Finanzgericht Baden-Württemberg Beschluss, 07. Nov. 2016 - 1 V 2137/16
Tenor
1. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 wird bis zur Entscheidung des Antragsgegners über den hiergegen erhobenen Einspruch von der Vollziehung ausgesetzt.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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(1) Für Beschlüsse gelten § 96 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 105 Abs. 2 Nr. 6, §§ 107 bis 109 sinngemäß.
(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 und 5) und über einstweilige Anordnungen (§ 114 Abs. 1), Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 138) sowie Beschlüsse, in denen ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen wird (§ 142), sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(1) Auf Ersuchen nimmt die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung von Forderungen vor, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht. Die Forderung wird wie eine inländische Forderung behandelt. Als vollstreckbarer Verwaltungsakt gilt der dem Ersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel.
(2) Die Vollstreckung erfolgt nach den Vorschriften, die für Forderungen aus gleichen oder, in Ermangelung gleicher, aus vergleichbaren Steuern oder Abgaben vorgesehen sind. Ist das Verbindungsbüro der Auffassung, dass in Deutschland keine gleichen oder vergleichbaren Steuern oder Abgaben erhoben werden, so handelt die Vollstreckungsbehörde nach den Vorschriften, die für die Vollstreckung von Einkommensteuerforderungen gelten. Die Forderungen werden in Euro vollstreckt.
(3) Das Verbindungsbüro teilt dem anderen Mitgliedstaat die Maßnahmen mit, die die Vollstreckungsbehörde in Bezug auf das Beitreibungsersuchen ergriffen hat.
(4) § 240 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Fälligkeitstag ist der Tag, an dem das Ersuchen bei einem Verbindungsbüro im Sinne des § 3 Absatz 1 eingeht, so dass Säumniszuschläge ab diesem Tag berechnet werden können. Wenn die Vollstreckungsbehörde dem Schuldner eine Zahlungsfrist einräumt oder Ratenzahlung gewährt, unterrichtet das Verbindungsbüro den anderen Mitgliedstaat hiervon.
(5) Die Vollstreckungsbehörde überweist die im Zusammenhang mit der Forderung beigetriebenen Beträge sowie die Säumniszuschläge und gegebenenfalls entstehende Zinsen. Die in § 16 Absatz 1 genannten Kosten können vorher einbehalten werden.
(1) Stellt das Verbindungsbüro ein Ersuchen, so sind die nach dem Dritten Abschnitt des Ersten Teils der Abgabenordnung zuständigen Behörden oder die nach Abschnitt V des Ersten Teils der Finanzgerichtsordnung zuständigen Gerichte zuständig für
- 1.
Rechtsbehelfe in Bezug auf - a)
die Forderung, - b)
den ursprünglichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung in Deutschland und - c)
den einheitlichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im anderen Mitgliedstaat;
- 2.
Streitigkeiten in Bezug auf die Gültigkeit einer Zustellung durch eine zuständige deutsche Behörde.
(2) Ist Deutschland der ersuchte Mitgliedstaat und werden im Verlauf des Beitreibungsverfahrens die Forderung, der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder der einheitliche Vollstreckungstitel von einer betroffenen Partei durch Rechtsbehelf angegriffen, so unterrichtet das Verbindungsbüro nach Mitteilung durch die Vollstreckungsbehörde diese Partei darüber, dass sie den Rechtsbehelf bei der zuständigen Instanz des anderen Mitgliedstaates nach dessen Recht einzulegen hat. Wurde von der ersuchenden Behörde eine Mitteilung entsprechend Absatz 1 Satz 3 erteilt, setzt die Vollstreckungsbehörde das Beitreibungsverfahren für den angefochtenen Teilbetrag der Forderung bis zur Entscheidung über den jeweiligen Rechtsbehelf aus. Satz 2 gilt nicht, wenn die ersuchende Behörde im Einklang mit Absatz 3 ein anderes Vorgehen wünscht. Die Vollstreckungsbehörde kann selbständig oder auf Ersuchen Maßnahmen für die Sicherstellung der Beitreibung treffen, soweit dies zulässig ist. Die Regelungen des § 12 bleiben unberührt.
(3) Eingehende Beitreibungsersuchen aus anderen Mitgliedstaaten können auch die Beitreibung einer angefochtenen Forderung oder eines angefochtenen Teilbetrags einer Forderung beinhalten. Ein solches Ersuchen ist durch die ersuchende Behörde zu begründen. Wird dem Rechtsbehelf später stattgegeben, haftet die ersuchende ausländische Behörde für die Erstattung bereits beigetriebener Beträge samt etwaig geschuldeter Entschädigungsleistungen.
(4) Durch die Einleitung eines Verständigungsverfahrens, das auf die Höhe der beizutreibenden Forderung Auswirkungen haben kann, werden die Beitreibungsmaßnahmen bis zum Abschluss dieses Verfahrens unterbrochen. § 231 Absatz 3 und 4 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Dies gilt nicht, wenn auf Grund von Betrug oder Insolvenz unmittelbare Dringlichkeit gegeben ist. Werden die Beitreibungsmaßnahmen unterbrochen, so ist Absatz 2 Satz 4 und 5 anzuwenden.
Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt sind außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen.
(1) Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner schriftlich zu verbieten, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen, und dem Vollstreckungsschuldner schriftlich zu gebieten, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten (Pfändungsverfügung). Die elektronische Form ist ausgeschlossen.
(2) Die Pfändung ist bewirkt, wenn die Pfändungsverfügung dem Drittschuldner zugestellt ist. Die an den Drittschuldner zuzustellende Pfändungsverfügung soll den beizutreibenden Geldbetrag nur in einer Summe, ohne Angabe der Steuerarten und der Zeiträume, für die er geschuldet wird, bezeichnen. Die Zustellung ist dem Vollstreckungsschuldner mitzuteilen.
(3) Bei Pfändung des Guthabens eines Kontos des Vollstreckungsschuldners bei einem Kreditinstitut gelten die §§ 833a und 907 der Zivilprozessordnung entsprechend.
(1) Die Vollstreckungsbehörde ordnet die Einziehung der gepfändeten Forderung an. § 309 Abs. 2 gilt entsprechend.
(2) Die Einziehungsverfügung kann mit der Pfändungsverfügung verbunden werden.
(3) Wird die Einziehung eines bei einem Geldinstitut gepfändeten Guthabens eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, angeordnet, so gelten § 835 Absatz 3 Satz 2 und § 900 Absatz 1 der Zivilprozessordnung entsprechend.
(4) Wird die Einziehung einer gepfändeten nicht wiederkehrend zahlbaren Vergütung eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder sonstige Einkünfte, die kein Arbeitslohn sind, angeordnet, so gilt § 835 Absatz 4 der Zivilprozessordnung entsprechend.
(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.
(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.
(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.
(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben
- 1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, - 2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.
(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.
(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.
(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.
(7) Betreffen Verwaltungsakte
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.
(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.
(1) Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner schriftlich zu verbieten, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen, und dem Vollstreckungsschuldner schriftlich zu gebieten, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten (Pfändungsverfügung). Die elektronische Form ist ausgeschlossen.
(2) Die Pfändung ist bewirkt, wenn die Pfändungsverfügung dem Drittschuldner zugestellt ist. Die an den Drittschuldner zuzustellende Pfändungsverfügung soll den beizutreibenden Geldbetrag nur in einer Summe, ohne Angabe der Steuerarten und der Zeiträume, für die er geschuldet wird, bezeichnen. Die Zustellung ist dem Vollstreckungsschuldner mitzuteilen.
(3) Bei Pfändung des Guthabens eines Kontos des Vollstreckungsschuldners bei einem Kreditinstitut gelten die §§ 833a und 907 der Zivilprozessordnung entsprechend.
(1) Die Vollstreckungsbehörde ordnet die Einziehung der gepfändeten Forderung an. § 309 Abs. 2 gilt entsprechend.
(2) Die Einziehungsverfügung kann mit der Pfändungsverfügung verbunden werden.
(3) Wird die Einziehung eines bei einem Geldinstitut gepfändeten Guthabens eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, angeordnet, so gelten § 835 Absatz 3 Satz 2 und § 900 Absatz 1 der Zivilprozessordnung entsprechend.
(4) Wird die Einziehung einer gepfändeten nicht wiederkehrend zahlbaren Vergütung eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder sonstige Einkünfte, die kein Arbeitslohn sind, angeordnet, so gilt § 835 Absatz 4 der Zivilprozessordnung entsprechend.
(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).
(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.
(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.
(1) Auf Ersuchen nimmt die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung von Forderungen vor, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht. Die Forderung wird wie eine inländische Forderung behandelt. Als vollstreckbarer Verwaltungsakt gilt der dem Ersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel.
(2) Die Vollstreckung erfolgt nach den Vorschriften, die für Forderungen aus gleichen oder, in Ermangelung gleicher, aus vergleichbaren Steuern oder Abgaben vorgesehen sind. Ist das Verbindungsbüro der Auffassung, dass in Deutschland keine gleichen oder vergleichbaren Steuern oder Abgaben erhoben werden, so handelt die Vollstreckungsbehörde nach den Vorschriften, die für die Vollstreckung von Einkommensteuerforderungen gelten. Die Forderungen werden in Euro vollstreckt.
(3) Das Verbindungsbüro teilt dem anderen Mitgliedstaat die Maßnahmen mit, die die Vollstreckungsbehörde in Bezug auf das Beitreibungsersuchen ergriffen hat.
(4) § 240 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Fälligkeitstag ist der Tag, an dem das Ersuchen bei einem Verbindungsbüro im Sinne des § 3 Absatz 1 eingeht, so dass Säumniszuschläge ab diesem Tag berechnet werden können. Wenn die Vollstreckungsbehörde dem Schuldner eine Zahlungsfrist einräumt oder Ratenzahlung gewährt, unterrichtet das Verbindungsbüro den anderen Mitgliedstaat hiervon.
(5) Die Vollstreckungsbehörde überweist die im Zusammenhang mit der Forderung beigetriebenen Beträge sowie die Säumniszuschläge und gegebenenfalls entstehende Zinsen. Die in § 16 Absatz 1 genannten Kosten können vorher einbehalten werden.
(1) Dieses Gesetz regelt die Einzelheiten der Amtshilfe zwischen Deutschland und den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Mitgliedstaaten) zur Geltendmachung von in den Mitgliedstaaten entstandenen Forderungen. Forderungen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Steuern und Abgaben aller Art, die erhoben werden - a)
von einem oder für einen Mitgliedstaat oder dessen Gebiets- oder Verwaltungseinheiten einschließlich der lokalen Behörden oder - b)
für die Europäische Union;
- 2.
Erstattungen, Interventionen und andere Maßnahmen, die Bestandteil des Systems der vollständigen Finanzierung oder Teilfinanzierung des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft oder des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums sind, einschließlich der im Rahmen dieser Aktionen zu erhebenden Beiträge; - 3.
Abschöpfungen und andere Abgaben im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte für den Sektor Zucker.
(2) Der Anwendungsbereich dieses Gesetzes umfasst auch
- 1.
Geldstrafen, Geldbußen, Gebühren und Zuschläge in Bezug auf Forderungen, - a)
für deren Beitreibung gemäß Absatz 1 um Amtshilfe ersucht werden kann und - b)
die von den Behörden, die für die Erhebung der betreffenden Steuern oder Abgaben oder die Durchführung der dafür erforderlichen behördlichen Ermittlungen zuständig sind, verhängt wurden oder von Verwaltungsorganen oder Gerichten auf Antrag dieser Behörden bestätigt wurden;
- 2.
Gebühren für Bescheinigungen und ähnliche Dokumente, die im Zusammenhang mit Verwaltungsverfahren in Bezug auf Steuern oder Abgaben ausgestellt werden; - 3.
Zinsen und Kosten im Zusammenhang mit Forderungen, für deren Beitreibung gemäß Absatz 1 oder gemäß den Nummern 1 und 2 um Amtshilfe ersucht werden kann.
(3) Der Anwendungsbereich dieses Gesetzes umfasst nicht
- 1.
Beiträge und Umlagen sowie damit verbundene Abgaben und Gebühren nach dem Sozialgesetzbuch, den in § 68 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch genannten Gesetzen und dem Aufwendungsausgleichsgesetz; - 2.
andere als die in Absatz 2 genannten Gebühren; - 3.
vertragliche Gebühren, wie Zahlungen an öffentliche Versorgungsbetriebe; - 4.
strafrechtliche Sanktionen, die auf der Grundlage einer Anklageerhebung im Strafverfahren verhängt werden, oder andere strafrechtliche Sanktionen, die nicht von Absatz 2 Nummer 1 erfasst sind.
(4) Für Ersuchen nach diesem Gesetz gelten die Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend, soweit dieses Gesetz nicht etwas anderes bestimmt. Zur Ausführung der Abgabenordnung hat das Bundesministerium der Finanzen Verwaltungsvorschriften erlassen.
(1) Ein Verbindungsbüro kann Beitreibungsersuchen in einen anderen Mitgliedstaat stellen, wenn
- 1.
die Voraussetzungen für die Vollstreckung gegeben sind und - 2.
die Forderung nicht angefochten ist oder nicht mehr angefochten werden kann.
(2) Die Vollstreckungsbehörde muss zuvor alle nach der Abgabenordnung vorgesehenen Vollstreckungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben, es sei denn,
- 1.
es ist offensichtlich, dass - a)
keine Vermögensgegenstände für die Vollstreckung in Deutschland vorhanden sind oder - b)
Vollstreckungsverfahren in Deutschland nicht zur vollständigen Begleichung der Forderung führen,
- 2.
die Durchführung solcher Vollstreckungsmaßnahmen wäre in Deutschland mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden.
(3) Jedem Beitreibungsersuchen ist der für alle Mitgliedstaaten einheitliche Vollstreckungstitel, dessen Inhalt im Wesentlichen dem des ursprünglichen Vollstreckungstitels entspricht, beizufügen, der die alleinige Grundlage für die im anderen Mitgliedstaat zu ergreifenden Beitreibungs- und Sicherungsmaßnahmen ist. Er muss im anderen Mitgliedstaat weder durch einen besonderen Akt anerkannt noch ergänzt oder ersetzt werden. Dem Beitreibungsersuchen können weitere Dokumente, die im Zusammenhang mit der Forderung stehen, beigefügt werden.
(4) Erlangt die Vollstreckungsbehörde im Zusammenhang mit der Angelegenheit, die dem Beitreibungsersuchen zu Grunde liegt, zweckdienliche Informationen, so teilt sie diese dem Verbindungsbüro zur unverzüglichen Weiterleitung an den anderen Mitgliedstaat mit.
(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, darf die Vollstreckung erst beginnen, wenn die Leistung fällig ist und der Vollstreckungsschuldner zur Leistung oder Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden ist (Leistungsgebot) und seit der Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen ist. Das Leistungsgebot kann mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden werden. Ein Leistungsgebot ist auch dann erforderlich, wenn der Verwaltungsakt gegen den Vollstreckungsschuldner wirkt, ohne ihm bekannt gegeben zu sein. Soweit der Vollstreckungsschuldner eine von ihm auf Grund einer Steueranmeldung geschuldete Leistung nicht erbracht hat, bedarf es eines Leistungsgebots nicht.
(2) Eines Leistungsgebots wegen der Säumniszuschläge und Zinsen bedarf es nicht, wenn sie zusammen mit der Steuer beigetrieben werden. Dies gilt sinngemäß für die Vollstreckungskosten, wenn sie zusammen mit dem Hauptanspruch beigetrieben werden. Die gesonderte Anforderung von Säumniszuschlägen kann ausschließlich automationsgestützt erfolgen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Der Kläger wird auf der Grundlage des Gesetzes vom 07.12.2011 über die Durchführung der Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Bundesgesetzblatt - BGBl - I 2011, 2592, nachfolgend EUBeitrG) sowie der diesem Gesetz zu Grunde liegenden Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16.03.2010 über Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen (ABl. L 84 vom 31.03.2010, nachfolgend EU-Beitreibungsrichtlinie) für Steuerverbindlichkeiten einer insolventen griechischen Tochtergesellschaft der A AG gegenüber dem griechischen Staat in Anspruch genommen.
3Der Kläger trat am ....05.1989 als Leiter der Abteilung Finanzen in die A AG ein. Das Arbeitsverhältnis mit der A AG wurde zum ....09.2003 beendet. Im Rahmen seiner Tätigkeit bei der A AG übernahm der Kläger auch Aufgaben in der B S.A., einer nach griechischem Recht gegründeten einhundertprozentigen Tochtergesellschaft der A AG mit Sitz in Griechenland. Aufsichts- und Leitungsorgan einer griechischen S.A. ist ihr Verwaltungsrat (sog. monistisches System). Dieser wird von der Hauptversammlung der Gesellschaft berufen und vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Vom Verwaltungsrat wird regelmäßig ein Geschäftsführer bestellt, welcher die Geschäfte der S.A. wie der Verwaltungsrat leitet und die Gesellschaft nach außen vertritt. Der Kläger war vom ....07.1995 bis ....06.2001 einfaches Mitglied des Verwaltungsrats. Ab ....07.2001 war er neben einem weiteren vertretungsberechtigten Stellvertreter zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats bestellt worden. Ab ....07.2001 war er zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats bestellt worden, ohne dass es einen weiteren vertretungsberechtigten Vertreter gab. Aufgrund des Beschlusses des Verwaltungsrates vom ....09.2003 meldete die B S.A. nach griechischen Rechtsvorschriften Insolvenz an.
4Ab dem Jahr 2000 führten die griechischen Finanzbehörden bei der B S.A. eine Betriebsprüfung durch. Die Gesellschaft wurde aufgefordert, die Buchführungsunterlagen mitsamt Rechnungen für die Jahre 1993 bis 1997 vorzulegen. Die Gesellschaft erklärte daraufhin, dass die angefragten Dokumente nicht vorhanden seien. In diesem Zusammenhang wurde von der Betriebsprüfung festgestellt, dass die Buchführung der B S.A. für diesen Zeitraum schwerwiegende Mängel aufwies. Darüber hinaus stellte die Betriebsprüfung fest, dass die B S.A. im Zeitraum 1996 bis 2000 mehrere Hundert fiktive Rechnungsgutschriften im Gesamtwert von rd. 2,7 Mio. EUR ausgestellt hatte. Daneben waren nach Auffassung der Betriebsprüfung mehrere Posten aus dem Zeitraum 1993 bis 2000 in Höhe von insgesamt rd. 10 Mio. EUR als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben zu qualifizieren. Als Folge der Nichtvorlage der Buchführungsunterlagen für die Jahre 1993 bis 1997 verwarfen die griechischen Finanzbehörden die Buchhaltung der B S.A. und nahmen Schätzungen vor. Letztlich wurden gegen die B S.A. für den Zeitraum 1993 bis 2000 Steuern in Höhe von insgesamt rd. 33,7 Mio. EUR festgesetzt. Die Gesellschaft hat gegen die Festsetzungen umfassende Rechtsmittel eingelegt.
5Mit Schreiben vom 15.11.2012 erhielt der Kläger von dem Beklagten zwei - hier streitgegenständliche - Zahlungsaufforderungen. Es handelt sich zum einen um eine Zahlungsaufforderung über 19.068.169,90 EUR zuzüglich Säumniszuschlägen von 125.446,00 EUR, insgesamt 19.193.615,90 EUR, zum anderen um eine Zahlungsaufforderung über 17.728.938,83 EUR zuzüglich Säumniszuschlägen von 117.021,00 EUR, insgesamt 17.845.959,83 EUR. Die Zahlungsaufforderungen enthielten jeweils den Hinweis, dass der Kläger der griechischen Steuerverwaltung diese Beträge schulde und der Beklagte auf der Grundlage der Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16.03.2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen gebeten worden sei, den Gesamtbetrag einzuziehen. Die Zahlungsaufforderungen enthielten jeweils den weiteren Hinweis, dass, sollte der Kläger der Aufforderung nicht bis zum 18.12.2012 nachkommen, kostenpflichtige Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen würden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Zahlungsaufforderungen vom 15.11.2012 Bezug genommen.
6Ausweislich der aus den als Anlagen zu den beiden Zahlungsaufforderungen beigefügten einheitlichen Vollstreckungstitel steht die Zahlungsaufforderung über 19.068.169,90 EUR zzgl. Säumniszuschlägen mit Mehrwertsteuerforderungen in Zusammenhang und die Zahlungsaufforderung über 17.728.938,83 EUR zzgl. Säumniszuschlägen mit Körperschaftsteuerforderungen. Die Mehrwertsteuerforderung von 19.068.169,90 EUR setzt sich aus einer Hauptforderung in Höhe von 12.544.848,62 EUR und einer Zinsforderung von 6.523.321,28 EUR auf die Hauptforderung seit 2008 zusammen. Die Körperschaftsteuerforderung in Höhe von 17.728.938,83 EUR setzt sich aus einer Hauptforderung von 11.702.269,62 EUR und einer Zinsforderung von 6.026.668,99 EUR auf die Hauptforderung seit 2008 zusammen.
7Die Forderungen betreffen jeweils die Jahre 1993 bis 2000, wobei für jede Steuerart und jedes Jahr ein eigener einheitlicher Vollstreckungstitel vorliegt. Nach den einheitlichen Vollstreckungstiteln werden die Mehrwertsteuerforderungen in Griechenland unter dem Aktenzeichen „ATB 1“ geführt und die Körperschaftsteuerforderungen unter dem Aktenzeichen „ATB 2“. Das Datum der Festsetzung der Forderung ist jeweils mit „2008/05/...“ angegeben. Das Datum, ab dem die Vollstreckung möglich sein soll, ist in den einheitlichen Vollstreckungstiteln für die Mehrwertsteuerforderungen mit „2008/07/...“ angegeben und in den einheitlichen Vollstreckungstiteln für die Körperschaftsteuerforderungen mit „2008/08/...“. Der Betrag der ausstehenden Forderung wird in der Spalte „Ursprünglich fällig“ jeweils mit 0 angegeben, die entsprechenden Beträge werden in der Spalte „Noch fällig“ aufgeführt. Das Datum der Zustellung des ursprünglichen Verwaltungsakts in Griechenland ist jeweils mit „2008/05/...“ angegeben. Als Haftungsgrund ist jeweils „Mitschuldner“ angegeben. Unter „Sonstige Informationen“ heißt es: „Der Schuldner war Geschäftsführer des Hauptschuldners: Unternehmen…“. Danach folgen griechische Wörter. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die einheitlichen Vollstreckungstitel Bezug genommen.
8Der Kläger hat am 17.12.2012 Widerspruch gegen seine Inanspruchnahme beim Verwaltungsgericht in H (Griechenland) eingelegt. Gegen seine Inanspruchnahme aus der Zinsforderung von 12.549.990,27 EUR hat der Kläger am 12.04.2013 in Griechenland einen Antrag auf Zinsverzicht gestellt, weil er nach seiner Auffassung nicht für die seit 2008 angefallenen Zinsen haften könne. Über den Widerspruch und den Antrag auf Zinsverzicht ist nach Angaben des Klägers noch nicht entschieden. Der vom Kläger in Griechenland am 18.07.2013 gestellte Antrag auf Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens (Suspension Petition) wurde vom Verwaltungsgericht in H (Griechenland) am 02.10.2013 abgelehnt.
9Mit Schreiben vom 17.12.2012 legte der Kläger beim Beklagten Einspruch gegen die Zahlungsaufforderungen ein und stellte daneben zahlreiche weitere Anträge. Zur Begründung des Einspruchs trug der Kläger unter anderem vor, er habe die der Vollstreckung zu Grunde liegenden griechischen Titel nicht erhalten. Er habe erst mit Zustellung der einheitlichen Vollstreckungstitel sowie der streitgegenständlichen Zahlungsaufforderungen vom 15.11.2012 von der gegen ihn gerichteten Vollstreckung erfahren. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Einspruchsschreiben vom 17.12.2012 Bezug genommen.
10Mit Schreiben vom 27.12.2012 gab die griechische Behörde gegenüber dem Beklagten folgende Stellungnahme ab:
11Wir teilen Ihnen mit, dass Herr M bei Gericht Einspruch gegen den ursprünglichen Vollstreckungstitel sowie den einheitlichen Vollstreckungstitel eingelegt hat. Die eingelegte Rechtsmaßnahme geht jedoch nicht einher mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung oder des Beitreibungsverfahrens und bisher liegt kein gerichtlicher Beschluss zur Aussetzung der Vollstreckung oder Beitreibung vor. Daher werde Sie gebeten, die Beitreibung der Forderung fortzusetzen.
12Der Beklagte ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen, sondern hat die griechischen Finanzbehörden zu einer (weiteren) Stellungnahme aufgefordert. Mit Schreiben vom 05.04.2013 hat er dem Kläger mitgeteilt, dass von der Einleitung eines Vollstreckungsverfahrens bis zum Eingang dieser Stellungnahme abgesehen werde.
13Mit Schreiben vom 17.04.2013 gab die griechische Behörde folgende (weitere) Stellungnahme ab:
14In Beantwortung der Behauptungen des Schuldners M gegenüber den deutschen Steuerbehörden teilen wir Ihnen in Bezug auf die das griechische Recht betreffenden Bereiche und die tatsächlichen Fakten des Falles Folgendes mit: Der vorgenannte Schuldner ist seit dem .../07/2002 Geschäftsführer der Firma mit dem Namen „B S.A. of ...“ und mit Handelsnamen „B S.A.“ (früherer Name ... S.A.“). Das Unternehmen ist am .../01/2004 für insolvent erklärt worden, was zu seiner Auflösung gemäß Artikel 47a des Gesetzes 2190/1920 führte. Darauf folgte eine Einkommensteuer- und Umsatzsteuerprüfung des Unternehmens für die Jahre 1993 bis 2000 und es wurden unter der Steueridentifikationsnummer des Unternehmens 3 (Steuerbescheid Nummern) A.T.B. 2 und A.T.B. 1 Einkommensteuern und Umsatzsteuern veranlagt. Das Unternehmen legte vor griechischen Gerichten Einspruch gegen diese Steuerbescheide ein, es wurden jedoch für das Unternehmen endgültige und abschlägige Gerichtsentscheidungen getroffen.
15Laut Artikel 115 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (Gesetz 2238/1994) und Artikel 55 des Umsatzsteuergesetzes (Gesetz 2859/2000) ist im Falle der Auflösung einer Aktiengesellschaft neben dem Unternehmen sein Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Auflösung haftbar für die Einkommen- und Umsatzsteuerschulden, unabhängig davon, wann die Steuerfestsetzung erfolgte und welche Steuerjahre betroffen sind. Nach dem Gesetz und auch nach der Rechtsprechung griechischer Gerichte ist die Haftbarkeit des Geschäftsführers insofern ergänzend, als dass das Vollstreckungsverfahren für die Beitreibung auch gegen ihn als haftbare Person eingeleitet werden kann, obwohl die Steuern unter der Steueridentifikationsnummer des Unternehmens festgesetzt worden sind, ohne dass eine weitere Festsetzung unter seiner persönlichen Steueridentifikationsnummer erforderlich ist. Außerdem ist sie sachgerecht (die Haftung), da sie auf seinem Status als Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Auflösung des Unternehmens beruhte.
16Vor der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen gegen Herrn M hatte das zuständige Finanzamt F.A.E. von H (Griechenland) eine Mitteilung über die vorgenannten Schulden an die vom Schuldner selbst als seine Anschrift in Griechenland erklärte Adresse versandt, jedoch unterließ er es, die Schuld zu begleichen. Daher wurde das Vollstreckungsverfahren gegen ihn in Übereinstimmung mit den gerichtlichen Beschlüssen, durch die die Einsprüche des Unternehmens abgewiesen wurden, fortgesetzt.
17Es wird angemerkt, dass der Schuldner nach Einleitung des Amtshilfeverfahrens in Deutschland rechtliche Maßnahmen (Einspruch) in Griechenland ergriffen hat und den Einheitlichen Vollstreckungstitel angefochten hat, jedoch ohne einen Antrag auf Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens zu stellen.
18Folglich ist unsere Dienststelle der Auffassung, dass das Beitreibungsverfahren gemäß Artikel 14 der Richtlinie 2010/24/EE fortgesetzt werden sollte, da entsprechend unseren vorstehenden Ausführungen und gemäß griechischem Recht kein Grund für die Aussetzung besteht.“
19Mit Einspruchsentscheidung vom 05.06.2013 verwarf der Beklagte die Einsprüche gegen die Zahlungsaufforderungen als unzulässig. Gleichzeitig wies der Beklagte darauf hin, dass er der Aufforderung der griechischen Finanzbehörden, das Beitreibungsverfahren fortzusetzen, nicht nachkommen werde, sondern das Vollstreckungsverfahren gemäß § 13 Abs. 2 EUBeitrG i.V.m. § 258 Abgabenordnung (AO) ruhend stellen werde bis über den vom Kläger angekündigten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in Griechenland entschieden sei, maximal für sechs Monate. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 05.06.2013 Bezug genommen.
20Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage vom 08.07.2013. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend:
21Nach den Ausführungen der griechischen Finanzbehörden in der Antwort vom 17.04.2013 sei unstreitig, dass der dem Beitreibungsersuchen zu Grunde liegende griechische Vollstreckungstitel ihm - dem Kläger - jedenfalls nicht in einer mit deutschen Maßstäben vergleichbaren Form zugestellt worden sei. Ein Haftungsbescheid, der Grundlage für eine Vollstreckung gegen ihn sein könne, sei ihm gegenüber nicht ergangen. Er habe die in der Antwort der griechischen Finanzbehörden vom 17.04.2013 erwähnten Bescheide "3 (Steuerbescheid Nummern) A.T.B. 2 und A.T.B. 1" nicht erhalten. Offenbar sei die von ihm im Rahmen des Beitreibungsersuchens verlangte griechische Steuer niemals gegenüber ihm persönlich festgesetzt worden. Der Beklagte habe diesen für die sachgemäße Prüfung des Beitreibungsersuchens relevanten Umstand in der Einspruchsentscheidung in keiner Weise gewürdigt. Soweit sich in der Einspruchsentscheidung die Antwort der griechischen Finanzverwaltung vom 17.04.2013 finde, "das zuständige Finanzamt F.A.E. von H (Griechenland) habe eine Mitteilung über die vorgenannten Schulden an die vom Schuldner selbst als seine Anschrift in Griechenland erklärte Adresse versandt", werde dies bestritten, weil er in Griechenland zu keinem Zeitpunkt über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfügt habe. Er habe in Griechenland für sich persönlich keine Steuererklärungen abgegeben und den griechischen Finanzbehörden auch keine Adresse in Griechenland für seine persönliche Erreichbarkeit mitgeteilt. Selbst wenn ihm eine solche Mitteilung nach griechischem Recht zugerechnet werden müsste, könne diese niemals als Zustellung nach dem deutschen Rechtsverständnis (eingeschlossen dem ordre public) gelten. Wenn man die Richtigkeit des bestrittenen Vortrags unterstelle, hätten die griechischen Behörden allenfalls eine formlose Zahlungsaufforderung an eine griechische Adresse versandt, die er angeblich selbst erklärt habe, ohne die einzelnen gegenüber der B S.A. ergangenen Vollstreckungstitel beizufügen. Damit stehe fest, dass ihm die zu vollstreckenden Titel niemals in einer den deutschen Maßstäben entsprechenden Form zugestellt worden seien, so dass es an einer elementaren Grundvoraussetzung jeglicher Vollstreckung in Deutschland mangele. Er sei nach wie vor nicht in der Lage, den genauen Gegenstand und den Grund seiner Inanspruchnahme zu identifizieren, so dass er an einer effektiven Rechtsverfolgung sowohl in Deutschland als auch in Griechenland gehindert sei. Die Vollstreckung verstoße damit gegen zwingende Mindestanforderungen der EU-Beitreibung nach der Richtlinie.
22Letztlich sei ihm nicht bekannt, auf welche Titel sich die griechischen Finanzbehörden bei ihrem Beitreibungsersuchen stützten. Dies gelte insbesondere für die in den einheitlichen Vollstreckungstiteln genannten Festsetzungen vom 14.05.2008 mit dem Aktenzeichen A.T.B. 2 und A.T.B. 1. Die Festsetzungen vom 14.05.2008 seien - wie die griechischen Behörden in der Antwort vom 17.04.2013 ausführten - gegenüber der B S.A. ergangen. Es handele sich um Beschlüsse in Verfahren, durch die die Einsprüche der Gesellschaft abgewiesen worden seien. An diesen Verfahren sei er nicht beteiligt gewesen und er habe keine Kenntnis über den Verfahrensstand. Vollstreckungstitel seien wenn überhaupt gegen die B S.A. erlassen worden. Die griechischen Behörden würden in ihrer Antwort vom 17.04.2013 die Wirksamkeit der Zustellung an eine nicht näher bekannte unternehmensbezogene Adresse unterstellen. Dies werde bestritten. Er sei seit dem 30.09.2003 nicht mehr für den A-Konzern tätig und ihm sei die Korrespondenz der B S.A. nicht bekannt. Die Insolvenz der B S.A. und damit die Existenz eines Insolvenzverwalters, der die Gesellschaft nach griechischem Recht vertrete, sei den griechischen Finanzbehörden seit langem bekannt. Es werde bestritten, dass im Jahr 2008 nach griechischem Recht Mitteilungen mit Wirkung gegen ihn - den Kläger - an eine unternehmensbezogene Adresse, die vor der Insolvenz der Gesellschaft im Jahr 2003 benutzt worden sei, ohne jede zeitliche Beschränkung wirksam hätten vorgenommen werden können. Für die griechischen Behörden wäre es ohne weiteres zumutbar gewesen, Mitteilungen an seine deutsche Adresse zu übersenden. Dies belegten die vom Beklagten am 17.11.2012 zugestellten Zahlungsaufforderungen. Die Verfahren gegen die Festsetzungen gegen die B S.A. seien entgegen der Behauptung der griechischen Finanzbehörden nicht endgültig, sondern liefen noch.
23Die Ablehnung des Aussetzungsantrags am 02.10.2013 sei vom Verwaltungsgericht in H (Griechenland) im Kern damit begründet worden, dass die zur Verfügung gestellten Informationen zu seiner finanziellen Situation nicht ausreichend seien und für eine Vollstreckung in Deutschland noch ein Umsetzungsakt notwendig sei, so dass kein irreparabler Schaden zu besorgen sei. Weiterhin sei der von ihm in der Hauptsache eingelegte Rechtsbehelf nach Auffassung des Gerichts deshalb nicht offensichtlich begründet, weil die Beurteilung des Falles tatsächliche und rechtliche Recherchen erfordere und es derzeit keine einschlägigen höchstrichterlichen Entscheidungen des obersten griechischen Verwaltungsgerichtshofs zur EU-Beitreibungsrichtlinie gebe. Hiernach werde er aber rechtsschutzlos gestellt. In Deutschland werde er auf den in Griechenland zu suchenden Rechtsschutz verwiesen, während eine vorläufige Aussetzung der Vollstreckung in Griechenland aufgrund des noch nicht drohenden irreparablen Schadenseintritts abgelehnt werde.
24Vor diesem Hintergrund sei die Anfechtungsklage gegen die Zahlungsaufforderungen statthaft und damit zulässig. Die ihm zugestellten Zahlungsaufforderungen samt den einheitlichen Vollstreckungstiteln seien aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls als Verwaltungsakte zu qualifizieren. Sie beinhalteten ein erstmaliges Leistungsgebot gemäß § 254 Abs. 1 Satz 1 AO, da unstreitig sei, dass er - der Kläger - mangels Zustellung der zu Grunde liegenden griechischen Vollstreckungstitel an ihn erstmals als Vollstreckungsschuldner für die gegenüber der B S.A. erfolgten Steuerfestsetzungen in Anspruch genommen werde. Nach den Ausführungen in der Antwort der griechischen Finanzbehörden vom 17.04.2013 sei die Haftbarkeit des griechischen Geschäftsführers nach der griechischen Rechtsordnung und der Rechtsprechung griechischer Gerichte insofern ergänzend, als das Vollstreckungsverfahren für die Beitreibung auch gegen ihn als haftbare Person eingeleitet werden könne, obwohl die Steuern unter der Steueridentifikationsnummer des Unternehmens festgesetzt worden seien, ohne dass eine weitere Festsetzung unter seiner persönlichen Steueridentifikationsnummer erforderlich sei. Damit stehe fest, dass es keinen gegen ihn gerichteten griechischen Vollstreckungstitel gebe. Er sei also mit den Zahlungsaufforderungen erstmals aufgefordert worden innerhalb einer bestimmten Frist die geltend gemachten Beträge zu entrichten. In einem solchen Fall stelle die Zahlungsaufforderung ein Leistungsgebot und damit einen Verwaltungsakt dar. Selbst wenn die Zahlungsaufforderungen nur als eine Zahlungserinnerung und rechtlich somit als Mahnung im Sinne des § 259 AO zu qualifizieren seien, wäre diese vermeintliche Zahlungserinnerung bzw. Mahnung ein Verwaltungsakt. In der Literatur sei anerkannt, dass eine Mahnung in ein Leistungsgebot umzudeuten sei, wenn der Mahnung kein Leistungsgebot vorangegangen sei und - wie im Streitfall - die inhaltlichen Voraussetzungen eines Leistungsgebots erfüllt seien. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Zahlungsaufforderungen in einen Verwaltungsakt umgedeutet oder als das Leistungsgebot ersetzenden Verwaltungsakt gedeutet würden.
25Die Zahlungsaufforderungen seien bereits formell rechtswidrig. Die angeforderten Beträge seien nicht nachvollziehbar. Die beigefügten einheitlichen Vollstreckungstitel wiesen in den Spalten "Ursprünglich fällig" jeweils 0 EUR aus, während erst in der Spalte "Noch fällig" die entsprechenden Beträge aufgeführt seien. Dies sei widersprüchlich. Außerdem enthielten die Zahlungsaufforderungen keine Rechtsbehelfsbelehrung. Weitere Verfahrensfehler seien dem Beklagten im Zusammenhang mit der Anwendung des EUBeitrG unterlaufen. Der Beklagte habe keine möglichen Ablehnungsgründe im Sinne des § 14 Abs. 2 EUBeitrG geprüft. Zudem müsste die Fortführung des Beitreibungsverfahrens durch den Beklagten auch deswegen abgelehnt werden, weil er - wie auch die B S.A. - die Steuerforderungen in Griechenland angefochten habe und mit zeitnahen Entscheidungen nicht zu rechnen sei. Er habe zudem einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt und werde nach der ablehnenden Entscheidung einen weiteren Antrag stellen. Die Ausführungen der griechischen Behörde in der Antwort vom 17.04.2013 seien keine nachvollziehbare Begründung im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 EUBeitrG dafür, dass das Vollstreckungsverfahren unter dem Aspekt der Dringlichkeit weiterzuführen und ein Abwarten bis zu einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar sei, gerade auch vor dem Hintergrund der enormen Höhe der Forderung. Unabhängig davon sei jedenfalls die fehlende Berücksichtigung des Antrags auf Zinsverzicht eine Missachtung der vom Beklagten nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 4 und 5 EUBeitrG vorzunehmenden Prüfung.
26Die Zahlungsaufforderungen seien auch materiell rechtswidrig. Auch im Rahmen der Beitreibung auf der Grundlage eines einheitlicher Vollstreckungstitels nach § 9 Abs. 1 EUBeitrG dürfe nur vollstreckt werden, wenn der einheitliche Vollstreckungstitel gegenüber dem Schuldner vollstreckbar sei. Die in den einheitlichen Vollstreckungstiteln aufgeführten griechischen Vollstreckungstitel seien jedoch nicht gegenüber ihm, sondern gegenüber der B S.A. ergangen. Die Bescheide gegen die Gesellschaft seien ihm auch nie zugestellt worden. Damit liege ihm gegenüber kein Vollstreckungstitel vor. Darüber hinaus habe der Beklagte die Amtshilfe gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 EUBeitrG ablehnen müssen, weil die aus der Betriebsprüfung der B S.A. resultierenden Forderungen älter als fünf Jahre seien. Die materielle Rechtswidrigkeit ergebe sich zudem aus Verstößen gegen die deutsche öffentliche Ordnung (ordre public). Durch seine Inanspruchnahme als Vollstreckungsschuldner seien insbesondere die tragenden Grundsätze der öffentlichen Ordnung in Deutschland sowie die damit verbundenen Verfahrensrechte eklatant verletzt. Ihm seien keine Bescheide oder Gerichtsentscheidungen bekanntgegeben worden. Ihm sei daher weder ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden noch sei er über gegebene Rechtschutzmöglichkeiten informiert worden. Die Tatsache der fehlenden Zustellung der griechischen Vollstreckungstitels stelle jedenfalls nach den für das gegenständliche Verfahren relevanten Maßstäben einen groben Verstoß gegen den ordre public dar und zwar unabhängig vom Ausgang etwaiger griechischer Verfahren. Der Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass er erst nach Vorlage eines geänderten Beitreibungsersuchens einen möglichen Verstoß gegen den ordre public prüfen könne. Der ordre public sei in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen. Er habe zwischenzeitlich alle noch offenen Rechtsschutzwege in Griechenland beschritten. Hierbei habe sich herausgestellt, dass es ihm nach griechischem Recht gar nicht möglich sei, die Grundlagen der Steuerforderungen adäquat und ausreichend anzugreifen, da er an den bisherigen griechischen Verfahren gegen die B S.A. nicht beteiligt gewesen sei. Nach deutschem Recht würde in einer solchen Konstellation selbst § 166 AO die Rechtsschutzmöglichkeiten nicht einschränken. Im Übrigen werde die Auffassung, dass der Beklagte die Zustellung des griechischen Vollstreckungstitels zu prüfen habe, bestätigt durch das vor dem Hintergrund der - der EU-Beitreibungsrichtlinie vorangegangenen - EU-Richtlinie 76/308 ergangene Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 14.01.2010 (C-233/08 Randziffer 50 Satz 2). Nach den Ausführungen des EuGH stelle die Zustellung der Zahlungsaufforderungen vom 15.12.2012 mitsamt den einheitlichen Vollstreckungstiteln durch den Beklagten den Beginn der Vollstreckungsmaßnahmen dar. Wie die griechische Behörde in der Mitteilung vom 17.04.2013 ausführe, dienten allenfalls gerichtliche Beschlüsse gegen die B S.A. als Vollstreckungsgrundlage. Da er an den gerichtlichen Verfahren nicht beteiligt gewesen sei, müssten Streitigkeiten in Bezug auf eine ordnungsgemäße Bekanntgabe von der ersuchten deutschen Behörde überprüft werden.
27Darüber hinaus seien die einheitlichen Vollstreckungstitel teilweise in griechischer Sprache abgefasst. So würden unter "Sonstige Informationen" nach "Der Schuldner war Geschäftsführer des Hauptschuldner Unternehmens" nur noch griechische Bezeichnungen aufgeführt, die er nicht verstehe. Hinzu komme, dass eine mögliche Haftung nach griechischem Recht subsidiär sei. Es lägen aber keinerlei Belege dafür vor, dass Vollstreckungsversuche gegen die B S.A. erfolglos gewesen seien. Die B S.A. habe ausweislich ihrer Bilanz zum 29.08.2003, d. h. kurz vor Anmeldung der Insolvenz, noch über ein Aktivvermögen von 11.262.187,38 EUR, verfügt. In seinem Einspruchsschreiben vom 17.12.2012 habe er umfangreiche und ausführlich begründete Einwendungen gegen seine Inanspruchnahme in Griechenland vorgebracht. Dabei handele es sich u. a. um die Verfassungswidrigkeit der griechischen Haftungsgrundlagen an sich und die verfassungswidrige Auslegung dieser Vorschriften, Verfahrens-, Beurteilungs-, Ermittlungs- und Berechnungsfehler, Verstoß der griechischen Besteuerungsgrundlagen gegen Europarecht, Rechtswidrigkeit bzw. Nichtigkeit der Festsetzungen gegenüber der B S.A., fehlerhafte Auslegung der griechischen Haftungsvorschriften, Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, Verstöße gegen die EU-Beitreibungsrichtlinie. Damit stehe eine Vollstreckung in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zu grundlegenden Prinzipien der deutschen Rechtsordnung, welche nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und der Finanzgerichte zu beachten seien. Weiterhin sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) deshalb verletzt, weil er in den maßgeblichen griechischen Verfahren keine Gelegenheit erhalten habe, sich zu äußern. Daraus ergebe sich für den Beklagten die Pflicht, die Ausführungen aufzugreifen und in die Entscheidung einzubeziehen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass nach deutschem Grundverständnis für eine Haftungsinanspruchnahme eines Geschäftsführers oder Vorstands einer Gesellschaft immer auch eine schuldhafte Pflichtverletzung des jeweiligen Geschäftsleitungsorgans hinzukommen müsse (§ 69 AO, § 43 GmbHG, § 93 AktG). Ihn treffe demgegenüber an den streitgegenständlichen Steuerschulden der B S.A. kein Verschulden. In diesem Kontext sei auch zu berücksichtigen, dass die Steuerschulden nicht aus seiner Amtszeit resultierten. Der Umstand, dass er nach seiner Erinnerung von März 1998 bis Oktober 2001 einfaches Mitglied des Verwaltungsrates ohne Vertretungsbefugnis gewesen sei, sei irrelevant, da derartige Verwaltungsratsmitglieder in keiner Weise einer vergleichbaren Haftung unterlägen wie der Vorsitzende des Verwaltungsrates. Wenn ein Verschulden aus griechischer Sicht tatsächlich irrelevant sein sollte, führte dies zu einem Verstoß gegen allgemein gültige Prinzipien nach deutschem Verständnis und mithin zu einem weiteren Verstoß gegen den ordre public.
28Im Übrigen resultiere eine materielle Rechtswidrigkeit sämtlicher Maßnahmen der deutschen Finanzverwaltung einschließlich des Beklagten schon allein daraus, dass dieser das Beitreibungsersuchen wegen Unbilligkeit aufgrund der Regelung in § 14 Abs. 1 EUBeitrG schon von Beginn an habe ablehnen müssen. Ihm drohe durch die Vollstreckung der rd. 37 Mio. EUR Steuerschulden in sein Vermögen die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz. Auch eine nur vorläufige Vollstreckung würde seine private und berufliche Existenz zerstören. Die Schäden könnten nur schwerlich wieder rückabgewickelt werden. Zudem seien laufende Unterhaltsansprüche seiner Kinder und Ehefrau betroffen. Darüber hinaus wären selbst die gegenüber § 14 Abs. 1 EUBeitrG engeren bzw. restriktiveren Unbilligkeitsgrundsätze nach deutschem Steuerverfahrensrecht einschlägig. Dies gelte sowohl im Hinblick auf die persönliche als auch im Hinblick auf die sachliche Unbilligkeit im Sinne der §§ 162, 227 AO. Es erschließe sich nicht, warum die deutsche Finanzverwaltung unter vergleichbaren Umständen verpflichtet sein solle, etwaige griechische Steuerschulden einzutreiben. Die Beitreibung der griechischen Steuerforderungen in Höhe von rd. 37 Mio. EUR, insbesondere ohne jede Klärung der griechischen Sach- und Rechtslage, stelle zudem einen tiefgreifenden Eingriff in verschiedene Grundrechte dar. So werde durch eine Vollstreckung in seinem Grundrecht auf Schutz der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) verletzt. Eine Vollstreckung hätte ganz erhebliche Auswirkungen auf seinen Lebenswandel und den seiner Familie. Auch könnte die Ausbildung der Kinder nicht mehr finanziert werden. Weiterhin hätte die Vollstreckung einer derart immensen Summe die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz als Steuerberater zur Folge. Dies sei mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Außerdem werde ihm jegliches in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG fallendes Eigentum genommen. Aus den genannten Gründen sei auch die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 GG verletzt. Die Vollstreckung würde einen extrem gelagerten Einzelfall darstellen, der die Vernichtung seiner gesamten Lebensleistung zur Folge habe mit entsprechenden gravierenden Folgen für seine Familie. Dabei werde er nicht nur ohne jedes Verschulden, sondern auch noch ohne vorherige gerichtliche Prüfung seine wirtschaftliche Existenz vernichtet. Daher gebiete auch die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG und die staatliche Fürsorgepflicht, die Zahlungsaufforderungen aufzuheben. Die Vollstreckung eines Betrages von rd. 37 Mio. EUR gegenüber einem bloßen Haftungsschuldner sei schon vom Grundsatz her unverhältnismäßig.
29Falls das Gericht die Anfechtungsklage für unzulässig halten sollte, hätte er jedenfalls ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zahlungsaufforderungen gemäß § 41 Abs. 1 FGO. Mit den Zahlungsaufforderungen habe der Beklagte zumindest den Rechtsschein eines Verwaltungsaktes gesetzt, welcher seine wirtschaftliche Planungssicherheit gefährde. Es sei mit dem Gebot der Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes unvereinbar, wenn er gezwungen würde, Vollstreckungsmaßnahmen abzuwarten. Insbesondere der evidente Verstoß gegen den ordre public, d.h. das Fehlen eines Vollstreckungstitels, könne bereits jetzt im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht werden (Hinweis auf BFH-Urteil vom 03.11.2010 VII R 21/10, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2011, 401). Gleiches gelte, weil er mangels Zustellung eines Titels nicht in der Lage sei, den genauen Gegenstand und den Grund seiner Inanspruchnahme zu identifizieren. Damit sei er an einer effektiven Rechtsverfolgung gehindert. Daran ändere nichts, dass der Beklagte das Vollstreckungsverfahren ruhend gestellt bzw. ausgesetzt habe bis die Rechtmäßigkeit des Anspruchs in Griechenland geklärt sei. Unabhängig vom Ausgang griechischer Verfahren werde seine wirtschaftliche Planungssicherheit so stark beeinträchtigt, dass dies einer Zerstörung seiner wirtschaftlichen und beruflichen Existenz gleichkomme. Zudem bliebe die Rechtslage im Hinblick auf die fehlende Bekanntgabe eines Vollstreckungstitels unnötig lange unklar. Es bestehe unverändert die mit einem evidenten Verfahrensfehler behaftete Drohung einer Vollstreckung. Es gebe für ihn auch keinen schnelleren und einfacheren und billigeren Weg der Erreichung von Rechtsschutz. Der Vollständigkeit halber sei anzumerken, dass Beklagte sich zu einer möglichen Beschränkung bzw. Aussetzung des Verfahrens nicht bzw. nur schwankend und ohne erkennbaren Rechtsbindungswillen geäußert habe.
30Der Senat hat am 11.06.2015 einen Gerichtsbescheid erlassen und darin die Klage abgewiesen sowie die Revision zugelassen. Der Kläger hat fristgerecht am 13.07.2015 mündliche Verhandlung beantragt.
31Der Kläger trägt ergänzend vor, es seien neue Tatsachen hinzugetreten, die eine andere Würdigung erforderten und sein Begehren stützen, eine drohende Vollstreckung abzuwenden. So sei er mit E-Mail vom 18.09.2015 von der A AG darüber informiert worden, dass die von der B S.A. eingelegten Revisionen gegen die Steuerfestsetzungen in mindestens 17 von 25 Fällen aus formalen Gründen rechtskräftig zurückgewiesen worden seien. Es sei ihm in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen, die Gerichtsentscheidungen zu erlangen. Zudem sei das Insolvenzverfahren gegen die B S.A. mit Urteil Nr. 4 des Landgerichts H (Griechenland) aufgehoben worden. Eine Versteigerung der Restvermögenswerte der Gesellschaft sei erfolglos verlaufen.
32Aufgrund der neuen Tatsachenlage betreffend die B S.A. liege nunmehr eine die griechische Rechtslage bestätigende Entscheidung vor. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass die gegen die B S.A. ergangenen erstinstanzlichen Gerichtsentscheidungen nach Maßgabe der griechischen Rechtslage auch als Vollstreckungstitel gegen ihn dienen könnten. Die griechischen Vollstreckungstitel, die ihm ausweislich der Angaben im einheitlichen Vollstreckungstitel am 16.05.2008 zugestellt worden sein sollen, seien nunmehr rechtskräftig und damit auch in Bezug auf sein Verfahren als verbindlich anzusehen. Nach Maßgabe der griechischen Rechtslage würden Einwendungen gegen die in der Hauptsache festgesetzten Steuerforderungen im Rahmen seiner in Griechenland eingelegten Rechtsbehelfe nicht mehr berücksichtigt. Das bedeute, dass er als alleiniger Verwaltungsratspräsident mit Vertretungsmacht zum Zeitpunkt der Auflösung der B S.A. durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens neben der Gesellschaft für deren Steuerschulden hafte, unabhängig davon, wann die Steuerfestsetzung erfolgt sei und welche Steuerjahre betroffen seien. Er habe keine Möglichkeit mehr, die Grundlagen seiner Haftung prüfen zu lassen. Es bestehe die Besorgnis, dass das Beitreibungsersuchen nunmehr in Deutschland fortgesetzt werde, zumal es seitens der griechischen Behörden keine andere Mitteilung als die vom 17.04.2013 über die Weiterführung des Vollstreckungsverfahrens gebe und ihm in Griechenland vorläufiger Rechtsschutz nicht gewährt worden sei.
33Die neuen Tatsachen seien entscheidungserheblich, da sie ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 41 FGO begründeten. Er sei einer konkreten Gefahr der Vollstreckung ausgesetzt, da eine Überprüfung der gegen ihn gerichteten Forderungen in der Hauptsache nicht mehr möglich sei. Die griechischen Behörden hätten in ihrer Mitteilung vom 17.04.2013 die Vollstreckung trotz vorheriger Anfechtung der Haftungsbescheide verlangt, ohne dass bisher eine andere Erklärung vorliege. Damit liege ein Fall des § 13 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 EUBeitrG vor, der regele, dass auch dann, wenn im ersuchenden Staat Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt werde, die Entscheidung im ersuchten Staat zu exekutieren sei. Die seitens des Beklagten im Rahmen dieses Rechtsstreits im Schriftsatz vom 29.04.2014 abgegebene Erklärung, das Vollstreckungsverfahren bis zu einer rechtsgültigen Entscheidung in Griechenland auszusetzen, stehe folglich im Widerspruch zu § 13 Abs. 2 Satz 3 EUBeitrG und könne für ihn in mehrfacher Hinsicht keine Sicherheit gewähren. Zum einen sei unklar, auf welches in Griechenland geführte Verfahren die Aussage sich beziehe, nämlich ob Bezug genommen werde auf die Verfahren, in denen über das Bestehen der Steuerschuld der B S.A. gestritten werde oder auf die von ihm initiierten Verfahren zur Vermeidung einer Inanspruchnahme als Mitglied des Verwaltungsrates. Zum anderen sei aufgrund rechtskräftiger Beendigung der Verfahren betreffend das Bestehen der Steuerschuld jedenfalls in den entschiedenen 17 Fällen ihm nunmehr in Griechenland der Einwand abgeschnitten, dass eine Steuerschuld nicht bestünde, was unmittelbar eine Haftung zur Folge habe. Nach Aussage des Beklagten sei die Vollstreckung lediglich bis zur abschließenden Klärung des Bestehens der griechischen Forderung ausgesetzt. Das sei mit Ergehen der rechtskräftigen Entscheidungen geklärt.
34Das mit Schriftsatz vom 28.09.2015 ergänzend gestellte Unterlassungsbegehren sei streitgegenständlich identisch und verfolge das bisher bereits artikulierte Ziel auf Erlangung vorbeugenden Rechtsschutzes. Für die vorbeugende Unterlassungsklage sei nach der Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 11.12.2012 VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739) dann Raum, wenn das erstrebte Schutzziel mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bzw. einstweiliger Anordnung nicht erreicht werden könne. Ein Abwarten der tatsächlichen Rechtsverletzung sei hier unzumutbar, weil die Rechtsverletzung nicht wiedergutzumachen wäre. Der Beginn der Vollstreckung hätte für ihn eine Privatinsolvenz zur Folge. Die Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes sei unzumutbar, da im Rahmen eines solchen Verfahrens die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nur summarisch geprüft würden und die Steuerfestsetzungen gegenüber der B S.A. rechtsverbindlich für ihn gälten.
35In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ergänzend vorgetragen, er sei bei der Betriebsprüfung mit einem Ansinnen konfrontiert worden, das einer Korruption nahe komme. In der Schlussbesprechung habe man sie mit drei Alternativen konfrontiert, einem „leichten“ Bericht (Nachzahlung 3 Mio. EUR), einem „mittelschweren“ und einem „schweren“ Bericht (Nachzahlung 30 Mio. EUR). Man habe sich auf den „weichen“ Bericht einigen sollen, aus Erfahrung wären dann 50% an den Fiskus gegangen und 50% an einen Berater, der das Geld unter den Prüfern verteilt hätte. Der Vorschlag sei abgelehnt worden, weil die A AG den Betrag nicht habe zahlen wollen. In der Folge seien Festsetzungen über 51 Mio. EUR ergangen.
36Darüber hinaus hat er die Einvernahme des Bundeszentralamts für Steuern beantragt, hilfsweise des Beklagten zu entsprechenden Prüfungshandlungen im Hinblick auf die Zulässigkeit des Beitreibungsersuchens sowie zur Klärung der griechischen Rechtslage die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu folgenden Fragen: Nach welchen anwendbaren griechischen Vorschriften hätten griechische Behörden die für ein Beitreibungsersuchen behauptete Zustellung vornehmen müssen? Entspricht die von den griechischen Behörden in der Mitteilung vom 17.04.2013 dargestellte Zustellung den anwendbaren griechischen Rechtsvorschriften? Kann die in dem Beitreibungsersuchen behauptete Zustellung nach den anwendbaren griechischen Rechtsvorschriften dem gegenständlichen Beitreibungsersuchen unter Geltung der nach der seit 1.1.2012 geltenden Rechtslage zugrunde gelegt werden? Beinhaltet das von griechischen Behörden gegen den Kläger praktizierte Verfahren einen Verstoß gegen den ordre public unter Berücksichtigung der griechischen und der deutschen Rechtsvorschriften?
37In der mündlichen Verhandlung hat sich der Beklagte ausdrücklich verpflichtet, mit Vollstreckungsmaßnahmen nicht zu beginnen, bevor nicht die Mitteilung aus Griechenland eingegangen ist, dass die Klageverfahren einschließlich der persönlichen Verfahren des Klägers wegen der in Griechenland vollstreckbaren Forderungen abgeschlossen sind und die Forderungen ganz oder teilweise bestehen bleiben.
38Der Kläger beantragt,
39die Zahlungsaufforderung über 19.068.169,90 EUR zzgl. Säumniszuschlägen von 125.446,00 EUR, insgesamt 19.193.615,90 EUR vom 15.11.2012 sowie die Zahlungsaufforderung über 17.728.938,83 EUR zzgl. Säumniszuschlägen von 117.021,00 EUR, insgesamt 17.845.959,83 EUR vom 15.11.2012 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 05.06.2013 aufzuheben,
40hilfsweise festzustellen, dass
41- die beiden Zahlungsaufforderungen vom 15.11.2012,
42- die einheitlichen Vollstreckungstitel mit Ausstellungsdatum 15.11.2012, die den Zahlungsaufforderungen als Anlage beigefügt waren sowie
43- die Einspruchsentscheidung vom 05.06.2013
44jeweils rechtswidrig sind und Vollstreckungsmaßnahmen hieraus jeweils unzulässig sind
45und
46den Beklagten zu verpflichten, es zu unterlassen Zwangsvollstreckungsmaß-nahmen aus dem Beitreibungsersuchen der griechischen Behörden, das den beiden Zahlungsaufforderungen zugrunde liegt, vorzunehmen.
47Der Beklagte beantragt,
48die Klage abzuweisen.
49Der Beklagte macht im Wesentlichen geltend: Die Anfechtungsklage sei unzulässig. Die Zahlungsaufforderungen seien keine Verwaltungsakte. Die Feststellungsklage sei ebenfalls unzulässig. Er habe das Vollstreckungsverfahren trotz wiederholtem Drängen der griechischen Finanzbehörden bis zum Ausgang sämtlicher in Griechenland anhängiger Verfahren ausgesetzt. Soweit der Kläger einwende, dass dies aus der Einspruchsentscheidung nicht eindeutig hervorgehe, sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch keinen Aussetzungsantrag gestellt, sondern dies nur angekündigt hatte, gleichwohl aber von ihm - dem Beklagten - erwartet habe, dass er bei seiner Entscheidung einen nicht gestellten Antrag berücksichtige. Er habe das Vollstreckungsverfahren gleichwohl ausgesetzt. Da aber nicht festgestanden habe, dass tatsächlich ein Aussetzungsantrag gestellt werde, habe er die Aussetzung befristet. Dass der Kläger diese Vorgehensweise beanstande, sei nicht nachvollziehbar. Auf ausdrücklichen Wunsch der ersuchenden Behörde könne gemäß § 13 EUBeitrG sogar eine angefochtene Forderung beigetrieben werden. Er habe bereits im Vorfeld, aber auch in der Folgezeit gegenüber dem Kläger wiederholt und eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass das Vollstreckungsverfahren bis zu einer endgültigen Klärung der Rechtslage in Griechenland ausgesetzt werde. Er habe dies auch gegenüber den griechischen Finanzbehörden zum Ausdruck gebracht. Ihm sei die Tragweite des Verfahrens durchaus bewusst. Er habe das Vollstreckungsverfahren nicht aufgenommen, obwohl der Aussetzungsantrag zwischenzeitlich abgelehnt worden sei. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt würde eine Zurückweisung des Beitreibungsersuchens eine Vorwegnahme der Entscheidung des griechischen Gerichts darstellen. Erst nach der Entscheidung des griechischen Gerichts sei eine umfassende rechtliche Würdigung in Anlehnung an das deutsche Recht zulässig, da in die Entscheidung zwingend die Urteilsgründe des griechischen Gerichts Eingang finden müssten. Dies sei auf die Zuständigkeitsverteilung in Art. 14 der Beitreibungsrichtlinie zurückzuführen. Es werde aber nochmals klargestellt, dass das Vollstreckungsverfahren bis zu einer abschließenden Klärung der Ansprüche nicht aufgenommen werde.
50Die Klage könne aber auch in der Sache keinen Erfolg haben. Die einheitlichen Vollstreckungstitel seien nach der Beitreibungsrichtlinie Rechtsgrundlage für die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen im Inland. Die einheitlichen Vollstreckungstitel seien in deutscher Sprache abgefasst und wiesen zu jeder Forderungsart die Hauptforderung und die hierauf entfallenden Zinsen unter der Rubrik „noch fällig“ bzw. „Gesamtbetrag der Forderung“ aus. Die fehlende Angabe der „ursprünglich fälligen Beträge“ diene der besseren Orientierung und führe nicht zu einer widersprüchlichen Darstellung. Soweit der Kläger mangelnde Rechtsklarheit und Rechtssicherheit moniere, könne dies nicht nachvollzogen werden. Entgegen der Auffassung des Klägers lägen keine Ablehnungsgründe im Sinne des § 14 Abs. 2 EUBeitrG vor. Die Beitreibungsersuchen hätten jeweils den 01.07.2008 als Zeitpunkt ausgewiesen, ab dem eine Vollstreckung möglich sei. Die Beitreibungsersuchen seien am 07.11.2012 beim Bundeszentralamt für Steuern und damit innerhalb der Fünf- bzw. Zehnjahresfrist des § 14 Abs. 2 EUBeitrG eingegangen. Dem Einwand, das Beitreibungsersuchen sei wegen Unbilligkeit gemäß § 14 Abs. 2 EUBeitrG abzulehnen, sei entgegen zu halten, dass § 258 AO in Verbindung mit den Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung Umfang und Wirkung des Vollstreckungsverfahrens begrenzten.
51Soweit der Kläger geltend mache, er habe den zu Grunde liegenden griechischen Vollstreckungstitel nicht erhalten, könne er diesen Einwand nur in Griechenland geltend machen. Ihm - dem Beklagten - sei es nicht gestattet, Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit der Entscheidung in Frage zu stellen. Zwar müsse der ersuchende Mitgliedsstaat im Besitz eines rechtsgültigen Titels sein, bevor ein Beitreibungsersuchen gestellt werde. Wie sich aus § 9 Abs. 1 EUBeitrG ergebe, sei diese Voraussetzung vom ersuchten Mitgliedsstaat jedoch als gegeben anzusehen. Sollte der ersuchte Mitgliedsstaat verpflichtet sein zu prüfen, ob ein vollstreckbarer Vollstreckungstitel vorliege, müsse er sich nicht nur mit den nationalen Vorschriften des ersuchenden Mitgliedsstaates auseinandersetzen, sondern würde auch in dessen Souveränität eingreifen. Darüber hinaus würde eine solche Verfahrensweise das Beitreibungsverfahren unterlaufen, das gerade auf das reibungslose Funktionieren des Systems der Amtshilfe gerichtet sei. Dem Rechtsschutzinteresse des Klägers werde dadurch Genüge getan, dass er seine Einwendungen im ersuchenden Mitgliedstaat vorbringen könne und dies im ersuchten Mitgliedstaat grundsätzlich eine Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens bewirke. Die Frage, ob ein Verstoß gegen den Grundsatz des ordre public gegeben sei, könne erst nach Klärung der Rechtslage in Griechenland entschieden werden. Entscheidend für das Verfahren sei die wirksame Bekanntgabe des Vollstreckungstitels. Gegenwärtig stehe die Aussage der griechischen Behörde, dass eine ordnungsgemäße Bekanntgabe erfolgt sei, der Aussage des Klägers gegenüber. Solange diese Frage nicht geklärt sei, könne nicht geprüft werden, ob die Anwendung griechischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den hierin enthaltenen Rechtsvorstellungen signifikant in Widerspruch stehe.
52Entscheidungsründe
53I. Die Klage ist unzulässig.
541. Der Beklagte hat den Einspruch gegen die Zahlungsaufforderungen vom 15.11.2012 zu Recht mit der Einspruchsentscheidung vom 05.06.2013 als unzulässig verworfen, weil es sich nicht um Verwaltungsakte handelt.
55Gemäß § 347 Abs. 1 Satz 1 AO ist gegen die dort genannten Verwaltungsakte als Rechtsbehelf der Einspruch statthaft. Bei einem Verwaltungsakt handelt es sich gemäß § 118 Satz 1 AO um jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die Zahlungsaufforderungen stellen keine Verwaltungsakte in diesem Sinne dar.
56Die Zahlungsaufforderungen enthalten keine eigenständige Regelung, da diese sich auf die Mitteilung der Zahlstelle beschränken, an die der Kläger die ihm durch das Beitreibungsersuchen auferlegte Zahlung zu bewirken hat. Zwar enthalten sie auch die Ankündigung von Vollstreckungsmaßnahmen für den Fall, dass der Kläger den Zahlungsaufforderungen innerhalb der angegebenen Frist nicht nachkommt. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung handelt es sich bei der Ankündigung der Vollstreckung jedoch lediglich um eine aus Gründen der Zweckmäßigkeit nach außen gerichtete Bekanntmachung einer verwaltungsinternen Maßnahme (z. B. BFH-Beschluss vom 30.08.2010 VII B 48/10, BFH/NV 2010, 2235 m.w.N. zur Zahlungsaufforderung aufgrund eines Beitreibungsersuchens).
57Entgegen der Aufforderung des Klägers handelt es sich bei den Zahlungsaufforderungen selbst dann nicht um ein Leistungsgebot im Sinne des § 254 Abs. 1 AO, wenn in Griechenland gegen den Kläger keine gesonderte Zahlungsaufforderung ergangen sein sollte. Die Einleitung der Vollstreckung aufgrund eines Beitreibungsersuchens nach Maßgabe des EUBeitrG setzt kein Leistungsgebot voraus. Zwar erfolgt die Vollstreckung bei einem Beitreibungsersuchen von anderen Mitgliedstaaten nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in § 9 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG nach den Vorschriften der AO. Zu diesen die Vollstreckung betreffenden Vorschriften gehört unter anderem die Vorschrift des § 254 Abs. 1 AO über das Leistungsgebot, wonach die Vollstreckung erst beginnen darf, wenn der Vollstreckungsschuldner zur Leistung aufgefordert worden ist. Nach dem EUBeitrG besteht für ein gesondertes Leistungsgebot im Vollstreckungsstaat jedoch keine Rechtsgrundlage. Damit kann es sich bei den Zahlungsaufforderungen aber auch nicht um Verwaltungsakte handeln.
58Dies folgt nach Auffassung des Senats zum einen aus der Anerkennung des einheitlichen Vollstreckungstitels als alleiniger Grundlage der Vollstreckung und zum anderen aus der fehlenden Möglichkeit, den einheitlichen Vollstreckungstitel im Vollstreckungsstaat anzufechten.
59Wie sich aus § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 EUBeitrG ergibt, werden Forderungen, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht, wie eine inländische Forderung vollstreckt. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der ursprüngliche Vollstreckungstitel durch einen einheitlichen Vollstreckungstitel bestätigt und dieser einheitliche Vollstreckungstitel dem Beitreibungsersuchen beigefügt wurde. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 EUBeitrG wird dieser einheitliche Vollstreckungstitel als vollstreckbarer Verwaltungsakt fingiert. Dieser ist - wie sich aus § 10 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EUBeitrG ergibt - die „alleinige Grundlage“ für die im Vollstreckungsstaat zu ergreifenden Beitreibungsmaßnahmen und muss - wie aus dem nachfolgenden Satz 2 folgt - im Vollstreckungsstaat weder durch einen besonderen Akt anerkannt noch ergänzt oder ersetzt werden. Dies kann nur so verstanden werden, dass im Vollstreckungsstaat kein gesondertes Leistungsgebot erforderlich ist. In Konsequenz dazu fehlt im EUBeitrG eine Vorschrift, die dem zwischenzeitlich außer Kraft getretenen § 4 Abs. 1 EGBeitrG entsprechen würde. Voraussetzung für die Vollstreckung war danach unter anderem, dass die ersuchende Behörde einen in ihrem Staat vollstreckbaren Titel in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie vorlegt. Eine Vollstreckung sollte deshalb nach damaliger Rechtslage nur statthaft sein, wenn der zu vollstreckende Vollstreckungstitel ordnungsgemäß bekannt gegeben war (FG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 08.01.2008 3 V 3260/07, Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 502). Die Gesetzeshistorie verdeutlicht, dass nunmehr der einheitliche Vollstreckungstitel an die Stelle des - regelmäßig mit einer Zahlungsaufforderung versehenen - vollstreckbaren Titels tritt. Dass der einheitliche Vollstreckungstitel dem Schuldner gesondert zuzustellen ist, ist im EUBeitrG nicht vorgesehen. Eine solche Zustellung braucht weder vom Ursprungsstaat nachgewiesen zu werden, noch handelt es sich um eine Verfahrensvoraussetzung, die vom Vollstreckungsstaat wahrzunehmen wäre. Damit besteht auch für ein gesondertes Leistungsgebot im Vollstreckungsstaat keine Rechtsgrundlage.
60Wie sich aus § 13 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG ergibt, dürfen im Vollstreckungsstaat weder die Forderung, der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder dessen Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel in der Sache selbst nachgeprüft werden. Die Überprüfung erfolgt durch den Ursprungsstaat und richtet sich sowohl nach dessen Verfahrensrecht als auch nach dessen materiellem Recht. Dementsprechend enthält § 13 Abs. 2 Satz 2 EUBeitrG nur die Möglichkeit, die Vollstreckung für den Zeitraum auszusetzen, in dem der Schuldner im Ursprungsstaat gegen den Vollstreckungstitel als solchen oder dessen Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel vorgeht. Ob der Sachentscheidung im Ursprungsstaat ein Verfahrensverstoß zu Grunde liegt, weil beispielsweise der ursprüngliche Vollstreckungstitel - wie im Streitfall vom Kläger behauptet - nicht zugestellt wurde, darf im Vollstreckungsstaat nicht geprüft werden. Solange die Bestätigung des ursprünglichen Vollstreckungstitels als einheitlicher Vollstreckungstitel durch den Ursprungsstaat nicht aufgehoben wurde, ist die Vollstreckung durchzuführen. Es kann daher vorkommen, dass der Schuldner - wie möglicherweise im Streitfall der Kläger - erst im Zuge der Vollstreckung von der Existenz des ursprünglichen Vollstreckungstitels informiert wird. Dies hat der Gesetzgeber offenbar im Vertrauen auf die Rechtsstaatlichkeit der Verwaltung und die ordnungsgemäße Rechtspflege in den Mitgliedstaaten in Kauf genommen. Dieses Vertrauen beinhaltet, dass nur das Gericht des Ursprungsstaates beurteilen darf, ob die Voraussetzungen für die Bestätigung des Vollstreckungstitels als einheitlicher Vollstreckungstitel vorliegen.
61Der Senat sieht sich damit auf einer Linie mit der Rechtsprechung des BFH, wonach ein Leistungsbescheid als Vollstreckungsvoraussetzung entbehrlich ist, wenn die zu vollstreckende Forderung durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wurde; es reicht aus, dass der Schuldner mit "Zahlungsmitteilung" formlos erneut zur Zahlung aufgefordert werde (z. B. BFH-Beschlüsse vom 30.09.2002 VII S 16/02 (PKH), BFH/NV 2003, 142; vom 10.07.2007 VII S 25/07 (PKH), BFH/NV 2007, 2240). Die Rechtslage ist durchaus vergleichbar. Wie sich aus den Gründen des Beschlusses in BFH/NV 2003, 142 ergibt, sah sich der BFH zu der Annahme, dass in einem solchen Fall ein Leistungsgebot entbehrlich ist, deshalb veranlasst, weil ursprünglich ein Leistungsbescheid vorgelegen haben muss. Dies trifft auch für den Streitfall zu. Denn für Beitreibungsersuchen der deutschen Finanzverwaltung in andere Mitgliedstaaten ordnet § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EUBeitrG an, dass die Voraussetzungen der Vollstreckung gegeben sein müssen. Grund dafür ist, dass der einheitliche Vollstreckungstitel - wie durch § 10 Abs. 3 Satz 2 EUBeitrG klar gestellt wird - im Vollstreckungsstaat nicht durch einen besonderen Akt ergänzt werden muss. Das bedeutet für Beitreibungsersuchen der deutschen Finanzverwaltung in andere Mitgliedstaaten, dass der Schuldner vor dem Beitreibungsersuchen durch ein gesondertes Leistungsgebot zur Zahlung aufgefordert worden sein muss. Denn sonst wären die Vollstreckungsvoraussetzungen nach der AO nicht erfüllt. In umgekehrter Richtung - also bei Beitreibungsersuchen von anderen Mitgliedstaaten - ist durch den Vollstreckungsstaat dann die Annahme gerechtfertigt, dass im Ursprungsstaat die Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt sind und - soweit überhaupt erforderlich - ein Leistungsgebot erfolgt ist. Damit handelt es sich bei dem Leistungsgebot nicht um eine Vollstreckungsvoraussetzung, die vom Vollstreckungsstaat zu erfüllen wäre. Wie sich weiter aus den Gründen des Beschlusses in BFH/NV 2003, 142 ergibt, sah sich der BFH zu der Annahme, dass ein Leistungsgebot (im Falle eines rechtskräftigen Urteils) entbehrlich ist, auch deshalb veranlasst, weil ansonsten eine neue Anfechtungsmöglichkeit eröffnet werde. Diese Erwägung gilt auch im Streitfall. Denn aus § 13 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG ergibt sich, dass weder die Forderung noch der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder dessen Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel im Vollstreckungsstaat überprüft werden dürfen. § 13 Abs. 2 Satz 2 EUBeitrG sieht in den Fällen der Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die Forderung, den ursprünglichen Vollstreckungstitel und den einheitlichen Vollstreckungstitel im Ursprungsstaat eine Aussetzung der Vollstreckung vor, dies aber nur solange, wie nicht über den Rechtsbehelf entschieden ist.
62Dass der einheitliche Vollstreckungstitel alleinige Grundlage der Vollstreckung ist und im Vollstreckungsstaat nicht durch ein gesondertes Leistungsgebot ergänzt werden muss, entspricht auch dem ausdrücklichen Willen des Richtliniengebers.
63Dies ergibt sich ganz allgemein schon aus dem Erwägungsgrund 8 der EU-Beitreibungsrichtlinie, wonach mit der Schaffung eines einheitlichen Vollstreckungstitels die Probleme der Anerkennung von Rechtstiteln eines anderen Mitgliedstaates ausgeräumt werden sollen, insbesondere aber aus Art. 12 Abs. 1 EU-Beitreibungsrichtlinie. Darin heißt es in Unterabs. 1, dass jedem Beitreibungsersuchen ein einheitlicher Vollstreckungstitel beizufügen ist, der zur Vollstreckung im ersuchten Staat ermächtigt. Dies kommt in dem Unterabs. 2 noch deutlicher zum Ausdruck, da in dessen Satz 1 der einheitliche Vollstreckungstitel als alleinige Grundlage für die im ersuchten Mitgliedsstaat zu ergreifenden Beitreibungs- und Sicherungsmaßnahmen festgelegt wird und in dessen Satz 2 ausdrücklich hervorgehoben wird, dass der einheitliche Vollstreckungstitel im ersuchten Mitgliedstaat weder durch einen besonderen Akt anerkannt, noch ergänzt oder ersetzt werden muss. Art. 8 Abs. 1 der früheren Richtlinie 2008/55/EG (ABl. L 150 vom 10.06.2008) sah dagegen noch vor, dass der Vollstreckungstitel gegebenenfalls nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz hat, als solcher bestätigt und anerkannt oder durch einen Titel ergänzt oder ersetzt werden konnte, der die Vollstreckung im Hoheitsgebiets dieses Mitgliedstaates ermöglicht. Die in dem Erwägungsgrund 4 der EU-Beitreibungsrichtlinie enthaltene Äußerung, dass es bedeutender Anpassungen bedarf, damit die Amtshilfe effizienter und effektiver sowie leichter anwendbar wird, wobei eine reine Änderung der geltenden Richtlinie 2008/55/EG nicht ausreicht, und dass die genannte Richtlinie deshalb aufgehoben und durch ein neues Rechtsinstrument mit - soweit erforderlich - klareren und präziseren Regeln ersetzt werden sollte,lässt keine Zweifel an der Absicht des Richtliniengebers an einer grundsätzlichen Neuregelung aufkommen.
64Dass die Aufgabe jeder Kontrolle der Sachentscheidung oder der Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel im Vollstreckungsstaat Kernpunkt der Richtlinie ist, kommt insbesondere im Erwägungsgrund 12 zum Ausdruck. Darin heißt es „Im Verlauf des Beitreibungsverfahrens könnte die betroffene Person im ersuchten Mitgliedstaat die Forderung, die Zustellung seitens der Behörden des ersuchenden Mitgliedstaats oder den Vollstreckungstitel anfechten. Es sollte vorgesehen werden, dass in solchen Fällen der betreffende Rechtsbehelf bei der zuständigen Instanz des ersuchenden Mitgliedstaats eingelegt werden sollte und die ersuchte Behörde das von ihr eingeleitete Beitreibungsverfahren aussetzen sollte, bis die zuständige Instanz des ersuchenden Mitgliedstaats eine Entscheidung getroffen hat, es sei denn, die ersuchende Behörde wünscht ein anderes Vorgehen.“ Auch aus Art. 17 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1189/2011 der Kommission vom 18.11.2011 (ABl. L 302 vom 19.11.2011) ergibt sich nicht, dass Zustellungen im ersuchen Mitgliedsstaat zu prüfen sind.
65Im Übrigen spricht im Streitfall gegen die Annahme einer bindenden Regelung auch das äußere Erscheinungsbild der Zahlungsaufforderungen. Der Beklagte hat diese selbst nicht als Bescheid bezeichnet. Die Schreiben sind im Stil eines persönlichen Anschreibens gehalten. Hinzu kommt, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung fehlt. Dies allein schließt zwar die Annahme eines Verwaltungsakts grundsätzlich nicht aus, verstärkt jedoch aus Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers den Eindruck, dass es sich bei den Schreiben nicht um Leistungsgebote handelt, sondern ausschließlich um ein Schreiben mit informatorischem Charakter.
662. Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist ebenfalls unzulässig.
67Nach § 41 Abs. 1 FGO kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Die Feststellung kann nach § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.
68a) Bei der von dem Kläger begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zahlungsaufforderungen handelt es sich nicht um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 41 Abs. 1 FGO.
69Unter einem Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift wird die aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm sich ergebende rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen oder zu einer Sache verstanden; auch einzelne rechtliche Folgen einer solchen Rechtsbeziehung können Gegenstand der Feststellungsklage sein. Aus dem Erfordernis der Konkretheit ergibt sich, dass ein Sachverhalt, der erst in Zukunft Rechtsbeziehungen hervorrufen kann, ein positiv oder negativ feststellungsfähiges Rechtsverhältnis nicht begründen kann (z. B. BFH-Urteil vom 08.04.1981 II R 47/79, BStBl II 1981, 581). Daraus folgt, dass das Feststellungsbegehren, ein bestimmtes Rechtsverhältnis bestehe nicht, nicht auf Rechtsfolgen, die erst in Zukunft eintreten könnten, gestützt werden kann. Das Feststellungsbegehren muss grundsätzlich ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis betreffen. Dies ist dann der Fall, wenn die aus ihm folgenden rechtlichen Beziehungen im Zeitpunkt der Entscheidung über die Feststellungsklage schon oder noch bestehen (z. B. FG München Urteil vom 16.01.2008 14 K 3840/07, juris).
70Zwischen dem Kläger und dem Beklagten bestehen keine solchen gegenwärtigen Rechtsbeziehungen. Denn der Kläger ist derzeit keiner Vollstreckung durch den Beklagten ausgesetzt. Der Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung verpflichtet, mit Vollstreckungsmaßnahmen nicht zu beginnen bevor nicht die Mitteilung aus Griechenland eingegangen ist, dass die Klageverfahren einschließlich der persönlichen Verfahren des Klägers wegen der in Griechenland vollstreckbaren Forderungen abgeschlossen sind und die Forderungen ganz oder teilweise bestehen bleiben. Diese Verfahrensweise des Beklagten entspricht § 13 Abs. 2 Satz 2 EUBeitrG, da der Kläger in Griechenland gegen die Forderungen vorgeht und diesem Mitgliedstaat die Überprüfung vorbehalten ist. Nach dem Vortrag des Klägers liegt in seiner Sache noch keine die Rechtslage feststellende Entscheidung durch das griechische Gericht vor, so dass derzeit nicht absehbar ist, ob überhaupt und - wenn ja - wann das Beitreibungsverfahren fortgesetzt wird. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass trotz der Aussetzung des Beitreibungsverfahrens noch eine Unsicherheit besteht. Allein die abstrakte Gefahr, dass entgegen der ausdrücklichen Erklärung des Beklagten dieser den Kläger in Anspruch nehmen könnte, reicht dazu nicht aus.
71b) Soweit der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit der einheitlichen Vollstreckungstitel begehrt, ist schon der Finanzrechtsweg nicht eröffnet.
72Die Frage der Rechtswidrigkeit der einheitlichen Vollstreckungstitel fällt nicht in die Zuständigkeit der Finanzgerichte. Der Gesetzgeber hat mit dem EUBeitrG ein spezialgesetzlich abschließendes System für die Beitreibung ausländischer Steuern geschaffen. Dem Vollstreckungsstaat wird in § 13 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG jegliche Nachprüfung des einheitlichen Vollstreckungstitels untersagt. Der Rechtsschutzanspruch des Klägers wird damit allein durch die Möglichkeit der Anfechtung der einheitlichen Vollstreckungstitel in Griechenland erfüllt. Dies gilt auch, soweit der Kläger die Zinsforderungen als nicht nachvollziehbar beanstandet. Es wäre auch nicht sachgerecht, die Frage, ob die einheitlichen Vollstreckungstitel eine wirksame Vollstreckungsgrundlage darstellen, losgelöst von der Frage der Rechtmäßigkeit der eigentlichen Haftungsinanspruchnahme zu klären, wenngleich der Senat den Wunsch des Klägers, bereits heute Klarheit über die Rechtslage zu erzielen, ohne Weiteres nachvollziehen kann. Sollte der Kläger - aus welchen Gründen auch immer - mit seiner Klage in Griechenland Erfolg haben, erübrigt sich eine Feststellung im von ihm beantragten Sinne. Es ist deshalb nicht zu erkennen, warum der Kläger gegenwärtig an der Feststellung ein berechtigtes Interesse haben könnte.
73c) Der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Einspruchsentscheidung gerichtete Hilfsantrag ist wegen der in § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO angeordneten Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber einer Anfechtungsklage unzulässig. Der Kläger hat die Einspruchsentscheidung angefochten. Im diesem Rahmen war zu klären, ob die Einsprüche gegen die Zahlungsaufforderungen zulässig waren und ob der Beklagte berechtigt war, die Einsprüche als unzulässig zu verwerfen.
74d) Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist auch unzulässig, soweit es um Feststellung der Rechtswidrigkeit (künftiger) Vollstreckungsmaßnahmen geht.
75Für eine solche vorbeugende Feststellungsklage zur Klärung von Vollstreckungsvoraussetzungen ist nach der Rechtsprechung des BFH nur dann Raum, wenn das Gebot effektiven Rechtsschutzes eine gerichtliche Klärung der Vollstreckungsvoraussetzungen im Vorhinein erfordert, weil die zu erwartenden Vollstreckungsmaßnahmen über die reine Geldleistung hinausgehende einschneidende Beeinträchtigungen mit sich brächten, vor welchen eine Aussetzung der Vollziehung der Vollstreckungsmaßnahmen nicht schützen könnte (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.2012 VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739). Diese Ausnahme ist im Streitfall nicht gegeben.
76Der Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung nochmals verpflichtet, bis zu den Entscheidungen in Griechenland aus dem Beitreibungsersuchen gegen den Kläger nicht vorzugehen. Unter diesen Umständen ist das Interesse des Klägers an einer gerichtlichen Klärung, ob eine Vollstreckung nach dem Maßstab deutscher Rechtsgrundsätze rechtswidrig ist, nicht gegeben. Vorbeugender Rechtsschutz durch eine Feststellungsklage kann nur beansprucht werden, wenn dem Betroffenen Rechtsnachteile drohen, die mit einer späteren Aussetzung der Vollziehung der Vollstreckungsmaßnahmen nicht ausgeräumt werden können. Solche Befürchtungen sind nicht gerechtfertigt, solange der Beklagte ausdrücklich erklärt, keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger zu ergreifen. Es fehlt dann an den besonderen Gründen, die es bereits jetzt rechtfertigen würden, den begehrten Rechtsschutz zuzulassen.
77Hinsichtlich der mit Schriftsatz vom 28.09.2015 begehrten Verpflichtung des Beklagten, weitere Vollstreckungsmaßnahmen zu unterlassen, ist die Klage ebenfalls unzulässig. Dabei geht der Senat zu Gunsten des Klägers davon aus, dass es sich lediglich um eine Klarstellung der (hilfsweise) von Anfang an begehrten Feststellung handelt, dass (künftige) Vollstreckungsmaßnahmen unzulässig sind. Denn eine - wie hier - unzulässige Klage kann nicht im Wege der Klageänderung gemäß § 67 FGO in eine zulässige Klage umgewandelt werden. Eine vorbeugende Unterlassungsklage ist ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn vom Kläger substantiiert und in sich schlüssig dargelegt wird, dass er durch ein bestimmtes, künftig zu erwartendes Handeln einer Behörde in seinen Rechten verletzt werde, und dass ein Abwarten der tatsächlichen Rechtsverletzung für ihn unzumutbar sei, weil die Rechtsverletzung nicht oder nur schwerlich wieder gut zu machen wäre (z. B. BFH-Urteil vom 11.12.2012 VII R 69/11, a.a.O.). Dies ist hier - wie eben dargelegt - nicht der Fall.
78e) Die Feststellungsklage hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg.
79Insbesondere stünden Ablehnungsgründe nach Maßgabe des EUBeitrG einer Amtshilfe nicht entgegen.
80Dies gilt zum einen für den Ablehnungsgrund der Unbilligkeit der Vollstreckung. Nach § 14 Abs. 1 EUBeitrG wird Amtshilfe nicht geleistet, wenn die Vollstreckung unbillig wäre. In Art. 18 Abs. 1 EU-Beitreibungsrichtlinie wird insoweit auf das nationale Recht verwiesen. Dort ist ausgeführt, dass die ersuchte Behörde nicht verpflichtet ist Amtshilfe zu leisten, falls die Beitreibung aus Gründen, die auf die Verhältnisse des Schuldners zurückzuführen sind, erhebliche wirtschaftliche oder soziale Schwierigkeiten bewirken könnte, sofern die in diesem Mitgliedstaat geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine solche Ausnahme für nationale Forderungen zulassen. Maßgebend ist insoweit also das nationale Recht des Vollstreckungsstaates, hier also Deutschlands. Das deutsche Recht hat insoweit in § 258 AO eine Regelung getroffen, um Härtefällen durch eine Billigkeitsmaßnahme gerecht werden zu können. Die Vorschrift sieht vor, dass, soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist, die Vollstreckungsbehörde sie einstweilen einstellt oder beschränkt oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufhebt. Als Billigkeitsmaßnahme lässt sie sich aber nur in einem gesonderten Verwaltungsverfahren mittels Verpflichtungsklage durchsetzen (vgl. BFH-Beschluss vom 28.04.2010 I R 81/09, BStBl II 2014, 954 m.w.N.). Damit ist eine Feststellungsklage ausgeschlossen.
81Zum anderen stünde auch der Ablehnungsgrund der Verjährung der Amtshilfe nicht entgegen. Da die Forderungen nach den Angaben in den einheitlichen Vollstreckungstiteln erst im Jahr 2008 festgesetzt wurden, waren weder die fünfjährige Verjährungsfrist des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EUBeitrG noch die zehnjährige Verjährungsfrist des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EUBeitrG verstrichen. Dass es um Steuern weiter zurückliegender Jahre geht, ist unerheblich. Die Verfahrensdauer hat keine Auswirkungen auf den Steueranspruch, insbesondere führt sie für sich genommen nicht zu dessen Verwirkung (vgl. BFH-Beschluss vom 28.08.2012 IV B 14/12, BFH/NV 2013, 12 m.w.N.).
82Auch soweit der Kläger geltend macht, dass die Forderungen ungeachtet des Verfahrensausgangs in Griechenland wegen Verstoßes gegen den deutschen ordre public ohnehin nicht anerkennungsfähig seien, würde sein Einwand nicht greifen. Der Senat ist der Auffassung, dass ein Verstoß gegen den ordre public des Vollstreckungsstaates nach der Neuregelung der Amtshilfe durch das EUBeitrG durch die Gerichte dieses Staates nicht mehr geprüft werden darf (ablehnend für den Europäischen Vollstreckungstitel im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 21.04.2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen - EuVTVO - ABl. L 143/15 Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.04.2014 VII ZB 28/13, Neue Juristische Wochenschrift 2014, 2363; siehe auch Beschluss des Obersten Gerichtshofs Wien vom 22.02.2007 3 Ob 253/06m, Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts 2008, 440). Dies folgt nach Auffassung des Senats daraus, dass der einheitliche Vollstreckungstitel - wie sich aus § 10 Abs. 3 Satz 1 EUBeitrG ergibt - die alleinige Grundlage für die Vollstreckung ist und in § 13 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG jegliche Überprüfung des einheitlichen Vollstreckungstitels durch den Vollstreckungsstaat untersagt ist. Daraus ergibt sich nach Auffassung des Senats, dass auch ein Verstoß gegen den ordre public des Vollstreckungsstaats in diesem nicht überprüft werden kann. Der Senat sieht sich in seiner Auffassung dadurch bestätigt, dass die (wenigen) Gründe für eine dauerhafte Ablehnung eines Beitreibungsersuchens in § 14 Abs. 1 und Abs. 2 EUBeitrG abschließend geregelt sind. Etwaige Fehlentscheidungen hat der Gesetzgeber offenbarim Vertrauen auf die Rechtspflege der Mitgliedsstaaten in Kauf genommen. Soweit der BFH die Prüfung eines Verstoßes gegen den ordre-public bei der Vollstreckung ausländischer Steuerforderung für zulässig gehalten hat (z. B. Urteil vom 03.11.2010 VII R 21/10, BStBl II 2011, 401), lag der Entscheidung eine andere Rechtslage, nämlich die des zwischenzeitlich außer Kraft getretenen EGBeitrG, das hier nicht anwendbar ist (siehe unter II.), zu Grunde.
83Schließlich wurden die einheitlichen Vollstreckungstitel auch in deutscher Sprache bekanntgegeben. Daran ändert die Textpassage in griechischer Sprache unter „Sonstige Informationen“ nichts. Denn aus den einleitenden Worten „Der Schuldner war Geschäftsführer des Hauptschuldner: Unternehmen …“ ergibt sich auch für denjenigen, der der griechischen Sprache nicht mächtig ist, dass danach der Name des Unternehmens in der Landessprache folgt.
84II. Da die Klage unzulässig ist, brauchte den Beweisangeboten des Klägers, die allesamt die Frage der Rechtmäßigkeit des Beitreibungsersuchens und mithin die Begründetheit der Klage betreffen, nicht nachgegangen zu werden.
85Dies gilt auch für den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung geäußerten Einwand, das am 01.01.2012 in Kraft getretene EUBeitrG sei gar nicht anwendbar, weil die griechischen Behörden die Möglichkeit gehabt hätten, die Forderungen bereits vorher ‑ nach Maßgabe des am 31.12.2011 außer Kraft getretenen EGBeitrG - zu vollstrecken. Im Übrigen ist das Beitreibungsersuchen auf der Grundlage der Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16.03.2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen gestellt worden. Damit ist das EUBeitrG maßgeblich, das auf dieser Richtlinie beruht. Aus den in § 14 Abs. 2 EUBeitrG geregelten Ablehnungsgründen für Forderungen, die älter als fünf bzw. zehn Jahre sind, ergibt sich, dass das EUBeitrG auch für ältere Forderungen Geltung beanspruchen kann.
86III. Die Sache war entscheidungsreif. Eine Vertagung der mündlichen Verhandlung kam nicht in Betracht.
87Ein zur mündlichen Verhandlung bestimmter Termin kann nur aus erheblichen Gründen aufgehoben oder vertagt werden (§ 155 FGO i.V.m. § 227 ZPO). Im Streitfall kann ein erheblicher Grund, die mündliche Verhandlung zu vertagen, nicht darin gesehen werden, dass zwischenzeitlich in Griechenland über Verfahren der B S.A. entschieden worden ist. Eine Vertagung scheidet schon deshalb aus, weil die Klage unzulässig ist und diese Entscheidung durch die in Griechenland ergangenen Urteile gegen die B S.A. nicht beeinflusst werden kann.
88Vollstreckungsmaßnahmen des Beklagten in dieser Angelegenheit sind trotz der in Griechenland ergangenen Urteile derzeit weiterhin nicht zu erwarten. Der Beklagte hatte bereits erklärt, dass derzeit keine Gefahr einer Vollstreckung besteht. Er hat auch keine Vollstreckungsaktivitäten gegen den Kläger unternommen. In der mündlichen Verhandlung hat er sich verpflichtet, mit Vollstreckungsmaßnahmen nicht zu beginnen bevor nicht die Mitteilung aus Griechenland eingegangen ist, dass die Klageverfahren einschließlich der persönlichen Verfahren des Klägers wegen der in Griechenland vollstreckbaren Forderungen abgeschlossen sind und die Forderungen ganz oder teilweise bestehen bleiben. Dass die in Griechenland ergangenen Urteile gegen die B S.A. irgendeinen rechtlichen Einfluss auf das vorliegende Klageverfahren haben könnten, ist nicht erkennbar.
89Abgesehen davon war eine Vertagung mit dem Ziel, weiteren Sachvortrag zu den Gerichtsentscheidungen in Griechenland zu ermöglichen, auch deswegen abzulehnen, weil der Kläger es an der erforderlichen Vorbereitung hat fehlen lassen. Die mangelnde Vorbereitung einer Partei ist kein Vertagungsgrund, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt (§ 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO). Der Hinweis des Klägers, ihm seien am 18.09.2015 neue Erkenntnisse zugegangen, beinhaltet keine Darlegung eines fehlenden Verschuldens. Der Kläger hat nicht dargelegt, wann die Gerichtsurteile ergangen sind. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, was er bis zur mündlichen Verhandlung zur Klärung dieses Sachverhalts unternommen hat. Daher war der Senat nicht in der Lage zu beurteilen, ob der Kläger sich insoweit ausreichend auf die mündliche Verhandlung vorbereitet hat. Wie die E-Mail vom 18.09.2015 zeigt, muss zwischen dem Kläger und dem Vertreter der A AG irgendein Kontakt bestanden haben. Daher hätte der Kläger Gelegenheit gehabt, rechtzeitig von der mündlichen Verhandlung mit dem Vertreter der B S.A. bzw. der A AG Kontakt aufzunehmen, um sich über den Stand der Verfahren zu informieren. Die Entscheidung über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens ist jedenfalls bereits im Jahr 2013 ergangen war, so dass der Kläger ausreichend Zeit gehabt hätte, hierzu im Rahmen des Klageverfahrens Stellung zu nehmen.
90IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revisionszulassung beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Tatbestand
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I. Der in Deutschland wohnhafte Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) war Geschäftsführer einer spanischen GmbH. Wegen rückständiger Körperschaftsteuer dieser GmbH zur Rechnungsnummer ...1465 nahm die spanische Finanzverwaltung den Antragsteller in Haftung. Gegen den ihm zugestellten Haftungsbescheid legte der Antragsteller Steuerbeschwerde ein. Das Klageverfahren vor dem spanischen Finanzgericht ist noch nicht abgeschlossen. Zwischenzeitlich erließ das spanische Finanzamt über den Steuerbetrag nebst Säumniszuschlägen (126 511,03 €) eine Vollstreckungsanordnung, die dem Rechtsanwalt des Antragstellers zugestellt wurde.
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Mit e-mail über das CCN/CSI-Netz übersandte die Staatsbehörde für Steuerverwaltung in Madrid an das Bundeszentralamt für Steuern ein Beitreibungsersuchen. Der e-mail waren zwei Dateien angefügt, im pdf-Format die Vollstreckungsanordnung mit der Bezeichnung "Enforcement Instrument for Income Tax (period 2000) Reg. no. A-...1465" und im Word-Format das ausgefüllte Pendelformular "Ersuchen um Beitreibung gemäß Artikel 6 der Richtlinie 2008/55/EG", die beizutreibende Forderung war mit 135 063,52 € (126 511,03 € nebst bis zum Datum des Ersuchens aufgelaufenen Zinsen) angegeben. Diese e-mail wurde an den Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt --FA--) weitergeleitet. Daraufhin übersandte das FA am 27. Juli 2009 eine Zahlungsaufforderung vom 24. Juli 2009 an den Antragsteller mit dem Inhalt, der Antragsteller schulde der "spanischen Steuerbehörde" "Einkommensteuer 2000" 126 511,03 € und "Nebenleistungen" 8 552,49 € und dem Hinweis, dass im Falle der Nichtzahlung Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet würden. Dagegen erhob der Antragsteller u.a. wegen nicht ausreichender Konkretisierung des zu vollstreckenden Bescheids und des Beitreibungsersuchens Einspruch und beantragte Aussetzung der Vollziehung.
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Gleichzeitig mit der Übersendung der Abschrift einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung, mit der das FA bei sich selbst als Drittschuldner alle gegenwärtigen und zukünftigen Steuererstattungsansprüche des Antragstellers aus den Veranlagungsjahren 2001 und 2002 (63 918,54 €) wegen dessen Schuld gegenüber der spanischen Steuerbehörde pfändete und dessen Einziehung anordnete, konkretisierte das FA die Zahlungsaufforderung. Als Rechtsgrundlage bezeichnete es § 117 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 114 AO i.V.m. § 254 AO und teilte die Angaben aus dem Beitreibungsersuchen mit, u.a. den Namen der spanischen Steuerbehörde und die Steuernummer. Zugleich lehnte es eine Aussetzung der Vollziehung ab. Über den Einspruch ist bisher nicht entschieden worden.
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Das Finanzgericht (FG) gab dem Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung der Zahlungsaufforderung im Wesentlichen statt (abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2010, 848). Es entschied, die Vollziehung des Leistungsgebots durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung werde gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 63 918,54 € aufgehoben, die weitere Vollziehung werde gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 71 144,98 € ausgesetzt. Es wertete die Zahlungsaufforderung als grundsätzlich zulässiges und im Streitfall durch die ergänzenden Angaben des FA auch hinreichend konkretisiertes Leistungsgebot. Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit ergäben sich allein daraus, dass der per e-mail im sog. pdf-Format übersandte vollstreckbare Titel möglicherweise nicht --wie in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie vom 3. Mai 2003 (BGBl I 2003, 654) vorgeschrieben-- in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie vorliege. Eine per e-mail übersandte Datei entspreche nicht dem deutschen Sprachgebrauch von "in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie". Eine der Papierform rechtlich gleichwertige Datei als Vollstreckungstitel könnte sich nur aus Art. 21 Abs. 1 der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 1179/2008 der Kommission vom 28. November 2008 zur Festsetzung der Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Artikeln der Richtlinie 2008/55/EG über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit bestimmten Abgaben, Zöllen, Steuern und sonstigen Maßnahmen (DurchführungsVO n.F.) ergeben, der vorschreibe, dass Vollstreckungstitel elektronisch zu übermitteln und elektronisch übermittelte Dokumente oder deren Ausdrucke ebenso rechtsverbindlich seien wie postalisch übermittelte Dokumente. Es bestünden jedoch Zweifel an der Gültigkeit der Regelung. Es erscheine fraglich, ob es sich noch als "Durchführung" der Richtlinie des Rates darstelle, obwohl der Rat auch in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/55/EG vom 26. Mai 2008 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen (BeitreibungsRL n.F.) dabei geblieben sei, dass "eine amtliche Ausfertigung oder eine beglaubigte Kopie" des Vollstreckungstitels dem Beitreibungsersuchen "beizufügen" sei und auch die Europäische Kommission dies in Art. 12 Abs. 2 DurchführungsVO n.F. wiederhole.
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Gegen die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung hat das FA die vom FG zugelassene Beschwerde eingelegt.
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Es beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und --sinngemäß-- die Anträge auf Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.
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Das FA sieht in der Regelung des § 21 Abs. 1 DurchführungsVO n.F. eine ausreichende Rechtsgrundlage für eine wirksame Beifügung des Vollstreckungstitels per e-mail im Sinne der BeitreibungsRL.
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Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde des FA ist begründet.
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Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann die Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung durch das Gericht erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es fehlt bereits an einem der Aussetzung fähigen Verwaltungsakt.
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Die Zahlungsaufforderung, deren Aussetzung der Antragsteller ausdrücklich mit seinem Antrag begehrt, enthält keine eigenständige, den Empfänger belastende Regelung. Sie beschränkt sich vielmehr auf die Mitteilung der Zahlstelle, an die der Antragsteller die ihm --mit dem ihm bekanntgegebenen Haftungsbescheid der spanischen Finanzbehörde-- aufgegebene Zahlung zu bewirken hat und enthält die Ankündigung von Vollstreckungsmaßnahmen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs handelt es sich bei der Ankündigung der Vollstreckung um eine lediglich aus Gründen der Zweckmäßigkeit nach außen gerichtete Bekanntmachung einer verwaltungsinternen Maßnahme (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. August 2000 VII B 46/00, BFH/NV 2001, 149; vom 13. Februar 1997 VII S 35/96, BFH/NV 1997, 462; vom 14. Juni 1988 VII B 15/88, BFH/NV 1989, 75).
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Entgegen der Auffassung des FG handelt es sich nicht um ein Leistungsgebot i.S. des § 254 Abs. 1 AO. Dieses war vielmehr --wie das FG selbst festgestellt hat-- bereits mit dem spanischen Haftungsbescheid verbunden, und obendrein war dem Antragsteller von der spanischen Finanzbehörde bereits eine Vollstreckungsanordnung zugestellt worden. Danach war die Vollstreckung in Deutschland unmittelbar möglich (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 19. Juni 1986 IV 222-223/84 N, EFG 1986, 608).
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Ein Fall des Art. 8 Abs. 2 BeitreibungsRL, wonach der Vollstreckungstitel gegebenenfalls nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz hat, als solcher bestätigt und anerkannt oder durch einen Titel ergänzt oder ersetzt werden kann, der die Vollstreckung im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ermöglicht, liegt danach nicht vor. Aber selbst wenn in der Zahlungsaufforderung eine Wiederholung des Leistungsgebots mit neuer Zahlstelle und Zahlungsfrist gesehen werden könnte, würde eine solche wiederholende Verfügung keine erneute Anfechtungsmöglichkeit eröffnen. Denn von der Zahlungsaufforderung geht --wie schon das FG ausgeführt hat-- keine weitergehende Belastung aus als von dem mit dem Haftungsbescheid verbundenen Leistungsgebot (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Februar 2008 VII B 156/07, BFH/NV 2008, 967).
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Auf die vom FG für grundsätzlich klärungsbedürftig erachteten Fragen kommt es nach alledem im Streitfall nicht an.
(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).
(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.
(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.
Ist der Schuldner eine natürliche Person, so wird er nach Maßgabe der §§ 287 bis 303a von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit.
(1) Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben.
(2) Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung oder aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, werden durch die Restschuldbefreiung nicht berührt. Der Schuldner wird jedoch gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber den Insolvenzgläubigern.
(3) Wird ein Gläubiger befriedigt, obwohl er auf Grund der Restschuldbefreiung keine Befriedigung zu beanspruchen hat, so begründet dies keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten.
(4) Ein allein aufgrund der Insolvenz des Schuldners erlassenes Verbot, eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen oder auszuüben, tritt mit Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung außer Kraft. Satz 1 gilt nicht für die Versagung und die Aufhebung einer Zulassung zu einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit.
(1) Das Insolvenzgericht entscheidet nach dem regulären Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Der Beschluss ergeht nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters oder Treuhänders und des Schuldners. Eine nach Satz 1 erteilte Restschuldbefreiung gilt als mit Ablauf der Abtretungsfrist erteilt.
(2) Wurden im Insolvenzverfahren keine Forderungen angemeldet oder sind die Insolvenzforderungen befriedigt worden und hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt, so entscheidet das Gericht auf Antrag des Schuldners schon vor Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 ist vom Schuldner glaubhaft zu machen. Wird die Restschuldbefreiung nach Satz 1 erteilt, so gelten die §§ 299 und 300a entsprechend.
(3) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn die Voraussetzungen des § 290 Absatz 1, des § 296 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 3, des § 297 oder des § 297a vorliegen, oder auf Antrag des Treuhänders, wenn die Voraussetzungen des § 298 vorliegen.
(4) Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen. Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der bei der Anhörung nach Absatz 1 oder Absatz 2 die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt oder der das Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer vorzeitigen Restschuldbefreiung nach Absatz 2 geltend gemacht hat, die sofortige Beschwerde zu.
Tenor
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Der Beschluss des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. August 2015 3 V 65/15 wird aufgehoben und der Antrag abgelehnt.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ist seit 1991 als Steuerberater in B tätig. Er hat aus den Jahren 1991 bis 2000 Steuerschulden gegenüber dem Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt B --FA--). Diese belaufen sich laut Abrechnungsbescheid vom 13. April 2015 auf 1.172.972,25 €. Über den Einspruch des Antragstellers gegen den Abrechnungsbescheid und den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung dieses Abrechnungsbescheids hat das FA nach Aktenlage noch nicht entschieden. Die Vollstreckung gegenüber dem Antragsteller verlief bislang erfolglos.
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Am 8. Juli 2009 richtete das FA einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens an das Insolvenzgericht A, den dieses mit Beschluss vom 12. August 2009 als unzulässig zurückwies.
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Am 10. September 2009 stellte das FA einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers beim Amtsgericht (AG) B. Dagegen erhob der Antragsteller Klage beim Finanzgericht (FG) und beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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Kurze Zeit bevor das FA den Insolvenzantrag zunächst in A und sodann in B gestellt hatte, wurde ihm bekannt, dass auf Antrag des Antragstellers bereits am 11. August 2008 vor dem High Court of Justice in London ein Insolvenzhauptverfahren (so genanntes Bankruptcy-Verfahren) nach Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 (VO Nr. 1346/2000) des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- Nr. L 160/1) i.d.F. nach der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 663/2014 des Rates vom 5. Juni 2014 (ABlEU Nr. L 179/4) eröffnet worden war, in dem dem Antragsteller am 11. August 2009 die Restschuldbefreiung (discharge) erteilt worden war. Das FA war im Rahmen dieses Insolvenzhauptverfahrens nicht angehört worden.
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Am 8. Juli 2010 beantragte das FA beim High Court of Justice den Widerruf der Restschuldbefreiung. Nach dem Vortrag des FA im Verfahren vor dem FG kam es aus nicht mehr aufklärbaren Gründen nicht zu einer Durchführung dieses Verfahrens.
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Am 30. September 2014 beantragte das FA beim High Court of Justice in London erneut die Aufhebung der Insolvenzeröffnung vom 11. August 2008 (bankruptcy order) mit der Begründung, der Antragsteller habe nie wirklich in England gelebt. Sein center of main interests (COMI) habe sich niemals in England befunden. Nach dem Vorbringen des FA wurde diesbezüglich für den 1. und 2. Februar 2016 eine mündliche Verhandlung vor dem High Court of Justice anberaumt.
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Mit Beschluss vom 28. August 2015 kam das FG zu dem Ergebnis, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zulässig und begründet. Der Antragsteller habe Anspruch auf Rücknahme des auf die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens gerichteten Antrags vom 10. September 2009 an das AG B, da das Hauptinsolvenzverfahren durch die am 11. August 2009 erteilte Restschuldbefreiung in England bereits beendet gewesen sei. Es sei ernstlich zweifelhaft, ob nach Erteilung der Restschuldbefreiung im Hauptinsolvenzverfahren noch ein Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens gestellt werden könne, da das Sekundärinsolvenzverfahren in seiner Wirkung vom Hauptinsolvenzverfahren abhängig sei. Die Restschuldbefreiung sei bei Vorliegen der Voraussetzungen ohne weitere Förmlichkeiten anzuerkennen, sofern kein ordre-public-Verstoß vorliege. Es sei zwar aufgrund der Feststellungen des FA davon überzeugt, dass sich der Antragsteller rechtsmissbräuchlich die Zuständigkeit des High Court of Justice für die Eröffnung des Insolvenzhauptverfahrens erschlichen habe. Es sei jedoch ernstlich zweifelhaft, ob die rechtsmissbräuchliche Zuständigkeitserschleichung ein Verstoß gegen den ordre public sei und somit die in England erteilte Restschuldbefreiung in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) nicht anzuerkennen sei. In einem Missbrauchsfall sei zwar tatsächlich die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts nicht gegeben. Werde diese aber dennoch von dem entscheidenden Gericht im Ausland angenommen, könne eine Anerkennung der Zuständigkeit des eröffnenden Gerichts nicht versagt werden. Gegebenenfalls sei die Annahme der Eröffnungszuständigkeit durch das ausländische Gericht mit Rechtsmitteln anzugreifen.
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Seine Beschwerde begründet das FA im Wesentlichen folgendermaßen: Es müsse sich die in England am 11. August 2009 vom High Court of Justice erwirkte Restschuldbefreiung des Antragstellers nicht entgegenhalten lassen. Die Anerkennung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat setze voraus, dass der Insolvenzschuldner in einem anderen Mitgliedstaat den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen gehabt habe, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei. Vielmehr habe sich der Antragsteller die Zuständigkeit des englischen Gerichts erschlichen. Insoweit könne der Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens auch als Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens betrachtet werden. Außerdem sei es (das FA) im Insolvenzverfahren nicht gehört worden. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller sich seit Jahren seiner Zuständigkeit zu entziehen versuche und konsequent seinen Wohnsitz verschleiere.
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Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerberaters führe ferner nicht unmittelbar zum Widerruf der Bestellung. Vielmehr müsse die zuständige Steuerberaterkammer ein Verfahren zur Prüfung des Widerrufs der Bestellung einleiten. Im Übrigen habe das in England durchgeführte Insolvenzverfahren bis heute nicht zu einem Widerruf der Bestellung geführt.
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Das FA beantragt sinngemäß, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde für die Dauer des Beschwerdeverfahrens anzuordnen sowie die Vorentscheidung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Rücknahme des Insolvenzantrags beim AG B unter Aufhebung der Vorentscheidung abzulehnen.
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Der Antragsteller beantragt, die Anträge abzulehnen.
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Es werde nicht dargelegt, warum eine gegebenenfalls fehlerhafte Annahme der eigenen Zuständigkeit durch das englische Gericht in Deutschland ein Ergebnis schaffe, das offensichtlich mit der öffentlichen Ordnung unvereinbar wäre. Vielmehr sei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das englische Gericht anzuerkennen, unabhängig davon, ob die eigene internationale Zuständigkeit zu Recht angenommen worden sei oder nicht. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch das englische Gericht gehe ins Leere, zumal eine Mitteilung über den Insolvenzbeschluss auch in einer geeigneten Zeitung und der London Gazette erscheine. Das FA habe auch nicht dargelegt, woraus sich im Jahr 2008 eine Zuständigkeit zu seinen Gunsten ergebe, weil sich zu diesem Zeitpunkt der Hauptsitz seiner (des Antragstellers) Kanzlei in A befunden habe, während er in B lediglich in einer Beratungsstelle als Nebensitz aktiv gewesen sei. Erst nach Antragstellung in England hätten sich das FA und das Finanzamt A auf eine Zuständigkeit des FA verständigt. Weiterhin habe er im Zeitpunkt der Antragstellung vor dem High Court of Justice schon von seiner Ehefrau getrennt gelebt. Das FA habe nicht einlassungsfähig dargetan, dass er zum Zeitpunkt des Antrags in England Vermögenswerte besessen habe, die er in der Folgezeit auf seine Ehefrau übertragen habe. Das FA habe seit Insolvenzantragstellung am "11. September 2009" keine Unterbrechungshandlungen i.S. des § 231 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung getätigt. Der Antrag des FA vom 30. September 2014 an den High Court of Justice in London enthalte keine an den Abgabenpflichtigen gerichtete Zahlungsaufforderung.
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Es bestehe auch ein Anordnungsgrund, weil der Insolvenzantrag des FA unzulässig sei und ein Widerruf seiner --des Antragstellers-- Zulassung für ihn fatale Folgen hätte. Andererseits stehe es dem FA frei, jederzeit erneut einen Insolvenzantrag zu stellen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist gegen den beim AG gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (vgl. schon zur Konkursordnung Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.; zur Insolvenzordnung --InsO-- Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017).
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Auch das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung ist zu bejahen. Der Antrag ist --ebenso wie die Rücknahme des Antrags als actus contrarius-- zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses, und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710, und Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017). Für die Bejahung des Rechtsschutzinteresses ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA ausreichend.
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2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist schon unbegründet, weil der Senat nicht vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung ausgeht.
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Das FA hat nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ermessensfehlerhaft gestellt (vgl. § 102 FGO). Insoweit ist der Senat abweichend von § 118 Abs. 2 FGO nicht an die tatrichterlichen Feststellungen gebunden, sondern prüft den Fall summarisch anhand des präsenten Aktenmaterials in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. November 2008 IV B 127/07, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, R159, m.w.N.; Gosch in Beermann/Gosch, FGO § 69 Rz 122).
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a) Gemäß Art. 3 VO Nr. 1346/2000 ist am 11. August 2008 vor dem High Court of Justice in London ein Insolvenzhauptverfahren (so genanntes Bankruptcy-Verfahren) gegen den Antragsteller eröffnet worden, bei dem es sich um ein Insolvenzverfahren i.S. des Art. 2 Buchst. a i.V.m. Anhang A VO Nr. 1346/2000 handelt. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Vereinigten Königreich ist gemäß Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 1346/2000 grundsätzlich in Deutschland anzuerkennen (vgl. auch Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 1346/2000). Dasselbe gilt gemäß Art. 25 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 1346/2000 für die dem Antragsteller am 11. August 2009 erteilte Restschuldbefreiung (discharge). Unabhängig davon, inwieweit die so genannte discharge from bankruptcy der Restschuldbefreiung i.S. des § 286 InsO vergleichbar ist, führt sie gemäß Insolvency Act 1986, Section 278 (b) zur Beendigung des bankruptcy-Verfahrens.
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Einer Anerkennung der Restschuldbefreiung im Sinne des englischen Rechts steht nicht schon entgegen, dass der Antragsteller seinen COMI möglicherweise nur kurzfristig nach Großbritannien verlegt hat. Denn Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 1346/2000 ist dahin auszulegen, dass das von einem Gericht eines Mitgliedstaats eröffnete Insolvenzverfahren von den Gerichten der übrigen Mitgliedstaaten anzuerkennen ist, ohne dass diese die Zuständigkeit des Gerichts des Eröffnungsstaats überprüfen können (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- Eurofood IFSC vom 2. Mai 2006 C-341/04, EU:C:2006:281, Rz 42; MG Probud vom 21. Januar 2010 C-444/07, EU:C:2010:24, Rz 29; Bank Handlowy and Adamiak vom 22. November 2012 C-116/11, EU:C:2012:739, Rz 41; vgl. zu Art. 102 Abs. 1 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 18. September 2001 IX ZB 51/00, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2002, 960; BGH-Urteil vom 10. September 2015 IX ZR 304/13, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 2015, 2331). Gegebenenfalls müssen Fragen hinsichtlich der Zuständigkeit im Rahmen von im Eröffnungsmitgliedstaat gegebenen Rechtsbehelfen gegen die Eröffnungsentscheidung geklärt werden (vgl. EuGH-Urteil Eurofood IFSC, EU:C:2006:281, Rz 43).
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b) Nach summarischer Prüfung sprechen die Umstände des vorliegenden Falles überwiegend dafür, dass sich der Antragsteller auf die vom High Court of Justice erteilte Restschuldbefreiung in Deutschland nicht berufen kann, weil dies dem Ordre-Public-Vorbehalt gemäß Art. 26 VO Nr. 1346/2000 oder jedenfalls dem Grundsatz von Treu und Glauben widerspräche, der im Steuerrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz uneingeschränkt anerkannt ist (vgl. BFH-Urteil vom 8. Februar 1996 V R 54/94, BFH/NV 1996, 733).
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Nach Art. 26 VO Nr. 1346/2000 kann sich jeder Mitgliedstaat weigern, ein in einem anderen Mitgliedstaat eröffnetes Insolvenzverfahren anzuerkennen, soweit diese Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das offensichtlich mit seiner öffentlichen Ordnung, insbesondere mit den Grundprinzipien oder den verfassungsmäßig garantierten Rechten und Freiheiten des Einzelnen, unvereinbar ist. Dabei handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann anzuwenden ist, wenn die Anerkennung der in einem Mitgliedstaat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstößt und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des zur Anerkennung verpflichteten Mitgliedstaats steht. Bei dem Verstoß muss es sich um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des zur Anerkennung verpflichteten Mitgliedstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln (EuGH-Urteil Eurofood IFSC, EU:C:2006:281, Rz 62 ff.; vgl. auch EuGH-Urteil MG Probud, EU:C:2010:24, Rz 33 f.; EuGH-Urteil flyLAL-Lithuanian Airlines vom 23. Oktober 2014 C-302/13, EU:C:2014:2319, Rz 49; BGH-Beschluss in NJW 2002, 960; BGH-Urteil in ZIP 2015, 2331). Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens hat der Anspruch der Gläubiger oder ihrer Vertreter auf Teilnahme am Verfahren unter Beachtung des Grundsatzes der Waffengleichheit eine besondere Bedeutung.
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Allein die Möglichkeit, in Großbritannien schneller eine Restschuldbefreiung zu erreichen, genügt nicht, um die Voraussetzungen des Art. 26 VO Nr. 1346/2000 zu bejahen. Ein Verstoß gegen die deutsche öffentliche Ordnung ("ordre public") im Sinne eines Rechtsmissbrauchs kann sich jedoch daraus ergeben, dass eine nur vorübergehende Wohnsitzverlegung (bzw. eine nur vorübergehende Verlegung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen) in einen anderen Staat erfolgt, um unter dort erleichterten Bedingungen eine Restschuldbefreiung zu erwirken (vgl. BGH-Beschluss in NJW 2002, 960). Im Fall einer rechtsmissbräuchlichen Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland nur zum Schein kann unter diesen Umständen das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts unter Beachtung inländischer Rechtsvorstellungen untragbar erscheinen (vgl. BGH-Beschluss in NJW 2002, 960).
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Das FA hat substantiiert dargelegt, dass der Antragsteller seinen COMI nur zum Schein nach Großbritannien verlegt hat, um die Vorteile des britischen Insolvenzverfahrens in Form einer schnelleren Restschuldbefreiung erlangen zu können.
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Gegen eine tatsächliche Verlegung des COMI nach Großbritannien mindestens sechs Monate vor der Antragstellung am 11. August 2008 spricht, dass der Antragsteller im April 2008 noch die Partnergesellschaft "…" (eingetragen im Partnerschaftsregister des AG A unter PR …) mit einer Repräsentanz in B gegründet hat und für diese tätig gewesen ist. Seine Tätigkeit als Steuerberater, teilweise auch in B, hat die Einvernahme der Zeugin C durch die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts E bestätigt (vgl. Niederschrift vom 8. April 2014), wonach er in seinem Büro in B beispielsweise Schreiben unterzeichnet habe. Nach den Angaben des Zeugen D war der Antragsteller im fraglichen Zeitraum in der Regel ein bis zwei Tage im Büro anwesend bzw. nicht länger als ein oder zwei Wochen abwesend (vgl. Vernehmungsniederschrift der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts E vom 8. April 2014). Er sei u.a. als Steuerberater in Deutschland tätig gewesen. Außerdem habe es Rücksprachen gegeben und seien Mandate betreut worden. Ferner habe der Antragsteller auch Mandanten in anderen Ländern als Großbritannien betreut. Außerdem sind von beiden Zeugen Beteiligungen an verschiedenen Unternehmen, z.B. die X-GmbH, angesprochen worden. Auch die Zeugin F hat gegenüber dem Finanzamt E am 8. April 2014 ausgesagt, der Antragsteller sei in den Jahren 2008 und 2009 als Geschäftsführer einer GmbH und als Steuerberater in Deutschland tätig und ein paar Tage die Woche in B gewesen.
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Weiterhin hat der Antragsteller vor dem High Court of Justice seinen Familienstand unzutreffenderweise mit "single" angegeben, während sich aus dem Zwischenbericht des Rechtsanwalts G an das – Insolvenzgericht vom 4. September 2014 ergibt, der Antragsteller sei zum damaligen Zeitpunkt verheiratet gewesen.
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Gegen eine tatsächliche Verlegung des COMI nach Großbritannien spricht schließlich, dass der Antragsteller in den Monaten vor der Antragstellung beim High Court of Justice nach summarischer Prüfung zahlreiche Termine in Deutschland wahrgenommen hat (vgl. an den High Court of Justice gerichtete Zeugenaussage von Frau H vom 12. September 2014 im Zusammenhang mit dem Antrag des FA auf Aufhebung bzw. Ungültigkeitserklärung des am 11. August 2008 erlassenen Konkurseröffnungsbeschlusses, insbesondere ab Ziffer 46).
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c) Der Antragsteller kann sich auch nicht auf die Restschuldbefreiung berufen, weil er im Rahmen des bankruptcy-Verfahrens teilweise falsche Angaben gemacht hat und daher viel dafür spricht, dass ihm die so genannte discharge zu Unrecht erteilt worden ist.
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U.a. hat er die Gründung der Partnergesellschaft "…" im April 2008 nicht in der Vermögensauskunft für den High Court of Justice angegeben.
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Auch verschiedene Tätigkeiten als Geschäftsführer in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung hat er nicht offengelegt. Dies betrifft drei in der Schweiz ansässige Gesellschaften, nämlich das Institut I-GmbH, das Institut J-AG und die K-AG, aus denen er im Jahr 2007 ausgeschieden war (vgl. die in den Akten enthaltenen Handelsregisterauszüge). Außerdem hat der Antragsteller in dem beim High Court of Justice abgegebenen Vermögensverzeichnis seine Tätigkeit als Mitgeschäftsführer bei der Steuerberatungsgesellschaft L-GmbH mit Sitz in A und seine Anteile an der M-GmbH nicht angegeben.
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Die Angaben des Antragstellers zu seinem Vermögen waren ferner insofern unvollständig, als er im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung beim High Court of Justice Eigentümer eines Appartements in (Ausland) gewesen ist. Für das Eigentum an dieser Wohnung sprechen die Entrichtung der Grundsteuer und die Angabe dieser Wohnung in einer Selbstauskunft vom 13. Mai 2008.
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d) Schließlich bestehen auch Bedenken gegen eine Anerkennung der Restschuldbefreiung, weil der Antragsteller das FA gegenüber dem High Court of Justice als Gläubiger verschwiegen hat und dieses somit im Rahmen des englischen Insolvenzverfahrens nicht entsprechend dem Verfahren nach Art. 40 VO Nr. 1346/2000 angehört worden ist, obwohl viel dafür spricht, dass es hätte beteiligt werden müssen.
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Der Hinweis des Antragstellers auf eine Mitteilung über den Insolvenzbeschluss in der Presse ist nicht geeignet, die Gehörsverletzung auszugleichen, weil dies eine förmliche Mitteilung des englischen Gerichts gemäß Art. 40 VO Nr. 1346/2000 nicht ersetzt.
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Die Zuständigkeit des FA oder eines anderen Finanzamts, insbesondere des Finanzamts A, das er gegenüber dem High Court of Justice als einzigen Gläubiger angegeben hat, ist noch nicht geklärt. Der bisherige Vortrag des Antragstellers ist nicht substantiiert genug, um die Zuständigkeit eines anderen Finanzamts nachvollziehen zu können.
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e) Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens dürfte auch zu klären sein, warum es infolge des am 8. Juli 2010 beim High Court of Justice beantragten Widerrufs der Restschuldbefreiung nicht zu einer Durchführung dieses Verfahrens gekommen ist und ob sich das FA insofern Versäumnisse entgegenhalten lassen muss und deshalb Verjährung eingetreten ist.
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Insgesamt sprechen zum derzeitigen Verfahrensstand die überwiegenden Umstände gegen das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs.
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3. Die Aufrechterhaltung der erstinstanzlich zugesprochenen einstweiligen Anordnung kommt jedenfalls mangels eines Anordnungsgrundes nicht in Betracht.
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Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (so genannte Regelungsanordnung). Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist. Die für den Erlass einer Anordnung geltend gemachten Gründe müssen jedenfalls ähnlich gewichtig und bedeutsam sein wie die im Gesetz ausdrücklich genannten. Sie müssen so schwerwiegend sein, dass sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen (Senatsbeschlüsse vom 7. Januar 1999 VII B 170/98, BFH/NV 1999, 818, m.w.N., und vom 21. Januar 1999 VII B 214/98, BFHE 187, 170, BStBl II 1999, 141).
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Dies gilt insbesondere, wenn nicht nur eine vorläufige Maßnahme begehrt wird, sondern --wie vom Antragsteller-- die Vorwegnahme der Hauptsache. Ein solches Rechtsschutzziel widerspricht grundsätzlich der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes. Eine Regelungsanordnung darf nach ständiger Rechtsprechung nur eine einstweilige Regelung enthalten und das Ergebnis des Hauptprozesses nicht vorwegnehmen oder diesem endgültig vorgreifen (vgl. Beschluss des Senats vom 22. August 1995 VII B 153, 154, 167, 172/95, BFHE 178, 15, BStBl II 1995, 645, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Etwas anderes gilt im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) nur dann, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1977 2 BvR 42/76, BVerfGE 46, 166, und vom 25. Oktober 1988 2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69).
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Der Antragsteller hat derartige wesentliche Nachteile nicht glaubhaft gemacht. Wie sich aus § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes ergibt, ist die Bestellung zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird erst dann vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet oder der Steuerberater in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO) eingetragen ist.
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Ob tatsächlich ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann, ist im Streitfall noch nicht entschieden. Vielmehr hat das Insolvenzgericht zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen und ob eine eventuelle Aberkennung der Restschuldbefreiung nach dem Termin im Februar 2016 vor dem High Court of Justice gemäß Section 375 Abs. 1 Insolvency Act 1986 dem entgegensteht. In diesem Zusammenhang kommt es auch darauf an, ob das im Vereinigten Königreich durchgeführte bankruptcy-Verfahren weiterhin bindend ist.
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Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das FA bereits vor über sechs Jahren den hier angegriffenen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hat. Es ist nicht nachvollziehbar, woraus sich nunmehr eine unmittelbare Bedrohung der wirtschaftlichen oder persönlichen Existenz des Betroffenen ergeben soll.
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4. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde für die Dauer des Beschwerdeverfahrens bedarf aufgrund der Entscheidung über die Beschwerde selbst keiner Entscheidung mehr.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).
Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt:
- 1.
Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist; der Gläubiger hat die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Absatz 2 anzumelden; - 2.
Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners; - 3.
Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, - 2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder - 3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, - 2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht, - 3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht, - 4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, - 5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder - 6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.
(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.
(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.
(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.
(1) Wer gewerbsmäßig Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben hinterzieht oder gewerbsmäßig durch Zuwiderhandlungen gegen Monopolvorschriften Bannbruch begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
eine Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder einen Bannbruch begeht, bei denen er oder ein anderer Beteiligter eine Schusswaffe bei sich führt, - 2.
eine Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder einen Bannbruch begeht, bei denen er oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand eines anderen durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung der Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder des Bannbruchs verbunden hat, eine solche Tat begeht.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) § 370 Abs. 6 Satz 1 und Abs. 7 gilt entsprechend.
(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) § 370 Absatz 6 und 7 gilt entsprechend.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
(1) Für Beschlüsse gelten § 96 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 105 Abs. 2 Nr. 6, §§ 107 bis 109 sinngemäß.
(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 und 5) und über einstweilige Anordnungen (§ 114 Abs. 1), Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 138) sowie Beschlüsse, in denen ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen wird (§ 142), sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(1) Auf Ersuchen nimmt die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung von Forderungen vor, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht. Die Forderung wird wie eine inländische Forderung behandelt. Als vollstreckbarer Verwaltungsakt gilt der dem Ersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel.
(2) Die Vollstreckung erfolgt nach den Vorschriften, die für Forderungen aus gleichen oder, in Ermangelung gleicher, aus vergleichbaren Steuern oder Abgaben vorgesehen sind. Ist das Verbindungsbüro der Auffassung, dass in Deutschland keine gleichen oder vergleichbaren Steuern oder Abgaben erhoben werden, so handelt die Vollstreckungsbehörde nach den Vorschriften, die für die Vollstreckung von Einkommensteuerforderungen gelten. Die Forderungen werden in Euro vollstreckt.
(3) Das Verbindungsbüro teilt dem anderen Mitgliedstaat die Maßnahmen mit, die die Vollstreckungsbehörde in Bezug auf das Beitreibungsersuchen ergriffen hat.
(4) § 240 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Fälligkeitstag ist der Tag, an dem das Ersuchen bei einem Verbindungsbüro im Sinne des § 3 Absatz 1 eingeht, so dass Säumniszuschläge ab diesem Tag berechnet werden können. Wenn die Vollstreckungsbehörde dem Schuldner eine Zahlungsfrist einräumt oder Ratenzahlung gewährt, unterrichtet das Verbindungsbüro den anderen Mitgliedstaat hiervon.
(5) Die Vollstreckungsbehörde überweist die im Zusammenhang mit der Forderung beigetriebenen Beträge sowie die Säumniszuschläge und gegebenenfalls entstehende Zinsen. Die in § 16 Absatz 1 genannten Kosten können vorher einbehalten werden.
(1) Stellt das Verbindungsbüro ein Ersuchen, so sind die nach dem Dritten Abschnitt des Ersten Teils der Abgabenordnung zuständigen Behörden oder die nach Abschnitt V des Ersten Teils der Finanzgerichtsordnung zuständigen Gerichte zuständig für
- 1.
Rechtsbehelfe in Bezug auf - a)
die Forderung, - b)
den ursprünglichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung in Deutschland und - c)
den einheitlichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im anderen Mitgliedstaat;
- 2.
Streitigkeiten in Bezug auf die Gültigkeit einer Zustellung durch eine zuständige deutsche Behörde.
(2) Ist Deutschland der ersuchte Mitgliedstaat und werden im Verlauf des Beitreibungsverfahrens die Forderung, der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder der einheitliche Vollstreckungstitel von einer betroffenen Partei durch Rechtsbehelf angegriffen, so unterrichtet das Verbindungsbüro nach Mitteilung durch die Vollstreckungsbehörde diese Partei darüber, dass sie den Rechtsbehelf bei der zuständigen Instanz des anderen Mitgliedstaates nach dessen Recht einzulegen hat. Wurde von der ersuchenden Behörde eine Mitteilung entsprechend Absatz 1 Satz 3 erteilt, setzt die Vollstreckungsbehörde das Beitreibungsverfahren für den angefochtenen Teilbetrag der Forderung bis zur Entscheidung über den jeweiligen Rechtsbehelf aus. Satz 2 gilt nicht, wenn die ersuchende Behörde im Einklang mit Absatz 3 ein anderes Vorgehen wünscht. Die Vollstreckungsbehörde kann selbständig oder auf Ersuchen Maßnahmen für die Sicherstellung der Beitreibung treffen, soweit dies zulässig ist. Die Regelungen des § 12 bleiben unberührt.
(3) Eingehende Beitreibungsersuchen aus anderen Mitgliedstaaten können auch die Beitreibung einer angefochtenen Forderung oder eines angefochtenen Teilbetrags einer Forderung beinhalten. Ein solches Ersuchen ist durch die ersuchende Behörde zu begründen. Wird dem Rechtsbehelf später stattgegeben, haftet die ersuchende ausländische Behörde für die Erstattung bereits beigetriebener Beträge samt etwaig geschuldeter Entschädigungsleistungen.
(4) Durch die Einleitung eines Verständigungsverfahrens, das auf die Höhe der beizutreibenden Forderung Auswirkungen haben kann, werden die Beitreibungsmaßnahmen bis zum Abschluss dieses Verfahrens unterbrochen. § 231 Absatz 3 und 4 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Dies gilt nicht, wenn auf Grund von Betrug oder Insolvenz unmittelbare Dringlichkeit gegeben ist. Werden die Beitreibungsmaßnahmen unterbrochen, so ist Absatz 2 Satz 4 und 5 anzuwenden.
Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt sind außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen.
(1) Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner schriftlich zu verbieten, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen, und dem Vollstreckungsschuldner schriftlich zu gebieten, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten (Pfändungsverfügung). Die elektronische Form ist ausgeschlossen.
(2) Die Pfändung ist bewirkt, wenn die Pfändungsverfügung dem Drittschuldner zugestellt ist. Die an den Drittschuldner zuzustellende Pfändungsverfügung soll den beizutreibenden Geldbetrag nur in einer Summe, ohne Angabe der Steuerarten und der Zeiträume, für die er geschuldet wird, bezeichnen. Die Zustellung ist dem Vollstreckungsschuldner mitzuteilen.
(3) Bei Pfändung des Guthabens eines Kontos des Vollstreckungsschuldners bei einem Kreditinstitut gelten die §§ 833a und 907 der Zivilprozessordnung entsprechend.
(1) Die Vollstreckungsbehörde ordnet die Einziehung der gepfändeten Forderung an. § 309 Abs. 2 gilt entsprechend.
(2) Die Einziehungsverfügung kann mit der Pfändungsverfügung verbunden werden.
(3) Wird die Einziehung eines bei einem Geldinstitut gepfändeten Guthabens eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, angeordnet, so gelten § 835 Absatz 3 Satz 2 und § 900 Absatz 1 der Zivilprozessordnung entsprechend.
(4) Wird die Einziehung einer gepfändeten nicht wiederkehrend zahlbaren Vergütung eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder sonstige Einkünfte, die kein Arbeitslohn sind, angeordnet, so gilt § 835 Absatz 4 der Zivilprozessordnung entsprechend.
(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.
(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.
(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.
(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben
- 1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, - 2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.
(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.
(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.
(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.
(7) Betreffen Verwaltungsakte
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.
(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.
(1) Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner schriftlich zu verbieten, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen, und dem Vollstreckungsschuldner schriftlich zu gebieten, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten (Pfändungsverfügung). Die elektronische Form ist ausgeschlossen.
(2) Die Pfändung ist bewirkt, wenn die Pfändungsverfügung dem Drittschuldner zugestellt ist. Die an den Drittschuldner zuzustellende Pfändungsverfügung soll den beizutreibenden Geldbetrag nur in einer Summe, ohne Angabe der Steuerarten und der Zeiträume, für die er geschuldet wird, bezeichnen. Die Zustellung ist dem Vollstreckungsschuldner mitzuteilen.
(3) Bei Pfändung des Guthabens eines Kontos des Vollstreckungsschuldners bei einem Kreditinstitut gelten die §§ 833a und 907 der Zivilprozessordnung entsprechend.
(1) Die Vollstreckungsbehörde ordnet die Einziehung der gepfändeten Forderung an. § 309 Abs. 2 gilt entsprechend.
(2) Die Einziehungsverfügung kann mit der Pfändungsverfügung verbunden werden.
(3) Wird die Einziehung eines bei einem Geldinstitut gepfändeten Guthabens eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, angeordnet, so gelten § 835 Absatz 3 Satz 2 und § 900 Absatz 1 der Zivilprozessordnung entsprechend.
(4) Wird die Einziehung einer gepfändeten nicht wiederkehrend zahlbaren Vergütung eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder sonstige Einkünfte, die kein Arbeitslohn sind, angeordnet, so gilt § 835 Absatz 4 der Zivilprozessordnung entsprechend.
(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).
(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.
(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.
(1) Auf Ersuchen nimmt die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung von Forderungen vor, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht. Die Forderung wird wie eine inländische Forderung behandelt. Als vollstreckbarer Verwaltungsakt gilt der dem Ersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel.
(2) Die Vollstreckung erfolgt nach den Vorschriften, die für Forderungen aus gleichen oder, in Ermangelung gleicher, aus vergleichbaren Steuern oder Abgaben vorgesehen sind. Ist das Verbindungsbüro der Auffassung, dass in Deutschland keine gleichen oder vergleichbaren Steuern oder Abgaben erhoben werden, so handelt die Vollstreckungsbehörde nach den Vorschriften, die für die Vollstreckung von Einkommensteuerforderungen gelten. Die Forderungen werden in Euro vollstreckt.
(3) Das Verbindungsbüro teilt dem anderen Mitgliedstaat die Maßnahmen mit, die die Vollstreckungsbehörde in Bezug auf das Beitreibungsersuchen ergriffen hat.
(4) § 240 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Fälligkeitstag ist der Tag, an dem das Ersuchen bei einem Verbindungsbüro im Sinne des § 3 Absatz 1 eingeht, so dass Säumniszuschläge ab diesem Tag berechnet werden können. Wenn die Vollstreckungsbehörde dem Schuldner eine Zahlungsfrist einräumt oder Ratenzahlung gewährt, unterrichtet das Verbindungsbüro den anderen Mitgliedstaat hiervon.
(5) Die Vollstreckungsbehörde überweist die im Zusammenhang mit der Forderung beigetriebenen Beträge sowie die Säumniszuschläge und gegebenenfalls entstehende Zinsen. Die in § 16 Absatz 1 genannten Kosten können vorher einbehalten werden.
(1) Dieses Gesetz regelt die Einzelheiten der Amtshilfe zwischen Deutschland und den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Mitgliedstaaten) zur Geltendmachung von in den Mitgliedstaaten entstandenen Forderungen. Forderungen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Steuern und Abgaben aller Art, die erhoben werden - a)
von einem oder für einen Mitgliedstaat oder dessen Gebiets- oder Verwaltungseinheiten einschließlich der lokalen Behörden oder - b)
für die Europäische Union;
- 2.
Erstattungen, Interventionen und andere Maßnahmen, die Bestandteil des Systems der vollständigen Finanzierung oder Teilfinanzierung des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft oder des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums sind, einschließlich der im Rahmen dieser Aktionen zu erhebenden Beiträge; - 3.
Abschöpfungen und andere Abgaben im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte für den Sektor Zucker.
(2) Der Anwendungsbereich dieses Gesetzes umfasst auch
- 1.
Geldstrafen, Geldbußen, Gebühren und Zuschläge in Bezug auf Forderungen, - a)
für deren Beitreibung gemäß Absatz 1 um Amtshilfe ersucht werden kann und - b)
die von den Behörden, die für die Erhebung der betreffenden Steuern oder Abgaben oder die Durchführung der dafür erforderlichen behördlichen Ermittlungen zuständig sind, verhängt wurden oder von Verwaltungsorganen oder Gerichten auf Antrag dieser Behörden bestätigt wurden;
- 2.
Gebühren für Bescheinigungen und ähnliche Dokumente, die im Zusammenhang mit Verwaltungsverfahren in Bezug auf Steuern oder Abgaben ausgestellt werden; - 3.
Zinsen und Kosten im Zusammenhang mit Forderungen, für deren Beitreibung gemäß Absatz 1 oder gemäß den Nummern 1 und 2 um Amtshilfe ersucht werden kann.
(3) Der Anwendungsbereich dieses Gesetzes umfasst nicht
- 1.
Beiträge und Umlagen sowie damit verbundene Abgaben und Gebühren nach dem Sozialgesetzbuch, den in § 68 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch genannten Gesetzen und dem Aufwendungsausgleichsgesetz; - 2.
andere als die in Absatz 2 genannten Gebühren; - 3.
vertragliche Gebühren, wie Zahlungen an öffentliche Versorgungsbetriebe; - 4.
strafrechtliche Sanktionen, die auf der Grundlage einer Anklageerhebung im Strafverfahren verhängt werden, oder andere strafrechtliche Sanktionen, die nicht von Absatz 2 Nummer 1 erfasst sind.
(4) Für Ersuchen nach diesem Gesetz gelten die Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend, soweit dieses Gesetz nicht etwas anderes bestimmt. Zur Ausführung der Abgabenordnung hat das Bundesministerium der Finanzen Verwaltungsvorschriften erlassen.
(1) Ein Verbindungsbüro kann Beitreibungsersuchen in einen anderen Mitgliedstaat stellen, wenn
- 1.
die Voraussetzungen für die Vollstreckung gegeben sind und - 2.
die Forderung nicht angefochten ist oder nicht mehr angefochten werden kann.
(2) Die Vollstreckungsbehörde muss zuvor alle nach der Abgabenordnung vorgesehenen Vollstreckungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben, es sei denn,
- 1.
es ist offensichtlich, dass - a)
keine Vermögensgegenstände für die Vollstreckung in Deutschland vorhanden sind oder - b)
Vollstreckungsverfahren in Deutschland nicht zur vollständigen Begleichung der Forderung führen,
- 2.
die Durchführung solcher Vollstreckungsmaßnahmen wäre in Deutschland mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden.
(3) Jedem Beitreibungsersuchen ist der für alle Mitgliedstaaten einheitliche Vollstreckungstitel, dessen Inhalt im Wesentlichen dem des ursprünglichen Vollstreckungstitels entspricht, beizufügen, der die alleinige Grundlage für die im anderen Mitgliedstaat zu ergreifenden Beitreibungs- und Sicherungsmaßnahmen ist. Er muss im anderen Mitgliedstaat weder durch einen besonderen Akt anerkannt noch ergänzt oder ersetzt werden. Dem Beitreibungsersuchen können weitere Dokumente, die im Zusammenhang mit der Forderung stehen, beigefügt werden.
(4) Erlangt die Vollstreckungsbehörde im Zusammenhang mit der Angelegenheit, die dem Beitreibungsersuchen zu Grunde liegt, zweckdienliche Informationen, so teilt sie diese dem Verbindungsbüro zur unverzüglichen Weiterleitung an den anderen Mitgliedstaat mit.
(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, darf die Vollstreckung erst beginnen, wenn die Leistung fällig ist und der Vollstreckungsschuldner zur Leistung oder Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden ist (Leistungsgebot) und seit der Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen ist. Das Leistungsgebot kann mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden werden. Ein Leistungsgebot ist auch dann erforderlich, wenn der Verwaltungsakt gegen den Vollstreckungsschuldner wirkt, ohne ihm bekannt gegeben zu sein. Soweit der Vollstreckungsschuldner eine von ihm auf Grund einer Steueranmeldung geschuldete Leistung nicht erbracht hat, bedarf es eines Leistungsgebots nicht.
(2) Eines Leistungsgebots wegen der Säumniszuschläge und Zinsen bedarf es nicht, wenn sie zusammen mit der Steuer beigetrieben werden. Dies gilt sinngemäß für die Vollstreckungskosten, wenn sie zusammen mit dem Hauptanspruch beigetrieben werden. Die gesonderte Anforderung von Säumniszuschlägen kann ausschließlich automationsgestützt erfolgen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Der Kläger wird auf der Grundlage des Gesetzes vom 07.12.2011 über die Durchführung der Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Bundesgesetzblatt - BGBl - I 2011, 2592, nachfolgend EUBeitrG) sowie der diesem Gesetz zu Grunde liegenden Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16.03.2010 über Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen (ABl. L 84 vom 31.03.2010, nachfolgend EU-Beitreibungsrichtlinie) für Steuerverbindlichkeiten einer insolventen griechischen Tochtergesellschaft der A AG gegenüber dem griechischen Staat in Anspruch genommen.
3Der Kläger trat am ....05.1989 als Leiter der Abteilung Finanzen in die A AG ein. Das Arbeitsverhältnis mit der A AG wurde zum ....09.2003 beendet. Im Rahmen seiner Tätigkeit bei der A AG übernahm der Kläger auch Aufgaben in der B S.A., einer nach griechischem Recht gegründeten einhundertprozentigen Tochtergesellschaft der A AG mit Sitz in Griechenland. Aufsichts- und Leitungsorgan einer griechischen S.A. ist ihr Verwaltungsrat (sog. monistisches System). Dieser wird von der Hauptversammlung der Gesellschaft berufen und vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Vom Verwaltungsrat wird regelmäßig ein Geschäftsführer bestellt, welcher die Geschäfte der S.A. wie der Verwaltungsrat leitet und die Gesellschaft nach außen vertritt. Der Kläger war vom ....07.1995 bis ....06.2001 einfaches Mitglied des Verwaltungsrats. Ab ....07.2001 war er neben einem weiteren vertretungsberechtigten Stellvertreter zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats bestellt worden. Ab ....07.2001 war er zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats bestellt worden, ohne dass es einen weiteren vertretungsberechtigten Vertreter gab. Aufgrund des Beschlusses des Verwaltungsrates vom ....09.2003 meldete die B S.A. nach griechischen Rechtsvorschriften Insolvenz an.
4Ab dem Jahr 2000 führten die griechischen Finanzbehörden bei der B S.A. eine Betriebsprüfung durch. Die Gesellschaft wurde aufgefordert, die Buchführungsunterlagen mitsamt Rechnungen für die Jahre 1993 bis 1997 vorzulegen. Die Gesellschaft erklärte daraufhin, dass die angefragten Dokumente nicht vorhanden seien. In diesem Zusammenhang wurde von der Betriebsprüfung festgestellt, dass die Buchführung der B S.A. für diesen Zeitraum schwerwiegende Mängel aufwies. Darüber hinaus stellte die Betriebsprüfung fest, dass die B S.A. im Zeitraum 1996 bis 2000 mehrere Hundert fiktive Rechnungsgutschriften im Gesamtwert von rd. 2,7 Mio. EUR ausgestellt hatte. Daneben waren nach Auffassung der Betriebsprüfung mehrere Posten aus dem Zeitraum 1993 bis 2000 in Höhe von insgesamt rd. 10 Mio. EUR als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben zu qualifizieren. Als Folge der Nichtvorlage der Buchführungsunterlagen für die Jahre 1993 bis 1997 verwarfen die griechischen Finanzbehörden die Buchhaltung der B S.A. und nahmen Schätzungen vor. Letztlich wurden gegen die B S.A. für den Zeitraum 1993 bis 2000 Steuern in Höhe von insgesamt rd. 33,7 Mio. EUR festgesetzt. Die Gesellschaft hat gegen die Festsetzungen umfassende Rechtsmittel eingelegt.
5Mit Schreiben vom 15.11.2012 erhielt der Kläger von dem Beklagten zwei - hier streitgegenständliche - Zahlungsaufforderungen. Es handelt sich zum einen um eine Zahlungsaufforderung über 19.068.169,90 EUR zuzüglich Säumniszuschlägen von 125.446,00 EUR, insgesamt 19.193.615,90 EUR, zum anderen um eine Zahlungsaufforderung über 17.728.938,83 EUR zuzüglich Säumniszuschlägen von 117.021,00 EUR, insgesamt 17.845.959,83 EUR. Die Zahlungsaufforderungen enthielten jeweils den Hinweis, dass der Kläger der griechischen Steuerverwaltung diese Beträge schulde und der Beklagte auf der Grundlage der Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16.03.2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen gebeten worden sei, den Gesamtbetrag einzuziehen. Die Zahlungsaufforderungen enthielten jeweils den weiteren Hinweis, dass, sollte der Kläger der Aufforderung nicht bis zum 18.12.2012 nachkommen, kostenpflichtige Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen würden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Zahlungsaufforderungen vom 15.11.2012 Bezug genommen.
6Ausweislich der aus den als Anlagen zu den beiden Zahlungsaufforderungen beigefügten einheitlichen Vollstreckungstitel steht die Zahlungsaufforderung über 19.068.169,90 EUR zzgl. Säumniszuschlägen mit Mehrwertsteuerforderungen in Zusammenhang und die Zahlungsaufforderung über 17.728.938,83 EUR zzgl. Säumniszuschlägen mit Körperschaftsteuerforderungen. Die Mehrwertsteuerforderung von 19.068.169,90 EUR setzt sich aus einer Hauptforderung in Höhe von 12.544.848,62 EUR und einer Zinsforderung von 6.523.321,28 EUR auf die Hauptforderung seit 2008 zusammen. Die Körperschaftsteuerforderung in Höhe von 17.728.938,83 EUR setzt sich aus einer Hauptforderung von 11.702.269,62 EUR und einer Zinsforderung von 6.026.668,99 EUR auf die Hauptforderung seit 2008 zusammen.
7Die Forderungen betreffen jeweils die Jahre 1993 bis 2000, wobei für jede Steuerart und jedes Jahr ein eigener einheitlicher Vollstreckungstitel vorliegt. Nach den einheitlichen Vollstreckungstiteln werden die Mehrwertsteuerforderungen in Griechenland unter dem Aktenzeichen „ATB 1“ geführt und die Körperschaftsteuerforderungen unter dem Aktenzeichen „ATB 2“. Das Datum der Festsetzung der Forderung ist jeweils mit „2008/05/...“ angegeben. Das Datum, ab dem die Vollstreckung möglich sein soll, ist in den einheitlichen Vollstreckungstiteln für die Mehrwertsteuerforderungen mit „2008/07/...“ angegeben und in den einheitlichen Vollstreckungstiteln für die Körperschaftsteuerforderungen mit „2008/08/...“. Der Betrag der ausstehenden Forderung wird in der Spalte „Ursprünglich fällig“ jeweils mit 0 angegeben, die entsprechenden Beträge werden in der Spalte „Noch fällig“ aufgeführt. Das Datum der Zustellung des ursprünglichen Verwaltungsakts in Griechenland ist jeweils mit „2008/05/...“ angegeben. Als Haftungsgrund ist jeweils „Mitschuldner“ angegeben. Unter „Sonstige Informationen“ heißt es: „Der Schuldner war Geschäftsführer des Hauptschuldners: Unternehmen…“. Danach folgen griechische Wörter. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die einheitlichen Vollstreckungstitel Bezug genommen.
8Der Kläger hat am 17.12.2012 Widerspruch gegen seine Inanspruchnahme beim Verwaltungsgericht in H (Griechenland) eingelegt. Gegen seine Inanspruchnahme aus der Zinsforderung von 12.549.990,27 EUR hat der Kläger am 12.04.2013 in Griechenland einen Antrag auf Zinsverzicht gestellt, weil er nach seiner Auffassung nicht für die seit 2008 angefallenen Zinsen haften könne. Über den Widerspruch und den Antrag auf Zinsverzicht ist nach Angaben des Klägers noch nicht entschieden. Der vom Kläger in Griechenland am 18.07.2013 gestellte Antrag auf Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens (Suspension Petition) wurde vom Verwaltungsgericht in H (Griechenland) am 02.10.2013 abgelehnt.
9Mit Schreiben vom 17.12.2012 legte der Kläger beim Beklagten Einspruch gegen die Zahlungsaufforderungen ein und stellte daneben zahlreiche weitere Anträge. Zur Begründung des Einspruchs trug der Kläger unter anderem vor, er habe die der Vollstreckung zu Grunde liegenden griechischen Titel nicht erhalten. Er habe erst mit Zustellung der einheitlichen Vollstreckungstitel sowie der streitgegenständlichen Zahlungsaufforderungen vom 15.11.2012 von der gegen ihn gerichteten Vollstreckung erfahren. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Einspruchsschreiben vom 17.12.2012 Bezug genommen.
10Mit Schreiben vom 27.12.2012 gab die griechische Behörde gegenüber dem Beklagten folgende Stellungnahme ab:
11Wir teilen Ihnen mit, dass Herr M bei Gericht Einspruch gegen den ursprünglichen Vollstreckungstitel sowie den einheitlichen Vollstreckungstitel eingelegt hat. Die eingelegte Rechtsmaßnahme geht jedoch nicht einher mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung oder des Beitreibungsverfahrens und bisher liegt kein gerichtlicher Beschluss zur Aussetzung der Vollstreckung oder Beitreibung vor. Daher werde Sie gebeten, die Beitreibung der Forderung fortzusetzen.
12Der Beklagte ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen, sondern hat die griechischen Finanzbehörden zu einer (weiteren) Stellungnahme aufgefordert. Mit Schreiben vom 05.04.2013 hat er dem Kläger mitgeteilt, dass von der Einleitung eines Vollstreckungsverfahrens bis zum Eingang dieser Stellungnahme abgesehen werde.
13Mit Schreiben vom 17.04.2013 gab die griechische Behörde folgende (weitere) Stellungnahme ab:
14In Beantwortung der Behauptungen des Schuldners M gegenüber den deutschen Steuerbehörden teilen wir Ihnen in Bezug auf die das griechische Recht betreffenden Bereiche und die tatsächlichen Fakten des Falles Folgendes mit: Der vorgenannte Schuldner ist seit dem .../07/2002 Geschäftsführer der Firma mit dem Namen „B S.A. of ...“ und mit Handelsnamen „B S.A.“ (früherer Name ... S.A.“). Das Unternehmen ist am .../01/2004 für insolvent erklärt worden, was zu seiner Auflösung gemäß Artikel 47a des Gesetzes 2190/1920 führte. Darauf folgte eine Einkommensteuer- und Umsatzsteuerprüfung des Unternehmens für die Jahre 1993 bis 2000 und es wurden unter der Steueridentifikationsnummer des Unternehmens 3 (Steuerbescheid Nummern) A.T.B. 2 und A.T.B. 1 Einkommensteuern und Umsatzsteuern veranlagt. Das Unternehmen legte vor griechischen Gerichten Einspruch gegen diese Steuerbescheide ein, es wurden jedoch für das Unternehmen endgültige und abschlägige Gerichtsentscheidungen getroffen.
15Laut Artikel 115 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (Gesetz 2238/1994) und Artikel 55 des Umsatzsteuergesetzes (Gesetz 2859/2000) ist im Falle der Auflösung einer Aktiengesellschaft neben dem Unternehmen sein Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Auflösung haftbar für die Einkommen- und Umsatzsteuerschulden, unabhängig davon, wann die Steuerfestsetzung erfolgte und welche Steuerjahre betroffen sind. Nach dem Gesetz und auch nach der Rechtsprechung griechischer Gerichte ist die Haftbarkeit des Geschäftsführers insofern ergänzend, als dass das Vollstreckungsverfahren für die Beitreibung auch gegen ihn als haftbare Person eingeleitet werden kann, obwohl die Steuern unter der Steueridentifikationsnummer des Unternehmens festgesetzt worden sind, ohne dass eine weitere Festsetzung unter seiner persönlichen Steueridentifikationsnummer erforderlich ist. Außerdem ist sie sachgerecht (die Haftung), da sie auf seinem Status als Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Auflösung des Unternehmens beruhte.
16Vor der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen gegen Herrn M hatte das zuständige Finanzamt F.A.E. von H (Griechenland) eine Mitteilung über die vorgenannten Schulden an die vom Schuldner selbst als seine Anschrift in Griechenland erklärte Adresse versandt, jedoch unterließ er es, die Schuld zu begleichen. Daher wurde das Vollstreckungsverfahren gegen ihn in Übereinstimmung mit den gerichtlichen Beschlüssen, durch die die Einsprüche des Unternehmens abgewiesen wurden, fortgesetzt.
17Es wird angemerkt, dass der Schuldner nach Einleitung des Amtshilfeverfahrens in Deutschland rechtliche Maßnahmen (Einspruch) in Griechenland ergriffen hat und den Einheitlichen Vollstreckungstitel angefochten hat, jedoch ohne einen Antrag auf Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens zu stellen.
18Folglich ist unsere Dienststelle der Auffassung, dass das Beitreibungsverfahren gemäß Artikel 14 der Richtlinie 2010/24/EE fortgesetzt werden sollte, da entsprechend unseren vorstehenden Ausführungen und gemäß griechischem Recht kein Grund für die Aussetzung besteht.“
19Mit Einspruchsentscheidung vom 05.06.2013 verwarf der Beklagte die Einsprüche gegen die Zahlungsaufforderungen als unzulässig. Gleichzeitig wies der Beklagte darauf hin, dass er der Aufforderung der griechischen Finanzbehörden, das Beitreibungsverfahren fortzusetzen, nicht nachkommen werde, sondern das Vollstreckungsverfahren gemäß § 13 Abs. 2 EUBeitrG i.V.m. § 258 Abgabenordnung (AO) ruhend stellen werde bis über den vom Kläger angekündigten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in Griechenland entschieden sei, maximal für sechs Monate. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 05.06.2013 Bezug genommen.
20Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage vom 08.07.2013. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend:
21Nach den Ausführungen der griechischen Finanzbehörden in der Antwort vom 17.04.2013 sei unstreitig, dass der dem Beitreibungsersuchen zu Grunde liegende griechische Vollstreckungstitel ihm - dem Kläger - jedenfalls nicht in einer mit deutschen Maßstäben vergleichbaren Form zugestellt worden sei. Ein Haftungsbescheid, der Grundlage für eine Vollstreckung gegen ihn sein könne, sei ihm gegenüber nicht ergangen. Er habe die in der Antwort der griechischen Finanzbehörden vom 17.04.2013 erwähnten Bescheide "3 (Steuerbescheid Nummern) A.T.B. 2 und A.T.B. 1" nicht erhalten. Offenbar sei die von ihm im Rahmen des Beitreibungsersuchens verlangte griechische Steuer niemals gegenüber ihm persönlich festgesetzt worden. Der Beklagte habe diesen für die sachgemäße Prüfung des Beitreibungsersuchens relevanten Umstand in der Einspruchsentscheidung in keiner Weise gewürdigt. Soweit sich in der Einspruchsentscheidung die Antwort der griechischen Finanzverwaltung vom 17.04.2013 finde, "das zuständige Finanzamt F.A.E. von H (Griechenland) habe eine Mitteilung über die vorgenannten Schulden an die vom Schuldner selbst als seine Anschrift in Griechenland erklärte Adresse versandt", werde dies bestritten, weil er in Griechenland zu keinem Zeitpunkt über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfügt habe. Er habe in Griechenland für sich persönlich keine Steuererklärungen abgegeben und den griechischen Finanzbehörden auch keine Adresse in Griechenland für seine persönliche Erreichbarkeit mitgeteilt. Selbst wenn ihm eine solche Mitteilung nach griechischem Recht zugerechnet werden müsste, könne diese niemals als Zustellung nach dem deutschen Rechtsverständnis (eingeschlossen dem ordre public) gelten. Wenn man die Richtigkeit des bestrittenen Vortrags unterstelle, hätten die griechischen Behörden allenfalls eine formlose Zahlungsaufforderung an eine griechische Adresse versandt, die er angeblich selbst erklärt habe, ohne die einzelnen gegenüber der B S.A. ergangenen Vollstreckungstitel beizufügen. Damit stehe fest, dass ihm die zu vollstreckenden Titel niemals in einer den deutschen Maßstäben entsprechenden Form zugestellt worden seien, so dass es an einer elementaren Grundvoraussetzung jeglicher Vollstreckung in Deutschland mangele. Er sei nach wie vor nicht in der Lage, den genauen Gegenstand und den Grund seiner Inanspruchnahme zu identifizieren, so dass er an einer effektiven Rechtsverfolgung sowohl in Deutschland als auch in Griechenland gehindert sei. Die Vollstreckung verstoße damit gegen zwingende Mindestanforderungen der EU-Beitreibung nach der Richtlinie.
22Letztlich sei ihm nicht bekannt, auf welche Titel sich die griechischen Finanzbehörden bei ihrem Beitreibungsersuchen stützten. Dies gelte insbesondere für die in den einheitlichen Vollstreckungstiteln genannten Festsetzungen vom 14.05.2008 mit dem Aktenzeichen A.T.B. 2 und A.T.B. 1. Die Festsetzungen vom 14.05.2008 seien - wie die griechischen Behörden in der Antwort vom 17.04.2013 ausführten - gegenüber der B S.A. ergangen. Es handele sich um Beschlüsse in Verfahren, durch die die Einsprüche der Gesellschaft abgewiesen worden seien. An diesen Verfahren sei er nicht beteiligt gewesen und er habe keine Kenntnis über den Verfahrensstand. Vollstreckungstitel seien wenn überhaupt gegen die B S.A. erlassen worden. Die griechischen Behörden würden in ihrer Antwort vom 17.04.2013 die Wirksamkeit der Zustellung an eine nicht näher bekannte unternehmensbezogene Adresse unterstellen. Dies werde bestritten. Er sei seit dem 30.09.2003 nicht mehr für den A-Konzern tätig und ihm sei die Korrespondenz der B S.A. nicht bekannt. Die Insolvenz der B S.A. und damit die Existenz eines Insolvenzverwalters, der die Gesellschaft nach griechischem Recht vertrete, sei den griechischen Finanzbehörden seit langem bekannt. Es werde bestritten, dass im Jahr 2008 nach griechischem Recht Mitteilungen mit Wirkung gegen ihn - den Kläger - an eine unternehmensbezogene Adresse, die vor der Insolvenz der Gesellschaft im Jahr 2003 benutzt worden sei, ohne jede zeitliche Beschränkung wirksam hätten vorgenommen werden können. Für die griechischen Behörden wäre es ohne weiteres zumutbar gewesen, Mitteilungen an seine deutsche Adresse zu übersenden. Dies belegten die vom Beklagten am 17.11.2012 zugestellten Zahlungsaufforderungen. Die Verfahren gegen die Festsetzungen gegen die B S.A. seien entgegen der Behauptung der griechischen Finanzbehörden nicht endgültig, sondern liefen noch.
23Die Ablehnung des Aussetzungsantrags am 02.10.2013 sei vom Verwaltungsgericht in H (Griechenland) im Kern damit begründet worden, dass die zur Verfügung gestellten Informationen zu seiner finanziellen Situation nicht ausreichend seien und für eine Vollstreckung in Deutschland noch ein Umsetzungsakt notwendig sei, so dass kein irreparabler Schaden zu besorgen sei. Weiterhin sei der von ihm in der Hauptsache eingelegte Rechtsbehelf nach Auffassung des Gerichts deshalb nicht offensichtlich begründet, weil die Beurteilung des Falles tatsächliche und rechtliche Recherchen erfordere und es derzeit keine einschlägigen höchstrichterlichen Entscheidungen des obersten griechischen Verwaltungsgerichtshofs zur EU-Beitreibungsrichtlinie gebe. Hiernach werde er aber rechtsschutzlos gestellt. In Deutschland werde er auf den in Griechenland zu suchenden Rechtsschutz verwiesen, während eine vorläufige Aussetzung der Vollstreckung in Griechenland aufgrund des noch nicht drohenden irreparablen Schadenseintritts abgelehnt werde.
24Vor diesem Hintergrund sei die Anfechtungsklage gegen die Zahlungsaufforderungen statthaft und damit zulässig. Die ihm zugestellten Zahlungsaufforderungen samt den einheitlichen Vollstreckungstiteln seien aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls als Verwaltungsakte zu qualifizieren. Sie beinhalteten ein erstmaliges Leistungsgebot gemäß § 254 Abs. 1 Satz 1 AO, da unstreitig sei, dass er - der Kläger - mangels Zustellung der zu Grunde liegenden griechischen Vollstreckungstitel an ihn erstmals als Vollstreckungsschuldner für die gegenüber der B S.A. erfolgten Steuerfestsetzungen in Anspruch genommen werde. Nach den Ausführungen in der Antwort der griechischen Finanzbehörden vom 17.04.2013 sei die Haftbarkeit des griechischen Geschäftsführers nach der griechischen Rechtsordnung und der Rechtsprechung griechischer Gerichte insofern ergänzend, als das Vollstreckungsverfahren für die Beitreibung auch gegen ihn als haftbare Person eingeleitet werden könne, obwohl die Steuern unter der Steueridentifikationsnummer des Unternehmens festgesetzt worden seien, ohne dass eine weitere Festsetzung unter seiner persönlichen Steueridentifikationsnummer erforderlich sei. Damit stehe fest, dass es keinen gegen ihn gerichteten griechischen Vollstreckungstitel gebe. Er sei also mit den Zahlungsaufforderungen erstmals aufgefordert worden innerhalb einer bestimmten Frist die geltend gemachten Beträge zu entrichten. In einem solchen Fall stelle die Zahlungsaufforderung ein Leistungsgebot und damit einen Verwaltungsakt dar. Selbst wenn die Zahlungsaufforderungen nur als eine Zahlungserinnerung und rechtlich somit als Mahnung im Sinne des § 259 AO zu qualifizieren seien, wäre diese vermeintliche Zahlungserinnerung bzw. Mahnung ein Verwaltungsakt. In der Literatur sei anerkannt, dass eine Mahnung in ein Leistungsgebot umzudeuten sei, wenn der Mahnung kein Leistungsgebot vorangegangen sei und - wie im Streitfall - die inhaltlichen Voraussetzungen eines Leistungsgebots erfüllt seien. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Zahlungsaufforderungen in einen Verwaltungsakt umgedeutet oder als das Leistungsgebot ersetzenden Verwaltungsakt gedeutet würden.
25Die Zahlungsaufforderungen seien bereits formell rechtswidrig. Die angeforderten Beträge seien nicht nachvollziehbar. Die beigefügten einheitlichen Vollstreckungstitel wiesen in den Spalten "Ursprünglich fällig" jeweils 0 EUR aus, während erst in der Spalte "Noch fällig" die entsprechenden Beträge aufgeführt seien. Dies sei widersprüchlich. Außerdem enthielten die Zahlungsaufforderungen keine Rechtsbehelfsbelehrung. Weitere Verfahrensfehler seien dem Beklagten im Zusammenhang mit der Anwendung des EUBeitrG unterlaufen. Der Beklagte habe keine möglichen Ablehnungsgründe im Sinne des § 14 Abs. 2 EUBeitrG geprüft. Zudem müsste die Fortführung des Beitreibungsverfahrens durch den Beklagten auch deswegen abgelehnt werden, weil er - wie auch die B S.A. - die Steuerforderungen in Griechenland angefochten habe und mit zeitnahen Entscheidungen nicht zu rechnen sei. Er habe zudem einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt und werde nach der ablehnenden Entscheidung einen weiteren Antrag stellen. Die Ausführungen der griechischen Behörde in der Antwort vom 17.04.2013 seien keine nachvollziehbare Begründung im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 EUBeitrG dafür, dass das Vollstreckungsverfahren unter dem Aspekt der Dringlichkeit weiterzuführen und ein Abwarten bis zu einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar sei, gerade auch vor dem Hintergrund der enormen Höhe der Forderung. Unabhängig davon sei jedenfalls die fehlende Berücksichtigung des Antrags auf Zinsverzicht eine Missachtung der vom Beklagten nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 4 und 5 EUBeitrG vorzunehmenden Prüfung.
26Die Zahlungsaufforderungen seien auch materiell rechtswidrig. Auch im Rahmen der Beitreibung auf der Grundlage eines einheitlicher Vollstreckungstitels nach § 9 Abs. 1 EUBeitrG dürfe nur vollstreckt werden, wenn der einheitliche Vollstreckungstitel gegenüber dem Schuldner vollstreckbar sei. Die in den einheitlichen Vollstreckungstiteln aufgeführten griechischen Vollstreckungstitel seien jedoch nicht gegenüber ihm, sondern gegenüber der B S.A. ergangen. Die Bescheide gegen die Gesellschaft seien ihm auch nie zugestellt worden. Damit liege ihm gegenüber kein Vollstreckungstitel vor. Darüber hinaus habe der Beklagte die Amtshilfe gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 EUBeitrG ablehnen müssen, weil die aus der Betriebsprüfung der B S.A. resultierenden Forderungen älter als fünf Jahre seien. Die materielle Rechtswidrigkeit ergebe sich zudem aus Verstößen gegen die deutsche öffentliche Ordnung (ordre public). Durch seine Inanspruchnahme als Vollstreckungsschuldner seien insbesondere die tragenden Grundsätze der öffentlichen Ordnung in Deutschland sowie die damit verbundenen Verfahrensrechte eklatant verletzt. Ihm seien keine Bescheide oder Gerichtsentscheidungen bekanntgegeben worden. Ihm sei daher weder ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden noch sei er über gegebene Rechtschutzmöglichkeiten informiert worden. Die Tatsache der fehlenden Zustellung der griechischen Vollstreckungstitels stelle jedenfalls nach den für das gegenständliche Verfahren relevanten Maßstäben einen groben Verstoß gegen den ordre public dar und zwar unabhängig vom Ausgang etwaiger griechischer Verfahren. Der Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass er erst nach Vorlage eines geänderten Beitreibungsersuchens einen möglichen Verstoß gegen den ordre public prüfen könne. Der ordre public sei in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen. Er habe zwischenzeitlich alle noch offenen Rechtsschutzwege in Griechenland beschritten. Hierbei habe sich herausgestellt, dass es ihm nach griechischem Recht gar nicht möglich sei, die Grundlagen der Steuerforderungen adäquat und ausreichend anzugreifen, da er an den bisherigen griechischen Verfahren gegen die B S.A. nicht beteiligt gewesen sei. Nach deutschem Recht würde in einer solchen Konstellation selbst § 166 AO die Rechtsschutzmöglichkeiten nicht einschränken. Im Übrigen werde die Auffassung, dass der Beklagte die Zustellung des griechischen Vollstreckungstitels zu prüfen habe, bestätigt durch das vor dem Hintergrund der - der EU-Beitreibungsrichtlinie vorangegangenen - EU-Richtlinie 76/308 ergangene Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 14.01.2010 (C-233/08 Randziffer 50 Satz 2). Nach den Ausführungen des EuGH stelle die Zustellung der Zahlungsaufforderungen vom 15.12.2012 mitsamt den einheitlichen Vollstreckungstiteln durch den Beklagten den Beginn der Vollstreckungsmaßnahmen dar. Wie die griechische Behörde in der Mitteilung vom 17.04.2013 ausführe, dienten allenfalls gerichtliche Beschlüsse gegen die B S.A. als Vollstreckungsgrundlage. Da er an den gerichtlichen Verfahren nicht beteiligt gewesen sei, müssten Streitigkeiten in Bezug auf eine ordnungsgemäße Bekanntgabe von der ersuchten deutschen Behörde überprüft werden.
27Darüber hinaus seien die einheitlichen Vollstreckungstitel teilweise in griechischer Sprache abgefasst. So würden unter "Sonstige Informationen" nach "Der Schuldner war Geschäftsführer des Hauptschuldner Unternehmens" nur noch griechische Bezeichnungen aufgeführt, die er nicht verstehe. Hinzu komme, dass eine mögliche Haftung nach griechischem Recht subsidiär sei. Es lägen aber keinerlei Belege dafür vor, dass Vollstreckungsversuche gegen die B S.A. erfolglos gewesen seien. Die B S.A. habe ausweislich ihrer Bilanz zum 29.08.2003, d. h. kurz vor Anmeldung der Insolvenz, noch über ein Aktivvermögen von 11.262.187,38 EUR, verfügt. In seinem Einspruchsschreiben vom 17.12.2012 habe er umfangreiche und ausführlich begründete Einwendungen gegen seine Inanspruchnahme in Griechenland vorgebracht. Dabei handele es sich u. a. um die Verfassungswidrigkeit der griechischen Haftungsgrundlagen an sich und die verfassungswidrige Auslegung dieser Vorschriften, Verfahrens-, Beurteilungs-, Ermittlungs- und Berechnungsfehler, Verstoß der griechischen Besteuerungsgrundlagen gegen Europarecht, Rechtswidrigkeit bzw. Nichtigkeit der Festsetzungen gegenüber der B S.A., fehlerhafte Auslegung der griechischen Haftungsvorschriften, Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, Verstöße gegen die EU-Beitreibungsrichtlinie. Damit stehe eine Vollstreckung in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zu grundlegenden Prinzipien der deutschen Rechtsordnung, welche nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und der Finanzgerichte zu beachten seien. Weiterhin sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) deshalb verletzt, weil er in den maßgeblichen griechischen Verfahren keine Gelegenheit erhalten habe, sich zu äußern. Daraus ergebe sich für den Beklagten die Pflicht, die Ausführungen aufzugreifen und in die Entscheidung einzubeziehen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass nach deutschem Grundverständnis für eine Haftungsinanspruchnahme eines Geschäftsführers oder Vorstands einer Gesellschaft immer auch eine schuldhafte Pflichtverletzung des jeweiligen Geschäftsleitungsorgans hinzukommen müsse (§ 69 AO, § 43 GmbHG, § 93 AktG). Ihn treffe demgegenüber an den streitgegenständlichen Steuerschulden der B S.A. kein Verschulden. In diesem Kontext sei auch zu berücksichtigen, dass die Steuerschulden nicht aus seiner Amtszeit resultierten. Der Umstand, dass er nach seiner Erinnerung von März 1998 bis Oktober 2001 einfaches Mitglied des Verwaltungsrates ohne Vertretungsbefugnis gewesen sei, sei irrelevant, da derartige Verwaltungsratsmitglieder in keiner Weise einer vergleichbaren Haftung unterlägen wie der Vorsitzende des Verwaltungsrates. Wenn ein Verschulden aus griechischer Sicht tatsächlich irrelevant sein sollte, führte dies zu einem Verstoß gegen allgemein gültige Prinzipien nach deutschem Verständnis und mithin zu einem weiteren Verstoß gegen den ordre public.
28Im Übrigen resultiere eine materielle Rechtswidrigkeit sämtlicher Maßnahmen der deutschen Finanzverwaltung einschließlich des Beklagten schon allein daraus, dass dieser das Beitreibungsersuchen wegen Unbilligkeit aufgrund der Regelung in § 14 Abs. 1 EUBeitrG schon von Beginn an habe ablehnen müssen. Ihm drohe durch die Vollstreckung der rd. 37 Mio. EUR Steuerschulden in sein Vermögen die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz. Auch eine nur vorläufige Vollstreckung würde seine private und berufliche Existenz zerstören. Die Schäden könnten nur schwerlich wieder rückabgewickelt werden. Zudem seien laufende Unterhaltsansprüche seiner Kinder und Ehefrau betroffen. Darüber hinaus wären selbst die gegenüber § 14 Abs. 1 EUBeitrG engeren bzw. restriktiveren Unbilligkeitsgrundsätze nach deutschem Steuerverfahrensrecht einschlägig. Dies gelte sowohl im Hinblick auf die persönliche als auch im Hinblick auf die sachliche Unbilligkeit im Sinne der §§ 162, 227 AO. Es erschließe sich nicht, warum die deutsche Finanzverwaltung unter vergleichbaren Umständen verpflichtet sein solle, etwaige griechische Steuerschulden einzutreiben. Die Beitreibung der griechischen Steuerforderungen in Höhe von rd. 37 Mio. EUR, insbesondere ohne jede Klärung der griechischen Sach- und Rechtslage, stelle zudem einen tiefgreifenden Eingriff in verschiedene Grundrechte dar. So werde durch eine Vollstreckung in seinem Grundrecht auf Schutz der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) verletzt. Eine Vollstreckung hätte ganz erhebliche Auswirkungen auf seinen Lebenswandel und den seiner Familie. Auch könnte die Ausbildung der Kinder nicht mehr finanziert werden. Weiterhin hätte die Vollstreckung einer derart immensen Summe die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz als Steuerberater zur Folge. Dies sei mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Außerdem werde ihm jegliches in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG fallendes Eigentum genommen. Aus den genannten Gründen sei auch die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 GG verletzt. Die Vollstreckung würde einen extrem gelagerten Einzelfall darstellen, der die Vernichtung seiner gesamten Lebensleistung zur Folge habe mit entsprechenden gravierenden Folgen für seine Familie. Dabei werde er nicht nur ohne jedes Verschulden, sondern auch noch ohne vorherige gerichtliche Prüfung seine wirtschaftliche Existenz vernichtet. Daher gebiete auch die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG und die staatliche Fürsorgepflicht, die Zahlungsaufforderungen aufzuheben. Die Vollstreckung eines Betrages von rd. 37 Mio. EUR gegenüber einem bloßen Haftungsschuldner sei schon vom Grundsatz her unverhältnismäßig.
29Falls das Gericht die Anfechtungsklage für unzulässig halten sollte, hätte er jedenfalls ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zahlungsaufforderungen gemäß § 41 Abs. 1 FGO. Mit den Zahlungsaufforderungen habe der Beklagte zumindest den Rechtsschein eines Verwaltungsaktes gesetzt, welcher seine wirtschaftliche Planungssicherheit gefährde. Es sei mit dem Gebot der Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes unvereinbar, wenn er gezwungen würde, Vollstreckungsmaßnahmen abzuwarten. Insbesondere der evidente Verstoß gegen den ordre public, d.h. das Fehlen eines Vollstreckungstitels, könne bereits jetzt im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht werden (Hinweis auf BFH-Urteil vom 03.11.2010 VII R 21/10, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2011, 401). Gleiches gelte, weil er mangels Zustellung eines Titels nicht in der Lage sei, den genauen Gegenstand und den Grund seiner Inanspruchnahme zu identifizieren. Damit sei er an einer effektiven Rechtsverfolgung gehindert. Daran ändere nichts, dass der Beklagte das Vollstreckungsverfahren ruhend gestellt bzw. ausgesetzt habe bis die Rechtmäßigkeit des Anspruchs in Griechenland geklärt sei. Unabhängig vom Ausgang griechischer Verfahren werde seine wirtschaftliche Planungssicherheit so stark beeinträchtigt, dass dies einer Zerstörung seiner wirtschaftlichen und beruflichen Existenz gleichkomme. Zudem bliebe die Rechtslage im Hinblick auf die fehlende Bekanntgabe eines Vollstreckungstitels unnötig lange unklar. Es bestehe unverändert die mit einem evidenten Verfahrensfehler behaftete Drohung einer Vollstreckung. Es gebe für ihn auch keinen schnelleren und einfacheren und billigeren Weg der Erreichung von Rechtsschutz. Der Vollständigkeit halber sei anzumerken, dass Beklagte sich zu einer möglichen Beschränkung bzw. Aussetzung des Verfahrens nicht bzw. nur schwankend und ohne erkennbaren Rechtsbindungswillen geäußert habe.
30Der Senat hat am 11.06.2015 einen Gerichtsbescheid erlassen und darin die Klage abgewiesen sowie die Revision zugelassen. Der Kläger hat fristgerecht am 13.07.2015 mündliche Verhandlung beantragt.
31Der Kläger trägt ergänzend vor, es seien neue Tatsachen hinzugetreten, die eine andere Würdigung erforderten und sein Begehren stützen, eine drohende Vollstreckung abzuwenden. So sei er mit E-Mail vom 18.09.2015 von der A AG darüber informiert worden, dass die von der B S.A. eingelegten Revisionen gegen die Steuerfestsetzungen in mindestens 17 von 25 Fällen aus formalen Gründen rechtskräftig zurückgewiesen worden seien. Es sei ihm in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen, die Gerichtsentscheidungen zu erlangen. Zudem sei das Insolvenzverfahren gegen die B S.A. mit Urteil Nr. 4 des Landgerichts H (Griechenland) aufgehoben worden. Eine Versteigerung der Restvermögenswerte der Gesellschaft sei erfolglos verlaufen.
32Aufgrund der neuen Tatsachenlage betreffend die B S.A. liege nunmehr eine die griechische Rechtslage bestätigende Entscheidung vor. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass die gegen die B S.A. ergangenen erstinstanzlichen Gerichtsentscheidungen nach Maßgabe der griechischen Rechtslage auch als Vollstreckungstitel gegen ihn dienen könnten. Die griechischen Vollstreckungstitel, die ihm ausweislich der Angaben im einheitlichen Vollstreckungstitel am 16.05.2008 zugestellt worden sein sollen, seien nunmehr rechtskräftig und damit auch in Bezug auf sein Verfahren als verbindlich anzusehen. Nach Maßgabe der griechischen Rechtslage würden Einwendungen gegen die in der Hauptsache festgesetzten Steuerforderungen im Rahmen seiner in Griechenland eingelegten Rechtsbehelfe nicht mehr berücksichtigt. Das bedeute, dass er als alleiniger Verwaltungsratspräsident mit Vertretungsmacht zum Zeitpunkt der Auflösung der B S.A. durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens neben der Gesellschaft für deren Steuerschulden hafte, unabhängig davon, wann die Steuerfestsetzung erfolgt sei und welche Steuerjahre betroffen seien. Er habe keine Möglichkeit mehr, die Grundlagen seiner Haftung prüfen zu lassen. Es bestehe die Besorgnis, dass das Beitreibungsersuchen nunmehr in Deutschland fortgesetzt werde, zumal es seitens der griechischen Behörden keine andere Mitteilung als die vom 17.04.2013 über die Weiterführung des Vollstreckungsverfahrens gebe und ihm in Griechenland vorläufiger Rechtsschutz nicht gewährt worden sei.
33Die neuen Tatsachen seien entscheidungserheblich, da sie ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 41 FGO begründeten. Er sei einer konkreten Gefahr der Vollstreckung ausgesetzt, da eine Überprüfung der gegen ihn gerichteten Forderungen in der Hauptsache nicht mehr möglich sei. Die griechischen Behörden hätten in ihrer Mitteilung vom 17.04.2013 die Vollstreckung trotz vorheriger Anfechtung der Haftungsbescheide verlangt, ohne dass bisher eine andere Erklärung vorliege. Damit liege ein Fall des § 13 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 EUBeitrG vor, der regele, dass auch dann, wenn im ersuchenden Staat Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt werde, die Entscheidung im ersuchten Staat zu exekutieren sei. Die seitens des Beklagten im Rahmen dieses Rechtsstreits im Schriftsatz vom 29.04.2014 abgegebene Erklärung, das Vollstreckungsverfahren bis zu einer rechtsgültigen Entscheidung in Griechenland auszusetzen, stehe folglich im Widerspruch zu § 13 Abs. 2 Satz 3 EUBeitrG und könne für ihn in mehrfacher Hinsicht keine Sicherheit gewähren. Zum einen sei unklar, auf welches in Griechenland geführte Verfahren die Aussage sich beziehe, nämlich ob Bezug genommen werde auf die Verfahren, in denen über das Bestehen der Steuerschuld der B S.A. gestritten werde oder auf die von ihm initiierten Verfahren zur Vermeidung einer Inanspruchnahme als Mitglied des Verwaltungsrates. Zum anderen sei aufgrund rechtskräftiger Beendigung der Verfahren betreffend das Bestehen der Steuerschuld jedenfalls in den entschiedenen 17 Fällen ihm nunmehr in Griechenland der Einwand abgeschnitten, dass eine Steuerschuld nicht bestünde, was unmittelbar eine Haftung zur Folge habe. Nach Aussage des Beklagten sei die Vollstreckung lediglich bis zur abschließenden Klärung des Bestehens der griechischen Forderung ausgesetzt. Das sei mit Ergehen der rechtskräftigen Entscheidungen geklärt.
34Das mit Schriftsatz vom 28.09.2015 ergänzend gestellte Unterlassungsbegehren sei streitgegenständlich identisch und verfolge das bisher bereits artikulierte Ziel auf Erlangung vorbeugenden Rechtsschutzes. Für die vorbeugende Unterlassungsklage sei nach der Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 11.12.2012 VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739) dann Raum, wenn das erstrebte Schutzziel mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bzw. einstweiliger Anordnung nicht erreicht werden könne. Ein Abwarten der tatsächlichen Rechtsverletzung sei hier unzumutbar, weil die Rechtsverletzung nicht wiedergutzumachen wäre. Der Beginn der Vollstreckung hätte für ihn eine Privatinsolvenz zur Folge. Die Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes sei unzumutbar, da im Rahmen eines solchen Verfahrens die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nur summarisch geprüft würden und die Steuerfestsetzungen gegenüber der B S.A. rechtsverbindlich für ihn gälten.
35In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ergänzend vorgetragen, er sei bei der Betriebsprüfung mit einem Ansinnen konfrontiert worden, das einer Korruption nahe komme. In der Schlussbesprechung habe man sie mit drei Alternativen konfrontiert, einem „leichten“ Bericht (Nachzahlung 3 Mio. EUR), einem „mittelschweren“ und einem „schweren“ Bericht (Nachzahlung 30 Mio. EUR). Man habe sich auf den „weichen“ Bericht einigen sollen, aus Erfahrung wären dann 50% an den Fiskus gegangen und 50% an einen Berater, der das Geld unter den Prüfern verteilt hätte. Der Vorschlag sei abgelehnt worden, weil die A AG den Betrag nicht habe zahlen wollen. In der Folge seien Festsetzungen über 51 Mio. EUR ergangen.
36Darüber hinaus hat er die Einvernahme des Bundeszentralamts für Steuern beantragt, hilfsweise des Beklagten zu entsprechenden Prüfungshandlungen im Hinblick auf die Zulässigkeit des Beitreibungsersuchens sowie zur Klärung der griechischen Rechtslage die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu folgenden Fragen: Nach welchen anwendbaren griechischen Vorschriften hätten griechische Behörden die für ein Beitreibungsersuchen behauptete Zustellung vornehmen müssen? Entspricht die von den griechischen Behörden in der Mitteilung vom 17.04.2013 dargestellte Zustellung den anwendbaren griechischen Rechtsvorschriften? Kann die in dem Beitreibungsersuchen behauptete Zustellung nach den anwendbaren griechischen Rechtsvorschriften dem gegenständlichen Beitreibungsersuchen unter Geltung der nach der seit 1.1.2012 geltenden Rechtslage zugrunde gelegt werden? Beinhaltet das von griechischen Behörden gegen den Kläger praktizierte Verfahren einen Verstoß gegen den ordre public unter Berücksichtigung der griechischen und der deutschen Rechtsvorschriften?
37In der mündlichen Verhandlung hat sich der Beklagte ausdrücklich verpflichtet, mit Vollstreckungsmaßnahmen nicht zu beginnen, bevor nicht die Mitteilung aus Griechenland eingegangen ist, dass die Klageverfahren einschließlich der persönlichen Verfahren des Klägers wegen der in Griechenland vollstreckbaren Forderungen abgeschlossen sind und die Forderungen ganz oder teilweise bestehen bleiben.
38Der Kläger beantragt,
39die Zahlungsaufforderung über 19.068.169,90 EUR zzgl. Säumniszuschlägen von 125.446,00 EUR, insgesamt 19.193.615,90 EUR vom 15.11.2012 sowie die Zahlungsaufforderung über 17.728.938,83 EUR zzgl. Säumniszuschlägen von 117.021,00 EUR, insgesamt 17.845.959,83 EUR vom 15.11.2012 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 05.06.2013 aufzuheben,
40hilfsweise festzustellen, dass
41- die beiden Zahlungsaufforderungen vom 15.11.2012,
42- die einheitlichen Vollstreckungstitel mit Ausstellungsdatum 15.11.2012, die den Zahlungsaufforderungen als Anlage beigefügt waren sowie
43- die Einspruchsentscheidung vom 05.06.2013
44jeweils rechtswidrig sind und Vollstreckungsmaßnahmen hieraus jeweils unzulässig sind
45und
46den Beklagten zu verpflichten, es zu unterlassen Zwangsvollstreckungsmaß-nahmen aus dem Beitreibungsersuchen der griechischen Behörden, das den beiden Zahlungsaufforderungen zugrunde liegt, vorzunehmen.
47Der Beklagte beantragt,
48die Klage abzuweisen.
49Der Beklagte macht im Wesentlichen geltend: Die Anfechtungsklage sei unzulässig. Die Zahlungsaufforderungen seien keine Verwaltungsakte. Die Feststellungsklage sei ebenfalls unzulässig. Er habe das Vollstreckungsverfahren trotz wiederholtem Drängen der griechischen Finanzbehörden bis zum Ausgang sämtlicher in Griechenland anhängiger Verfahren ausgesetzt. Soweit der Kläger einwende, dass dies aus der Einspruchsentscheidung nicht eindeutig hervorgehe, sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch keinen Aussetzungsantrag gestellt, sondern dies nur angekündigt hatte, gleichwohl aber von ihm - dem Beklagten - erwartet habe, dass er bei seiner Entscheidung einen nicht gestellten Antrag berücksichtige. Er habe das Vollstreckungsverfahren gleichwohl ausgesetzt. Da aber nicht festgestanden habe, dass tatsächlich ein Aussetzungsantrag gestellt werde, habe er die Aussetzung befristet. Dass der Kläger diese Vorgehensweise beanstande, sei nicht nachvollziehbar. Auf ausdrücklichen Wunsch der ersuchenden Behörde könne gemäß § 13 EUBeitrG sogar eine angefochtene Forderung beigetrieben werden. Er habe bereits im Vorfeld, aber auch in der Folgezeit gegenüber dem Kläger wiederholt und eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass das Vollstreckungsverfahren bis zu einer endgültigen Klärung der Rechtslage in Griechenland ausgesetzt werde. Er habe dies auch gegenüber den griechischen Finanzbehörden zum Ausdruck gebracht. Ihm sei die Tragweite des Verfahrens durchaus bewusst. Er habe das Vollstreckungsverfahren nicht aufgenommen, obwohl der Aussetzungsantrag zwischenzeitlich abgelehnt worden sei. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt würde eine Zurückweisung des Beitreibungsersuchens eine Vorwegnahme der Entscheidung des griechischen Gerichts darstellen. Erst nach der Entscheidung des griechischen Gerichts sei eine umfassende rechtliche Würdigung in Anlehnung an das deutsche Recht zulässig, da in die Entscheidung zwingend die Urteilsgründe des griechischen Gerichts Eingang finden müssten. Dies sei auf die Zuständigkeitsverteilung in Art. 14 der Beitreibungsrichtlinie zurückzuführen. Es werde aber nochmals klargestellt, dass das Vollstreckungsverfahren bis zu einer abschließenden Klärung der Ansprüche nicht aufgenommen werde.
50Die Klage könne aber auch in der Sache keinen Erfolg haben. Die einheitlichen Vollstreckungstitel seien nach der Beitreibungsrichtlinie Rechtsgrundlage für die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen im Inland. Die einheitlichen Vollstreckungstitel seien in deutscher Sprache abgefasst und wiesen zu jeder Forderungsart die Hauptforderung und die hierauf entfallenden Zinsen unter der Rubrik „noch fällig“ bzw. „Gesamtbetrag der Forderung“ aus. Die fehlende Angabe der „ursprünglich fälligen Beträge“ diene der besseren Orientierung und führe nicht zu einer widersprüchlichen Darstellung. Soweit der Kläger mangelnde Rechtsklarheit und Rechtssicherheit moniere, könne dies nicht nachvollzogen werden. Entgegen der Auffassung des Klägers lägen keine Ablehnungsgründe im Sinne des § 14 Abs. 2 EUBeitrG vor. Die Beitreibungsersuchen hätten jeweils den 01.07.2008 als Zeitpunkt ausgewiesen, ab dem eine Vollstreckung möglich sei. Die Beitreibungsersuchen seien am 07.11.2012 beim Bundeszentralamt für Steuern und damit innerhalb der Fünf- bzw. Zehnjahresfrist des § 14 Abs. 2 EUBeitrG eingegangen. Dem Einwand, das Beitreibungsersuchen sei wegen Unbilligkeit gemäß § 14 Abs. 2 EUBeitrG abzulehnen, sei entgegen zu halten, dass § 258 AO in Verbindung mit den Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung Umfang und Wirkung des Vollstreckungsverfahrens begrenzten.
51Soweit der Kläger geltend mache, er habe den zu Grunde liegenden griechischen Vollstreckungstitel nicht erhalten, könne er diesen Einwand nur in Griechenland geltend machen. Ihm - dem Beklagten - sei es nicht gestattet, Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit der Entscheidung in Frage zu stellen. Zwar müsse der ersuchende Mitgliedsstaat im Besitz eines rechtsgültigen Titels sein, bevor ein Beitreibungsersuchen gestellt werde. Wie sich aus § 9 Abs. 1 EUBeitrG ergebe, sei diese Voraussetzung vom ersuchten Mitgliedsstaat jedoch als gegeben anzusehen. Sollte der ersuchte Mitgliedsstaat verpflichtet sein zu prüfen, ob ein vollstreckbarer Vollstreckungstitel vorliege, müsse er sich nicht nur mit den nationalen Vorschriften des ersuchenden Mitgliedsstaates auseinandersetzen, sondern würde auch in dessen Souveränität eingreifen. Darüber hinaus würde eine solche Verfahrensweise das Beitreibungsverfahren unterlaufen, das gerade auf das reibungslose Funktionieren des Systems der Amtshilfe gerichtet sei. Dem Rechtsschutzinteresse des Klägers werde dadurch Genüge getan, dass er seine Einwendungen im ersuchenden Mitgliedstaat vorbringen könne und dies im ersuchten Mitgliedstaat grundsätzlich eine Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens bewirke. Die Frage, ob ein Verstoß gegen den Grundsatz des ordre public gegeben sei, könne erst nach Klärung der Rechtslage in Griechenland entschieden werden. Entscheidend für das Verfahren sei die wirksame Bekanntgabe des Vollstreckungstitels. Gegenwärtig stehe die Aussage der griechischen Behörde, dass eine ordnungsgemäße Bekanntgabe erfolgt sei, der Aussage des Klägers gegenüber. Solange diese Frage nicht geklärt sei, könne nicht geprüft werden, ob die Anwendung griechischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den hierin enthaltenen Rechtsvorstellungen signifikant in Widerspruch stehe.
52Entscheidungsründe
53I. Die Klage ist unzulässig.
541. Der Beklagte hat den Einspruch gegen die Zahlungsaufforderungen vom 15.11.2012 zu Recht mit der Einspruchsentscheidung vom 05.06.2013 als unzulässig verworfen, weil es sich nicht um Verwaltungsakte handelt.
55Gemäß § 347 Abs. 1 Satz 1 AO ist gegen die dort genannten Verwaltungsakte als Rechtsbehelf der Einspruch statthaft. Bei einem Verwaltungsakt handelt es sich gemäß § 118 Satz 1 AO um jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die Zahlungsaufforderungen stellen keine Verwaltungsakte in diesem Sinne dar.
56Die Zahlungsaufforderungen enthalten keine eigenständige Regelung, da diese sich auf die Mitteilung der Zahlstelle beschränken, an die der Kläger die ihm durch das Beitreibungsersuchen auferlegte Zahlung zu bewirken hat. Zwar enthalten sie auch die Ankündigung von Vollstreckungsmaßnahmen für den Fall, dass der Kläger den Zahlungsaufforderungen innerhalb der angegebenen Frist nicht nachkommt. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung handelt es sich bei der Ankündigung der Vollstreckung jedoch lediglich um eine aus Gründen der Zweckmäßigkeit nach außen gerichtete Bekanntmachung einer verwaltungsinternen Maßnahme (z. B. BFH-Beschluss vom 30.08.2010 VII B 48/10, BFH/NV 2010, 2235 m.w.N. zur Zahlungsaufforderung aufgrund eines Beitreibungsersuchens).
57Entgegen der Aufforderung des Klägers handelt es sich bei den Zahlungsaufforderungen selbst dann nicht um ein Leistungsgebot im Sinne des § 254 Abs. 1 AO, wenn in Griechenland gegen den Kläger keine gesonderte Zahlungsaufforderung ergangen sein sollte. Die Einleitung der Vollstreckung aufgrund eines Beitreibungsersuchens nach Maßgabe des EUBeitrG setzt kein Leistungsgebot voraus. Zwar erfolgt die Vollstreckung bei einem Beitreibungsersuchen von anderen Mitgliedstaaten nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in § 9 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG nach den Vorschriften der AO. Zu diesen die Vollstreckung betreffenden Vorschriften gehört unter anderem die Vorschrift des § 254 Abs. 1 AO über das Leistungsgebot, wonach die Vollstreckung erst beginnen darf, wenn der Vollstreckungsschuldner zur Leistung aufgefordert worden ist. Nach dem EUBeitrG besteht für ein gesondertes Leistungsgebot im Vollstreckungsstaat jedoch keine Rechtsgrundlage. Damit kann es sich bei den Zahlungsaufforderungen aber auch nicht um Verwaltungsakte handeln.
58Dies folgt nach Auffassung des Senats zum einen aus der Anerkennung des einheitlichen Vollstreckungstitels als alleiniger Grundlage der Vollstreckung und zum anderen aus der fehlenden Möglichkeit, den einheitlichen Vollstreckungstitel im Vollstreckungsstaat anzufechten.
59Wie sich aus § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 EUBeitrG ergibt, werden Forderungen, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht, wie eine inländische Forderung vollstreckt. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der ursprüngliche Vollstreckungstitel durch einen einheitlichen Vollstreckungstitel bestätigt und dieser einheitliche Vollstreckungstitel dem Beitreibungsersuchen beigefügt wurde. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 EUBeitrG wird dieser einheitliche Vollstreckungstitel als vollstreckbarer Verwaltungsakt fingiert. Dieser ist - wie sich aus § 10 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EUBeitrG ergibt - die „alleinige Grundlage“ für die im Vollstreckungsstaat zu ergreifenden Beitreibungsmaßnahmen und muss - wie aus dem nachfolgenden Satz 2 folgt - im Vollstreckungsstaat weder durch einen besonderen Akt anerkannt noch ergänzt oder ersetzt werden. Dies kann nur so verstanden werden, dass im Vollstreckungsstaat kein gesondertes Leistungsgebot erforderlich ist. In Konsequenz dazu fehlt im EUBeitrG eine Vorschrift, die dem zwischenzeitlich außer Kraft getretenen § 4 Abs. 1 EGBeitrG entsprechen würde. Voraussetzung für die Vollstreckung war danach unter anderem, dass die ersuchende Behörde einen in ihrem Staat vollstreckbaren Titel in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie vorlegt. Eine Vollstreckung sollte deshalb nach damaliger Rechtslage nur statthaft sein, wenn der zu vollstreckende Vollstreckungstitel ordnungsgemäß bekannt gegeben war (FG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 08.01.2008 3 V 3260/07, Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 502). Die Gesetzeshistorie verdeutlicht, dass nunmehr der einheitliche Vollstreckungstitel an die Stelle des - regelmäßig mit einer Zahlungsaufforderung versehenen - vollstreckbaren Titels tritt. Dass der einheitliche Vollstreckungstitel dem Schuldner gesondert zuzustellen ist, ist im EUBeitrG nicht vorgesehen. Eine solche Zustellung braucht weder vom Ursprungsstaat nachgewiesen zu werden, noch handelt es sich um eine Verfahrensvoraussetzung, die vom Vollstreckungsstaat wahrzunehmen wäre. Damit besteht auch für ein gesondertes Leistungsgebot im Vollstreckungsstaat keine Rechtsgrundlage.
60Wie sich aus § 13 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG ergibt, dürfen im Vollstreckungsstaat weder die Forderung, der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder dessen Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel in der Sache selbst nachgeprüft werden. Die Überprüfung erfolgt durch den Ursprungsstaat und richtet sich sowohl nach dessen Verfahrensrecht als auch nach dessen materiellem Recht. Dementsprechend enthält § 13 Abs. 2 Satz 2 EUBeitrG nur die Möglichkeit, die Vollstreckung für den Zeitraum auszusetzen, in dem der Schuldner im Ursprungsstaat gegen den Vollstreckungstitel als solchen oder dessen Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel vorgeht. Ob der Sachentscheidung im Ursprungsstaat ein Verfahrensverstoß zu Grunde liegt, weil beispielsweise der ursprüngliche Vollstreckungstitel - wie im Streitfall vom Kläger behauptet - nicht zugestellt wurde, darf im Vollstreckungsstaat nicht geprüft werden. Solange die Bestätigung des ursprünglichen Vollstreckungstitels als einheitlicher Vollstreckungstitel durch den Ursprungsstaat nicht aufgehoben wurde, ist die Vollstreckung durchzuführen. Es kann daher vorkommen, dass der Schuldner - wie möglicherweise im Streitfall der Kläger - erst im Zuge der Vollstreckung von der Existenz des ursprünglichen Vollstreckungstitels informiert wird. Dies hat der Gesetzgeber offenbar im Vertrauen auf die Rechtsstaatlichkeit der Verwaltung und die ordnungsgemäße Rechtspflege in den Mitgliedstaaten in Kauf genommen. Dieses Vertrauen beinhaltet, dass nur das Gericht des Ursprungsstaates beurteilen darf, ob die Voraussetzungen für die Bestätigung des Vollstreckungstitels als einheitlicher Vollstreckungstitel vorliegen.
61Der Senat sieht sich damit auf einer Linie mit der Rechtsprechung des BFH, wonach ein Leistungsbescheid als Vollstreckungsvoraussetzung entbehrlich ist, wenn die zu vollstreckende Forderung durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wurde; es reicht aus, dass der Schuldner mit "Zahlungsmitteilung" formlos erneut zur Zahlung aufgefordert werde (z. B. BFH-Beschlüsse vom 30.09.2002 VII S 16/02 (PKH), BFH/NV 2003, 142; vom 10.07.2007 VII S 25/07 (PKH), BFH/NV 2007, 2240). Die Rechtslage ist durchaus vergleichbar. Wie sich aus den Gründen des Beschlusses in BFH/NV 2003, 142 ergibt, sah sich der BFH zu der Annahme, dass in einem solchen Fall ein Leistungsgebot entbehrlich ist, deshalb veranlasst, weil ursprünglich ein Leistungsbescheid vorgelegen haben muss. Dies trifft auch für den Streitfall zu. Denn für Beitreibungsersuchen der deutschen Finanzverwaltung in andere Mitgliedstaaten ordnet § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EUBeitrG an, dass die Voraussetzungen der Vollstreckung gegeben sein müssen. Grund dafür ist, dass der einheitliche Vollstreckungstitel - wie durch § 10 Abs. 3 Satz 2 EUBeitrG klar gestellt wird - im Vollstreckungsstaat nicht durch einen besonderen Akt ergänzt werden muss. Das bedeutet für Beitreibungsersuchen der deutschen Finanzverwaltung in andere Mitgliedstaaten, dass der Schuldner vor dem Beitreibungsersuchen durch ein gesondertes Leistungsgebot zur Zahlung aufgefordert worden sein muss. Denn sonst wären die Vollstreckungsvoraussetzungen nach der AO nicht erfüllt. In umgekehrter Richtung - also bei Beitreibungsersuchen von anderen Mitgliedstaaten - ist durch den Vollstreckungsstaat dann die Annahme gerechtfertigt, dass im Ursprungsstaat die Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt sind und - soweit überhaupt erforderlich - ein Leistungsgebot erfolgt ist. Damit handelt es sich bei dem Leistungsgebot nicht um eine Vollstreckungsvoraussetzung, die vom Vollstreckungsstaat zu erfüllen wäre. Wie sich weiter aus den Gründen des Beschlusses in BFH/NV 2003, 142 ergibt, sah sich der BFH zu der Annahme, dass ein Leistungsgebot (im Falle eines rechtskräftigen Urteils) entbehrlich ist, auch deshalb veranlasst, weil ansonsten eine neue Anfechtungsmöglichkeit eröffnet werde. Diese Erwägung gilt auch im Streitfall. Denn aus § 13 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG ergibt sich, dass weder die Forderung noch der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder dessen Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel im Vollstreckungsstaat überprüft werden dürfen. § 13 Abs. 2 Satz 2 EUBeitrG sieht in den Fällen der Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die Forderung, den ursprünglichen Vollstreckungstitel und den einheitlichen Vollstreckungstitel im Ursprungsstaat eine Aussetzung der Vollstreckung vor, dies aber nur solange, wie nicht über den Rechtsbehelf entschieden ist.
62Dass der einheitliche Vollstreckungstitel alleinige Grundlage der Vollstreckung ist und im Vollstreckungsstaat nicht durch ein gesondertes Leistungsgebot ergänzt werden muss, entspricht auch dem ausdrücklichen Willen des Richtliniengebers.
63Dies ergibt sich ganz allgemein schon aus dem Erwägungsgrund 8 der EU-Beitreibungsrichtlinie, wonach mit der Schaffung eines einheitlichen Vollstreckungstitels die Probleme der Anerkennung von Rechtstiteln eines anderen Mitgliedstaates ausgeräumt werden sollen, insbesondere aber aus Art. 12 Abs. 1 EU-Beitreibungsrichtlinie. Darin heißt es in Unterabs. 1, dass jedem Beitreibungsersuchen ein einheitlicher Vollstreckungstitel beizufügen ist, der zur Vollstreckung im ersuchten Staat ermächtigt. Dies kommt in dem Unterabs. 2 noch deutlicher zum Ausdruck, da in dessen Satz 1 der einheitliche Vollstreckungstitel als alleinige Grundlage für die im ersuchten Mitgliedsstaat zu ergreifenden Beitreibungs- und Sicherungsmaßnahmen festgelegt wird und in dessen Satz 2 ausdrücklich hervorgehoben wird, dass der einheitliche Vollstreckungstitel im ersuchten Mitgliedstaat weder durch einen besonderen Akt anerkannt, noch ergänzt oder ersetzt werden muss. Art. 8 Abs. 1 der früheren Richtlinie 2008/55/EG (ABl. L 150 vom 10.06.2008) sah dagegen noch vor, dass der Vollstreckungstitel gegebenenfalls nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz hat, als solcher bestätigt und anerkannt oder durch einen Titel ergänzt oder ersetzt werden konnte, der die Vollstreckung im Hoheitsgebiets dieses Mitgliedstaates ermöglicht. Die in dem Erwägungsgrund 4 der EU-Beitreibungsrichtlinie enthaltene Äußerung, dass es bedeutender Anpassungen bedarf, damit die Amtshilfe effizienter und effektiver sowie leichter anwendbar wird, wobei eine reine Änderung der geltenden Richtlinie 2008/55/EG nicht ausreicht, und dass die genannte Richtlinie deshalb aufgehoben und durch ein neues Rechtsinstrument mit - soweit erforderlich - klareren und präziseren Regeln ersetzt werden sollte,lässt keine Zweifel an der Absicht des Richtliniengebers an einer grundsätzlichen Neuregelung aufkommen.
64Dass die Aufgabe jeder Kontrolle der Sachentscheidung oder der Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel im Vollstreckungsstaat Kernpunkt der Richtlinie ist, kommt insbesondere im Erwägungsgrund 12 zum Ausdruck. Darin heißt es „Im Verlauf des Beitreibungsverfahrens könnte die betroffene Person im ersuchten Mitgliedstaat die Forderung, die Zustellung seitens der Behörden des ersuchenden Mitgliedstaats oder den Vollstreckungstitel anfechten. Es sollte vorgesehen werden, dass in solchen Fällen der betreffende Rechtsbehelf bei der zuständigen Instanz des ersuchenden Mitgliedstaats eingelegt werden sollte und die ersuchte Behörde das von ihr eingeleitete Beitreibungsverfahren aussetzen sollte, bis die zuständige Instanz des ersuchenden Mitgliedstaats eine Entscheidung getroffen hat, es sei denn, die ersuchende Behörde wünscht ein anderes Vorgehen.“ Auch aus Art. 17 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1189/2011 der Kommission vom 18.11.2011 (ABl. L 302 vom 19.11.2011) ergibt sich nicht, dass Zustellungen im ersuchen Mitgliedsstaat zu prüfen sind.
65Im Übrigen spricht im Streitfall gegen die Annahme einer bindenden Regelung auch das äußere Erscheinungsbild der Zahlungsaufforderungen. Der Beklagte hat diese selbst nicht als Bescheid bezeichnet. Die Schreiben sind im Stil eines persönlichen Anschreibens gehalten. Hinzu kommt, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung fehlt. Dies allein schließt zwar die Annahme eines Verwaltungsakts grundsätzlich nicht aus, verstärkt jedoch aus Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers den Eindruck, dass es sich bei den Schreiben nicht um Leistungsgebote handelt, sondern ausschließlich um ein Schreiben mit informatorischem Charakter.
662. Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist ebenfalls unzulässig.
67Nach § 41 Abs. 1 FGO kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Die Feststellung kann nach § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.
68a) Bei der von dem Kläger begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zahlungsaufforderungen handelt es sich nicht um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 41 Abs. 1 FGO.
69Unter einem Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift wird die aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm sich ergebende rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen oder zu einer Sache verstanden; auch einzelne rechtliche Folgen einer solchen Rechtsbeziehung können Gegenstand der Feststellungsklage sein. Aus dem Erfordernis der Konkretheit ergibt sich, dass ein Sachverhalt, der erst in Zukunft Rechtsbeziehungen hervorrufen kann, ein positiv oder negativ feststellungsfähiges Rechtsverhältnis nicht begründen kann (z. B. BFH-Urteil vom 08.04.1981 II R 47/79, BStBl II 1981, 581). Daraus folgt, dass das Feststellungsbegehren, ein bestimmtes Rechtsverhältnis bestehe nicht, nicht auf Rechtsfolgen, die erst in Zukunft eintreten könnten, gestützt werden kann. Das Feststellungsbegehren muss grundsätzlich ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis betreffen. Dies ist dann der Fall, wenn die aus ihm folgenden rechtlichen Beziehungen im Zeitpunkt der Entscheidung über die Feststellungsklage schon oder noch bestehen (z. B. FG München Urteil vom 16.01.2008 14 K 3840/07, juris).
70Zwischen dem Kläger und dem Beklagten bestehen keine solchen gegenwärtigen Rechtsbeziehungen. Denn der Kläger ist derzeit keiner Vollstreckung durch den Beklagten ausgesetzt. Der Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung verpflichtet, mit Vollstreckungsmaßnahmen nicht zu beginnen bevor nicht die Mitteilung aus Griechenland eingegangen ist, dass die Klageverfahren einschließlich der persönlichen Verfahren des Klägers wegen der in Griechenland vollstreckbaren Forderungen abgeschlossen sind und die Forderungen ganz oder teilweise bestehen bleiben. Diese Verfahrensweise des Beklagten entspricht § 13 Abs. 2 Satz 2 EUBeitrG, da der Kläger in Griechenland gegen die Forderungen vorgeht und diesem Mitgliedstaat die Überprüfung vorbehalten ist. Nach dem Vortrag des Klägers liegt in seiner Sache noch keine die Rechtslage feststellende Entscheidung durch das griechische Gericht vor, so dass derzeit nicht absehbar ist, ob überhaupt und - wenn ja - wann das Beitreibungsverfahren fortgesetzt wird. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass trotz der Aussetzung des Beitreibungsverfahrens noch eine Unsicherheit besteht. Allein die abstrakte Gefahr, dass entgegen der ausdrücklichen Erklärung des Beklagten dieser den Kläger in Anspruch nehmen könnte, reicht dazu nicht aus.
71b) Soweit der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit der einheitlichen Vollstreckungstitel begehrt, ist schon der Finanzrechtsweg nicht eröffnet.
72Die Frage der Rechtswidrigkeit der einheitlichen Vollstreckungstitel fällt nicht in die Zuständigkeit der Finanzgerichte. Der Gesetzgeber hat mit dem EUBeitrG ein spezialgesetzlich abschließendes System für die Beitreibung ausländischer Steuern geschaffen. Dem Vollstreckungsstaat wird in § 13 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG jegliche Nachprüfung des einheitlichen Vollstreckungstitels untersagt. Der Rechtsschutzanspruch des Klägers wird damit allein durch die Möglichkeit der Anfechtung der einheitlichen Vollstreckungstitel in Griechenland erfüllt. Dies gilt auch, soweit der Kläger die Zinsforderungen als nicht nachvollziehbar beanstandet. Es wäre auch nicht sachgerecht, die Frage, ob die einheitlichen Vollstreckungstitel eine wirksame Vollstreckungsgrundlage darstellen, losgelöst von der Frage der Rechtmäßigkeit der eigentlichen Haftungsinanspruchnahme zu klären, wenngleich der Senat den Wunsch des Klägers, bereits heute Klarheit über die Rechtslage zu erzielen, ohne Weiteres nachvollziehen kann. Sollte der Kläger - aus welchen Gründen auch immer - mit seiner Klage in Griechenland Erfolg haben, erübrigt sich eine Feststellung im von ihm beantragten Sinne. Es ist deshalb nicht zu erkennen, warum der Kläger gegenwärtig an der Feststellung ein berechtigtes Interesse haben könnte.
73c) Der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Einspruchsentscheidung gerichtete Hilfsantrag ist wegen der in § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO angeordneten Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber einer Anfechtungsklage unzulässig. Der Kläger hat die Einspruchsentscheidung angefochten. Im diesem Rahmen war zu klären, ob die Einsprüche gegen die Zahlungsaufforderungen zulässig waren und ob der Beklagte berechtigt war, die Einsprüche als unzulässig zu verwerfen.
74d) Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist auch unzulässig, soweit es um Feststellung der Rechtswidrigkeit (künftiger) Vollstreckungsmaßnahmen geht.
75Für eine solche vorbeugende Feststellungsklage zur Klärung von Vollstreckungsvoraussetzungen ist nach der Rechtsprechung des BFH nur dann Raum, wenn das Gebot effektiven Rechtsschutzes eine gerichtliche Klärung der Vollstreckungsvoraussetzungen im Vorhinein erfordert, weil die zu erwartenden Vollstreckungsmaßnahmen über die reine Geldleistung hinausgehende einschneidende Beeinträchtigungen mit sich brächten, vor welchen eine Aussetzung der Vollziehung der Vollstreckungsmaßnahmen nicht schützen könnte (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.2012 VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739). Diese Ausnahme ist im Streitfall nicht gegeben.
76Der Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung nochmals verpflichtet, bis zu den Entscheidungen in Griechenland aus dem Beitreibungsersuchen gegen den Kläger nicht vorzugehen. Unter diesen Umständen ist das Interesse des Klägers an einer gerichtlichen Klärung, ob eine Vollstreckung nach dem Maßstab deutscher Rechtsgrundsätze rechtswidrig ist, nicht gegeben. Vorbeugender Rechtsschutz durch eine Feststellungsklage kann nur beansprucht werden, wenn dem Betroffenen Rechtsnachteile drohen, die mit einer späteren Aussetzung der Vollziehung der Vollstreckungsmaßnahmen nicht ausgeräumt werden können. Solche Befürchtungen sind nicht gerechtfertigt, solange der Beklagte ausdrücklich erklärt, keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger zu ergreifen. Es fehlt dann an den besonderen Gründen, die es bereits jetzt rechtfertigen würden, den begehrten Rechtsschutz zuzulassen.
77Hinsichtlich der mit Schriftsatz vom 28.09.2015 begehrten Verpflichtung des Beklagten, weitere Vollstreckungsmaßnahmen zu unterlassen, ist die Klage ebenfalls unzulässig. Dabei geht der Senat zu Gunsten des Klägers davon aus, dass es sich lediglich um eine Klarstellung der (hilfsweise) von Anfang an begehrten Feststellung handelt, dass (künftige) Vollstreckungsmaßnahmen unzulässig sind. Denn eine - wie hier - unzulässige Klage kann nicht im Wege der Klageänderung gemäß § 67 FGO in eine zulässige Klage umgewandelt werden. Eine vorbeugende Unterlassungsklage ist ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn vom Kläger substantiiert und in sich schlüssig dargelegt wird, dass er durch ein bestimmtes, künftig zu erwartendes Handeln einer Behörde in seinen Rechten verletzt werde, und dass ein Abwarten der tatsächlichen Rechtsverletzung für ihn unzumutbar sei, weil die Rechtsverletzung nicht oder nur schwerlich wieder gut zu machen wäre (z. B. BFH-Urteil vom 11.12.2012 VII R 69/11, a.a.O.). Dies ist hier - wie eben dargelegt - nicht der Fall.
78e) Die Feststellungsklage hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg.
79Insbesondere stünden Ablehnungsgründe nach Maßgabe des EUBeitrG einer Amtshilfe nicht entgegen.
80Dies gilt zum einen für den Ablehnungsgrund der Unbilligkeit der Vollstreckung. Nach § 14 Abs. 1 EUBeitrG wird Amtshilfe nicht geleistet, wenn die Vollstreckung unbillig wäre. In Art. 18 Abs. 1 EU-Beitreibungsrichtlinie wird insoweit auf das nationale Recht verwiesen. Dort ist ausgeführt, dass die ersuchte Behörde nicht verpflichtet ist Amtshilfe zu leisten, falls die Beitreibung aus Gründen, die auf die Verhältnisse des Schuldners zurückzuführen sind, erhebliche wirtschaftliche oder soziale Schwierigkeiten bewirken könnte, sofern die in diesem Mitgliedstaat geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine solche Ausnahme für nationale Forderungen zulassen. Maßgebend ist insoweit also das nationale Recht des Vollstreckungsstaates, hier also Deutschlands. Das deutsche Recht hat insoweit in § 258 AO eine Regelung getroffen, um Härtefällen durch eine Billigkeitsmaßnahme gerecht werden zu können. Die Vorschrift sieht vor, dass, soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist, die Vollstreckungsbehörde sie einstweilen einstellt oder beschränkt oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufhebt. Als Billigkeitsmaßnahme lässt sie sich aber nur in einem gesonderten Verwaltungsverfahren mittels Verpflichtungsklage durchsetzen (vgl. BFH-Beschluss vom 28.04.2010 I R 81/09, BStBl II 2014, 954 m.w.N.). Damit ist eine Feststellungsklage ausgeschlossen.
81Zum anderen stünde auch der Ablehnungsgrund der Verjährung der Amtshilfe nicht entgegen. Da die Forderungen nach den Angaben in den einheitlichen Vollstreckungstiteln erst im Jahr 2008 festgesetzt wurden, waren weder die fünfjährige Verjährungsfrist des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EUBeitrG noch die zehnjährige Verjährungsfrist des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EUBeitrG verstrichen. Dass es um Steuern weiter zurückliegender Jahre geht, ist unerheblich. Die Verfahrensdauer hat keine Auswirkungen auf den Steueranspruch, insbesondere führt sie für sich genommen nicht zu dessen Verwirkung (vgl. BFH-Beschluss vom 28.08.2012 IV B 14/12, BFH/NV 2013, 12 m.w.N.).
82Auch soweit der Kläger geltend macht, dass die Forderungen ungeachtet des Verfahrensausgangs in Griechenland wegen Verstoßes gegen den deutschen ordre public ohnehin nicht anerkennungsfähig seien, würde sein Einwand nicht greifen. Der Senat ist der Auffassung, dass ein Verstoß gegen den ordre public des Vollstreckungsstaates nach der Neuregelung der Amtshilfe durch das EUBeitrG durch die Gerichte dieses Staates nicht mehr geprüft werden darf (ablehnend für den Europäischen Vollstreckungstitel im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 21.04.2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen - EuVTVO - ABl. L 143/15 Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.04.2014 VII ZB 28/13, Neue Juristische Wochenschrift 2014, 2363; siehe auch Beschluss des Obersten Gerichtshofs Wien vom 22.02.2007 3 Ob 253/06m, Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts 2008, 440). Dies folgt nach Auffassung des Senats daraus, dass der einheitliche Vollstreckungstitel - wie sich aus § 10 Abs. 3 Satz 1 EUBeitrG ergibt - die alleinige Grundlage für die Vollstreckung ist und in § 13 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG jegliche Überprüfung des einheitlichen Vollstreckungstitels durch den Vollstreckungsstaat untersagt ist. Daraus ergibt sich nach Auffassung des Senats, dass auch ein Verstoß gegen den ordre public des Vollstreckungsstaats in diesem nicht überprüft werden kann. Der Senat sieht sich in seiner Auffassung dadurch bestätigt, dass die (wenigen) Gründe für eine dauerhafte Ablehnung eines Beitreibungsersuchens in § 14 Abs. 1 und Abs. 2 EUBeitrG abschließend geregelt sind. Etwaige Fehlentscheidungen hat der Gesetzgeber offenbarim Vertrauen auf die Rechtspflege der Mitgliedsstaaten in Kauf genommen. Soweit der BFH die Prüfung eines Verstoßes gegen den ordre-public bei der Vollstreckung ausländischer Steuerforderung für zulässig gehalten hat (z. B. Urteil vom 03.11.2010 VII R 21/10, BStBl II 2011, 401), lag der Entscheidung eine andere Rechtslage, nämlich die des zwischenzeitlich außer Kraft getretenen EGBeitrG, das hier nicht anwendbar ist (siehe unter II.), zu Grunde.
83Schließlich wurden die einheitlichen Vollstreckungstitel auch in deutscher Sprache bekanntgegeben. Daran ändert die Textpassage in griechischer Sprache unter „Sonstige Informationen“ nichts. Denn aus den einleitenden Worten „Der Schuldner war Geschäftsführer des Hauptschuldner: Unternehmen …“ ergibt sich auch für denjenigen, der der griechischen Sprache nicht mächtig ist, dass danach der Name des Unternehmens in der Landessprache folgt.
84II. Da die Klage unzulässig ist, brauchte den Beweisangeboten des Klägers, die allesamt die Frage der Rechtmäßigkeit des Beitreibungsersuchens und mithin die Begründetheit der Klage betreffen, nicht nachgegangen zu werden.
85Dies gilt auch für den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung geäußerten Einwand, das am 01.01.2012 in Kraft getretene EUBeitrG sei gar nicht anwendbar, weil die griechischen Behörden die Möglichkeit gehabt hätten, die Forderungen bereits vorher ‑ nach Maßgabe des am 31.12.2011 außer Kraft getretenen EGBeitrG - zu vollstrecken. Im Übrigen ist das Beitreibungsersuchen auf der Grundlage der Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16.03.2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen gestellt worden. Damit ist das EUBeitrG maßgeblich, das auf dieser Richtlinie beruht. Aus den in § 14 Abs. 2 EUBeitrG geregelten Ablehnungsgründen für Forderungen, die älter als fünf bzw. zehn Jahre sind, ergibt sich, dass das EUBeitrG auch für ältere Forderungen Geltung beanspruchen kann.
86III. Die Sache war entscheidungsreif. Eine Vertagung der mündlichen Verhandlung kam nicht in Betracht.
87Ein zur mündlichen Verhandlung bestimmter Termin kann nur aus erheblichen Gründen aufgehoben oder vertagt werden (§ 155 FGO i.V.m. § 227 ZPO). Im Streitfall kann ein erheblicher Grund, die mündliche Verhandlung zu vertagen, nicht darin gesehen werden, dass zwischenzeitlich in Griechenland über Verfahren der B S.A. entschieden worden ist. Eine Vertagung scheidet schon deshalb aus, weil die Klage unzulässig ist und diese Entscheidung durch die in Griechenland ergangenen Urteile gegen die B S.A. nicht beeinflusst werden kann.
88Vollstreckungsmaßnahmen des Beklagten in dieser Angelegenheit sind trotz der in Griechenland ergangenen Urteile derzeit weiterhin nicht zu erwarten. Der Beklagte hatte bereits erklärt, dass derzeit keine Gefahr einer Vollstreckung besteht. Er hat auch keine Vollstreckungsaktivitäten gegen den Kläger unternommen. In der mündlichen Verhandlung hat er sich verpflichtet, mit Vollstreckungsmaßnahmen nicht zu beginnen bevor nicht die Mitteilung aus Griechenland eingegangen ist, dass die Klageverfahren einschließlich der persönlichen Verfahren des Klägers wegen der in Griechenland vollstreckbaren Forderungen abgeschlossen sind und die Forderungen ganz oder teilweise bestehen bleiben. Dass die in Griechenland ergangenen Urteile gegen die B S.A. irgendeinen rechtlichen Einfluss auf das vorliegende Klageverfahren haben könnten, ist nicht erkennbar.
89Abgesehen davon war eine Vertagung mit dem Ziel, weiteren Sachvortrag zu den Gerichtsentscheidungen in Griechenland zu ermöglichen, auch deswegen abzulehnen, weil der Kläger es an der erforderlichen Vorbereitung hat fehlen lassen. Die mangelnde Vorbereitung einer Partei ist kein Vertagungsgrund, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt (§ 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO). Der Hinweis des Klägers, ihm seien am 18.09.2015 neue Erkenntnisse zugegangen, beinhaltet keine Darlegung eines fehlenden Verschuldens. Der Kläger hat nicht dargelegt, wann die Gerichtsurteile ergangen sind. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, was er bis zur mündlichen Verhandlung zur Klärung dieses Sachverhalts unternommen hat. Daher war der Senat nicht in der Lage zu beurteilen, ob der Kläger sich insoweit ausreichend auf die mündliche Verhandlung vorbereitet hat. Wie die E-Mail vom 18.09.2015 zeigt, muss zwischen dem Kläger und dem Vertreter der A AG irgendein Kontakt bestanden haben. Daher hätte der Kläger Gelegenheit gehabt, rechtzeitig von der mündlichen Verhandlung mit dem Vertreter der B S.A. bzw. der A AG Kontakt aufzunehmen, um sich über den Stand der Verfahren zu informieren. Die Entscheidung über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens ist jedenfalls bereits im Jahr 2013 ergangen war, so dass der Kläger ausreichend Zeit gehabt hätte, hierzu im Rahmen des Klageverfahrens Stellung zu nehmen.
90IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revisionszulassung beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Tatbestand
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I. Der in Deutschland wohnhafte Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) war Geschäftsführer einer spanischen GmbH. Wegen rückständiger Körperschaftsteuer dieser GmbH zur Rechnungsnummer ...1465 nahm die spanische Finanzverwaltung den Antragsteller in Haftung. Gegen den ihm zugestellten Haftungsbescheid legte der Antragsteller Steuerbeschwerde ein. Das Klageverfahren vor dem spanischen Finanzgericht ist noch nicht abgeschlossen. Zwischenzeitlich erließ das spanische Finanzamt über den Steuerbetrag nebst Säumniszuschlägen (126 511,03 €) eine Vollstreckungsanordnung, die dem Rechtsanwalt des Antragstellers zugestellt wurde.
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Mit e-mail über das CCN/CSI-Netz übersandte die Staatsbehörde für Steuerverwaltung in Madrid an das Bundeszentralamt für Steuern ein Beitreibungsersuchen. Der e-mail waren zwei Dateien angefügt, im pdf-Format die Vollstreckungsanordnung mit der Bezeichnung "Enforcement Instrument for Income Tax (period 2000) Reg. no. A-...1465" und im Word-Format das ausgefüllte Pendelformular "Ersuchen um Beitreibung gemäß Artikel 6 der Richtlinie 2008/55/EG", die beizutreibende Forderung war mit 135 063,52 € (126 511,03 € nebst bis zum Datum des Ersuchens aufgelaufenen Zinsen) angegeben. Diese e-mail wurde an den Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt --FA--) weitergeleitet. Daraufhin übersandte das FA am 27. Juli 2009 eine Zahlungsaufforderung vom 24. Juli 2009 an den Antragsteller mit dem Inhalt, der Antragsteller schulde der "spanischen Steuerbehörde" "Einkommensteuer 2000" 126 511,03 € und "Nebenleistungen" 8 552,49 € und dem Hinweis, dass im Falle der Nichtzahlung Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet würden. Dagegen erhob der Antragsteller u.a. wegen nicht ausreichender Konkretisierung des zu vollstreckenden Bescheids und des Beitreibungsersuchens Einspruch und beantragte Aussetzung der Vollziehung.
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Gleichzeitig mit der Übersendung der Abschrift einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung, mit der das FA bei sich selbst als Drittschuldner alle gegenwärtigen und zukünftigen Steuererstattungsansprüche des Antragstellers aus den Veranlagungsjahren 2001 und 2002 (63 918,54 €) wegen dessen Schuld gegenüber der spanischen Steuerbehörde pfändete und dessen Einziehung anordnete, konkretisierte das FA die Zahlungsaufforderung. Als Rechtsgrundlage bezeichnete es § 117 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 114 AO i.V.m. § 254 AO und teilte die Angaben aus dem Beitreibungsersuchen mit, u.a. den Namen der spanischen Steuerbehörde und die Steuernummer. Zugleich lehnte es eine Aussetzung der Vollziehung ab. Über den Einspruch ist bisher nicht entschieden worden.
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Das Finanzgericht (FG) gab dem Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung der Zahlungsaufforderung im Wesentlichen statt (abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2010, 848). Es entschied, die Vollziehung des Leistungsgebots durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung werde gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 63 918,54 € aufgehoben, die weitere Vollziehung werde gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 71 144,98 € ausgesetzt. Es wertete die Zahlungsaufforderung als grundsätzlich zulässiges und im Streitfall durch die ergänzenden Angaben des FA auch hinreichend konkretisiertes Leistungsgebot. Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit ergäben sich allein daraus, dass der per e-mail im sog. pdf-Format übersandte vollstreckbare Titel möglicherweise nicht --wie in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie vom 3. Mai 2003 (BGBl I 2003, 654) vorgeschrieben-- in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie vorliege. Eine per e-mail übersandte Datei entspreche nicht dem deutschen Sprachgebrauch von "in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie". Eine der Papierform rechtlich gleichwertige Datei als Vollstreckungstitel könnte sich nur aus Art. 21 Abs. 1 der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 1179/2008 der Kommission vom 28. November 2008 zur Festsetzung der Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Artikeln der Richtlinie 2008/55/EG über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit bestimmten Abgaben, Zöllen, Steuern und sonstigen Maßnahmen (DurchführungsVO n.F.) ergeben, der vorschreibe, dass Vollstreckungstitel elektronisch zu übermitteln und elektronisch übermittelte Dokumente oder deren Ausdrucke ebenso rechtsverbindlich seien wie postalisch übermittelte Dokumente. Es bestünden jedoch Zweifel an der Gültigkeit der Regelung. Es erscheine fraglich, ob es sich noch als "Durchführung" der Richtlinie des Rates darstelle, obwohl der Rat auch in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/55/EG vom 26. Mai 2008 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen (BeitreibungsRL n.F.) dabei geblieben sei, dass "eine amtliche Ausfertigung oder eine beglaubigte Kopie" des Vollstreckungstitels dem Beitreibungsersuchen "beizufügen" sei und auch die Europäische Kommission dies in Art. 12 Abs. 2 DurchführungsVO n.F. wiederhole.
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Gegen die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung hat das FA die vom FG zugelassene Beschwerde eingelegt.
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Es beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und --sinngemäß-- die Anträge auf Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.
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Das FA sieht in der Regelung des § 21 Abs. 1 DurchführungsVO n.F. eine ausreichende Rechtsgrundlage für eine wirksame Beifügung des Vollstreckungstitels per e-mail im Sinne der BeitreibungsRL.
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Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde des FA ist begründet.
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Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann die Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung durch das Gericht erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es fehlt bereits an einem der Aussetzung fähigen Verwaltungsakt.
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Die Zahlungsaufforderung, deren Aussetzung der Antragsteller ausdrücklich mit seinem Antrag begehrt, enthält keine eigenständige, den Empfänger belastende Regelung. Sie beschränkt sich vielmehr auf die Mitteilung der Zahlstelle, an die der Antragsteller die ihm --mit dem ihm bekanntgegebenen Haftungsbescheid der spanischen Finanzbehörde-- aufgegebene Zahlung zu bewirken hat und enthält die Ankündigung von Vollstreckungsmaßnahmen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs handelt es sich bei der Ankündigung der Vollstreckung um eine lediglich aus Gründen der Zweckmäßigkeit nach außen gerichtete Bekanntmachung einer verwaltungsinternen Maßnahme (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. August 2000 VII B 46/00, BFH/NV 2001, 149; vom 13. Februar 1997 VII S 35/96, BFH/NV 1997, 462; vom 14. Juni 1988 VII B 15/88, BFH/NV 1989, 75).
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Entgegen der Auffassung des FG handelt es sich nicht um ein Leistungsgebot i.S. des § 254 Abs. 1 AO. Dieses war vielmehr --wie das FG selbst festgestellt hat-- bereits mit dem spanischen Haftungsbescheid verbunden, und obendrein war dem Antragsteller von der spanischen Finanzbehörde bereits eine Vollstreckungsanordnung zugestellt worden. Danach war die Vollstreckung in Deutschland unmittelbar möglich (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 19. Juni 1986 IV 222-223/84 N, EFG 1986, 608).
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Ein Fall des Art. 8 Abs. 2 BeitreibungsRL, wonach der Vollstreckungstitel gegebenenfalls nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz hat, als solcher bestätigt und anerkannt oder durch einen Titel ergänzt oder ersetzt werden kann, der die Vollstreckung im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ermöglicht, liegt danach nicht vor. Aber selbst wenn in der Zahlungsaufforderung eine Wiederholung des Leistungsgebots mit neuer Zahlstelle und Zahlungsfrist gesehen werden könnte, würde eine solche wiederholende Verfügung keine erneute Anfechtungsmöglichkeit eröffnen. Denn von der Zahlungsaufforderung geht --wie schon das FG ausgeführt hat-- keine weitergehende Belastung aus als von dem mit dem Haftungsbescheid verbundenen Leistungsgebot (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Februar 2008 VII B 156/07, BFH/NV 2008, 967).
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Auf die vom FG für grundsätzlich klärungsbedürftig erachteten Fragen kommt es nach alledem im Streitfall nicht an.
(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).
(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.
(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.
Ist der Schuldner eine natürliche Person, so wird er nach Maßgabe der §§ 287 bis 303a von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit.
(1) Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben.
(2) Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung oder aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, werden durch die Restschuldbefreiung nicht berührt. Der Schuldner wird jedoch gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber den Insolvenzgläubigern.
(3) Wird ein Gläubiger befriedigt, obwohl er auf Grund der Restschuldbefreiung keine Befriedigung zu beanspruchen hat, so begründet dies keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten.
(4) Ein allein aufgrund der Insolvenz des Schuldners erlassenes Verbot, eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen oder auszuüben, tritt mit Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung außer Kraft. Satz 1 gilt nicht für die Versagung und die Aufhebung einer Zulassung zu einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit.
(1) Das Insolvenzgericht entscheidet nach dem regulären Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Der Beschluss ergeht nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters oder Treuhänders und des Schuldners. Eine nach Satz 1 erteilte Restschuldbefreiung gilt als mit Ablauf der Abtretungsfrist erteilt.
(2) Wurden im Insolvenzverfahren keine Forderungen angemeldet oder sind die Insolvenzforderungen befriedigt worden und hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt, so entscheidet das Gericht auf Antrag des Schuldners schon vor Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 ist vom Schuldner glaubhaft zu machen. Wird die Restschuldbefreiung nach Satz 1 erteilt, so gelten die §§ 299 und 300a entsprechend.
(3) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn die Voraussetzungen des § 290 Absatz 1, des § 296 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 3, des § 297 oder des § 297a vorliegen, oder auf Antrag des Treuhänders, wenn die Voraussetzungen des § 298 vorliegen.
(4) Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen. Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der bei der Anhörung nach Absatz 1 oder Absatz 2 die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt oder der das Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer vorzeitigen Restschuldbefreiung nach Absatz 2 geltend gemacht hat, die sofortige Beschwerde zu.
Tenor
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Der Beschluss des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. August 2015 3 V 65/15 wird aufgehoben und der Antrag abgelehnt.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ist seit 1991 als Steuerberater in B tätig. Er hat aus den Jahren 1991 bis 2000 Steuerschulden gegenüber dem Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt B --FA--). Diese belaufen sich laut Abrechnungsbescheid vom 13. April 2015 auf 1.172.972,25 €. Über den Einspruch des Antragstellers gegen den Abrechnungsbescheid und den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung dieses Abrechnungsbescheids hat das FA nach Aktenlage noch nicht entschieden. Die Vollstreckung gegenüber dem Antragsteller verlief bislang erfolglos.
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Am 8. Juli 2009 richtete das FA einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens an das Insolvenzgericht A, den dieses mit Beschluss vom 12. August 2009 als unzulässig zurückwies.
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Am 10. September 2009 stellte das FA einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers beim Amtsgericht (AG) B. Dagegen erhob der Antragsteller Klage beim Finanzgericht (FG) und beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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Kurze Zeit bevor das FA den Insolvenzantrag zunächst in A und sodann in B gestellt hatte, wurde ihm bekannt, dass auf Antrag des Antragstellers bereits am 11. August 2008 vor dem High Court of Justice in London ein Insolvenzhauptverfahren (so genanntes Bankruptcy-Verfahren) nach Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 (VO Nr. 1346/2000) des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- Nr. L 160/1) i.d.F. nach der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 663/2014 des Rates vom 5. Juni 2014 (ABlEU Nr. L 179/4) eröffnet worden war, in dem dem Antragsteller am 11. August 2009 die Restschuldbefreiung (discharge) erteilt worden war. Das FA war im Rahmen dieses Insolvenzhauptverfahrens nicht angehört worden.
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Am 8. Juli 2010 beantragte das FA beim High Court of Justice den Widerruf der Restschuldbefreiung. Nach dem Vortrag des FA im Verfahren vor dem FG kam es aus nicht mehr aufklärbaren Gründen nicht zu einer Durchführung dieses Verfahrens.
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Am 30. September 2014 beantragte das FA beim High Court of Justice in London erneut die Aufhebung der Insolvenzeröffnung vom 11. August 2008 (bankruptcy order) mit der Begründung, der Antragsteller habe nie wirklich in England gelebt. Sein center of main interests (COMI) habe sich niemals in England befunden. Nach dem Vorbringen des FA wurde diesbezüglich für den 1. und 2. Februar 2016 eine mündliche Verhandlung vor dem High Court of Justice anberaumt.
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Mit Beschluss vom 28. August 2015 kam das FG zu dem Ergebnis, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zulässig und begründet. Der Antragsteller habe Anspruch auf Rücknahme des auf die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens gerichteten Antrags vom 10. September 2009 an das AG B, da das Hauptinsolvenzverfahren durch die am 11. August 2009 erteilte Restschuldbefreiung in England bereits beendet gewesen sei. Es sei ernstlich zweifelhaft, ob nach Erteilung der Restschuldbefreiung im Hauptinsolvenzverfahren noch ein Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens gestellt werden könne, da das Sekundärinsolvenzverfahren in seiner Wirkung vom Hauptinsolvenzverfahren abhängig sei. Die Restschuldbefreiung sei bei Vorliegen der Voraussetzungen ohne weitere Förmlichkeiten anzuerkennen, sofern kein ordre-public-Verstoß vorliege. Es sei zwar aufgrund der Feststellungen des FA davon überzeugt, dass sich der Antragsteller rechtsmissbräuchlich die Zuständigkeit des High Court of Justice für die Eröffnung des Insolvenzhauptverfahrens erschlichen habe. Es sei jedoch ernstlich zweifelhaft, ob die rechtsmissbräuchliche Zuständigkeitserschleichung ein Verstoß gegen den ordre public sei und somit die in England erteilte Restschuldbefreiung in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) nicht anzuerkennen sei. In einem Missbrauchsfall sei zwar tatsächlich die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts nicht gegeben. Werde diese aber dennoch von dem entscheidenden Gericht im Ausland angenommen, könne eine Anerkennung der Zuständigkeit des eröffnenden Gerichts nicht versagt werden. Gegebenenfalls sei die Annahme der Eröffnungszuständigkeit durch das ausländische Gericht mit Rechtsmitteln anzugreifen.
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Seine Beschwerde begründet das FA im Wesentlichen folgendermaßen: Es müsse sich die in England am 11. August 2009 vom High Court of Justice erwirkte Restschuldbefreiung des Antragstellers nicht entgegenhalten lassen. Die Anerkennung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat setze voraus, dass der Insolvenzschuldner in einem anderen Mitgliedstaat den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen gehabt habe, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei. Vielmehr habe sich der Antragsteller die Zuständigkeit des englischen Gerichts erschlichen. Insoweit könne der Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens auch als Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens betrachtet werden. Außerdem sei es (das FA) im Insolvenzverfahren nicht gehört worden. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller sich seit Jahren seiner Zuständigkeit zu entziehen versuche und konsequent seinen Wohnsitz verschleiere.
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Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerberaters führe ferner nicht unmittelbar zum Widerruf der Bestellung. Vielmehr müsse die zuständige Steuerberaterkammer ein Verfahren zur Prüfung des Widerrufs der Bestellung einleiten. Im Übrigen habe das in England durchgeführte Insolvenzverfahren bis heute nicht zu einem Widerruf der Bestellung geführt.
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Das FA beantragt sinngemäß, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde für die Dauer des Beschwerdeverfahrens anzuordnen sowie die Vorentscheidung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Rücknahme des Insolvenzantrags beim AG B unter Aufhebung der Vorentscheidung abzulehnen.
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Der Antragsteller beantragt, die Anträge abzulehnen.
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Es werde nicht dargelegt, warum eine gegebenenfalls fehlerhafte Annahme der eigenen Zuständigkeit durch das englische Gericht in Deutschland ein Ergebnis schaffe, das offensichtlich mit der öffentlichen Ordnung unvereinbar wäre. Vielmehr sei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das englische Gericht anzuerkennen, unabhängig davon, ob die eigene internationale Zuständigkeit zu Recht angenommen worden sei oder nicht. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch das englische Gericht gehe ins Leere, zumal eine Mitteilung über den Insolvenzbeschluss auch in einer geeigneten Zeitung und der London Gazette erscheine. Das FA habe auch nicht dargelegt, woraus sich im Jahr 2008 eine Zuständigkeit zu seinen Gunsten ergebe, weil sich zu diesem Zeitpunkt der Hauptsitz seiner (des Antragstellers) Kanzlei in A befunden habe, während er in B lediglich in einer Beratungsstelle als Nebensitz aktiv gewesen sei. Erst nach Antragstellung in England hätten sich das FA und das Finanzamt A auf eine Zuständigkeit des FA verständigt. Weiterhin habe er im Zeitpunkt der Antragstellung vor dem High Court of Justice schon von seiner Ehefrau getrennt gelebt. Das FA habe nicht einlassungsfähig dargetan, dass er zum Zeitpunkt des Antrags in England Vermögenswerte besessen habe, die er in der Folgezeit auf seine Ehefrau übertragen habe. Das FA habe seit Insolvenzantragstellung am "11. September 2009" keine Unterbrechungshandlungen i.S. des § 231 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung getätigt. Der Antrag des FA vom 30. September 2014 an den High Court of Justice in London enthalte keine an den Abgabenpflichtigen gerichtete Zahlungsaufforderung.
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Es bestehe auch ein Anordnungsgrund, weil der Insolvenzantrag des FA unzulässig sei und ein Widerruf seiner --des Antragstellers-- Zulassung für ihn fatale Folgen hätte. Andererseits stehe es dem FA frei, jederzeit erneut einen Insolvenzantrag zu stellen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist gegen den beim AG gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (vgl. schon zur Konkursordnung Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.; zur Insolvenzordnung --InsO-- Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017).
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Auch das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung ist zu bejahen. Der Antrag ist --ebenso wie die Rücknahme des Antrags als actus contrarius-- zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses, und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710, und Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017). Für die Bejahung des Rechtsschutzinteresses ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA ausreichend.
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2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist schon unbegründet, weil der Senat nicht vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung ausgeht.
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Das FA hat nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ermessensfehlerhaft gestellt (vgl. § 102 FGO). Insoweit ist der Senat abweichend von § 118 Abs. 2 FGO nicht an die tatrichterlichen Feststellungen gebunden, sondern prüft den Fall summarisch anhand des präsenten Aktenmaterials in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. November 2008 IV B 127/07, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, R159, m.w.N.; Gosch in Beermann/Gosch, FGO § 69 Rz 122).
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a) Gemäß Art. 3 VO Nr. 1346/2000 ist am 11. August 2008 vor dem High Court of Justice in London ein Insolvenzhauptverfahren (so genanntes Bankruptcy-Verfahren) gegen den Antragsteller eröffnet worden, bei dem es sich um ein Insolvenzverfahren i.S. des Art. 2 Buchst. a i.V.m. Anhang A VO Nr. 1346/2000 handelt. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Vereinigten Königreich ist gemäß Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 1346/2000 grundsätzlich in Deutschland anzuerkennen (vgl. auch Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 1346/2000). Dasselbe gilt gemäß Art. 25 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 1346/2000 für die dem Antragsteller am 11. August 2009 erteilte Restschuldbefreiung (discharge). Unabhängig davon, inwieweit die so genannte discharge from bankruptcy der Restschuldbefreiung i.S. des § 286 InsO vergleichbar ist, führt sie gemäß Insolvency Act 1986, Section 278 (b) zur Beendigung des bankruptcy-Verfahrens.
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Einer Anerkennung der Restschuldbefreiung im Sinne des englischen Rechts steht nicht schon entgegen, dass der Antragsteller seinen COMI möglicherweise nur kurzfristig nach Großbritannien verlegt hat. Denn Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 1346/2000 ist dahin auszulegen, dass das von einem Gericht eines Mitgliedstaats eröffnete Insolvenzverfahren von den Gerichten der übrigen Mitgliedstaaten anzuerkennen ist, ohne dass diese die Zuständigkeit des Gerichts des Eröffnungsstaats überprüfen können (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- Eurofood IFSC vom 2. Mai 2006 C-341/04, EU:C:2006:281, Rz 42; MG Probud vom 21. Januar 2010 C-444/07, EU:C:2010:24, Rz 29; Bank Handlowy and Adamiak vom 22. November 2012 C-116/11, EU:C:2012:739, Rz 41; vgl. zu Art. 102 Abs. 1 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 18. September 2001 IX ZB 51/00, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2002, 960; BGH-Urteil vom 10. September 2015 IX ZR 304/13, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 2015, 2331). Gegebenenfalls müssen Fragen hinsichtlich der Zuständigkeit im Rahmen von im Eröffnungsmitgliedstaat gegebenen Rechtsbehelfen gegen die Eröffnungsentscheidung geklärt werden (vgl. EuGH-Urteil Eurofood IFSC, EU:C:2006:281, Rz 43).
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b) Nach summarischer Prüfung sprechen die Umstände des vorliegenden Falles überwiegend dafür, dass sich der Antragsteller auf die vom High Court of Justice erteilte Restschuldbefreiung in Deutschland nicht berufen kann, weil dies dem Ordre-Public-Vorbehalt gemäß Art. 26 VO Nr. 1346/2000 oder jedenfalls dem Grundsatz von Treu und Glauben widerspräche, der im Steuerrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz uneingeschränkt anerkannt ist (vgl. BFH-Urteil vom 8. Februar 1996 V R 54/94, BFH/NV 1996, 733).
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Nach Art. 26 VO Nr. 1346/2000 kann sich jeder Mitgliedstaat weigern, ein in einem anderen Mitgliedstaat eröffnetes Insolvenzverfahren anzuerkennen, soweit diese Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das offensichtlich mit seiner öffentlichen Ordnung, insbesondere mit den Grundprinzipien oder den verfassungsmäßig garantierten Rechten und Freiheiten des Einzelnen, unvereinbar ist. Dabei handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann anzuwenden ist, wenn die Anerkennung der in einem Mitgliedstaat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstößt und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des zur Anerkennung verpflichteten Mitgliedstaats steht. Bei dem Verstoß muss es sich um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des zur Anerkennung verpflichteten Mitgliedstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln (EuGH-Urteil Eurofood IFSC, EU:C:2006:281, Rz 62 ff.; vgl. auch EuGH-Urteil MG Probud, EU:C:2010:24, Rz 33 f.; EuGH-Urteil flyLAL-Lithuanian Airlines vom 23. Oktober 2014 C-302/13, EU:C:2014:2319, Rz 49; BGH-Beschluss in NJW 2002, 960; BGH-Urteil in ZIP 2015, 2331). Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens hat der Anspruch der Gläubiger oder ihrer Vertreter auf Teilnahme am Verfahren unter Beachtung des Grundsatzes der Waffengleichheit eine besondere Bedeutung.
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Allein die Möglichkeit, in Großbritannien schneller eine Restschuldbefreiung zu erreichen, genügt nicht, um die Voraussetzungen des Art. 26 VO Nr. 1346/2000 zu bejahen. Ein Verstoß gegen die deutsche öffentliche Ordnung ("ordre public") im Sinne eines Rechtsmissbrauchs kann sich jedoch daraus ergeben, dass eine nur vorübergehende Wohnsitzverlegung (bzw. eine nur vorübergehende Verlegung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen) in einen anderen Staat erfolgt, um unter dort erleichterten Bedingungen eine Restschuldbefreiung zu erwirken (vgl. BGH-Beschluss in NJW 2002, 960). Im Fall einer rechtsmissbräuchlichen Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland nur zum Schein kann unter diesen Umständen das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts unter Beachtung inländischer Rechtsvorstellungen untragbar erscheinen (vgl. BGH-Beschluss in NJW 2002, 960).
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Das FA hat substantiiert dargelegt, dass der Antragsteller seinen COMI nur zum Schein nach Großbritannien verlegt hat, um die Vorteile des britischen Insolvenzverfahrens in Form einer schnelleren Restschuldbefreiung erlangen zu können.
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Gegen eine tatsächliche Verlegung des COMI nach Großbritannien mindestens sechs Monate vor der Antragstellung am 11. August 2008 spricht, dass der Antragsteller im April 2008 noch die Partnergesellschaft "…" (eingetragen im Partnerschaftsregister des AG A unter PR …) mit einer Repräsentanz in B gegründet hat und für diese tätig gewesen ist. Seine Tätigkeit als Steuerberater, teilweise auch in B, hat die Einvernahme der Zeugin C durch die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts E bestätigt (vgl. Niederschrift vom 8. April 2014), wonach er in seinem Büro in B beispielsweise Schreiben unterzeichnet habe. Nach den Angaben des Zeugen D war der Antragsteller im fraglichen Zeitraum in der Regel ein bis zwei Tage im Büro anwesend bzw. nicht länger als ein oder zwei Wochen abwesend (vgl. Vernehmungsniederschrift der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts E vom 8. April 2014). Er sei u.a. als Steuerberater in Deutschland tätig gewesen. Außerdem habe es Rücksprachen gegeben und seien Mandate betreut worden. Ferner habe der Antragsteller auch Mandanten in anderen Ländern als Großbritannien betreut. Außerdem sind von beiden Zeugen Beteiligungen an verschiedenen Unternehmen, z.B. die X-GmbH, angesprochen worden. Auch die Zeugin F hat gegenüber dem Finanzamt E am 8. April 2014 ausgesagt, der Antragsteller sei in den Jahren 2008 und 2009 als Geschäftsführer einer GmbH und als Steuerberater in Deutschland tätig und ein paar Tage die Woche in B gewesen.
- 26
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Weiterhin hat der Antragsteller vor dem High Court of Justice seinen Familienstand unzutreffenderweise mit "single" angegeben, während sich aus dem Zwischenbericht des Rechtsanwalts G an das – Insolvenzgericht vom 4. September 2014 ergibt, der Antragsteller sei zum damaligen Zeitpunkt verheiratet gewesen.
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Gegen eine tatsächliche Verlegung des COMI nach Großbritannien spricht schließlich, dass der Antragsteller in den Monaten vor der Antragstellung beim High Court of Justice nach summarischer Prüfung zahlreiche Termine in Deutschland wahrgenommen hat (vgl. an den High Court of Justice gerichtete Zeugenaussage von Frau H vom 12. September 2014 im Zusammenhang mit dem Antrag des FA auf Aufhebung bzw. Ungültigkeitserklärung des am 11. August 2008 erlassenen Konkurseröffnungsbeschlusses, insbesondere ab Ziffer 46).
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c) Der Antragsteller kann sich auch nicht auf die Restschuldbefreiung berufen, weil er im Rahmen des bankruptcy-Verfahrens teilweise falsche Angaben gemacht hat und daher viel dafür spricht, dass ihm die so genannte discharge zu Unrecht erteilt worden ist.
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U.a. hat er die Gründung der Partnergesellschaft "…" im April 2008 nicht in der Vermögensauskunft für den High Court of Justice angegeben.
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Auch verschiedene Tätigkeiten als Geschäftsführer in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung hat er nicht offengelegt. Dies betrifft drei in der Schweiz ansässige Gesellschaften, nämlich das Institut I-GmbH, das Institut J-AG und die K-AG, aus denen er im Jahr 2007 ausgeschieden war (vgl. die in den Akten enthaltenen Handelsregisterauszüge). Außerdem hat der Antragsteller in dem beim High Court of Justice abgegebenen Vermögensverzeichnis seine Tätigkeit als Mitgeschäftsführer bei der Steuerberatungsgesellschaft L-GmbH mit Sitz in A und seine Anteile an der M-GmbH nicht angegeben.
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Die Angaben des Antragstellers zu seinem Vermögen waren ferner insofern unvollständig, als er im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung beim High Court of Justice Eigentümer eines Appartements in (Ausland) gewesen ist. Für das Eigentum an dieser Wohnung sprechen die Entrichtung der Grundsteuer und die Angabe dieser Wohnung in einer Selbstauskunft vom 13. Mai 2008.
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d) Schließlich bestehen auch Bedenken gegen eine Anerkennung der Restschuldbefreiung, weil der Antragsteller das FA gegenüber dem High Court of Justice als Gläubiger verschwiegen hat und dieses somit im Rahmen des englischen Insolvenzverfahrens nicht entsprechend dem Verfahren nach Art. 40 VO Nr. 1346/2000 angehört worden ist, obwohl viel dafür spricht, dass es hätte beteiligt werden müssen.
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Der Hinweis des Antragstellers auf eine Mitteilung über den Insolvenzbeschluss in der Presse ist nicht geeignet, die Gehörsverletzung auszugleichen, weil dies eine förmliche Mitteilung des englischen Gerichts gemäß Art. 40 VO Nr. 1346/2000 nicht ersetzt.
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Die Zuständigkeit des FA oder eines anderen Finanzamts, insbesondere des Finanzamts A, das er gegenüber dem High Court of Justice als einzigen Gläubiger angegeben hat, ist noch nicht geklärt. Der bisherige Vortrag des Antragstellers ist nicht substantiiert genug, um die Zuständigkeit eines anderen Finanzamts nachvollziehen zu können.
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e) Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens dürfte auch zu klären sein, warum es infolge des am 8. Juli 2010 beim High Court of Justice beantragten Widerrufs der Restschuldbefreiung nicht zu einer Durchführung dieses Verfahrens gekommen ist und ob sich das FA insofern Versäumnisse entgegenhalten lassen muss und deshalb Verjährung eingetreten ist.
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Insgesamt sprechen zum derzeitigen Verfahrensstand die überwiegenden Umstände gegen das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs.
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3. Die Aufrechterhaltung der erstinstanzlich zugesprochenen einstweiligen Anordnung kommt jedenfalls mangels eines Anordnungsgrundes nicht in Betracht.
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Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (so genannte Regelungsanordnung). Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist. Die für den Erlass einer Anordnung geltend gemachten Gründe müssen jedenfalls ähnlich gewichtig und bedeutsam sein wie die im Gesetz ausdrücklich genannten. Sie müssen so schwerwiegend sein, dass sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen (Senatsbeschlüsse vom 7. Januar 1999 VII B 170/98, BFH/NV 1999, 818, m.w.N., und vom 21. Januar 1999 VII B 214/98, BFHE 187, 170, BStBl II 1999, 141).
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Dies gilt insbesondere, wenn nicht nur eine vorläufige Maßnahme begehrt wird, sondern --wie vom Antragsteller-- die Vorwegnahme der Hauptsache. Ein solches Rechtsschutzziel widerspricht grundsätzlich der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes. Eine Regelungsanordnung darf nach ständiger Rechtsprechung nur eine einstweilige Regelung enthalten und das Ergebnis des Hauptprozesses nicht vorwegnehmen oder diesem endgültig vorgreifen (vgl. Beschluss des Senats vom 22. August 1995 VII B 153, 154, 167, 172/95, BFHE 178, 15, BStBl II 1995, 645, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Etwas anderes gilt im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) nur dann, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1977 2 BvR 42/76, BVerfGE 46, 166, und vom 25. Oktober 1988 2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69).
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Der Antragsteller hat derartige wesentliche Nachteile nicht glaubhaft gemacht. Wie sich aus § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes ergibt, ist die Bestellung zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird erst dann vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet oder der Steuerberater in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO) eingetragen ist.
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Ob tatsächlich ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann, ist im Streitfall noch nicht entschieden. Vielmehr hat das Insolvenzgericht zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen und ob eine eventuelle Aberkennung der Restschuldbefreiung nach dem Termin im Februar 2016 vor dem High Court of Justice gemäß Section 375 Abs. 1 Insolvency Act 1986 dem entgegensteht. In diesem Zusammenhang kommt es auch darauf an, ob das im Vereinigten Königreich durchgeführte bankruptcy-Verfahren weiterhin bindend ist.
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Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das FA bereits vor über sechs Jahren den hier angegriffenen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hat. Es ist nicht nachvollziehbar, woraus sich nunmehr eine unmittelbare Bedrohung der wirtschaftlichen oder persönlichen Existenz des Betroffenen ergeben soll.
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4. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde für die Dauer des Beschwerdeverfahrens bedarf aufgrund der Entscheidung über die Beschwerde selbst keiner Entscheidung mehr.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).
Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt:
- 1.
Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist; der Gläubiger hat die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Absatz 2 anzumelden; - 2.
Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners; - 3.
Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, - 2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder - 3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, - 2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht, - 3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht, - 4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, - 5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder - 6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.
(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.
(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.
(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.
(1) Wer gewerbsmäßig Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben hinterzieht oder gewerbsmäßig durch Zuwiderhandlungen gegen Monopolvorschriften Bannbruch begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
eine Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder einen Bannbruch begeht, bei denen er oder ein anderer Beteiligter eine Schusswaffe bei sich führt, - 2.
eine Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder einen Bannbruch begeht, bei denen er oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand eines anderen durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung der Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder des Bannbruchs verbunden hat, eine solche Tat begeht.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) § 370 Abs. 6 Satz 1 und Abs. 7 gilt entsprechend.
(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) § 370 Absatz 6 und 7 gilt entsprechend.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.