(1) Auf Ersuchen nimmt die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung von Forderungen vor, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht. Die Forderung wird wie eine inländische Forderung behandelt. Als vollstreckbarer Verwaltun

EU-Beitreibungsgesetz - EUBeitrG | § 13 Streitigkeiten


(1) Stellt das Verbindungsbüro ein Ersuchen, so sind die nach dem Dritten Abschnitt des Ersten Teils der Abgabenordnung zuständigen Behörden oder die nach Abschnitt V des Ersten Teils der Finanzgerichtsordnung zuständigen Gerichte zuständig für 1. Re

EU-Beitreibungsgesetz - EUBeitrG | § 10 Beitreibungsersuchen in andere Mitgliedstaaten


(1) Ein Verbindungsbüro kann Beitreibungsersuchen in einen anderen Mitgliedstaat stellen, wenn 1. die Voraussetzungen für die Vollstreckung gegeben sind und2. die Forderung nicht angefochten ist oder nicht mehr angefochten werden kann.Satz 1 Nummer 2

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Finanzgericht Baden-Württemberg Beschluss, 07. Nov. 2016 - 1 V 2137/16 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Bundesfinanzhof Beschluss, 27. Jan. 2016 - VII B 119/15

bei uns veröffentlicht am 27.01.2016

Tenor Der Beschluss des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. August 2015  3 V 65/15 wird aufgehoben und der Antrag abgelehnt.

Finanzgericht Köln Urteil, 30. Sept. 2015 - 14 K 2097/13

bei uns veröffentlicht am 30.09.2015

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen. 1Tatbestand 2Der Kläger wird auf der Grundlage des Gesetzes vom 07.12.2011 über die Durchführung der Amtshilfe bei der Beitreibung von Forder

Bundesfinanzhof Beschluss, 30. Aug. 2010 - VII B 48/10

bei uns veröffentlicht am 30.08.2010

Tatbestand 1 I. Der in Deutschland wohnhafte Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) war Geschäftsführer einer spanischen GmbH. Wegen rückständiger Körperscha

Referenzen

(1) Für Beschlüsse gelten § 96 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 105 Abs. 2 Nr. 6, §§ 107 bis 109 sinngemäß.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 und 5) und über einstweilige Anordnungen (§ 114 Abs. 1), Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 138) sowie Beschlüsse, in denen ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen wird (§ 142), sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Auf Ersuchen nimmt die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung von Forderungen vor, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht. Die Forderung wird wie eine inländische Forderung behandelt. Als vollstreckbarer Verwaltungsakt gilt der dem Ersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel.

(2) Die Vollstreckung erfolgt nach den Vorschriften, die für Forderungen aus gleichen oder, in Ermangelung gleicher, aus vergleichbaren Steuern oder Abgaben vorgesehen sind. Ist das Verbindungsbüro der Auffassung, dass in Deutschland keine gleichen oder vergleichbaren Steuern oder Abgaben erhoben werden, so handelt die Vollstreckungsbehörde nach den Vorschriften, die für die Vollstreckung von Einkommensteuerforderungen gelten. Die Forderungen werden in Euro vollstreckt.

(3) Das Verbindungsbüro teilt dem anderen Mitgliedstaat die Maßnahmen mit, die die Vollstreckungsbehörde in Bezug auf das Beitreibungsersuchen ergriffen hat.

(4) § 240 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Fälligkeitstag ist der Tag, an dem das Ersuchen bei einem Verbindungsbüro im Sinne des § 3 Absatz 1 eingeht, so dass Säumniszuschläge ab diesem Tag berechnet werden können. Wenn die Vollstreckungsbehörde dem Schuldner eine Zahlungsfrist einräumt oder Ratenzahlung gewährt, unterrichtet das Verbindungsbüro den anderen Mitgliedstaat hiervon.

(5) Die Vollstreckungsbehörde überweist die im Zusammenhang mit der Forderung beigetriebenen Beträge sowie die Säumniszuschläge und gegebenenfalls entstehende Zinsen. Die in § 16 Absatz 1 genannten Kosten können vorher einbehalten werden.

(1) Stellt das Verbindungsbüro ein Ersuchen, so sind die nach dem Dritten Abschnitt des Ersten Teils der Abgabenordnung zuständigen Behörden oder die nach Abschnitt V des Ersten Teils der Finanzgerichtsordnung zuständigen Gerichte zuständig für

1.
Rechtsbehelfe in Bezug auf
a)
die Forderung,
b)
den ursprünglichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung in Deutschland und
c)
den einheitlichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im anderen Mitgliedstaat;
2.
Streitigkeiten in Bezug auf die Gültigkeit einer Zustellung durch eine zuständige deutsche Behörde.
Dies gilt auch für Streitigkeiten bei in Deutschland ergriffenen Vollstreckungsmaßnahmen oder Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Gültigkeit einer Zustellungshilfe durch eine zuständige deutsche Behörde. Wurde ein Rechtsbehelf eingelegt, teilt das Verbindungsbüro dies nach Mitteilung durch die Vollstreckungsbehörde dem anderen Mitgliedstaat mit. Hierbei hat es insbesondere mitzuteilen, in welchem Umfang die Forderung nicht angefochten wird.

(2) Ist Deutschland der ersuchte Mitgliedstaat und werden im Verlauf des Beitreibungsverfahrens die Forderung, der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder der einheitliche Vollstreckungstitel von einer betroffenen Partei durch Rechtsbehelf angegriffen, so unterrichtet das Verbindungsbüro nach Mitteilung durch die Vollstreckungsbehörde diese Partei darüber, dass sie den Rechtsbehelf bei der zuständigen Instanz des anderen Mitgliedstaates nach dessen Recht einzulegen hat. Wurde von der ersuchenden Behörde eine Mitteilung entsprechend Absatz 1 Satz 3 erteilt, setzt die Vollstreckungsbehörde das Beitreibungsverfahren für den angefochtenen Teilbetrag der Forderung bis zur Entscheidung über den jeweiligen Rechtsbehelf aus. Satz 2 gilt nicht, wenn die ersuchende Behörde im Einklang mit Absatz 3 ein anderes Vorgehen wünscht. Die Vollstreckungsbehörde kann selbständig oder auf Ersuchen Maßnahmen für die Sicherstellung der Beitreibung treffen, soweit dies zulässig ist. Die Regelungen des § 12 bleiben unberührt.

(3) Eingehende Beitreibungsersuchen aus anderen Mitgliedstaaten können auch die Beitreibung einer angefochtenen Forderung oder eines angefochtenen Teilbetrags einer Forderung beinhalten. Ein solches Ersuchen ist durch die ersuchende Behörde zu begründen. Wird dem Rechtsbehelf später stattgegeben, haftet die ersuchende ausländische Behörde für die Erstattung bereits beigetriebener Beträge samt etwaig geschuldeter Entschädigungsleistungen.

(4) Durch die Einleitung eines Verständigungsverfahrens, das auf die Höhe der beizutreibenden Forderung Auswirkungen haben kann, werden die Beitreibungsmaßnahmen bis zum Abschluss dieses Verfahrens unterbrochen. § 231 Absatz 3 und 4 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Dies gilt nicht, wenn auf Grund von Betrug oder Insolvenz unmittelbare Dringlichkeit gegeben ist. Werden die Beitreibungsmaßnahmen unterbrochen, so ist Absatz 2 Satz 4 und 5 anzuwenden.

Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt sind außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen.

(1) Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner schriftlich zu verbieten, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen, und dem Vollstreckungsschuldner schriftlich zu gebieten, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten (Pfändungsverfügung). Die elektronische Form ist ausgeschlossen.

(2) Die Pfändung ist bewirkt, wenn die Pfändungsverfügung dem Drittschuldner zugestellt ist. Die an den Drittschuldner zuzustellende Pfändungsverfügung soll den beizutreibenden Geldbetrag nur in einer Summe, ohne Angabe der Steuerarten und der Zeiträume, für die er geschuldet wird, bezeichnen. Die Zustellung ist dem Vollstreckungsschuldner mitzuteilen.

(3) Bei Pfändung des Guthabens eines Kontos des Vollstreckungsschuldners bei einem Kreditinstitut gelten die §§ 833a und 907 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(1) Die Vollstreckungsbehörde ordnet die Einziehung der gepfändeten Forderung an. § 309 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) Die Einziehungsverfügung kann mit der Pfändungsverfügung verbunden werden.

(3) Wird die Einziehung eines bei einem Geldinstitut gepfändeten Guthabens eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, angeordnet, so gelten § 835 Absatz 3 Satz 2 und § 900 Absatz 1 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(4) Wird die Einziehung einer gepfändeten nicht wiederkehrend zahlbaren Vergütung eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder sonstige Einkünfte, die kein Arbeitslohn sind, angeordnet, so gilt § 835 Absatz 4 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben

1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post,
2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.

(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.

(7) Betreffen Verwaltungsakte

1.
Ehegatten oder Lebenspartner oder
2.
Ehegatten mit ihren Kindern, Lebenspartner mit ihren Kindern oder Alleinstehende mit ihren Kindern,
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner schriftlich zu verbieten, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen, und dem Vollstreckungsschuldner schriftlich zu gebieten, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten (Pfändungsverfügung). Die elektronische Form ist ausgeschlossen.

(2) Die Pfändung ist bewirkt, wenn die Pfändungsverfügung dem Drittschuldner zugestellt ist. Die an den Drittschuldner zuzustellende Pfändungsverfügung soll den beizutreibenden Geldbetrag nur in einer Summe, ohne Angabe der Steuerarten und der Zeiträume, für die er geschuldet wird, bezeichnen. Die Zustellung ist dem Vollstreckungsschuldner mitzuteilen.

(3) Bei Pfändung des Guthabens eines Kontos des Vollstreckungsschuldners bei einem Kreditinstitut gelten die §§ 833a und 907 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(1) Die Vollstreckungsbehörde ordnet die Einziehung der gepfändeten Forderung an. § 309 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) Die Einziehungsverfügung kann mit der Pfändungsverfügung verbunden werden.

(3) Wird die Einziehung eines bei einem Geldinstitut gepfändeten Guthabens eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, angeordnet, so gelten § 835 Absatz 3 Satz 2 und § 900 Absatz 1 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(4) Wird die Einziehung einer gepfändeten nicht wiederkehrend zahlbaren Vergütung eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder sonstige Einkünfte, die kein Arbeitslohn sind, angeordnet, so gilt § 835 Absatz 4 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

(1) Auf Ersuchen nimmt die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung von Forderungen vor, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht. Die Forderung wird wie eine inländische Forderung behandelt. Als vollstreckbarer Verwaltungsakt gilt der dem Ersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel.

(2) Die Vollstreckung erfolgt nach den Vorschriften, die für Forderungen aus gleichen oder, in Ermangelung gleicher, aus vergleichbaren Steuern oder Abgaben vorgesehen sind. Ist das Verbindungsbüro der Auffassung, dass in Deutschland keine gleichen oder vergleichbaren Steuern oder Abgaben erhoben werden, so handelt die Vollstreckungsbehörde nach den Vorschriften, die für die Vollstreckung von Einkommensteuerforderungen gelten. Die Forderungen werden in Euro vollstreckt.

(3) Das Verbindungsbüro teilt dem anderen Mitgliedstaat die Maßnahmen mit, die die Vollstreckungsbehörde in Bezug auf das Beitreibungsersuchen ergriffen hat.

(4) § 240 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Fälligkeitstag ist der Tag, an dem das Ersuchen bei einem Verbindungsbüro im Sinne des § 3 Absatz 1 eingeht, so dass Säumniszuschläge ab diesem Tag berechnet werden können. Wenn die Vollstreckungsbehörde dem Schuldner eine Zahlungsfrist einräumt oder Ratenzahlung gewährt, unterrichtet das Verbindungsbüro den anderen Mitgliedstaat hiervon.

(5) Die Vollstreckungsbehörde überweist die im Zusammenhang mit der Forderung beigetriebenen Beträge sowie die Säumniszuschläge und gegebenenfalls entstehende Zinsen. Die in § 16 Absatz 1 genannten Kosten können vorher einbehalten werden.

(1) Dieses Gesetz regelt die Einzelheiten der Amtshilfe zwischen Deutschland und den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Mitgliedstaaten) zur Geltendmachung von in den Mitgliedstaaten entstandenen Forderungen. Forderungen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Steuern und Abgaben aller Art, die erhoben werden
a)
von einem oder für einen Mitgliedstaat oder dessen Gebiets- oder Verwaltungseinheiten einschließlich der lokalen Behörden oder
b)
für die Europäische Union;
2.
Erstattungen, Interventionen und andere Maßnahmen, die Bestandteil des Systems der vollständigen Finanzierung oder Teilfinanzierung des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft oder des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums sind, einschließlich der im Rahmen dieser Aktionen zu erhebenden Beiträge;
3.
Abschöpfungen und andere Abgaben im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte für den Sektor Zucker.

(2) Der Anwendungsbereich dieses Gesetzes umfasst auch

1.
Geldstrafen, Geldbußen, Gebühren und Zuschläge in Bezug auf Forderungen,
a)
für deren Beitreibung gemäß Absatz 1 um Amtshilfe ersucht werden kann und
b)
die von den Behörden, die für die Erhebung der betreffenden Steuern oder Abgaben oder die Durchführung der dafür erforderlichen behördlichen Ermittlungen zuständig sind, verhängt wurden oder von Verwaltungsorganen oder Gerichten auf Antrag dieser Behörden bestätigt wurden;
2.
Gebühren für Bescheinigungen und ähnliche Dokumente, die im Zusammenhang mit Verwaltungsverfahren in Bezug auf Steuern oder Abgaben ausgestellt werden;
3.
Zinsen und Kosten im Zusammenhang mit Forderungen, für deren Beitreibung gemäß Absatz 1 oder gemäß den Nummern 1 und 2 um Amtshilfe ersucht werden kann.

(3) Der Anwendungsbereich dieses Gesetzes umfasst nicht

1.
Beiträge und Umlagen sowie damit verbundene Abgaben und Gebühren nach dem Sozialgesetzbuch, den in § 68 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch genannten Gesetzen und dem Aufwendungsausgleichsgesetz;
2.
andere als die in Absatz 2 genannten Gebühren;
3.
vertragliche Gebühren, wie Zahlungen an öffentliche Versorgungsbetriebe;
4.
strafrechtliche Sanktionen, die auf der Grundlage einer Anklageerhebung im Strafverfahren verhängt werden, oder andere strafrechtliche Sanktionen, die nicht von Absatz 2 Nummer 1 erfasst sind.

(4) Für Ersuchen nach diesem Gesetz gelten die Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend, soweit dieses Gesetz nicht etwas anderes bestimmt. Zur Ausführung der Abgabenordnung hat das Bundesministerium der Finanzen Verwaltungsvorschriften erlassen.

(1) Ein Verbindungsbüro kann Beitreibungsersuchen in einen anderen Mitgliedstaat stellen, wenn

1.
die Voraussetzungen für die Vollstreckung gegeben sind und
2.
die Forderung nicht angefochten ist oder nicht mehr angefochten werden kann.
Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, sofern der Einspruch offensichtlich aussichtslos ist beziehungsweise nicht in angemessener Zeit begründet wird und lediglich der Verzögerung der Vollstreckung dient. Ersuchen um Beitreibung angefochtener Forderungen sind nur ausnahmsweise zu stellen und auch nur zulässig, sofern die geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften und die Verwaltungspraxis des ersuchten Mitgliedstaates dies zulassen; ein solches Ersuchen ist zu begründen.

(2) Die Vollstreckungsbehörde muss zuvor alle nach der Abgabenordnung vorgesehenen Vollstreckungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben, es sei denn,

1.
es ist offensichtlich, dass
a)
keine Vermögensgegenstände für die Vollstreckung in Deutschland vorhanden sind oder
b)
Vollstreckungsverfahren in Deutschland nicht zur vollständigen Begleichung der Forderung führen,
und der Vollstreckungsbehörde oder dem Verbindungsbüro konkrete Informationen vorliegen, wonach Vermögensgegenstände der betreffenden Person im ersuchten Mitgliedstaat vorhanden sind;
2.
die Durchführung solcher Vollstreckungsmaßnahmen wäre in Deutschland mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden.

(3) Jedem Beitreibungsersuchen ist der für alle Mitgliedstaaten einheitliche Vollstreckungstitel, dessen Inhalt im Wesentlichen dem des ursprünglichen Vollstreckungstitels entspricht, beizufügen, der die alleinige Grundlage für die im anderen Mitgliedstaat zu ergreifenden Beitreibungs- und Sicherungsmaßnahmen ist. Er muss im anderen Mitgliedstaat weder durch einen besonderen Akt anerkannt noch ergänzt oder ersetzt werden. Dem Beitreibungsersuchen können weitere Dokumente, die im Zusammenhang mit der Forderung stehen, beigefügt werden.

(4) Erlangt die Vollstreckungsbehörde im Zusammenhang mit der Angelegenheit, die dem Beitreibungsersuchen zu Grunde liegt, zweckdienliche Informationen, so teilt sie diese dem Verbindungsbüro zur unverzüglichen Weiterleitung an den anderen Mitgliedstaat mit.

(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, darf die Vollstreckung erst beginnen, wenn die Leistung fällig ist und der Vollstreckungsschuldner zur Leistung oder Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden ist (Leistungsgebot) und seit der Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen ist. Das Leistungsgebot kann mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden werden. Ein Leistungsgebot ist auch dann erforderlich, wenn der Verwaltungsakt gegen den Vollstreckungsschuldner wirkt, ohne ihm bekannt gegeben zu sein. Soweit der Vollstreckungsschuldner eine von ihm auf Grund einer Steueranmeldung geschuldete Leistung nicht erbracht hat, bedarf es eines Leistungsgebots nicht.

(2) Eines Leistungsgebots wegen der Säumniszuschläge und Zinsen bedarf es nicht, wenn sie zusammen mit der Steuer beigetrieben werden. Dies gilt sinngemäß für die Vollstreckungskosten, wenn sie zusammen mit dem Hauptanspruch beigetrieben werden. Die gesonderte Anforderung von Säumniszuschlägen kann ausschließlich automationsgestützt erfolgen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.


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Tatbestand

1

I. Der in Deutschland wohnhafte Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) war Geschäftsführer einer spanischen GmbH. Wegen rückständiger Körperschaftsteuer dieser GmbH zur Rechnungsnummer ...1465 nahm die spanische Finanzverwaltung den Antragsteller in Haftung. Gegen den ihm zugestellten Haftungsbescheid legte der Antragsteller Steuerbeschwerde ein. Das Klageverfahren vor dem spanischen Finanzgericht ist noch nicht abgeschlossen. Zwischenzeitlich erließ das spanische Finanzamt über den Steuerbetrag nebst Säumniszuschlägen (126 511,03 €) eine Vollstreckungsanordnung, die dem Rechtsanwalt des Antragstellers zugestellt wurde.

2

Mit e-mail über das CCN/CSI-Netz übersandte die Staatsbehörde für Steuerverwaltung in Madrid an das Bundeszentralamt für Steuern ein Beitreibungsersuchen. Der e-mail waren zwei Dateien angefügt, im pdf-Format die Vollstreckungsanordnung mit der Bezeichnung "Enforcement Instrument for Income Tax (period 2000) Reg. no. A-...1465" und im Word-Format das ausgefüllte Pendelformular "Ersuchen um Beitreibung gemäß Artikel 6 der Richtlinie 2008/55/EG", die beizutreibende Forderung war mit 135 063,52 € (126 511,03 € nebst bis zum Datum des Ersuchens aufgelaufenen Zinsen) angegeben. Diese e-mail wurde an den Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt --FA--) weitergeleitet. Daraufhin übersandte das FA am 27. Juli 2009 eine Zahlungsaufforderung vom 24. Juli 2009 an den Antragsteller mit dem Inhalt, der Antragsteller schulde der "spanischen Steuerbehörde" "Einkommensteuer 2000" 126 511,03 € und "Nebenleistungen" 8 552,49 € und dem Hinweis, dass im Falle der Nichtzahlung Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet würden. Dagegen erhob der Antragsteller u.a. wegen nicht ausreichender Konkretisierung des zu vollstreckenden Bescheids und des Beitreibungsersuchens Einspruch und beantragte Aussetzung der Vollziehung.

3

Gleichzeitig mit der Übersendung der Abschrift einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung, mit der das FA bei sich selbst als Drittschuldner alle gegenwärtigen und zukünftigen Steuererstattungsansprüche des Antragstellers aus den Veranlagungsjahren 2001 und 2002 (63 918,54 €) wegen dessen Schuld gegenüber der spanischen Steuerbehörde pfändete und dessen Einziehung anordnete, konkretisierte das FA die Zahlungsaufforderung. Als Rechtsgrundlage bezeichnete es § 117 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 114 AO i.V.m. § 254 AO und teilte die Angaben aus dem Beitreibungsersuchen mit, u.a. den Namen der spanischen Steuerbehörde und die Steuernummer. Zugleich lehnte es eine Aussetzung der Vollziehung ab. Über den Einspruch ist bisher nicht entschieden worden.

4

Das Finanzgericht (FG) gab dem Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung der Zahlungsaufforderung im Wesentlichen statt (abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2010, 848). Es entschied, die Vollziehung des Leistungsgebots durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung werde gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 63 918,54 € aufgehoben, die weitere Vollziehung werde gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 71 144,98 € ausgesetzt. Es wertete die Zahlungsaufforderung als grundsätzlich zulässiges und im Streitfall durch die ergänzenden Angaben des FA auch hinreichend konkretisiertes Leistungsgebot. Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit ergäben sich allein daraus, dass der per e-mail im sog. pdf-Format übersandte vollstreckbare Titel möglicherweise nicht --wie in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie vom 3. Mai 2003 (BGBl I 2003, 654) vorgeschrieben-- in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie vorliege. Eine per e-mail übersandte Datei entspreche nicht dem deutschen Sprachgebrauch von "in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie". Eine der Papierform rechtlich gleichwertige Datei als Vollstreckungstitel könnte sich nur aus Art. 21 Abs. 1 der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 1179/2008 der Kommission vom 28. November 2008 zur Festsetzung der Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Artikeln der Richtlinie 2008/55/EG über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit bestimmten Abgaben, Zöllen, Steuern und sonstigen Maßnahmen (DurchführungsVO n.F.) ergeben, der vorschreibe, dass Vollstreckungstitel elektronisch zu übermitteln und elektronisch übermittelte Dokumente oder deren Ausdrucke ebenso rechtsverbindlich seien wie postalisch übermittelte Dokumente. Es bestünden jedoch Zweifel an der Gültigkeit der Regelung. Es erscheine fraglich, ob es sich noch als "Durchführung" der Richtlinie des Rates darstelle, obwohl der Rat auch in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/55/EG vom 26. Mai 2008 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen (BeitreibungsRL n.F.) dabei geblieben sei, dass "eine amtliche Ausfertigung oder eine beglaubigte Kopie" des Vollstreckungstitels dem Beitreibungsersuchen "beizufügen" sei und auch die Europäische Kommission dies in Art. 12 Abs. 2 DurchführungsVO n.F. wiederhole.

5

Gegen die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung hat das FA die vom FG zugelassene Beschwerde eingelegt.

6

Es beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und --sinngemäß-- die Anträge auf Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.

7

Das FA sieht in der Regelung des § 21 Abs. 1 DurchführungsVO n.F. eine ausreichende Rechtsgrundlage für eine wirksame Beifügung des Vollstreckungstitels per e-mail im Sinne der BeitreibungsRL.

8

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Beschwerde des FA ist begründet.

10

Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann die Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung durch das Gericht erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es fehlt bereits an einem der Aussetzung fähigen Verwaltungsakt.

11

Die Zahlungsaufforderung, deren Aussetzung der Antragsteller ausdrücklich mit seinem Antrag begehrt, enthält keine eigenständige, den Empfänger belastende Regelung. Sie beschränkt sich vielmehr auf die Mitteilung der Zahlstelle, an die der Antragsteller die ihm --mit dem ihm bekanntgegebenen Haftungsbescheid der spanischen Finanzbehörde-- aufgegebene Zahlung zu bewirken hat und enthält die Ankündigung von Vollstreckungsmaßnahmen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs handelt es sich bei der Ankündigung der Vollstreckung um eine lediglich aus Gründen der Zweckmäßigkeit nach außen gerichtete Bekanntmachung einer verwaltungsinternen Maßnahme (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. August 2000 VII B 46/00, BFH/NV 2001, 149; vom 13. Februar 1997 VII S 35/96, BFH/NV 1997, 462; vom 14. Juni 1988 VII B 15/88, BFH/NV 1989, 75).

12

Entgegen der Auffassung des FG handelt es sich nicht um ein Leistungsgebot i.S. des § 254 Abs. 1 AO. Dieses war vielmehr --wie das FG selbst festgestellt hat-- bereits mit dem spanischen Haftungsbescheid verbunden, und obendrein war dem Antragsteller von der spanischen Finanzbehörde bereits eine Vollstreckungsanordnung zugestellt worden. Danach war die Vollstreckung in Deutschland unmittelbar möglich (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 19. Juni 1986 IV 222-223/84 N, EFG 1986, 608).

13

Ein Fall des Art. 8 Abs. 2 BeitreibungsRL, wonach der Vollstreckungstitel gegebenenfalls nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz hat, als solcher bestätigt und anerkannt oder durch einen Titel ergänzt oder ersetzt werden kann, der die Vollstreckung im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ermöglicht, liegt danach nicht vor. Aber selbst wenn in der Zahlungsaufforderung eine Wiederholung des Leistungsgebots mit neuer Zahlstelle und Zahlungsfrist gesehen werden könnte, würde eine solche wiederholende Verfügung keine erneute Anfechtungsmöglichkeit eröffnen. Denn von der Zahlungsaufforderung geht --wie schon das FG ausgeführt hat-- keine weitergehende Belastung aus als von dem mit dem Haftungsbescheid verbundenen Leistungsgebot (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Februar 2008 VII B 156/07, BFH/NV 2008, 967).

14

Auf die vom FG für grundsätzlich klärungsbedürftig erachteten Fragen kommt es nach alledem im Streitfall nicht an.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

Ist der Schuldner eine natürliche Person, so wird er nach Maßgabe der §§ 287 bis 303a von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit.

(1) Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben.

(2) Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung oder aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, werden durch die Restschuldbefreiung nicht berührt. Der Schuldner wird jedoch gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber den Insolvenzgläubigern.

(3) Wird ein Gläubiger befriedigt, obwohl er auf Grund der Restschuldbefreiung keine Befriedigung zu beanspruchen hat, so begründet dies keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten.

(4) Ein allein aufgrund der Insolvenz des Schuldners erlassenes Verbot, eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen oder auszuüben, tritt mit Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung außer Kraft. Satz 1 gilt nicht für die Versagung und die Aufhebung einer Zulassung zu einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit.

(1) Das Insolvenzgericht entscheidet nach dem regulären Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Der Beschluss ergeht nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters oder Treuhänders und des Schuldners. Eine nach Satz 1 erteilte Restschuldbefreiung gilt als mit Ablauf der Abtretungsfrist erteilt.

(2) Wurden im Insolvenzverfahren keine Forderungen angemeldet oder sind die Insolvenzforderungen befriedigt worden und hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt, so entscheidet das Gericht auf Antrag des Schuldners schon vor Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 ist vom Schuldner glaubhaft zu machen. Wird die Restschuldbefreiung nach Satz 1 erteilt, so gelten die §§ 299 und 300a entsprechend.

(3) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn die Voraussetzungen des § 290 Absatz 1, des § 296 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 3, des § 297 oder des § 297a vorliegen, oder auf Antrag des Treuhänders, wenn die Voraussetzungen des § 298 vorliegen.

(4) Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen. Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der bei der Anhörung nach Absatz 1 oder Absatz 2 die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt oder der das Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer vorzeitigen Restschuldbefreiung nach Absatz 2 geltend gemacht hat, die sofortige Beschwerde zu.

Tenor

Der Beschluss des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. August 2015  3 V 65/15 wird aufgehoben und der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ist seit 1991 als Steuerberater in B tätig. Er hat aus den Jahren 1991 bis 2000 Steuerschulden gegenüber dem Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt B --FA--). Diese belaufen sich laut Abrechnungsbescheid vom 13. April 2015 auf 1.172.972,25 €. Über den Einspruch des Antragstellers gegen den Abrechnungsbescheid und den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung dieses Abrechnungsbescheids hat das FA nach Aktenlage noch nicht entschieden. Die Vollstreckung gegenüber dem Antragsteller verlief bislang erfolglos.

2

Am 8. Juli 2009 richtete das FA einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens an das Insolvenzgericht A, den dieses mit Beschluss vom 12. August 2009 als unzulässig zurückwies.

3

Am 10. September 2009 stellte das FA einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers beim Amtsgericht (AG) B. Dagegen erhob der Antragsteller Klage beim Finanzgericht (FG) und beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung.

4

Kurze Zeit bevor das FA den Insolvenzantrag zunächst in A und sodann in B gestellt hatte, wurde ihm bekannt, dass auf Antrag des Antragstellers bereits am 11. August 2008 vor dem High Court of Justice in London ein Insolvenzhauptverfahren (so genanntes Bankruptcy-Verfahren) nach Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 (VO Nr. 1346/2000) des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- Nr. L 160/1) i.d.F. nach der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 663/2014 des Rates vom 5. Juni 2014 (ABlEU Nr. L 179/4) eröffnet worden war, in dem dem Antragsteller am 11. August 2009 die Restschuldbefreiung (discharge) erteilt worden war. Das FA war im Rahmen dieses Insolvenzhauptverfahrens nicht angehört worden.

5

Am 8. Juli 2010 beantragte das FA beim High Court of Justice den Widerruf der Restschuldbefreiung. Nach dem Vortrag des FA im Verfahren vor dem FG kam es aus nicht mehr aufklärbaren Gründen nicht zu einer Durchführung dieses Verfahrens.

6

Am 30. September 2014 beantragte das FA beim High Court of Justice in London erneut die Aufhebung der Insolvenzeröffnung vom 11. August 2008 (bankruptcy order) mit der Begründung, der Antragsteller habe nie wirklich in England gelebt. Sein center of main interests (COMI) habe sich niemals in England befunden. Nach dem Vorbringen des FA wurde diesbezüglich für den 1. und 2. Februar 2016 eine mündliche Verhandlung vor dem High Court of Justice anberaumt.

7

Mit Beschluss vom 28. August 2015 kam das FG zu dem Ergebnis, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zulässig und begründet. Der Antragsteller habe Anspruch auf Rücknahme des auf die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens gerichteten Antrags vom 10. September 2009 an das AG B, da das Hauptinsolvenzverfahren durch die am 11. August 2009 erteilte Restschuldbefreiung in England bereits beendet gewesen sei. Es sei ernstlich zweifelhaft, ob nach Erteilung der Restschuldbefreiung im Hauptinsolvenzverfahren noch ein Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens gestellt werden könne, da das Sekundärinsolvenzverfahren in seiner Wirkung vom Hauptinsolvenzverfahren abhängig sei. Die Restschuldbefreiung sei bei Vorliegen der Voraussetzungen ohne weitere Förmlichkeiten anzuerkennen, sofern kein ordre-public-Verstoß vorliege. Es sei zwar aufgrund der Feststellungen des FA davon überzeugt, dass sich der Antragsteller rechtsmissbräuchlich die Zuständigkeit des High Court of Justice für die Eröffnung des Insolvenzhauptverfahrens erschlichen habe. Es sei jedoch ernstlich zweifelhaft, ob die rechtsmissbräuchliche Zuständigkeitserschleichung ein Verstoß gegen den ordre public sei und somit die in England erteilte Restschuldbefreiung in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) nicht anzuerkennen sei. In einem Missbrauchsfall sei zwar tatsächlich die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts nicht gegeben. Werde diese aber dennoch von dem entscheidenden Gericht im Ausland angenommen, könne eine Anerkennung der Zuständigkeit des eröffnenden Gerichts nicht versagt werden. Gegebenenfalls sei die Annahme der Eröffnungszuständigkeit durch das ausländische Gericht mit Rechtsmitteln anzugreifen.

8

Seine Beschwerde begründet das FA im Wesentlichen folgendermaßen: Es müsse sich die in England am 11. August 2009 vom High Court of Justice erwirkte Restschuldbefreiung des Antragstellers nicht entgegenhalten lassen. Die Anerkennung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat setze voraus, dass der Insolvenzschuldner in einem anderen Mitgliedstaat den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen gehabt habe, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei. Vielmehr habe sich der Antragsteller die Zuständigkeit des englischen Gerichts erschlichen. Insoweit könne der Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens auch als Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens betrachtet werden. Außerdem sei es (das FA) im Insolvenzverfahren nicht gehört worden. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller sich seit Jahren seiner Zuständigkeit zu entziehen versuche und konsequent seinen Wohnsitz verschleiere.

9

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerberaters führe ferner nicht unmittelbar zum Widerruf der Bestellung. Vielmehr müsse die zuständige Steuerberaterkammer ein Verfahren zur Prüfung des Widerrufs der Bestellung einleiten. Im Übrigen habe das in England durchgeführte Insolvenzverfahren bis heute nicht zu einem Widerruf der Bestellung geführt.

10

Das FA beantragt sinngemäß, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde für die Dauer des Beschwerdeverfahrens anzuordnen sowie die Vorentscheidung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Rücknahme des Insolvenzantrags beim AG B unter Aufhebung der Vorentscheidung abzulehnen.

11

Der Antragsteller beantragt, die Anträge abzulehnen.

12

Es werde nicht dargelegt, warum eine gegebenenfalls fehlerhafte Annahme der eigenen Zuständigkeit durch das englische Gericht in Deutschland ein Ergebnis schaffe, das offensichtlich mit der öffentlichen Ordnung unvereinbar wäre. Vielmehr sei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das englische Gericht anzuerkennen, unabhängig davon, ob die eigene internationale Zuständigkeit zu Recht angenommen worden sei oder nicht. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch das englische Gericht gehe ins Leere, zumal eine Mitteilung über den Insolvenzbeschluss auch in einer geeigneten Zeitung und der London Gazette erscheine. Das FA habe auch nicht dargelegt, woraus sich im Jahr 2008 eine Zuständigkeit zu seinen Gunsten ergebe, weil sich zu diesem Zeitpunkt der Hauptsitz seiner (des Antragstellers) Kanzlei in A befunden habe, während er in B lediglich in einer Beratungsstelle als Nebensitz aktiv gewesen sei. Erst nach Antragstellung in England hätten sich das FA und das Finanzamt A auf eine Zuständigkeit des FA verständigt. Weiterhin habe er im Zeitpunkt der Antragstellung vor dem High Court of Justice schon von seiner Ehefrau getrennt gelebt. Das FA habe nicht einlassungsfähig dargetan, dass er zum Zeitpunkt des Antrags in England Vermögenswerte besessen habe, die er in der Folgezeit auf seine Ehefrau übertragen habe. Das FA habe seit Insolvenzantragstellung am "11. September 2009" keine Unterbrechungshandlungen i.S. des § 231 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung getätigt. Der Antrag des FA vom 30. September 2014 an den High Court of Justice in London enthalte keine an den Abgabenpflichtigen gerichtete Zahlungsaufforderung.

13

Es bestehe auch ein Anordnungsgrund, weil der Insolvenzantrag des FA unzulässig sei und ein Widerruf seiner --des Antragstellers-- Zulassung für ihn fatale Folgen hätte. Andererseits stehe es dem FA frei, jederzeit erneut einen Insolvenzantrag zu stellen.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Beschwerde des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

15

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist gegen den beim AG gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (vgl. schon zur Konkursordnung Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.; zur Insolvenzordnung --InsO-- Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017).

16

Auch das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung ist zu bejahen. Der Antrag ist --ebenso wie die Rücknahme des Antrags als actus contrarius-- zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses, und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710, und Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017). Für die Bejahung des Rechtsschutzinteresses ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA ausreichend.

17

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist schon unbegründet, weil der Senat nicht vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung ausgeht.

18

Das FA hat nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ermessensfehlerhaft gestellt (vgl. § 102 FGO). Insoweit ist der Senat abweichend von § 118 Abs. 2 FGO nicht an die tatrichterlichen Feststellungen gebunden, sondern prüft den Fall summarisch anhand des präsenten Aktenmaterials in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. November 2008 IV B 127/07, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, R159, m.w.N.; Gosch in Beermann/Gosch, FGO § 69 Rz 122).

19

a) Gemäß Art. 3 VO Nr. 1346/2000 ist am 11. August 2008 vor dem High Court of Justice in London ein Insolvenzhauptverfahren (so genanntes Bankruptcy-Verfahren) gegen den Antragsteller eröffnet worden, bei dem es sich um ein Insolvenzverfahren i.S. des Art. 2 Buchst. a i.V.m. Anhang A VO Nr. 1346/2000 handelt. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Vereinigten Königreich ist gemäß Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 1346/2000 grundsätzlich in Deutschland anzuerkennen (vgl. auch Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 1346/2000). Dasselbe gilt gemäß Art. 25 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 1346/2000 für die dem Antragsteller am 11. August 2009 erteilte Restschuldbefreiung (discharge). Unabhängig davon, inwieweit die so genannte discharge from bankruptcy der Restschuldbefreiung i.S. des § 286 InsO vergleichbar ist, führt sie gemäß Insolvency Act 1986, Section 278 (b) zur Beendigung des bankruptcy-Verfahrens.

20

Einer Anerkennung der Restschuldbefreiung im Sinne des englischen Rechts steht nicht schon entgegen, dass der Antragsteller seinen COMI möglicherweise nur kurzfristig nach Großbritannien verlegt hat. Denn Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 1346/2000 ist dahin auszulegen, dass das von einem Gericht eines Mitgliedstaats eröffnete Insolvenzverfahren von den Gerichten der übrigen Mitgliedstaaten anzuerkennen ist, ohne dass diese die Zuständigkeit des Gerichts des Eröffnungsstaats überprüfen können (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- Eurofood IFSC vom 2. Mai 2006 C-341/04, EU:C:2006:281, Rz 42; MG Probud vom 21. Januar 2010 C-444/07, EU:C:2010:24, Rz 29; Bank Handlowy and Adamiak vom 22. November 2012 C-116/11, EU:C:2012:739, Rz 41; vgl. zu Art. 102 Abs. 1 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 18. September 2001 IX ZB 51/00, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2002, 960; BGH-Urteil vom 10. September 2015 IX ZR 304/13, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 2015, 2331). Gegebenenfalls müssen Fragen hinsichtlich der Zuständigkeit im Rahmen von im Eröffnungsmitgliedstaat gegebenen Rechtsbehelfen gegen die Eröffnungsentscheidung geklärt werden (vgl. EuGH-Urteil Eurofood IFSC, EU:C:2006:281, Rz 43).

21

b) Nach summarischer Prüfung sprechen die Umstände des vorliegenden Falles überwiegend dafür, dass sich der Antragsteller auf die vom High Court of Justice erteilte Restschuldbefreiung in Deutschland nicht berufen kann, weil dies dem Ordre-Public-Vorbehalt gemäß Art. 26 VO Nr. 1346/2000 oder jedenfalls dem Grundsatz von Treu und Glauben widerspräche, der im Steuerrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz uneingeschränkt anerkannt ist (vgl. BFH-Urteil vom 8. Februar 1996 V R 54/94, BFH/NV 1996, 733).

22

Nach Art. 26 VO Nr. 1346/2000 kann sich jeder Mitgliedstaat weigern, ein in einem anderen Mitgliedstaat eröffnetes Insolvenzverfahren anzuerkennen, soweit diese Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das offensichtlich mit seiner öffentlichen Ordnung, insbesondere mit den Grundprinzipien oder den verfassungsmäßig garantierten Rechten und Freiheiten des Einzelnen, unvereinbar ist. Dabei handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann anzuwenden ist, wenn die Anerkennung der in einem Mitgliedstaat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstößt und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des zur Anerkennung verpflichteten Mitgliedstaats steht. Bei dem Verstoß muss es sich um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des zur Anerkennung verpflichteten Mitgliedstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln (EuGH-Urteil Eurofood IFSC, EU:C:2006:281, Rz 62 ff.; vgl. auch EuGH-Urteil MG Probud, EU:C:2010:24, Rz 33 f.; EuGH-Urteil flyLAL-Lithuanian Airlines vom 23. Oktober 2014 C-302/13, EU:C:2014:2319, Rz 49; BGH-Beschluss in NJW 2002, 960; BGH-Urteil in ZIP 2015, 2331). Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens hat der Anspruch der Gläubiger oder ihrer Vertreter auf Teilnahme am Verfahren unter Beachtung des Grundsatzes der Waffengleichheit eine besondere Bedeutung.

23

Allein die Möglichkeit, in Großbritannien schneller eine Restschuldbefreiung zu erreichen, genügt nicht, um die Voraussetzungen des Art. 26 VO Nr. 1346/2000 zu bejahen. Ein Verstoß gegen die deutsche öffentliche Ordnung ("ordre public") im Sinne eines Rechtsmissbrauchs kann sich jedoch daraus ergeben, dass eine nur vorübergehende Wohnsitzverlegung (bzw. eine nur vorübergehende Verlegung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen) in einen anderen Staat erfolgt, um unter dort erleichterten Bedingungen eine Restschuldbefreiung zu erwirken (vgl. BGH-Beschluss in NJW 2002, 960). Im Fall einer rechtsmissbräuchlichen Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland nur zum Schein kann unter diesen Umständen das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts unter Beachtung inländischer Rechtsvorstellungen untragbar erscheinen (vgl. BGH-Beschluss in NJW 2002, 960).

24

Das FA hat substantiiert dargelegt, dass der Antragsteller seinen COMI nur zum Schein nach Großbritannien verlegt hat, um die Vorteile des britischen Insolvenzverfahrens in Form einer schnelleren Restschuldbefreiung erlangen zu können.

25

Gegen eine tatsächliche Verlegung des COMI nach Großbritannien mindestens sechs Monate vor der Antragstellung am 11. August 2008 spricht, dass der Antragsteller im April 2008 noch die Partnergesellschaft "…" (eingetragen im Partnerschaftsregister des AG A unter PR …) mit einer Repräsentanz in B gegründet hat und für diese tätig gewesen ist. Seine Tätigkeit als Steuerberater, teilweise auch in B, hat die Einvernahme der Zeugin C durch die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts E bestätigt (vgl. Niederschrift vom 8. April 2014), wonach er in seinem Büro in B beispielsweise Schreiben unterzeichnet habe. Nach den Angaben des Zeugen D war der Antragsteller im fraglichen Zeitraum in der Regel ein bis zwei Tage im Büro anwesend bzw. nicht länger als ein oder zwei Wochen abwesend (vgl. Vernehmungsniederschrift der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts E vom 8. April 2014). Er sei u.a. als Steuerberater in Deutschland tätig gewesen. Außerdem habe es Rücksprachen gegeben und seien Mandate betreut worden. Ferner habe der Antragsteller auch Mandanten in anderen Ländern als Großbritannien betreut. Außerdem sind von beiden Zeugen Beteiligungen an verschiedenen Unternehmen, z.B. die X-GmbH, angesprochen worden. Auch die Zeugin F hat gegenüber dem Finanzamt E am 8. April 2014 ausgesagt, der Antragsteller sei in den Jahren 2008 und 2009 als Geschäftsführer einer GmbH und als Steuerberater in Deutschland tätig und ein paar Tage die Woche in B gewesen.

26

Weiterhin hat der Antragsteller vor dem High Court of Justice seinen Familienstand unzutreffenderweise mit "single" angegeben, während sich aus dem Zwischenbericht des Rechtsanwalts G an das – Insolvenzgericht vom 4. September 2014 ergibt, der Antragsteller sei zum damaligen Zeitpunkt verheiratet gewesen.

27

Gegen eine tatsächliche Verlegung des COMI nach Großbritannien spricht schließlich, dass der Antragsteller in den Monaten vor der Antragstellung beim High Court of Justice nach summarischer Prüfung zahlreiche Termine in Deutschland wahrgenommen hat (vgl. an den High Court of Justice gerichtete Zeugenaussage von Frau H vom 12. September 2014 im Zusammenhang mit dem Antrag des FA auf Aufhebung bzw. Ungültigkeitserklärung des am 11. August 2008 erlassenen Konkurseröffnungsbeschlusses, insbesondere ab Ziffer 46).

28

c) Der Antragsteller kann sich auch nicht auf die Restschuldbefreiung berufen, weil er im Rahmen des bankruptcy-Verfahrens teilweise falsche Angaben gemacht hat und daher viel dafür spricht, dass ihm die so genannte discharge zu Unrecht erteilt worden ist.

29

U.a. hat er die Gründung der Partnergesellschaft "…" im April 2008 nicht in der Vermögensauskunft für den High Court of Justice angegeben.

30

Auch verschiedene Tätigkeiten als Geschäftsführer in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung hat er nicht offengelegt. Dies betrifft drei in der Schweiz ansässige Gesellschaften, nämlich das Institut I-GmbH, das Institut J-AG und die K-AG, aus denen er im Jahr 2007 ausgeschieden war (vgl. die in den Akten enthaltenen Handelsregisterauszüge). Außerdem hat der Antragsteller in dem beim High Court of Justice abgegebenen Vermögensverzeichnis seine Tätigkeit als Mitgeschäftsführer bei der Steuerberatungsgesellschaft L-GmbH mit Sitz in A und seine Anteile an der M-GmbH nicht angegeben.

31

Die Angaben des Antragstellers zu seinem Vermögen waren ferner insofern unvollständig, als er im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung beim High Court of Justice Eigentümer eines Appartements in (Ausland) gewesen ist. Für das Eigentum an dieser Wohnung sprechen die Entrichtung der Grundsteuer und die Angabe dieser Wohnung in einer Selbstauskunft vom 13. Mai 2008.

32

d) Schließlich bestehen auch Bedenken gegen eine Anerkennung der Restschuldbefreiung, weil der Antragsteller das FA gegenüber dem High Court of Justice als Gläubiger verschwiegen hat und dieses somit im Rahmen des englischen Insolvenzverfahrens nicht entsprechend dem Verfahren nach Art. 40 VO Nr. 1346/2000 angehört worden ist, obwohl viel dafür spricht, dass es hätte beteiligt werden müssen.

33

Der Hinweis des Antragstellers auf eine Mitteilung über den Insolvenzbeschluss in der Presse ist nicht geeignet, die Gehörsverletzung auszugleichen, weil dies eine förmliche Mitteilung des englischen Gerichts gemäß Art. 40 VO Nr. 1346/2000 nicht ersetzt.

34

Die Zuständigkeit des FA oder eines anderen Finanzamts, insbesondere des Finanzamts A, das er gegenüber dem High Court of Justice als einzigen Gläubiger angegeben hat, ist noch nicht geklärt. Der bisherige Vortrag des Antragstellers ist nicht substantiiert genug, um die Zuständigkeit eines anderen Finanzamts nachvollziehen zu können.

35

e) Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens dürfte auch zu klären sein, warum es infolge des am 8. Juli 2010 beim High Court of Justice beantragten Widerrufs der Restschuldbefreiung nicht zu einer Durchführung dieses Verfahrens gekommen ist und ob sich das FA insofern Versäumnisse entgegenhalten lassen muss und deshalb Verjährung eingetreten ist.

36

Insgesamt sprechen zum derzeitigen Verfahrensstand die überwiegenden Umstände gegen das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs.

37

3. Die Aufrechterhaltung der erstinstanzlich zugesprochenen einstweiligen Anordnung kommt jedenfalls mangels eines Anordnungsgrundes nicht in Betracht.

38

Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (so genannte Regelungsanordnung). Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist. Die für den Erlass einer Anordnung geltend gemachten Gründe müssen jedenfalls ähnlich gewichtig und bedeutsam sein wie die im Gesetz ausdrücklich genannten. Sie müssen so schwerwiegend sein, dass sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen (Senatsbeschlüsse vom 7. Januar 1999 VII B 170/98, BFH/NV 1999, 818, m.w.N., und vom 21. Januar 1999 VII B 214/98, BFHE 187, 170, BStBl II 1999, 141).

39

Dies gilt insbesondere, wenn nicht nur eine vorläufige Maßnahme begehrt wird, sondern --wie vom Antragsteller-- die Vorwegnahme der Hauptsache. Ein solches Rechtsschutzziel widerspricht grundsätzlich der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes. Eine Regelungsanordnung darf nach ständiger Rechtsprechung nur eine einstweilige Regelung enthalten und das Ergebnis des Hauptprozesses nicht vorwegnehmen oder diesem endgültig vorgreifen (vgl. Beschluss des Senats vom 22. August 1995 VII B 153, 154, 167, 172/95, BFHE 178, 15, BStBl II 1995, 645, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Etwas anderes gilt im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) nur dann, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1977  2 BvR 42/76, BVerfGE 46, 166, und vom 25. Oktober 1988  2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69).

40

Der Antragsteller hat derartige wesentliche Nachteile nicht glaubhaft gemacht. Wie sich aus § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes ergibt, ist die Bestellung zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird erst dann vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet oder der Steuerberater in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO) eingetragen ist.

41

Ob tatsächlich ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann, ist im Streitfall noch nicht entschieden. Vielmehr hat das Insolvenzgericht zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen und ob eine eventuelle Aberkennung der Restschuldbefreiung nach dem Termin im Februar 2016 vor dem High Court of Justice gemäß Section 375 Abs. 1 Insolvency Act 1986 dem entgegensteht. In diesem Zusammenhang kommt es auch darauf an, ob das im Vereinigten Königreich durchgeführte bankruptcy-Verfahren weiterhin bindend ist.

42

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das FA bereits vor über sechs Jahren den hier angegriffenen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hat. Es ist nicht nachvollziehbar, woraus sich nunmehr eine unmittelbare Bedrohung der wirtschaftlichen oder persönlichen Existenz des Betroffenen ergeben soll.

43

4. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde für die Dauer des Beschwerdeverfahrens bedarf aufgrund der Entscheidung über die Beschwerde selbst keiner Entscheidung mehr.

44

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt:

1.
Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist; der Gläubiger hat die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Absatz 2 anzumelden;
2.
Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners;
3.
Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Wer gewerbsmäßig Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben hinterzieht oder gewerbsmäßig durch Zuwiderhandlungen gegen Monopolvorschriften Bannbruch begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
eine Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder einen Bannbruch begeht, bei denen er oder ein anderer Beteiligter eine Schusswaffe bei sich führt,
2.
eine Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder einen Bannbruch begeht, bei denen er oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand eines anderen durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung der Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder des Bannbruchs verbunden hat, eine solche Tat begeht.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) § 370 Abs. 6 Satz 1 und Abs. 7 gilt entsprechend.

(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) § 370 Absatz 6 und 7 gilt entsprechend.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Für Beschlüsse gelten § 96 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 105 Abs. 2 Nr. 6, §§ 107 bis 109 sinngemäß.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 und 5) und über einstweilige Anordnungen (§ 114 Abs. 1), Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 138) sowie Beschlüsse, in denen ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen wird (§ 142), sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Auf Ersuchen nimmt die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung von Forderungen vor, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht. Die Forderung wird wie eine inländische Forderung behandelt. Als vollstreckbarer Verwaltungsakt gilt der dem Ersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel.

(2) Die Vollstreckung erfolgt nach den Vorschriften, die für Forderungen aus gleichen oder, in Ermangelung gleicher, aus vergleichbaren Steuern oder Abgaben vorgesehen sind. Ist das Verbindungsbüro der Auffassung, dass in Deutschland keine gleichen oder vergleichbaren Steuern oder Abgaben erhoben werden, so handelt die Vollstreckungsbehörde nach den Vorschriften, die für die Vollstreckung von Einkommensteuerforderungen gelten. Die Forderungen werden in Euro vollstreckt.

(3) Das Verbindungsbüro teilt dem anderen Mitgliedstaat die Maßnahmen mit, die die Vollstreckungsbehörde in Bezug auf das Beitreibungsersuchen ergriffen hat.

(4) § 240 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Fälligkeitstag ist der Tag, an dem das Ersuchen bei einem Verbindungsbüro im Sinne des § 3 Absatz 1 eingeht, so dass Säumniszuschläge ab diesem Tag berechnet werden können. Wenn die Vollstreckungsbehörde dem Schuldner eine Zahlungsfrist einräumt oder Ratenzahlung gewährt, unterrichtet das Verbindungsbüro den anderen Mitgliedstaat hiervon.

(5) Die Vollstreckungsbehörde überweist die im Zusammenhang mit der Forderung beigetriebenen Beträge sowie die Säumniszuschläge und gegebenenfalls entstehende Zinsen. Die in § 16 Absatz 1 genannten Kosten können vorher einbehalten werden.

(1) Stellt das Verbindungsbüro ein Ersuchen, so sind die nach dem Dritten Abschnitt des Ersten Teils der Abgabenordnung zuständigen Behörden oder die nach Abschnitt V des Ersten Teils der Finanzgerichtsordnung zuständigen Gerichte zuständig für

1.
Rechtsbehelfe in Bezug auf
a)
die Forderung,
b)
den ursprünglichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung in Deutschland und
c)
den einheitlichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im anderen Mitgliedstaat;
2.
Streitigkeiten in Bezug auf die Gültigkeit einer Zustellung durch eine zuständige deutsche Behörde.
Dies gilt auch für Streitigkeiten bei in Deutschland ergriffenen Vollstreckungsmaßnahmen oder Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Gültigkeit einer Zustellungshilfe durch eine zuständige deutsche Behörde. Wurde ein Rechtsbehelf eingelegt, teilt das Verbindungsbüro dies nach Mitteilung durch die Vollstreckungsbehörde dem anderen Mitgliedstaat mit. Hierbei hat es insbesondere mitzuteilen, in welchem Umfang die Forderung nicht angefochten wird.

(2) Ist Deutschland der ersuchte Mitgliedstaat und werden im Verlauf des Beitreibungsverfahrens die Forderung, der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder der einheitliche Vollstreckungstitel von einer betroffenen Partei durch Rechtsbehelf angegriffen, so unterrichtet das Verbindungsbüro nach Mitteilung durch die Vollstreckungsbehörde diese Partei darüber, dass sie den Rechtsbehelf bei der zuständigen Instanz des anderen Mitgliedstaates nach dessen Recht einzulegen hat. Wurde von der ersuchenden Behörde eine Mitteilung entsprechend Absatz 1 Satz 3 erteilt, setzt die Vollstreckungsbehörde das Beitreibungsverfahren für den angefochtenen Teilbetrag der Forderung bis zur Entscheidung über den jeweiligen Rechtsbehelf aus. Satz 2 gilt nicht, wenn die ersuchende Behörde im Einklang mit Absatz 3 ein anderes Vorgehen wünscht. Die Vollstreckungsbehörde kann selbständig oder auf Ersuchen Maßnahmen für die Sicherstellung der Beitreibung treffen, soweit dies zulässig ist. Die Regelungen des § 12 bleiben unberührt.

(3) Eingehende Beitreibungsersuchen aus anderen Mitgliedstaaten können auch die Beitreibung einer angefochtenen Forderung oder eines angefochtenen Teilbetrags einer Forderung beinhalten. Ein solches Ersuchen ist durch die ersuchende Behörde zu begründen. Wird dem Rechtsbehelf später stattgegeben, haftet die ersuchende ausländische Behörde für die Erstattung bereits beigetriebener Beträge samt etwaig geschuldeter Entschädigungsleistungen.

(4) Durch die Einleitung eines Verständigungsverfahrens, das auf die Höhe der beizutreibenden Forderung Auswirkungen haben kann, werden die Beitreibungsmaßnahmen bis zum Abschluss dieses Verfahrens unterbrochen. § 231 Absatz 3 und 4 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Dies gilt nicht, wenn auf Grund von Betrug oder Insolvenz unmittelbare Dringlichkeit gegeben ist. Werden die Beitreibungsmaßnahmen unterbrochen, so ist Absatz 2 Satz 4 und 5 anzuwenden.

Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt sind außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen.

(1) Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner schriftlich zu verbieten, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen, und dem Vollstreckungsschuldner schriftlich zu gebieten, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten (Pfändungsverfügung). Die elektronische Form ist ausgeschlossen.

(2) Die Pfändung ist bewirkt, wenn die Pfändungsverfügung dem Drittschuldner zugestellt ist. Die an den Drittschuldner zuzustellende Pfändungsverfügung soll den beizutreibenden Geldbetrag nur in einer Summe, ohne Angabe der Steuerarten und der Zeiträume, für die er geschuldet wird, bezeichnen. Die Zustellung ist dem Vollstreckungsschuldner mitzuteilen.

(3) Bei Pfändung des Guthabens eines Kontos des Vollstreckungsschuldners bei einem Kreditinstitut gelten die §§ 833a und 907 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(1) Die Vollstreckungsbehörde ordnet die Einziehung der gepfändeten Forderung an. § 309 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) Die Einziehungsverfügung kann mit der Pfändungsverfügung verbunden werden.

(3) Wird die Einziehung eines bei einem Geldinstitut gepfändeten Guthabens eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, angeordnet, so gelten § 835 Absatz 3 Satz 2 und § 900 Absatz 1 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(4) Wird die Einziehung einer gepfändeten nicht wiederkehrend zahlbaren Vergütung eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder sonstige Einkünfte, die kein Arbeitslohn sind, angeordnet, so gilt § 835 Absatz 4 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben

1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post,
2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.

(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.

(7) Betreffen Verwaltungsakte

1.
Ehegatten oder Lebenspartner oder
2.
Ehegatten mit ihren Kindern, Lebenspartner mit ihren Kindern oder Alleinstehende mit ihren Kindern,
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner schriftlich zu verbieten, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen, und dem Vollstreckungsschuldner schriftlich zu gebieten, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten (Pfändungsverfügung). Die elektronische Form ist ausgeschlossen.

(2) Die Pfändung ist bewirkt, wenn die Pfändungsverfügung dem Drittschuldner zugestellt ist. Die an den Drittschuldner zuzustellende Pfändungsverfügung soll den beizutreibenden Geldbetrag nur in einer Summe, ohne Angabe der Steuerarten und der Zeiträume, für die er geschuldet wird, bezeichnen. Die Zustellung ist dem Vollstreckungsschuldner mitzuteilen.

(3) Bei Pfändung des Guthabens eines Kontos des Vollstreckungsschuldners bei einem Kreditinstitut gelten die §§ 833a und 907 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(1) Die Vollstreckungsbehörde ordnet die Einziehung der gepfändeten Forderung an. § 309 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) Die Einziehungsverfügung kann mit der Pfändungsverfügung verbunden werden.

(3) Wird die Einziehung eines bei einem Geldinstitut gepfändeten Guthabens eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, angeordnet, so gelten § 835 Absatz 3 Satz 2 und § 900 Absatz 1 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(4) Wird die Einziehung einer gepfändeten nicht wiederkehrend zahlbaren Vergütung eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder sonstige Einkünfte, die kein Arbeitslohn sind, angeordnet, so gilt § 835 Absatz 4 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

(1) Auf Ersuchen nimmt die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung von Forderungen vor, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht. Die Forderung wird wie eine inländische Forderung behandelt. Als vollstreckbarer Verwaltungsakt gilt der dem Ersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel.

(2) Die Vollstreckung erfolgt nach den Vorschriften, die für Forderungen aus gleichen oder, in Ermangelung gleicher, aus vergleichbaren Steuern oder Abgaben vorgesehen sind. Ist das Verbindungsbüro der Auffassung, dass in Deutschland keine gleichen oder vergleichbaren Steuern oder Abgaben erhoben werden, so handelt die Vollstreckungsbehörde nach den Vorschriften, die für die Vollstreckung von Einkommensteuerforderungen gelten. Die Forderungen werden in Euro vollstreckt.

(3) Das Verbindungsbüro teilt dem anderen Mitgliedstaat die Maßnahmen mit, die die Vollstreckungsbehörde in Bezug auf das Beitreibungsersuchen ergriffen hat.

(4) § 240 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Fälligkeitstag ist der Tag, an dem das Ersuchen bei einem Verbindungsbüro im Sinne des § 3 Absatz 1 eingeht, so dass Säumniszuschläge ab diesem Tag berechnet werden können. Wenn die Vollstreckungsbehörde dem Schuldner eine Zahlungsfrist einräumt oder Ratenzahlung gewährt, unterrichtet das Verbindungsbüro den anderen Mitgliedstaat hiervon.

(5) Die Vollstreckungsbehörde überweist die im Zusammenhang mit der Forderung beigetriebenen Beträge sowie die Säumniszuschläge und gegebenenfalls entstehende Zinsen. Die in § 16 Absatz 1 genannten Kosten können vorher einbehalten werden.

(1) Dieses Gesetz regelt die Einzelheiten der Amtshilfe zwischen Deutschland und den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Mitgliedstaaten) zur Geltendmachung von in den Mitgliedstaaten entstandenen Forderungen. Forderungen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Steuern und Abgaben aller Art, die erhoben werden
a)
von einem oder für einen Mitgliedstaat oder dessen Gebiets- oder Verwaltungseinheiten einschließlich der lokalen Behörden oder
b)
für die Europäische Union;
2.
Erstattungen, Interventionen und andere Maßnahmen, die Bestandteil des Systems der vollständigen Finanzierung oder Teilfinanzierung des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft oder des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums sind, einschließlich der im Rahmen dieser Aktionen zu erhebenden Beiträge;
3.
Abschöpfungen und andere Abgaben im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte für den Sektor Zucker.

(2) Der Anwendungsbereich dieses Gesetzes umfasst auch

1.
Geldstrafen, Geldbußen, Gebühren und Zuschläge in Bezug auf Forderungen,
a)
für deren Beitreibung gemäß Absatz 1 um Amtshilfe ersucht werden kann und
b)
die von den Behörden, die für die Erhebung der betreffenden Steuern oder Abgaben oder die Durchführung der dafür erforderlichen behördlichen Ermittlungen zuständig sind, verhängt wurden oder von Verwaltungsorganen oder Gerichten auf Antrag dieser Behörden bestätigt wurden;
2.
Gebühren für Bescheinigungen und ähnliche Dokumente, die im Zusammenhang mit Verwaltungsverfahren in Bezug auf Steuern oder Abgaben ausgestellt werden;
3.
Zinsen und Kosten im Zusammenhang mit Forderungen, für deren Beitreibung gemäß Absatz 1 oder gemäß den Nummern 1 und 2 um Amtshilfe ersucht werden kann.

(3) Der Anwendungsbereich dieses Gesetzes umfasst nicht

1.
Beiträge und Umlagen sowie damit verbundene Abgaben und Gebühren nach dem Sozialgesetzbuch, den in § 68 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch genannten Gesetzen und dem Aufwendungsausgleichsgesetz;
2.
andere als die in Absatz 2 genannten Gebühren;
3.
vertragliche Gebühren, wie Zahlungen an öffentliche Versorgungsbetriebe;
4.
strafrechtliche Sanktionen, die auf der Grundlage einer Anklageerhebung im Strafverfahren verhängt werden, oder andere strafrechtliche Sanktionen, die nicht von Absatz 2 Nummer 1 erfasst sind.

(4) Für Ersuchen nach diesem Gesetz gelten die Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend, soweit dieses Gesetz nicht etwas anderes bestimmt. Zur Ausführung der Abgabenordnung hat das Bundesministerium der Finanzen Verwaltungsvorschriften erlassen.

(1) Ein Verbindungsbüro kann Beitreibungsersuchen in einen anderen Mitgliedstaat stellen, wenn

1.
die Voraussetzungen für die Vollstreckung gegeben sind und
2.
die Forderung nicht angefochten ist oder nicht mehr angefochten werden kann.
Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, sofern der Einspruch offensichtlich aussichtslos ist beziehungsweise nicht in angemessener Zeit begründet wird und lediglich der Verzögerung der Vollstreckung dient. Ersuchen um Beitreibung angefochtener Forderungen sind nur ausnahmsweise zu stellen und auch nur zulässig, sofern die geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften und die Verwaltungspraxis des ersuchten Mitgliedstaates dies zulassen; ein solches Ersuchen ist zu begründen.

(2) Die Vollstreckungsbehörde muss zuvor alle nach der Abgabenordnung vorgesehenen Vollstreckungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben, es sei denn,

1.
es ist offensichtlich, dass
a)
keine Vermögensgegenstände für die Vollstreckung in Deutschland vorhanden sind oder
b)
Vollstreckungsverfahren in Deutschland nicht zur vollständigen Begleichung der Forderung führen,
und der Vollstreckungsbehörde oder dem Verbindungsbüro konkrete Informationen vorliegen, wonach Vermögensgegenstände der betreffenden Person im ersuchten Mitgliedstaat vorhanden sind;
2.
die Durchführung solcher Vollstreckungsmaßnahmen wäre in Deutschland mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden.

(3) Jedem Beitreibungsersuchen ist der für alle Mitgliedstaaten einheitliche Vollstreckungstitel, dessen Inhalt im Wesentlichen dem des ursprünglichen Vollstreckungstitels entspricht, beizufügen, der die alleinige Grundlage für die im anderen Mitgliedstaat zu ergreifenden Beitreibungs- und Sicherungsmaßnahmen ist. Er muss im anderen Mitgliedstaat weder durch einen besonderen Akt anerkannt noch ergänzt oder ersetzt werden. Dem Beitreibungsersuchen können weitere Dokumente, die im Zusammenhang mit der Forderung stehen, beigefügt werden.

(4) Erlangt die Vollstreckungsbehörde im Zusammenhang mit der Angelegenheit, die dem Beitreibungsersuchen zu Grunde liegt, zweckdienliche Informationen, so teilt sie diese dem Verbindungsbüro zur unverzüglichen Weiterleitung an den anderen Mitgliedstaat mit.

(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, darf die Vollstreckung erst beginnen, wenn die Leistung fällig ist und der Vollstreckungsschuldner zur Leistung oder Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden ist (Leistungsgebot) und seit der Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen ist. Das Leistungsgebot kann mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden werden. Ein Leistungsgebot ist auch dann erforderlich, wenn der Verwaltungsakt gegen den Vollstreckungsschuldner wirkt, ohne ihm bekannt gegeben zu sein. Soweit der Vollstreckungsschuldner eine von ihm auf Grund einer Steueranmeldung geschuldete Leistung nicht erbracht hat, bedarf es eines Leistungsgebots nicht.

(2) Eines Leistungsgebots wegen der Säumniszuschläge und Zinsen bedarf es nicht, wenn sie zusammen mit der Steuer beigetrieben werden. Dies gilt sinngemäß für die Vollstreckungskosten, wenn sie zusammen mit dem Hauptanspruch beigetrieben werden. Die gesonderte Anforderung von Säumniszuschlägen kann ausschließlich automationsgestützt erfolgen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.


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Tatbestand

1

I. Der in Deutschland wohnhafte Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) war Geschäftsführer einer spanischen GmbH. Wegen rückständiger Körperschaftsteuer dieser GmbH zur Rechnungsnummer ...1465 nahm die spanische Finanzverwaltung den Antragsteller in Haftung. Gegen den ihm zugestellten Haftungsbescheid legte der Antragsteller Steuerbeschwerde ein. Das Klageverfahren vor dem spanischen Finanzgericht ist noch nicht abgeschlossen. Zwischenzeitlich erließ das spanische Finanzamt über den Steuerbetrag nebst Säumniszuschlägen (126 511,03 €) eine Vollstreckungsanordnung, die dem Rechtsanwalt des Antragstellers zugestellt wurde.

2

Mit e-mail über das CCN/CSI-Netz übersandte die Staatsbehörde für Steuerverwaltung in Madrid an das Bundeszentralamt für Steuern ein Beitreibungsersuchen. Der e-mail waren zwei Dateien angefügt, im pdf-Format die Vollstreckungsanordnung mit der Bezeichnung "Enforcement Instrument for Income Tax (period 2000) Reg. no. A-...1465" und im Word-Format das ausgefüllte Pendelformular "Ersuchen um Beitreibung gemäß Artikel 6 der Richtlinie 2008/55/EG", die beizutreibende Forderung war mit 135 063,52 € (126 511,03 € nebst bis zum Datum des Ersuchens aufgelaufenen Zinsen) angegeben. Diese e-mail wurde an den Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt --FA--) weitergeleitet. Daraufhin übersandte das FA am 27. Juli 2009 eine Zahlungsaufforderung vom 24. Juli 2009 an den Antragsteller mit dem Inhalt, der Antragsteller schulde der "spanischen Steuerbehörde" "Einkommensteuer 2000" 126 511,03 € und "Nebenleistungen" 8 552,49 € und dem Hinweis, dass im Falle der Nichtzahlung Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet würden. Dagegen erhob der Antragsteller u.a. wegen nicht ausreichender Konkretisierung des zu vollstreckenden Bescheids und des Beitreibungsersuchens Einspruch und beantragte Aussetzung der Vollziehung.

3

Gleichzeitig mit der Übersendung der Abschrift einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung, mit der das FA bei sich selbst als Drittschuldner alle gegenwärtigen und zukünftigen Steuererstattungsansprüche des Antragstellers aus den Veranlagungsjahren 2001 und 2002 (63 918,54 €) wegen dessen Schuld gegenüber der spanischen Steuerbehörde pfändete und dessen Einziehung anordnete, konkretisierte das FA die Zahlungsaufforderung. Als Rechtsgrundlage bezeichnete es § 117 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 114 AO i.V.m. § 254 AO und teilte die Angaben aus dem Beitreibungsersuchen mit, u.a. den Namen der spanischen Steuerbehörde und die Steuernummer. Zugleich lehnte es eine Aussetzung der Vollziehung ab. Über den Einspruch ist bisher nicht entschieden worden.

4

Das Finanzgericht (FG) gab dem Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung der Zahlungsaufforderung im Wesentlichen statt (abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2010, 848). Es entschied, die Vollziehung des Leistungsgebots durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung werde gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 63 918,54 € aufgehoben, die weitere Vollziehung werde gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 71 144,98 € ausgesetzt. Es wertete die Zahlungsaufforderung als grundsätzlich zulässiges und im Streitfall durch die ergänzenden Angaben des FA auch hinreichend konkretisiertes Leistungsgebot. Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit ergäben sich allein daraus, dass der per e-mail im sog. pdf-Format übersandte vollstreckbare Titel möglicherweise nicht --wie in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie vom 3. Mai 2003 (BGBl I 2003, 654) vorgeschrieben-- in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie vorliege. Eine per e-mail übersandte Datei entspreche nicht dem deutschen Sprachgebrauch von "in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie". Eine der Papierform rechtlich gleichwertige Datei als Vollstreckungstitel könnte sich nur aus Art. 21 Abs. 1 der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 1179/2008 der Kommission vom 28. November 2008 zur Festsetzung der Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Artikeln der Richtlinie 2008/55/EG über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit bestimmten Abgaben, Zöllen, Steuern und sonstigen Maßnahmen (DurchführungsVO n.F.) ergeben, der vorschreibe, dass Vollstreckungstitel elektronisch zu übermitteln und elektronisch übermittelte Dokumente oder deren Ausdrucke ebenso rechtsverbindlich seien wie postalisch übermittelte Dokumente. Es bestünden jedoch Zweifel an der Gültigkeit der Regelung. Es erscheine fraglich, ob es sich noch als "Durchführung" der Richtlinie des Rates darstelle, obwohl der Rat auch in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/55/EG vom 26. Mai 2008 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen (BeitreibungsRL n.F.) dabei geblieben sei, dass "eine amtliche Ausfertigung oder eine beglaubigte Kopie" des Vollstreckungstitels dem Beitreibungsersuchen "beizufügen" sei und auch die Europäische Kommission dies in Art. 12 Abs. 2 DurchführungsVO n.F. wiederhole.

5

Gegen die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung hat das FA die vom FG zugelassene Beschwerde eingelegt.

6

Es beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und --sinngemäß-- die Anträge auf Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.

7

Das FA sieht in der Regelung des § 21 Abs. 1 DurchführungsVO n.F. eine ausreichende Rechtsgrundlage für eine wirksame Beifügung des Vollstreckungstitels per e-mail im Sinne der BeitreibungsRL.

8

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Beschwerde des FA ist begründet.

10

Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann die Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung durch das Gericht erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es fehlt bereits an einem der Aussetzung fähigen Verwaltungsakt.

11

Die Zahlungsaufforderung, deren Aussetzung der Antragsteller ausdrücklich mit seinem Antrag begehrt, enthält keine eigenständige, den Empfänger belastende Regelung. Sie beschränkt sich vielmehr auf die Mitteilung der Zahlstelle, an die der Antragsteller die ihm --mit dem ihm bekanntgegebenen Haftungsbescheid der spanischen Finanzbehörde-- aufgegebene Zahlung zu bewirken hat und enthält die Ankündigung von Vollstreckungsmaßnahmen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs handelt es sich bei der Ankündigung der Vollstreckung um eine lediglich aus Gründen der Zweckmäßigkeit nach außen gerichtete Bekanntmachung einer verwaltungsinternen Maßnahme (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. August 2000 VII B 46/00, BFH/NV 2001, 149; vom 13. Februar 1997 VII S 35/96, BFH/NV 1997, 462; vom 14. Juni 1988 VII B 15/88, BFH/NV 1989, 75).

12

Entgegen der Auffassung des FG handelt es sich nicht um ein Leistungsgebot i.S. des § 254 Abs. 1 AO. Dieses war vielmehr --wie das FG selbst festgestellt hat-- bereits mit dem spanischen Haftungsbescheid verbunden, und obendrein war dem Antragsteller von der spanischen Finanzbehörde bereits eine Vollstreckungsanordnung zugestellt worden. Danach war die Vollstreckung in Deutschland unmittelbar möglich (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 19. Juni 1986 IV 222-223/84 N, EFG 1986, 608).

13

Ein Fall des Art. 8 Abs. 2 BeitreibungsRL, wonach der Vollstreckungstitel gegebenenfalls nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz hat, als solcher bestätigt und anerkannt oder durch einen Titel ergänzt oder ersetzt werden kann, der die Vollstreckung im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ermöglicht, liegt danach nicht vor. Aber selbst wenn in der Zahlungsaufforderung eine Wiederholung des Leistungsgebots mit neuer Zahlstelle und Zahlungsfrist gesehen werden könnte, würde eine solche wiederholende Verfügung keine erneute Anfechtungsmöglichkeit eröffnen. Denn von der Zahlungsaufforderung geht --wie schon das FG ausgeführt hat-- keine weitergehende Belastung aus als von dem mit dem Haftungsbescheid verbundenen Leistungsgebot (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Februar 2008 VII B 156/07, BFH/NV 2008, 967).

14

Auf die vom FG für grundsätzlich klärungsbedürftig erachteten Fragen kommt es nach alledem im Streitfall nicht an.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

Ist der Schuldner eine natürliche Person, so wird er nach Maßgabe der §§ 287 bis 303a von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit.

(1) Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben.

(2) Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung oder aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, werden durch die Restschuldbefreiung nicht berührt. Der Schuldner wird jedoch gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber den Insolvenzgläubigern.

(3) Wird ein Gläubiger befriedigt, obwohl er auf Grund der Restschuldbefreiung keine Befriedigung zu beanspruchen hat, so begründet dies keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten.

(4) Ein allein aufgrund der Insolvenz des Schuldners erlassenes Verbot, eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen oder auszuüben, tritt mit Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung außer Kraft. Satz 1 gilt nicht für die Versagung und die Aufhebung einer Zulassung zu einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit.

(1) Das Insolvenzgericht entscheidet nach dem regulären Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Der Beschluss ergeht nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters oder Treuhänders und des Schuldners. Eine nach Satz 1 erteilte Restschuldbefreiung gilt als mit Ablauf der Abtretungsfrist erteilt.

(2) Wurden im Insolvenzverfahren keine Forderungen angemeldet oder sind die Insolvenzforderungen befriedigt worden und hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt, so entscheidet das Gericht auf Antrag des Schuldners schon vor Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 ist vom Schuldner glaubhaft zu machen. Wird die Restschuldbefreiung nach Satz 1 erteilt, so gelten die §§ 299 und 300a entsprechend.

(3) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn die Voraussetzungen des § 290 Absatz 1, des § 296 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 3, des § 297 oder des § 297a vorliegen, oder auf Antrag des Treuhänders, wenn die Voraussetzungen des § 298 vorliegen.

(4) Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen. Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der bei der Anhörung nach Absatz 1 oder Absatz 2 die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt oder der das Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer vorzeitigen Restschuldbefreiung nach Absatz 2 geltend gemacht hat, die sofortige Beschwerde zu.

Tenor

Der Beschluss des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. August 2015  3 V 65/15 wird aufgehoben und der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ist seit 1991 als Steuerberater in B tätig. Er hat aus den Jahren 1991 bis 2000 Steuerschulden gegenüber dem Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt B --FA--). Diese belaufen sich laut Abrechnungsbescheid vom 13. April 2015 auf 1.172.972,25 €. Über den Einspruch des Antragstellers gegen den Abrechnungsbescheid und den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung dieses Abrechnungsbescheids hat das FA nach Aktenlage noch nicht entschieden. Die Vollstreckung gegenüber dem Antragsteller verlief bislang erfolglos.

2

Am 8. Juli 2009 richtete das FA einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens an das Insolvenzgericht A, den dieses mit Beschluss vom 12. August 2009 als unzulässig zurückwies.

3

Am 10. September 2009 stellte das FA einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers beim Amtsgericht (AG) B. Dagegen erhob der Antragsteller Klage beim Finanzgericht (FG) und beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung.

4

Kurze Zeit bevor das FA den Insolvenzantrag zunächst in A und sodann in B gestellt hatte, wurde ihm bekannt, dass auf Antrag des Antragstellers bereits am 11. August 2008 vor dem High Court of Justice in London ein Insolvenzhauptverfahren (so genanntes Bankruptcy-Verfahren) nach Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 (VO Nr. 1346/2000) des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- Nr. L 160/1) i.d.F. nach der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 663/2014 des Rates vom 5. Juni 2014 (ABlEU Nr. L 179/4) eröffnet worden war, in dem dem Antragsteller am 11. August 2009 die Restschuldbefreiung (discharge) erteilt worden war. Das FA war im Rahmen dieses Insolvenzhauptverfahrens nicht angehört worden.

5

Am 8. Juli 2010 beantragte das FA beim High Court of Justice den Widerruf der Restschuldbefreiung. Nach dem Vortrag des FA im Verfahren vor dem FG kam es aus nicht mehr aufklärbaren Gründen nicht zu einer Durchführung dieses Verfahrens.

6

Am 30. September 2014 beantragte das FA beim High Court of Justice in London erneut die Aufhebung der Insolvenzeröffnung vom 11. August 2008 (bankruptcy order) mit der Begründung, der Antragsteller habe nie wirklich in England gelebt. Sein center of main interests (COMI) habe sich niemals in England befunden. Nach dem Vorbringen des FA wurde diesbezüglich für den 1. und 2. Februar 2016 eine mündliche Verhandlung vor dem High Court of Justice anberaumt.

7

Mit Beschluss vom 28. August 2015 kam das FG zu dem Ergebnis, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zulässig und begründet. Der Antragsteller habe Anspruch auf Rücknahme des auf die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens gerichteten Antrags vom 10. September 2009 an das AG B, da das Hauptinsolvenzverfahren durch die am 11. August 2009 erteilte Restschuldbefreiung in England bereits beendet gewesen sei. Es sei ernstlich zweifelhaft, ob nach Erteilung der Restschuldbefreiung im Hauptinsolvenzverfahren noch ein Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens gestellt werden könne, da das Sekundärinsolvenzverfahren in seiner Wirkung vom Hauptinsolvenzverfahren abhängig sei. Die Restschuldbefreiung sei bei Vorliegen der Voraussetzungen ohne weitere Förmlichkeiten anzuerkennen, sofern kein ordre-public-Verstoß vorliege. Es sei zwar aufgrund der Feststellungen des FA davon überzeugt, dass sich der Antragsteller rechtsmissbräuchlich die Zuständigkeit des High Court of Justice für die Eröffnung des Insolvenzhauptverfahrens erschlichen habe. Es sei jedoch ernstlich zweifelhaft, ob die rechtsmissbräuchliche Zuständigkeitserschleichung ein Verstoß gegen den ordre public sei und somit die in England erteilte Restschuldbefreiung in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) nicht anzuerkennen sei. In einem Missbrauchsfall sei zwar tatsächlich die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts nicht gegeben. Werde diese aber dennoch von dem entscheidenden Gericht im Ausland angenommen, könne eine Anerkennung der Zuständigkeit des eröffnenden Gerichts nicht versagt werden. Gegebenenfalls sei die Annahme der Eröffnungszuständigkeit durch das ausländische Gericht mit Rechtsmitteln anzugreifen.

8

Seine Beschwerde begründet das FA im Wesentlichen folgendermaßen: Es müsse sich die in England am 11. August 2009 vom High Court of Justice erwirkte Restschuldbefreiung des Antragstellers nicht entgegenhalten lassen. Die Anerkennung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat setze voraus, dass der Insolvenzschuldner in einem anderen Mitgliedstaat den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen gehabt habe, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei. Vielmehr habe sich der Antragsteller die Zuständigkeit des englischen Gerichts erschlichen. Insoweit könne der Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens auch als Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens betrachtet werden. Außerdem sei es (das FA) im Insolvenzverfahren nicht gehört worden. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller sich seit Jahren seiner Zuständigkeit zu entziehen versuche und konsequent seinen Wohnsitz verschleiere.

9

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerberaters führe ferner nicht unmittelbar zum Widerruf der Bestellung. Vielmehr müsse die zuständige Steuerberaterkammer ein Verfahren zur Prüfung des Widerrufs der Bestellung einleiten. Im Übrigen habe das in England durchgeführte Insolvenzverfahren bis heute nicht zu einem Widerruf der Bestellung geführt.

10

Das FA beantragt sinngemäß, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde für die Dauer des Beschwerdeverfahrens anzuordnen sowie die Vorentscheidung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Rücknahme des Insolvenzantrags beim AG B unter Aufhebung der Vorentscheidung abzulehnen.

11

Der Antragsteller beantragt, die Anträge abzulehnen.

12

Es werde nicht dargelegt, warum eine gegebenenfalls fehlerhafte Annahme der eigenen Zuständigkeit durch das englische Gericht in Deutschland ein Ergebnis schaffe, das offensichtlich mit der öffentlichen Ordnung unvereinbar wäre. Vielmehr sei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das englische Gericht anzuerkennen, unabhängig davon, ob die eigene internationale Zuständigkeit zu Recht angenommen worden sei oder nicht. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch das englische Gericht gehe ins Leere, zumal eine Mitteilung über den Insolvenzbeschluss auch in einer geeigneten Zeitung und der London Gazette erscheine. Das FA habe auch nicht dargelegt, woraus sich im Jahr 2008 eine Zuständigkeit zu seinen Gunsten ergebe, weil sich zu diesem Zeitpunkt der Hauptsitz seiner (des Antragstellers) Kanzlei in A befunden habe, während er in B lediglich in einer Beratungsstelle als Nebensitz aktiv gewesen sei. Erst nach Antragstellung in England hätten sich das FA und das Finanzamt A auf eine Zuständigkeit des FA verständigt. Weiterhin habe er im Zeitpunkt der Antragstellung vor dem High Court of Justice schon von seiner Ehefrau getrennt gelebt. Das FA habe nicht einlassungsfähig dargetan, dass er zum Zeitpunkt des Antrags in England Vermögenswerte besessen habe, die er in der Folgezeit auf seine Ehefrau übertragen habe. Das FA habe seit Insolvenzantragstellung am "11. September 2009" keine Unterbrechungshandlungen i.S. des § 231 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung getätigt. Der Antrag des FA vom 30. September 2014 an den High Court of Justice in London enthalte keine an den Abgabenpflichtigen gerichtete Zahlungsaufforderung.

13

Es bestehe auch ein Anordnungsgrund, weil der Insolvenzantrag des FA unzulässig sei und ein Widerruf seiner --des Antragstellers-- Zulassung für ihn fatale Folgen hätte. Andererseits stehe es dem FA frei, jederzeit erneut einen Insolvenzantrag zu stellen.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Beschwerde des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

15

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist gegen den beim AG gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (vgl. schon zur Konkursordnung Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.; zur Insolvenzordnung --InsO-- Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017).

16

Auch das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung ist zu bejahen. Der Antrag ist --ebenso wie die Rücknahme des Antrags als actus contrarius-- zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses, und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710, und Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017). Für die Bejahung des Rechtsschutzinteresses ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA ausreichend.

17

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist schon unbegründet, weil der Senat nicht vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung ausgeht.

18

Das FA hat nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ermessensfehlerhaft gestellt (vgl. § 102 FGO). Insoweit ist der Senat abweichend von § 118 Abs. 2 FGO nicht an die tatrichterlichen Feststellungen gebunden, sondern prüft den Fall summarisch anhand des präsenten Aktenmaterials in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. November 2008 IV B 127/07, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, R159, m.w.N.; Gosch in Beermann/Gosch, FGO § 69 Rz 122).

19

a) Gemäß Art. 3 VO Nr. 1346/2000 ist am 11. August 2008 vor dem High Court of Justice in London ein Insolvenzhauptverfahren (so genanntes Bankruptcy-Verfahren) gegen den Antragsteller eröffnet worden, bei dem es sich um ein Insolvenzverfahren i.S. des Art. 2 Buchst. a i.V.m. Anhang A VO Nr. 1346/2000 handelt. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Vereinigten Königreich ist gemäß Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 1346/2000 grundsätzlich in Deutschland anzuerkennen (vgl. auch Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 1346/2000). Dasselbe gilt gemäß Art. 25 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 1346/2000 für die dem Antragsteller am 11. August 2009 erteilte Restschuldbefreiung (discharge). Unabhängig davon, inwieweit die so genannte discharge from bankruptcy der Restschuldbefreiung i.S. des § 286 InsO vergleichbar ist, führt sie gemäß Insolvency Act 1986, Section 278 (b) zur Beendigung des bankruptcy-Verfahrens.

20

Einer Anerkennung der Restschuldbefreiung im Sinne des englischen Rechts steht nicht schon entgegen, dass der Antragsteller seinen COMI möglicherweise nur kurzfristig nach Großbritannien verlegt hat. Denn Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 1346/2000 ist dahin auszulegen, dass das von einem Gericht eines Mitgliedstaats eröffnete Insolvenzverfahren von den Gerichten der übrigen Mitgliedstaaten anzuerkennen ist, ohne dass diese die Zuständigkeit des Gerichts des Eröffnungsstaats überprüfen können (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- Eurofood IFSC vom 2. Mai 2006 C-341/04, EU:C:2006:281, Rz 42; MG Probud vom 21. Januar 2010 C-444/07, EU:C:2010:24, Rz 29; Bank Handlowy and Adamiak vom 22. November 2012 C-116/11, EU:C:2012:739, Rz 41; vgl. zu Art. 102 Abs. 1 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 18. September 2001 IX ZB 51/00, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2002, 960; BGH-Urteil vom 10. September 2015 IX ZR 304/13, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 2015, 2331). Gegebenenfalls müssen Fragen hinsichtlich der Zuständigkeit im Rahmen von im Eröffnungsmitgliedstaat gegebenen Rechtsbehelfen gegen die Eröffnungsentscheidung geklärt werden (vgl. EuGH-Urteil Eurofood IFSC, EU:C:2006:281, Rz 43).

21

b) Nach summarischer Prüfung sprechen die Umstände des vorliegenden Falles überwiegend dafür, dass sich der Antragsteller auf die vom High Court of Justice erteilte Restschuldbefreiung in Deutschland nicht berufen kann, weil dies dem Ordre-Public-Vorbehalt gemäß Art. 26 VO Nr. 1346/2000 oder jedenfalls dem Grundsatz von Treu und Glauben widerspräche, der im Steuerrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz uneingeschränkt anerkannt ist (vgl. BFH-Urteil vom 8. Februar 1996 V R 54/94, BFH/NV 1996, 733).

22

Nach Art. 26 VO Nr. 1346/2000 kann sich jeder Mitgliedstaat weigern, ein in einem anderen Mitgliedstaat eröffnetes Insolvenzverfahren anzuerkennen, soweit diese Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das offensichtlich mit seiner öffentlichen Ordnung, insbesondere mit den Grundprinzipien oder den verfassungsmäßig garantierten Rechten und Freiheiten des Einzelnen, unvereinbar ist. Dabei handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann anzuwenden ist, wenn die Anerkennung der in einem Mitgliedstaat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstößt und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des zur Anerkennung verpflichteten Mitgliedstaats steht. Bei dem Verstoß muss es sich um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des zur Anerkennung verpflichteten Mitgliedstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln (EuGH-Urteil Eurofood IFSC, EU:C:2006:281, Rz 62 ff.; vgl. auch EuGH-Urteil MG Probud, EU:C:2010:24, Rz 33 f.; EuGH-Urteil flyLAL-Lithuanian Airlines vom 23. Oktober 2014 C-302/13, EU:C:2014:2319, Rz 49; BGH-Beschluss in NJW 2002, 960; BGH-Urteil in ZIP 2015, 2331). Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens hat der Anspruch der Gläubiger oder ihrer Vertreter auf Teilnahme am Verfahren unter Beachtung des Grundsatzes der Waffengleichheit eine besondere Bedeutung.

23

Allein die Möglichkeit, in Großbritannien schneller eine Restschuldbefreiung zu erreichen, genügt nicht, um die Voraussetzungen des Art. 26 VO Nr. 1346/2000 zu bejahen. Ein Verstoß gegen die deutsche öffentliche Ordnung ("ordre public") im Sinne eines Rechtsmissbrauchs kann sich jedoch daraus ergeben, dass eine nur vorübergehende Wohnsitzverlegung (bzw. eine nur vorübergehende Verlegung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen) in einen anderen Staat erfolgt, um unter dort erleichterten Bedingungen eine Restschuldbefreiung zu erwirken (vgl. BGH-Beschluss in NJW 2002, 960). Im Fall einer rechtsmissbräuchlichen Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland nur zum Schein kann unter diesen Umständen das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts unter Beachtung inländischer Rechtsvorstellungen untragbar erscheinen (vgl. BGH-Beschluss in NJW 2002, 960).

24

Das FA hat substantiiert dargelegt, dass der Antragsteller seinen COMI nur zum Schein nach Großbritannien verlegt hat, um die Vorteile des britischen Insolvenzverfahrens in Form einer schnelleren Restschuldbefreiung erlangen zu können.

25

Gegen eine tatsächliche Verlegung des COMI nach Großbritannien mindestens sechs Monate vor der Antragstellung am 11. August 2008 spricht, dass der Antragsteller im April 2008 noch die Partnergesellschaft "…" (eingetragen im Partnerschaftsregister des AG A unter PR …) mit einer Repräsentanz in B gegründet hat und für diese tätig gewesen ist. Seine Tätigkeit als Steuerberater, teilweise auch in B, hat die Einvernahme der Zeugin C durch die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts E bestätigt (vgl. Niederschrift vom 8. April 2014), wonach er in seinem Büro in B beispielsweise Schreiben unterzeichnet habe. Nach den Angaben des Zeugen D war der Antragsteller im fraglichen Zeitraum in der Regel ein bis zwei Tage im Büro anwesend bzw. nicht länger als ein oder zwei Wochen abwesend (vgl. Vernehmungsniederschrift der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts E vom 8. April 2014). Er sei u.a. als Steuerberater in Deutschland tätig gewesen. Außerdem habe es Rücksprachen gegeben und seien Mandate betreut worden. Ferner habe der Antragsteller auch Mandanten in anderen Ländern als Großbritannien betreut. Außerdem sind von beiden Zeugen Beteiligungen an verschiedenen Unternehmen, z.B. die X-GmbH, angesprochen worden. Auch die Zeugin F hat gegenüber dem Finanzamt E am 8. April 2014 ausgesagt, der Antragsteller sei in den Jahren 2008 und 2009 als Geschäftsführer einer GmbH und als Steuerberater in Deutschland tätig und ein paar Tage die Woche in B gewesen.

26

Weiterhin hat der Antragsteller vor dem High Court of Justice seinen Familienstand unzutreffenderweise mit "single" angegeben, während sich aus dem Zwischenbericht des Rechtsanwalts G an das – Insolvenzgericht vom 4. September 2014 ergibt, der Antragsteller sei zum damaligen Zeitpunkt verheiratet gewesen.

27

Gegen eine tatsächliche Verlegung des COMI nach Großbritannien spricht schließlich, dass der Antragsteller in den Monaten vor der Antragstellung beim High Court of Justice nach summarischer Prüfung zahlreiche Termine in Deutschland wahrgenommen hat (vgl. an den High Court of Justice gerichtete Zeugenaussage von Frau H vom 12. September 2014 im Zusammenhang mit dem Antrag des FA auf Aufhebung bzw. Ungültigkeitserklärung des am 11. August 2008 erlassenen Konkurseröffnungsbeschlusses, insbesondere ab Ziffer 46).

28

c) Der Antragsteller kann sich auch nicht auf die Restschuldbefreiung berufen, weil er im Rahmen des bankruptcy-Verfahrens teilweise falsche Angaben gemacht hat und daher viel dafür spricht, dass ihm die so genannte discharge zu Unrecht erteilt worden ist.

29

U.a. hat er die Gründung der Partnergesellschaft "…" im April 2008 nicht in der Vermögensauskunft für den High Court of Justice angegeben.

30

Auch verschiedene Tätigkeiten als Geschäftsführer in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung hat er nicht offengelegt. Dies betrifft drei in der Schweiz ansässige Gesellschaften, nämlich das Institut I-GmbH, das Institut J-AG und die K-AG, aus denen er im Jahr 2007 ausgeschieden war (vgl. die in den Akten enthaltenen Handelsregisterauszüge). Außerdem hat der Antragsteller in dem beim High Court of Justice abgegebenen Vermögensverzeichnis seine Tätigkeit als Mitgeschäftsführer bei der Steuerberatungsgesellschaft L-GmbH mit Sitz in A und seine Anteile an der M-GmbH nicht angegeben.

31

Die Angaben des Antragstellers zu seinem Vermögen waren ferner insofern unvollständig, als er im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung beim High Court of Justice Eigentümer eines Appartements in (Ausland) gewesen ist. Für das Eigentum an dieser Wohnung sprechen die Entrichtung der Grundsteuer und die Angabe dieser Wohnung in einer Selbstauskunft vom 13. Mai 2008.

32

d) Schließlich bestehen auch Bedenken gegen eine Anerkennung der Restschuldbefreiung, weil der Antragsteller das FA gegenüber dem High Court of Justice als Gläubiger verschwiegen hat und dieses somit im Rahmen des englischen Insolvenzverfahrens nicht entsprechend dem Verfahren nach Art. 40 VO Nr. 1346/2000 angehört worden ist, obwohl viel dafür spricht, dass es hätte beteiligt werden müssen.

33

Der Hinweis des Antragstellers auf eine Mitteilung über den Insolvenzbeschluss in der Presse ist nicht geeignet, die Gehörsverletzung auszugleichen, weil dies eine förmliche Mitteilung des englischen Gerichts gemäß Art. 40 VO Nr. 1346/2000 nicht ersetzt.

34

Die Zuständigkeit des FA oder eines anderen Finanzamts, insbesondere des Finanzamts A, das er gegenüber dem High Court of Justice als einzigen Gläubiger angegeben hat, ist noch nicht geklärt. Der bisherige Vortrag des Antragstellers ist nicht substantiiert genug, um die Zuständigkeit eines anderen Finanzamts nachvollziehen zu können.

35

e) Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens dürfte auch zu klären sein, warum es infolge des am 8. Juli 2010 beim High Court of Justice beantragten Widerrufs der Restschuldbefreiung nicht zu einer Durchführung dieses Verfahrens gekommen ist und ob sich das FA insofern Versäumnisse entgegenhalten lassen muss und deshalb Verjährung eingetreten ist.

36

Insgesamt sprechen zum derzeitigen Verfahrensstand die überwiegenden Umstände gegen das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs.

37

3. Die Aufrechterhaltung der erstinstanzlich zugesprochenen einstweiligen Anordnung kommt jedenfalls mangels eines Anordnungsgrundes nicht in Betracht.

38

Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (so genannte Regelungsanordnung). Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist. Die für den Erlass einer Anordnung geltend gemachten Gründe müssen jedenfalls ähnlich gewichtig und bedeutsam sein wie die im Gesetz ausdrücklich genannten. Sie müssen so schwerwiegend sein, dass sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen (Senatsbeschlüsse vom 7. Januar 1999 VII B 170/98, BFH/NV 1999, 818, m.w.N., und vom 21. Januar 1999 VII B 214/98, BFHE 187, 170, BStBl II 1999, 141).

39

Dies gilt insbesondere, wenn nicht nur eine vorläufige Maßnahme begehrt wird, sondern --wie vom Antragsteller-- die Vorwegnahme der Hauptsache. Ein solches Rechtsschutzziel widerspricht grundsätzlich der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes. Eine Regelungsanordnung darf nach ständiger Rechtsprechung nur eine einstweilige Regelung enthalten und das Ergebnis des Hauptprozesses nicht vorwegnehmen oder diesem endgültig vorgreifen (vgl. Beschluss des Senats vom 22. August 1995 VII B 153, 154, 167, 172/95, BFHE 178, 15, BStBl II 1995, 645, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Etwas anderes gilt im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) nur dann, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1977  2 BvR 42/76, BVerfGE 46, 166, und vom 25. Oktober 1988  2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69).

40

Der Antragsteller hat derartige wesentliche Nachteile nicht glaubhaft gemacht. Wie sich aus § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes ergibt, ist die Bestellung zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird erst dann vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet oder der Steuerberater in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO) eingetragen ist.

41

Ob tatsächlich ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann, ist im Streitfall noch nicht entschieden. Vielmehr hat das Insolvenzgericht zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen und ob eine eventuelle Aberkennung der Restschuldbefreiung nach dem Termin im Februar 2016 vor dem High Court of Justice gemäß Section 375 Abs. 1 Insolvency Act 1986 dem entgegensteht. In diesem Zusammenhang kommt es auch darauf an, ob das im Vereinigten Königreich durchgeführte bankruptcy-Verfahren weiterhin bindend ist.

42

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das FA bereits vor über sechs Jahren den hier angegriffenen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hat. Es ist nicht nachvollziehbar, woraus sich nunmehr eine unmittelbare Bedrohung der wirtschaftlichen oder persönlichen Existenz des Betroffenen ergeben soll.

43

4. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde für die Dauer des Beschwerdeverfahrens bedarf aufgrund der Entscheidung über die Beschwerde selbst keiner Entscheidung mehr.

44

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt:

1.
Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist; der Gläubiger hat die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Absatz 2 anzumelden;
2.
Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners;
3.
Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Wer gewerbsmäßig Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben hinterzieht oder gewerbsmäßig durch Zuwiderhandlungen gegen Monopolvorschriften Bannbruch begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
eine Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder einen Bannbruch begeht, bei denen er oder ein anderer Beteiligter eine Schusswaffe bei sich führt,
2.
eine Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder einen Bannbruch begeht, bei denen er oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand eines anderen durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung der Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder des Bannbruchs verbunden hat, eine solche Tat begeht.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) § 370 Abs. 6 Satz 1 und Abs. 7 gilt entsprechend.

(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) § 370 Absatz 6 und 7 gilt entsprechend.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.