Finanzgericht Köln Urteil, 30. Sept. 2015 - 14 K 2097/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Der Kläger wird auf der Grundlage des Gesetzes vom 07.12.2011 über die Durchführung der Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Bundesgesetzblatt - BGBl - I 2011, 2592, nachfolgend EUBeitrG) sowie der diesem Gesetz zu Grunde liegenden Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16.03.2010 über Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen (ABl. L 84 vom 31.03.2010, nachfolgend EU-Beitreibungsrichtlinie) für Steuerverbindlichkeiten einer insolventen griechischen Tochtergesellschaft der A AG gegenüber dem griechischen Staat in Anspruch genommen.
3Der Kläger trat am ....05.1989 als Leiter der Abteilung Finanzen in die A AG ein. Das Arbeitsverhältnis mit der A AG wurde zum ....09.2003 beendet. Im Rahmen seiner Tätigkeit bei der A AG übernahm der Kläger auch Aufgaben in der B S.A., einer nach griechischem Recht gegründeten einhundertprozentigen Tochtergesellschaft der A AG mit Sitz in Griechenland. Aufsichts- und Leitungsorgan einer griechischen S.A. ist ihr Verwaltungsrat (sog. monistisches System). Dieser wird von der Hauptversammlung der Gesellschaft berufen und vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Vom Verwaltungsrat wird regelmäßig ein Geschäftsführer bestellt, welcher die Geschäfte der S.A. wie der Verwaltungsrat leitet und die Gesellschaft nach außen vertritt. Der Kläger war vom ....07.1995 bis ....06.2001 einfaches Mitglied des Verwaltungsrats. Ab ....07.2001 war er neben einem weiteren vertretungsberechtigten Stellvertreter zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats bestellt worden. Ab ....07.2001 war er zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats bestellt worden, ohne dass es einen weiteren vertretungsberechtigten Vertreter gab. Aufgrund des Beschlusses des Verwaltungsrates vom ....09.2003 meldete die B S.A. nach griechischen Rechtsvorschriften Insolvenz an.
4Ab dem Jahr 2000 führten die griechischen Finanzbehörden bei der B S.A. eine Betriebsprüfung durch. Die Gesellschaft wurde aufgefordert, die Buchführungsunterlagen mitsamt Rechnungen für die Jahre 1993 bis 1997 vorzulegen. Die Gesellschaft erklärte daraufhin, dass die angefragten Dokumente nicht vorhanden seien. In diesem Zusammenhang wurde von der Betriebsprüfung festgestellt, dass die Buchführung der B S.A. für diesen Zeitraum schwerwiegende Mängel aufwies. Darüber hinaus stellte die Betriebsprüfung fest, dass die B S.A. im Zeitraum 1996 bis 2000 mehrere Hundert fiktive Rechnungsgutschriften im Gesamtwert von rd. 2,7 Mio. EUR ausgestellt hatte. Daneben waren nach Auffassung der Betriebsprüfung mehrere Posten aus dem Zeitraum 1993 bis 2000 in Höhe von insgesamt rd. 10 Mio. EUR als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben zu qualifizieren. Als Folge der Nichtvorlage der Buchführungsunterlagen für die Jahre 1993 bis 1997 verwarfen die griechischen Finanzbehörden die Buchhaltung der B S.A. und nahmen Schätzungen vor. Letztlich wurden gegen die B S.A. für den Zeitraum 1993 bis 2000 Steuern in Höhe von insgesamt rd. 33,7 Mio. EUR festgesetzt. Die Gesellschaft hat gegen die Festsetzungen umfassende Rechtsmittel eingelegt.
5Mit Schreiben vom 15.11.2012 erhielt der Kläger von dem Beklagten zwei - hier streitgegenständliche - Zahlungsaufforderungen. Es handelt sich zum einen um eine Zahlungsaufforderung über 19.068.169,90 EUR zuzüglich Säumniszuschlägen von 125.446,00 EUR, insgesamt 19.193.615,90 EUR, zum anderen um eine Zahlungsaufforderung über 17.728.938,83 EUR zuzüglich Säumniszuschlägen von 117.021,00 EUR, insgesamt 17.845.959,83 EUR. Die Zahlungsaufforderungen enthielten jeweils den Hinweis, dass der Kläger der griechischen Steuerverwaltung diese Beträge schulde und der Beklagte auf der Grundlage der Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16.03.2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen gebeten worden sei, den Gesamtbetrag einzuziehen. Die Zahlungsaufforderungen enthielten jeweils den weiteren Hinweis, dass, sollte der Kläger der Aufforderung nicht bis zum 18.12.2012 nachkommen, kostenpflichtige Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen würden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Zahlungsaufforderungen vom 15.11.2012 Bezug genommen.
6Ausweislich der aus den als Anlagen zu den beiden Zahlungsaufforderungen beigefügten einheitlichen Vollstreckungstitel steht die Zahlungsaufforderung über 19.068.169,90 EUR zzgl. Säumniszuschlägen mit Mehrwertsteuerforderungen in Zusammenhang und die Zahlungsaufforderung über 17.728.938,83 EUR zzgl. Säumniszuschlägen mit Körperschaftsteuerforderungen. Die Mehrwertsteuerforderung von 19.068.169,90 EUR setzt sich aus einer Hauptforderung in Höhe von 12.544.848,62 EUR und einer Zinsforderung von 6.523.321,28 EUR auf die Hauptforderung seit 2008 zusammen. Die Körperschaftsteuerforderung in Höhe von 17.728.938,83 EUR setzt sich aus einer Hauptforderung von 11.702.269,62 EUR und einer Zinsforderung von 6.026.668,99 EUR auf die Hauptforderung seit 2008 zusammen.
7Die Forderungen betreffen jeweils die Jahre 1993 bis 2000, wobei für jede Steuerart und jedes Jahr ein eigener einheitlicher Vollstreckungstitel vorliegt. Nach den einheitlichen Vollstreckungstiteln werden die Mehrwertsteuerforderungen in Griechenland unter dem Aktenzeichen „ATB 1“ geführt und die Körperschaftsteuerforderungen unter dem Aktenzeichen „ATB 2“. Das Datum der Festsetzung der Forderung ist jeweils mit „2008/05/...“ angegeben. Das Datum, ab dem die Vollstreckung möglich sein soll, ist in den einheitlichen Vollstreckungstiteln für die Mehrwertsteuerforderungen mit „2008/07/...“ angegeben und in den einheitlichen Vollstreckungstiteln für die Körperschaftsteuerforderungen mit „2008/08/...“. Der Betrag der ausstehenden Forderung wird in der Spalte „Ursprünglich fällig“ jeweils mit 0 angegeben, die entsprechenden Beträge werden in der Spalte „Noch fällig“ aufgeführt. Das Datum der Zustellung des ursprünglichen Verwaltungsakts in Griechenland ist jeweils mit „2008/05/...“ angegeben. Als Haftungsgrund ist jeweils „Mitschuldner“ angegeben. Unter „Sonstige Informationen“ heißt es: „Der Schuldner war Geschäftsführer des Hauptschuldners: Unternehmen…“. Danach folgen griechische Wörter. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die einheitlichen Vollstreckungstitel Bezug genommen.
8Der Kläger hat am 17.12.2012 Widerspruch gegen seine Inanspruchnahme beim Verwaltungsgericht in H (Griechenland) eingelegt. Gegen seine Inanspruchnahme aus der Zinsforderung von 12.549.990,27 EUR hat der Kläger am 12.04.2013 in Griechenland einen Antrag auf Zinsverzicht gestellt, weil er nach seiner Auffassung nicht für die seit 2008 angefallenen Zinsen haften könne. Über den Widerspruch und den Antrag auf Zinsverzicht ist nach Angaben des Klägers noch nicht entschieden. Der vom Kläger in Griechenland am 18.07.2013 gestellte Antrag auf Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens (Suspension Petition) wurde vom Verwaltungsgericht in H (Griechenland) am 02.10.2013 abgelehnt.
9Mit Schreiben vom 17.12.2012 legte der Kläger beim Beklagten Einspruch gegen die Zahlungsaufforderungen ein und stellte daneben zahlreiche weitere Anträge. Zur Begründung des Einspruchs trug der Kläger unter anderem vor, er habe die der Vollstreckung zu Grunde liegenden griechischen Titel nicht erhalten. Er habe erst mit Zustellung der einheitlichen Vollstreckungstitel sowie der streitgegenständlichen Zahlungsaufforderungen vom 15.11.2012 von der gegen ihn gerichteten Vollstreckung erfahren. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Einspruchsschreiben vom 17.12.2012 Bezug genommen.
10Mit Schreiben vom 27.12.2012 gab die griechische Behörde gegenüber dem Beklagten folgende Stellungnahme ab:
11Wir teilen Ihnen mit, dass Herr M bei Gericht Einspruch gegen den ursprünglichen Vollstreckungstitel sowie den einheitlichen Vollstreckungstitel eingelegt hat. Die eingelegte Rechtsmaßnahme geht jedoch nicht einher mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung oder des Beitreibungsverfahrens und bisher liegt kein gerichtlicher Beschluss zur Aussetzung der Vollstreckung oder Beitreibung vor. Daher werde Sie gebeten, die Beitreibung der Forderung fortzusetzen.
12Der Beklagte ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen, sondern hat die griechischen Finanzbehörden zu einer (weiteren) Stellungnahme aufgefordert. Mit Schreiben vom 05.04.2013 hat er dem Kläger mitgeteilt, dass von der Einleitung eines Vollstreckungsverfahrens bis zum Eingang dieser Stellungnahme abgesehen werde.
13Mit Schreiben vom 17.04.2013 gab die griechische Behörde folgende (weitere) Stellungnahme ab:
14In Beantwortung der Behauptungen des Schuldners M gegenüber den deutschen Steuerbehörden teilen wir Ihnen in Bezug auf die das griechische Recht betreffenden Bereiche und die tatsächlichen Fakten des Falles Folgendes mit: Der vorgenannte Schuldner ist seit dem .../07/2002 Geschäftsführer der Firma mit dem Namen „B S.A. of ...“ und mit Handelsnamen „B S.A.“ (früherer Name ... S.A.“). Das Unternehmen ist am .../01/2004 für insolvent erklärt worden, was zu seiner Auflösung gemäß Artikel 47a des Gesetzes 2190/1920 führte. Darauf folgte eine Einkommensteuer- und Umsatzsteuerprüfung des Unternehmens für die Jahre 1993 bis 2000 und es wurden unter der Steueridentifikationsnummer des Unternehmens 3 (Steuerbescheid Nummern) A.T.B. 2 und A.T.B. 1 Einkommensteuern und Umsatzsteuern veranlagt. Das Unternehmen legte vor griechischen Gerichten Einspruch gegen diese Steuerbescheide ein, es wurden jedoch für das Unternehmen endgültige und abschlägige Gerichtsentscheidungen getroffen.
15Laut Artikel 115 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (Gesetz 2238/1994) und Artikel 55 des Umsatzsteuergesetzes (Gesetz 2859/2000) ist im Falle der Auflösung einer Aktiengesellschaft neben dem Unternehmen sein Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Auflösung haftbar für die Einkommen- und Umsatzsteuerschulden, unabhängig davon, wann die Steuerfestsetzung erfolgte und welche Steuerjahre betroffen sind. Nach dem Gesetz und auch nach der Rechtsprechung griechischer Gerichte ist die Haftbarkeit des Geschäftsführers insofern ergänzend, als dass das Vollstreckungsverfahren für die Beitreibung auch gegen ihn als haftbare Person eingeleitet werden kann, obwohl die Steuern unter der Steueridentifikationsnummer des Unternehmens festgesetzt worden sind, ohne dass eine weitere Festsetzung unter seiner persönlichen Steueridentifikationsnummer erforderlich ist. Außerdem ist sie sachgerecht (die Haftung), da sie auf seinem Status als Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Auflösung des Unternehmens beruhte.
16Vor der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen gegen Herrn M hatte das zuständige Finanzamt F.A.E. von H (Griechenland) eine Mitteilung über die vorgenannten Schulden an die vom Schuldner selbst als seine Anschrift in Griechenland erklärte Adresse versandt, jedoch unterließ er es, die Schuld zu begleichen. Daher wurde das Vollstreckungsverfahren gegen ihn in Übereinstimmung mit den gerichtlichen Beschlüssen, durch die die Einsprüche des Unternehmens abgewiesen wurden, fortgesetzt.
17Es wird angemerkt, dass der Schuldner nach Einleitung des Amtshilfeverfahrens in Deutschland rechtliche Maßnahmen (Einspruch) in Griechenland ergriffen hat und den Einheitlichen Vollstreckungstitel angefochten hat, jedoch ohne einen Antrag auf Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens zu stellen.
18Folglich ist unsere Dienststelle der Auffassung, dass das Beitreibungsverfahren gemäß Artikel 14 der Richtlinie 2010/24/EE fortgesetzt werden sollte, da entsprechend unseren vorstehenden Ausführungen und gemäß griechischem Recht kein Grund für die Aussetzung besteht.“
19Mit Einspruchsentscheidung vom 05.06.2013 verwarf der Beklagte die Einsprüche gegen die Zahlungsaufforderungen als unzulässig. Gleichzeitig wies der Beklagte darauf hin, dass er der Aufforderung der griechischen Finanzbehörden, das Beitreibungsverfahren fortzusetzen, nicht nachkommen werde, sondern das Vollstreckungsverfahren gemäß § 13 Abs. 2 EUBeitrG i.V.m. § 258 Abgabenordnung (AO) ruhend stellen werde bis über den vom Kläger angekündigten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in Griechenland entschieden sei, maximal für sechs Monate. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 05.06.2013 Bezug genommen.
20Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage vom 08.07.2013. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend:
21Nach den Ausführungen der griechischen Finanzbehörden in der Antwort vom 17.04.2013 sei unstreitig, dass der dem Beitreibungsersuchen zu Grunde liegende griechische Vollstreckungstitel ihm - dem Kläger - jedenfalls nicht in einer mit deutschen Maßstäben vergleichbaren Form zugestellt worden sei. Ein Haftungsbescheid, der Grundlage für eine Vollstreckung gegen ihn sein könne, sei ihm gegenüber nicht ergangen. Er habe die in der Antwort der griechischen Finanzbehörden vom 17.04.2013 erwähnten Bescheide "3 (Steuerbescheid Nummern) A.T.B. 2 und A.T.B. 1" nicht erhalten. Offenbar sei die von ihm im Rahmen des Beitreibungsersuchens verlangte griechische Steuer niemals gegenüber ihm persönlich festgesetzt worden. Der Beklagte habe diesen für die sachgemäße Prüfung des Beitreibungsersuchens relevanten Umstand in der Einspruchsentscheidung in keiner Weise gewürdigt. Soweit sich in der Einspruchsentscheidung die Antwort der griechischen Finanzverwaltung vom 17.04.2013 finde, "das zuständige Finanzamt F.A.E. von H (Griechenland) habe eine Mitteilung über die vorgenannten Schulden an die vom Schuldner selbst als seine Anschrift in Griechenland erklärte Adresse versandt", werde dies bestritten, weil er in Griechenland zu keinem Zeitpunkt über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfügt habe. Er habe in Griechenland für sich persönlich keine Steuererklärungen abgegeben und den griechischen Finanzbehörden auch keine Adresse in Griechenland für seine persönliche Erreichbarkeit mitgeteilt. Selbst wenn ihm eine solche Mitteilung nach griechischem Recht zugerechnet werden müsste, könne diese niemals als Zustellung nach dem deutschen Rechtsverständnis (eingeschlossen dem ordre public) gelten. Wenn man die Richtigkeit des bestrittenen Vortrags unterstelle, hätten die griechischen Behörden allenfalls eine formlose Zahlungsaufforderung an eine griechische Adresse versandt, die er angeblich selbst erklärt habe, ohne die einzelnen gegenüber der B S.A. ergangenen Vollstreckungstitel beizufügen. Damit stehe fest, dass ihm die zu vollstreckenden Titel niemals in einer den deutschen Maßstäben entsprechenden Form zugestellt worden seien, so dass es an einer elementaren Grundvoraussetzung jeglicher Vollstreckung in Deutschland mangele. Er sei nach wie vor nicht in der Lage, den genauen Gegenstand und den Grund seiner Inanspruchnahme zu identifizieren, so dass er an einer effektiven Rechtsverfolgung sowohl in Deutschland als auch in Griechenland gehindert sei. Die Vollstreckung verstoße damit gegen zwingende Mindestanforderungen der EU-Beitreibung nach der Richtlinie.
22Letztlich sei ihm nicht bekannt, auf welche Titel sich die griechischen Finanzbehörden bei ihrem Beitreibungsersuchen stützten. Dies gelte insbesondere für die in den einheitlichen Vollstreckungstiteln genannten Festsetzungen vom 14.05.2008 mit dem Aktenzeichen A.T.B. 2 und A.T.B. 1. Die Festsetzungen vom 14.05.2008 seien - wie die griechischen Behörden in der Antwort vom 17.04.2013 ausführten - gegenüber der B S.A. ergangen. Es handele sich um Beschlüsse in Verfahren, durch die die Einsprüche der Gesellschaft abgewiesen worden seien. An diesen Verfahren sei er nicht beteiligt gewesen und er habe keine Kenntnis über den Verfahrensstand. Vollstreckungstitel seien wenn überhaupt gegen die B S.A. erlassen worden. Die griechischen Behörden würden in ihrer Antwort vom 17.04.2013 die Wirksamkeit der Zustellung an eine nicht näher bekannte unternehmensbezogene Adresse unterstellen. Dies werde bestritten. Er sei seit dem 30.09.2003 nicht mehr für den A-Konzern tätig und ihm sei die Korrespondenz der B S.A. nicht bekannt. Die Insolvenz der B S.A. und damit die Existenz eines Insolvenzverwalters, der die Gesellschaft nach griechischem Recht vertrete, sei den griechischen Finanzbehörden seit langem bekannt. Es werde bestritten, dass im Jahr 2008 nach griechischem Recht Mitteilungen mit Wirkung gegen ihn - den Kläger - an eine unternehmensbezogene Adresse, die vor der Insolvenz der Gesellschaft im Jahr 2003 benutzt worden sei, ohne jede zeitliche Beschränkung wirksam hätten vorgenommen werden können. Für die griechischen Behörden wäre es ohne weiteres zumutbar gewesen, Mitteilungen an seine deutsche Adresse zu übersenden. Dies belegten die vom Beklagten am 17.11.2012 zugestellten Zahlungsaufforderungen. Die Verfahren gegen die Festsetzungen gegen die B S.A. seien entgegen der Behauptung der griechischen Finanzbehörden nicht endgültig, sondern liefen noch.
23Die Ablehnung des Aussetzungsantrags am 02.10.2013 sei vom Verwaltungsgericht in H (Griechenland) im Kern damit begründet worden, dass die zur Verfügung gestellten Informationen zu seiner finanziellen Situation nicht ausreichend seien und für eine Vollstreckung in Deutschland noch ein Umsetzungsakt notwendig sei, so dass kein irreparabler Schaden zu besorgen sei. Weiterhin sei der von ihm in der Hauptsache eingelegte Rechtsbehelf nach Auffassung des Gerichts deshalb nicht offensichtlich begründet, weil die Beurteilung des Falles tatsächliche und rechtliche Recherchen erfordere und es derzeit keine einschlägigen höchstrichterlichen Entscheidungen des obersten griechischen Verwaltungsgerichtshofs zur EU-Beitreibungsrichtlinie gebe. Hiernach werde er aber rechtsschutzlos gestellt. In Deutschland werde er auf den in Griechenland zu suchenden Rechtsschutz verwiesen, während eine vorläufige Aussetzung der Vollstreckung in Griechenland aufgrund des noch nicht drohenden irreparablen Schadenseintritts abgelehnt werde.
24Vor diesem Hintergrund sei die Anfechtungsklage gegen die Zahlungsaufforderungen statthaft und damit zulässig. Die ihm zugestellten Zahlungsaufforderungen samt den einheitlichen Vollstreckungstiteln seien aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls als Verwaltungsakte zu qualifizieren. Sie beinhalteten ein erstmaliges Leistungsgebot gemäß § 254 Abs. 1 Satz 1 AO, da unstreitig sei, dass er - der Kläger - mangels Zustellung der zu Grunde liegenden griechischen Vollstreckungstitel an ihn erstmals als Vollstreckungsschuldner für die gegenüber der B S.A. erfolgten Steuerfestsetzungen in Anspruch genommen werde. Nach den Ausführungen in der Antwort der griechischen Finanzbehörden vom 17.04.2013 sei die Haftbarkeit des griechischen Geschäftsführers nach der griechischen Rechtsordnung und der Rechtsprechung griechischer Gerichte insofern ergänzend, als das Vollstreckungsverfahren für die Beitreibung auch gegen ihn als haftbare Person eingeleitet werden könne, obwohl die Steuern unter der Steueridentifikationsnummer des Unternehmens festgesetzt worden seien, ohne dass eine weitere Festsetzung unter seiner persönlichen Steueridentifikationsnummer erforderlich sei. Damit stehe fest, dass es keinen gegen ihn gerichteten griechischen Vollstreckungstitel gebe. Er sei also mit den Zahlungsaufforderungen erstmals aufgefordert worden innerhalb einer bestimmten Frist die geltend gemachten Beträge zu entrichten. In einem solchen Fall stelle die Zahlungsaufforderung ein Leistungsgebot und damit einen Verwaltungsakt dar. Selbst wenn die Zahlungsaufforderungen nur als eine Zahlungserinnerung und rechtlich somit als Mahnung im Sinne des § 259 AO zu qualifizieren seien, wäre diese vermeintliche Zahlungserinnerung bzw. Mahnung ein Verwaltungsakt. In der Literatur sei anerkannt, dass eine Mahnung in ein Leistungsgebot umzudeuten sei, wenn der Mahnung kein Leistungsgebot vorangegangen sei und - wie im Streitfall - die inhaltlichen Voraussetzungen eines Leistungsgebots erfüllt seien. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Zahlungsaufforderungen in einen Verwaltungsakt umgedeutet oder als das Leistungsgebot ersetzenden Verwaltungsakt gedeutet würden.
25Die Zahlungsaufforderungen seien bereits formell rechtswidrig. Die angeforderten Beträge seien nicht nachvollziehbar. Die beigefügten einheitlichen Vollstreckungstitel wiesen in den Spalten "Ursprünglich fällig" jeweils 0 EUR aus, während erst in der Spalte "Noch fällig" die entsprechenden Beträge aufgeführt seien. Dies sei widersprüchlich. Außerdem enthielten die Zahlungsaufforderungen keine Rechtsbehelfsbelehrung. Weitere Verfahrensfehler seien dem Beklagten im Zusammenhang mit der Anwendung des EUBeitrG unterlaufen. Der Beklagte habe keine möglichen Ablehnungsgründe im Sinne des § 14 Abs. 2 EUBeitrG geprüft. Zudem müsste die Fortführung des Beitreibungsverfahrens durch den Beklagten auch deswegen abgelehnt werden, weil er - wie auch die B S.A. - die Steuerforderungen in Griechenland angefochten habe und mit zeitnahen Entscheidungen nicht zu rechnen sei. Er habe zudem einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt und werde nach der ablehnenden Entscheidung einen weiteren Antrag stellen. Die Ausführungen der griechischen Behörde in der Antwort vom 17.04.2013 seien keine nachvollziehbare Begründung im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 EUBeitrG dafür, dass das Vollstreckungsverfahren unter dem Aspekt der Dringlichkeit weiterzuführen und ein Abwarten bis zu einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar sei, gerade auch vor dem Hintergrund der enormen Höhe der Forderung. Unabhängig davon sei jedenfalls die fehlende Berücksichtigung des Antrags auf Zinsverzicht eine Missachtung der vom Beklagten nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 4 und 5 EUBeitrG vorzunehmenden Prüfung.
26Die Zahlungsaufforderungen seien auch materiell rechtswidrig. Auch im Rahmen der Beitreibung auf der Grundlage eines einheitlicher Vollstreckungstitels nach § 9 Abs. 1 EUBeitrG dürfe nur vollstreckt werden, wenn der einheitliche Vollstreckungstitel gegenüber dem Schuldner vollstreckbar sei. Die in den einheitlichen Vollstreckungstiteln aufgeführten griechischen Vollstreckungstitel seien jedoch nicht gegenüber ihm, sondern gegenüber der B S.A. ergangen. Die Bescheide gegen die Gesellschaft seien ihm auch nie zugestellt worden. Damit liege ihm gegenüber kein Vollstreckungstitel vor. Darüber hinaus habe der Beklagte die Amtshilfe gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 EUBeitrG ablehnen müssen, weil die aus der Betriebsprüfung der B S.A. resultierenden Forderungen älter als fünf Jahre seien. Die materielle Rechtswidrigkeit ergebe sich zudem aus Verstößen gegen die deutsche öffentliche Ordnung (ordre public). Durch seine Inanspruchnahme als Vollstreckungsschuldner seien insbesondere die tragenden Grundsätze der öffentlichen Ordnung in Deutschland sowie die damit verbundenen Verfahrensrechte eklatant verletzt. Ihm seien keine Bescheide oder Gerichtsentscheidungen bekanntgegeben worden. Ihm sei daher weder ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden noch sei er über gegebene Rechtschutzmöglichkeiten informiert worden. Die Tatsache der fehlenden Zustellung der griechischen Vollstreckungstitels stelle jedenfalls nach den für das gegenständliche Verfahren relevanten Maßstäben einen groben Verstoß gegen den ordre public dar und zwar unabhängig vom Ausgang etwaiger griechischer Verfahren. Der Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass er erst nach Vorlage eines geänderten Beitreibungsersuchens einen möglichen Verstoß gegen den ordre public prüfen könne. Der ordre public sei in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen. Er habe zwischenzeitlich alle noch offenen Rechtsschutzwege in Griechenland beschritten. Hierbei habe sich herausgestellt, dass es ihm nach griechischem Recht gar nicht möglich sei, die Grundlagen der Steuerforderungen adäquat und ausreichend anzugreifen, da er an den bisherigen griechischen Verfahren gegen die B S.A. nicht beteiligt gewesen sei. Nach deutschem Recht würde in einer solchen Konstellation selbst § 166 AO die Rechtsschutzmöglichkeiten nicht einschränken. Im Übrigen werde die Auffassung, dass der Beklagte die Zustellung des griechischen Vollstreckungstitels zu prüfen habe, bestätigt durch das vor dem Hintergrund der - der EU-Beitreibungsrichtlinie vorangegangenen - EU-Richtlinie 76/308 ergangene Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 14.01.2010 (C-233/08 Randziffer 50 Satz 2). Nach den Ausführungen des EuGH stelle die Zustellung der Zahlungsaufforderungen vom 15.12.2012 mitsamt den einheitlichen Vollstreckungstiteln durch den Beklagten den Beginn der Vollstreckungsmaßnahmen dar. Wie die griechische Behörde in der Mitteilung vom 17.04.2013 ausführe, dienten allenfalls gerichtliche Beschlüsse gegen die B S.A. als Vollstreckungsgrundlage. Da er an den gerichtlichen Verfahren nicht beteiligt gewesen sei, müssten Streitigkeiten in Bezug auf eine ordnungsgemäße Bekanntgabe von der ersuchten deutschen Behörde überprüft werden.
27Darüber hinaus seien die einheitlichen Vollstreckungstitel teilweise in griechischer Sprache abgefasst. So würden unter "Sonstige Informationen" nach "Der Schuldner war Geschäftsführer des Hauptschuldner Unternehmens" nur noch griechische Bezeichnungen aufgeführt, die er nicht verstehe. Hinzu komme, dass eine mögliche Haftung nach griechischem Recht subsidiär sei. Es lägen aber keinerlei Belege dafür vor, dass Vollstreckungsversuche gegen die B S.A. erfolglos gewesen seien. Die B S.A. habe ausweislich ihrer Bilanz zum 29.08.2003, d. h. kurz vor Anmeldung der Insolvenz, noch über ein Aktivvermögen von 11.262.187,38 EUR, verfügt. In seinem Einspruchsschreiben vom 17.12.2012 habe er umfangreiche und ausführlich begründete Einwendungen gegen seine Inanspruchnahme in Griechenland vorgebracht. Dabei handele es sich u. a. um die Verfassungswidrigkeit der griechischen Haftungsgrundlagen an sich und die verfassungswidrige Auslegung dieser Vorschriften, Verfahrens-, Beurteilungs-, Ermittlungs- und Berechnungsfehler, Verstoß der griechischen Besteuerungsgrundlagen gegen Europarecht, Rechtswidrigkeit bzw. Nichtigkeit der Festsetzungen gegenüber der B S.A., fehlerhafte Auslegung der griechischen Haftungsvorschriften, Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, Verstöße gegen die EU-Beitreibungsrichtlinie. Damit stehe eine Vollstreckung in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zu grundlegenden Prinzipien der deutschen Rechtsordnung, welche nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und der Finanzgerichte zu beachten seien. Weiterhin sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) deshalb verletzt, weil er in den maßgeblichen griechischen Verfahren keine Gelegenheit erhalten habe, sich zu äußern. Daraus ergebe sich für den Beklagten die Pflicht, die Ausführungen aufzugreifen und in die Entscheidung einzubeziehen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass nach deutschem Grundverständnis für eine Haftungsinanspruchnahme eines Geschäftsführers oder Vorstands einer Gesellschaft immer auch eine schuldhafte Pflichtverletzung des jeweiligen Geschäftsleitungsorgans hinzukommen müsse (§ 69 AO, § 43 GmbHG, § 93 AktG). Ihn treffe demgegenüber an den streitgegenständlichen Steuerschulden der B S.A. kein Verschulden. In diesem Kontext sei auch zu berücksichtigen, dass die Steuerschulden nicht aus seiner Amtszeit resultierten. Der Umstand, dass er nach seiner Erinnerung von März 1998 bis Oktober 2001 einfaches Mitglied des Verwaltungsrates ohne Vertretungsbefugnis gewesen sei, sei irrelevant, da derartige Verwaltungsratsmitglieder in keiner Weise einer vergleichbaren Haftung unterlägen wie der Vorsitzende des Verwaltungsrates. Wenn ein Verschulden aus griechischer Sicht tatsächlich irrelevant sein sollte, führte dies zu einem Verstoß gegen allgemein gültige Prinzipien nach deutschem Verständnis und mithin zu einem weiteren Verstoß gegen den ordre public.
28Im Übrigen resultiere eine materielle Rechtswidrigkeit sämtlicher Maßnahmen der deutschen Finanzverwaltung einschließlich des Beklagten schon allein daraus, dass dieser das Beitreibungsersuchen wegen Unbilligkeit aufgrund der Regelung in § 14 Abs. 1 EUBeitrG schon von Beginn an habe ablehnen müssen. Ihm drohe durch die Vollstreckung der rd. 37 Mio. EUR Steuerschulden in sein Vermögen die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz. Auch eine nur vorläufige Vollstreckung würde seine private und berufliche Existenz zerstören. Die Schäden könnten nur schwerlich wieder rückabgewickelt werden. Zudem seien laufende Unterhaltsansprüche seiner Kinder und Ehefrau betroffen. Darüber hinaus wären selbst die gegenüber § 14 Abs. 1 EUBeitrG engeren bzw. restriktiveren Unbilligkeitsgrundsätze nach deutschem Steuerverfahrensrecht einschlägig. Dies gelte sowohl im Hinblick auf die persönliche als auch im Hinblick auf die sachliche Unbilligkeit im Sinne der §§ 162, 227 AO. Es erschließe sich nicht, warum die deutsche Finanzverwaltung unter vergleichbaren Umständen verpflichtet sein solle, etwaige griechische Steuerschulden einzutreiben. Die Beitreibung der griechischen Steuerforderungen in Höhe von rd. 37 Mio. EUR, insbesondere ohne jede Klärung der griechischen Sach- und Rechtslage, stelle zudem einen tiefgreifenden Eingriff in verschiedene Grundrechte dar. So werde durch eine Vollstreckung in seinem Grundrecht auf Schutz der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) verletzt. Eine Vollstreckung hätte ganz erhebliche Auswirkungen auf seinen Lebenswandel und den seiner Familie. Auch könnte die Ausbildung der Kinder nicht mehr finanziert werden. Weiterhin hätte die Vollstreckung einer derart immensen Summe die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz als Steuerberater zur Folge. Dies sei mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Außerdem werde ihm jegliches in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG fallendes Eigentum genommen. Aus den genannten Gründen sei auch die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 GG verletzt. Die Vollstreckung würde einen extrem gelagerten Einzelfall darstellen, der die Vernichtung seiner gesamten Lebensleistung zur Folge habe mit entsprechenden gravierenden Folgen für seine Familie. Dabei werde er nicht nur ohne jedes Verschulden, sondern auch noch ohne vorherige gerichtliche Prüfung seine wirtschaftliche Existenz vernichtet. Daher gebiete auch die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG und die staatliche Fürsorgepflicht, die Zahlungsaufforderungen aufzuheben. Die Vollstreckung eines Betrages von rd. 37 Mio. EUR gegenüber einem bloßen Haftungsschuldner sei schon vom Grundsatz her unverhältnismäßig.
29Falls das Gericht die Anfechtungsklage für unzulässig halten sollte, hätte er jedenfalls ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zahlungsaufforderungen gemäß § 41 Abs. 1 FGO. Mit den Zahlungsaufforderungen habe der Beklagte zumindest den Rechtsschein eines Verwaltungsaktes gesetzt, welcher seine wirtschaftliche Planungssicherheit gefährde. Es sei mit dem Gebot der Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes unvereinbar, wenn er gezwungen würde, Vollstreckungsmaßnahmen abzuwarten. Insbesondere der evidente Verstoß gegen den ordre public, d.h. das Fehlen eines Vollstreckungstitels, könne bereits jetzt im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht werden (Hinweis auf BFH-Urteil vom 03.11.2010 VII R 21/10, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2011, 401). Gleiches gelte, weil er mangels Zustellung eines Titels nicht in der Lage sei, den genauen Gegenstand und den Grund seiner Inanspruchnahme zu identifizieren. Damit sei er an einer effektiven Rechtsverfolgung gehindert. Daran ändere nichts, dass der Beklagte das Vollstreckungsverfahren ruhend gestellt bzw. ausgesetzt habe bis die Rechtmäßigkeit des Anspruchs in Griechenland geklärt sei. Unabhängig vom Ausgang griechischer Verfahren werde seine wirtschaftliche Planungssicherheit so stark beeinträchtigt, dass dies einer Zerstörung seiner wirtschaftlichen und beruflichen Existenz gleichkomme. Zudem bliebe die Rechtslage im Hinblick auf die fehlende Bekanntgabe eines Vollstreckungstitels unnötig lange unklar. Es bestehe unverändert die mit einem evidenten Verfahrensfehler behaftete Drohung einer Vollstreckung. Es gebe für ihn auch keinen schnelleren und einfacheren und billigeren Weg der Erreichung von Rechtsschutz. Der Vollständigkeit halber sei anzumerken, dass Beklagte sich zu einer möglichen Beschränkung bzw. Aussetzung des Verfahrens nicht bzw. nur schwankend und ohne erkennbaren Rechtsbindungswillen geäußert habe.
30Der Senat hat am 11.06.2015 einen Gerichtsbescheid erlassen und darin die Klage abgewiesen sowie die Revision zugelassen. Der Kläger hat fristgerecht am 13.07.2015 mündliche Verhandlung beantragt.
31Der Kläger trägt ergänzend vor, es seien neue Tatsachen hinzugetreten, die eine andere Würdigung erforderten und sein Begehren stützen, eine drohende Vollstreckung abzuwenden. So sei er mit E-Mail vom 18.09.2015 von der A AG darüber informiert worden, dass die von der B S.A. eingelegten Revisionen gegen die Steuerfestsetzungen in mindestens 17 von 25 Fällen aus formalen Gründen rechtskräftig zurückgewiesen worden seien. Es sei ihm in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen, die Gerichtsentscheidungen zu erlangen. Zudem sei das Insolvenzverfahren gegen die B S.A. mit Urteil Nr. 4 des Landgerichts H (Griechenland) aufgehoben worden. Eine Versteigerung der Restvermögenswerte der Gesellschaft sei erfolglos verlaufen.
32Aufgrund der neuen Tatsachenlage betreffend die B S.A. liege nunmehr eine die griechische Rechtslage bestätigende Entscheidung vor. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass die gegen die B S.A. ergangenen erstinstanzlichen Gerichtsentscheidungen nach Maßgabe der griechischen Rechtslage auch als Vollstreckungstitel gegen ihn dienen könnten. Die griechischen Vollstreckungstitel, die ihm ausweislich der Angaben im einheitlichen Vollstreckungstitel am 16.05.2008 zugestellt worden sein sollen, seien nunmehr rechtskräftig und damit auch in Bezug auf sein Verfahren als verbindlich anzusehen. Nach Maßgabe der griechischen Rechtslage würden Einwendungen gegen die in der Hauptsache festgesetzten Steuerforderungen im Rahmen seiner in Griechenland eingelegten Rechtsbehelfe nicht mehr berücksichtigt. Das bedeute, dass er als alleiniger Verwaltungsratspräsident mit Vertretungsmacht zum Zeitpunkt der Auflösung der B S.A. durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens neben der Gesellschaft für deren Steuerschulden hafte, unabhängig davon, wann die Steuerfestsetzung erfolgt sei und welche Steuerjahre betroffen seien. Er habe keine Möglichkeit mehr, die Grundlagen seiner Haftung prüfen zu lassen. Es bestehe die Besorgnis, dass das Beitreibungsersuchen nunmehr in Deutschland fortgesetzt werde, zumal es seitens der griechischen Behörden keine andere Mitteilung als die vom 17.04.2013 über die Weiterführung des Vollstreckungsverfahrens gebe und ihm in Griechenland vorläufiger Rechtsschutz nicht gewährt worden sei.
33Die neuen Tatsachen seien entscheidungserheblich, da sie ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 41 FGO begründeten. Er sei einer konkreten Gefahr der Vollstreckung ausgesetzt, da eine Überprüfung der gegen ihn gerichteten Forderungen in der Hauptsache nicht mehr möglich sei. Die griechischen Behörden hätten in ihrer Mitteilung vom 17.04.2013 die Vollstreckung trotz vorheriger Anfechtung der Haftungsbescheide verlangt, ohne dass bisher eine andere Erklärung vorliege. Damit liege ein Fall des § 13 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 EUBeitrG vor, der regele, dass auch dann, wenn im ersuchenden Staat Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt werde, die Entscheidung im ersuchten Staat zu exekutieren sei. Die seitens des Beklagten im Rahmen dieses Rechtsstreits im Schriftsatz vom 29.04.2014 abgegebene Erklärung, das Vollstreckungsverfahren bis zu einer rechtsgültigen Entscheidung in Griechenland auszusetzen, stehe folglich im Widerspruch zu § 13 Abs. 2 Satz 3 EUBeitrG und könne für ihn in mehrfacher Hinsicht keine Sicherheit gewähren. Zum einen sei unklar, auf welches in Griechenland geführte Verfahren die Aussage sich beziehe, nämlich ob Bezug genommen werde auf die Verfahren, in denen über das Bestehen der Steuerschuld der B S.A. gestritten werde oder auf die von ihm initiierten Verfahren zur Vermeidung einer Inanspruchnahme als Mitglied des Verwaltungsrates. Zum anderen sei aufgrund rechtskräftiger Beendigung der Verfahren betreffend das Bestehen der Steuerschuld jedenfalls in den entschiedenen 17 Fällen ihm nunmehr in Griechenland der Einwand abgeschnitten, dass eine Steuerschuld nicht bestünde, was unmittelbar eine Haftung zur Folge habe. Nach Aussage des Beklagten sei die Vollstreckung lediglich bis zur abschließenden Klärung des Bestehens der griechischen Forderung ausgesetzt. Das sei mit Ergehen der rechtskräftigen Entscheidungen geklärt.
34Das mit Schriftsatz vom 28.09.2015 ergänzend gestellte Unterlassungsbegehren sei streitgegenständlich identisch und verfolge das bisher bereits artikulierte Ziel auf Erlangung vorbeugenden Rechtsschutzes. Für die vorbeugende Unterlassungsklage sei nach der Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 11.12.2012 VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739) dann Raum, wenn das erstrebte Schutzziel mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bzw. einstweiliger Anordnung nicht erreicht werden könne. Ein Abwarten der tatsächlichen Rechtsverletzung sei hier unzumutbar, weil die Rechtsverletzung nicht wiedergutzumachen wäre. Der Beginn der Vollstreckung hätte für ihn eine Privatinsolvenz zur Folge. Die Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes sei unzumutbar, da im Rahmen eines solchen Verfahrens die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nur summarisch geprüft würden und die Steuerfestsetzungen gegenüber der B S.A. rechtsverbindlich für ihn gälten.
35In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ergänzend vorgetragen, er sei bei der Betriebsprüfung mit einem Ansinnen konfrontiert worden, das einer Korruption nahe komme. In der Schlussbesprechung habe man sie mit drei Alternativen konfrontiert, einem „leichten“ Bericht (Nachzahlung 3 Mio. EUR), einem „mittelschweren“ und einem „schweren“ Bericht (Nachzahlung 30 Mio. EUR). Man habe sich auf den „weichen“ Bericht einigen sollen, aus Erfahrung wären dann 50% an den Fiskus gegangen und 50% an einen Berater, der das Geld unter den Prüfern verteilt hätte. Der Vorschlag sei abgelehnt worden, weil die A AG den Betrag nicht habe zahlen wollen. In der Folge seien Festsetzungen über 51 Mio. EUR ergangen.
36Darüber hinaus hat er die Einvernahme des Bundeszentralamts für Steuern beantragt, hilfsweise des Beklagten zu entsprechenden Prüfungshandlungen im Hinblick auf die Zulässigkeit des Beitreibungsersuchens sowie zur Klärung der griechischen Rechtslage die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu folgenden Fragen: Nach welchen anwendbaren griechischen Vorschriften hätten griechische Behörden die für ein Beitreibungsersuchen behauptete Zustellung vornehmen müssen? Entspricht die von den griechischen Behörden in der Mitteilung vom 17.04.2013 dargestellte Zustellung den anwendbaren griechischen Rechtsvorschriften? Kann die in dem Beitreibungsersuchen behauptete Zustellung nach den anwendbaren griechischen Rechtsvorschriften dem gegenständlichen Beitreibungsersuchen unter Geltung der nach der seit 1.1.2012 geltenden Rechtslage zugrunde gelegt werden? Beinhaltet das von griechischen Behörden gegen den Kläger praktizierte Verfahren einen Verstoß gegen den ordre public unter Berücksichtigung der griechischen und der deutschen Rechtsvorschriften?
37In der mündlichen Verhandlung hat sich der Beklagte ausdrücklich verpflichtet, mit Vollstreckungsmaßnahmen nicht zu beginnen, bevor nicht die Mitteilung aus Griechenland eingegangen ist, dass die Klageverfahren einschließlich der persönlichen Verfahren des Klägers wegen der in Griechenland vollstreckbaren Forderungen abgeschlossen sind und die Forderungen ganz oder teilweise bestehen bleiben.
38Der Kläger beantragt,
39die Zahlungsaufforderung über 19.068.169,90 EUR zzgl. Säumniszuschlägen von 125.446,00 EUR, insgesamt 19.193.615,90 EUR vom 15.11.2012 sowie die Zahlungsaufforderung über 17.728.938,83 EUR zzgl. Säumniszuschlägen von 117.021,00 EUR, insgesamt 17.845.959,83 EUR vom 15.11.2012 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 05.06.2013 aufzuheben,
40hilfsweise festzustellen, dass
41- die beiden Zahlungsaufforderungen vom 15.11.2012,
42- die einheitlichen Vollstreckungstitel mit Ausstellungsdatum 15.11.2012, die den Zahlungsaufforderungen als Anlage beigefügt waren sowie
43- die Einspruchsentscheidung vom 05.06.2013
44jeweils rechtswidrig sind und Vollstreckungsmaßnahmen hieraus jeweils unzulässig sind
45und
46den Beklagten zu verpflichten, es zu unterlassen Zwangsvollstreckungsmaß-nahmen aus dem Beitreibungsersuchen der griechischen Behörden, das den beiden Zahlungsaufforderungen zugrunde liegt, vorzunehmen.
47Der Beklagte beantragt,
48die Klage abzuweisen.
49Der Beklagte macht im Wesentlichen geltend: Die Anfechtungsklage sei unzulässig. Die Zahlungsaufforderungen seien keine Verwaltungsakte. Die Feststellungsklage sei ebenfalls unzulässig. Er habe das Vollstreckungsverfahren trotz wiederholtem Drängen der griechischen Finanzbehörden bis zum Ausgang sämtlicher in Griechenland anhängiger Verfahren ausgesetzt. Soweit der Kläger einwende, dass dies aus der Einspruchsentscheidung nicht eindeutig hervorgehe, sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch keinen Aussetzungsantrag gestellt, sondern dies nur angekündigt hatte, gleichwohl aber von ihm - dem Beklagten - erwartet habe, dass er bei seiner Entscheidung einen nicht gestellten Antrag berücksichtige. Er habe das Vollstreckungsverfahren gleichwohl ausgesetzt. Da aber nicht festgestanden habe, dass tatsächlich ein Aussetzungsantrag gestellt werde, habe er die Aussetzung befristet. Dass der Kläger diese Vorgehensweise beanstande, sei nicht nachvollziehbar. Auf ausdrücklichen Wunsch der ersuchenden Behörde könne gemäß § 13 EUBeitrG sogar eine angefochtene Forderung beigetrieben werden. Er habe bereits im Vorfeld, aber auch in der Folgezeit gegenüber dem Kläger wiederholt und eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass das Vollstreckungsverfahren bis zu einer endgültigen Klärung der Rechtslage in Griechenland ausgesetzt werde. Er habe dies auch gegenüber den griechischen Finanzbehörden zum Ausdruck gebracht. Ihm sei die Tragweite des Verfahrens durchaus bewusst. Er habe das Vollstreckungsverfahren nicht aufgenommen, obwohl der Aussetzungsantrag zwischenzeitlich abgelehnt worden sei. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt würde eine Zurückweisung des Beitreibungsersuchens eine Vorwegnahme der Entscheidung des griechischen Gerichts darstellen. Erst nach der Entscheidung des griechischen Gerichts sei eine umfassende rechtliche Würdigung in Anlehnung an das deutsche Recht zulässig, da in die Entscheidung zwingend die Urteilsgründe des griechischen Gerichts Eingang finden müssten. Dies sei auf die Zuständigkeitsverteilung in Art. 14 der Beitreibungsrichtlinie zurückzuführen. Es werde aber nochmals klargestellt, dass das Vollstreckungsverfahren bis zu einer abschließenden Klärung der Ansprüche nicht aufgenommen werde.
50Die Klage könne aber auch in der Sache keinen Erfolg haben. Die einheitlichen Vollstreckungstitel seien nach der Beitreibungsrichtlinie Rechtsgrundlage für die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen im Inland. Die einheitlichen Vollstreckungstitel seien in deutscher Sprache abgefasst und wiesen zu jeder Forderungsart die Hauptforderung und die hierauf entfallenden Zinsen unter der Rubrik „noch fällig“ bzw. „Gesamtbetrag der Forderung“ aus. Die fehlende Angabe der „ursprünglich fälligen Beträge“ diene der besseren Orientierung und führe nicht zu einer widersprüchlichen Darstellung. Soweit der Kläger mangelnde Rechtsklarheit und Rechtssicherheit moniere, könne dies nicht nachvollzogen werden. Entgegen der Auffassung des Klägers lägen keine Ablehnungsgründe im Sinne des § 14 Abs. 2 EUBeitrG vor. Die Beitreibungsersuchen hätten jeweils den 01.07.2008 als Zeitpunkt ausgewiesen, ab dem eine Vollstreckung möglich sei. Die Beitreibungsersuchen seien am 07.11.2012 beim Bundeszentralamt für Steuern und damit innerhalb der Fünf- bzw. Zehnjahresfrist des § 14 Abs. 2 EUBeitrG eingegangen. Dem Einwand, das Beitreibungsersuchen sei wegen Unbilligkeit gemäß § 14 Abs. 2 EUBeitrG abzulehnen, sei entgegen zu halten, dass § 258 AO in Verbindung mit den Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung Umfang und Wirkung des Vollstreckungsverfahrens begrenzten.
51Soweit der Kläger geltend mache, er habe den zu Grunde liegenden griechischen Vollstreckungstitel nicht erhalten, könne er diesen Einwand nur in Griechenland geltend machen. Ihm - dem Beklagten - sei es nicht gestattet, Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit der Entscheidung in Frage zu stellen. Zwar müsse der ersuchende Mitgliedsstaat im Besitz eines rechtsgültigen Titels sein, bevor ein Beitreibungsersuchen gestellt werde. Wie sich aus § 9 Abs. 1 EUBeitrG ergebe, sei diese Voraussetzung vom ersuchten Mitgliedsstaat jedoch als gegeben anzusehen. Sollte der ersuchte Mitgliedsstaat verpflichtet sein zu prüfen, ob ein vollstreckbarer Vollstreckungstitel vorliege, müsse er sich nicht nur mit den nationalen Vorschriften des ersuchenden Mitgliedsstaates auseinandersetzen, sondern würde auch in dessen Souveränität eingreifen. Darüber hinaus würde eine solche Verfahrensweise das Beitreibungsverfahren unterlaufen, das gerade auf das reibungslose Funktionieren des Systems der Amtshilfe gerichtet sei. Dem Rechtsschutzinteresse des Klägers werde dadurch Genüge getan, dass er seine Einwendungen im ersuchenden Mitgliedstaat vorbringen könne und dies im ersuchten Mitgliedstaat grundsätzlich eine Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens bewirke. Die Frage, ob ein Verstoß gegen den Grundsatz des ordre public gegeben sei, könne erst nach Klärung der Rechtslage in Griechenland entschieden werden. Entscheidend für das Verfahren sei die wirksame Bekanntgabe des Vollstreckungstitels. Gegenwärtig stehe die Aussage der griechischen Behörde, dass eine ordnungsgemäße Bekanntgabe erfolgt sei, der Aussage des Klägers gegenüber. Solange diese Frage nicht geklärt sei, könne nicht geprüft werden, ob die Anwendung griechischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den hierin enthaltenen Rechtsvorstellungen signifikant in Widerspruch stehe.
52Entscheidungsründe
53I. Die Klage ist unzulässig.
541. Der Beklagte hat den Einspruch gegen die Zahlungsaufforderungen vom 15.11.2012 zu Recht mit der Einspruchsentscheidung vom 05.06.2013 als unzulässig verworfen, weil es sich nicht um Verwaltungsakte handelt.
55Gemäß § 347 Abs. 1 Satz 1 AO ist gegen die dort genannten Verwaltungsakte als Rechtsbehelf der Einspruch statthaft. Bei einem Verwaltungsakt handelt es sich gemäß § 118 Satz 1 AO um jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die Zahlungsaufforderungen stellen keine Verwaltungsakte in diesem Sinne dar.
56Die Zahlungsaufforderungen enthalten keine eigenständige Regelung, da diese sich auf die Mitteilung der Zahlstelle beschränken, an die der Kläger die ihm durch das Beitreibungsersuchen auferlegte Zahlung zu bewirken hat. Zwar enthalten sie auch die Ankündigung von Vollstreckungsmaßnahmen für den Fall, dass der Kläger den Zahlungsaufforderungen innerhalb der angegebenen Frist nicht nachkommt. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung handelt es sich bei der Ankündigung der Vollstreckung jedoch lediglich um eine aus Gründen der Zweckmäßigkeit nach außen gerichtete Bekanntmachung einer verwaltungsinternen Maßnahme (z. B. BFH-Beschluss vom 30.08.2010 VII B 48/10, BFH/NV 2010, 2235 m.w.N. zur Zahlungsaufforderung aufgrund eines Beitreibungsersuchens).
57Entgegen der Aufforderung des Klägers handelt es sich bei den Zahlungsaufforderungen selbst dann nicht um ein Leistungsgebot im Sinne des § 254 Abs. 1 AO, wenn in Griechenland gegen den Kläger keine gesonderte Zahlungsaufforderung ergangen sein sollte. Die Einleitung der Vollstreckung aufgrund eines Beitreibungsersuchens nach Maßgabe des EUBeitrG setzt kein Leistungsgebot voraus. Zwar erfolgt die Vollstreckung bei einem Beitreibungsersuchen von anderen Mitgliedstaaten nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in § 9 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG nach den Vorschriften der AO. Zu diesen die Vollstreckung betreffenden Vorschriften gehört unter anderem die Vorschrift des § 254 Abs. 1 AO über das Leistungsgebot, wonach die Vollstreckung erst beginnen darf, wenn der Vollstreckungsschuldner zur Leistung aufgefordert worden ist. Nach dem EUBeitrG besteht für ein gesondertes Leistungsgebot im Vollstreckungsstaat jedoch keine Rechtsgrundlage. Damit kann es sich bei den Zahlungsaufforderungen aber auch nicht um Verwaltungsakte handeln.
58Dies folgt nach Auffassung des Senats zum einen aus der Anerkennung des einheitlichen Vollstreckungstitels als alleiniger Grundlage der Vollstreckung und zum anderen aus der fehlenden Möglichkeit, den einheitlichen Vollstreckungstitel im Vollstreckungsstaat anzufechten.
59Wie sich aus § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 EUBeitrG ergibt, werden Forderungen, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht, wie eine inländische Forderung vollstreckt. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der ursprüngliche Vollstreckungstitel durch einen einheitlichen Vollstreckungstitel bestätigt und dieser einheitliche Vollstreckungstitel dem Beitreibungsersuchen beigefügt wurde. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 EUBeitrG wird dieser einheitliche Vollstreckungstitel als vollstreckbarer Verwaltungsakt fingiert. Dieser ist - wie sich aus § 10 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EUBeitrG ergibt - die „alleinige Grundlage“ für die im Vollstreckungsstaat zu ergreifenden Beitreibungsmaßnahmen und muss - wie aus dem nachfolgenden Satz 2 folgt - im Vollstreckungsstaat weder durch einen besonderen Akt anerkannt noch ergänzt oder ersetzt werden. Dies kann nur so verstanden werden, dass im Vollstreckungsstaat kein gesondertes Leistungsgebot erforderlich ist. In Konsequenz dazu fehlt im EUBeitrG eine Vorschrift, die dem zwischenzeitlich außer Kraft getretenen § 4 Abs. 1 EGBeitrG entsprechen würde. Voraussetzung für die Vollstreckung war danach unter anderem, dass die ersuchende Behörde einen in ihrem Staat vollstreckbaren Titel in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie vorlegt. Eine Vollstreckung sollte deshalb nach damaliger Rechtslage nur statthaft sein, wenn der zu vollstreckende Vollstreckungstitel ordnungsgemäß bekannt gegeben war (FG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 08.01.2008 3 V 3260/07, Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 502). Die Gesetzeshistorie verdeutlicht, dass nunmehr der einheitliche Vollstreckungstitel an die Stelle des - regelmäßig mit einer Zahlungsaufforderung versehenen - vollstreckbaren Titels tritt. Dass der einheitliche Vollstreckungstitel dem Schuldner gesondert zuzustellen ist, ist im EUBeitrG nicht vorgesehen. Eine solche Zustellung braucht weder vom Ursprungsstaat nachgewiesen zu werden, noch handelt es sich um eine Verfahrensvoraussetzung, die vom Vollstreckungsstaat wahrzunehmen wäre. Damit besteht auch für ein gesondertes Leistungsgebot im Vollstreckungsstaat keine Rechtsgrundlage.
60Wie sich aus § 13 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG ergibt, dürfen im Vollstreckungsstaat weder die Forderung, der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder dessen Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel in der Sache selbst nachgeprüft werden. Die Überprüfung erfolgt durch den Ursprungsstaat und richtet sich sowohl nach dessen Verfahrensrecht als auch nach dessen materiellem Recht. Dementsprechend enthält § 13 Abs. 2 Satz 2 EUBeitrG nur die Möglichkeit, die Vollstreckung für den Zeitraum auszusetzen, in dem der Schuldner im Ursprungsstaat gegen den Vollstreckungstitel als solchen oder dessen Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel vorgeht. Ob der Sachentscheidung im Ursprungsstaat ein Verfahrensverstoß zu Grunde liegt, weil beispielsweise der ursprüngliche Vollstreckungstitel - wie im Streitfall vom Kläger behauptet - nicht zugestellt wurde, darf im Vollstreckungsstaat nicht geprüft werden. Solange die Bestätigung des ursprünglichen Vollstreckungstitels als einheitlicher Vollstreckungstitel durch den Ursprungsstaat nicht aufgehoben wurde, ist die Vollstreckung durchzuführen. Es kann daher vorkommen, dass der Schuldner - wie möglicherweise im Streitfall der Kläger - erst im Zuge der Vollstreckung von der Existenz des ursprünglichen Vollstreckungstitels informiert wird. Dies hat der Gesetzgeber offenbar im Vertrauen auf die Rechtsstaatlichkeit der Verwaltung und die ordnungsgemäße Rechtspflege in den Mitgliedstaaten in Kauf genommen. Dieses Vertrauen beinhaltet, dass nur das Gericht des Ursprungsstaates beurteilen darf, ob die Voraussetzungen für die Bestätigung des Vollstreckungstitels als einheitlicher Vollstreckungstitel vorliegen.
61Der Senat sieht sich damit auf einer Linie mit der Rechtsprechung des BFH, wonach ein Leistungsbescheid als Vollstreckungsvoraussetzung entbehrlich ist, wenn die zu vollstreckende Forderung durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wurde; es reicht aus, dass der Schuldner mit "Zahlungsmitteilung" formlos erneut zur Zahlung aufgefordert werde (z. B. BFH-Beschlüsse vom 30.09.2002 VII S 16/02 (PKH), BFH/NV 2003, 142; vom 10.07.2007 VII S 25/07 (PKH), BFH/NV 2007, 2240). Die Rechtslage ist durchaus vergleichbar. Wie sich aus den Gründen des Beschlusses in BFH/NV 2003, 142 ergibt, sah sich der BFH zu der Annahme, dass in einem solchen Fall ein Leistungsgebot entbehrlich ist, deshalb veranlasst, weil ursprünglich ein Leistungsbescheid vorgelegen haben muss. Dies trifft auch für den Streitfall zu. Denn für Beitreibungsersuchen der deutschen Finanzverwaltung in andere Mitgliedstaaten ordnet § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EUBeitrG an, dass die Voraussetzungen der Vollstreckung gegeben sein müssen. Grund dafür ist, dass der einheitliche Vollstreckungstitel - wie durch § 10 Abs. 3 Satz 2 EUBeitrG klar gestellt wird - im Vollstreckungsstaat nicht durch einen besonderen Akt ergänzt werden muss. Das bedeutet für Beitreibungsersuchen der deutschen Finanzverwaltung in andere Mitgliedstaaten, dass der Schuldner vor dem Beitreibungsersuchen durch ein gesondertes Leistungsgebot zur Zahlung aufgefordert worden sein muss. Denn sonst wären die Vollstreckungsvoraussetzungen nach der AO nicht erfüllt. In umgekehrter Richtung - also bei Beitreibungsersuchen von anderen Mitgliedstaaten - ist durch den Vollstreckungsstaat dann die Annahme gerechtfertigt, dass im Ursprungsstaat die Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt sind und - soweit überhaupt erforderlich - ein Leistungsgebot erfolgt ist. Damit handelt es sich bei dem Leistungsgebot nicht um eine Vollstreckungsvoraussetzung, die vom Vollstreckungsstaat zu erfüllen wäre. Wie sich weiter aus den Gründen des Beschlusses in BFH/NV 2003, 142 ergibt, sah sich der BFH zu der Annahme, dass ein Leistungsgebot (im Falle eines rechtskräftigen Urteils) entbehrlich ist, auch deshalb veranlasst, weil ansonsten eine neue Anfechtungsmöglichkeit eröffnet werde. Diese Erwägung gilt auch im Streitfall. Denn aus § 13 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG ergibt sich, dass weder die Forderung noch der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder dessen Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel im Vollstreckungsstaat überprüft werden dürfen. § 13 Abs. 2 Satz 2 EUBeitrG sieht in den Fällen der Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die Forderung, den ursprünglichen Vollstreckungstitel und den einheitlichen Vollstreckungstitel im Ursprungsstaat eine Aussetzung der Vollstreckung vor, dies aber nur solange, wie nicht über den Rechtsbehelf entschieden ist.
62Dass der einheitliche Vollstreckungstitel alleinige Grundlage der Vollstreckung ist und im Vollstreckungsstaat nicht durch ein gesondertes Leistungsgebot ergänzt werden muss, entspricht auch dem ausdrücklichen Willen des Richtliniengebers.
63Dies ergibt sich ganz allgemein schon aus dem Erwägungsgrund 8 der EU-Beitreibungsrichtlinie, wonach mit der Schaffung eines einheitlichen Vollstreckungstitels die Probleme der Anerkennung von Rechtstiteln eines anderen Mitgliedstaates ausgeräumt werden sollen, insbesondere aber aus Art. 12 Abs. 1 EU-Beitreibungsrichtlinie. Darin heißt es in Unterabs. 1, dass jedem Beitreibungsersuchen ein einheitlicher Vollstreckungstitel beizufügen ist, der zur Vollstreckung im ersuchten Staat ermächtigt. Dies kommt in dem Unterabs. 2 noch deutlicher zum Ausdruck, da in dessen Satz 1 der einheitliche Vollstreckungstitel als alleinige Grundlage für die im ersuchten Mitgliedsstaat zu ergreifenden Beitreibungs- und Sicherungsmaßnahmen festgelegt wird und in dessen Satz 2 ausdrücklich hervorgehoben wird, dass der einheitliche Vollstreckungstitel im ersuchten Mitgliedstaat weder durch einen besonderen Akt anerkannt, noch ergänzt oder ersetzt werden muss. Art. 8 Abs. 1 der früheren Richtlinie 2008/55/EG (ABl. L 150 vom 10.06.2008) sah dagegen noch vor, dass der Vollstreckungstitel gegebenenfalls nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz hat, als solcher bestätigt und anerkannt oder durch einen Titel ergänzt oder ersetzt werden konnte, der die Vollstreckung im Hoheitsgebiets dieses Mitgliedstaates ermöglicht. Die in dem Erwägungsgrund 4 der EU-Beitreibungsrichtlinie enthaltene Äußerung, dass es bedeutender Anpassungen bedarf, damit die Amtshilfe effizienter und effektiver sowie leichter anwendbar wird, wobei eine reine Änderung der geltenden Richtlinie 2008/55/EG nicht ausreicht, und dass die genannte Richtlinie deshalb aufgehoben und durch ein neues Rechtsinstrument mit - soweit erforderlich - klareren und präziseren Regeln ersetzt werden sollte,lässt keine Zweifel an der Absicht des Richtliniengebers an einer grundsätzlichen Neuregelung aufkommen.
64Dass die Aufgabe jeder Kontrolle der Sachentscheidung oder der Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel im Vollstreckungsstaat Kernpunkt der Richtlinie ist, kommt insbesondere im Erwägungsgrund 12 zum Ausdruck. Darin heißt es „Im Verlauf des Beitreibungsverfahrens könnte die betroffene Person im ersuchten Mitgliedstaat die Forderung, die Zustellung seitens der Behörden des ersuchenden Mitgliedstaats oder den Vollstreckungstitel anfechten. Es sollte vorgesehen werden, dass in solchen Fällen der betreffende Rechtsbehelf bei der zuständigen Instanz des ersuchenden Mitgliedstaats eingelegt werden sollte und die ersuchte Behörde das von ihr eingeleitete Beitreibungsverfahren aussetzen sollte, bis die zuständige Instanz des ersuchenden Mitgliedstaats eine Entscheidung getroffen hat, es sei denn, die ersuchende Behörde wünscht ein anderes Vorgehen.“ Auch aus Art. 17 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1189/2011 der Kommission vom 18.11.2011 (ABl. L 302 vom 19.11.2011) ergibt sich nicht, dass Zustellungen im ersuchen Mitgliedsstaat zu prüfen sind.
65Im Übrigen spricht im Streitfall gegen die Annahme einer bindenden Regelung auch das äußere Erscheinungsbild der Zahlungsaufforderungen. Der Beklagte hat diese selbst nicht als Bescheid bezeichnet. Die Schreiben sind im Stil eines persönlichen Anschreibens gehalten. Hinzu kommt, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung fehlt. Dies allein schließt zwar die Annahme eines Verwaltungsakts grundsätzlich nicht aus, verstärkt jedoch aus Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers den Eindruck, dass es sich bei den Schreiben nicht um Leistungsgebote handelt, sondern ausschließlich um ein Schreiben mit informatorischem Charakter.
662. Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist ebenfalls unzulässig.
67Nach § 41 Abs. 1 FGO kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Die Feststellung kann nach § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.
68a) Bei der von dem Kläger begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zahlungsaufforderungen handelt es sich nicht um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 41 Abs. 1 FGO.
69Unter einem Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift wird die aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm sich ergebende rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen oder zu einer Sache verstanden; auch einzelne rechtliche Folgen einer solchen Rechtsbeziehung können Gegenstand der Feststellungsklage sein. Aus dem Erfordernis der Konkretheit ergibt sich, dass ein Sachverhalt, der erst in Zukunft Rechtsbeziehungen hervorrufen kann, ein positiv oder negativ feststellungsfähiges Rechtsverhältnis nicht begründen kann (z. B. BFH-Urteil vom 08.04.1981 II R 47/79, BStBl II 1981, 581). Daraus folgt, dass das Feststellungsbegehren, ein bestimmtes Rechtsverhältnis bestehe nicht, nicht auf Rechtsfolgen, die erst in Zukunft eintreten könnten, gestützt werden kann. Das Feststellungsbegehren muss grundsätzlich ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis betreffen. Dies ist dann der Fall, wenn die aus ihm folgenden rechtlichen Beziehungen im Zeitpunkt der Entscheidung über die Feststellungsklage schon oder noch bestehen (z. B. FG München Urteil vom 16.01.2008 14 K 3840/07, juris).
70Zwischen dem Kläger und dem Beklagten bestehen keine solchen gegenwärtigen Rechtsbeziehungen. Denn der Kläger ist derzeit keiner Vollstreckung durch den Beklagten ausgesetzt. Der Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung verpflichtet, mit Vollstreckungsmaßnahmen nicht zu beginnen bevor nicht die Mitteilung aus Griechenland eingegangen ist, dass die Klageverfahren einschließlich der persönlichen Verfahren des Klägers wegen der in Griechenland vollstreckbaren Forderungen abgeschlossen sind und die Forderungen ganz oder teilweise bestehen bleiben. Diese Verfahrensweise des Beklagten entspricht § 13 Abs. 2 Satz 2 EUBeitrG, da der Kläger in Griechenland gegen die Forderungen vorgeht und diesem Mitgliedstaat die Überprüfung vorbehalten ist. Nach dem Vortrag des Klägers liegt in seiner Sache noch keine die Rechtslage feststellende Entscheidung durch das griechische Gericht vor, so dass derzeit nicht absehbar ist, ob überhaupt und - wenn ja - wann das Beitreibungsverfahren fortgesetzt wird. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass trotz der Aussetzung des Beitreibungsverfahrens noch eine Unsicherheit besteht. Allein die abstrakte Gefahr, dass entgegen der ausdrücklichen Erklärung des Beklagten dieser den Kläger in Anspruch nehmen könnte, reicht dazu nicht aus.
71b) Soweit der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit der einheitlichen Vollstreckungstitel begehrt, ist schon der Finanzrechtsweg nicht eröffnet.
72Die Frage der Rechtswidrigkeit der einheitlichen Vollstreckungstitel fällt nicht in die Zuständigkeit der Finanzgerichte. Der Gesetzgeber hat mit dem EUBeitrG ein spezialgesetzlich abschließendes System für die Beitreibung ausländischer Steuern geschaffen. Dem Vollstreckungsstaat wird in § 13 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG jegliche Nachprüfung des einheitlichen Vollstreckungstitels untersagt. Der Rechtsschutzanspruch des Klägers wird damit allein durch die Möglichkeit der Anfechtung der einheitlichen Vollstreckungstitel in Griechenland erfüllt. Dies gilt auch, soweit der Kläger die Zinsforderungen als nicht nachvollziehbar beanstandet. Es wäre auch nicht sachgerecht, die Frage, ob die einheitlichen Vollstreckungstitel eine wirksame Vollstreckungsgrundlage darstellen, losgelöst von der Frage der Rechtmäßigkeit der eigentlichen Haftungsinanspruchnahme zu klären, wenngleich der Senat den Wunsch des Klägers, bereits heute Klarheit über die Rechtslage zu erzielen, ohne Weiteres nachvollziehen kann. Sollte der Kläger - aus welchen Gründen auch immer - mit seiner Klage in Griechenland Erfolg haben, erübrigt sich eine Feststellung im von ihm beantragten Sinne. Es ist deshalb nicht zu erkennen, warum der Kläger gegenwärtig an der Feststellung ein berechtigtes Interesse haben könnte.
73c) Der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Einspruchsentscheidung gerichtete Hilfsantrag ist wegen der in § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO angeordneten Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber einer Anfechtungsklage unzulässig. Der Kläger hat die Einspruchsentscheidung angefochten. Im diesem Rahmen war zu klären, ob die Einsprüche gegen die Zahlungsaufforderungen zulässig waren und ob der Beklagte berechtigt war, die Einsprüche als unzulässig zu verwerfen.
74d) Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist auch unzulässig, soweit es um Feststellung der Rechtswidrigkeit (künftiger) Vollstreckungsmaßnahmen geht.
75Für eine solche vorbeugende Feststellungsklage zur Klärung von Vollstreckungsvoraussetzungen ist nach der Rechtsprechung des BFH nur dann Raum, wenn das Gebot effektiven Rechtsschutzes eine gerichtliche Klärung der Vollstreckungsvoraussetzungen im Vorhinein erfordert, weil die zu erwartenden Vollstreckungsmaßnahmen über die reine Geldleistung hinausgehende einschneidende Beeinträchtigungen mit sich brächten, vor welchen eine Aussetzung der Vollziehung der Vollstreckungsmaßnahmen nicht schützen könnte (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.2012 VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739). Diese Ausnahme ist im Streitfall nicht gegeben.
76Der Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung nochmals verpflichtet, bis zu den Entscheidungen in Griechenland aus dem Beitreibungsersuchen gegen den Kläger nicht vorzugehen. Unter diesen Umständen ist das Interesse des Klägers an einer gerichtlichen Klärung, ob eine Vollstreckung nach dem Maßstab deutscher Rechtsgrundsätze rechtswidrig ist, nicht gegeben. Vorbeugender Rechtsschutz durch eine Feststellungsklage kann nur beansprucht werden, wenn dem Betroffenen Rechtsnachteile drohen, die mit einer späteren Aussetzung der Vollziehung der Vollstreckungsmaßnahmen nicht ausgeräumt werden können. Solche Befürchtungen sind nicht gerechtfertigt, solange der Beklagte ausdrücklich erklärt, keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger zu ergreifen. Es fehlt dann an den besonderen Gründen, die es bereits jetzt rechtfertigen würden, den begehrten Rechtsschutz zuzulassen.
77Hinsichtlich der mit Schriftsatz vom 28.09.2015 begehrten Verpflichtung des Beklagten, weitere Vollstreckungsmaßnahmen zu unterlassen, ist die Klage ebenfalls unzulässig. Dabei geht der Senat zu Gunsten des Klägers davon aus, dass es sich lediglich um eine Klarstellung der (hilfsweise) von Anfang an begehrten Feststellung handelt, dass (künftige) Vollstreckungsmaßnahmen unzulässig sind. Denn eine - wie hier - unzulässige Klage kann nicht im Wege der Klageänderung gemäß § 67 FGO in eine zulässige Klage umgewandelt werden. Eine vorbeugende Unterlassungsklage ist ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn vom Kläger substantiiert und in sich schlüssig dargelegt wird, dass er durch ein bestimmtes, künftig zu erwartendes Handeln einer Behörde in seinen Rechten verletzt werde, und dass ein Abwarten der tatsächlichen Rechtsverletzung für ihn unzumutbar sei, weil die Rechtsverletzung nicht oder nur schwerlich wieder gut zu machen wäre (z. B. BFH-Urteil vom 11.12.2012 VII R 69/11, a.a.O.). Dies ist hier - wie eben dargelegt - nicht der Fall.
78e) Die Feststellungsklage hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg.
79Insbesondere stünden Ablehnungsgründe nach Maßgabe des EUBeitrG einer Amtshilfe nicht entgegen.
80Dies gilt zum einen für den Ablehnungsgrund der Unbilligkeit der Vollstreckung. Nach § 14 Abs. 1 EUBeitrG wird Amtshilfe nicht geleistet, wenn die Vollstreckung unbillig wäre. In Art. 18 Abs. 1 EU-Beitreibungsrichtlinie wird insoweit auf das nationale Recht verwiesen. Dort ist ausgeführt, dass die ersuchte Behörde nicht verpflichtet ist Amtshilfe zu leisten, falls die Beitreibung aus Gründen, die auf die Verhältnisse des Schuldners zurückzuführen sind, erhebliche wirtschaftliche oder soziale Schwierigkeiten bewirken könnte, sofern die in diesem Mitgliedstaat geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine solche Ausnahme für nationale Forderungen zulassen. Maßgebend ist insoweit also das nationale Recht des Vollstreckungsstaates, hier also Deutschlands. Das deutsche Recht hat insoweit in § 258 AO eine Regelung getroffen, um Härtefällen durch eine Billigkeitsmaßnahme gerecht werden zu können. Die Vorschrift sieht vor, dass, soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist, die Vollstreckungsbehörde sie einstweilen einstellt oder beschränkt oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufhebt. Als Billigkeitsmaßnahme lässt sie sich aber nur in einem gesonderten Verwaltungsverfahren mittels Verpflichtungsklage durchsetzen (vgl. BFH-Beschluss vom 28.04.2010 I R 81/09, BStBl II 2014, 954 m.w.N.). Damit ist eine Feststellungsklage ausgeschlossen.
81Zum anderen stünde auch der Ablehnungsgrund der Verjährung der Amtshilfe nicht entgegen. Da die Forderungen nach den Angaben in den einheitlichen Vollstreckungstiteln erst im Jahr 2008 festgesetzt wurden, waren weder die fünfjährige Verjährungsfrist des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EUBeitrG noch die zehnjährige Verjährungsfrist des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EUBeitrG verstrichen. Dass es um Steuern weiter zurückliegender Jahre geht, ist unerheblich. Die Verfahrensdauer hat keine Auswirkungen auf den Steueranspruch, insbesondere führt sie für sich genommen nicht zu dessen Verwirkung (vgl. BFH-Beschluss vom 28.08.2012 IV B 14/12, BFH/NV 2013, 12 m.w.N.).
82Auch soweit der Kläger geltend macht, dass die Forderungen ungeachtet des Verfahrensausgangs in Griechenland wegen Verstoßes gegen den deutschen ordre public ohnehin nicht anerkennungsfähig seien, würde sein Einwand nicht greifen. Der Senat ist der Auffassung, dass ein Verstoß gegen den ordre public des Vollstreckungsstaates nach der Neuregelung der Amtshilfe durch das EUBeitrG durch die Gerichte dieses Staates nicht mehr geprüft werden darf (ablehnend für den Europäischen Vollstreckungstitel im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 21.04.2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen - EuVTVO - ABl. L 143/15 Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.04.2014 VII ZB 28/13, Neue Juristische Wochenschrift 2014, 2363; siehe auch Beschluss des Obersten Gerichtshofs Wien vom 22.02.2007 3 Ob 253/06m, Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts 2008, 440). Dies folgt nach Auffassung des Senats daraus, dass der einheitliche Vollstreckungstitel - wie sich aus § 10 Abs. 3 Satz 1 EUBeitrG ergibt - die alleinige Grundlage für die Vollstreckung ist und in § 13 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG jegliche Überprüfung des einheitlichen Vollstreckungstitels durch den Vollstreckungsstaat untersagt ist. Daraus ergibt sich nach Auffassung des Senats, dass auch ein Verstoß gegen den ordre public des Vollstreckungsstaats in diesem nicht überprüft werden kann. Der Senat sieht sich in seiner Auffassung dadurch bestätigt, dass die (wenigen) Gründe für eine dauerhafte Ablehnung eines Beitreibungsersuchens in § 14 Abs. 1 und Abs. 2 EUBeitrG abschließend geregelt sind. Etwaige Fehlentscheidungen hat der Gesetzgeber offenbarim Vertrauen auf die Rechtspflege der Mitgliedsstaaten in Kauf genommen. Soweit der BFH die Prüfung eines Verstoßes gegen den ordre-public bei der Vollstreckung ausländischer Steuerforderung für zulässig gehalten hat (z. B. Urteil vom 03.11.2010 VII R 21/10, BStBl II 2011, 401), lag der Entscheidung eine andere Rechtslage, nämlich die des zwischenzeitlich außer Kraft getretenen EGBeitrG, das hier nicht anwendbar ist (siehe unter II.), zu Grunde.
83Schließlich wurden die einheitlichen Vollstreckungstitel auch in deutscher Sprache bekanntgegeben. Daran ändert die Textpassage in griechischer Sprache unter „Sonstige Informationen“ nichts. Denn aus den einleitenden Worten „Der Schuldner war Geschäftsführer des Hauptschuldner: Unternehmen …“ ergibt sich auch für denjenigen, der der griechischen Sprache nicht mächtig ist, dass danach der Name des Unternehmens in der Landessprache folgt.
84II. Da die Klage unzulässig ist, brauchte den Beweisangeboten des Klägers, die allesamt die Frage der Rechtmäßigkeit des Beitreibungsersuchens und mithin die Begründetheit der Klage betreffen, nicht nachgegangen zu werden.
85Dies gilt auch für den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung geäußerten Einwand, das am 01.01.2012 in Kraft getretene EUBeitrG sei gar nicht anwendbar, weil die griechischen Behörden die Möglichkeit gehabt hätten, die Forderungen bereits vorher ‑ nach Maßgabe des am 31.12.2011 außer Kraft getretenen EGBeitrG - zu vollstrecken. Im Übrigen ist das Beitreibungsersuchen auf der Grundlage der Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16.03.2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen gestellt worden. Damit ist das EUBeitrG maßgeblich, das auf dieser Richtlinie beruht. Aus den in § 14 Abs. 2 EUBeitrG geregelten Ablehnungsgründen für Forderungen, die älter als fünf bzw. zehn Jahre sind, ergibt sich, dass das EUBeitrG auch für ältere Forderungen Geltung beanspruchen kann.
86III. Die Sache war entscheidungsreif. Eine Vertagung der mündlichen Verhandlung kam nicht in Betracht.
87Ein zur mündlichen Verhandlung bestimmter Termin kann nur aus erheblichen Gründen aufgehoben oder vertagt werden (§ 155 FGO i.V.m. § 227 ZPO). Im Streitfall kann ein erheblicher Grund, die mündliche Verhandlung zu vertagen, nicht darin gesehen werden, dass zwischenzeitlich in Griechenland über Verfahren der B S.A. entschieden worden ist. Eine Vertagung scheidet schon deshalb aus, weil die Klage unzulässig ist und diese Entscheidung durch die in Griechenland ergangenen Urteile gegen die B S.A. nicht beeinflusst werden kann.
88Vollstreckungsmaßnahmen des Beklagten in dieser Angelegenheit sind trotz der in Griechenland ergangenen Urteile derzeit weiterhin nicht zu erwarten. Der Beklagte hatte bereits erklärt, dass derzeit keine Gefahr einer Vollstreckung besteht. Er hat auch keine Vollstreckungsaktivitäten gegen den Kläger unternommen. In der mündlichen Verhandlung hat er sich verpflichtet, mit Vollstreckungsmaßnahmen nicht zu beginnen bevor nicht die Mitteilung aus Griechenland eingegangen ist, dass die Klageverfahren einschließlich der persönlichen Verfahren des Klägers wegen der in Griechenland vollstreckbaren Forderungen abgeschlossen sind und die Forderungen ganz oder teilweise bestehen bleiben. Dass die in Griechenland ergangenen Urteile gegen die B S.A. irgendeinen rechtlichen Einfluss auf das vorliegende Klageverfahren haben könnten, ist nicht erkennbar.
89Abgesehen davon war eine Vertagung mit dem Ziel, weiteren Sachvortrag zu den Gerichtsentscheidungen in Griechenland zu ermöglichen, auch deswegen abzulehnen, weil der Kläger es an der erforderlichen Vorbereitung hat fehlen lassen. Die mangelnde Vorbereitung einer Partei ist kein Vertagungsgrund, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt (§ 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO). Der Hinweis des Klägers, ihm seien am 18.09.2015 neue Erkenntnisse zugegangen, beinhaltet keine Darlegung eines fehlenden Verschuldens. Der Kläger hat nicht dargelegt, wann die Gerichtsurteile ergangen sind. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, was er bis zur mündlichen Verhandlung zur Klärung dieses Sachverhalts unternommen hat. Daher war der Senat nicht in der Lage zu beurteilen, ob der Kläger sich insoweit ausreichend auf die mündliche Verhandlung vorbereitet hat. Wie die E-Mail vom 18.09.2015 zeigt, muss zwischen dem Kläger und dem Vertreter der A AG irgendein Kontakt bestanden haben. Daher hätte der Kläger Gelegenheit gehabt, rechtzeitig von der mündlichen Verhandlung mit dem Vertreter der B S.A. bzw. der A AG Kontakt aufzunehmen, um sich über den Stand der Verfahren zu informieren. Die Entscheidung über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens ist jedenfalls bereits im Jahr 2013 ergangen war, so dass der Kläger ausreichend Zeit gehabt hätte, hierzu im Rahmen des Klageverfahrens Stellung zu nehmen.
90IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revisionszulassung beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Köln Urteil, 30. Sept. 2015 - 14 K 2097/13
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(1) Stellt das Verbindungsbüro ein Ersuchen, so sind die nach dem Dritten Abschnitt des Ersten Teils der Abgabenordnung zuständigen Behörden oder die nach Abschnitt V des Ersten Teils der Finanzgerichtsordnung zuständigen Gerichte zuständig für
- 1.
Rechtsbehelfe in Bezug auf - a)
die Forderung, - b)
den ursprünglichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung in Deutschland und - c)
den einheitlichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im anderen Mitgliedstaat;
- 2.
Streitigkeiten in Bezug auf die Gültigkeit einer Zustellung durch eine zuständige deutsche Behörde.
(2) Ist Deutschland der ersuchte Mitgliedstaat und werden im Verlauf des Beitreibungsverfahrens die Forderung, der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder der einheitliche Vollstreckungstitel von einer betroffenen Partei durch Rechtsbehelf angegriffen, so unterrichtet das Verbindungsbüro nach Mitteilung durch die Vollstreckungsbehörde diese Partei darüber, dass sie den Rechtsbehelf bei der zuständigen Instanz des anderen Mitgliedstaates nach dessen Recht einzulegen hat. Wurde von der ersuchenden Behörde eine Mitteilung entsprechend Absatz 1 Satz 3 erteilt, setzt die Vollstreckungsbehörde das Beitreibungsverfahren für den angefochtenen Teilbetrag der Forderung bis zur Entscheidung über den jeweiligen Rechtsbehelf aus. Satz 2 gilt nicht, wenn die ersuchende Behörde im Einklang mit Absatz 3 ein anderes Vorgehen wünscht. Die Vollstreckungsbehörde kann selbständig oder auf Ersuchen Maßnahmen für die Sicherstellung der Beitreibung treffen, soweit dies zulässig ist. Die Regelungen des § 12 bleiben unberührt.
(3) Eingehende Beitreibungsersuchen aus anderen Mitgliedstaaten können auch die Beitreibung einer angefochtenen Forderung oder eines angefochtenen Teilbetrags einer Forderung beinhalten. Ein solches Ersuchen ist durch die ersuchende Behörde zu begründen. Wird dem Rechtsbehelf später stattgegeben, haftet die ersuchende ausländische Behörde für die Erstattung bereits beigetriebener Beträge samt etwaig geschuldeter Entschädigungsleistungen.
(4) Durch die Einleitung eines Verständigungsverfahrens, das auf die Höhe der beizutreibenden Forderung Auswirkungen haben kann, werden die Beitreibungsmaßnahmen bis zum Abschluss dieses Verfahrens unterbrochen. § 231 Absatz 3 und 4 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Dies gilt nicht, wenn auf Grund von Betrug oder Insolvenz unmittelbare Dringlichkeit gegeben ist. Werden die Beitreibungsmaßnahmen unterbrochen, so ist Absatz 2 Satz 4 und 5 anzuwenden.
Soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist, kann die Vollstreckungsbehörde sie einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben.
(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, darf die Vollstreckung erst beginnen, wenn die Leistung fällig ist und der Vollstreckungsschuldner zur Leistung oder Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden ist (Leistungsgebot) und seit der Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen ist. Das Leistungsgebot kann mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden werden. Ein Leistungsgebot ist auch dann erforderlich, wenn der Verwaltungsakt gegen den Vollstreckungsschuldner wirkt, ohne ihm bekannt gegeben zu sein. Soweit der Vollstreckungsschuldner eine von ihm auf Grund einer Steueranmeldung geschuldete Leistung nicht erbracht hat, bedarf es eines Leistungsgebots nicht.
(2) Eines Leistungsgebots wegen der Säumniszuschläge und Zinsen bedarf es nicht, wenn sie zusammen mit der Steuer beigetrieben werden. Dies gilt sinngemäß für die Vollstreckungskosten, wenn sie zusammen mit dem Hauptanspruch beigetrieben werden. Die gesonderte Anforderung von Säumniszuschlägen kann ausschließlich automationsgestützt erfolgen.
Der Vollstreckungsschuldner soll in der Regel vor Beginn der Vollstreckung mit einer Zahlungsfrist von einer Woche gemahnt werden. Einer Mahnung bedarf es nicht, wenn der Vollstreckungsschuldner vor Eintritt der Fälligkeit an die Zahlung erinnert wird. An die Zahlung kann auch durch öffentliche Bekanntmachung allgemein erinnert werden.
(1) Die in den §§ 9 bis 13 vorgesehene Amtshilfe wird nicht geleistet, wenn die Vollstreckung oder die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen unbillig wäre oder die Forderungen insgesamt weniger als 1 500 Euro betragen.
(2) Die in den §§ 5 bis 13, 17 und 18 vorgesehene Amtshilfe wird nicht geleistet, wenn
- 1.
sich das ursprüngliche Ersuchen um Amtshilfe auf Forderungen bezieht, die älter als fünf Jahre waren; - 2.
die Forderungen älter als zehn Jahre sind. Die Frist wird ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit gerechnet.
(3) Gründe für die Ablehnung eines Ersuchens um Amtshilfe teilt das Verbindungsbüro dem anderen Mitgliedstaat mit.
(1) Das Bundesministerium der Finanzen ist zuständige Behörde ausschließlich im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 der Beitreibungsrichtlinie und zentrales Verbindungsbüro im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 der Beitreibungsrichtlinie. Für die Prüfung und Bearbeitung von Ersuchen werden die folgenden Verbindungsbüros benannt:
- 1.
in den Fällen des § 5 Absatz 1 Nummer 5 des Finanzverwaltungsgesetzes das Bundeszentralamt für Steuern, - 2.
für den Bereich der Zollverwaltung gemäß § 12 Absatz 2 des Finanzverwaltungsgesetzes die Bundesstelle Vollstreckung Zoll beim Hauptzollamt Hannover.
(2) Eingehende Ersuchen werden nach entsprechender Prüfung gemäß Absatz 1 Satz 4 und 5 von den Verbindungsbüros an die für die Durchführung der Amtshilfe in § 4 Absatz 1 genannten Vollstreckungsbehörden weitergeleitet. Ausgehende Ersuchen werden von den in § 4 Absatz 1 oder Absatz 2 genannten Vollstreckungsbehörden erstellt und über die Verbindungsbüros nach entsprechender Prüfung gemäß Absatz 1 Satz 4 an die zuständige ausländische Behörde geleitet.
(1) Auf Ersuchen nimmt die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung von Forderungen vor, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht. Die Forderung wird wie eine inländische Forderung behandelt. Als vollstreckbarer Verwaltungsakt gilt der dem Ersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel.
(2) Die Vollstreckung erfolgt nach den Vorschriften, die für Forderungen aus gleichen oder, in Ermangelung gleicher, aus vergleichbaren Steuern oder Abgaben vorgesehen sind. Ist das Verbindungsbüro der Auffassung, dass in Deutschland keine gleichen oder vergleichbaren Steuern oder Abgaben erhoben werden, so handelt die Vollstreckungsbehörde nach den Vorschriften, die für die Vollstreckung von Einkommensteuerforderungen gelten. Die Forderungen werden in Euro vollstreckt.
(3) Das Verbindungsbüro teilt dem anderen Mitgliedstaat die Maßnahmen mit, die die Vollstreckungsbehörde in Bezug auf das Beitreibungsersuchen ergriffen hat.
(4) § 240 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Fälligkeitstag ist der Tag, an dem das Ersuchen bei einem Verbindungsbüro im Sinne des § 3 Absatz 1 eingeht, so dass Säumniszuschläge ab diesem Tag berechnet werden können. Wenn die Vollstreckungsbehörde dem Schuldner eine Zahlungsfrist einräumt oder Ratenzahlung gewährt, unterrichtet das Verbindungsbüro den anderen Mitgliedstaat hiervon.
(5) Die Vollstreckungsbehörde überweist die im Zusammenhang mit der Forderung beigetriebenen Beträge sowie die Säumniszuschläge und gegebenenfalls entstehende Zinsen. Die in § 16 Absatz 1 genannten Kosten können vorher einbehalten werden.
(1) Die in den §§ 9 bis 13 vorgesehene Amtshilfe wird nicht geleistet, wenn die Vollstreckung oder die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen unbillig wäre oder die Forderungen insgesamt weniger als 1 500 Euro betragen.
(2) Die in den §§ 5 bis 13, 17 und 18 vorgesehene Amtshilfe wird nicht geleistet, wenn
- 1.
sich das ursprüngliche Ersuchen um Amtshilfe auf Forderungen bezieht, die älter als fünf Jahre waren; - 2.
die Forderungen älter als zehn Jahre sind. Die Frist wird ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit gerechnet.
(3) Gründe für die Ablehnung eines Ersuchens um Amtshilfe teilt das Verbindungsbüro dem anderen Mitgliedstaat mit.
Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten.
Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.
(1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.
(2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden.
(3) Insbesondere sind sie zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht oder den Bestimmungen des § 33 zuwider eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft erworben worden sind. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 9b Abs. 1 entsprechende Anwendung. Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Verpflichtung der Geschäftsführer dadurch nicht aufgehoben, daß dieselben in Befolgung eines Beschlusses der Gesellschafter gehandelt haben.
(4) Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren.
(1) Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die den Vorstandsmitgliedern durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekanntgeworden sind, haben sie Stillschweigen zu bewahren.
(2) Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. Schließt die Gesellschaft eine Versicherung zur Absicherung eines Vorstandsmitglieds gegen Risiken aus dessen beruflicher Tätigkeit für die Gesellschaft ab, ist ein Selbstbehalt von mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds vorzusehen.
(3) Die Vorstandsmitglieder sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn entgegen diesem Gesetz
- 1.
Einlagen an die Aktionäre zurückgewährt werden, - 2.
den Aktionären Zinsen oder Gewinnanteile gezahlt werden, - 3.
eigene Aktien der Gesellschaft oder einer anderen Gesellschaft gezeichnet, erworben, als Pfand genommen oder eingezogen werden, - 4.
Aktien vor der vollen Leistung des Ausgabebetrags ausgegeben werden, - 5.
Gesellschaftsvermögen verteilt wird, - 6.
(weggefallen) - 7.
Vergütungen an Aufsichtsratsmitglieder gewährt werden, - 8.
Kredit gewährt wird, - 9.
bei der bedingten Kapitalerhöhung außerhalb des festgesetzten Zwecks oder vor der vollen Leistung des Gegenwerts Bezugsaktien ausgegeben werden.
(4) Der Gesellschaft gegenüber tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht. Dadurch, daß der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat, wird die Ersatzpflicht nicht ausgeschlossen. Die Gesellschaft kann erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt. Die zeitliche Beschränkung gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird.
(5) Der Ersatzanspruch der Gesellschaft kann auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. Dies gilt jedoch in anderen Fällen als denen des Absatzes 3 nur dann, wenn die Vorstandsmitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gröblich verletzt haben; Absatz 2 Satz 2 gilt sinngemäß. Den Gläubigern gegenüber wird die Ersatzpflicht weder durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft noch dadurch aufgehoben, daß die Handlung auf einem Beschluß der Hauptversammlung beruht. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Insolvenzverwalter oder der Sachwalter das Recht der Gläubiger gegen die Vorstandsmitglieder aus.
(6) Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren bei Gesellschaften, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung börsennotiert sind, in zehn Jahren, bei anderen Gesellschaften in fünf Jahren.
(1) Die in den §§ 9 bis 13 vorgesehene Amtshilfe wird nicht geleistet, wenn die Vollstreckung oder die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen unbillig wäre oder die Forderungen insgesamt weniger als 1 500 Euro betragen.
(2) Die in den §§ 5 bis 13, 17 und 18 vorgesehene Amtshilfe wird nicht geleistet, wenn
- 1.
sich das ursprüngliche Ersuchen um Amtshilfe auf Forderungen bezieht, die älter als fünf Jahre waren; - 2.
die Forderungen älter als zehn Jahre sind. Die Frist wird ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit gerechnet.
(3) Gründe für die Ablehnung eines Ersuchens um Amtshilfe teilt das Verbindungsbüro dem anderen Mitgliedstaat mit.
(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb
- 1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder - 2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.
(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.
(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.
(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.
(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.
Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist im Jahr 1995 durch Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der X GmbH geworden. Mit Beitreibungsersuchen vom 14. Dezember 2004 bat die italienische Zollverwaltung den Beklagten und Revisionsbeklagten (das Hauptzollamt --HZA--) um Vollstreckung einer Forderung aus einer im Oktober 1995 der X GmbH an ihrem Sitz in Deutschland zugestellten Zahlungsaufforderung eines Zollamts (ZA) in Italien vom 26. Mai 1995. In dem Beitreibungsersuchen war ein Urteil eines italienischen Oberlandesgerichts vom November 2000 als neuer vollstreckbarer Titel bezeichnet, das in beglaubigter Kopie mit einer Übersetzung ins Deutsche beigefügt war. Das italienische Oberlandesgericht bestätigte das Urteil eines italienischen Gerichts erster Instanz, mit dem die Klage der Klägerin gegen die Zahlungsaufforderung des italienischen ZA aufgrund verspäteter Einlegung eines Rechtsbehelfs abgewiesen worden ist. In dem Beitreibungsersuchen waren u.a. der geschuldete Betrag sowie Zinsen und Kosten, der Zeitpunkt der Vollstreckbarkeit und das Bekanntgabedatum des Vollstreckungstitels benannt. Zudem wurde bestätigt, dass die in Art. 7 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie 76/308/EWG (RL 76/308/EWG) des Rates vom 15. März 1976 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft sind, sowie von Abschöpfungen und Zöllen --Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABlEG) Nr. L 73/18-- (inzwischen ersetzt durch die Richtlinie 2008/55/EG des Rates vom 26. Mai 2008 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen, Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 150/28) genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
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Das HZA forderte die Klägerin zur Zahlung des von den italienischen Behörden angeforderten Betrags auf und kündigte mit Schreiben vom 7. April 2005 die Vollstreckung an. Nachdem das HZA aufgrund der Hinterlegung einer Bürgschaftsurkunde die bereits eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen mit Bescheid vom 25. Mai 2005 einstweilen ausgesetzt und Vollstreckungsaufschub gewährt hatte, und nachdem die italienische Zollverwaltung der Bundesfinanzdirektion Mitte mitgeteilt hatte, dass die von der Klägerin bei der obersten Dienststelle des ZA eingelegte Verwaltungsbeschwerde abgewiesen worden sei, erging mit Schreiben vom 26. März 2008 eine weitere Zahlungsaufforderung mit dem Hinweis an die Klägerin, dass die zur Sicherheit hinterlegte Bürgschaftsurkunde verwertet werde, wenn bis zum 15. April 2008 keine Zahlung erfolgt sei.
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Einspruch und Klage gegen die Androhung der Bürgschaftsverwertung hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass das HZA die Verwertung zu Recht angekündigt habe (vgl. Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2010, Beilage 3, 33). Sämtliche Voraussetzungen für eine Vollstreckung nach dem Gesetz zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie seien im Streitfall erfüllt. Es liege ein vollstreckbarer Titel vor, der sich aus dem Urteil des italienischen Oberlandesgerichts ergebe, das die Rechtmäßigkeit der an die Klägerin gerichteten Zahlungsaufforderung bestätigt habe. Ferner habe die ersuchende Behörde bestätigt, dass die in Art. 7 Abs. 2 Buchst. a und b RL 76/308/EWG genannten Voraussetzungen erfüllt seien. Unstreitig sei zwischen den Beteiligten, dass der Rechtsweg in Italien erschöpft sei. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin einen Steuerbescheid erhalten habe. Denn das Urteil des italienischen Oberlandesgerichts trete an die Stelle des erforderlichen vollziehbaren Verwaltungsakts i.S. des § 251 Abs. 1 der Abgabenordnung. Ebenso wenig sei entscheidungserheblich, ob die Zahlungsaufforderung rechtmäßig zustande gekommen oder von den italienischen Gerichten zu Recht bestätigt worden sei. Der Hilfsantrag der Klägerin, der auf die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des italienischen Oberlandesgerichts gerichtet sei, sei zwar zulässig, jedoch könne er der Klage deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Zwangsvollstreckung auf der Grundlage des Urteils dieses Gerichts zulässig sei.
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Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sowie die Feststellung, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des italienischen Oberlandesgerichts unzulässig ist. Zur Begründung trägt sie vor, dass die Entscheidung des italienischen Oberlandesgerichts ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) verletze. Die Zahlungsaufforderung sei ohne Begründung und ohne Rechtsmittelbelehrung in italienischer Sprache ergangen. Deshalb habe der an sich gebotene Rechtsbehelf innerhalb von 15 Tagen nicht fristgemäß eingelegt werden können. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 14. Januar 2010 C-233/08 (Europäische Zeitschrift für Wirtschaft --EuZW-- 2010, 146) sei dem Empfänger eines Vollstreckungstitels dieser Titel in einer Amtssprache des Mitgliedstaats zuzustellen, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz habe. Zu Unrecht sei die Klage von den italienischen Gerichten allein aufgrund der Verfristung als unzulässig abgewiesen worden. Das Urteil des italienischen Oberlandesgerichts trage den rechtswidrigen Verwaltungsakt in sich. Somit verstoße die Vollstreckung aus diesem Urteil gegen wesentliche Grundsätze der deutschen Rechtsordnung. Daraufhin sei das Urteil des italienischen Oberlandesgerichts auch von einem deutschen Gericht überprüfbar. Einen Steuerbescheid (sog. Iscrizione a Ruolo) habe die italienische Zollverwaltung nie erlassen. Gegenstand der gerichtlichen Verfahren in Italien sei lediglich eine Zahlungsaufforderung gewesen (sog. Ingiunzione di Pagamento). Selbst nach italienischem Recht setze die Vollstreckung einen nicht angefochtenen oder einen für vollstreckbar erklärten Steuerbescheid voraus.
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Das HZA schließt sich der Auffassung des FG an. Bei der Prüfung, ob ein ausländisches Urteil oder ein ausländischer Vollstreckungstitel der öffentlichen Ordnung widerspreche, sei nicht auf den nationalen ordre public, sondern auf den großzügigeren ordre public international abzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs --BGH-- (Urteil vom 21. April 1998 XI ZR 377/97, BGHZ 138, 331) sei maßgeblich, ob das Ergebnis ausländischen Rechts im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelung und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch stehe, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheine. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH zur ordre public Klausel in Art. 27 Nr. 1 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Übereinkommen 72/454/EWG) vom 27. September 1968 (ABlEG 1972, Nr. L 299/32) komme die Anwendung dieser Klausel nur dann in Betracht, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung der in einem anderen Staat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats stünde. Das Gericht des Vollstreckungsstaats habe grundsätzlich davon auszugehen, dass das in jedem Vertragsstaat eingerichtete Rechtsbehelfssystem den Rechtsbürgern eine ausreichende Garantie biete. Im Streitfall sei der Gehörsanspruch der Klägerin nicht verletzt worden, so dass ein Verstoß gegen den ordre public nicht vorliege. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin als Spedition Erfahrungen im internationalen Verkehr habe. Sie hätte das ihr von der deutschen Zollverwaltung zugestellte Schriftstück umgehend übersetzen und dessen Bedeutung rechtzeitig erkennen müssen. Die relativ kurze Rechtsbehelfsfrist von 14 Tagen sei für jemanden, der am geschäftlichen Verkehr teilnehme, nicht unzumutbar.
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Ob die italienische Zahlungsaufforderung eine Rechtsbehelfsbelehrung hätte enthalten müssen, sei allein nach italienischem Recht zu beantworten. Die Zustellung sei im Rahmen der internationalen Amtshilfe erfolgt, nämlich nach dem Übereinkommen vom 7. September 1967 zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen (BGBl II 1969, 66). Aus Art. 17 dieses Übereinkommens lasse sich nicht entnehmen, dass der italienischen Zahlungsaufforderung eine Übersetzung in die deutsche Sprache hätte beigefügt werden müssen. Schließlich habe die Klägerin in Italien den Rechtsweg beschritten. Für die Überprüfung des Vollstreckungstitels einschließlich seiner Zustellung seien weiterhin ausschließlich die italienischen Behörden zuständig. Es könne sein, dass durch die in Italien durchgeführten Gerichtsverfahren ein etwaiger Mangel aufgrund der fehlenden Übersetzung geheilt worden sei.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Zurückverweisung der Sache an dieses zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Das FG hat verkannt, dass die Bestimmungen der RL 76/308/EWG einer im Streitfall gebotenen Prüfung auf einen Verstoß gegen den ordre public nicht entgegenstehen.
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1. Gemäß der in Art. 12 RL 76/308/EWG festgelegten Kompetenzverteilung zwischen den Mitgliedstaaten ist ein Rechtsbehelf gegen die Forderung oder den Vollstreckungstitel in dem Mitgliedstaat einzulegen, in dem die ersuchende Behörde ihren Sitz hat; dagegen sind Rechtsbehelfe gegen Vollstreckungsmaßnahmen der ersuchten Behörde in dem Mitgliedstaat einzulegen, in dem sich die ersuchte Behörde befindet. Die Zuweisung der Zuständigkeiten trägt dem Umstand Rechnung, dass der Steuerbescheid und der Vollstreckungstitel nach den Rechtsvorschriften desjenigen Mitgliedstaats erlassen bzw. erwirkt worden sind, in dem die ersuchende Behörde ihren Sitz hat. Auf den nationalen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, der um die Vollstreckung ersucht wird, beruhen die von diesem durchzuführenden Vollstreckungsmaßnahmen. Wie der EuGH entschieden hat, erlaubt es diese Zuständigkeitsverteilung der ersuchten Behörde grundsätzlich nicht, die Wirksamkeit und die Vollstreckbarkeit der Handlung oder der Entscheidung, um deren Zustellung von der ersuchenden Behörde ersucht wird, in Frage zu stellen (EuGH-Urteil in EuZW 2010, 146).
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Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos. Der EuGH hat anerkannt, dass in besonderen Fällen die Instanzen des Mitgliedstaats, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz hat, zur Prüfung befugt sind, ob die Vollstreckung dieses Titels insbesondere die öffentliche Ordnung dieses Mitgliedstaats beeinträchtigte, und dass sie auch die Befugnis haben, gegebenenfalls die Gewährung der Unterstützung ganz oder teilweise zu versagen oder sie von der Einhaltung bestimmter Voraussetzungen abhängig zu machen. Es sei kaum denkbar, dass ein Vollstreckungstitel von einem Mitgliedstaat vollstreckt werde, wenn diese Vollstreckung seine öffentliche Ordnung beeinträchtigen könnte. Im Übrigen sei die Einrede der öffentlichen Ordnung in Art. 4 Abs. 3 RL 76/308/EWG ausdrücklich vorgesehen (EuGH-Urteil in EuZW 2010, 146). Daraus folgt, dass allein die Übermittlung eines --evtl. gerichtlich bestätigten-- ausländischen Steuerbescheids oder Vollstreckungstitels eine Überprüfung auf einen Verstoß gegen den ordre public nicht ausschließt (zu einer entsprechenden Befugnis des Gerichts bei Anwendung des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Rechts- und Amtshilfe in Zoll-, Verbrauchsteuer- und Monopolangelegenheiten vom 11. September 1970 --RHV-- vgl. Senatsentscheidung vom 21. Februar 1978 VII R 49/74, BFHE 124, 480).
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Das FG hat diese Prüfung zu Unrecht unterlassen, obwohl der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt dazu Anlass gegeben hätte. Die vom FG getroffenen Feststellungen erlauben es dem erkennenden Senat auch nicht zu entscheiden, dass durch die Vollstreckung der ordre public nicht beeinträchtigt würde.
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2. Der Begriff der öffentlichen Ordnung wird durch die RL 76/308/EWG nicht definiert. Anhaltspunkte für seine Deutung lassen sich den entsprechenden Regelungen in internationalen Abkommen und der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung entnehmen. Eine Art. 4 Abs. 3 RL 76/308/EWG vergleichbare ordre public Klausel findet sich in mehreren Vollstreckungs- und Rechtshilfeabkommen.
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a) Art. 27 Nr. 1 des Übereinkommens 72/454/EWG bestimmt, dass eine Entscheidung nicht anzuerkennen ist, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem sie geltend gemacht wird, widerspräche. In Bezug auf diese Regelung hat der EuGH ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten selbst festlegen könnten, welche Anforderungen sich nach ihren innerstaatlichen Anschauungen aus ihrer öffentlichen Ordnung ergeben. Allerdings komme eine Anwendung der Klausel nur dann in Betracht, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung der in einem anderen Vertragsstaat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats stünde. Damit das Verbot der Nachprüfung der ausländischen Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit gewahrt bleibe, müsse es sich bei diesem Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln, so dass mögliche Rechtsfehler nicht ausreichten (EuGH-Urteil vom 11. Mai 2000 C-38/98, Slg. 2000, I-2973).
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b) Auch deutsche Revisionsgerichte haben in mehreren Entscheidungen zur Auslegung und zum Anwendungsbereich von ordre public Klauseln Stellung genommen. Gemäß Art. 4 RHV kann Rechts- und Amtshilfe u.a. verweigert werden, wenn der ersuchte Staat der Ansicht ist, die Erledigung des Ersuchens sei geeignet, die öffentliche Ordnung (ordre public) zu beeinträchtigen. Wie der Senat entschieden hat, eröffnet diese Klausel für das FG die Möglichkeit zur Prüfung, ob für die deutsche Behörde ein Anlass bestanden hätte, der ersuchenden österreichischen Behörde die Rechts- und Amtshilfe zu verweigern, etwa wegen begründeter Bedenken gegen die Rechtsstaatlichkeit des österreichischen Verfahrens bei der Entscheidung über den Anspruch oder seine Vollstreckbarkeit und wegen der Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber ihren Bürgern aus den Grundrechtsvorschriften der Art. 1 bis 19 sowie der Art. 101 und 103 GG (Senatsurteil in BFHE 124, 480, 484).
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In Bezug auf Art. 2 Nr. 1 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 6. Juni 1959 (BGBl II 1960, 1246) hat der BGH geurteilt, dass nicht auf den ordre public interne, sondern auf den großzügigeren anerkennungsrechtlichen ordre public international abzustellen sei. Mit diesem sei ein ausländisches Urteil nicht schon dann unvereinbar, wenn der deutsche Richter --hätte er den Prozess entschieden-- aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Maßgeblich sei vielmehr, ob das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch stehe, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheine (BGH-Urteile in BGHZ 138, 331, und vom 4. Juni 1992 IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312).
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Hinsichtlich des verfahrensrechtlichen ordre public in Art. 34 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen bzw. Art. 5 Nr. 1 des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2. Oktober 1973 hat der BGH bestätigt, dass der Vorbehalt des ordre public nur in Ausnahmefällen eingreife. Eine Vollstreckbarerklärung könne insbesondere nicht schon deshalb versagt werden, weil die ausländische Entscheidung in einem Verfahren erlassen worden sei, das von zwingenden Vorschriften des deutschen Prozessrechts abweiche. Ein Versagungsgrund sei vielmehr nur dann gegeben, wenn das Urteil des ausländischen Gerichts aufgrund eines Verfahrens ergangen sei, das von den Grundsätzen des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maß abweiche, dass es nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden könne (BGH-Urteil vom 26. August 2009 XII ZB 169/07, BGHZ 182, 188; hinsichtlich der Anerkennung ausländischer Schiedssprüche BGH-Urteil vom 15. Mai 1986 III ZR 192/84, BGHZ 98, 70).
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3. Im Streitfall rügt die Revision zu Recht, dass das FG zu Unrecht einen Verstoß gegen den ordre public nicht in Betracht gezogen, sondern sich mit der Feststellung begnügt hat, dass es sich bei dem Urteil des italienischen Oberlandesgerichts um einen Vollstreckungstitel handele und die Klägerin den Rechtsweg in Italien ausgeschöpft habe.
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Der Senat hält es daher für geboten, die Sache an das FG zurückzugeben, um diesem eine erneute Prüfung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu ermöglichen.
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Unter Berücksichtigung der dargestellten Rechtsprechung zum Begriff der öffentlichen Ordnung (ordre public) wird das FG im zweiten Rechtsgang den Vollstreckungstitel daraufhin zu überprüfen haben, ob eine Vollstreckung in Deutschland die öffentliche Ordnung beeinträchtigte. Dies wäre dann anzunehmen, wenn der Vollstreckungstitel in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zu grundlegenden Prinzipien der deutschen Rechtsordnung stünde, so dass das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts nach deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen untragbar erschiene. Dabei wird es nach Auffassung des erkennenden Senats entscheidend darauf ankommen, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte erwirken können und ob sie sich in zumutbarer Weise darum bemüht hat.
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a) Im Streitfall ist einerseits zu berücksichtigen, dass es sich bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht um eine Privatperson, sondern um ein Speditionsunternehmen gehandelt hat, das in die Gemeinschaft eingeführte Waren durch mehrere Staaten --u.a. auch durch Italien-- beförderte. Von einem solchen Unternehmen kann erwartet werden, dass einem von den deutschen Zollbehörden zugestellten Schreiben, selbst wenn es in italienischer Sprache abgefasst ist, Beachtung geschenkt wird. Denn die Annahme ist nicht fernliegend, dass es in Verbindung mit einer geschäftlichen Transaktion, z.B. mit einem grenzüberschreitend durchgeführten Transport, steht. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hätte demnach nicht untätig bleiben, sondern sich in angemessener Zeit um eine Übersetzung bemühen müssen, um zeitnah Kenntnis vom Inhalt des Schriftstücks zu erlangen. Den Inhalt des Schreibens hätte sie schließlich zum Anlass nehmen müssen, weitere Erkundigungen einzuziehen. Andererseits ist im Streitfall jedoch dem Umstand besondere Beachtung zu schenken, dass ausweislich der deutschen Übersetzung des Urteils des italienischen Oberlandesgerichts die Frist für die Anfechtung eines "Zahlungsbefehls in Zollsachen" mit 15 Tagen relativ kurz bemessen war. Zudem geht es um die Anwendung ausländischen Rechts und um Zollrecht, einer speziellen und nicht leicht verständlichen Materie des Abgabenrechts. Die fehlende Übersetzung und die fehlende Rechtsmittelbelehrung lassen eine Fristüberschreitung entschuldbar erscheinen, so dass nach deutschem Rechtsverständnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht gekommen wäre.
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Für das Strafbefehlsverfahren hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass ein der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtiger Ausländer, dem ein Strafbefehl in deutscher Sprache ohne eine verständliche Belehrung über den Rechtsbehelf des Einspruchs zugestellt worden ist, im Falle des Fristversäumnisses nicht anders behandelt werden kann, als wenn die Rechtsmittelbelehrung unterblieben ist mit der Folge, dass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden muss (BVerfG-Beschlüsse vom 10. Juni 1975 2 BvR 1074/74, BVerfGE 40, 95, und vom 7. April 1976 2 BvR 728/75, BVerfGE 42, 120). Auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) darf eine unzureichende Kenntnis der deutschen Sprache nicht dazu führen, dass der Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör verkürzt wird; deshalb sind Sprachschwierigkeiten des Beteiligten bei der Prüfung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand angemessen zu berücksichtigen (BFH-Beschluss vom 21. Mai 1997 VII S 37/96, BFH/NV 1997, 634).
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Aus den Akten geht indes nicht hervor, innerhalb welchen Zeitraums sich die Klägerin um eine Übersetzung der Zahlungsaufforderung und um die für die Einlegung des Rechtsbehelfs erforderlichen Rechtsauskünfte bemüht hat. Feststellungen hierzu hat das FG nicht getroffen. Im zweiten Rechtsgang wird das FG deshalb den Fragen nachgehen müssen, ob nach italienischem Recht die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bestanden hat, ob und innerhalb welchen Zeitraums die Rechtsvorgängerin der Klägerin einen entsprechenden Antrag gestellt und Gründe für eine unverschuldete Fristversäumung geltend gemacht hat und ob diese Einwendungen von den italienischen Behörden bzw. Gerichten berücksichtigt worden sind.
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Sollte eine Art Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach italienischem Recht überhaupt nicht möglich gewesen sein, ist der erkennende Senat der Auffassung, dass ein Verstoß gegen den ordre public vorliegt, der einer Vollstreckung der geltend gemachten Forderung entgegenstünde. Das Gleiche gilt, wenn sich herausstellen sollte, dass ein substantiiert und zeitnah gestellter Antrag, die Fristversäumnis zu entschuldigen, weil sie darauf beruhe, dass sich die Klägerin trotz aller entsprechenden zumutbaren Bemühungen Kenntnis vom Inhalt der ihr zugestellten italienischen Zahlungsaufforderung nicht habe verschaffen können, unbeachtet geblieben ist. In diese Richtung deutet der Senat das Vorbringen der Klägerin in der Tatsacheninstanz. Der Vortrag der Klägerin hätte das FG daher veranlassen müssen, dieser Frage nachzugehen.
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b) Die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung allein hält der erkennende Senat indes nicht für ausreichend, um einen Verstoß gegen den ordre public zu begründen (vgl. zum Erfordernis einer Rechtsmittelbelehrung nach deutscher höchstrichterlicher Rechtsprechung in Sachen, die kein Steuerrecht betreffen und deshalb auf den Streitfall nicht übertragen werden können, Entscheidungen des BVerfG vom 20. Juni 1995 1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99; vom 28. Juli 1998 1 BvR 781/94, Zeitschrift für offene Vermögensfragen 1998, 339, und vom 30. Januar 1991 2 BvR 712/90, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1991, 766, sowie Urteile des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe vom 27. Februar 2003 1 AK 29/02, Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht 2004, 199, und des OLG Zweibrücken vom 7. August 2006 1 Ausl 16/05, Neue Zeitschrift für Strafrecht 2007, 109).
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c) Auch die fehlende Übersetzung der Zahlungsaufforderung reicht für sich allein für die Annahme eines Verstoßes gegen den ordre public nicht aus, zumal das FG im Streitfall nicht festgestellt hat, nach welchen Vorschriften die Zustellung bewirkt worden ist und die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in den Blick genommen wurde. Ergänzend bemerkt der Senat, dass dem Urteil des EuGH in EuZW 2010, 146 eine Pflicht des um Rechtshilfe ersuchenden Mitgliedstaats zur Übersetzung eines an in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Abgabenpflichtigen gerichteten Verwaltungsakts nicht zu entnehmen ist. Vielmehr hat der EuGH lediglich darauf hingewiesen, dass die Funktion der rechtzeitigen Zustellung nach Art. 5 RL 76/308/EWG darin bestehe, den Empfänger in die Lage zu versetzen, Gegenstand und Grund des zugestellten Rechtsakts zu verstehen und seine Rechte geltend zu machen. Da der Empfänger des Vollstreckungstitels in der Lage sein müsse, zumindest den Gegenstand und den Grund des Antrags mit Bestimmtheit zu identifizieren, müsse die Zustellung in einer Amtssprache des Mitgliedstaats erfolgen, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz hat. Begründet hat der EuGH diese Auffassung mit dem Ziel der Beitreibungsrichtlinie, insbesondere die wirksame Durchführung der Zustellung von Verfügungen und Entscheidungen zu gewährleisten. Im Streitfall war dem Vollstreckungstitel, dem Urteil des italienischen Oberlandesgerichts, eine deutsche Übersetzung beigefügt.
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d) Hingeben kann dem Argument des HZA nicht gefolgt werden, dass die Vollstreckung bereits deshalb keinen rechtlichen Bedenken begegnet, weil das Urteil des italienischen Oberlandesgerichts in deutscher Sprache vorliege und es deshalb auf die Rechtmäßigkeit der Zahlungsaufforderung nicht mehr ankommen könne. Der Übersetzung des Urteils des italienischen Oberlandesgerichts ist zu entnehmen, dass sich das Gericht mit der Rechtmäßigkeit der Zahlungsaufforderung überhaupt nicht befasst, sondern seine Entscheidung ausschließlich auf die Verfristung des Rechtsbehelfs gestützt hat. Es hat hierzu ausgeführt, dass es in erster Linie notwendig sei, den letzten Anfechtungsgrund zu prüfen, "da dieser im Wesentlichen die Frage der Fristmäßigkeit des erhobenen Widerspruchs gegen den Zahlungsbefehl" betreffe, bei welcher der erstinstanzliche Richter zu einem negativen Ergebnis gekommen sei und diese Frage präjudiziellen Charakter zu den anderen in der Berufungsklage erwähnten Punkten habe. Zu einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das Gericht offensichtlich keine Stellung bezogen. Damit ist das Urteil grundsätzlich geeignet, etwaige nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht hinnehmbare Mängel des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens (evtl. Ausschluss der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) zu perpetuieren. In diesem Fall stünde auch das die Verwaltungsentscheidung bestätigende Urteil in einem solch starken Widerspruch zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen, dass die Vollstreckung auf Grundlage eines solchen Titels untragbar erschiene, so dass sie unter Berufung auf den ordre public zu verweigern wäre.
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Dem Urteil des italienischen Oberlandesgerichts ist allerdings nicht zu entnehmen, ob die Vorinstanz das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen, sollten sie überhaupt geltend gemacht worden sein, geprüft hat, so dass das italienische Oberlandesgericht überhaupt Anlass hatte, auf diese Frage einzugehen. Auch dies wird im zweiten Rechtsgang zu klären sein.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Stellt das Verbindungsbüro ein Ersuchen, so sind die nach dem Dritten Abschnitt des Ersten Teils der Abgabenordnung zuständigen Behörden oder die nach Abschnitt V des Ersten Teils der Finanzgerichtsordnung zuständigen Gerichte zuständig für
- 1.
Rechtsbehelfe in Bezug auf - a)
die Forderung, - b)
den ursprünglichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung in Deutschland und - c)
den einheitlichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im anderen Mitgliedstaat;
- 2.
Streitigkeiten in Bezug auf die Gültigkeit einer Zustellung durch eine zuständige deutsche Behörde.
(2) Ist Deutschland der ersuchte Mitgliedstaat und werden im Verlauf des Beitreibungsverfahrens die Forderung, der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder der einheitliche Vollstreckungstitel von einer betroffenen Partei durch Rechtsbehelf angegriffen, so unterrichtet das Verbindungsbüro nach Mitteilung durch die Vollstreckungsbehörde diese Partei darüber, dass sie den Rechtsbehelf bei der zuständigen Instanz des anderen Mitgliedstaates nach dessen Recht einzulegen hat. Wurde von der ersuchenden Behörde eine Mitteilung entsprechend Absatz 1 Satz 3 erteilt, setzt die Vollstreckungsbehörde das Beitreibungsverfahren für den angefochtenen Teilbetrag der Forderung bis zur Entscheidung über den jeweiligen Rechtsbehelf aus. Satz 2 gilt nicht, wenn die ersuchende Behörde im Einklang mit Absatz 3 ein anderes Vorgehen wünscht. Die Vollstreckungsbehörde kann selbständig oder auf Ersuchen Maßnahmen für die Sicherstellung der Beitreibung treffen, soweit dies zulässig ist. Die Regelungen des § 12 bleiben unberührt.
(3) Eingehende Beitreibungsersuchen aus anderen Mitgliedstaaten können auch die Beitreibung einer angefochtenen Forderung oder eines angefochtenen Teilbetrags einer Forderung beinhalten. Ein solches Ersuchen ist durch die ersuchende Behörde zu begründen. Wird dem Rechtsbehelf später stattgegeben, haftet die ersuchende ausländische Behörde für die Erstattung bereits beigetriebener Beträge samt etwaig geschuldeter Entschädigungsleistungen.
(4) Durch die Einleitung eines Verständigungsverfahrens, das auf die Höhe der beizutreibenden Forderung Auswirkungen haben kann, werden die Beitreibungsmaßnahmen bis zum Abschluss dieses Verfahrens unterbrochen. § 231 Absatz 3 und 4 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Dies gilt nicht, wenn auf Grund von Betrug oder Insolvenz unmittelbare Dringlichkeit gegeben ist. Werden die Beitreibungsmaßnahmen unterbrochen, so ist Absatz 2 Satz 4 und 5 anzuwenden.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Rechtsanwalt in Deutschland und Mallorca geschäftsansässig und Gesellschafter-Geschäftsführer einer spanischen Gesellschaft. Wegen nicht beitreibbarer Steuerschulden dieser Gesellschaft nahm das Finanzamt für Steuererhebung auf den Balearischen Inseln (spanisches FA) den Kläger mit Haftungsbescheid vom 19. November 2007 in Anspruch. Die dagegen eingelegte Steuerbeschwerde und die beim Finanzgericht der Balearischen Inseln (spanisches FG) erhobene Klage hatten keinen Erfolg. Nach seinen unbelegten Angaben hat der Kläger gegen dieses Urteil Rekurs zum Zentralfinanzgericht eingelegt. Zum Stand des von der Gesellschaft gegen den Steuerbescheid in Anspruch genommenen Rechtsschutzes hat sich der Kläger nicht geäußert.
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Nachdem der Kläger auf den Haftungsbescheid nicht gezahlt hatte, erließ das Regionalfinanzamt der Balearen am 1. Februar 2008 eine Vollstreckungsanordnung, die dem Rechtsanwalt des Klägers am 15. Februar 2008 zugestellt wurde.
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Mit E-Mail vom 22. Juni 2009 übersandte die Staatsbehörde für Steuerverwaltung in Madrid über das CCN/CSI-Netz an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) elektronisch ein Beitreibungsersuchen. Der E-Mail waren die Vollstreckungsanordnung im PDF-Format und das Formular "Ersuchen um Beitreibung gemäß Art. 6 der Richtlinie 2008/55/EG" im Word-Format angefügt. Das BZSt leitete die E-Mail an die … Finanzbehörde und diese sandte sie dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) zu.
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Das FA erließ aufgrund dieses Ersuchens am 24. Juli 2009 eine Zahlungsaufforderung. Dagegen legte der Kläger Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Mit Schreiben vom 31. August 2009 holte das FA die vom Kläger beanstandeten Angaben nach und lehnte die AdV ab. Über den Einspruch ist bislang nicht entschieden.
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Unter dem 27. August 2009 pfändete das FA bei sich selbst als Drittschuldner Steuererstattungsansprüche des Klägers zur Beitreibung der Forderung der spanischen Steuerbehörde und ordnete die Einziehung an. Gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung legte der Kläger Einspruch ein und beantragte insoweit AdV.
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Auf Antrag des Klägers gewährte das Finanzgericht (FG) AdV gegen Sicherheitsleistung, weil es wegen der elektronischen Übermittlung Zweifel an der Rechtmäßigkeit "des Leistungsgebots" hatte. Auf die Beschwerde des FA hob der Bundesfinanzhof (BFH) diesen Beschluss auf und lehnte den Antrag auf AdV ab. Die Zahlungsaufforderung sei kein Leistungsgebot; dieses sei bereits mit dem spanischen Haftungsbescheid verbunden gewesen.
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Die auf Unterlassung der weiteren Vollstreckung der Haftungsschuld, hilfsweise Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vollstreckung aus dem Beitreibungsersuchen erhobene Klage blieb erfolglos. Im Klageverfahren hat die spanische Steuerbehörde die Vollstreckungsanordnung vom 1. Februar 2008 in Papierform übersandt.
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Das FG wies die Unterlassungsklage als unzulässig ab, weil der Kläger nicht konkret dargelegt habe, welche irreparablen Nachteile ihm drohten, wenn das FA weitere Vollstreckungsmaßnahmen ergreife und er dann dagegen Einspruch einlegen bzw. nachfolgend Anfechtungsklage erheben und zugleich AdV beantrage. Auch die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der bereits ergriffenen Vollstreckungsmaßnahmen hielt es für unzulässig, weil sie subsidiär zu Einspruch und Anfechtungsklage sei. Dagegen sah es die Feststellungsklage mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit weiterer, noch nicht durchgeführter Vollstreckungsmaßnahmen wegen Mängeln des Beitreibungsersuchens festzustellen, insbesondere wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes als zulässig an, wies sie aber als unbegründet ab.
- 9
-
Das FG hat die Revision u.a. zur Klärung der Frage zugelassen, ob und ggf. mit welcher Klageart Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Beitreibungshilfe insgesamt geltend gemacht werden können, auch wenn konkret drohende irreparable Schäden durch eine bevorstehende Vollstreckung nicht vorgetragen werden. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 482 veröffentlicht.
- 10
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Mit seiner Revision wendet sich der Kläger im Wesentlichen gegen die Ausführungen des FG zur Unbegründetheit der vorbeugenden Feststellungsklage.
- 11
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Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und das FA zu verurteilen, weitere Vollstreckungsmaßnahmen aus dem Beitreibungsersuchen des Regionalfinanzamtes der Balearen zu unterlassen, hilfsweise festzustellen, dass die Vollstreckung aus dem Beitreibungsersuchen rechtswidrig ist.
- 12
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des FG an und stellt darüber hinaus in Frage, inwiefern den Finanzbehörden die Prüfung des ordre public obliege, ob diese nicht vielmehr den Gerichten überlassen sei.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des FG verletzt zwar Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), soweit die vorbeugende Feststellungsklage als unbegründet, statt als unzulässig zurückgewiesen worden ist. Es hat aber Bestand, weil der Urteilstenor richtig ist (§ 126 Abs. 4 FGO; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 126 Rz 8, m.w.N.).
- 14
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1. Das FG hat den Hauptantrag des Klägers zu Recht als Unterlassungsklage gewertet und als unzulässig angesehen.
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Der Kläger will mit dem Antrag erreichen, dass das FA weitere Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund des spanischen Beitreibungsersuchens unterlässt. Für einen solchen vorbeugenden Rechtsschutz ist angesichts des Rechtsschutzsystems der FGO ein besonders intensives Rechtsschutzinteresse Voraussetzung (vgl. Braun in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 FGO Rz 146). Geht es darum, eine behördliche Maßnahme abzuwehren, bietet die FGO dem Rechtssuchenden neben Einspruch und Anfechtungsklage einstweiligen Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) bzw. einstweilige Anordnung (§ 114 FGO). Für eine Unterlassungsklage ist nur dann Raum, wenn das erstrebte Schutzziel mit diesen Rechtsbehelfen nicht erreicht werden kann, wenn also substantiiert und in sich schlüssig dargetan wird, durch ein bestimmtes, künftig zu erwartendes Handeln einer Behörde in den Rechten verletzt zu sein, und ein Abwarten der tatsächlichen Rechtsverletzung unzumutbar ist, weil die Rechtsverletzung dann nicht oder nur schwerlich wiedergutzumachen ist (BFH-Urteile vom 27. Oktober 1993 I R 25/92, BFHE 172, 488, BStBl II 1994, 210; vom 19. März 1998 VII R 73/97, BFHE 186, 179, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 1998, 861).
- 16
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Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger nicht dargelegt, welche irreparablen Nachteile ihm drohten, wenn er gegen weitere Vollstreckungsmaßnahmen des FA mit Einspruch, Klage und Aussetzungsantrag vorginge. Auch mit der Revision macht der Kläger allgemein "drohende Eingriffe in die Eigentums- und Vermögenspositionen" geltend. Inwieweit dadurch nicht wiedergutzumachende Schäden zu erwarten wären, hat er nicht dargelegt.
- 17
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2. Die Unzulässigkeit der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der bereits ergriffenen Vollstreckungshandlungen gerichteten Klage hat das FG zutreffend mit der in § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO angeordneten Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber einer Anfechtungsklage begründet.
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3. Entgegen der Rechtsauffassung des FG ist die Klage, soweit mit ihr die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer künftigen Vollstreckung aus dem Beitreibungsersuchen erreicht werden soll, ebenfalls nicht zulässig. Der Kläger hat kein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses i.S. des § 41 Abs. 1 FGO. Das danach erforderliche Feststellungsinteresse ist eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses. Deshalb ist die Feststellungsklage nicht gegeben, wenn der Kläger sein Prozessziel auf anderem Wege schneller, einfacher und billiger erreichen kann (vgl. Senatsurteil vom 23. November 1993 VII R 56/93, BFHE 173, 201, BStBl II 1994, 356, m.w.N.).
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Im Streitfall will der Kläger im Kern die Feststellung erreichen, dass das spanische Beitreibungsersuchen keine wirksame Vollstreckungsgrundlage darstellt. Die Frage der Rechtmäßigkeit dieses Ersuchens stellt sich aber als Vorfrage schon in dem vom Kläger angestrengten Klageverfahren gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung, so dass ein weiteres Klageverfahren unnötigen Doppelaufwand bedeutete. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, diese Frage losgelöst von der konkreten, bereits getroffenen Vollstreckungsmaßnahme zu klären.
- 20
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Anders könnte sich die Zulässigkeit der Feststellungsklage darstellen, wenn eine Vollstreckung aus dem umstrittenen Beitreibungsersuchen erstmalig bevorstünde. Für diesen Fall könnten die Erwägungen, die das FG bewogen haben, die Zulässigkeit zu bejahen, berechtigt sein. Denn dann wäre in der Tat zu erwägen, ob das Gebot effektiven Rechtsschutzes eine gerichtliche Klärung der Vollstreckungsvoraussetzungen im Vorhinein jedenfalls dann erfordert, wenn die zu erwartenden Vollstreckungsmaßnahmen über die reine Geldleistung hinausgehende einschneidende Beeinträchtigungen mit sich brächten, vor welchen eine AdV der Vollstreckungsmaßnahmen nicht schützen könnte.
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Ein solcher Sachverhalt lag offenbar dem vom FG herangezogenen Senatsurteil vom 3. November 2010 VII R 21/10 (BFHE 231, 500, BStBl II 2011, 401) zugrunde. Denn in dem dortigen Fall war die Frage, ob ein Beitreibungsersuchen wegen Verstoßes gegen den ordre public zur Rechtswidrigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme führen könnte, im Zusammenhang mit der Androhung einer Bürgschaftsverwertung, also vor Beginn der Vollstreckung, zu klären. Zwar hat sich der Senat zur Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht ausdrücklich geäußert. Allerdings ist davon auszugehen, dass inzident die Zulässigkeit der Feststellungsklage bejaht wurde. Der Kläger konnte nicht auf die Anfechtung einer bereits ergangenen Vollstreckungsmaßnahme verwiesen werden, so dass die Feststellungsklage wohl als der gebotene Rechtsschutz angesehen wurde. Diesem Urteil kann --anders als das FG meint-- nicht entnommen werden, dass die vorbeugende Feststellungklage zur Klärung von Vollstreckungsvoraussetzungen stets zulässig ist, also auch, wenn --wie im vorliegenden Fall-- die Klärung der Rechtsfrage im Anfechtungsverfahren --und dort vorrangig-- möglich ist.
- 22
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Auch das vom FG für die Zulässigkeit der Feststellungklage vorgebrachte weitere Argument, dass es im Fall einer vor einer ersten Vollstreckungsmaßnahme erlassenen einstweiligen Anordnung gegen das FA, die Vollstreckung zu unterlassen, nie zu einer Anfechtungsklage kommen könne, in der die Einwendungen gegen die Vollstreckungsvoraussetzungen geprüft werden könnten, ist in der eben beschriebenen Konstellation des Streitfalles, in dem bereits vollstreckt worden ist, nicht einschlägig.
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4. Im Übrigen wäre die Zulassung einer Feststellungklage bei gleichzeitiger Unzulässigkeit der Unterlassungsklage im Streitfall widersprüchlich. Besteht nämlich kein Rechtsschutzinteresse für die Unterlassungsklage, weil nach den Feststellungen des FG für den Kläger mit der Möglichkeit, im Zeitpunkt der Vornahme einer Vollstreckungsmaßnahme eine AdV zu erwirken, ausreichender Rechtsschutz besteht, so spricht dieser Gesichtspunkt auch gegen das besondere Feststellunginteresse i.S. des § 41 Abs. 1 FGO.
(1) Stellt das Verbindungsbüro ein Ersuchen, so sind die nach dem Dritten Abschnitt des Ersten Teils der Abgabenordnung zuständigen Behörden oder die nach Abschnitt V des Ersten Teils der Finanzgerichtsordnung zuständigen Gerichte zuständig für
- 1.
Rechtsbehelfe in Bezug auf - a)
die Forderung, - b)
den ursprünglichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung in Deutschland und - c)
den einheitlichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im anderen Mitgliedstaat;
- 2.
Streitigkeiten in Bezug auf die Gültigkeit einer Zustellung durch eine zuständige deutsche Behörde.
(2) Ist Deutschland der ersuchte Mitgliedstaat und werden im Verlauf des Beitreibungsverfahrens die Forderung, der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder der einheitliche Vollstreckungstitel von einer betroffenen Partei durch Rechtsbehelf angegriffen, so unterrichtet das Verbindungsbüro nach Mitteilung durch die Vollstreckungsbehörde diese Partei darüber, dass sie den Rechtsbehelf bei der zuständigen Instanz des anderen Mitgliedstaates nach dessen Recht einzulegen hat. Wurde von der ersuchenden Behörde eine Mitteilung entsprechend Absatz 1 Satz 3 erteilt, setzt die Vollstreckungsbehörde das Beitreibungsverfahren für den angefochtenen Teilbetrag der Forderung bis zur Entscheidung über den jeweiligen Rechtsbehelf aus. Satz 2 gilt nicht, wenn die ersuchende Behörde im Einklang mit Absatz 3 ein anderes Vorgehen wünscht. Die Vollstreckungsbehörde kann selbständig oder auf Ersuchen Maßnahmen für die Sicherstellung der Beitreibung treffen, soweit dies zulässig ist. Die Regelungen des § 12 bleiben unberührt.
(3) Eingehende Beitreibungsersuchen aus anderen Mitgliedstaaten können auch die Beitreibung einer angefochtenen Forderung oder eines angefochtenen Teilbetrags einer Forderung beinhalten. Ein solches Ersuchen ist durch die ersuchende Behörde zu begründen. Wird dem Rechtsbehelf später stattgegeben, haftet die ersuchende ausländische Behörde für die Erstattung bereits beigetriebener Beträge samt etwaig geschuldeter Entschädigungsleistungen.
(4) Durch die Einleitung eines Verständigungsverfahrens, das auf die Höhe der beizutreibenden Forderung Auswirkungen haben kann, werden die Beitreibungsmaßnahmen bis zum Abschluss dieses Verfahrens unterbrochen. § 231 Absatz 3 und 4 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Dies gilt nicht, wenn auf Grund von Betrug oder Insolvenz unmittelbare Dringlichkeit gegeben ist. Werden die Beitreibungsmaßnahmen unterbrochen, so ist Absatz 2 Satz 4 und 5 anzuwenden.
(1) Die in den §§ 9 bis 13 vorgesehene Amtshilfe wird nicht geleistet, wenn die Vollstreckung oder die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen unbillig wäre oder die Forderungen insgesamt weniger als 1 500 Euro betragen.
(2) Die in den §§ 5 bis 13, 17 und 18 vorgesehene Amtshilfe wird nicht geleistet, wenn
- 1.
sich das ursprüngliche Ersuchen um Amtshilfe auf Forderungen bezieht, die älter als fünf Jahre waren; - 2.
die Forderungen älter als zehn Jahre sind. Die Frist wird ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit gerechnet.
(3) Gründe für die Ablehnung eines Ersuchens um Amtshilfe teilt das Verbindungsbüro dem anderen Mitgliedstaat mit.
Soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist, kann die Vollstreckungsbehörde sie einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben.
(1) Auf Ersuchen nimmt die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung von Forderungen vor, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht. Die Forderung wird wie eine inländische Forderung behandelt. Als vollstreckbarer Verwaltungsakt gilt der dem Ersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel.
(2) Die Vollstreckung erfolgt nach den Vorschriften, die für Forderungen aus gleichen oder, in Ermangelung gleicher, aus vergleichbaren Steuern oder Abgaben vorgesehen sind. Ist das Verbindungsbüro der Auffassung, dass in Deutschland keine gleichen oder vergleichbaren Steuern oder Abgaben erhoben werden, so handelt die Vollstreckungsbehörde nach den Vorschriften, die für die Vollstreckung von Einkommensteuerforderungen gelten. Die Forderungen werden in Euro vollstreckt.
(3) Das Verbindungsbüro teilt dem anderen Mitgliedstaat die Maßnahmen mit, die die Vollstreckungsbehörde in Bezug auf das Beitreibungsersuchen ergriffen hat.
(4) § 240 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Fälligkeitstag ist der Tag, an dem das Ersuchen bei einem Verbindungsbüro im Sinne des § 3 Absatz 1 eingeht, so dass Säumniszuschläge ab diesem Tag berechnet werden können. Wenn die Vollstreckungsbehörde dem Schuldner eine Zahlungsfrist einräumt oder Ratenzahlung gewährt, unterrichtet das Verbindungsbüro den anderen Mitgliedstaat hiervon.
(5) Die Vollstreckungsbehörde überweist die im Zusammenhang mit der Forderung beigetriebenen Beträge sowie die Säumniszuschläge und gegebenenfalls entstehende Zinsen. Die in § 16 Absatz 1 genannten Kosten können vorher einbehalten werden.
(1) Gegen Verwaltungsakte
- 1.
in Abgabenangelegenheiten, auf die dieses Gesetz Anwendung findet, - 2.
in Verfahren zur Vollstreckung von Verwaltungsakten in anderen als den in Nummer 1 bezeichneten Angelegenheiten, soweit die Verwaltungsakte durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu vollstrecken sind, - 3.
in öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Angelegenheiten, auf die dieses Gesetz nach § 164a des Steuerberatungsgesetzes Anwendung findet, - 4.
in anderen durch die Finanzbehörden verwalteten Angelegenheiten, soweit die Vorschriften über die außergerichtlichen Rechtsbehelfe durch Gesetz für anwendbar erklärt worden sind oder erklärt werden,
(2) Abgabenangelegenheiten sind alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten einschließlich der Maßnahmen der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze; den Abgabenangelegenheiten stehen die Angelegenheiten der Verwaltung der Finanzmonopole gleich.
(3) Die Vorschriften des Siebenten Teils finden auf das Straf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung.
Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.
(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, darf die Vollstreckung erst beginnen, wenn die Leistung fällig ist und der Vollstreckungsschuldner zur Leistung oder Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden ist (Leistungsgebot) und seit der Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen ist. Das Leistungsgebot kann mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden werden. Ein Leistungsgebot ist auch dann erforderlich, wenn der Verwaltungsakt gegen den Vollstreckungsschuldner wirkt, ohne ihm bekannt gegeben zu sein. Soweit der Vollstreckungsschuldner eine von ihm auf Grund einer Steueranmeldung geschuldete Leistung nicht erbracht hat, bedarf es eines Leistungsgebots nicht.
(2) Eines Leistungsgebots wegen der Säumniszuschläge und Zinsen bedarf es nicht, wenn sie zusammen mit der Steuer beigetrieben werden. Dies gilt sinngemäß für die Vollstreckungskosten, wenn sie zusammen mit dem Hauptanspruch beigetrieben werden. Die gesonderte Anforderung von Säumniszuschlägen kann ausschließlich automationsgestützt erfolgen.
(1) Auf Ersuchen nimmt die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung von Forderungen vor, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht. Die Forderung wird wie eine inländische Forderung behandelt. Als vollstreckbarer Verwaltungsakt gilt der dem Ersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel.
(2) Die Vollstreckung erfolgt nach den Vorschriften, die für Forderungen aus gleichen oder, in Ermangelung gleicher, aus vergleichbaren Steuern oder Abgaben vorgesehen sind. Ist das Verbindungsbüro der Auffassung, dass in Deutschland keine gleichen oder vergleichbaren Steuern oder Abgaben erhoben werden, so handelt die Vollstreckungsbehörde nach den Vorschriften, die für die Vollstreckung von Einkommensteuerforderungen gelten. Die Forderungen werden in Euro vollstreckt.
(3) Das Verbindungsbüro teilt dem anderen Mitgliedstaat die Maßnahmen mit, die die Vollstreckungsbehörde in Bezug auf das Beitreibungsersuchen ergriffen hat.
(4) § 240 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Fälligkeitstag ist der Tag, an dem das Ersuchen bei einem Verbindungsbüro im Sinne des § 3 Absatz 1 eingeht, so dass Säumniszuschläge ab diesem Tag berechnet werden können. Wenn die Vollstreckungsbehörde dem Schuldner eine Zahlungsfrist einräumt oder Ratenzahlung gewährt, unterrichtet das Verbindungsbüro den anderen Mitgliedstaat hiervon.
(5) Die Vollstreckungsbehörde überweist die im Zusammenhang mit der Forderung beigetriebenen Beträge sowie die Säumniszuschläge und gegebenenfalls entstehende Zinsen. Die in § 16 Absatz 1 genannten Kosten können vorher einbehalten werden.
(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, darf die Vollstreckung erst beginnen, wenn die Leistung fällig ist und der Vollstreckungsschuldner zur Leistung oder Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden ist (Leistungsgebot) und seit der Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen ist. Das Leistungsgebot kann mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden werden. Ein Leistungsgebot ist auch dann erforderlich, wenn der Verwaltungsakt gegen den Vollstreckungsschuldner wirkt, ohne ihm bekannt gegeben zu sein. Soweit der Vollstreckungsschuldner eine von ihm auf Grund einer Steueranmeldung geschuldete Leistung nicht erbracht hat, bedarf es eines Leistungsgebots nicht.
(2) Eines Leistungsgebots wegen der Säumniszuschläge und Zinsen bedarf es nicht, wenn sie zusammen mit der Steuer beigetrieben werden. Dies gilt sinngemäß für die Vollstreckungskosten, wenn sie zusammen mit dem Hauptanspruch beigetrieben werden. Die gesonderte Anforderung von Säumniszuschlägen kann ausschließlich automationsgestützt erfolgen.
(1) Auf Ersuchen nimmt die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung von Forderungen vor, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht. Die Forderung wird wie eine inländische Forderung behandelt. Als vollstreckbarer Verwaltungsakt gilt der dem Ersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel.
(2) Die Vollstreckung erfolgt nach den Vorschriften, die für Forderungen aus gleichen oder, in Ermangelung gleicher, aus vergleichbaren Steuern oder Abgaben vorgesehen sind. Ist das Verbindungsbüro der Auffassung, dass in Deutschland keine gleichen oder vergleichbaren Steuern oder Abgaben erhoben werden, so handelt die Vollstreckungsbehörde nach den Vorschriften, die für die Vollstreckung von Einkommensteuerforderungen gelten. Die Forderungen werden in Euro vollstreckt.
(3) Das Verbindungsbüro teilt dem anderen Mitgliedstaat die Maßnahmen mit, die die Vollstreckungsbehörde in Bezug auf das Beitreibungsersuchen ergriffen hat.
(4) § 240 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Fälligkeitstag ist der Tag, an dem das Ersuchen bei einem Verbindungsbüro im Sinne des § 3 Absatz 1 eingeht, so dass Säumniszuschläge ab diesem Tag berechnet werden können. Wenn die Vollstreckungsbehörde dem Schuldner eine Zahlungsfrist einräumt oder Ratenzahlung gewährt, unterrichtet das Verbindungsbüro den anderen Mitgliedstaat hiervon.
(5) Die Vollstreckungsbehörde überweist die im Zusammenhang mit der Forderung beigetriebenen Beträge sowie die Säumniszuschläge und gegebenenfalls entstehende Zinsen. Die in § 16 Absatz 1 genannten Kosten können vorher einbehalten werden.
(1) Stellt das Verbindungsbüro ein Ersuchen, so sind die nach dem Dritten Abschnitt des Ersten Teils der Abgabenordnung zuständigen Behörden oder die nach Abschnitt V des Ersten Teils der Finanzgerichtsordnung zuständigen Gerichte zuständig für
- 1.
Rechtsbehelfe in Bezug auf - a)
die Forderung, - b)
den ursprünglichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung in Deutschland und - c)
den einheitlichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im anderen Mitgliedstaat;
- 2.
Streitigkeiten in Bezug auf die Gültigkeit einer Zustellung durch eine zuständige deutsche Behörde.
(2) Ist Deutschland der ersuchte Mitgliedstaat und werden im Verlauf des Beitreibungsverfahrens die Forderung, der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder der einheitliche Vollstreckungstitel von einer betroffenen Partei durch Rechtsbehelf angegriffen, so unterrichtet das Verbindungsbüro nach Mitteilung durch die Vollstreckungsbehörde diese Partei darüber, dass sie den Rechtsbehelf bei der zuständigen Instanz des anderen Mitgliedstaates nach dessen Recht einzulegen hat. Wurde von der ersuchenden Behörde eine Mitteilung entsprechend Absatz 1 Satz 3 erteilt, setzt die Vollstreckungsbehörde das Beitreibungsverfahren für den angefochtenen Teilbetrag der Forderung bis zur Entscheidung über den jeweiligen Rechtsbehelf aus. Satz 2 gilt nicht, wenn die ersuchende Behörde im Einklang mit Absatz 3 ein anderes Vorgehen wünscht. Die Vollstreckungsbehörde kann selbständig oder auf Ersuchen Maßnahmen für die Sicherstellung der Beitreibung treffen, soweit dies zulässig ist. Die Regelungen des § 12 bleiben unberührt.
(3) Eingehende Beitreibungsersuchen aus anderen Mitgliedstaaten können auch die Beitreibung einer angefochtenen Forderung oder eines angefochtenen Teilbetrags einer Forderung beinhalten. Ein solches Ersuchen ist durch die ersuchende Behörde zu begründen. Wird dem Rechtsbehelf später stattgegeben, haftet die ersuchende ausländische Behörde für die Erstattung bereits beigetriebener Beträge samt etwaig geschuldeter Entschädigungsleistungen.
(4) Durch die Einleitung eines Verständigungsverfahrens, das auf die Höhe der beizutreibenden Forderung Auswirkungen haben kann, werden die Beitreibungsmaßnahmen bis zum Abschluss dieses Verfahrens unterbrochen. § 231 Absatz 3 und 4 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Dies gilt nicht, wenn auf Grund von Betrug oder Insolvenz unmittelbare Dringlichkeit gegeben ist. Werden die Beitreibungsmaßnahmen unterbrochen, so ist Absatz 2 Satz 4 und 5 anzuwenden.
(1) Ein Verbindungsbüro kann Beitreibungsersuchen in einen anderen Mitgliedstaat stellen, wenn
- 1.
die Voraussetzungen für die Vollstreckung gegeben sind und - 2.
die Forderung nicht angefochten ist oder nicht mehr angefochten werden kann.
(2) Die Vollstreckungsbehörde muss zuvor alle nach der Abgabenordnung vorgesehenen Vollstreckungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben, es sei denn,
- 1.
es ist offensichtlich, dass - a)
keine Vermögensgegenstände für die Vollstreckung in Deutschland vorhanden sind oder - b)
Vollstreckungsverfahren in Deutschland nicht zur vollständigen Begleichung der Forderung führen,
- 2.
die Durchführung solcher Vollstreckungsmaßnahmen wäre in Deutschland mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden.
(3) Jedem Beitreibungsersuchen ist der für alle Mitgliedstaaten einheitliche Vollstreckungstitel, dessen Inhalt im Wesentlichen dem des ursprünglichen Vollstreckungstitels entspricht, beizufügen, der die alleinige Grundlage für die im anderen Mitgliedstaat zu ergreifenden Beitreibungs- und Sicherungsmaßnahmen ist. Er muss im anderen Mitgliedstaat weder durch einen besonderen Akt anerkannt noch ergänzt oder ersetzt werden. Dem Beitreibungsersuchen können weitere Dokumente, die im Zusammenhang mit der Forderung stehen, beigefügt werden.
(4) Erlangt die Vollstreckungsbehörde im Zusammenhang mit der Angelegenheit, die dem Beitreibungsersuchen zu Grunde liegt, zweckdienliche Informationen, so teilt sie diese dem Verbindungsbüro zur unverzüglichen Weiterleitung an den anderen Mitgliedstaat mit.
(1) Stellt das Verbindungsbüro ein Ersuchen, so sind die nach dem Dritten Abschnitt des Ersten Teils der Abgabenordnung zuständigen Behörden oder die nach Abschnitt V des Ersten Teils der Finanzgerichtsordnung zuständigen Gerichte zuständig für
- 1.
Rechtsbehelfe in Bezug auf - a)
die Forderung, - b)
den ursprünglichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung in Deutschland und - c)
den einheitlichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im anderen Mitgliedstaat;
- 2.
Streitigkeiten in Bezug auf die Gültigkeit einer Zustellung durch eine zuständige deutsche Behörde.
(2) Ist Deutschland der ersuchte Mitgliedstaat und werden im Verlauf des Beitreibungsverfahrens die Forderung, der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder der einheitliche Vollstreckungstitel von einer betroffenen Partei durch Rechtsbehelf angegriffen, so unterrichtet das Verbindungsbüro nach Mitteilung durch die Vollstreckungsbehörde diese Partei darüber, dass sie den Rechtsbehelf bei der zuständigen Instanz des anderen Mitgliedstaates nach dessen Recht einzulegen hat. Wurde von der ersuchenden Behörde eine Mitteilung entsprechend Absatz 1 Satz 3 erteilt, setzt die Vollstreckungsbehörde das Beitreibungsverfahren für den angefochtenen Teilbetrag der Forderung bis zur Entscheidung über den jeweiligen Rechtsbehelf aus. Satz 2 gilt nicht, wenn die ersuchende Behörde im Einklang mit Absatz 3 ein anderes Vorgehen wünscht. Die Vollstreckungsbehörde kann selbständig oder auf Ersuchen Maßnahmen für die Sicherstellung der Beitreibung treffen, soweit dies zulässig ist. Die Regelungen des § 12 bleiben unberührt.
(3) Eingehende Beitreibungsersuchen aus anderen Mitgliedstaaten können auch die Beitreibung einer angefochtenen Forderung oder eines angefochtenen Teilbetrags einer Forderung beinhalten. Ein solches Ersuchen ist durch die ersuchende Behörde zu begründen. Wird dem Rechtsbehelf später stattgegeben, haftet die ersuchende ausländische Behörde für die Erstattung bereits beigetriebener Beträge samt etwaig geschuldeter Entschädigungsleistungen.
(4) Durch die Einleitung eines Verständigungsverfahrens, das auf die Höhe der beizutreibenden Forderung Auswirkungen haben kann, werden die Beitreibungsmaßnahmen bis zum Abschluss dieses Verfahrens unterbrochen. § 231 Absatz 3 und 4 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Dies gilt nicht, wenn auf Grund von Betrug oder Insolvenz unmittelbare Dringlichkeit gegeben ist. Werden die Beitreibungsmaßnahmen unterbrochen, so ist Absatz 2 Satz 4 und 5 anzuwenden.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Stellt das Verbindungsbüro ein Ersuchen, so sind die nach dem Dritten Abschnitt des Ersten Teils der Abgabenordnung zuständigen Behörden oder die nach Abschnitt V des Ersten Teils der Finanzgerichtsordnung zuständigen Gerichte zuständig für
- 1.
Rechtsbehelfe in Bezug auf - a)
die Forderung, - b)
den ursprünglichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung in Deutschland und - c)
den einheitlichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im anderen Mitgliedstaat;
- 2.
Streitigkeiten in Bezug auf die Gültigkeit einer Zustellung durch eine zuständige deutsche Behörde.
(2) Ist Deutschland der ersuchte Mitgliedstaat und werden im Verlauf des Beitreibungsverfahrens die Forderung, der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder der einheitliche Vollstreckungstitel von einer betroffenen Partei durch Rechtsbehelf angegriffen, so unterrichtet das Verbindungsbüro nach Mitteilung durch die Vollstreckungsbehörde diese Partei darüber, dass sie den Rechtsbehelf bei der zuständigen Instanz des anderen Mitgliedstaates nach dessen Recht einzulegen hat. Wurde von der ersuchenden Behörde eine Mitteilung entsprechend Absatz 1 Satz 3 erteilt, setzt die Vollstreckungsbehörde das Beitreibungsverfahren für den angefochtenen Teilbetrag der Forderung bis zur Entscheidung über den jeweiligen Rechtsbehelf aus. Satz 2 gilt nicht, wenn die ersuchende Behörde im Einklang mit Absatz 3 ein anderes Vorgehen wünscht. Die Vollstreckungsbehörde kann selbständig oder auf Ersuchen Maßnahmen für die Sicherstellung der Beitreibung treffen, soweit dies zulässig ist. Die Regelungen des § 12 bleiben unberührt.
(3) Eingehende Beitreibungsersuchen aus anderen Mitgliedstaaten können auch die Beitreibung einer angefochtenen Forderung oder eines angefochtenen Teilbetrags einer Forderung beinhalten. Ein solches Ersuchen ist durch die ersuchende Behörde zu begründen. Wird dem Rechtsbehelf später stattgegeben, haftet die ersuchende ausländische Behörde für die Erstattung bereits beigetriebener Beträge samt etwaig geschuldeter Entschädigungsleistungen.
(4) Durch die Einleitung eines Verständigungsverfahrens, das auf die Höhe der beizutreibenden Forderung Auswirkungen haben kann, werden die Beitreibungsmaßnahmen bis zum Abschluss dieses Verfahrens unterbrochen. § 231 Absatz 3 und 4 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Dies gilt nicht, wenn auf Grund von Betrug oder Insolvenz unmittelbare Dringlichkeit gegeben ist. Werden die Beitreibungsmaßnahmen unterbrochen, so ist Absatz 2 Satz 4 und 5 anzuwenden.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
Tatbestand
- 1
-
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Rechtsanwalt in Deutschland und Mallorca geschäftsansässig und Gesellschafter-Geschäftsführer einer spanischen Gesellschaft. Wegen nicht beitreibbarer Steuerschulden dieser Gesellschaft nahm das Finanzamt für Steuererhebung auf den Balearischen Inseln (spanisches FA) den Kläger mit Haftungsbescheid vom 19. November 2007 in Anspruch. Die dagegen eingelegte Steuerbeschwerde und die beim Finanzgericht der Balearischen Inseln (spanisches FG) erhobene Klage hatten keinen Erfolg. Nach seinen unbelegten Angaben hat der Kläger gegen dieses Urteil Rekurs zum Zentralfinanzgericht eingelegt. Zum Stand des von der Gesellschaft gegen den Steuerbescheid in Anspruch genommenen Rechtsschutzes hat sich der Kläger nicht geäußert.
- 2
-
Nachdem der Kläger auf den Haftungsbescheid nicht gezahlt hatte, erließ das Regionalfinanzamt der Balearen am 1. Februar 2008 eine Vollstreckungsanordnung, die dem Rechtsanwalt des Klägers am 15. Februar 2008 zugestellt wurde.
- 3
-
Mit E-Mail vom 22. Juni 2009 übersandte die Staatsbehörde für Steuerverwaltung in Madrid über das CCN/CSI-Netz an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) elektronisch ein Beitreibungsersuchen. Der E-Mail waren die Vollstreckungsanordnung im PDF-Format und das Formular "Ersuchen um Beitreibung gemäß Art. 6 der Richtlinie 2008/55/EG" im Word-Format angefügt. Das BZSt leitete die E-Mail an die … Finanzbehörde und diese sandte sie dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) zu.
- 4
-
Das FA erließ aufgrund dieses Ersuchens am 24. Juli 2009 eine Zahlungsaufforderung. Dagegen legte der Kläger Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Mit Schreiben vom 31. August 2009 holte das FA die vom Kläger beanstandeten Angaben nach und lehnte die AdV ab. Über den Einspruch ist bislang nicht entschieden.
- 5
-
Unter dem 27. August 2009 pfändete das FA bei sich selbst als Drittschuldner Steuererstattungsansprüche des Klägers zur Beitreibung der Forderung der spanischen Steuerbehörde und ordnete die Einziehung an. Gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung legte der Kläger Einspruch ein und beantragte insoweit AdV.
- 6
-
Auf Antrag des Klägers gewährte das Finanzgericht (FG) AdV gegen Sicherheitsleistung, weil es wegen der elektronischen Übermittlung Zweifel an der Rechtmäßigkeit "des Leistungsgebots" hatte. Auf die Beschwerde des FA hob der Bundesfinanzhof (BFH) diesen Beschluss auf und lehnte den Antrag auf AdV ab. Die Zahlungsaufforderung sei kein Leistungsgebot; dieses sei bereits mit dem spanischen Haftungsbescheid verbunden gewesen.
- 7
-
Die auf Unterlassung der weiteren Vollstreckung der Haftungsschuld, hilfsweise Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vollstreckung aus dem Beitreibungsersuchen erhobene Klage blieb erfolglos. Im Klageverfahren hat die spanische Steuerbehörde die Vollstreckungsanordnung vom 1. Februar 2008 in Papierform übersandt.
- 8
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Das FG wies die Unterlassungsklage als unzulässig ab, weil der Kläger nicht konkret dargelegt habe, welche irreparablen Nachteile ihm drohten, wenn das FA weitere Vollstreckungsmaßnahmen ergreife und er dann dagegen Einspruch einlegen bzw. nachfolgend Anfechtungsklage erheben und zugleich AdV beantrage. Auch die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der bereits ergriffenen Vollstreckungsmaßnahmen hielt es für unzulässig, weil sie subsidiär zu Einspruch und Anfechtungsklage sei. Dagegen sah es die Feststellungsklage mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit weiterer, noch nicht durchgeführter Vollstreckungsmaßnahmen wegen Mängeln des Beitreibungsersuchens festzustellen, insbesondere wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes als zulässig an, wies sie aber als unbegründet ab.
- 9
-
Das FG hat die Revision u.a. zur Klärung der Frage zugelassen, ob und ggf. mit welcher Klageart Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Beitreibungshilfe insgesamt geltend gemacht werden können, auch wenn konkret drohende irreparable Schäden durch eine bevorstehende Vollstreckung nicht vorgetragen werden. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 482 veröffentlicht.
- 10
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Mit seiner Revision wendet sich der Kläger im Wesentlichen gegen die Ausführungen des FG zur Unbegründetheit der vorbeugenden Feststellungsklage.
- 11
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Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und das FA zu verurteilen, weitere Vollstreckungsmaßnahmen aus dem Beitreibungsersuchen des Regionalfinanzamtes der Balearen zu unterlassen, hilfsweise festzustellen, dass die Vollstreckung aus dem Beitreibungsersuchen rechtswidrig ist.
- 12
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des FG an und stellt darüber hinaus in Frage, inwiefern den Finanzbehörden die Prüfung des ordre public obliege, ob diese nicht vielmehr den Gerichten überlassen sei.
Entscheidungsgründe
- 13
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II. Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des FG verletzt zwar Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), soweit die vorbeugende Feststellungsklage als unbegründet, statt als unzulässig zurückgewiesen worden ist. Es hat aber Bestand, weil der Urteilstenor richtig ist (§ 126 Abs. 4 FGO; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 126 Rz 8, m.w.N.).
- 14
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1. Das FG hat den Hauptantrag des Klägers zu Recht als Unterlassungsklage gewertet und als unzulässig angesehen.
- 15
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Der Kläger will mit dem Antrag erreichen, dass das FA weitere Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund des spanischen Beitreibungsersuchens unterlässt. Für einen solchen vorbeugenden Rechtsschutz ist angesichts des Rechtsschutzsystems der FGO ein besonders intensives Rechtsschutzinteresse Voraussetzung (vgl. Braun in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 FGO Rz 146). Geht es darum, eine behördliche Maßnahme abzuwehren, bietet die FGO dem Rechtssuchenden neben Einspruch und Anfechtungsklage einstweiligen Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) bzw. einstweilige Anordnung (§ 114 FGO). Für eine Unterlassungsklage ist nur dann Raum, wenn das erstrebte Schutzziel mit diesen Rechtsbehelfen nicht erreicht werden kann, wenn also substantiiert und in sich schlüssig dargetan wird, durch ein bestimmtes, künftig zu erwartendes Handeln einer Behörde in den Rechten verletzt zu sein, und ein Abwarten der tatsächlichen Rechtsverletzung unzumutbar ist, weil die Rechtsverletzung dann nicht oder nur schwerlich wiedergutzumachen ist (BFH-Urteile vom 27. Oktober 1993 I R 25/92, BFHE 172, 488, BStBl II 1994, 210; vom 19. März 1998 VII R 73/97, BFHE 186, 179, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 1998, 861).
- 16
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Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger nicht dargelegt, welche irreparablen Nachteile ihm drohten, wenn er gegen weitere Vollstreckungsmaßnahmen des FA mit Einspruch, Klage und Aussetzungsantrag vorginge. Auch mit der Revision macht der Kläger allgemein "drohende Eingriffe in die Eigentums- und Vermögenspositionen" geltend. Inwieweit dadurch nicht wiedergutzumachende Schäden zu erwarten wären, hat er nicht dargelegt.
- 17
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2. Die Unzulässigkeit der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der bereits ergriffenen Vollstreckungshandlungen gerichteten Klage hat das FG zutreffend mit der in § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO angeordneten Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber einer Anfechtungsklage begründet.
- 18
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3. Entgegen der Rechtsauffassung des FG ist die Klage, soweit mit ihr die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer künftigen Vollstreckung aus dem Beitreibungsersuchen erreicht werden soll, ebenfalls nicht zulässig. Der Kläger hat kein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses i.S. des § 41 Abs. 1 FGO. Das danach erforderliche Feststellungsinteresse ist eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses. Deshalb ist die Feststellungsklage nicht gegeben, wenn der Kläger sein Prozessziel auf anderem Wege schneller, einfacher und billiger erreichen kann (vgl. Senatsurteil vom 23. November 1993 VII R 56/93, BFHE 173, 201, BStBl II 1994, 356, m.w.N.).
- 19
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Im Streitfall will der Kläger im Kern die Feststellung erreichen, dass das spanische Beitreibungsersuchen keine wirksame Vollstreckungsgrundlage darstellt. Die Frage der Rechtmäßigkeit dieses Ersuchens stellt sich aber als Vorfrage schon in dem vom Kläger angestrengten Klageverfahren gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung, so dass ein weiteres Klageverfahren unnötigen Doppelaufwand bedeutete. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, diese Frage losgelöst von der konkreten, bereits getroffenen Vollstreckungsmaßnahme zu klären.
- 20
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Anders könnte sich die Zulässigkeit der Feststellungsklage darstellen, wenn eine Vollstreckung aus dem umstrittenen Beitreibungsersuchen erstmalig bevorstünde. Für diesen Fall könnten die Erwägungen, die das FG bewogen haben, die Zulässigkeit zu bejahen, berechtigt sein. Denn dann wäre in der Tat zu erwägen, ob das Gebot effektiven Rechtsschutzes eine gerichtliche Klärung der Vollstreckungsvoraussetzungen im Vorhinein jedenfalls dann erfordert, wenn die zu erwartenden Vollstreckungsmaßnahmen über die reine Geldleistung hinausgehende einschneidende Beeinträchtigungen mit sich brächten, vor welchen eine AdV der Vollstreckungsmaßnahmen nicht schützen könnte.
- 21
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Ein solcher Sachverhalt lag offenbar dem vom FG herangezogenen Senatsurteil vom 3. November 2010 VII R 21/10 (BFHE 231, 500, BStBl II 2011, 401) zugrunde. Denn in dem dortigen Fall war die Frage, ob ein Beitreibungsersuchen wegen Verstoßes gegen den ordre public zur Rechtswidrigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme führen könnte, im Zusammenhang mit der Androhung einer Bürgschaftsverwertung, also vor Beginn der Vollstreckung, zu klären. Zwar hat sich der Senat zur Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht ausdrücklich geäußert. Allerdings ist davon auszugehen, dass inzident die Zulässigkeit der Feststellungsklage bejaht wurde. Der Kläger konnte nicht auf die Anfechtung einer bereits ergangenen Vollstreckungsmaßnahme verwiesen werden, so dass die Feststellungsklage wohl als der gebotene Rechtsschutz angesehen wurde. Diesem Urteil kann --anders als das FG meint-- nicht entnommen werden, dass die vorbeugende Feststellungklage zur Klärung von Vollstreckungsvoraussetzungen stets zulässig ist, also auch, wenn --wie im vorliegenden Fall-- die Klärung der Rechtsfrage im Anfechtungsverfahren --und dort vorrangig-- möglich ist.
- 22
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Auch das vom FG für die Zulässigkeit der Feststellungklage vorgebrachte weitere Argument, dass es im Fall einer vor einer ersten Vollstreckungsmaßnahme erlassenen einstweiligen Anordnung gegen das FA, die Vollstreckung zu unterlassen, nie zu einer Anfechtungsklage kommen könne, in der die Einwendungen gegen die Vollstreckungsvoraussetzungen geprüft werden könnten, ist in der eben beschriebenen Konstellation des Streitfalles, in dem bereits vollstreckt worden ist, nicht einschlägig.
- 23
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4. Im Übrigen wäre die Zulassung einer Feststellungklage bei gleichzeitiger Unzulässigkeit der Unterlassungsklage im Streitfall widersprüchlich. Besteht nämlich kein Rechtsschutzinteresse für die Unterlassungsklage, weil nach den Feststellungen des FG für den Kläger mit der Möglichkeit, im Zeitpunkt der Vornahme einer Vollstreckungsmaßnahme eine AdV zu erwirken, ausreichender Rechtsschutz besteht, so spricht dieser Gesichtspunkt auch gegen das besondere Feststellunginteresse i.S. des § 41 Abs. 1 FGO.
(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält; § 68 bleibt unberührt.
(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat*
(3) Die Entscheidung, dass eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen ist, ist nicht selbständig anfechtbar.
Tatbestand
- 1
-
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Rechtsanwalt in Deutschland und Mallorca geschäftsansässig und Gesellschafter-Geschäftsführer einer spanischen Gesellschaft. Wegen nicht beitreibbarer Steuerschulden dieser Gesellschaft nahm das Finanzamt für Steuererhebung auf den Balearischen Inseln (spanisches FA) den Kläger mit Haftungsbescheid vom 19. November 2007 in Anspruch. Die dagegen eingelegte Steuerbeschwerde und die beim Finanzgericht der Balearischen Inseln (spanisches FG) erhobene Klage hatten keinen Erfolg. Nach seinen unbelegten Angaben hat der Kläger gegen dieses Urteil Rekurs zum Zentralfinanzgericht eingelegt. Zum Stand des von der Gesellschaft gegen den Steuerbescheid in Anspruch genommenen Rechtsschutzes hat sich der Kläger nicht geäußert.
- 2
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Nachdem der Kläger auf den Haftungsbescheid nicht gezahlt hatte, erließ das Regionalfinanzamt der Balearen am 1. Februar 2008 eine Vollstreckungsanordnung, die dem Rechtsanwalt des Klägers am 15. Februar 2008 zugestellt wurde.
- 3
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Mit E-Mail vom 22. Juni 2009 übersandte die Staatsbehörde für Steuerverwaltung in Madrid über das CCN/CSI-Netz an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) elektronisch ein Beitreibungsersuchen. Der E-Mail waren die Vollstreckungsanordnung im PDF-Format und das Formular "Ersuchen um Beitreibung gemäß Art. 6 der Richtlinie 2008/55/EG" im Word-Format angefügt. Das BZSt leitete die E-Mail an die … Finanzbehörde und diese sandte sie dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) zu.
- 4
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Das FA erließ aufgrund dieses Ersuchens am 24. Juli 2009 eine Zahlungsaufforderung. Dagegen legte der Kläger Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Mit Schreiben vom 31. August 2009 holte das FA die vom Kläger beanstandeten Angaben nach und lehnte die AdV ab. Über den Einspruch ist bislang nicht entschieden.
- 5
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Unter dem 27. August 2009 pfändete das FA bei sich selbst als Drittschuldner Steuererstattungsansprüche des Klägers zur Beitreibung der Forderung der spanischen Steuerbehörde und ordnete die Einziehung an. Gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung legte der Kläger Einspruch ein und beantragte insoweit AdV.
- 6
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Auf Antrag des Klägers gewährte das Finanzgericht (FG) AdV gegen Sicherheitsleistung, weil es wegen der elektronischen Übermittlung Zweifel an der Rechtmäßigkeit "des Leistungsgebots" hatte. Auf die Beschwerde des FA hob der Bundesfinanzhof (BFH) diesen Beschluss auf und lehnte den Antrag auf AdV ab. Die Zahlungsaufforderung sei kein Leistungsgebot; dieses sei bereits mit dem spanischen Haftungsbescheid verbunden gewesen.
- 7
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Die auf Unterlassung der weiteren Vollstreckung der Haftungsschuld, hilfsweise Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vollstreckung aus dem Beitreibungsersuchen erhobene Klage blieb erfolglos. Im Klageverfahren hat die spanische Steuerbehörde die Vollstreckungsanordnung vom 1. Februar 2008 in Papierform übersandt.
- 8
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Das FG wies die Unterlassungsklage als unzulässig ab, weil der Kläger nicht konkret dargelegt habe, welche irreparablen Nachteile ihm drohten, wenn das FA weitere Vollstreckungsmaßnahmen ergreife und er dann dagegen Einspruch einlegen bzw. nachfolgend Anfechtungsklage erheben und zugleich AdV beantrage. Auch die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der bereits ergriffenen Vollstreckungsmaßnahmen hielt es für unzulässig, weil sie subsidiär zu Einspruch und Anfechtungsklage sei. Dagegen sah es die Feststellungsklage mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit weiterer, noch nicht durchgeführter Vollstreckungsmaßnahmen wegen Mängeln des Beitreibungsersuchens festzustellen, insbesondere wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes als zulässig an, wies sie aber als unbegründet ab.
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Das FG hat die Revision u.a. zur Klärung der Frage zugelassen, ob und ggf. mit welcher Klageart Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Beitreibungshilfe insgesamt geltend gemacht werden können, auch wenn konkret drohende irreparable Schäden durch eine bevorstehende Vollstreckung nicht vorgetragen werden. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 482 veröffentlicht.
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Mit seiner Revision wendet sich der Kläger im Wesentlichen gegen die Ausführungen des FG zur Unbegründetheit der vorbeugenden Feststellungsklage.
- 11
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Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und das FA zu verurteilen, weitere Vollstreckungsmaßnahmen aus dem Beitreibungsersuchen des Regionalfinanzamtes der Balearen zu unterlassen, hilfsweise festzustellen, dass die Vollstreckung aus dem Beitreibungsersuchen rechtswidrig ist.
- 12
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des FG an und stellt darüber hinaus in Frage, inwiefern den Finanzbehörden die Prüfung des ordre public obliege, ob diese nicht vielmehr den Gerichten überlassen sei.
Entscheidungsgründe
- 13
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II. Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des FG verletzt zwar Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), soweit die vorbeugende Feststellungsklage als unbegründet, statt als unzulässig zurückgewiesen worden ist. Es hat aber Bestand, weil der Urteilstenor richtig ist (§ 126 Abs. 4 FGO; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 126 Rz 8, m.w.N.).
- 14
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1. Das FG hat den Hauptantrag des Klägers zu Recht als Unterlassungsklage gewertet und als unzulässig angesehen.
- 15
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Der Kläger will mit dem Antrag erreichen, dass das FA weitere Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund des spanischen Beitreibungsersuchens unterlässt. Für einen solchen vorbeugenden Rechtsschutz ist angesichts des Rechtsschutzsystems der FGO ein besonders intensives Rechtsschutzinteresse Voraussetzung (vgl. Braun in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 FGO Rz 146). Geht es darum, eine behördliche Maßnahme abzuwehren, bietet die FGO dem Rechtssuchenden neben Einspruch und Anfechtungsklage einstweiligen Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) bzw. einstweilige Anordnung (§ 114 FGO). Für eine Unterlassungsklage ist nur dann Raum, wenn das erstrebte Schutzziel mit diesen Rechtsbehelfen nicht erreicht werden kann, wenn also substantiiert und in sich schlüssig dargetan wird, durch ein bestimmtes, künftig zu erwartendes Handeln einer Behörde in den Rechten verletzt zu sein, und ein Abwarten der tatsächlichen Rechtsverletzung unzumutbar ist, weil die Rechtsverletzung dann nicht oder nur schwerlich wiedergutzumachen ist (BFH-Urteile vom 27. Oktober 1993 I R 25/92, BFHE 172, 488, BStBl II 1994, 210; vom 19. März 1998 VII R 73/97, BFHE 186, 179, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 1998, 861).
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Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger nicht dargelegt, welche irreparablen Nachteile ihm drohten, wenn er gegen weitere Vollstreckungsmaßnahmen des FA mit Einspruch, Klage und Aussetzungsantrag vorginge. Auch mit der Revision macht der Kläger allgemein "drohende Eingriffe in die Eigentums- und Vermögenspositionen" geltend. Inwieweit dadurch nicht wiedergutzumachende Schäden zu erwarten wären, hat er nicht dargelegt.
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2. Die Unzulässigkeit der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der bereits ergriffenen Vollstreckungshandlungen gerichteten Klage hat das FG zutreffend mit der in § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO angeordneten Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber einer Anfechtungsklage begründet.
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3. Entgegen der Rechtsauffassung des FG ist die Klage, soweit mit ihr die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer künftigen Vollstreckung aus dem Beitreibungsersuchen erreicht werden soll, ebenfalls nicht zulässig. Der Kläger hat kein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses i.S. des § 41 Abs. 1 FGO. Das danach erforderliche Feststellungsinteresse ist eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses. Deshalb ist die Feststellungsklage nicht gegeben, wenn der Kläger sein Prozessziel auf anderem Wege schneller, einfacher und billiger erreichen kann (vgl. Senatsurteil vom 23. November 1993 VII R 56/93, BFHE 173, 201, BStBl II 1994, 356, m.w.N.).
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Im Streitfall will der Kläger im Kern die Feststellung erreichen, dass das spanische Beitreibungsersuchen keine wirksame Vollstreckungsgrundlage darstellt. Die Frage der Rechtmäßigkeit dieses Ersuchens stellt sich aber als Vorfrage schon in dem vom Kläger angestrengten Klageverfahren gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung, so dass ein weiteres Klageverfahren unnötigen Doppelaufwand bedeutete. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, diese Frage losgelöst von der konkreten, bereits getroffenen Vollstreckungsmaßnahme zu klären.
- 20
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Anders könnte sich die Zulässigkeit der Feststellungsklage darstellen, wenn eine Vollstreckung aus dem umstrittenen Beitreibungsersuchen erstmalig bevorstünde. Für diesen Fall könnten die Erwägungen, die das FG bewogen haben, die Zulässigkeit zu bejahen, berechtigt sein. Denn dann wäre in der Tat zu erwägen, ob das Gebot effektiven Rechtsschutzes eine gerichtliche Klärung der Vollstreckungsvoraussetzungen im Vorhinein jedenfalls dann erfordert, wenn die zu erwartenden Vollstreckungsmaßnahmen über die reine Geldleistung hinausgehende einschneidende Beeinträchtigungen mit sich brächten, vor welchen eine AdV der Vollstreckungsmaßnahmen nicht schützen könnte.
- 21
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Ein solcher Sachverhalt lag offenbar dem vom FG herangezogenen Senatsurteil vom 3. November 2010 VII R 21/10 (BFHE 231, 500, BStBl II 2011, 401) zugrunde. Denn in dem dortigen Fall war die Frage, ob ein Beitreibungsersuchen wegen Verstoßes gegen den ordre public zur Rechtswidrigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme führen könnte, im Zusammenhang mit der Androhung einer Bürgschaftsverwertung, also vor Beginn der Vollstreckung, zu klären. Zwar hat sich der Senat zur Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht ausdrücklich geäußert. Allerdings ist davon auszugehen, dass inzident die Zulässigkeit der Feststellungsklage bejaht wurde. Der Kläger konnte nicht auf die Anfechtung einer bereits ergangenen Vollstreckungsmaßnahme verwiesen werden, so dass die Feststellungsklage wohl als der gebotene Rechtsschutz angesehen wurde. Diesem Urteil kann --anders als das FG meint-- nicht entnommen werden, dass die vorbeugende Feststellungklage zur Klärung von Vollstreckungsvoraussetzungen stets zulässig ist, also auch, wenn --wie im vorliegenden Fall-- die Klärung der Rechtsfrage im Anfechtungsverfahren --und dort vorrangig-- möglich ist.
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Auch das vom FG für die Zulässigkeit der Feststellungklage vorgebrachte weitere Argument, dass es im Fall einer vor einer ersten Vollstreckungsmaßnahme erlassenen einstweiligen Anordnung gegen das FA, die Vollstreckung zu unterlassen, nie zu einer Anfechtungsklage kommen könne, in der die Einwendungen gegen die Vollstreckungsvoraussetzungen geprüft werden könnten, ist in der eben beschriebenen Konstellation des Streitfalles, in dem bereits vollstreckt worden ist, nicht einschlägig.
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4. Im Übrigen wäre die Zulassung einer Feststellungklage bei gleichzeitiger Unzulässigkeit der Unterlassungsklage im Streitfall widersprüchlich. Besteht nämlich kein Rechtsschutzinteresse für die Unterlassungsklage, weil nach den Feststellungen des FG für den Kläger mit der Möglichkeit, im Zeitpunkt der Vornahme einer Vollstreckungsmaßnahme eine AdV zu erwirken, ausreichender Rechtsschutz besteht, so spricht dieser Gesichtspunkt auch gegen das besondere Feststellunginteresse i.S. des § 41 Abs. 1 FGO.
(1) Die in den §§ 9 bis 13 vorgesehene Amtshilfe wird nicht geleistet, wenn die Vollstreckung oder die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen unbillig wäre oder die Forderungen insgesamt weniger als 1 500 Euro betragen.
(2) Die in den §§ 5 bis 13, 17 und 18 vorgesehene Amtshilfe wird nicht geleistet, wenn
- 1.
sich das ursprüngliche Ersuchen um Amtshilfe auf Forderungen bezieht, die älter als fünf Jahre waren; - 2.
die Forderungen älter als zehn Jahre sind. Die Frist wird ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit gerechnet.
(3) Gründe für die Ablehnung eines Ersuchens um Amtshilfe teilt das Verbindungsbüro dem anderen Mitgliedstaat mit.
Soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist, kann die Vollstreckungsbehörde sie einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben.
(1) Die in den §§ 9 bis 13 vorgesehene Amtshilfe wird nicht geleistet, wenn die Vollstreckung oder die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen unbillig wäre oder die Forderungen insgesamt weniger als 1 500 Euro betragen.
(2) Die in den §§ 5 bis 13, 17 und 18 vorgesehene Amtshilfe wird nicht geleistet, wenn
- 1.
sich das ursprüngliche Ersuchen um Amtshilfe auf Forderungen bezieht, die älter als fünf Jahre waren; - 2.
die Forderungen älter als zehn Jahre sind. Die Frist wird ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit gerechnet.
(3) Gründe für die Ablehnung eines Ersuchens um Amtshilfe teilt das Verbindungsbüro dem anderen Mitgliedstaat mit.
Gründe
- 1
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Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat einen Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise schlüssig dargelegt.
- 2
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1. Die überlange Dauer eines Verfahrens kann zu einem Verfahrensmangel führen. Allerdings kann aus dem bloßen Zeitablauf nicht zwingend die Annahme einer überlangen Verfahrensdauer mit der Folge eines Verstoßes gegen das Gebot wirksamen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes --GG--) gefolgert werden. Vielmehr ist eine solche Wertung nur gerechtfertigt, wenn die Verfahrensdauer auf Umständen beruht, die der Finanzverwaltung oder dem Finanzgericht (FG) angelastet werden können und die Dauer des Verfahrens als unverständlich und nicht gerechtfertigt erscheinen lassen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Februar 1999 IX R 19/98, BFHE 188, 264, BStBl II 1999, 407, und BFH-Beschluss vom 10. Juli 2002 X B 170/00, BFH/NV 2002, 1481). Deshalb muss der Beschwerdeführer für die Zulässigkeit einer auf einen solchen Verfahrensmangel gestützten Nichtzulassungsbeschwerde darlegen, worauf die Dauer des Verfahrens beruht (vgl. BFH-Beschluss vom 17. August 2001 IX B 20/01, BFH/NV 2002, 53) und insbesondere, dass sie der Finanzverwaltung oder dem FG angelastet werden kann. Ebenso muss er darlegen, dass bei einer kürzeren Verfahrensdauer das FG zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können (BFH-Beschlüsse vom 14. Juni 2000 XI B 85/99, BFH/NV 2000, 1364, und in BFH/NV 2002, 1481).
- 3
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a) Zwar hat die Klägerin die aus ihrer Sicht maßgeblichen Umstände dargelegt, die zu der vorliegend knapp 16-jährigen Dauer des finanzgerichtlichen Verfahrens geführt haben; sie hat dabei aber eigene, die Verzögerung maßgeblich hervorrufende Verursachungsbeiträge unerwähnt gelassen. Der Senat kann indes dahinstehen lassen, ob die Verfahrensdauer des FG auch auf Umständen beruht, die dem FG angelastet werden können und deshalb ein Verfahrensfehler dem Grunde nach vorliegt, denn die Klägerin hat nicht dargelegt, dass das FG bei einer kürzeren Verfahrensdauer zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können.
- 4
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b) Die Klägerin hält letztere Darlegung allerdings für entbehrlich. Dabei geht sie offensichtlich davon aus, dass der BFH bei Bejahung einer überlangen Verfahrensdauer ohne weitere Sachprüfung den angefochtenen Steuer- bzw. Feststellungsbescheid aufzuheben hat. Es entspricht indes gefestigter Rechtsprechung, dass eine überlange Verfahrensdauer keine Auswirkungen auf den Steueranspruch zeitigen, insbesondere nicht zu dessen Verwirkung führen kann (BFH-Beschluss vom 13. September 1991 IV B 105/90, BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148, und BFH-Urteil vom 16. Oktober 2002 XI R 41/99, BFHE 200, 529, BStBl II 2003, 179, m.w.N. zur Rechtsprechung). Neue von der Rechtsprechung bisher nicht berücksichtigte Argumente, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten, hat die Klägerin auch nicht vorgetragen. Anders als die Klägerin behauptet, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Verwirkung eines Steueranspruchs wegen überlanger Verfahrensdauer in dem Beschluss vom 7. Januar 1992 1 BvR 1490/89 (Neue Juristische Wochenschrift 1992, 1497, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1992, 727) nicht angenommen. Es hat lediglich im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde ausgeführt, dass eine Entscheidung des BFH, die sich mit der Verfassungswidrigkeit einer überlangen Verfahrensdauer unter dem Gesichtspunkt insbesondere des Art. 19 Abs. 4 GG und des Art. 103 Abs. 1 GG sowie den daraus abzuleitenden Folgen auseinandersetzt, noch nicht ergangen sei. Der BFH habe zudem in dem der Verfassungsbeschwerde vorhergehenden Beschwerdeverfahren mangels entsprechender Rüge nicht darüber entschieden, ob die überlange Verfahrensdauer zur Verwirkung der Steueransprüche habe führen können.
- 5
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c) Die Klägerin wird insoweit auch nicht rechtlos gestellt. Denn grundsätzlich kann eine festgestellte überlange Verfahrensdauer insoweit auf die Entscheidung des FG Einfluss haben, als sich dadurch bedingte Schwierigkeiten bei der Sachaufklärung zugunsten der Klägerin auswirken. Dies allerdings nur, wenn sie selbst zur Prozessbeschleunigung beigetragen oder auf diese gedrungen hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. November 1998 IV B 10/98, BFH/NV 1999, 655; vom 6. August 2002 VIII B 56/02, BFH/NV 2002, 1605, und vom 22. Juli 2008 II B 18/08, BFH/NV 2008, 1866, m.w.N.). Dass die Klägerin auf eine Prozessbeschleunigung gedrungen hat, lässt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen. Im Gegenteil ist den FG-Akten zu entnehmen, dass die Klägerin bzw. deren damaliger Prozessvertreter das Bemühen des FG, das finanzgerichtliche Verfahren, welches mit Zustimmung bzw. auf Wunsch der Klägerin mehrmals zum Ruhen gebracht worden ist, zeitnah zu bearbeiten, durch Nichtvorlage der wiederholt angemahnten Unterlagen unterlaufen hat. Im Übrigen hätte die Klägerin, so eine überlange Verfahrensdauer ungeachtet der erheblichen Zweifel an deren Verursachung durch das FG vorliegen sollte, nach den Vorschriften des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl I 2011, 2302) eine Kompensation des gerügten Verstoßes gegen das Verbot überlanger Verfahrensdauer erreichen können (vgl. insoweit BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 20. Juni 2012 2 BvR 1565/11, juris).
- 6
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2. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) verlangt zunächst, dass eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausgestellt wird. Dafür ist erforderlich, dass die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert wird. Des Weiteren muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss dargelegt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. aus jüngerer Zeit z.B. BFH-Beschluss vom 2. Februar 2012 IV B 60/10, BFH/NV 2012, 699). Die Beschwerde muss sich insbesondere mit der einschlägigen Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen. Liegt zu der vom Beschwerdeführer herausgestellten Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor, so gehört zu der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine fundierte Stellungnahme dazu, weshalb diese Rechtsprechung noch nicht zu einer hinreichenden Klärung geführt habe oder aufgrund welcher neuen Entwicklung sie nunmehr erneut in Frage gestellt werden müsse (z.B. BFH-Beschluss vom 22. März 2012 IV B 97/11, BFH/NV 2012, 1159, m.w.N.).
- 7
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Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Der von der Klägerin sinngemäß aufgeworfenen Rechtsfrage, ab welcher Verfahrensdauer verfassungsrechtliche Bedenken zu bejahen seien, fehlt es an jedweder Konkretisierung. Im Übrigen ist die Entscheidung darüber, ob ein Kläger in seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1 GG durch eine überlange Verfahrensdauer verletzt ist, stets durch eine Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls zu treffen. Die Festlegung einer abstrakt-generellen Verfahrensdauer, deren Überschreitung ohne Prüfung der Verursachungsbeiträge eine Rechtsverletzung bei der Klägerin auslöst, kommt daher nicht in Betracht.
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3. Zur Darlegung einer Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) wäre es erforderlich gewesen, abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG herauszuarbeiten und tragenden Rechtssätzen einer zu gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt ergangenen anderen Entscheidung gegenüberzustellen, so dass die behauptete Abweichung erkennbar wird (z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 1159). Auch diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen der Klägerin nicht. Die Klägerin benennt zwar Entscheidungen des BFH und entnimmt diesen --jedenfalls teilweise-- auch abstrakte Rechtssätze. Sie hat aber weder dargelegt, dass diese Entscheidungen zu einem dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt ergangen sind, noch hat sie aus dem angefochtenen Urteil des FG abstrakte Rechtssätze herausgearbeitet und diese den tragenden Rechtssätzen der vermeintlichen Divergenzentscheidungen gegenübergestellt. Im Kern rügt die Klägerin eine (vermeintlich) unzutreffende Tatsachenwürdigung und fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG, also materiell-rechtliche Fehler; allein damit kann jedoch die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (z.B. BFH-Beschluss vom 14. September 2010 IV B 121/09, BFH/NV 2011, 440, m.w.N.).
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4. Von einer weiteren Begründung und insbesondere von einer Darstellung des Sachverhalts sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
(1) Ein Verbindungsbüro kann Beitreibungsersuchen in einen anderen Mitgliedstaat stellen, wenn
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die Voraussetzungen für die Vollstreckung gegeben sind und - 2.
die Forderung nicht angefochten ist oder nicht mehr angefochten werden kann.
(2) Die Vollstreckungsbehörde muss zuvor alle nach der Abgabenordnung vorgesehenen Vollstreckungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben, es sei denn,
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es ist offensichtlich, dass - a)
keine Vermögensgegenstände für die Vollstreckung in Deutschland vorhanden sind oder - b)
Vollstreckungsverfahren in Deutschland nicht zur vollständigen Begleichung der Forderung führen,
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die Durchführung solcher Vollstreckungsmaßnahmen wäre in Deutschland mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden.
(3) Jedem Beitreibungsersuchen ist der für alle Mitgliedstaaten einheitliche Vollstreckungstitel, dessen Inhalt im Wesentlichen dem des ursprünglichen Vollstreckungstitels entspricht, beizufügen, der die alleinige Grundlage für die im anderen Mitgliedstaat zu ergreifenden Beitreibungs- und Sicherungsmaßnahmen ist. Er muss im anderen Mitgliedstaat weder durch einen besonderen Akt anerkannt noch ergänzt oder ersetzt werden. Dem Beitreibungsersuchen können weitere Dokumente, die im Zusammenhang mit der Forderung stehen, beigefügt werden.
(4) Erlangt die Vollstreckungsbehörde im Zusammenhang mit der Angelegenheit, die dem Beitreibungsersuchen zu Grunde liegt, zweckdienliche Informationen, so teilt sie diese dem Verbindungsbüro zur unverzüglichen Weiterleitung an den anderen Mitgliedstaat mit.
(1) Stellt das Verbindungsbüro ein Ersuchen, so sind die nach dem Dritten Abschnitt des Ersten Teils der Abgabenordnung zuständigen Behörden oder die nach Abschnitt V des Ersten Teils der Finanzgerichtsordnung zuständigen Gerichte zuständig für
- 1.
Rechtsbehelfe in Bezug auf - a)
die Forderung, - b)
den ursprünglichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung in Deutschland und - c)
den einheitlichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im anderen Mitgliedstaat;
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Streitigkeiten in Bezug auf die Gültigkeit einer Zustellung durch eine zuständige deutsche Behörde.
(2) Ist Deutschland der ersuchte Mitgliedstaat und werden im Verlauf des Beitreibungsverfahrens die Forderung, der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder der einheitliche Vollstreckungstitel von einer betroffenen Partei durch Rechtsbehelf angegriffen, so unterrichtet das Verbindungsbüro nach Mitteilung durch die Vollstreckungsbehörde diese Partei darüber, dass sie den Rechtsbehelf bei der zuständigen Instanz des anderen Mitgliedstaates nach dessen Recht einzulegen hat. Wurde von der ersuchenden Behörde eine Mitteilung entsprechend Absatz 1 Satz 3 erteilt, setzt die Vollstreckungsbehörde das Beitreibungsverfahren für den angefochtenen Teilbetrag der Forderung bis zur Entscheidung über den jeweiligen Rechtsbehelf aus. Satz 2 gilt nicht, wenn die ersuchende Behörde im Einklang mit Absatz 3 ein anderes Vorgehen wünscht. Die Vollstreckungsbehörde kann selbständig oder auf Ersuchen Maßnahmen für die Sicherstellung der Beitreibung treffen, soweit dies zulässig ist. Die Regelungen des § 12 bleiben unberührt.
(3) Eingehende Beitreibungsersuchen aus anderen Mitgliedstaaten können auch die Beitreibung einer angefochtenen Forderung oder eines angefochtenen Teilbetrags einer Forderung beinhalten. Ein solches Ersuchen ist durch die ersuchende Behörde zu begründen. Wird dem Rechtsbehelf später stattgegeben, haftet die ersuchende ausländische Behörde für die Erstattung bereits beigetriebener Beträge samt etwaig geschuldeter Entschädigungsleistungen.
(4) Durch die Einleitung eines Verständigungsverfahrens, das auf die Höhe der beizutreibenden Forderung Auswirkungen haben kann, werden die Beitreibungsmaßnahmen bis zum Abschluss dieses Verfahrens unterbrochen. § 231 Absatz 3 und 4 der Abgabenordnung gilt entsprechend. Dies gilt nicht, wenn auf Grund von Betrug oder Insolvenz unmittelbare Dringlichkeit gegeben ist. Werden die Beitreibungsmaßnahmen unterbrochen, so ist Absatz 2 Satz 4 und 5 anzuwenden.
(1) Die in den §§ 9 bis 13 vorgesehene Amtshilfe wird nicht geleistet, wenn die Vollstreckung oder die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen unbillig wäre oder die Forderungen insgesamt weniger als 1 500 Euro betragen.
(2) Die in den §§ 5 bis 13, 17 und 18 vorgesehene Amtshilfe wird nicht geleistet, wenn
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sich das ursprüngliche Ersuchen um Amtshilfe auf Forderungen bezieht, die älter als fünf Jahre waren; - 2.
die Forderungen älter als zehn Jahre sind. Die Frist wird ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit gerechnet.
(3) Gründe für die Ablehnung eines Ersuchens um Amtshilfe teilt das Verbindungsbüro dem anderen Mitgliedstaat mit.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist im Jahr 1995 durch Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der X GmbH geworden. Mit Beitreibungsersuchen vom 14. Dezember 2004 bat die italienische Zollverwaltung den Beklagten und Revisionsbeklagten (das Hauptzollamt --HZA--) um Vollstreckung einer Forderung aus einer im Oktober 1995 der X GmbH an ihrem Sitz in Deutschland zugestellten Zahlungsaufforderung eines Zollamts (ZA) in Italien vom 26. Mai 1995. In dem Beitreibungsersuchen war ein Urteil eines italienischen Oberlandesgerichts vom November 2000 als neuer vollstreckbarer Titel bezeichnet, das in beglaubigter Kopie mit einer Übersetzung ins Deutsche beigefügt war. Das italienische Oberlandesgericht bestätigte das Urteil eines italienischen Gerichts erster Instanz, mit dem die Klage der Klägerin gegen die Zahlungsaufforderung des italienischen ZA aufgrund verspäteter Einlegung eines Rechtsbehelfs abgewiesen worden ist. In dem Beitreibungsersuchen waren u.a. der geschuldete Betrag sowie Zinsen und Kosten, der Zeitpunkt der Vollstreckbarkeit und das Bekanntgabedatum des Vollstreckungstitels benannt. Zudem wurde bestätigt, dass die in Art. 7 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie 76/308/EWG (RL 76/308/EWG) des Rates vom 15. März 1976 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft sind, sowie von Abschöpfungen und Zöllen --Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABlEG) Nr. L 73/18-- (inzwischen ersetzt durch die Richtlinie 2008/55/EG des Rates vom 26. Mai 2008 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen, Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 150/28) genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
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Das HZA forderte die Klägerin zur Zahlung des von den italienischen Behörden angeforderten Betrags auf und kündigte mit Schreiben vom 7. April 2005 die Vollstreckung an. Nachdem das HZA aufgrund der Hinterlegung einer Bürgschaftsurkunde die bereits eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen mit Bescheid vom 25. Mai 2005 einstweilen ausgesetzt und Vollstreckungsaufschub gewährt hatte, und nachdem die italienische Zollverwaltung der Bundesfinanzdirektion Mitte mitgeteilt hatte, dass die von der Klägerin bei der obersten Dienststelle des ZA eingelegte Verwaltungsbeschwerde abgewiesen worden sei, erging mit Schreiben vom 26. März 2008 eine weitere Zahlungsaufforderung mit dem Hinweis an die Klägerin, dass die zur Sicherheit hinterlegte Bürgschaftsurkunde verwertet werde, wenn bis zum 15. April 2008 keine Zahlung erfolgt sei.
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Einspruch und Klage gegen die Androhung der Bürgschaftsverwertung hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass das HZA die Verwertung zu Recht angekündigt habe (vgl. Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2010, Beilage 3, 33). Sämtliche Voraussetzungen für eine Vollstreckung nach dem Gesetz zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie seien im Streitfall erfüllt. Es liege ein vollstreckbarer Titel vor, der sich aus dem Urteil des italienischen Oberlandesgerichts ergebe, das die Rechtmäßigkeit der an die Klägerin gerichteten Zahlungsaufforderung bestätigt habe. Ferner habe die ersuchende Behörde bestätigt, dass die in Art. 7 Abs. 2 Buchst. a und b RL 76/308/EWG genannten Voraussetzungen erfüllt seien. Unstreitig sei zwischen den Beteiligten, dass der Rechtsweg in Italien erschöpft sei. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin einen Steuerbescheid erhalten habe. Denn das Urteil des italienischen Oberlandesgerichts trete an die Stelle des erforderlichen vollziehbaren Verwaltungsakts i.S. des § 251 Abs. 1 der Abgabenordnung. Ebenso wenig sei entscheidungserheblich, ob die Zahlungsaufforderung rechtmäßig zustande gekommen oder von den italienischen Gerichten zu Recht bestätigt worden sei. Der Hilfsantrag der Klägerin, der auf die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des italienischen Oberlandesgerichts gerichtet sei, sei zwar zulässig, jedoch könne er der Klage deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Zwangsvollstreckung auf der Grundlage des Urteils dieses Gerichts zulässig sei.
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Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sowie die Feststellung, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des italienischen Oberlandesgerichts unzulässig ist. Zur Begründung trägt sie vor, dass die Entscheidung des italienischen Oberlandesgerichts ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) verletze. Die Zahlungsaufforderung sei ohne Begründung und ohne Rechtsmittelbelehrung in italienischer Sprache ergangen. Deshalb habe der an sich gebotene Rechtsbehelf innerhalb von 15 Tagen nicht fristgemäß eingelegt werden können. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 14. Januar 2010 C-233/08 (Europäische Zeitschrift für Wirtschaft --EuZW-- 2010, 146) sei dem Empfänger eines Vollstreckungstitels dieser Titel in einer Amtssprache des Mitgliedstaats zuzustellen, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz habe. Zu Unrecht sei die Klage von den italienischen Gerichten allein aufgrund der Verfristung als unzulässig abgewiesen worden. Das Urteil des italienischen Oberlandesgerichts trage den rechtswidrigen Verwaltungsakt in sich. Somit verstoße die Vollstreckung aus diesem Urteil gegen wesentliche Grundsätze der deutschen Rechtsordnung. Daraufhin sei das Urteil des italienischen Oberlandesgerichts auch von einem deutschen Gericht überprüfbar. Einen Steuerbescheid (sog. Iscrizione a Ruolo) habe die italienische Zollverwaltung nie erlassen. Gegenstand der gerichtlichen Verfahren in Italien sei lediglich eine Zahlungsaufforderung gewesen (sog. Ingiunzione di Pagamento). Selbst nach italienischem Recht setze die Vollstreckung einen nicht angefochtenen oder einen für vollstreckbar erklärten Steuerbescheid voraus.
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Das HZA schließt sich der Auffassung des FG an. Bei der Prüfung, ob ein ausländisches Urteil oder ein ausländischer Vollstreckungstitel der öffentlichen Ordnung widerspreche, sei nicht auf den nationalen ordre public, sondern auf den großzügigeren ordre public international abzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs --BGH-- (Urteil vom 21. April 1998 XI ZR 377/97, BGHZ 138, 331) sei maßgeblich, ob das Ergebnis ausländischen Rechts im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelung und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch stehe, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheine. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH zur ordre public Klausel in Art. 27 Nr. 1 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Übereinkommen 72/454/EWG) vom 27. September 1968 (ABlEG 1972, Nr. L 299/32) komme die Anwendung dieser Klausel nur dann in Betracht, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung der in einem anderen Staat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats stünde. Das Gericht des Vollstreckungsstaats habe grundsätzlich davon auszugehen, dass das in jedem Vertragsstaat eingerichtete Rechtsbehelfssystem den Rechtsbürgern eine ausreichende Garantie biete. Im Streitfall sei der Gehörsanspruch der Klägerin nicht verletzt worden, so dass ein Verstoß gegen den ordre public nicht vorliege. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin als Spedition Erfahrungen im internationalen Verkehr habe. Sie hätte das ihr von der deutschen Zollverwaltung zugestellte Schriftstück umgehend übersetzen und dessen Bedeutung rechtzeitig erkennen müssen. Die relativ kurze Rechtsbehelfsfrist von 14 Tagen sei für jemanden, der am geschäftlichen Verkehr teilnehme, nicht unzumutbar.
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Ob die italienische Zahlungsaufforderung eine Rechtsbehelfsbelehrung hätte enthalten müssen, sei allein nach italienischem Recht zu beantworten. Die Zustellung sei im Rahmen der internationalen Amtshilfe erfolgt, nämlich nach dem Übereinkommen vom 7. September 1967 zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen (BGBl II 1969, 66). Aus Art. 17 dieses Übereinkommens lasse sich nicht entnehmen, dass der italienischen Zahlungsaufforderung eine Übersetzung in die deutsche Sprache hätte beigefügt werden müssen. Schließlich habe die Klägerin in Italien den Rechtsweg beschritten. Für die Überprüfung des Vollstreckungstitels einschließlich seiner Zustellung seien weiterhin ausschließlich die italienischen Behörden zuständig. Es könne sein, dass durch die in Italien durchgeführten Gerichtsverfahren ein etwaiger Mangel aufgrund der fehlenden Übersetzung geheilt worden sei.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Zurückverweisung der Sache an dieses zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Das FG hat verkannt, dass die Bestimmungen der RL 76/308/EWG einer im Streitfall gebotenen Prüfung auf einen Verstoß gegen den ordre public nicht entgegenstehen.
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1. Gemäß der in Art. 12 RL 76/308/EWG festgelegten Kompetenzverteilung zwischen den Mitgliedstaaten ist ein Rechtsbehelf gegen die Forderung oder den Vollstreckungstitel in dem Mitgliedstaat einzulegen, in dem die ersuchende Behörde ihren Sitz hat; dagegen sind Rechtsbehelfe gegen Vollstreckungsmaßnahmen der ersuchten Behörde in dem Mitgliedstaat einzulegen, in dem sich die ersuchte Behörde befindet. Die Zuweisung der Zuständigkeiten trägt dem Umstand Rechnung, dass der Steuerbescheid und der Vollstreckungstitel nach den Rechtsvorschriften desjenigen Mitgliedstaats erlassen bzw. erwirkt worden sind, in dem die ersuchende Behörde ihren Sitz hat. Auf den nationalen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, der um die Vollstreckung ersucht wird, beruhen die von diesem durchzuführenden Vollstreckungsmaßnahmen. Wie der EuGH entschieden hat, erlaubt es diese Zuständigkeitsverteilung der ersuchten Behörde grundsätzlich nicht, die Wirksamkeit und die Vollstreckbarkeit der Handlung oder der Entscheidung, um deren Zustellung von der ersuchenden Behörde ersucht wird, in Frage zu stellen (EuGH-Urteil in EuZW 2010, 146).
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Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos. Der EuGH hat anerkannt, dass in besonderen Fällen die Instanzen des Mitgliedstaats, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz hat, zur Prüfung befugt sind, ob die Vollstreckung dieses Titels insbesondere die öffentliche Ordnung dieses Mitgliedstaats beeinträchtigte, und dass sie auch die Befugnis haben, gegebenenfalls die Gewährung der Unterstützung ganz oder teilweise zu versagen oder sie von der Einhaltung bestimmter Voraussetzungen abhängig zu machen. Es sei kaum denkbar, dass ein Vollstreckungstitel von einem Mitgliedstaat vollstreckt werde, wenn diese Vollstreckung seine öffentliche Ordnung beeinträchtigen könnte. Im Übrigen sei die Einrede der öffentlichen Ordnung in Art. 4 Abs. 3 RL 76/308/EWG ausdrücklich vorgesehen (EuGH-Urteil in EuZW 2010, 146). Daraus folgt, dass allein die Übermittlung eines --evtl. gerichtlich bestätigten-- ausländischen Steuerbescheids oder Vollstreckungstitels eine Überprüfung auf einen Verstoß gegen den ordre public nicht ausschließt (zu einer entsprechenden Befugnis des Gerichts bei Anwendung des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Rechts- und Amtshilfe in Zoll-, Verbrauchsteuer- und Monopolangelegenheiten vom 11. September 1970 --RHV-- vgl. Senatsentscheidung vom 21. Februar 1978 VII R 49/74, BFHE 124, 480).
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Das FG hat diese Prüfung zu Unrecht unterlassen, obwohl der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt dazu Anlass gegeben hätte. Die vom FG getroffenen Feststellungen erlauben es dem erkennenden Senat auch nicht zu entscheiden, dass durch die Vollstreckung der ordre public nicht beeinträchtigt würde.
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2. Der Begriff der öffentlichen Ordnung wird durch die RL 76/308/EWG nicht definiert. Anhaltspunkte für seine Deutung lassen sich den entsprechenden Regelungen in internationalen Abkommen und der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung entnehmen. Eine Art. 4 Abs. 3 RL 76/308/EWG vergleichbare ordre public Klausel findet sich in mehreren Vollstreckungs- und Rechtshilfeabkommen.
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a) Art. 27 Nr. 1 des Übereinkommens 72/454/EWG bestimmt, dass eine Entscheidung nicht anzuerkennen ist, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem sie geltend gemacht wird, widerspräche. In Bezug auf diese Regelung hat der EuGH ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten selbst festlegen könnten, welche Anforderungen sich nach ihren innerstaatlichen Anschauungen aus ihrer öffentlichen Ordnung ergeben. Allerdings komme eine Anwendung der Klausel nur dann in Betracht, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung der in einem anderen Vertragsstaat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats stünde. Damit das Verbot der Nachprüfung der ausländischen Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit gewahrt bleibe, müsse es sich bei diesem Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln, so dass mögliche Rechtsfehler nicht ausreichten (EuGH-Urteil vom 11. Mai 2000 C-38/98, Slg. 2000, I-2973).
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b) Auch deutsche Revisionsgerichte haben in mehreren Entscheidungen zur Auslegung und zum Anwendungsbereich von ordre public Klauseln Stellung genommen. Gemäß Art. 4 RHV kann Rechts- und Amtshilfe u.a. verweigert werden, wenn der ersuchte Staat der Ansicht ist, die Erledigung des Ersuchens sei geeignet, die öffentliche Ordnung (ordre public) zu beeinträchtigen. Wie der Senat entschieden hat, eröffnet diese Klausel für das FG die Möglichkeit zur Prüfung, ob für die deutsche Behörde ein Anlass bestanden hätte, der ersuchenden österreichischen Behörde die Rechts- und Amtshilfe zu verweigern, etwa wegen begründeter Bedenken gegen die Rechtsstaatlichkeit des österreichischen Verfahrens bei der Entscheidung über den Anspruch oder seine Vollstreckbarkeit und wegen der Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber ihren Bürgern aus den Grundrechtsvorschriften der Art. 1 bis 19 sowie der Art. 101 und 103 GG (Senatsurteil in BFHE 124, 480, 484).
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In Bezug auf Art. 2 Nr. 1 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 6. Juni 1959 (BGBl II 1960, 1246) hat der BGH geurteilt, dass nicht auf den ordre public interne, sondern auf den großzügigeren anerkennungsrechtlichen ordre public international abzustellen sei. Mit diesem sei ein ausländisches Urteil nicht schon dann unvereinbar, wenn der deutsche Richter --hätte er den Prozess entschieden-- aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Maßgeblich sei vielmehr, ob das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch stehe, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheine (BGH-Urteile in BGHZ 138, 331, und vom 4. Juni 1992 IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312).
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Hinsichtlich des verfahrensrechtlichen ordre public in Art. 34 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen bzw. Art. 5 Nr. 1 des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2. Oktober 1973 hat der BGH bestätigt, dass der Vorbehalt des ordre public nur in Ausnahmefällen eingreife. Eine Vollstreckbarerklärung könne insbesondere nicht schon deshalb versagt werden, weil die ausländische Entscheidung in einem Verfahren erlassen worden sei, das von zwingenden Vorschriften des deutschen Prozessrechts abweiche. Ein Versagungsgrund sei vielmehr nur dann gegeben, wenn das Urteil des ausländischen Gerichts aufgrund eines Verfahrens ergangen sei, das von den Grundsätzen des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maß abweiche, dass es nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden könne (BGH-Urteil vom 26. August 2009 XII ZB 169/07, BGHZ 182, 188; hinsichtlich der Anerkennung ausländischer Schiedssprüche BGH-Urteil vom 15. Mai 1986 III ZR 192/84, BGHZ 98, 70).
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3. Im Streitfall rügt die Revision zu Recht, dass das FG zu Unrecht einen Verstoß gegen den ordre public nicht in Betracht gezogen, sondern sich mit der Feststellung begnügt hat, dass es sich bei dem Urteil des italienischen Oberlandesgerichts um einen Vollstreckungstitel handele und die Klägerin den Rechtsweg in Italien ausgeschöpft habe.
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Der Senat hält es daher für geboten, die Sache an das FG zurückzugeben, um diesem eine erneute Prüfung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu ermöglichen.
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Unter Berücksichtigung der dargestellten Rechtsprechung zum Begriff der öffentlichen Ordnung (ordre public) wird das FG im zweiten Rechtsgang den Vollstreckungstitel daraufhin zu überprüfen haben, ob eine Vollstreckung in Deutschland die öffentliche Ordnung beeinträchtigte. Dies wäre dann anzunehmen, wenn der Vollstreckungstitel in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zu grundlegenden Prinzipien der deutschen Rechtsordnung stünde, so dass das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts nach deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen untragbar erschiene. Dabei wird es nach Auffassung des erkennenden Senats entscheidend darauf ankommen, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte erwirken können und ob sie sich in zumutbarer Weise darum bemüht hat.
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a) Im Streitfall ist einerseits zu berücksichtigen, dass es sich bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht um eine Privatperson, sondern um ein Speditionsunternehmen gehandelt hat, das in die Gemeinschaft eingeführte Waren durch mehrere Staaten --u.a. auch durch Italien-- beförderte. Von einem solchen Unternehmen kann erwartet werden, dass einem von den deutschen Zollbehörden zugestellten Schreiben, selbst wenn es in italienischer Sprache abgefasst ist, Beachtung geschenkt wird. Denn die Annahme ist nicht fernliegend, dass es in Verbindung mit einer geschäftlichen Transaktion, z.B. mit einem grenzüberschreitend durchgeführten Transport, steht. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hätte demnach nicht untätig bleiben, sondern sich in angemessener Zeit um eine Übersetzung bemühen müssen, um zeitnah Kenntnis vom Inhalt des Schriftstücks zu erlangen. Den Inhalt des Schreibens hätte sie schließlich zum Anlass nehmen müssen, weitere Erkundigungen einzuziehen. Andererseits ist im Streitfall jedoch dem Umstand besondere Beachtung zu schenken, dass ausweislich der deutschen Übersetzung des Urteils des italienischen Oberlandesgerichts die Frist für die Anfechtung eines "Zahlungsbefehls in Zollsachen" mit 15 Tagen relativ kurz bemessen war. Zudem geht es um die Anwendung ausländischen Rechts und um Zollrecht, einer speziellen und nicht leicht verständlichen Materie des Abgabenrechts. Die fehlende Übersetzung und die fehlende Rechtsmittelbelehrung lassen eine Fristüberschreitung entschuldbar erscheinen, so dass nach deutschem Rechtsverständnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht gekommen wäre.
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Für das Strafbefehlsverfahren hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass ein der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtiger Ausländer, dem ein Strafbefehl in deutscher Sprache ohne eine verständliche Belehrung über den Rechtsbehelf des Einspruchs zugestellt worden ist, im Falle des Fristversäumnisses nicht anders behandelt werden kann, als wenn die Rechtsmittelbelehrung unterblieben ist mit der Folge, dass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden muss (BVerfG-Beschlüsse vom 10. Juni 1975 2 BvR 1074/74, BVerfGE 40, 95, und vom 7. April 1976 2 BvR 728/75, BVerfGE 42, 120). Auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) darf eine unzureichende Kenntnis der deutschen Sprache nicht dazu führen, dass der Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör verkürzt wird; deshalb sind Sprachschwierigkeiten des Beteiligten bei der Prüfung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand angemessen zu berücksichtigen (BFH-Beschluss vom 21. Mai 1997 VII S 37/96, BFH/NV 1997, 634).
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Aus den Akten geht indes nicht hervor, innerhalb welchen Zeitraums sich die Klägerin um eine Übersetzung der Zahlungsaufforderung und um die für die Einlegung des Rechtsbehelfs erforderlichen Rechtsauskünfte bemüht hat. Feststellungen hierzu hat das FG nicht getroffen. Im zweiten Rechtsgang wird das FG deshalb den Fragen nachgehen müssen, ob nach italienischem Recht die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bestanden hat, ob und innerhalb welchen Zeitraums die Rechtsvorgängerin der Klägerin einen entsprechenden Antrag gestellt und Gründe für eine unverschuldete Fristversäumung geltend gemacht hat und ob diese Einwendungen von den italienischen Behörden bzw. Gerichten berücksichtigt worden sind.
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Sollte eine Art Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach italienischem Recht überhaupt nicht möglich gewesen sein, ist der erkennende Senat der Auffassung, dass ein Verstoß gegen den ordre public vorliegt, der einer Vollstreckung der geltend gemachten Forderung entgegenstünde. Das Gleiche gilt, wenn sich herausstellen sollte, dass ein substantiiert und zeitnah gestellter Antrag, die Fristversäumnis zu entschuldigen, weil sie darauf beruhe, dass sich die Klägerin trotz aller entsprechenden zumutbaren Bemühungen Kenntnis vom Inhalt der ihr zugestellten italienischen Zahlungsaufforderung nicht habe verschaffen können, unbeachtet geblieben ist. In diese Richtung deutet der Senat das Vorbringen der Klägerin in der Tatsacheninstanz. Der Vortrag der Klägerin hätte das FG daher veranlassen müssen, dieser Frage nachzugehen.
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b) Die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung allein hält der erkennende Senat indes nicht für ausreichend, um einen Verstoß gegen den ordre public zu begründen (vgl. zum Erfordernis einer Rechtsmittelbelehrung nach deutscher höchstrichterlicher Rechtsprechung in Sachen, die kein Steuerrecht betreffen und deshalb auf den Streitfall nicht übertragen werden können, Entscheidungen des BVerfG vom 20. Juni 1995 1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99; vom 28. Juli 1998 1 BvR 781/94, Zeitschrift für offene Vermögensfragen 1998, 339, und vom 30. Januar 1991 2 BvR 712/90, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1991, 766, sowie Urteile des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe vom 27. Februar 2003 1 AK 29/02, Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht 2004, 199, und des OLG Zweibrücken vom 7. August 2006 1 Ausl 16/05, Neue Zeitschrift für Strafrecht 2007, 109).
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c) Auch die fehlende Übersetzung der Zahlungsaufforderung reicht für sich allein für die Annahme eines Verstoßes gegen den ordre public nicht aus, zumal das FG im Streitfall nicht festgestellt hat, nach welchen Vorschriften die Zustellung bewirkt worden ist und die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in den Blick genommen wurde. Ergänzend bemerkt der Senat, dass dem Urteil des EuGH in EuZW 2010, 146 eine Pflicht des um Rechtshilfe ersuchenden Mitgliedstaats zur Übersetzung eines an in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Abgabenpflichtigen gerichteten Verwaltungsakts nicht zu entnehmen ist. Vielmehr hat der EuGH lediglich darauf hingewiesen, dass die Funktion der rechtzeitigen Zustellung nach Art. 5 RL 76/308/EWG darin bestehe, den Empfänger in die Lage zu versetzen, Gegenstand und Grund des zugestellten Rechtsakts zu verstehen und seine Rechte geltend zu machen. Da der Empfänger des Vollstreckungstitels in der Lage sein müsse, zumindest den Gegenstand und den Grund des Antrags mit Bestimmtheit zu identifizieren, müsse die Zustellung in einer Amtssprache des Mitgliedstaats erfolgen, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz hat. Begründet hat der EuGH diese Auffassung mit dem Ziel der Beitreibungsrichtlinie, insbesondere die wirksame Durchführung der Zustellung von Verfügungen und Entscheidungen zu gewährleisten. Im Streitfall war dem Vollstreckungstitel, dem Urteil des italienischen Oberlandesgerichts, eine deutsche Übersetzung beigefügt.
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d) Hingeben kann dem Argument des HZA nicht gefolgt werden, dass die Vollstreckung bereits deshalb keinen rechtlichen Bedenken begegnet, weil das Urteil des italienischen Oberlandesgerichts in deutscher Sprache vorliege und es deshalb auf die Rechtmäßigkeit der Zahlungsaufforderung nicht mehr ankommen könne. Der Übersetzung des Urteils des italienischen Oberlandesgerichts ist zu entnehmen, dass sich das Gericht mit der Rechtmäßigkeit der Zahlungsaufforderung überhaupt nicht befasst, sondern seine Entscheidung ausschließlich auf die Verfristung des Rechtsbehelfs gestützt hat. Es hat hierzu ausgeführt, dass es in erster Linie notwendig sei, den letzten Anfechtungsgrund zu prüfen, "da dieser im Wesentlichen die Frage der Fristmäßigkeit des erhobenen Widerspruchs gegen den Zahlungsbefehl" betreffe, bei welcher der erstinstanzliche Richter zu einem negativen Ergebnis gekommen sei und diese Frage präjudiziellen Charakter zu den anderen in der Berufungsklage erwähnten Punkten habe. Zu einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das Gericht offensichtlich keine Stellung bezogen. Damit ist das Urteil grundsätzlich geeignet, etwaige nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht hinnehmbare Mängel des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens (evtl. Ausschluss der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) zu perpetuieren. In diesem Fall stünde auch das die Verwaltungsentscheidung bestätigende Urteil in einem solch starken Widerspruch zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen, dass die Vollstreckung auf Grundlage eines solchen Titels untragbar erschiene, so dass sie unter Berufung auf den ordre public zu verweigern wäre.
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Dem Urteil des italienischen Oberlandesgerichts ist allerdings nicht zu entnehmen, ob die Vorinstanz das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen, sollten sie überhaupt geltend gemacht worden sein, geprüft hat, so dass das italienische Oberlandesgericht überhaupt Anlass hatte, auf diese Frage einzugehen. Auch dies wird im zweiten Rechtsgang zu klären sein.
(1) Die in den §§ 9 bis 13 vorgesehene Amtshilfe wird nicht geleistet, wenn die Vollstreckung oder die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen unbillig wäre oder die Forderungen insgesamt weniger als 1 500 Euro betragen.
(2) Die in den §§ 5 bis 13, 17 und 18 vorgesehene Amtshilfe wird nicht geleistet, wenn
- 1.
sich das ursprüngliche Ersuchen um Amtshilfe auf Forderungen bezieht, die älter als fünf Jahre waren; - 2.
die Forderungen älter als zehn Jahre sind. Die Frist wird ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit gerechnet.
(3) Gründe für die Ablehnung eines Ersuchens um Amtshilfe teilt das Verbindungsbüro dem anderen Mitgliedstaat mit.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.
(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht
- 1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist; - 2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt; - 3.
das Einvernehmen der Parteien allein.
(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.
(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für
- 1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen, - 2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 3.
(weggefallen) - 4.
Wechsel- oder Scheckprozesse, - 5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird, - 6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist, - 7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder - 8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.