Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 13. Juni 2018 - 2 BvR 375/17, 2 BvR 1785/17

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2018:rk20180613.2bvr037517
bei uns veröffentlicht am13.06.2018

Tenor

1. Die Verfahren 2 BvR 375/17 und 2 BvR 1785/17 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

2. Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen eine Verurteilung des Beschwerdeführers wegen einer leichtfertigen Marktmanipulation gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 11, Abs. 4, § 20a Abs. 1 Nr. 1 WpHG in der bis zum 1. Juli 2016 gültigen Fassung und gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 52 WpHG in der Fassung vom 23. Juni 2017.

I.

2

1. Das Landgericht Hamburg verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 11. April 2016 wegen einer leichtfertigen Marktmanipulation. Grundlage dieser Verurteilung war § 39 Abs. 2 Nr. 11, Abs. 4, § 20a Abs. 1 Nr. 1 WpHG in der bis zum 1. Juli 2016 gültigen Fassung. Zwei weitere Mitangeklagte, P. und K., verurteilte das Landgericht wegen leichtfertiger Marktmanipulation in zwei Fällen beziehungsweise wegen Marktmanipulation in Tateinheit mit unrichtiger Darstellung und vorsätzlichen Insiderhandels. Gegen die A. GmbH als Nebenbeteiligte, deren Geschäftsführer K. war, wurde gemäß § 73 Abs. 1, Abs. 3, § 73a, § 73c StGB in der bis zum 30. Juni 2017 geltenden Fassung der Verfall von Wertersatz in Höhe von 390.000 Euro angeordnet.

3

Der Beschwerdeführer legte ebenso wie die A. GmbH gegen das Urteil des Landgerichts Revision ein. Die gegen die A. GmbH ergangene Verfallsanordnung war später Gegenstand einer unter dem Aktenzeichen 2 BvR 463/17 geführten Verfassungsbeschwerde.

4

Durch das Erste Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften aufgrund europäischer Rechtsakte (Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz - 1. FiMaNoG) vom 30. Juni 2016 (BGBl I S. 1514) trat im hier entscheidenden Bereich § 39 Abs. 3d Nr. 2 WpHG an die Stelle des § 39 Abs. 2 Nr. 11 WpHG. Die Vorschrift knüpfte daran an, dass jemand

[…] gegen die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 verstößt, indem er vorsätzlich oder leichtfertig

[…]

2. entgegen Artikel 15 eine Marktmanipulation begeht, […]

5

Die entsprechende Änderung der Rechtslage trat gemäß Art. 17 Abs. 1 des 1. FiMaNoG am 2. Juli 2016 in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt war die Verurteilung des Beschwerdeführers noch nicht rechtskräftig. Für die in Bezug genommene Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung - MAR) regelt Art. 39 MAR folgende Zeitpunkte für Inkrafttreten und Geltung:

(1) Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung [am 12. Juni 2014] im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

(2) Sie gilt ab dem 3. Juli 2016 mit Ausnahme von Artikel 4 Absätze 4 und 5, Artikel 5 Absatz 6, Artikel 6 Absätze 5 und 6, Artikel 7 Absatz 5, Artikel 11 Absätze 9, 10 und 11, Artikel 12 Absatz 5, Artikel 13 Absätze 7 und 11, Artikel 16 Absatz 5, Artikel 17 Absatz 2 Unterabsatz 3, Artikel 17 Absätze 3, 10 und 11, Artikel 18 Absatz 9, Artikel 19 Absätze 13, 14 und 15, Artikel 20 Absatz 3, Artikel 24 Absatz 3, Artikel 25 Absatz 9, Artikel 26 Absatz 2 Unterabsätze 2, 3 und 4, Artikel 32 Absatz 5 und Artikel 33 Absatz 5, die ab dem 2. Juli 2014 gelten.

6

Unter dem 7. Juli 2016 veröffentlichte der Rechtsanwalt Rothenfußer in der Börsen-Zeitung einen Beitrag unter der Überschrift "Generalamnestie im Kapitalmarktrecht?". Darin wies er darauf hin, dass für den 2. Juli 2016 eine "Ahndungslücke" für nach dem Wertpapierhandelsgesetz begangene Straftaten bestanden habe, die über § 2 Abs. 3 StGB und § 4 Abs. 3 OWiG zu einer Straflosigkeit aller vor dem 3. Juli 2016 begangenen und nicht rechtskräftig abgeurteilten Taten führe. In der Literatur wurde diese Position in der Folgezeit gestützt (vgl. etwa Rothenfußer/Jäger, NJW 2016, S. 2689; Rossi, ZIP 2016, S. 2437; ders., NJW 2017, S. 969; Gaede, wistra 2017, S. 41; Szesny, BB 2017, S. 515; Bülte/Müller, NZG 2017, S. 205). Auch der Beschwerdeführer berief sich später auf diese "Ahndungslücke".

7

Der Generalbundesanwalt beantragte unter dem 30. November 2016, die Revisionen gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Zur Revision des Beschwerdeführers führte er aus, dass eine Ahndungslücke nicht bestanden habe. Die Bezugnahme auf die Marktmissbrauchsverordnung habe dazu geführt, dass diese bereits vor ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit ab dem 2. Juli 2016 durch den Bundesgesetzgeber für (mit)anwendbar erklärt worden sei. Es habe ein klarer gesetzgeberischer Wille für eine ununterbrochene Strafbarkeit bestanden. Darüber hinaus würde eine Ahndungslücke nicht zur Straffreiheit führen, da in diesem Fall eine nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässige gesetzliche Abweichung von § 2 Abs. 3 StGB beziehungsweise § 4 Abs. 3 OWiG anzunehmen sei. Der Beschwerdeführer hatte Gelegenheit zu einer Gegenerklärung.

8

Der Bundesgerichtshof verwarf mit Beschluss vom 10. Januar 2017 die Revisionen gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet. Die mit dem Inkrafttreten des Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetzes eingetretene Rechtslage sei gegenüber der bei der Urteilsverkündung geltenden Rechtslage nicht günstiger für den Beschwerdeführer. Insbesondere habe es keine Ahndungslücke gegeben, da die in § 39 Abs. 3d Nr. 2 WpHG in der ab dem 2. Juli 2016 geltenden Fassung enthaltene Bezugnahme auf Art. 15 MAR dazu geführt habe, dass diese Vorschrift der Marktmissbrauchsverordnung bereits vor ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit durch den Bundesgesetzgeber im Inland ab dem 2. Juli 2016 für (mit)anwendbar erklärt worden sei. Es handele sich bei § 39 Abs. 3d Nr. 2 WpHG in der ab dem 2. Juli 2016 geltenden Fassung um eine Blankettnorm, die sich auf anderweitig geregelte Verhaltenspflichten beziehe. Diese Verweisung bedeute rechtlich den Verzicht, den Text der in Bezug genommenen Vorschrift in vollem Wortlaut in die Verweisungsnorm aufzunehmen. Dabei ergebe eine Auslegung des § 39 Abs. 3d Nr. 2 WpHG in der ab dem 2. Juli 2016 geltenden Fassung, dass es auf die europarechtliche Gültigkeit der in Bezug genommenen Normen der Marktmiss-brauchsverordnung nicht ankomme. Der nationale Gesetzgeber habe eine lückenlose Ahndung der Marktmanipulation erreichen wollen, wozu er auch vor dem 3. Juli 2016 durch die Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch; ABl L 96 vom 12. April 2003, S. 16) verpflichtet gewesen sei. Der Wortlaut des § 39 Abs. 3d WpHG in der ab dem 2. Juli 2016 geltenden Fassung stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Mit der Formulierung "wer gegen die Verordnung […] verstößt, indem er […]" habe der Gesetzgeber lediglich in üblicher Weise die Bezeichnung der Verordnung "vor die Klammer gezogen", so dass in den folgenden Verbotsregelungen keine Vollzitate mehr erforderlich seien. Ein "Verstoß" könne im Übrigen auch dann vorliegen, wenn die in Bezug genommenen Vorschriften der Marktmissbrauchsverordnung bereits ab dem 2. Juli 2016 durch den Bundesgesetzgeber in Deutschland für (mit)anwendbar erklärt worden seien. Es handele sich um eine verfassungsrechtlich unbedenkliche statische Verweisung auf die Marktmissbrauchsverordnung, die dem Bestimmtheitsgebot genüge. Auch aus europarechtlicher Perspektive sei der nationale Gesetzgeber nicht gehindert, einzelne Teile der Marktmissbrauchsverordnung vor ihrer europarechtlichen Geltung für in Deutschland anwendbar zu erklären. Es widerspreche nicht dem Bestimmtheitsgebot, dass Art. 15 MAR, auf den § 39 Abs. 3d Nr. 2 WpHG verweise, seinerseits das verbotene Verhalten nicht tatbestandlich beschreibe, sondern lediglich den Begriff "Marktmanipulation" (Art. 15 MAR) verwende, dessen Verständnis er voraussetze.

9

Unter dem 30. Dezember 2016 (BRDrucks 813/16) wurde der Regierungsentwurf zu einem Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetz (2. FiMaNoG) veröffentlicht, das am 23. Juni 2017 verkündet wurde (BGBl I S. 1693). Mit dem Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetz wurde als Reaktion auf die behauptete Ahndungslücke § 52 WpHG mit folgendem Wortlaut neu eingefügt:

Übergangsvorschrift für Verstöße gegen die §§ 38, 39

(1) Straftaten nach § 38 in der bis zum Ablauf des 1. Juli 2016 geltenden Fassung werden abweichend von § 2 Absatz 3 des Strafgesetzbuches nach den zum Zeitpunkt der Tat geltenden Bestimmungen geahndet.

(2) Ordnungswidrigkeiten nach § 39 in der bis zum Ablauf des 1. Juli 2016 geltenden Fassung können abweichend von § 4 Absatz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten nach den zum Zeitpunkt der Tat geltenden Bestimmungen geahndet werden.

10

In der Entwurfsbegründung (BRDrucks 813/16, S. 258 ff.) heißt es hierzu:

Mit dem Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetz wurden die Straf- und Bußgeldvorschriften in §§ 38, 39 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) geändert, um die erforderlichen Sanktionsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2014/57/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über straf-rechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchs-richtlinie) zu schaffen. Diese Straf- und Bußgeldtatbestände enthalten Verweisungen auf die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 und wurden am 2. Juli 2016 und damit einen Tag vor Geltung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 in Kraft gesetzt, damit die entsprechenden Bußgeldvorschriften die Voraussetzungen der Bestandschutzregelung in Art. 30 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung […] erfüllen.

Zwar kann gegen Straf- und Bußgeldvorschriften, deren Tatbestände auf europäische Bestimmungen verweisen (Blankettnormen), in der Regel erst mit Geltung der entsprechenden europarechtlichen Vorschriften verstoßen werden. In dem besonderen Fall der Sanktionierung von Verstößen gegen die Verordnung […] wurden jedoch die straf- oder bußgeldbewehrten Vorschriften der Verordnung […] durch das Inkrafttreten der Sanktionsvorschriften vor dem Anwendungszeitpunkt der bewehrten EU-Verordnung bereits ab dem 2. Juli 2016 in Deutschland für anwendbar erklärt.

Die Absicht des Gesetzgebers, die straf- oder bußgeldbewehrten Vorschriften der Verordnung […] mit dem Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetz vorzeitig für anwendbar zu erklären, geht aus der Gesetzesbegründung nicht hinreichend deutlich hervor. Vor diesem Hintergrund sind Zweifel aufgekommen, ob durch das vorgezogene Inkrafttreten am 2. Juli 2016 eine Sanktionslücke entstanden sei. Eine entsprechende Sanktionslücke am 2. Juli 2016 könnte auf Grund der Regelungen in § 2 Absatz 3 des Strafgesetzbuches (StGB) und § 4 Absatz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) auch über den 2. Juli 2016 hinaus für Straftaten und Ordnungswidrigkeiten Bedeutung haben, die vor dem 2. Juli 2016 begangen wurden.

Es sollte jedoch aus rechtsstaatlichen Gründen keine Unsicherheit darüber bestehen, ob Verstöße gegen Handlungsge- und -verbote aus Sicht des Gesetzgebers den Tatbestand einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit erfüllen. Mit der Übergangsvorschrift in § 51 WpHG soll diese Rechtssicherheit nunmehr für Straftaten nach § 38 WpHG und Ordnungswidrigkeiten nach § 39 WpHG, die unter Geltung der §§ 38, 39 WpHG in der bis zum Ablauf des 1.7.2016 geltenden Fassung begangen wurden, in der Weise hergestellt werden, indem für diese Verstöße ausdrücklich das Tatzeitrecht für anwendbar erklärt wird. Dadurch werden § 2 Absatz 3 StGB und § 4 Absatz 3 OWiG abbedungen.

Der Ausschluss des Prinzips der Meistbegünstigung in § 2 Absatz 3 StGB und § 4 Absatz 3 OWiG stellt keinen Verstoß gegen Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes dar, da das Prinzip der Meistbegünstigung verfassungsrechtlich nicht geboten ist und daher durch ein-fachgesetzliche Regelung abbedungen werden kann (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18. September 2008 - 2 BvR 1817/08). Ebenso steht Artikel 49 Absatz 1 Satz 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) der Regelung nicht entgegen, da dieser nach Maßgabe des Artikels 52 Absatz 1 GR-Charta eingeschränkt werden kann. Für die hier vorgenommene Einschränkung von Artikel 49 Absatz 1 Satz 3 GR-Charta ist nicht ersichtlich, dass der unionsrechtliche Grundrechtsschutz strengere Anforderungen aufstellen würde als der grundgesetzliche Grundrechtsschutz für eine Einschränkung der einfachgesetzlichen Regelungen in § 2 Absatz 3 StGB und § 4 Absatz 3 OWiG.

11

2. a) Der Beschwerdeführer rügt mit seiner am 20. Februar 2017 fristgerecht eingelegten Verfassungsbeschwerde (2 BvR 375/17), die angegriffene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 2017 verletze den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG. Es habe am 2. Juli 2016 eine Ahndungslücke für nach dem Wertpapierhandelsgesetz begangene Straftaten bestanden. Diese Ahndungslücke führe nach dem lex-mitior-Prinzip (§ 2 Abs. 3 StGB und § 4 Abs. 3 OWiG) zur Straflosigkeit in sämtlichen vor dem 3. Juli 2016 nicht rechtskräftig abgeurteilten Fällen. Die Auslegung des Bundesgerichtshofs, es habe keine Ahndungslücke gegeben, überschreite die Wortlautgrenze. Weder Wortlaut noch Historie, Systematik oder Telos des Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetzes deuteten darauf hin, dass der Gesetzgeber die zeitliche Anwendbarkeit von einzelnen Regelungen der Marktmissbrauchsverordnung habe vorverlegen wollen. Hierfür fehle dem nationalen Gesetzgeber zudem die Gesetzgebungskompetenz.

12

b) Mit seiner unter dem Aktenzeichen 2 BvR 1785/17 geführten Verfassungsbeschwerde vom 7. August 2017 rügt der Beschwerdeführer, § 52 WpHG in der Fassung vom 23. Juni 2017 verletze Art. 103 Abs. 2 GG, das Verbot von Einzelfallgesetzen gemäß Art. 19 Abs. 1 GG, den Vertrauensschutzgrundsatz gemäß Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 49 Abs. 1 Satz 3 GRCh. Er, der Beschwerdeführer, wäre durch die angegriffene Norm unmittelbar betroffen, wenn anders als im Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 2017 von einer Strafbarkeitslücke ausgegangen werde. Das Bundesverfassungsgericht sei in dem Verfahren 2 BvR 375/17 darauf beschränkt, den angegriffenen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 2017 wegen eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG aufzuheben und diesem die Sache zurückzuverweisen. An einer Entscheidung auch über den lex-mitior-Grundsatz sei das Bundesverfassungsgericht im Verfahren 2 BvR 375/17 hingegen gehindert, da der Bundesgerichtshof diesen Grundsatz seinem Beschluss nicht zugrunde gelegt habe. Der Bundesgerichtshof hätte dann § 52 WpHG in der Fassung vom 23. Juni 2017 anzuwenden, was erneut zu einer Verurteilung führen werde. Aus Gründen der Prozessökonomie erscheine es zweckmäßig, die Verfahren 2 BvR 375/17 und 2 BvR 1785/17 zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.

II.

13

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Den Verfassungsbeschwerden kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1785/17, die sich gegen § 52 WpHG in der Fassung vom 23. Juni 2017 richtet, ist unzulässig, die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 375/17 gegen die Entscheidungen des Landgerichts Hamburg vom 11. April 2016 und des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 2017 jedenfalls unbegründet.

14

1. Die angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts Hamburg vom 11. April 2016 und des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 2017 verletzen den Beschwerdeführer nicht in verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen. Insbesondere verstößt die Annahme des Bundesgerichtshofs, es sei durch das Erste Finanzmarktnovellierungsgesetz am 2. Juli 2016 keine Ahndungslücke für Straftaten und Ordnungswidrigkeiten nach dem Wertpapierhandelsgesetz entstanden, nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. im Einzelnen BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Mai 2018 - 2 BvR 463/17 -, Rn. 17 ff.).

15

2. Hinsichtlich seiner gegen § 52 WpHG in der Fassung vom 23. Juni 2017 geführten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer bereits nicht hinreichend dargelegt (§ 23 Abs. 1 S. 2, § 92 BVerfGG), selbst, gegenwärtig und unmittelbar (vgl. BVerfGE 119, 181 <212>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 21. November 2017 - 2 BvR 2177/16 -, juris, Rn. 36, 43) durch die angegriffene Rechtsnorm betroffen zu sein. Dies käme - wie der Beschwerdeführer selbst ausführt - von vornherein nur in Betracht, wenn durch das Erste Finanzmarktnovellierungsgesetz am 2. Juli 2016 die von ihm angenommene "Ahndungslücke" entstanden wäre. Eine solche Lücke hat - wie dargelegt - indes nicht bestanden.

16

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

17

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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(1) Die Mitteilungspflicht nach § 33 Absatz 1 und 2 gilt entsprechend für Inhaber von Stimmrechten im Sinne des § 33 und Instrumenten im Sinne des § 38, wenn die Summe der nach § 33 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 und § 38 Absatz 1 Satz 1 zu berücksich

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(1) Die Geldbuße bestimmt sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Handlung gilt. (2) Wird die Bußgelddrohung während der Begehung der Handlung geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Handlung gilt. (3) Wird das Gesetz, das bei

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Bundesverfassungsgericht Urteil, 21. Nov. 2017 - 2 BvR 2177/16

bei uns veröffentlicht am 21.11.2017

Tenor Die Verfassungsbeschwerde wird nach Maßgabe der Gründe zurückgewiesen. Gründe A.

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(1) Die Mitteilungspflicht nach § 33 Absatz 1 und 2 gilt entsprechend für Inhaber von Stimmrechten im Sinne des § 33 und Instrumenten im Sinne des § 38, wenn die Summe der nach § 33 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 und § 38 Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigenden Stimmrechte an demselben Emittenten die in § 33 Absatz 1 Satz 1 genannten Schwellen mit Ausnahme der Schwelle von 3 Prozent erreicht, überschreitet oder unterschreitet.

(2) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über den Inhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Mitteilung nach Absatz 1. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen, soweit die Art und die Form der Mitteilung nach Absatz 1, insbesondere die Nutzung eines elektronischen Verfahrens, betroffen sind.

Die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses kann nicht auf eine Verletzung der Vorschriften dieses Abschnitts gestützt werden.

(1) Die Mitteilungspflicht nach § 33 Absatz 1 und 2 gilt entsprechend für Inhaber von Stimmrechten im Sinne des § 33 und Instrumenten im Sinne des § 38, wenn die Summe der nach § 33 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 und § 38 Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigenden Stimmrechte an demselben Emittenten die in § 33 Absatz 1 Satz 1 genannten Schwellen mit Ausnahme der Schwelle von 3 Prozent erreicht, überschreitet oder unterschreitet.

(2) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über den Inhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Mitteilung nach Absatz 1. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen, soweit die Art und die Form der Mitteilung nach Absatz 1, insbesondere die Nutzung eines elektronischen Verfahrens, betroffen sind.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

(1) Die Mitteilungspflicht nach § 33 Absatz 1 und 2 gilt entsprechend für Inhaber von Stimmrechten im Sinne des § 33 und Instrumenten im Sinne des § 38, wenn die Summe der nach § 33 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 und § 38 Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigenden Stimmrechte an demselben Emittenten die in § 33 Absatz 1 Satz 1 genannten Schwellen mit Ausnahme der Schwelle von 3 Prozent erreicht, überschreitet oder unterschreitet.

(2) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über den Inhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Mitteilung nach Absatz 1. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen, soweit die Art und die Form der Mitteilung nach Absatz 1, insbesondere die Nutzung eines elektronischen Verfahrens, betroffen sind.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Die Geldbuße bestimmt sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Handlung gilt.

(2) Wird die Bußgelddrohung während der Begehung der Handlung geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Handlung gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Handlungen, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Nebenfolgen einer Ordnungswidrigkeit gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Die Geldbuße bestimmt sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Handlung gilt.

(2) Wird die Bußgelddrohung während der Begehung der Handlung geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Handlung gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Handlungen, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Nebenfolgen einer Ordnungswidrigkeit gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Mitteilungspflicht nach § 33 Absatz 1 und 2 gilt entsprechend für Inhaber von Stimmrechten im Sinne des § 33 und Instrumenten im Sinne des § 38, wenn die Summe der nach § 33 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 und § 38 Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigenden Stimmrechte an demselben Emittenten die in § 33 Absatz 1 Satz 1 genannten Schwellen mit Ausnahme der Schwelle von 3 Prozent erreicht, überschreitet oder unterschreitet.

(2) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über den Inhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Mitteilung nach Absatz 1. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen, soweit die Art und die Form der Mitteilung nach Absatz 1, insbesondere die Nutzung eines elektronischen Verfahrens, betroffen sind.

Die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses kann nicht auf eine Verletzung der Vorschriften dieses Abschnitts gestützt werden.

(1) Die Geldbuße bestimmt sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Handlung gilt.

(2) Wird die Bußgelddrohung während der Begehung der Handlung geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Handlung gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Handlungen, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Nebenfolgen einer Ordnungswidrigkeit gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(1) Die Mitteilungspflicht nach § 33 Absatz 1 und 2 gilt bei Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten der in § 33 Absatz 1 Satz 1 genannten Schwellen mit Ausnahme der Schwelle von 3 Prozent entsprechend für unmittelbare oder mittelbare Inhaber von Instrumenten, die

1.
dem Inhaber entweder
a)
bei Fälligkeit ein unbedingtes Recht auf Erwerb mit Stimmrechten verbundener und bereits ausgegebener Aktien eines Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, oder
b)
ein Ermessen in Bezug auf sein Recht auf Erwerb dieser Aktien
verleihen, oder
2.
sich auf Aktien im Sinne der Nummer 1 beziehen und eine vergleichbare wirtschaftliche Wirkung haben wie die in Nummer 1 genannten Instrumente, unabhängig davon, ob sie einen Anspruch auf physische Lieferung einräumen oder nicht.
Die §§ 36 und 37 gelten entsprechend.

(2) Instrumente im Sinne des Absatzes 1 können insbesondere sein:

1.
übertragbare Wertpapiere,
2.
Optionen,
3.
Terminkontrakte,
4.
Swaps,
5.
Zinsausgleichsvereinbarungen und
6.
Differenzgeschäfte.

(3) Die Anzahl der für die Mitteilungspflicht nach Absatz 1 maßgeblichen Stimmrechte ist anhand der vollen nominalen Anzahl der dem Instrument zugrunde liegenden Aktien zu berechnen. Sieht das Instrument ausschließlich einen Barausgleich vor, ist die Anzahl der Stimmrechte abweichend von Satz 1 auf einer Delta-angepassten Basis zu berechnen, wobei die nominale Anzahl der zugrunde liegenden Aktien mit dem Delta des Instruments zu multiplizieren ist. Die Einzelheiten der Berechnung bestimmen sich nach den in Artikel 13 Absatz 1a der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (ABl. L 390 vom 31.12.2004, S. 38) benannten technischen Regulierungsstandards. Bei Instrumenten, die sich auf einen Aktienkorb oder einen Index beziehen, bestimmt sich die Berechnung ebenfalls nach den technischen Regulierungsstandards gemäß Satz 2.

(4) Beziehen sich verschiedene der in Absatz 1 genannten Instrumente auf Aktien desselben Emittenten, sind die Stimmrechte aus diesen Aktien zusammenzurechnen. Erwerbspositionen dürfen nicht mit Veräußerungspositionen verrechnet werden.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über den Inhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Mitteilung nach Absatz 1. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen, soweit die Art und die Form der Mitteilung nach Absatz 1, insbesondere die Nutzung eines elektronischen Verfahrens, betroffen sind.

(1) Die Mitteilungspflicht nach § 33 Absatz 1 und 2 gilt entsprechend für Inhaber von Stimmrechten im Sinne des § 33 und Instrumenten im Sinne des § 38, wenn die Summe der nach § 33 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 und § 38 Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigenden Stimmrechte an demselben Emittenten die in § 33 Absatz 1 Satz 1 genannten Schwellen mit Ausnahme der Schwelle von 3 Prozent erreicht, überschreitet oder unterschreitet.

(2) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über den Inhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Mitteilung nach Absatz 1. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen, soweit die Art und die Form der Mitteilung nach Absatz 1, insbesondere die Nutzung eines elektronischen Verfahrens, betroffen sind.

(1) Die Geldbuße bestimmt sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Handlung gilt.

(2) Wird die Bußgelddrohung während der Begehung der Handlung geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Handlung gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Handlungen, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Nebenfolgen einer Ordnungswidrigkeit gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(1) Die Bundesanstalt kann Inlandsemittenten mit Sitz in einem Drittstaat von den Pflichten nach den §§ 48, 49 und 50 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 freistellen, soweit diese Emittenten gleichwertigen Regeln eines Drittstaates unterliegen oder sich solchen Regeln unterwerfen. Die Bundesanstalt unterrichtet die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde über die erteilte Freistellung.

(2) Emittenten, denen die Bundesanstalt eine Befreiung nach Absatz 1 erteilt hat, müssen Informationen über Umstände im Sinne des § 50 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2, die nach den gleichwertigen Regeln eines Drittstaates der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen sind, nach Maßgabe des § 50 Absatz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 50 Absatz 2 veröffentlichen und die Veröffentlichung gleichzeitig der Bundesanstalt mitteilen; sie müssen die Informationen außerdem unverzüglich, jedoch nicht vor der Veröffentlichung der das Unternehmensregister führenden Stelle zur Einstellung in das Unternehmensregister übermitteln.

(3) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen über die Gleichwertigkeit von Regeln eines Drittstaates und die Freistellung von Emittenten nach Absatz 1 zu erlassen.

(1) Die Mitteilungspflicht nach § 33 Absatz 1 und 2 gilt bei Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten der in § 33 Absatz 1 Satz 1 genannten Schwellen mit Ausnahme der Schwelle von 3 Prozent entsprechend für unmittelbare oder mittelbare Inhaber von Instrumenten, die

1.
dem Inhaber entweder
a)
bei Fälligkeit ein unbedingtes Recht auf Erwerb mit Stimmrechten verbundener und bereits ausgegebener Aktien eines Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, oder
b)
ein Ermessen in Bezug auf sein Recht auf Erwerb dieser Aktien
verleihen, oder
2.
sich auf Aktien im Sinne der Nummer 1 beziehen und eine vergleichbare wirtschaftliche Wirkung haben wie die in Nummer 1 genannten Instrumente, unabhängig davon, ob sie einen Anspruch auf physische Lieferung einräumen oder nicht.
Die §§ 36 und 37 gelten entsprechend.

(2) Instrumente im Sinne des Absatzes 1 können insbesondere sein:

1.
übertragbare Wertpapiere,
2.
Optionen,
3.
Terminkontrakte,
4.
Swaps,
5.
Zinsausgleichsvereinbarungen und
6.
Differenzgeschäfte.

(3) Die Anzahl der für die Mitteilungspflicht nach Absatz 1 maßgeblichen Stimmrechte ist anhand der vollen nominalen Anzahl der dem Instrument zugrunde liegenden Aktien zu berechnen. Sieht das Instrument ausschließlich einen Barausgleich vor, ist die Anzahl der Stimmrechte abweichend von Satz 1 auf einer Delta-angepassten Basis zu berechnen, wobei die nominale Anzahl der zugrunde liegenden Aktien mit dem Delta des Instruments zu multiplizieren ist. Die Einzelheiten der Berechnung bestimmen sich nach den in Artikel 13 Absatz 1a der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (ABl. L 390 vom 31.12.2004, S. 38) benannten technischen Regulierungsstandards. Bei Instrumenten, die sich auf einen Aktienkorb oder einen Index beziehen, bestimmt sich die Berechnung ebenfalls nach den technischen Regulierungsstandards gemäß Satz 2.

(4) Beziehen sich verschiedene der in Absatz 1 genannten Instrumente auf Aktien desselben Emittenten, sind die Stimmrechte aus diesen Aktien zusammenzurechnen. Erwerbspositionen dürfen nicht mit Veräußerungspositionen verrechnet werden.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über den Inhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Mitteilung nach Absatz 1. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen, soweit die Art und die Form der Mitteilung nach Absatz 1, insbesondere die Nutzung eines elektronischen Verfahrens, betroffen sind.

(1) Die Mitteilungspflicht nach § 33 Absatz 1 und 2 gilt entsprechend für Inhaber von Stimmrechten im Sinne des § 33 und Instrumenten im Sinne des § 38, wenn die Summe der nach § 33 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 und § 38 Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigenden Stimmrechte an demselben Emittenten die in § 33 Absatz 1 Satz 1 genannten Schwellen mit Ausnahme der Schwelle von 3 Prozent erreicht, überschreitet oder unterschreitet.

(2) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über den Inhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Mitteilung nach Absatz 1. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen, soweit die Art und die Form der Mitteilung nach Absatz 1, insbesondere die Nutzung eines elektronischen Verfahrens, betroffen sind.

(1) Die Mitteilungspflicht nach § 33 Absatz 1 und 2 gilt bei Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten der in § 33 Absatz 1 Satz 1 genannten Schwellen mit Ausnahme der Schwelle von 3 Prozent entsprechend für unmittelbare oder mittelbare Inhaber von Instrumenten, die

1.
dem Inhaber entweder
a)
bei Fälligkeit ein unbedingtes Recht auf Erwerb mit Stimmrechten verbundener und bereits ausgegebener Aktien eines Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, oder
b)
ein Ermessen in Bezug auf sein Recht auf Erwerb dieser Aktien
verleihen, oder
2.
sich auf Aktien im Sinne der Nummer 1 beziehen und eine vergleichbare wirtschaftliche Wirkung haben wie die in Nummer 1 genannten Instrumente, unabhängig davon, ob sie einen Anspruch auf physische Lieferung einräumen oder nicht.
Die §§ 36 und 37 gelten entsprechend.

(2) Instrumente im Sinne des Absatzes 1 können insbesondere sein:

1.
übertragbare Wertpapiere,
2.
Optionen,
3.
Terminkontrakte,
4.
Swaps,
5.
Zinsausgleichsvereinbarungen und
6.
Differenzgeschäfte.

(3) Die Anzahl der für die Mitteilungspflicht nach Absatz 1 maßgeblichen Stimmrechte ist anhand der vollen nominalen Anzahl der dem Instrument zugrunde liegenden Aktien zu berechnen. Sieht das Instrument ausschließlich einen Barausgleich vor, ist die Anzahl der Stimmrechte abweichend von Satz 1 auf einer Delta-angepassten Basis zu berechnen, wobei die nominale Anzahl der zugrunde liegenden Aktien mit dem Delta des Instruments zu multiplizieren ist. Die Einzelheiten der Berechnung bestimmen sich nach den in Artikel 13 Absatz 1a der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (ABl. L 390 vom 31.12.2004, S. 38) benannten technischen Regulierungsstandards. Bei Instrumenten, die sich auf einen Aktienkorb oder einen Index beziehen, bestimmt sich die Berechnung ebenfalls nach den technischen Regulierungsstandards gemäß Satz 2.

(4) Beziehen sich verschiedene der in Absatz 1 genannten Instrumente auf Aktien desselben Emittenten, sind die Stimmrechte aus diesen Aktien zusammenzurechnen. Erwerbspositionen dürfen nicht mit Veräußerungspositionen verrechnet werden.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über den Inhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Mitteilung nach Absatz 1. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen, soweit die Art und die Form der Mitteilung nach Absatz 1, insbesondere die Nutzung eines elektronischen Verfahrens, betroffen sind.

(1) Die Mitteilungspflicht nach § 33 Absatz 1 und 2 gilt entsprechend für Inhaber von Stimmrechten im Sinne des § 33 und Instrumenten im Sinne des § 38, wenn die Summe der nach § 33 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 und § 38 Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigenden Stimmrechte an demselben Emittenten die in § 33 Absatz 1 Satz 1 genannten Schwellen mit Ausnahme der Schwelle von 3 Prozent erreicht, überschreitet oder unterschreitet.

(2) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über den Inhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Mitteilung nach Absatz 1. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen, soweit die Art und die Form der Mitteilung nach Absatz 1, insbesondere die Nutzung eines elektronischen Verfahrens, betroffen sind.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Die Geldbuße bestimmt sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Handlung gilt.

(2) Wird die Bußgelddrohung während der Begehung der Handlung geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Handlung gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Handlungen, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Nebenfolgen einer Ordnungswidrigkeit gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Die Geldbuße bestimmt sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Handlung gilt.

(2) Wird die Bußgelddrohung während der Begehung der Handlung geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Handlung gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Handlungen, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Nebenfolgen einer Ordnungswidrigkeit gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Die Geldbuße bestimmt sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Handlung gilt.

(2) Wird die Bußgelddrohung während der Begehung der Handlung geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Handlung gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Handlungen, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Nebenfolgen einer Ordnungswidrigkeit gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Die Geldbuße bestimmt sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Handlung gilt.

(2) Wird die Bußgelddrohung während der Begehung der Handlung geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Handlung gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Handlungen, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Nebenfolgen einer Ordnungswidrigkeit gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

Die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses kann nicht auf eine Verletzung der Vorschriften dieses Abschnitts gestützt werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses kann nicht auf eine Verletzung der Vorschriften dieses Abschnitts gestützt werden.

(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung.

(2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen,

a)
soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,
b)
wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.

(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben.

(2) Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde.

(3) Das Recht, eine Verfassungsbeschwerde an das Landesverfassungsgericht nach dem Recht der Landesverfassung zu erheben, bleibt unberührt.

Die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses kann nicht auf eine Verletzung der Vorschriften dieses Abschnitts gestützt werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses kann nicht auf eine Verletzung der Vorschriften dieses Abschnitts gestützt werden.

(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben.

(2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kommt, der Berichterstatter stellt den Antrag dem Antragsgegner, den übrigen Beteiligten sowie den Dritten, denen nach § 27a Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, unverzüglich mit der Aufforderung zu, sich binnen einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern.

(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann jedem Beteiligten aufgeben, binnen einer zu bestimmenden Frist die erforderliche Zahl von Abschriften seiner Schriftsätze und der angegriffenen Entscheidungen für das Gericht und für die übrigen Beteiligten nachzureichen.

In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nach Maßgabe der Gründe zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Beschwerdeführerinnen sind acht kreisangehörige Gemeinden in Sachsen-Anhalt. Sie waren gemäß § 3 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 und Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege des Landes Sachsen-Anhalt (Kinderförderungsgesetz - KiFöG LSA) vom 5. März 2003 Verpflichtete des Anspruchs auf Kinderbetreuung. Mit Art. 1 Nr. 2 Buchstabe c des Gesetzes zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes und anderer Gesetze vom 23. Januar 2013 hat der Landesgesetzgeber die Regelung neu gefasst und die Verpflichtung zur Erfüllung dieses Anspruchs in § 3 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 und Abs. 2 KiFöG LSA auf Landkreise und kreisfreie Städte als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe übertragen.

2

Die Beschwerdeführerinnen sehen in der gesetzlichen Neuregelung einen verfassungswidrigen Entzug der Aufgaben und machen insoweit eine Verletzung von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geltend.

I.

3

1. Das Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt vom 5. März 2003 trat am 8. März 2003 in Kraft (GVBl LSA S. 48 ff.). Darin wurden die Gemeinden statt der bis dahin für die Vergabe von Kinderbetreuungsplätzen zuständigen örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu Verpflichteten des Anspruchs auf Kinderbetreuung bestimmt und ihnen Pflichten im Zusammenhang mit der Finanzierung von Kindertagesstätten auferlegt. Das Gesetz wurde unter anderem am 12. November 2004 (GVBl LSA S. 774), am 5. November 2009 (GVBl LSA S. 514, 518) und am 17. Februar 2010 (GVBl LSA S. 69) geändert und enthielt in der bis zum Ablauf des 31. Juli 2013 geltenden Fassung unter anderem folgende Regelungen:

§ 3

Anspruch auf Kinderbetreuung

(Fassung vom 12. November 2004)

(1) Jedes Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt im Land Sachsen-Anhalt hat bis zur Versetzung in den 7. Schuljahrgang Anspruch

1. auf einen ganztägigen Platz (§ 17 Abs. 2) in einer Tageseinrichtung,

a) bis zum Schuleintritt, wenn aus Gründen der Erwerbstätigkeit, der Aus-, Fort- und Weiterbildung oder der Teilnahme der Eltern an einer Maßnahme der Arbeitsförderung nach § 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch ein Bedarf für eine solche Förderung besteht,

b) vom Schuleintritt bis zur Versetzung in den 7. Schuljahrgang,

c) ausnahmsweise, wenn und solange das Jugendamt entscheidet, Leistungen nach § 3a Abs. 3 Satz 1 zu erbringen,

2. auf einen Halbtagsplatz von mindestens fünf Stunden täglich oder 25 Wochenstunden in allen anderen Fällen.

(…)

(2) Von der Versetzung in den 7. Schuljahrgang bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres hat jedes Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt im Land Sachsen-Anhalt Anspruch auf Förderung und Betreuung in einer Tageseinrichtung, soweit Plätze vorhanden sind.

(3) Der Anspruch nach den Absätzen 1 und 2 richtet sich gegen die Gemeinde, in der das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ist die Gemeinde Mitglied einer Verwaltungsgemeinschaft, richtet sich der Anspruch gegen diese, wenn ihr diese Aufgabe von allen Mitgliedsgemeinden zur Erfüllung übertragen wurde.

(…)

§ 3b

Wunsch- und Wahlrecht

(Fassung vom 12. November 2004)

(1) Die Leistungsberechtigten nach § 3 haben das Recht, im Rahmen freier Kapazitäten zwischen den verschiedenen Tageseinrichtungen am Ort ihres gewöhnlichen Aufenthaltes oder an einem anderen Ort zu wählen. Sie sind von der Leistungsverpflichteten auf dieses Recht hinzuweisen.

(2) Der Wahl soll entsprochen werden, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist.

(…)

§ 9

Träger

(Fassung vom 5. März 2003)

(1) Träger von Tageseinrichtungen können sein:

1. Gemeinden, Zusammenschlüsse von Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften,

2. anerkannte Träger der freien Jugendhilfe oder

3. sonstige juristische Personen, deren Zweck das Betreiben einer Tageseinrichtung ist und die die Anforderungen des Steuerrechts an die Gemeinnützigkeit erfüllen.

(...)

(3) Die Einrichtung oder die Übernahme von Tageseinrichtungen durch Träger im Sinne von Absatz 1 Nrn. 2 oder 3 soll durch die Leistungsverpflichteten unterstützt werden.

§ 10

Sicherstellungsaufgabe der Landkreise und kreisfreien Städte

(Fassung vom 5. März 2003)

(1) Die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind verantwortlich für die Vorhaltung einer an den Bedürfnissen von Familien und Kindern orientierten, konzeptionell vielfältigen, leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen Struktur von Tageseinrichtungen.

(2) Die Tagespflegepersonen sollen durch die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe fachlich beraten werden. Die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen die Gemeinden bei der Bereitstellung von Tagespflegestellen nach § 3 Abs. 4 in Verbindung mit § 4 Abs. 3 unterstützen, insbesondere durch den Nachweis geeigneter Tagespflegepersonen.

§ 11

Finanzierung der Tagesbetreuung in Tageseinrichtungen und in Tagespflege

(Fassung vom 17. Februar 2010)

(1) Das Land beteiligt sich an den Kosten der Tagesbetreuung in Tageseinrichtungen und in Tagespflegestellen nach § 3 Abs. 4 und Abs. 1 Satz 2 und 3, soweit diese den Umfang eines Betreuungsangebotes nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 übersteigt. Letztere sind auf den Kostenausgleich nach Absatz 5 anzurechnen.

(…)

(4) Wird eine Tageseinrichtung von einem freien Träger gemäß § 9 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 betrieben, erstattet die Leistungsverpflichtete, in deren Zuständigkeitsbereich die Tageseinrichtung ihren Sitz hat, auf Antrag die für den Betrieb notwendigen Kosten abzüglich der Elternbeiträge nach § 13 sowie eines Eigenanteils des Trägers von in der Regel bis zu 5 v. H. der Gesamtkosten. Für die Beurteilung der Notwendigkeit und Angemessenheit sind im Übrigen die Kosten maßgeblich, die die Leistungsverpflichtete selbst als Träger einer Tageseinrichtung aufzuwenden hätte. Die Leistungsverpflichteten sollen vertragliche Vereinbarungen mit den freien Trägern über den Umfang der Kostenerstattung abschließen, die auch Regelungen über die zu leistenden Abschlagszahlungen enthalten.

§ 13

Elternbeiträge

(Fassung vom 5. November 2009)

Hinsichtlich der Erhebung von Elternbeiträgen gelten die Regelungen in § 90 des Achten Buches Sozialgesetzbuch. (…) Träger gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1, in deren Gebiet ein Elternbeirat entsprechend § 19 Abs. 5 gebildet wurde, haben auch diesen Elternbeirat zu beteiligen.

4

2. Mit Gesetz zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes und anderer Gesetze vom 23. Januar 2013 (GVBl LSA S. 38 ff.) hat der Gesetzgeber das Kinderbetreuungsrecht in Sachsen-Anhalt neu geordnet. Die meisten Änderungen sind gemäß Art. 6 Abs. 1 des Änderungsgesetzes mit Wirkung zum 1. August 2013 in Kraft getreten, der neu eingefügte § 11a KiFöG LSA erst zum 1. Januar 2015 (Art. 6 Abs. 3 des Änderungsgesetzes). Die Neuregelung betraf im Wesentlichen die Verlagerung der Leistungsverpflichtung zur Bereitstellung von Plätzen in der Tageseinrichtung auf den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, die Einführung von Qualitätsstandards und die Finanzierung der Kinderbetreuung. Im Zuge dieser Gesetzesänderung wurden unter anderem folgende Bestimmungen neugefasst:

§ 3

Anspruch auf Kinderbetreuung

(1) Jedes Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt im Land Sachsen-Anhalt hat bis zur Versetzung in den 7. Schuljahrgang Anspruch auf einen ganztägigen Platz in einer Tageseinrichtung.

(2) Von der Versetzung in den 7. Schuljahrgang bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres hat jedes Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt im Land Sachsen-Anhalt Anspruch auf Förderung und Betreuung in einer Tageseinrichtung, soweit Plätze vorhanden sind.

(…)

(4) Der Anspruch nach den Absätzen 1 und 2 richtet sich gegen den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, in dessen Gebiet das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(…)

§ 10

Sicherstellungsaufgabe und Bedarfsplanung

(1) Die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind verantwortlich für die Vorhaltung einer an den Bedürfnissen von Familien und Kindern orientierten, konzeptionell vielfältigen, leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen Struktur von Tageseinrichtungen. Sie haben eine Bedarfsplanung gemäß § 80 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 des Achten Buches Sozialgesetzbuch aufzustellen. Mit den kreisangehörigen Gemeinden, Verbandsgemeinden, Verwaltungsgemeinschaften, den Trägern der freien Jugendhilfe und dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe ist in allen Phasen der Bedarfsplanung das Benehmen herzustellen.

(2) Die Tageseinrichtungen und die Tagespflegepersonen sollen durch die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe fachlich beraten werden.

§ 11

Grundsätze der Finanzierung

(1) Die Förderung und Betreuung in Tageseinrichtungen sowie in Tagespflegestellen wird gemeinsam durch das Land, die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, die Gemeinden, Verbandsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften, in deren Gebiet die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sowie die Eltern finanziert. Das Land und die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe beteiligen sich durch Zuweisungen.

(2) Soweit Kinder in Tageseinrichtungen oder in Tagespflegestellen Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35a des Achten Buches Sozialgesetzbuch oder nach den §§ 53 und 54 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erhalten, erfolgt die Finanzierung dieser Leistungen nach den §§ 78a bis 78g des Achten Buches Sozialgesetzbuch oder nach den §§ 75 bis 81 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Bei Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung erfolgt die Finanzierung dieser Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch.

§ 11a

Vereinbarungen, Rahmenvertrag

(1) Der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe schließt mit den Trägern von Tageseinrichtungen für seinen Zuständigkeitsbereich Vereinbarungen über den Betrieb der Tageseinrichtungen nach den §§ 78b bis 78e des Achten Buches Sozialgesetzbuch im Einvernehmen mit den Gemeinden, Verbandsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften.

(…)

§ 13

Kostenbeiträge

(1) Für die Inanspruchnahme von Angeboten der Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflegestellen sind von den Eltern Kostenbeiträge zu erheben. Sie sind nach der Anzahl der vereinbarten Betreuungsstunden zu staffeln.

(2) Der Kostenbeitrag wird durch die Gemeinde oder Verbandsgemeinde, in deren Gebiet das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, nach Anhörung der Träger von Tageseinrichtungen und der Gemeindeelternvertretung, festgelegt. Die Festlegungen bedürfen der Zustimmung des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.

(3) Der Kostenbeitrag wird durch die Gemeinde oder Verbandsgemeinde, in deren Gebiet das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, erhoben. Die Erhebung kann auf die Träger von Tageseinrichtungen übertragen werden.

5

3. Die Änderung des Kinderförderungsgesetzes Sachsen-Anhalt zum 1. August 2013 ging einher mit einer ebenfalls zu diesem Tag wirksam gewordenen Neufassung des § 24 SGB VIII. Demnach sind Kinder (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII) bedarfsgerecht in einer Tageseinrichtung (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) oder einer Kindertagespflege (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) zu fördern. Dabei handelt es sich in Bezug auf Kinder unter einem Jahr (§ 24 Abs. 1 SGB VIII) und auf schulpflichtige Kinder (§ 24 Abs. 4 SGB VIII) um eine objektiv-rechtliche Pflicht. Ein- bis zweijährige Kinder (§ 24 Abs. 2 SGB VIII) und dreijährige Kinder bis zum Schuleintritt (§ 24 Abs. 3 SGB VIII) haben dagegen einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz (vgl. BVerfGE 140, 65 <84 Rn. 43 f.>; BGH, Urteil vom 20. Oktober 2016 - III ZR 278/15 -, juris, Rn. 17; Rixen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 1. Aufl. 2014, § 24 Rn. 8 ff.). Nach § 24 Abs. 6 SGB VIII bleibt weitergehendes Landesrecht unberührt. Das Nähere über Inhalt und Umfang der in § 24 SGB VIII normierten Rechte und Pflichten regelt das Landesrecht (§ 26 Satz 1 SGB VIII). Der Rechtsanspruch richtet sich nach § 3 Abs. 2 Satz 2, § 85 Abs. 1 SGB VIII gegen den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Wer Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist, bestimmt ebenfalls das Landesrecht (§ 69 Abs. 1 SGB VIII). In Sachsen-Anhalt sind dies gemäß § 1 Kinder- und Jugendhilfegesetz des Landes Sachsen-Anhalt (KJHG LSA) die Landkreise und kreisfreien Städte.

6

4. Anlass für die Änderung des Kinderförderungsgesetzes Sachsen-Anhalt war ein befürchteter Interessenkonflikt bei den Gemeinden, der sich nach Auffassung des Gesetzgebers daraus ergeben sollte, dass die Gemeinden sowohl Verpflichtete des Betreuungsanspruchs waren als auch selbst Betreuungsplätze anboten und anbieten. Da diese auch von freien Trägern bereitgestellt werden, stehen sich Gemeinden und freie Träger als Wettbewerber gegenüber. Allerdings soll die öffentliche Jugendhilfe nach § 4 Abs. 2 SGB VIII von eigenen Maßnahmen absehen, soweit freie Träger ein ausreichendes Angebot bereitstellen. Daraus wird mitunter die Subsidiarität kommunaler Betreuungsangebote gegenüber jenen der freien Jugendhilfe abgeleitet, jedenfalls aber ein gewisser Vorrang der freien Träger (vgl. Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, § 4 Rn. 45). Zum Anlass für die Änderung des Kinderförderungsgesetzes Sachsen-Anhalt heißt es in der Gesetzesbegründung (LT-Drucks 6/1258 vom 4. Juli 2012):

Leistungsverpflichteter (§ 3 Abs. 4)

Leistungsverpflichtete werden wieder die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Auf Gemeindeebene kommt es zu einem Interessenkonflikt. Viele Gemeinden sind selbst Träger von Tageseinrichtungen. Bei abnehmenden Kinderzahlen könnten sie daher ihren Tageseinrichtungen den Vorrang geben, was wiederum gegen den Subsidiaritätsgrundsatz (§§ 3, 4 SGB VIII) verstoßen würde. Dieses kann allerdings nur auf der übergeordneten Ebene der Landkreise zuverlässig vermieden werden. Kommunale Einrichtungen und Einrichtungen freier Träger treten so in einen Wettbewerb.

7

5. Die Beschwerdeführerinnen erhoben im Januar 2014 zusammen mit über 50 anderen Gemeinden gemäß Art. 75 Nr. 7 Verf LSA, § 51 Abs. 1 des Gesetzes über das Landesverfassungsgericht (Landesverfassungsgerichtsgesetz - VerfGG LSA) eine Kommunalverfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt, mit der sie mehrere Vorschriften des Änderungsgesetzes zum Kinderförderungsgesetz und anderer Gesetze angriffen.

8

Die für eine Kommunalverfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt maßgeblichen Bestimmungen der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt vom 16. Juli 1992 (GVBl LSA 1992 S. 600, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Dezember 2014, GVBl LSA S. 494) lauten:

Artikel 2 Verf LSA

Grundlagen

(…)

(3) Die kommunale Selbstverwaltung wird gewährleistet.

(…)

Artikel 75 Verf LSA

Zuständigkeiten

Das Landesverfassungsgericht entscheidet

(…)

7. über Verfassungsbeschwerden von Kommunen und Gemeindeverbänden wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Artikel 2 Abs. 3 und Artikel 87 durch ein Landesgesetz, (…)

Artikel 87 Verf LSA

Kommunale Selbstverwaltung

(1) Die Kommunen (Gemeinden und Landkreise) und die Gemeindeverbände verwalten ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung.

(2) Die Kommunen sind berechtigt und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, in ihrem Gebiet alle öffentlichen Aufgaben selbständig wahrzunehmen, soweit nicht bestimmte Aufgaben im öffentlichen Interesse durch Gesetz anderen Stellen übertragen sind.

(3) Den Kommunen können durch Gesetz Pflichtaufgaben zur Erfüllung in eigener Verantwortung zugewiesen und staatliche Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen werden. Dabei ist gleichzeitig die Deckung der Kosten zu regeln. Führt die Aufgabenwahrnehmung zu einer Mehrbelastung der Kommunen, ist ein angemessener Ausgleich zu schaffen.

(4) Das Land sichert durch seine Aufsicht, dass die Gesetze beachtet und die nach Absatz 3 übertragenen Aufgaben weisungsgemäß ausgeführt werden.

(5) Andere Körperschaften des öffentlichen Rechts können für die Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Aufgaben gegenüber ihren Mitgliedern durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes gebildet werden.

§ 51 VerfGG LSA

(1) Kommunen und Gemeindeverbände können die Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung erheben, durch ein Landesgesetz in ihrem Recht auf Selbstverwaltung nach Artikel 2 Abs. 3 und Artikel 87 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt verletzt zu sein.

9

Die Beschwerdeführerinnen wandten sich unter anderem gegen die Neufassung in § 3 Abs. 4 KiFöG LSA und rügten eine Verletzung der durch die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt gewährleisteten Garantie der kommunalen Selbstverwaltung.

10

Die Verfassungsbeschwerde hatte hinsichtlich einer die Aufgabenfinanzierung betreffenden Bestimmung Erfolg. Im Übrigen wurde sie durch Urteil des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 20. Oktober 2015 - LVG 2/14 -(DVBl 2015, S. 1535 ff.) zurückgewiesen. Dabei führte das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt mit Blick auf die hier in Rede stehende Übertragung der Leistungsverpflichtung aus:

11

Es fehle bereits an einem Eingriff in ein durch die Landesverfassung gewährleistetes Recht der Gemeinden. Maßstab sei insoweit Art. 87 Verf LSA. Nach dessen Absatz 1 hätten die drei kommunalen Ebenen, das heißt die Kommunen (Gemeinden und Landkreise) und die Gemeindeverbände, gemeinsam gegenüber der staatlichen Ebene den Vorrang. Ein Vorrangverhältnis untereinander, welches die Gemeinden vor einer Verlagerung von Zuständigkeiten auf die Landkreise schütze, bestehe in der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt grundsätzlich nicht. Diese ordne vielmehr einen Dualismus der Selbstverwaltungsrechte von Landkreisen und Gemeinden an; danach sei die gemeindliche Selbstverwaltung nur eine Form der kommunalen Selbstverwaltung und stehe gleichrangig neben jener der Landkreise. Nach den landesverfassungsrechtlichen Vorgaben sei eine Verlagerung von Aufgaben von der Gemeinde- auf die Kreisebene daher grundsätzlich kein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 87 Abs. 1 Verf LSA. Ein solcher sei erst dann anzunehmen, wenn durch die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen eine der beiden kommunalen Ebenen so ausgehöhlt werde, dass nur noch eine "leere Hülle" zurückbleibe und damit die sowohl für Gemeinden als auch für Landkreise bestehende "institutionelle Bestandsgarantie" in Frage stellte. Das sei vorliegend aber nicht der Fall (LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. Oktober 2015 - LVG 2/14 -, DVBl 2015, S. 1535 <1538 f.>). Diese Auslegung von Art. 87 Abs. 1 Verf LSA stützte das Landesverfassungsgericht vor allem auf dessen Entstehungsgeschichte (LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. Oktober 2015 - LVG 2/14 -, DVBl 2015, S. 1535 <1539>).

12

Zwar gewährleiste Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG einen Mindestschutz, den das Landesrecht nicht unterschreiten dürfe. Dieses Gebot richte sich jedoch nur an das Landesrecht insgesamt. Dem Landesverfassungsgeber schreibe es nicht vor, welches Schutzniveau die Landesverfassung vorsehen müsse. Das Grundgesetz enthalte keine Vorgaben dazu, durch Normen welchen Ranges seine Garantien landesrechtlich umgesetzt werden müssten. Gewähre es einen weitergehenden Schutz als die Landesverfassung, könne dies den landesverfassungsrechtlichen Schutzumfang nicht erweitern. In einer solchen Diskrepanz liege kein "geltungsvernichtender Widerspruch", sondern eine strukturbedingte Normalität in einer bundesstaatlichen Ordnung mit ihren getrennten und eigenständigen Verfassungsräumen. Maßstab für die Begründetheit einer Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht sei allein das Landesverfassungsrecht und nicht Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG (LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. Oktober 2015, a.a.O.). Es entstünden dadurch auch keine Rechtsschutzlücken. Eine Prüfung am Maßstab des Art. 28 Abs. 2 GG sei dem Landesverfassungsgericht verwehrt, sie stehe allein dem Bundesverfassungsgericht zu (LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. Oktober 2015, a.a.O.).

13

Im Übrigen erscheine der mit der angefochtenen Regelung verbundene Eingriff in das grundgesetzliche Aufgabenverteilungsprinzip auch im Lichte des - nicht maßgeblichen - Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gerechtfertigt. Insoweit dürften die vom Gesetzgeber angeführten Gründe für die Rückübertragung der erst 2003 auf die Gemeinden verlagerten Aufgaben bei der Erfüllung des Leistungsanspruches auf den Träger der öffentlichen Jugendhilfe ausreichen, um diese zu rechtfertigen (LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. Oktober 2015, a.a.O.).

II.

14

Die Beschwerdeführerinnen rügen, die Übertragung der Leistungsverpflichtung von den Gemeinden auf die Landkreise und kreisfreien Städte verstoße gegen die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG.

15

Der Zulässigkeit der Kommunalverfassungsbeschwerde stünden weder deren Subsidiarität gegenüber dem Rechtsweg zum Landesverfassungsgericht noch die für Rechtssatzverfassungsbeschwerden geltende Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG entgegen. Die Kommunalverfassungsbeschwerde des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG sei nur gegenüber solchen landesverfassungsgerichtlichen Rechtsbehelfen subsidiär, die einen gegenüber den bundesrechtlichen Vorgaben materiell gleichwertigen Rechtsschutz gewährleisteten. Dies sei in Sachsen-Anhalt jedoch nicht der Fall. Indem das Landesverfassungsrecht von Sachsen-Anhalt in der Auslegung des Landesverfassungsgerichts Gemeinden und Landkreise als eine kommunalverfassungsrechtliche Einheit behandele, setze es sich zu Art. 28 Abs. 2 GG in Widerspruch, der den Gemeinden Eigenständigkeit auch und gerade gegenüber den Landkreisen garantiere. Unter diesem Blickwinkel sei auch die Jahresfrist gewahrt. Stelle sich, wie vorliegend, erst nach Durchführung eines landesverfassungsgerichtlichen Verfahrens heraus, dass ein gleichwertiger Rechtsschutz auf Landesebene nicht bestehe, beginne die Frist des § 93 Abs. 3 BVerfGG erst mit dem Abschluss dieses Verfahrens zu laufen.

16

Die Übertragung der Leistungsverpflichtung von den Gemeinden auf die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe greife in das Recht der kommunalen Selbstverwaltung ein. Mit der Leistungsverpflichtung seien von den Gemeinden bislang autonom wahrgenommene Aufgaben untrennbar verbunden gewesen. So hätte die Leistungsverpflichtung insbesondere die ortsbezogene Zuständigkeit zur Planung und Koordinierung eines nachfrageadäquaten Betreuungsangebots im jeweiligen Gemeindegebiet umfasst. Im Einzelnen habe hierzu gehört:

- die Koordinierung und Durchsetzung des Anspruchs auf Kinderbetreuung im Wege der Erarbeitung einer Bedarfsanalyse und Bedarfsplanung,

- die Erstellung und Fortschreibung einer Leitplanung im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung zur Sicherung eines bedarfsgerechten Angebots an Plätzen in Kindertageseinrichtungen im Gemeindegebiet (unter Berücksichtigung der künftigen Auslastung mit Blick auf die demographische Entwicklung und etwaigen Sanierungsbedarf),

- die Entwicklung und konzeptionelle Planung des Platzangebots sowie des Bestandes an Kindertageseinrichtungen und Planumsetzung in engem Zusammenwirken mit den freien Trägern,

- die Vermittlung von Plätzen in Kindertagesstätten an die Leistungsberechtigten (Bescheiderstellung für die An-, Um- und Abmeldung), Entscheidung über Anträge auf Ausübung des Wunsch- und Wahlrechts,

- die Erstellung von Jahresstatistiken,

- die Federführung bei Haushalts- und Finanzplanung in den Einrichtungen,

- der Abschluss der vertraglichen Grundlagen für den Betrieb von Kindertageseinrichtungen freier Träger im Gemeindegebiet,

- die Abstimmung der Gebühren zwischen den Kindertageseinrichtungen einer Gemeinde,

- die Defizitabrechnungen mit den freien Trägern in Bezug auf Vorauszahlungen und Endabrechnungen.

17

Mit der Zuordnung der Leistungsverpflichtung zu den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe seien ihnen die genannten Selbstverwaltungsaufgaben entzogen worden. Bei der Verlagerung dieser mit der Leistungsverpflichtung zusammenhängenden örtlichen Planungs- und Koordinierungsaufgaben auf die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe habe es sich daher um einen echten Entzug örtlicher Aufgaben zu Lasten der kreisangehörigen Gemeinden gehandelt.

18

Dieser Eingriff sei nicht gerechtfertigt. Die Gesetzesänderung verfolge schon kein legitimes Ziel. Die Befürchtung, die Gemeinden könnten sich nicht an bundesgesetzliche Vorgaben halten, indem sie freie Träger rechtswidrig benachteiligten, entbehre jeder Grundlage und werde auch durch den zu beobachtenden stetigen Anstieg freier Träger bei den Betreuungseinrichtungen widerlegt. Der Landesgesetzgeber missverstehe außerdem die einschlägigen bundesgesetzlichen Vorgaben. Diese verlangten gerade keinen unbedingten Vorrang der freien Träger und forderten insbesondere nicht, dass das vorhandene Angebot öffentlicher Einrichtungen reduziert werden müsse. Ferner werde das mit der Gesetzesänderung verfolgte Ziel nicht folgerichtig und systemkonform umgesetzt. In jedem Fall sei die Änderung aber unverhältnismäßig. Sollten sich Gemeinden nicht rechtskonform verhalten - eine Annahme, für die im Übrigen jede empirische Grundlage fehle - sei dem mit Mitteln der Rechtsaufsicht zu begegnen.

III.

19

Der Deutsche Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung (Bundeskanzleramt und Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend), der Landtag Sachsen-Anhalt, alle Landesregierungen, der Deutsche Städtetag, der Deutsche Städte- und Gemeindebund, der Deutsche Landkreistag, der Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder, die Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder e.V., die Landesvereinigung für Gesundheit Sachsen-Anhalt e.V., der Bundesverband für Kindertagespflege e.V., der Humanistische Verband Deutschlands und der Bundesverband der Natur- und Waldkindergärten in Deutschland e.V. hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Von dieser Möglichkeit haben die Landesregierung Sachsen-Anhalt, der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Städtetag, der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Bundesverband für Kindertagespflege e.V. Gebrauch gemacht.

20

1. Die Landesregierung Sachsen-Anhalt hält die Kommunalverfassungsbeschwerde für unzulässig. Sie sei gegenüber der Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht subsidiär. Von dieser hätten die Beschwerdeführerinnen - teilweise erfolgreich - Gebrauch gemacht. Unerheblich sei dabei, ob die in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG und § 91 Satz 2 BVerfGG enthaltene Subsidiaritätsklausel nur voraussetze, dass auf Landesebene überhaupt ein verfassungsgerichtlicher Rechtsbehelf zur Verfügung stehe, oder ob darüber hinaus auch zu fordern sei, dass die in der Landesverfassung enthaltene Selbstverwaltungsgarantie den in Art. 28 Abs. 2 GG enthaltenen Gewährleistungen gleichwertig sein müsse. Im ersten Fall sei die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil in Sachsen-Anhalt vor dem Landesverfassungsgericht Rechtsschutz gegen förmliche Gesetze gewährt werde. Die zweite Alternative komme von vornherein nicht in Betracht, weil sie eine Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Bundesverfassungsgericht und den Landesverfassungsgerichten unmöglich mache und der Verfassungsautonomie der Länder nur unzureichend Rechnung trage. Sie liefe auf eine unzulässige bundesverfassungsgerichtliche Kontrolle landesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen hinaus und würde so zu einer nicht gewollten Verdopplung des Rechtsschutzes führen. Beschwerdeführende Kommunen könnten im Falle des Misserfolgs einer Kommunalverfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht stets behaupten, der insoweit gewährte Rechtsschutz bleibe hinter den Gewährleistungen des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zurück.

21

Auch die Beschwerdefrist sei nicht gewahrt. Die Rechtslage sei auch schon vor dem von den Beschwerdeführerinnen erwirkten Urteil des Landesverfassungsgerichts klar gewesen. Dies folge aus dem Wortlaut von Art. 87 Abs. 1 Verf LSA, in dem die in Art. 28 Abs. 2 GG verankerte Differenzierung zwischen Gemeinden und Landkreisen gerade nicht zum Ausdruck komme, sowie aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. Das Landesverfassungsgericht habe sich zu keinem Zeitpunkt dahingehend geäußert, dass der Landesverfassung Sachsen-Anhalt ein dem Grundgesetz vergleichbares Konzept zugrunde liege. Um die Frist des § 93 Abs. 3 BVerfGG zu wahren, hätten die Beschwerdeführerinnen die vorliegende Kommunalverfassungsbeschwerde daher parallel zur Landesverfassungsbeschwerde erheben müssen.

22

Die Kommunalverfassungsbeschwerde sei aber auch unbegründet. Der mit der Übertragung der Leistungsverpflichtung auf die Landkreise gegebenenfalls verbundene Eingriff in die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie sei gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe dadurch Synergieeffekte mit den Aufgaben Kinderbetreuung, Kinderschutz und Hilfe zur Erziehung erzielen und zugleich Interessenkonflikte in den Gemeinden abbauen wollen. Die Gemeinden stünden mit Blick auf das Angebot von Tageseinrichtungen der Kinderbetreuung im Wettbewerb mit freien Trägern, denen nach § 4 Abs. 2 SGB VIII ein Vorrang zukomme. In Zeiten abnehmender Kinderzahlen habe eine Verzerrung des Wettbewerbs gedroht, weil die Gemeinden geneigt seien, ihren eigenen Tageseinrichtungen den Vorrang zu geben. Dies gelte besonders angesichts des stetig gestiegenen Anteils an freien Trägern, der im Jahr 2013 in Sachsen-Anhalt 45 % betragen habe; ein weiterer Anstieg sei zu erwarten gewesen. Diese Entwicklung habe einen strukturellen Anreiz für die Gemeinden dargestellt, ihre eigenen Einrichtungen zu bevorzugen. Das damit verbundene Konfliktpotential habe sich in der Vergangenheit bei Fragen der Kostenerstattung auch realisiert. Hier hätten Gemeinden bewusst zu niedrige Kosten angesetzt, wodurch freie Träger finanziell schlechter gestellt worden seien. Auch hätten Gemeinden ihre Pflicht zur Kostentragung sogar dem Grunde nach bestritten, obwohl sie zu deren Übernahme gesetzlich verpflichtet gewesen seien.

23

Die Übertragung der Leistungsverpflichtung sei geeignet, erforderlich und angemessen, um die dargestellten Zwecke zu erreichen. Ein Einschreiten im Wege der Rechtsaufsicht wäre nicht gleichermaßen wirksam gewesen, da dies eine konkrete Rechtsverletzung voraussetze und den strukturellen Konflikt daher nicht neutralisieren könne. Zudem habe die Aufgabenentziehung nur ein geringes Gewicht gehabt. In der Sache habe die Neuregelung keinerlei Veränderungen in Bezug auf die Vermittlung von Plätzen in freien und kommunalen Einrichtungen nach sich gezogen. Allein die diesbezügliche Planungs- und Gewährleistungsverpflichtung treffe nun Landkreise und kreisfreie Städte. Soweit Gemeinden bislang die Bedarfsplanung wahrgenommen hätten, sei dies keine ihnen zugewiesene Aufgabe gewesen. Die Pflicht habe vielmehr schon immer Landkreisen und kreisfreien Städten oblegen, die diese freilich teilweise nicht erfüllt und insoweit ein Vakuum geschaffen hätten, in das die Gemeinden hineingestoßen seien. Soweit die Bedarfsplanung betroffen sei, ändere die Neuregelung daher nichts am bisherigen Rechtszustand. Im Übrigen würden die Gemeinden von Planung und Gestaltung des Leistungsangebots nicht vollständig ausgeschlossen, sondern behielten bestimmenden Einfluss.

24

Soweit kreisfreie Städte und besonders ermächtigte Gemeinden zugleich Träger der Einrichtungen und der öffentlichen Jugendhilfe seien, bleibe der Interessenkonflikt zwar abstrakt bestehen; bei entsprechender Größe der Gemeinde könne dies aber durch eine hinreichend klare interne Kompetenzverteilung aufgefangen werden.

25

2. Der Deutsche Landkreistag führt aus, dass die in § 24 Abs. 2 und Abs. 3 SGB VIII normierte Verpflichtung der Landkreise als Träger der öffentlichen Jugendhilfe eine Pflicht zur sorgfältigen Planung der Jugendhilfe im Bereich der Kindertagesbetreuung begründe. Sie hätten ferner dafür zu sorgen, dass freie und öffentliche Träger die benötigten Plätze schüfen. Wenn dies nicht gelinge, seien sie verpflichtet, selbst eigene Plätze bereitzustellen. Dies sei allerdings bis heute nie der Fall gewesen.

26

Die Kindertagesbetreuung werde bundesweit nahezu flächendeckend von den kreisangehörigen Städten und Gemeinden gewährleistet. In Sachsen-Anhalt seien die Gemeinden durchweg hinreichend leistungsfähig, um die organisatorischen Aufgaben der Kindertagesbetreuung selbst wahrnehmen zu können. Davon blieben die Stellung der Landkreise als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe und ihre Gesamtverantwortung jedoch unberührt. Im Übrigen habe die Wahrnehmung der den Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt im Bereich der Kindertagesbetreuung übertragenen Aufgaben nie Anlass zur Kritik gegeben.

27

3. Der Deutsche Städtetag erläutert, dass die Sicherstellung des Rechtsanspruchs aus § 24 Abs. 2 und Abs. 3 SGB VIII eine umfangreiche Bedarfsanalyse und Bedarfsplanung der öffentlichen Träger der Jugendhilfe voraussetze. Um ein bedarfsgerechtes, vielfältiges und wohnortnahes lokales Angebot sicherzustellen und den Wünschen der Eltern zu entsprechen, sei darauf zu achten, dass möglichst verschiedene Angebote vorhanden seien. Dabei seien vielfältige Kriterien zu berücksichtigen (Wohnort- oder Arbeitsplatznähe, Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, pädagogische Ausrichtung, Betreuungszeiten) und eine kleinräumige Analyse und Planung erforderlich. Für diese würden unterschiedliche Instrumente (Elternbefragung, Auswertung von Informationen über die Entwicklung von Wohnraum und Arbeitsmarkt sowie zur demographischen Entwicklung, Zusammenarbeit mit freien, kirchlichen und gewerblichen Trägern) eingesetzt, die genaue Kenntnisse der lokalen Situation erforderten. Städte und Gemeinden hätten wichtige Aufgaben bei der Gewinnung, Aus- und Fortbildung von Pflegepersonen und bei der Vermittlung von Betreuungsplätzen. Zu ihren Aufgaben gehöre schließlich auch der Betrieb eigener Einrichtungen, die damit zusammenhängende Haushalts- und Finanzplanung, der Abschluss von Verträgen mit freien und gewerblichen Trägern, die Abrechnung mit diesen Trägern, die Erstellung von Jahresstatistiken und der Erlass einer Gebührenordnung.

28

Gründe, die einer Wahrnehmung dieser Aufgaben durch die kreisangehörigen Städte und Gemeinden entgegenstünden, seien nicht ersichtlich. Die Aufgaben hätten einen starken lokalen Bezug, der ihre Anbindung an die kommunale Ebene sinnvoll erscheinen lasse. Die Landkreise hätten durch Gebietsreformen zudem eine Größe erlangt, bei der sie Aufgaben der örtlichen Daseinsvorsorge nur noch schwer erfüllen könnten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund ist der Auffassung, aus Art. 28 Abs. 2 GG folge ein verfassungsunmittelbares Recht der Gemeinden, Kindertageseinrichtungen zu errichten, zu unterhalten und zu betreiben. Dies sei eine Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge und eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft. Zur Sicherstellung dieser Aufgabe würden von den Gemeinden umfangreiche Planungen zur Bedarfsermittlung der verschiedenen Anspruchsgruppen durchgeführt, müssten Plätze vermittelt, Anträge unter Wahrung des Wunsch- und Wahlrechts der Eltern bearbeitet und Verträge mit freien Trägern abgeschlossen werden. Es sei daher folgerichtig, wenn den kreisangehörigen Gemeinden eine Sicherstellungsfunktion zugesprochen werde, die neben die Pflichten des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe trete.

30

Es habe sich bewährt, dass in Sachsen-Anhalt bislang die Gemeinden den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung zu gewährleisten gehabt hätten. Nur so habe ein bedarfsgerechtes Angebot orts- und stadtteilgenau geplant und mit den freien Trägern im Gemeindegebiet koordiniert werden können. Gründe, diese Aufgabe auf die Landkreise zu übertragen, gebe es nicht. Im Gegenteil habe die Gebietsreform in Sachsen-Anhalt besonders große Gemeinden hervorgebracht, die auch entsprechend leistungsfähig seien. Die Landkreise seien dagegen zu groß und heterogen geworden, als dass eine ortsnahe, auf die Bedürfnisse von Eltern und Kindern ausgerichtete Planung noch möglich sei. Zwischen den Gemeinden und den freien Trägern habe sich ein partnerschaftliches Vertrauensverhältnis entwickelt. 45 % der Einrichtungen in Sachsen-Anhalt würden heute durch freie Träger betrieben, obwohl 1990 alle Einrichtungen noch von den Gemeinden betrieben worden seien. Dies allein belege, dass die Gemeinden ihren eigenen Einrichtungen weder den Vorrang gäben, noch diese bei der Finanzierung bevorzugten. Nach der Neuregelung habe den Gemeinden hinsichtlich der freien Träger zwar eine - vom Landesverfassungsgericht beanstandete - Restfinanzierungsverantwortung oblegen; sie dürften aber nicht mehr die Verhandlungen mit den freien Trägern führen.

31

5. Der Bundesverband für Kindertagespflege e.V. führt aus, dass diejenige Stelle, die die Gesamtverantwortung innehabe, für ein bedarfsgerechtes Angebot an Betreuungsplätzen sorgen müsse. Obwohl sich der Rechtsanspruch gegen den örtlichen Träger der Jugendhilfe und damit in der Regel gegen einen Landkreis oder eine kreisfreie Stadt richte, erfolge die konkrete Erfüllung und Bearbeitung des Rechtsanspruchs in der Regel auf kommunaler Ebene. Der örtliche Träger sei zwar für die Bereitstellung verantwortlich; Auswahl und Besichtigung der Einrichtungen erfolgten jedoch auf der lokalen Ebene. An die Einrichtungen wendeten sich in der Regel auch die Eltern, wenn sie einen Betreuungsplatz suchten. Entschieden sich die Eltern für eine kommunale Einrichtung, seien typischerweise die Einrichtung und die Kommune für Vermittlung und Bewilligung zuständig. Sehr häufig würden Kinder bei mehreren Einrichtungen angemeldet, um die Erfolgsaussichten auf einen Platz zu erhöhen, woraus sich Koordinationserfordernisse ergäben. Ohne die Mitwirkung des Leistungsträgers auf der kommunalen Ebene könne ein Betreuungsplatz daher in der Regel nicht bereitgestellt werden.

32

Die Befürchtung des Gesetzgebers, Gemeinden könnten ihre Einrichtungen bevorzugen, sei aus Sicht des Bundesverbands begründet. Dessen Mitglieder berichteten häufig, dass Gemeinden Eltern offensiv zu einer kommunalen Einrichtung rieten. Allerdings bedeute die Übertragung der Zuständigkeit auf die Landkreise als solche keine Abhilfe. Auch dort komme es häufig vor, dass "staatliche" Einrichtungen gegenüber solchen freier Träger bevorzugt würden. Diesem Mangel könne nur dadurch abgeholfen werden, dass auch Zusammenschlüsse freier Träger in der Planung frühzeitig beteiligt würden. Das sei bislang nicht der Fall. Die Fähigkeit zur Aufgabenerfüllung hänge daher nicht davon ab, ob sie von den Gemeinden oder den Kreisen erfüllt würden, sondern davon, ob alle Träger der verschiedenen Einrichtungen in die Bedarfsplanung einbezogen würden. Es bestehe schließlich kein Grund zur Annahme, dass dem Subsidiaritätsgebot für kommunale Einrichtungen durch eine Verlagerung der Aufgaben auf die Landkreise gedient sei. Sinnvoll seien allein landesrechtliche Vorgaben.

IV.

33

In der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2017 haben die Beteiligten ihr schriftsätzliches Vorbringen vertieft und ergänzt.

34

Die Landesregierung Sachsen-Anhalt hat klarstellend ausgeführt, dass den Gemeinden mit der angegriffenen Gesetzesänderung vom 23. Januar 2013 keine Planungs- und Koordinierungsrechte entzogen worden seien. Die Neuregelung in § 3 Abs. 4 KiFöG LSA betreffe ausschließlich die Frage, wer Adressat des gesetzlichen Anspruchs auf Kinderbetreuung sei und diesen zu erfüllen habe. Es handele sich insoweit um die Auferlegung einer Gewährleistungspflicht, für die nunmehr die Jugendämter einzustehen hätten. Dies führe zu keinem Kompetenzzuwachs bei den Landkreisen, sondern begründe, im Gegenteil, neue Haftungsrisiken für diese, weil die Nichtbereitstellung eines Kinderbetreuungsplatzes einen Amtshaftungsanspruch auslösen könne. Auswirkungen habe die Neuregelung lediglich an drei Stellen: Unmittelbar regele sie, wer Verpflichteter des Anspruchs auf Kinderbetreuung sei, mittelbar wirke sie sich aber auf das Wunsch- und Wahlrecht (§ 3b Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 4 KiFöG LSA) und die Unterstützungspflicht zur Einrichtung oder Übernahme von Tageseinrichtungen durch Träger gemäß § 9 Abs. 3 KiFöG LSA aus. In der Sache diene sie der Stärkung der Jugendämter, die die von ihnen zu erbringenden Leistungen aus einer Hand anbieten könnten. Dies sei im Sinne einer kontinuierlichen Qualitätsentwicklung, für welche die örtlichen Träger der Jugendhilfe gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 79a SGB VIII zu sorgen hätten.

B.

35

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

36

Die Gemeinden wenden sich ausdrücklich gegen Art. 1 Nr. 2 Buchstabe c des Gesetzes zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes und anderer Gesetze vom 23. Januar 2013. Dabei handelt es sich um einen tauglichen Beschwerdegegenstand im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 Satz 1 BVerfGG, durch den sie selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen sind (I.). Die Kommunalverfassungsbeschwerde genügt auch den Anforderungen des Subsidiaritätsgrundsatzes gemäß Art. 93 Nr. 4b GG, § 91 Satz 2 BVerfGG (II.) und wurde fristgemäß erhoben (III.).

I.

37

1. Mit ihrer kommunalen Verfassungsbeschwerde greifen die Beschwerdeführerinnen unmittelbar Art. 1 Nr. 2 Buchstabe c des Gesetzes zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes und anderer Gesetze vom 23. Januar 2013 an, soweit mit diesem § 3 Abs. 3 KiFöG LSA 2004 geändert und als § 3 Abs. 4 KiFöG LSA 2013 neu gefasst wurde.

38

2. Die angegriffene Norm betrifft unmittelbar die Auswechslung des zur Erfüllung des Anspruchs auf Kinderbetreuung Verpflichteten gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 KiFöG LSA. Dem Beschwerdevorbringen ist darüber hinaus zu entnehmen, dass sich die Beschwerdeführerinnen auch gegen die Entziehung der mit der Leistungsverpflichtung typischerweise zusammenhängenden Aufgaben wenden.

39

a) Das betrifft insbesondere die Regelungen in § 3b Abs. 1 und § 9 Abs. 3 KiFöG LSA, die selbst zwar unverändert geblieben sind, jedoch auf den Leistungsverpflichteten im Sinne des § 3 Abs. 3 KiFöG LSA 2004 Bezug nehmen und daran rechtliche Wirkungen knüpfen.

40

Gemäß § 3b Abs.1 KiFöG LSA haben die Leistungsberechtigten nach § 3 KiFöG LSA das Recht, im Rahmen freier Kapazitäten zwischen den verschiedenen Einrichtungen am Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts oder einem anderen Ort zu wählen. Sie sind von den Leistungsverpflichteten auf dieses Recht hinzuweisen. Gemäß § 9 Abs. 3 KiFöG LSA soll die Einrichtung oder die Übernahme von Tageseinrichtungen durch Träger im Sinne von Abs. 1 Nr. 2 (anerkannte Träger der freien Jugendhilfe) oder Nr. 3 (sonstige juristische Personen, deren Zweck das Betreiben einer Tageseinrichtung ist und die die Anforderungen des Steuerrechts an die Gemeinnützigkeit erfüllen) durch die Leistungsverpflichteten unterstützt werden. Mit dem Fortfall der Leistungsverpflichtung sind damit auch die in § 3b Abs. 1 und § 9 Abs. 3 KiFöG LSA geregelten Aufgaben auf die örtlichen Träger der Jugendhilfe übergegangen. Da diese Vorschriften an die Stellung als Leistungsverpflichteter anknüpfen, sind sie ebenfalls Gegenstand der vorliegenden Verfassungsbeschwerde.

41

b) Das gilt auch für den behaupteten Entzug der mit der Leistungsverpflichtung verbundenen Planungs- und Koordinierungsaufgaben. Darunter fallen die von den Beschwerdeführerinnen angeführten Aufgaben der Koordinierung und Durchsetzung des Anspruchs auf Kinderbetreuung durch eine Bedarfsanalyse und Bedarfsplanung, die Erstellung und Fortschreibung einer Leitplanung zur Sicherung eines bedarfsgerechten Angebots an Plätzen in Kindertageseinrichtungen im Gemeindegebiet (unter Berücksichtigung der künftigen Auslastung mit Blick auf die demographische Entwicklung und etwaigen Sanierungsbedarf), die Entwicklung und konzeptionelle Planung des Platzangebots sowie des Bestandes an Kindertageseinrichtungen und die Umsetzung der Planung in engem Zusammenwirken mit den freien Trägern, die Erstellung von Jahresstatistiken, der Abschluss von Verträgen über den Betrieb von Kindertageseinrichtungen freier Träger im Gemeindegebiet und die Abstimmung der Gebühren zwischen den Kindertageseinrichtungen einer Gemeinde.

42

Soweit die Beschwerdeführerinnen die Entziehung der Federführung bei der Haushalts- und Finanzplanung in den Einrichtungen und, damit einhergehend, den Verlust der Zuständigkeit für die Defizitabrechnungen mit den freien Trägern in Bezug auf Vorauszahlungen und Endabrechnungen angreifen, wenden sie sich der Sache nach gegen die ersatzlose Streichung des § 11 Abs. 4 KiFöG LSA 2010 durch Art. 1 Nr. 11 des Gesetzes zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes und anderer Gesetze vom 23. Januar 2013. Nach dieser Regelung oblag den Kommunen eine partielle und vorübergehende Finanzierungspflicht bezüglich der vom Land und den örtlichen Trägern der Jugendhilfe erhaltenen Pauschalzahlungen (LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12. Juli 2005 - LVG 6/04 -, juris, Rn. 86; vgl. auch LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. Oktober 2015 - LVG 2/14 -, DVBl 2015, S. 1535 <1536>). In diesem Rahmen waren die leistungsverpflichteten Gemeinden gemäß § 11 Abs. 4 Satz 1 KiFöG LSA 2010 verpflichtet, den freien Trägern von Kindertageseinrichtungen die für den Betrieb notwendigen Kosten abzüglich Elternbeiträge und eines Eigenanteils von in der Regel bis zu 5 v. H. der Gesamtkosten aus den ihnen zweckgebunden zugewandten Mitteln zu erstatten. Gemäß Satz 3 sollten die Leistungsverpflichteten vertragliche Vereinbarungen mit den freien Trägern über den Umfang der Kostenerstattung abschließen, die auch Regelungen über die zu leistenden Abschlagszahlungen enthielten.

43

3. Die Beschwerdeführerinnen sind durch die angegriffenen Rechtsnormen selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Sie haben ihre Rechtsstellung als Leistungsverpflichtete für die Kindertagesbetreuung und die unmittelbar daran anknüpfenden Aufgaben durch die angegriffene Regelung des Art. 1 Nr. 2 Buchstabe c und Nr. 11 des Gesetzes vom 23. Januar 2013 zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes und anderer Gesetze verloren. Insoweit haben sie eine mögliche Verletzung von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG dargelegt (vgl. BVerfGE 71, 25 <36 f.>; 76, 107 <116>; 107, 1 <8>).

II.

44

Der Zulässigkeit der Kommunalverfassungsbeschwerde steht deren Subsidiarität gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 Satz 2 BVerfGG nicht entgegen. Zwar ist eine Kommunalverfassungsbeschwerde gegen Landesgesetze unzulässig, soweit eine solche auch beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 Satz 2 BVerfGG (1.). Der Grundsatz der Subsidiarität der Kommunalverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG findet jedoch keine Anwendung, soweit die landesverfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung hinter dem Gewährleistungsniveau des Art. 28 Abs. 2 GG zurückbleibt (2.). Dies ist hier der Fall (3.).

45

1. Das Grundgesetz eröffnet den Kommunen bei legislativen Eingriffen in ihr durch Art. 28 Abs. 2 GG garantiertes Selbstverwaltungsrecht den Weg zum Bundesverfassungsgericht (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG). Diese Zuständigkeit besteht allerdings nur, soweit die betroffenen Kommunen nicht Beschwerde zum Landesverfassungsgericht erheben können. Der den Landesverfassungsgerichten damit zukommende prinzipielle Vorrang bei der Gewährung von Rechtsschutz gegen Eingriffe in die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ist Ausdruck der den Ländern zukommenden Verfassungsautonomie.

46

Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG genießen die Länder Verfassungsautonomie. Soweit das Grundgesetz nicht besondere Anforderungen statuiert, können sie ihr Verfassungsrecht und ihre Verfassungsgerichtsbarkeit nach eigenem Ermessen ordnen (vgl. BVerfGE 4, 178 <189>; 36, 342 <361>; 60, 175 <207 f.>; 96, 345 <368 f.>; 103, 332 <350>). Sie können in ihre Verfassung nicht nur Staatsfundamentalnormen aufnehmen, die das Grundgesetz nicht kennt, sondern auch Staatsfundamentalnormen, die mit den entsprechenden Staatsfundamentalnormen der Bundesverfassung nicht übereinstimmen (vgl. BVerfGE 36, 342 <361>). Sie sind auch weitgehend frei in der Entscheidung, ob sie Regelungen, die das Grundgesetz enthält, in ihre Landesverfassungen übernehmen oder nicht. Aufgrund ihrer Verfassungsautonomie sind sie nicht verpflichtet, in ihren Verfassungen bestimmte Regelungen vorzusehen. Sie sind nicht einmal verpflichtet, sich überhaupt eine formelle Verfassung zu geben (vgl. Dreier, in: ders., GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 28 Rn. 43, m.w.N.).

47

Insbesondere der Bereich der Verfassungsgerichtsbarkeit der Länder soll vom Bundesverfassungsgericht möglichst unangetastet bleiben (vgl. BVerfGE 36, 342 <357>; 41, 88 <119>; 60, 175 <209>; 96, 231 <242>; 107, 1 <10>). Die Landesverfassungsgerichtsbarkeit soll nicht in größere Abhängigkeit gebracht werden, als es nach dem Bundesverfassungsrecht unvermeidbar ist (vgl. BVerfGE 36, 342 <357>; 41, 88 <119>; 60, 175 <209>; 96, 231 <242>; 107, 1 <10>). Dies bedeutet, dass die Länder - abgesehen von den Fällen der Art. 99 und Art. 100 Abs. 3 GG - durch eine eigene Verfassungsgerichtsbarkeit über die Vereinbarkeit von Landesgesetzen mit der Landesverfassung entscheiden und diese grundsätzlich ohne (inhaltliche) Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht auslegen können (vgl. BVerfGE 41, 88 <119>; 97, 298 <314>). Daraus folgt zugleich, dass für die Landesverfassungsgerichte - unbeschadet spezifischer Anforderungen an die Wirksamkeit landesverfassungsrechtlicher Bestimmungen im Einzelfall - ausschließlich die Landesverfassung den Maßstab ihrer Entscheidungsfindung bildet (vgl. BVerfGE 103, 332 <350 f.>; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, § 91 Rn. 80 ff. ; Lechner/Zuck, BVerfGG, 7. Aufl. 2015, § 91 Rn. 38; vgl. zu den Fällen des Art. 93 Abs. 1 Nr. 5, Art. 99 GG: BVerfGE 6, 376<382>; 64, 301 <317>; 69, 112 <117>; 120, 82 <101>).

48

2. Grenzen der Verfassungsautonomie der Länder ergeben sich aus zwingenden Vorgaben des Grundgesetzes. Die Landesverfassungen müssen diese zwar nicht selbst repetitiv aufnehmen, dürfen ihnen aber auch nicht zuwider- oder sie unterlaufen (vgl. BVerfGE 103, 332 <347 f.>; 139, 321 <361 ff. Rn. 123 ff.).

49

Zu den für die Länder zwingenden Vorgaben des Grundgesetzes gehört auch Art. 28 Abs. 2 GG. In ständiger Rechtsprechung hat nicht nur das Bundesverfassungsgericht Bestimmungen des Landesrechts unmittelbar am Maßstab des Art. 28 Abs. 2 GG gemessen (zuletzt BVerfGE 138, 1<16 ff. Rn. 43 ff.>). Dass die Bestimmungen des Landesrechts einschließlich der Landesverfassung im Einklang mit Art. 28 Abs. 2 GG stehen müssen, entspricht auch der Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte (vgl. BremStGH, Entscheidung vom 4. Juli 1953 - St 1/1953 -, BremStGHE 1, 42 <44>; NdsStGH, Urteil vom 15. Februar 1973 - StGH 2/72 und 3/72 -, DVBl 1973, S. 310 <311 f.>; LVerfG Bbg, Urteil vom 19. Mai 1994 - VfgBbg 9/93 -, LVerfGE 2, 93 <101 f.>; vgl. auch ThürVerfGH, Urteil vom 18. Dezember 1996 - 2/95 und 6/95 -, LVerfGE 5, 391 <409>) und der überwiegenden Auffassung im Schrifttum (vgl. Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Abs. 2 Rn. 136, 141; Dreier, in: ders., GG, Bd. 2, Art. 28 Rn. 83; Nierhaus, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 28 Rn. 39; Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Abs. 2 Rn. 1, 48 ). Das Landesrecht darf daher keine Regelungen enthalten, die mit Art. 28 Abs. 2 GG nicht vereinbar sind. Aus der Sicht des Grundgesetzes macht es dabei keinen Unterschied, ob es sich um ein einfaches Landesgesetz oder eine Regelung der Landesverfassung handelt. Auch Letztere darf dem Grundgesetz nicht widersprechen. Bleiben die landesverfassungsrechtlichen Gewährleistungen hingegen hinter der Garantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zurück, verstieße ein mit dieser Garantie unvereinbares Landesgesetz zwar nicht gegen die Landesverfassung; das Landesverfassungsgericht könnte einen entsprechenden Verstoß auch nicht feststellen. An der Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz ändert dies indes nichts.

50

3. Vor diesem Hintergrund findet der Grundsatz der Subsidiarität der Kommunalverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG keine Anwendung, wenn die landesverfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung hinter dem Gewährleistungsniveau des Art. 28 Abs. 2 GG zurückbleibt. Der Vorrang der Landesverfassungsgerichtsbarkeit reicht nur so weit, wie die Landesverfassung den Garantiegehalt von Art. 28 Abs. 2 GG auch im Wesentlichen abdeckt und seine Wahrung von der Landesverfassungsgerichtsbarkeit überprüft werden kann. Die Subsidiaritätsklausel greift daher zum einen nicht ein, wenn der landesverfassungsrechtliche Rechtsschutz hinter dem durch das Bundesverfassungsgericht gewährten Rechtsschutz zurückbleibt und keine Überprüfung untergesetzlicher Normen zulässt (a). Der Subsidiaritätsgrundsatz steht der Zulässigkeit einer Kommunalverfassungsbeschwerde zum andern dann nicht entgegen, wenn die landesverfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung hinsichtlich ihres materiellen Gewährleistungsgehalts den aus Art. 28 Abs. 2 GG folgenden Gewährleistungsumfang nicht erreicht (b).

51

a) Durch Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG soll eine möglichst umfassende verfassungsgerichtliche Kontrolle von gesetzlichen Gestaltungen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts gewährleistet werden (BVerfGE 107, 1<9>). Eine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts ist daher nicht nur gegeben, wenn das Landesrecht überhaupt keine Kommunalverfassungsbeschwerde vorsieht, sondern auch dann, wenn der zulässige Verfahrensgegenstand durch das Landesrecht enger gefasst wird als dies gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG der Fall ist (vgl. BVerfGE 107, 1 <9>). Gemeinden und Gemeindeverbände können eine nach Landesrecht nicht angreifbare Norm dem Bundesverfassungsgericht daher zur Prüfung stellen, wenn diese nach Bundesrecht "Gesetz" (vgl. BVerfGE 71, 25 <34>; 76, 107 <114>; 137, 108 <137 Rn. 63>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. August 2016 - 2 BvR 2953/14 -, juris, Rn. 18) und damit zulässiger Beschwerdegegenstand der Kommunalverfassungsbeschwerde ist (vgl. BVerfGE 107, 1 <9 f.>). Die Kommunen könnten einen dem Bundesrecht gleichwertigen Rechtsschutz sonst nicht erlangen (vgl. BVerfGE 107, 1 <10>).

52

Eine solche Auslegung der Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG beeinträchtigt nicht die Verfassungsgerichtsbarkeit der Länder als Teil ihrer Verfassungsautonomie. Deren Vorrang reicht nur soweit wie die Kommunen im Land einen der bundesrechtlichen Kommunalverfassungsbeschwerde gleichwertigen Rechtsschutz erlangen können (vgl. BVerfGE 107, 1 <10 f.>). Ein eingeschränkter landesverfassungsgerichtlicher Rechtsschutz begründet dagegen die Reservezuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 107, 1 <11>; aus der Kammerrechtsprechung BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Oktober 2013 - 2 BvR 1961/13 u.a. -, juris, Rn. 4 und vom 25. Juni 2007 - 2 BvR 635/07 -, juris, Rn. 3).

53

b) An einem gleichwertigen Schutz der kommunalen Selbstverwaltung fehlt es auch dann, wenn die landesverfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in der Sache erkennbar hinter den Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 GG zurückbleibt (aa). Das ist jedenfalls der Fall, wenn die Landesverfassung wesentliche Gewährleistungen von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht enthält (bb). Eine eingeschränkte Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung auf Ebene der Landesverfassung nimmt das Grundgesetz zwar hin; es verzichtet jedoch nicht auf die Durchsetzung seiner eigenen Anforderungen an die Garantie kommunaler Selbstverwaltung (cc).

54

aa) Schon der Wortlaut des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG ("wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Art. 28") deutet darauf hin, dass im - dann vorrangigen - Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht zumindest eine Art. 28 Abs. 2 GG vergleichbare Garantie Maßstab sein muss. Art. 28 Abs. 2 GG will bestimmte Mindeststandards an bürgerschaftlicher Selbstbestimmung in ganz Deutschland einheitlich garantieren und tatsächlich gewährleisten. Ohne seine unmittelbare Geltung in den Ländern wäre dies nicht zu erreichen (vgl. BremStGH, Entscheidung vom 4. Juli 1953 - St 1/1953 -, BremStGHE 1, 42 <44>; NdsStGH, Urteil vom 15. Februar 1973 - StGH 2/72 und 3/72 -, DVBl 1973, S. 310 <311 f.>; LVerfG Bbg, Urteil vom 19. Mai 1994 - VfgBbg 9/93 -, LVerfGE 2, 93 <101 f.>; ThürVerfGH, Urteil vom 18. Dezember 1996 - 2/95 und 6/95 -, LVerfGE 5, 391 <409>; Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, Art. 28 Abs. 2 Rn. 136, 141; Dreier, in: ders., GG, Bd. 2, Art. 28 Rn. 83; Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28 Rn. 39; Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Abs. 2 Rn. 1, 48 ). Insoweit handelt es sich bei Art. 28 Abs. 2 GG um ein unmittelbar anwendbares, von der einzelnen Kommune im Rahmen ihrer subjektiven Rechtsstellungsgarantie individuell einklagbares Recht (vgl. BVerfGE 23, 353 <372 f.>; 26, 228 <244>; 76, 107 <119>; 83, 363 <393>; 137, 108 <155 Rn. 109>). Soll diese Garantie nicht leerlaufen, so müssen die Kommunen, wenn nicht wegen einer vergleichbaren landesverfassungsrechtlichen Gewährleistung Zugang zu einem Landesverfassungsgericht besteht, eine Verletzung ihrer Rechte vor dem Bundesverfassungsgericht rügen können.

55

Dieses Verständnis wird auch durch die Entstehungsgeschichte der Vorschriften über die Kommunalverfassungsbeschwerde gestützt. Mit dem Wort "soweit" in § 91 Satz 2 BVerfGG sollte nach dem Willen des Gesetzgebers eine Einschränkung formuliert werden, die Kompetenzen zwischen den Landesverfassungsgerichten und dem Bundesverfassungsgericht aufteilt. Damit sollte jedoch keine Verkürzung der Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes für die Gemeinden und Gemeindeverbände hinsichtlich des durch Art. 28 Abs. 2 GG verbürgten Mindeststandards einhergehen (vgl. Redebeitrag des Abgeordneten Dr. Arndt (SPD) zu Tagesordnungspunkt 11 der 16. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 1. Februar 1951 - Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Bundesverfassungsgerichtsgesetz -, Plenarprotokoll vom 1. Februar 1951, S. 4413 f.).

56

bb) Soweit eine prinzipielle Gleichwertigkeit der Garantien kommunaler Selbstverwaltung auf Bundes- und Landesebene gegeben ist, können Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte vom Bundesverfassungsgericht nicht am Maßstab von Art. 28 Abs. 2 GG überprüft werden. Die Kommunalverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG eröffnet nicht den Weg zu deren mittelbarer Kontrolle (Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2012, Rn. 654).

57

Gleichwertigkeit der Selbstverwaltungsgarantien setzt voraus, dass der landesrechtliche Schutz vergleichbar umfassend und effektiv ist. Der Schutz durch die Landesverfassungsgerichtsbarkeit muss wirksam und funktionsadäquat sein (vgl. Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2012, Rn. 654; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, § 91 Rn. 87 ).

58

Jedenfalls in Fällen, in denen der landesverfassungsrechtlichen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in der autoritativen Auslegung des Landesverfassungsgerichts wesentliche Gewährleistungsinhalte von Art. 28 Abs. 2 GG fehlen, steht die Eröffnung der Kommunalverfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht derjenigen zum Bundesverfassungsgericht insoweit nicht entgegen.

59

Wesentliche Gewährleistungsinhalte von Art. 28 Abs. 2 GG sind solche, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass die institutionelle Garantie der kommunalen Selbstverwaltung substantiell verändert würde. Dazu gehören unter anderem die Gewährleistung eines eigenen Aufgabenbereichs der Gemeinden sowie die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenerfüllung (vgl. BVerfGE 138, 1 <18 Rn. 52>). Zu den grundlegenden Strukturelementen von Art. 28 Abs. 2 GG gehört zudem die Eigenständigkeit der Gemeinden auch und gerade gegenüber den Landkreisen (vgl. BVerfGE 21, 117 <128 f.>; 23, 353 <365>; 79, 127 <150>). Ferner ist das durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG statuierte verfassungsrechtliche Aufgabenverteilungsprinzip hinsichtlich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zugunsten der Gemeinden hierher zu rechnen (BVerfGE 79, 127<150 f.>; 83, 363 <383>; 91, 228 <236>; 110, 370 <400>; 137, 108 <156 f. Rn. 114>; 138, 1 <19 Rn. 54 ff.>), das auch der zuständigkeitsverteilende Gesetzgeber zu beachten hat (vgl. BVerfGE 79, 127 <150 ff.>; 107, 1 <12>; 110, 370 <399 ff.>; 137, 108 <156 f. Rn. 114>; 138, 1 <15 Rn. 41>) sowie die für die Entziehung einer solchen Angelegenheit geltenden strengen Rechtfertigungsanforderungen (vgl. BVerfGE 138, 1 <19 Rn. 54>).

60

cc) Zwar steht es den Ländern somit frei zu bestimmen, inwiefern sie die kommunale Selbstverwaltung durch eine landesrechtliche Garantie absichern, ob deren Verletzung mit einer Kommunalverfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht gerügt werden kann und welcher Prüfungsumfang dem Landesverfassungsgericht dabei auferlegt wird. Bleibt das so bestimmte Schutzniveau jedoch derart hinter den Gewährleistungen des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zurück, dass wesentliche Gewährleistungsinhalte des Art. 28 Abs. 2 GG nicht existieren oder eingeklagt werden können, greift die Subsidiaritätsklausel des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 Satz 2 BVerfGG nicht ein.

61

4. Hiernach steht das Subsidiaritätserfordernis der Zulässigkeit der Kommunalverfassungsbeschwerde nicht entgegen. Vorliegend besteht zwar die Möglichkeit, das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 Verf LSA anzurufen (Art. 75 Nr. 7 Verf LSA, § 51 Abs. 1 VerfGG LSA), was die Beschwerdeführerinnen auch getan haben. Nach der insoweit bindenden Auslegung der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, wie sie das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt in seinem Urteil vom 20. Oktober 2015 - LVG 2/14 - vorgenommen hat, unterscheidet die landesverfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung jedoch nicht zwischen Gemeinden und Landkreisen. Beide werden in den einschlägigen Bestimmungen vielmehr unter dem Begriff "Kommunen" zusammengefasst (LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. Oktober 2015, DVBl 2015, S. 1535 <1538 f.>). Die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt kennt danach auch kein verfassungsrechtliches Aufgabenverteilungsprinzip hinsichtlich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, das der Gesetzgeber zu beachten hat und aus dem sich ein prinzipieller Vorrang der Gemeinde- vor der Kreisebene ableiten lässt, der auch bei kommunalrechtlichen Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen Berücksichtigung verlangt (LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. Oktober 2015, a.a.O.).

62

In Sachsen-Anhalt besteht somit kein gleichwertiger verfassungsrechtlicher Schutz der gemeindlichen Selbstverwaltung. In der Auslegung durch das Landesverfassungsgericht bleibt die in Art. 87 Verf LSA gewährleistete Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in einem wesentlichen Gesichtspunkt hinter der Gewährleistung von Art. 28 Abs. 2 GG zurück, so dass auf Landesebene insoweit auch kein hinreichender Rechtsschutz gegen eine Verletzung der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie besteht.

III.

63

1. Die Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG findet auch im Verfahren der Kommunalverfassungsbeschwerde Anwendung (BVerfGE 107, 1<8>). Sie beginnt allerdings nicht schon mit dem Inkrafttreten des angegriffenen Rechtssatzes, sondern erst mit dem Abschluss eines fachgerichtlichen Verfahrens, wenn die Durchführung dieses Verfahrens nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG geboten ist (vgl. BVerfGE 76, 107 <115 f.>; 107, 1 <8>). Entsprechendes gilt, wenn die Kommune, nachdem sie eine Kommunalverfassungsbeschwerde erhoben hat, auf einen solchen Rechtsbehelf oder auf ein Verfahren vor einem Landesverfassungsgericht verwiesen worden ist und nach Abschluss dieses Verfahrens erneut Kommunalverfassungsbeschwerde erhebt (vgl. BVerfGE 79, 127 <142>; 107, 1 <8>).

64

Dieser Rechtsprechung liegt der allgemeine Gedanke zugrunde, dass die Frist des § 93 Abs. 3 BVerfGG immer dann erst mit Abschluss eines - binnen Jahresfrist eingeleiteten - fach- oder landesverfassungsgerichtlichen Verfahrens beginnt, wenn dessen offensichtliche Erfolglosigkeit bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung nicht von vornherein feststand. Erhebt eine Gemeinde unmittelbar eine Kommunalverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, ohne sich zuvor an das Landesverfassungsgericht gewandt zu haben, muss das Bundesverfassungsgericht diese als unzulässig zurückweisen, wenn die dortige Kommunalverfassungsbeschwerde gleichwertig im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 Satz 2 BVerfGG erscheint. Stellt sich jedoch in dem Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht heraus, dass das Landesverfassungsrecht kein dem Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gleichwertiges Schutzniveau verbürgt, greift der Subsidiaritätsgrundsatz nicht ein (vgl. Rn. 50 ff.). In diesem Fall kann die Gemeinde nicht rechtsschutzlos gestellt werden. Es kann letztlich keinen Unterschied machen, ob eine Kommune das Bundesverfassungsgericht direkt anruft und das nicht fern liegende Risiko in Kauf nimmt, dass die Kommunalverfassungsbeschwerde wegen des Subsidiaritätserfordernisses unzulässig ist, oder ob sie zunächst eine nicht von vornherein aussichtslos erscheinende Kommunalverfassungsbeschwerde vor dem Landesverfassungsgericht erhebt, sich diese jedoch mit Blick auf das Schutzgut des Art. 28 Abs. 2 GG als unzureichend erweist (vgl. BVerfGE 107, 1). Die Frist nach § 93 Abs. 3 BVerfGG kann im zweiten Fall nicht anders als im ersten erst mit Abschluss des landesverfassungsgerichtlichen Verfahrens beginnen.

65

2. Die Kommunalverfassungsbeschwerde wurde fristgerecht erhoben.

66

a) Die im Urteil des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 20. Oktober 2015 vorgenommene Auslegung von Art. 87 Verf LSA, die - soweit es für den vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung ist - zur Erfolglosigkeit der kommunalen Verfassungsbeschwerde nach Landesrecht geführt hat, war in der bisherigen Rechtsprechung nicht angelegt. Die Beschwerdeführerinnen mussten daher nicht davon ausgehen, dass das Landesverfassungsgericht keinen dem Grundgesetz gleichwertigen Schutz der kommunalen Selbstverwaltung gewährleisten würde. Auch aus dem Wortlaut der Regelungen der Landesverfassung musste nicht zwingend der Schluss gezogen werden, dass das Landesverfassungsgericht wie geschehen entscheiden würde. Das lag schon deshalb nicht nahe, weil diese Auslegung nicht nur von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 28 Abs. 2 GG, sondern auch von derjenigen aller anderen Landesverfassungsgerichte, -gerichtshöfe und Staatsgerichtshöfe zu den entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Gewährleistungen (vgl. HessStGH, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, juris, Rn. 88 ff.; LVerfG Bbg, Urteil vom 17. Juli 1997 - 1/97 -, juris, Rn. 64 ff., 86 ff.; Urteil vom 19. Mai 1994 - 9/93 -, juris, Rn. 41 ff.; NdsStGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 - 1/06 -, juris, Rn. 50 ff., 72 ff.; VerfGH NRW, Urteil vom 12. Oktober 2010 - 12/09 -, juris, Rn. 59 ff.; VerfGH RP, Beschluss vom 30. Oktober 2015 - VGH N 65/14 -, juris, Rn. 72 ff.; Urteil vom 28. März 2000 - VGH N 12/98 -, juris, Rn. 28; siehe auch StGH BW, Urteil vom 8. Mai 1976 - 2/75 und 8/75 -, juris, Orientierungssatz; BayVerfGH, Entscheidung vom 9. Mai 2016 - Vf. 14-VII-14 u.a. -, juris, Rn. 165 f.; Entscheidung vom 18. April 1996 - Vf. 13-VII-93 -, juris, Rn. 86 ff.) abgewichen und damit erstmals hinter dem Schutzniveau von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zurückgeblieben ist. Bis dahin war die Rechtslage bundesweit ausnahmslos dadurch gekennzeichnet, dass die Landesverfassungsgerichte die kommunalen Selbstverwaltungsgarantien im Gleichlauf mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ausgelegt haben oder darüber hinaus gegangen sind (siehe nur BayVerfGH, Entscheidung vom 9. Mai 2016 - Vf. 14-VII-14 u.a. -, juris, Rn. 165 f.; Entscheidung vom 18. April 1996 - Vf. 13-VII-93 -, juris, Rn. 86 ff., der Art. 11 BV ein - freilich nicht den Einzelnen schützendes - Grundrecht entnimmt). Die Verfassungsrechtslage in den Ländern wurde insoweit allgemein dahingehend bewertet, dass keine der 16 Landesverfassungen hinter den Vorgaben des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zurückbleibe (Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 36, m.w.N.). Dass das Landesverfassungsgericht eine grundgesetzkonforme Auslegung der Landesverfassung nicht einmal in Betracht ziehen würde, war daher für die Beschwerdeführerinnen nicht vorauszusehen.

67

b) Die Änderung des § 3 Abs. 4 KiFöG LSA ist zum 1. August 2013 in Kraft getreten. Die Beschwerdeführerinnen haben die Kommunalverfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt am 28. Januar 2014 und damit innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes erhoben. Das Urteil des Landesverfassungsgerichts datiert vom 20. Oktober 2015 und ist den Beschwerdeführerinnen am 10. November 2015 zugestellt worden. Ihre am 18. Oktober 2016 beim Bundesverfassungsgericht eingegangene Kommunalverfassungsbeschwerde ist damit innerhalb der Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG erhoben.

C.

68

Die Verfassungsbeschwerde ist bei verfassungskonformer Auslegung von Art. 1 Nr. 2 Buchstabe c des Gesetzes zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes und anderer Gesetze vom 23. Januar 2013 unbegründet. Die Übertragung der Verpflichtung zur Erfüllung des Anspruchs auf Kinderbetreuung auf die Landkreise und die Entziehung der damit verbundenen Aufgaben verletzen die Beschwerdeführerinnen nicht in ihren Rechten aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG.

I.

69

1. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Gemeinden einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich (a) sowie die Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte (b).

70

a) Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sind solche Aufgaben, die das Zusammenleben und -wohnen der Menschen vor Ort betreffen oder einen spezifischen Bezug darauf haben (vgl. BVerfGE 8, 122 <134>; 50, 195 <201>; 52, 95 <120>; 79, 127 <151 f.>; 110, 370 <400>; 138, 1 <16 Rn. 45>). Eine inhaltlich umrissene Aufgabengarantie enthält Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG allerdings nicht (vgl. BVerfGE 79, 127 <146>; 107, 1 <12>; 137, 108 <157 Rn. 114>; 138, 1 <16 Rn. 45>).

71

Die örtlichen Bezüge einer Aufgabe und deren Gewicht für die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung lassen sich nicht an scharf konturierten Merkmalen messen. Vielmehr muss bei ihrer Bestimmung der geschichtlichen Entwicklung und den historischen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung Rechnung getragen werden (vgl. BVerfGE 59, 216 <226>; 91, 228 <238>; 125, 141 <167>; 138, 1 <16 f. Rn. 46>). Es kommt darauf an, ob eine Aufgabe für das Bild der typischen Gemeinde charakteristisch ist (BVerfGE 138, 1 <16 f. Rn. 46>).

72

Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG enthält jedoch keine Garantie des Status quo im Sinne eines einmal erreichten Aufgabenbestands (vgl. BVerfGE 78, 331 <340>; 138, 1 <17 Rn. 47>). Die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft bilden keinen ein für alle Mal feststehenden Aufgabenkreis, weil sich die örtlichen Bezüge einer Angelegenheit mit ihren sozialen, wirtschaftlichen oder technischen Rahmenbedingungen wandeln (BVerfGE 138, 1 <17 Rn. 47>).

73

Um in den Schutzbereich von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zu fallen, muss eine Aufgabe nicht hinsichtlich aller ihrer Teilaspekte eine örtliche Angelegenheit darstellen; sie kann auch nur teilweise als eine solche der örtlichen Gemeinschaft anzusehen, im Übrigen jedoch überörtlicher Natur sein (BVerfGE 138, 1 <17 Rn. 48>; vgl. BVerfGE 110, 370 <401>). Weist eine Aufgabe örtliche und überörtliche Aspekte auf, muss der Gesetzgeber diese bei der Ausgestaltung der Selbstverwaltungsgarantie angemessen berücksichtigen (BVerfGE 138, 1 <17 Rn. 48>).

74

b) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Gemeinden ferner die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte. Eine umfassende staatliche Steuerung der kommunalen Organisation wäre mit dieser verfassungsrechtlich garantierten Eigenverantwortlichkeit unvereinbar (vgl. BVerfGE 91, 228 <239>; 137, 108 <158 Rn. 117>; 138, 1 <17 Rn. 49>). Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Gemeinden insbesondere die Organisationshoheit als das Recht, über die innere Verwaltungsorganisation einschließlich der bei der Aufgabenwahrnehmung notwendigen Abläufe und Zuständigkeiten eigenverantwortlich zu entscheiden. Dies schließt die Befugnis ein, selbst darüber zu befinden, ob eine bestimmte Aufgabe eigenständig oder gemeinsam mit anderen Verwaltungsträgern wahrgenommen wird (sog. Kooperationshoheit; BVerfGE 138, 1 <17 f. Rn. 49>; vgl. BVerfGE 119, 331 <362>).

75

2. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert die kommunale Selbstverwaltung nur im Rahmen der Gesetze. Bei der somit gebotenen gesetzlichen Ausgestaltung steht dem Gesetzgeber jedoch keine ungebundene Gestaltungsfreiheit zu (vgl. BVerfGE 110, 370 <400>; 138, 1 <18 Rn. 50>). Die Bedeutung der Gemeinden für den demokratischen Staatsaufbau (a) bedingt vielmehr einen grundsätzlichen Vorrang der kommunalen Aufgabenzuständigkeit im Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (b).

76

a) Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ist Ausdruck der grundgesetzlichen Entscheidung für eine dezentral organisierte und bürgerschaftlich getragene Verwaltung (BVerfGE 138, 1 <18 Rn. 51>).

77

aa) Art. 28 Abs. 1 und Abs. 2 GG konstituieren die Gemeinden als einen wesentlichen Bestandteil der staatlichen Gesamtorganisation; sie sind ein Teil des Staates, in dessen Aufbau sie integriert und mit eigenen Rechten ausgestattet sind (vgl. BVerfGE 79, 127 <148 f.>; 83, 37 <54>; 138, 1 <18 Rn. 52>). Indem der Verfassungsgeber die gemeindliche Selbstverwaltung in den Aufbau des politisch-demokratischen Gemeinwesens des Grundgesetzes eingefügt und - anders als die Reichsverfassung von 1849 (§ 184), die Weimarer Reichsverfassung von 1919 (Art. 127) oder die Bayerische Verfassung (Art. 11) - nicht als Grundrecht, sondern als institutionelle Garantie ausgestaltet hat, hat er ihr eine spezifisch demokratische Funktion beigemessen (vgl. BVerfGE 47, 253 <275 ff.>; 91, 228 <244>; 138, 1 <18 Rn. 52>). Das Bild der Selbstverwaltung, wie sie der Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 GG zugrunde liegt, wird daher maßgeblich durch das Prinzip der Partizipation geprägt. Kommunale Selbstverwaltung bedeutet ihrer Intention nach Aktivierung der Beteiligten für ihre eigenen Angelegenheiten, die die örtliche Gemeinschaft zur eigenverantwortlichen Erfüllung öffentlicher Aufgaben zusammenschließt mit dem Ziel, das Wohl der Einwohner zu fördern und die geschichtliche und örtliche Eigenart zu wahren (vgl. BVerfGE 11, 266 <275 f.>; 138, 1 <18 Rn. 52>). Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG fordert für die örtliche Ebene insofern eine mit wirklicher Verantwortlichkeit ausgestattete Einrichtung der Selbstverwaltung, die den Bürgern eine effektive Mitwirkung an den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ermöglicht (vgl. BVerfGE 79, 127 <150>; 91, 228 <238>; 107, 1 <12>; 138, 1 <18 f. Rn. 52>). Hierfür gewährleistet die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung den Gemeinden einen eigenen Aufgabenbereich sowie die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenerfüllung und sichert so die notwendigen Bedingungen einer wirksamen Selbstverwaltung (BVerfGE 138, 1 <18 f. Rn. 52>).

78

bb) Dem Wesen der institutionellen Garantie entsprechend bezieht sich der Schutz des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht auf die individuelle Gemeinde, sondern ist abstrakt-generell zu verstehen. Vor diesem Hintergrund kommt es bei der Bestimmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nicht darauf an, ob die Verwaltungskraft einer Gemeinde für die Bewältigung der Aufgabe tatsächlich ausreicht (BVerfGE 138, 1 <19 Rn. 53>; vgl. auch BVerfGE 79, 127 <151 f.>; 110, 370 <400>). Entscheidend ist, ob eine Aufgabe in gemeindlicher Trägerschaft bei typisierender Betrachtung eine sachangemessene, für die spezifischen Interessen der Einwohner und die Wahrnehmung anderer Gemeindeaufgaben förderliche Erledigung finden kann. Auch die Finanzkraft einzelner Gemeinden hat auf die Bestimmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft grundsätzlich keinen Einfluss; vielmehr muss der Staat gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG den Gemeinden gegebenenfalls die Mittel zur Verfügung stellen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen (vgl. BVerfGE 138, 1 <19 Rn. 53>).

79

b) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG statuiert ein verfassungsrechtliches Aufgabenverteilungsprinzip hinsichtlich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zugunsten der Gemeinden (BVerfGE 137, 108<156 f. Rn. 114>; 138, 1 <19 Rn. 54>; vgl. auch BVerfGE 79, 127 <150 f.>; 83, 363 <383>; 91, 228 <236>; 110, 370 <400>). Der Entzug einer solchen Angelegenheit unterliegt strengen Rechtfertigungsanforderungen (aa) und findet in einem unantastbaren Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung (bb) seine Grenze (BVerfGE 138, 1 <19 Rn. 54>).

80

aa) Eingriffe in den von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Aufgabenbestand unterliegen den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 76, 256 <359>; 80, 109 <119 f.>; 108, 129 <136>) auch im Staatsorganisationsrecht dort Bedeutung erlangen kann, wo Träger öffentlicher Gewalt mit Rechten gegenüber dem Staat ausgestattet sind. Das ist bei der Ausgestaltung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie durch den Gesetzgeber der Fall (BVerfGE 138, 1 <19 f. Rn. 55>; vgl. BVerfGE 79, 127 <143 ff., 154>; 103, 332 <367>; 119, 331 <363>; 125, 141 <167 f.>).

81

(1) Steht der Entzug einer Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft im Raum, wandelt sich die für institutionelle Garantien typische Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers praktisch zum Gesetzesvorbehalt (BVerfGE 138, 1 <20 Rn. 56>; vgl. BVerfGE 79, 127 <143>; 107, 1 <12>; 110, 370 <402>). Gesetzliche Regelungen, die den Gemeinden Aufgaben entziehen, sind auf ihre Vereinbarkeit mit dem grundsätzlichen Zuständigkeitsvorrang zugunsten der Kommunen zu prüfen, wenn sie Bezüge zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft aufweisen. Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers ist dabei umso enger und die verfassungsgerichtliche Kontrolle umso intensiver, je mehr die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden als Folge der gesetzlichen Regelung an Substanz verliert (BVerfGE 138, 1 <20 Rn. 56>; vgl. BVerfGE 79, 127 <154>).

82

Hat die Aufgabe einen relevanten örtlichen Charakter, so muss der Gesetzgeber berücksichtigen, dass sie insoweit an sich der gemeindlichen Ebene zuzuordnen ist. Will er die Aufgabe den Gemeinden gleichwohl entziehen, so kann er dies nur, wenn die den Aufgabenentzug tragenden Gründe gegenüber dem verfassungsrechtlichen Aufgabenverteilungsprinzip des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG überwiegen; sein Entscheidungsspielraum ist insoweit normativ gebunden (vgl. BVerfGE 79, 127 <154>).

83

(2) Der Gesetzgeber hat die widerstreitenden Belange der Verwaltungseffizienz und Bürgernähe in einen vertretbaren Ausgleich zu bringen. Dabei muss er nicht jeder einzelnen Gemeinde, auch nicht jeder insgesamt gesehen unbedeutenden Gruppe von Gemeinden, Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 79, 127 <153 f.>). Auch wenn die Verwaltungskraft der einzelnen Gemeinde grundsätzlich ohne Bedeutung für die Bestimmung der örtlichen Angelegenheiten ist, können die Aufgaben nicht für alle Gemeinden unabhängig von ihrer Einwohnerzahl, Ausdehnung und Struktur gleich sein (vgl. BVerfGE 79, 127 <153 f.>). Die Gemeinden sind Teil der staatlichen Verwaltung und dem Gemeinwohl verpflichtet. Unbedingten Vorrang vor den Interessen des Gesamtstaats kann ihr Interesse an einer möglichst weit gehenden Zuständigkeitszuweisung nicht beanspruchen (vgl. BVerfGE 110, 370 <401>). Trotz örtlicher Bezüge ist es deshalb nicht ausgeschlossen, dass eine Aufgabe, die einzelne größere Gemeinden in einem Landkreis auf örtlicher Ebene zu erfüllen vermögen, für andere Teile des Landkreises nur überörtlich erfüllbar ist (BVerfGE 138, 1 <20 f. Rn. 57>).

84

(3) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG konstituiert ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, wonach der Gesetzgeber den Gemeinden örtliche Aufgaben nur aus Gründen des Gemeinwohls entziehen darf, vor allem wenn die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung anders nicht sicherzustellen wäre. Das bloße Ziel der Verwaltungsvereinfachung oder der Zuständigkeitskonzentration - etwa im Interesse der Übersichtlichkeit der öffentlichen Verwaltung - scheidet als Rechtfertigung eines Aufgabenentzugs aus; denn dies zielte ausschließlich auf die Beseitigung eines Umstandes, der gerade durch die vom Grundgesetz gewollte dezentrale Aufgabenansiedlung bedingt ist (BVerfGE 138, 1 <21 Rn. 58>; vgl. BVerfGE 79, 127 <153>). Gründe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der öffentlichen Verwaltung rechtfertigen eine Hochzonung erst, wenn ein Belassen der Aufgabe bei den Gemeinden zu einem unverhältnismäßigen Kostenanstieg führen würde. Auch wenn eine zentralistisch organisierte Verwaltung rationeller und billiger arbeiten könnte, setzt die Verfassung diesen ökonomischen Erwägungen den politisch-demokratischen Gesichtspunkt der Teilnahme der örtlichen Bürgerschaft an der Erledigung ihrer öffentlichen Aufgaben entgegen und gibt ihm den Vorzug. Der Staat ist daher zunächst darauf beschränkt, sicherzustellen, dass die Gemeinden ihre Angelegenheiten nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erfüllen; dass andere Aufgabenträger in größeren Erledigungsräumen dieselbe Aufgabe insgesamt wirtschaftlicher erledigen könnten, gestattet - jedenfalls grundsätzlich - keinen Aufgabenentzug (BVerfGE 138, 1 <21 Rn. 58>; vgl. BVerfGE 79, 127 <153 f.>).

85

Dieses Aufgabenverteilungsprinzip gilt zugunsten kreisangehöriger Gemeinden auch gegenüber den Kreisen. Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG sichert den Gemeindeverbänden - und damit den Kreisen - anders als Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Gemeinden gerade keinen bestimmten Aufgabenbereich (vgl. BVerfGE 21, 117 <128 f.>; 23, 353 <365>; 79, 127 <150>). Aus diesem verfassungsrechtlichen Aufgabenverteilungsprinzip folgt ein prinzipieller Vorrang der Gemeindeebene vor der Kreisebene (BVerfGE 138, 1 <15 Rn. 41>; vgl. BVerfGE 79, 127 <150 ff.>; 107, 1 <12>; 110, 370 <399 ff.>; 137, 108 <156 f. Rn. 114>).

86

Genügen Leistungsfähigkeit und Verwaltungskraft einer Gemeinde nicht, um kommunale Aufgaben wahrzunehmen, gewährleistet Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Kommunen das Recht, diese in kommunaler Zusammenarbeit zu erfüllen, bevor der Staat sie an sich zieht (BVerfGE 138, 1<28 Rn. 74>; vgl. BVerfGE 26, 228 <239>). Daher besteht grundsätzlich ein Vorrang der interkommunalen Zusammenarbeit vor der Hochzonung gemeindlicher Aufgaben auf die Landkreisebene. Erst wenn durch gemeindliche Kooperation die Erfüllung kommunaler Aufgaben nicht sichergestellt werden kann, darf der Staat den Gemeinden die davon betroffenen Zuständigkeiten entziehen.

87

Benehmenserfordernisse genügen grundsätzlich nicht, um den Entzug kommunaler Kompetenzen zu rechtfertigen, weil diese den Gemeinden kein wirksames Mitentscheidungsrecht gewähren. Sie stehen für eine verfahrensrechtliche Beteiligung, der nach dem Willen des Gesetzgebers keine materielle Rechtsposition des beteiligten Trägers öffentlicher Belange korrespondiert. Benehmenserfordernisse sind im Regelfall ausschließlich dem objektiv-rechtlichen Ziel einer breiteren Beurteilungsgrundlage und damit einer besseren Entscheidungsfindung verpflichtet (vgl. BVerfGE 138, 1 <31 Rn. 85>). Die Herstellung des Benehmens erfordert zwar eine Anhörung des Trägers öffentlicher Belange durch die entscheidende Behörde und verpflichtet diese, die Stellungnahme zu erwägen und Möglichkeiten einer Berücksichtigung auszuloten. Der beteiligte Träger öffentlicher Belange soll seinen Standpunkt darlegen, Einwände im Hinblick auf die von ihm vertretenen Interessen erheben und auf das Ergebnis der Entscheidung auch Einfluss nehmen können (BVerfGE 138, 1 <32 Rn. 87>). Eine Benehmensherstellung erfordert allerdings keine Einigung der beteiligten Verwaltungsträger, sondern gestattet es der entscheidenden, das Benehmen herstellenden Behörde, sich über das Vorbringen des beteiligten Trägers öffentlicher Belange hinwegzusetzen. Anders als bei Einvernehmens- oder Zustimmungserfordernissen gewährt das Benehmenserfordernis somit kein echtes Mitentscheidungsrecht (BVerfGE 138, 1 <32 Rn. 87>).

88

bb) Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers findet seine Grenze darüber hinaus im Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie. Mit Blick auf die Aufgabengarantie zählt zum Kernbereich allerdings kein gegenständlich bestimmter oder nach feststehenden Merkmalen bestimmbarer Aufgabenkatalog, wohl aber die Allzuständigkeit als die Befugnis, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft anzunehmen, die nicht anderen Verwaltungsträgern zugeordnet sind (BVerfGE 138, 1 <21 f. Rn. 59>; vgl. BVerfGE 79, 127 <146>; 107, 1 <11 f.>). Im Hinblick auf die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung zählen vor allem die gemeindlichen Hoheitsrechte (Gebiets-, Planungs-, Personal-, Organisations- und Finanzhoheit), die der Staat den Gemeinden im Interesse einer funktionsgerechten Aufgabenwahrnehmung garantieren muss, zu dem durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten Kernbereich. Das gilt jedoch nur in ihrem Grundbestand. Insofern verbietet Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG auch Regelungen, die eine eigenständige organisatorische Gestaltungsfähigkeit der Kommunen ersticken würden (BVerfGE 138, 1<21 f. Rn. 59>; vgl. BVerfGE 91, 228 <239>).

II.

89

Die mit der Neuregelung in Art. 1 Nr. 2 Buchstabe c des Gesetzes zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes und anderer Gesetze vom 23. Januar 2013 verbundene Übertragung der Leistungsverpflichtung zur Erfüllung des Anspruchs auf Kinderbetreuung auf die Landkreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe genügt den Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 GG. Die von den Gemeinden bislang wahrgenommenen Aufgaben betreffen zwar Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft und fallen somit in den Gewährleistungsbereich des Art. 28 Abs. 2 GG (1.). Soweit in der Übertragung der Verpflichtung zur Erfüllung des Betreuungsanspruchs auf Landkreise und kreisfreie Städte ein Eingriff in die kommunale Allzuständigkeit liegen sollte, ist die damit einhergehende Hochzonung der Aufgaben jedenfalls gerechtfertigt (2.).

90

1. Gemäß § 3 Abs. 3 KiFöG LSA 2004 waren die kreisangehörigen Gemeinden für die Erfüllung des Anspruchs auf Kinderbetreuung zuständig (a). Ihnen oblag ferner die Unterstützung der Träger von Tageseinrichtungen gemäß § 9 Abs. 3 KiFöG LSA 2003 (b). Daneben nahmen die Gemeinden mit der Erfüllung dieser Verpflichtungen zusammenhängende Planungs- und Koordinierungsaufgaben wahr (c). Bei sämtlichen dieser Aufgaben handelt es sich um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (d).

91

a) § 3 Abs. 3 KiFöG LSA 2004 regelte die Verpflichtung zur Erfüllung des Anspruchs auf Bereitstellung eines Kinderbetreuungsplatzes. Die Vorschrift legte fest, dass der Anspruch von der Gemeinde zu erfüllen war, in der das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Die Kommune konnte den Anspruch gemäß § 3 Abs. 4 KiFöG LSA 2004 bedienen, in dem sie einen Platz in einer für Kinder zumutbar erreichbaren Tageseinrichtung anbot (Satz 1). Bei Kindern bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres konnte der Anspruch auch durch das Angebot einer Tagespflegestelle erfüllt werden (Satz 2). Damit war der Gemeinde die Aufgabe übertragen, den Anspruchsberechtigten verfügbare Betreuungsplätze zuzuteilen und ihrer Gewährleistungs- und Erfüllungsverpflichtung nachzukommen.

92

Bei der Vergabe eines Betreuungsplatzes hatte die Gemeinde nicht nur das Kriterium einer zumutbar erreichbaren Tageseinrichtung (§ 3 Abs. 4 KiFöG LSA 2004), sondern auch das Wunsch- und Wahlrecht (§ 3b KiFöG LSA 2004) zu beachten. Diese Vorschrift räumte den Leistungsberechtigten das Recht ein, im Rahmen freier Kapazitäten zwischen den verschiedenen Tageseinrichtungen am Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts oder an einem anderen Ort zu wählen (Abs. 1 Satz 1). Hierauf waren diese von der Leistungsverpflichteten hinzuweisen (Abs. 1 Satz 2).

93

Als weiteres Kriterium bei der Vergabe von Betreuungsplätzen hatten die Kommunen den Vorrang der freien Träger (§ 4 Abs. 2 SGB VIII) zu beachten. Standen nach Berücksichtigung der für die Vergabe maßgeblichen Kriterien (zumutbare Erreichbarkeit der Einrichtung, Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts, Beachtung des Vorrangs der freien Träger) noch freie Betreuungsplätze zur Verfügung, verblieb den leistungsverpflichteten Gemeinden ein Spielraum, innerhalb dessen sie vorhandene Kapazitäten vergeben konnten.

94

b) Den Gemeinden oblag gemäß § 9 Abs. 3 in Verbindung mit § 3 Abs. 4 KiFöG LSA 2004 ferner die Pflicht zur Unterstützung der anerkannten freien Träger von Tageseinrichtungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 KiFöG LSA) und sonstigen juristischen Personen, deren Zweck das Betreiben einer Tageseinrichtung war und die die Anforderungen des Steuerrechts an die Gemeinnützigkeit erfüllten (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 KiFöG LSA). Der genaue Inhalt dieser Unterstützungspflicht war gesetzlich nicht definiert, wurde jedoch in Anlehnung an die Regelung des § 4 Abs. 3 SGB VIII als eine auf Kindertageseinrichtungen zugeschnittene spezielle Ausprägung der allgemeinen jugendhilferechtlichen Förderungspflicht zugunsten der freien Träger verstanden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. Mai 2005 - 12 ME 93/05 -, juris, Rn. 5; VGH BW, Urteil vom 22. Mai 2013 - 9 S 889/11 -, juris, Rn. 38 f.; Neumann/Bieritz-Harder, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Werks- stand 12/15, juris, § 4 Rn. 16). Gegenstand der Unterstützung waren etwa die Vergabe von Zuwendungen, die Bereitstellung von Räumen, die Hilfe bei der Beschaffung von Grundstücken, die Zulassung von Mitarbeitern der freien Träger zu Fortbildungsveranstaltungen oder auch eine fachliche Beratung, die die Gemeinden im Anwendungsbereich des § 9 Abs. 3 KiFöG LSA den freien Trägern zukommen lassen konnten.

95

c) Aus den Planungs- und Koordinierungsaufgaben, wie sie den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe aufgrund ihrer Gesamtverantwortung obliegen (aa), hatte der Landesgesetzgeber mit dem Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt 2003 Teilbereiche auf die kreisangehörigen Gemeinden übertragen (bb). Daneben nahmen diese Aufgaben der Kinderbetreuung auch im Rahmen ihrer Allzuständigkeit wahr (cc).

96

aa) Nach § 10 Abs. 1 KiFöG LSA 2003 in Verbindung mit § 1 KJHG LSA waren Landkreise und kreisfreie Städte als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Vorhaltung einer an den Bedürfnissen von Familien und Kindern orientierten, konzeptionell vielfältigen, leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen Struktur von Tageseinrichtungen verantwortlich. Diese landesrechtliche Vorschrift stand im Zusammenhang mit § 79 SGB VIII und sollte gewährleisten, dass zur Erfüllung der Aufgaben nach SGB VIII die erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen (vgl. § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII in der seit 1. Januar 2012 geltenden Fassung und § 79 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in den seit 1. Juli 1998 und 1. Januar 2007 geltenden Fassungen, jeweils i.V.m. § 1 KJHG LSA). Ferner sollte eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung nach Maßgabe von § 79a SGB VIII erfolgen (vgl. § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII in der seit 1. Januar 2012 geltenden Fassung i.V.m. § 1 KJHG LSA). Die Gesamtverantwortung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, einschließlich ihrer Planungsverantwortung, wurde in § 15 KJHG LSA klargestellt.

97

(1) § 79 SGB VIII legt als eine Art "Fundamentalnorm" (Kunkel/Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, beck-online, § 79 Rn. 3; vgl. auch VGH BW, Urteil vom 4. Juni 2008 - 12 S 2559/06 -, juris, Rn. 64) die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe fest. Diese müssen gewährleisten, dass die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlichen und geeigneten Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen (§ 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII).

98

Die Planungsverantwortung wird - als ein in die Zukunft gerichteter Gestaltungsprozess (vgl. Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, beck-online, § 79 Rn. 5) - als nicht trennbarer und wesentlicher Bestandteil der Gesamtverantwortung in § 79 Abs. 1 SGB VIII verstanden (Hilke, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Werksstand 12/14, juris, § 79 Rn. 10). Erst auf der Grundlage einer Planung kann festgestellt werden, ob Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen ausreichen und geeignet sind. Um den Bedarf feststellen zu können, muss der Landkreis die kreisangehörigen Gemeinden in die Planung einbeziehen, wenn dort Einrichtungen und Dienste vorhanden sind oder aufgebaut werden sollen (Kunkel/Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, beck-online, § 79 Rn. 6). Dabei stellt die Planung nach § 80 SGB VIII das entscheidende und umfassende (Steuerungs-)Instrument für die Erfüllung des Sicherstellungsauftrags dar (vgl. Hilke, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Werksstand 12/14, juris, § 79 Rn. 10). Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben im Rahmen ihrer Planungsverantwortung den Bestand an Einrichtungen und Diensten festzustellen (Abs. 1 Nr. 1), den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Personensorgeberechtigten für einen mittelfristigen Zeitraum zu ermitteln (Abs. 1 Nr. 2) und die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Vorhaben rechtzeitig und ausreichend zu planen; dabei ist Vorsorge zu treffen, dass auch ein unvorhergesehener Bedarf befriedigt werden kann (Abs. 1 Nr. 3). Einrichtungen und Dienste sollen so geplant werden, dass insbesondere Kontakte in der Familie und im sozialen Umfeld erhalten und gepflegt werden können (Abs. 2 Nr. 1), ein möglichst wirksames, vielfältiges und aufeinander abgestimmtes Angebot von Jugendhilfeleistungen gewährleistet ist (Abs. 2 Nr. 2), junge Menschen und Familien in gefährdeten Lebens- und Wohnbereichen besonders gefördert werden (Abs. 2 Nr. 3) und Mütter und Väter Aufgaben in der Familie und Erwerbstätigkeit besser miteinander vereinbaren können (Abs. 2 Nr. 4).

99

Bei der Planungsverantwortung im Sinne des § 80 SGB VIII handelt es sich um eine nicht delegierbare, gesetzliche Verpflichtung der Träger öffentlicher Jugendhilfe zur Planung (Eger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, § 80 Rn. 8; vgl. Hilke, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Werksstand 03/13, juris, § 80 Rn. 4), mit der diese ihre Gewährleistungsverpflichtung gemäß § 79 SGB VIII realisieren. Ihr haben sie kontinuierlich nachzukommen. Jugendhilfeplanung kann insofern nicht als eine nach einmaligem Geschehen abgeschlossene Aufgabe verstanden werden (Eger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, § 80 Rn. 8).

100

Die Gesamtverantwortung schließt die Finanzverantwortung ein (Eger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, § 79 Rn. 15; Kunkel/Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, beck-online, § 79 Rn. 7; Hilke, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Werksstand 12/14, juris, § 79 Rn. 13). Demnach haben die Jugendämter die Pflicht, die für die Erfüllung der Aufgaben erforderlichen Finanzmittel bereitzustellen (Wiesner, SGB VIII, beck-online, § 79 Rn. 6).

101

(2) Die Gewährleistungspflicht des § 79 Abs. 2 SGB VIII ist Bestandteil der umfassenden Gesamtverantwortung des öffentlichen Trägers (Eger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, § 79 Rn. 19) und ermöglicht deren Wahrnehmung in struktureller und individueller Hinsicht (vgl. Kunkel/Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, beck-online, § 79 Rn. 9). Sie verpflichtet die Jugendämter, zur Erfüllung ihrer Aufgaben die erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung zu stellen. Damit ist die Gewährleistungspflicht auf Bereitstellung einer zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Infrastruktur gerichtet (vgl. Kunkel/Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, beck-online, § 79 Rn. 13).

102

§ 79 Abs. 2 SGB VIII verpflichtet den Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Schaffung einer pluralen Angebotsstruktur, die Voraussetzung dafür ist, dass die Leistungsberechtigten ihr Wunsch- und Wahlrecht (§ 5) tatsächlich ausüben können (vgl. Kunkel/Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, beck-online, § 79 Rn. 17 f.). Zur Erfüllung aller Aufgaben nach § 2 SGB VIII, also auch zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII), müssen Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen zur Verfügung stehen, die den unterschiedlichen Wertorientierungen in der Gesellschaft entsprechen (§ 3 Abs. 1 SGB VIII), soweit die Leistungsberechtigten dies wünschen (§ 5 Abs. 1 SGB VIII).

103

bb) Mit Inkrafttreten des Kinderförderungsgesetzes Sachsen-Anhalt am 8. März 2003 hat der Gesetzgeber einen Teilbereich der von den örtlichen Trägern der Jugendhilfe aufgrund ihrer Gesamtverantwortung wahrzunehmenden Aufgaben, soweit diese mit der Leistungsverpflichtung im Sinne von § 3 Abs. 3 KiFöG LSA 2004 einhergehen, auf die Gemeinden übertragen.

104

(1) Nach § 69 Abs. 5 Satz 1 und Satz 4 SGB VIII in der vom 8. Dezember 1998 bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung konnten kreisangehörige Gemeinden und Gemeindeverbände, die nicht örtliche Träger sind, kraft Landesrechts für den örtlichen Bereich Aufgaben der Jugendhilfe wahrnehmen. Demnach konnte der Gesetzgeber in Sachsen-Anhalt im Jahre 2003 die Gemeinden rechtswirksam zur Erfüllung des Anspruchs auf Kinderbetreuung verpflichten (vgl. LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12. Juli 2005 - LVG 6/04 -, juris, Rn. 93). Im Zuge der Föderalismusreform I von 2006 wurde die Vorschrift grundlegend überarbeitet und die Bestimmung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe dem Landesrecht zugewiesen (§ 69 Abs. 1 SGB VIII). Seitdem ist der Landesgesetzgeber ohne Weiteres befugt, einzelne Aufgabenfelder den Gemeinden zuzuweisen (vgl. Kunkel/Vondung, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, beck-online, § 69 Rn. 21-23; Weißenberger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, § 69 Rn. 31).

105

Durch das Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt 2003 wurden die Aufgaben der Gemeinden im Bereich der Bereitstellung von Kindertageseinrichtungen wesentlich erweitert. Danach sollten sie in eigenen Einrichtungen eine ausreichende Zahl von Betreuungsplätzen vorhalten, soweit ansonsten die Betreuungsansprüche nach § 3 Abs. 1 KiFöG LSA 2004 im Gemeindegebiet nicht erfüllt werden konnten. Der bis dahin den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe durch § 12 des Gesetzes zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen (KiBeG LSA) zugewiesene Sicherstellungsauftrag wurde auf die Gemeinden verlagert und ihnen als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe zugewiesen (vgl. LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12. Juli 2005 - LVG 6/04 -, juris, Rn. 84). Sie erhielten damit eine örtliche Gesamtverantwortung unabhängig von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit. In Fällen zusätzlicher Nachfrage nach Betreuungsplätzen aufgrund des Zuzugs von Familien, der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit der Eltern, aber auch der Schließung von Einrichtungen freier Träger war die Gemeinde verpflichtet, kurzfristig die eigene Betreuungskapazität zu erhöhen, um die Rechtsansprüche aus § 3 Abs. 1 KiFöG LSA 2004 erfüllen zu können (vgl. LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12. Juli 2005 - LVG 6/04 -, juris, Rn. 85).

106

(2) (a) Die Gemeinden waren für die Koordinierung und Durchsetzung des Anspruchs auf Kinderbetreuung und die Erarbeitung von Bedarfsplanungen ebenso zuständig wie für die Sicherung eines bedarfsgerechten Angebots an Plätzen in Kindertageseinrichtungen sowie die Umsetzung der Planung im Zusammenwirken mit den freien Trägern. Damit nahmen die Gemeinden Planungsaufgaben im Sinne des § 79 Abs. 1, § 80 SGB VIII wahr, die ihnen durch das KiFöG LSA 2003 mit der Verpflichtung zur Erfüllung des Betreuungsanspruchs und der damit verbundenen örtlichen Gesamtverantwortung in Gestalt einer subsidiären Erfüllungsverantwortung (vgl. LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12. Juli 2005 - LVG 6/04 -, juris, Rn. 85) übertragen worden waren.

107

(b) Nach § 11 Abs. 4 Satz 1 KiFöG LSA 2010 waren die Gemeinden ferner verpflichtet, aus den zweckgebundenen Mitteln des Landes und der Träger der öffentlichen Jugendhilfe den freien Trägern von Kindertageseinrichtungen die für den Betrieb notwendigen Kosten abzüglich von Elternbeiträgen und eines Eigenanteils des Trägers von in der Regel bis zu 5 v. H. der Gesamtkosten zu erstatten. Gemäß Satz 3 sollten sie vertragliche Vereinbarungen mit den freien Trägern über den Umfang der Kostenerstattung abschließen. Etwaige Fehlbeträge mussten die Gemeinden selbst aufbringen.

108

(c) Die Gemeinden waren ferner für die Erstellung von Jahresstatistiken zuständig. Hierzu gehörten gemäß § 102 Abs. 2 Nr. 5 SGB VIII in der Fassung vom 8. Dezember 1998 in Verbindung mit § 99 Abs. 8 bis 10 SGB VIII in der Fassung vom 12. Oktober 2000 Erhebungen über die Einrichtungen, Behörden und Geschäftsstellen in der Jugendhilfe und die dort tätigen Personen (Abs. 9) sowie der Ausgaben und Einnahmen der öffentlichen Jugendhilfe (Abs. 10). Daneben mussten sie statistische Erhebungen durchführen, um ihre Betreuungsverpflichtungen erfüllen zu können. Zudem waren die Gemeinden gehalten, eine genaue Bedarfsanalyse und Bedarfsplanung für die örtliche Betreuungsplatzleitplanung durchzuführen und die hierfür erforderlichen Daten zu erfassen.

109

(d) Eine Zuständigkeit für die Schaffung der rechtlichen Grundlagen für den Betrieb von Kindertageseinrichtungen freier Träger im Gemeindegebiet stand den kreisangehörigen Gemeinden dagegen nicht zu. Die öffentliche Anerkennung der freien Träger nach § 75 SGB VIII oblag gemäß § 14 Abs. 1 KJHG LSA entweder den örtlichen Jugendämtern (Nr. 1), dem Landesjugendamt (Nr. 2) oder der obersten Landesjugendbehörde (Nr. 3). Für die Erteilung der Betriebserlaubnis für die konkrete Tageseinrichtung waren gemäß § 85 Abs. 2 Nr. 6, § 45 SGB VIII die überörtlichen Träger der Jugendhilfe zuständig.

110

cc) Im Übrigen haben die kreisangehörigen Gemeinden in Sachsen-Anhalt Aufgaben im Bereich der Kinderbetreuung auf der Grundlage von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG übernommen. Zum Kernbereich des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts gehört die Befugnis, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind, ohne besonderen Kompetenztitel anzunehmen (vgl. BVerfGE 79, 127 <146>; 107, 1 <11 f.>; 138, 1 <21 f. Rn. 59>). Diese Aufgaben standen gewissermaßen neben den ihnen übertragenen - jugendhilferechtlich determinierten - Aufgaben und haben sich mit diesen zum Teil überschnitten. So waren die kreisangehörigen Gemeinden in Sachsen-Anhalt - wie überall in Deutschland - auch für die Errichtung, den Betrieb und die Finanzierung eigener Kindertagesstätten, die "Mikroplanung" des kommunalen Betreuungsbedarfs, die Unterstützung der freien Träger und die Statistik zuständig.

111

d) Die von den kreisangehörigen Gemeinden aufgrund ihrer Verpflichtung zur Erfüllung des Anspruchs auf Kinderbetreuung gemäß § 3 Abs. 3 KiFöG LSA 2004, zur Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts (§ 3b KiFöG LSA 2004) und zur Unterstützung der freien Träger von Tageseinrichtungen gemäß § 9 Abs. 3 KiFöG LSA 2003 wahrgenommenen Aufgaben sowie die mit diesen zusammenhängenden Planungs- und Koordinierungsaufgaben sind Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft und insoweit durch Art. 28 Abs. 2 GG gegen eine rechtsgrundlose und unverhältnismäßige Entziehung geschützt. Ihr örtlicher Bezug (aa) wird weder durch die begrenzte Dauer der Aufgabenwahrnehmung (bb) noch durch die teilweise bundesrechtliche Determinierung der Aufgabe in Frage gestellt (cc).

112

aa) Die Gewährleistungsverpflichtung für die Kinderbetreuung hat einen örtlichen Bezug und ist für das Zusammenleben vor Ort von zentraler Bedeutung. Das Bedürfnis an Betreuungseinrichtungen für ihre nicht schulpflichtigen Kinder ist den Gemeindeeinwohnern gemeinsam, weil es das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betrifft (vgl. BVerfGE 138, 1 <24 Rn. 65>). Insoweit zählen die wohnortnahe Bereitstellung von Betreuungsplätzen für Kinder und die damit zusammenhängenden Verwaltungsaufgaben zu den Bedürfnissen und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben.

113

Dass die Wahrnehmung der mit der Kinderbetreuung zusammenhängenden Verwaltungsaufgaben durch die Gemeinden in Sachsen-Anhalt nicht auf historische Vorläufer zurückblicken kann, ändert nichts an diesem Befund. Zwar wurde die Leistungsverpflichtung den Gemeinden erst im Jahre 2003 auferlegt. Daraus folgt indes nicht, dass diese Aufgaben aus dem Gewährleistungsgehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG herausfielen. Für die Bestimmung des Gewährleistungsbereichs ist das historische Erscheinungsbild der Gemeinden insofern relevant, als der Umstand, dass eine Aufgabe schon seit jeher von den Gemeinden erfüllt wurde, ein - unter Umständen entscheidendes - Indiz für die Zugehörigkeit zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung sein kann (vgl. BVerfGE 138, 1 <23 ff. Rn. 63 ff.>). Das geschichtliche Erscheinungsbild ist insoweit ein gegebenenfalls hinreichendes, aber kein notwendiges Kriterium (vgl. Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Abs. 2 Rn. 51 ). Denn die örtlichen Bezüge einer Angelegenheit wandeln sich mit ihren sozialen, wirtschaftlichen oder technischen Rahmenbedingungen (BVerfGE 138, 1 <17 Rn. 47>). Der erforderliche örtliche Bezug kann deshalb auch bei neuen Aufgaben gegeben sein, die keine historischen Vorläufer kennen.

114

Dies wird auch durch die rechtliche Ausgestaltung des Betreuungsanspruchs deutlich. Anspruch auf einen Betreuungsplatz haben alle Kinder bis zu einem bestimmten Alter, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Sachsen-Anhalt haben (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 KiFöG LSA). Dieser Anspruch ist auf eine zumutbar erreichbare Tageseinrichtung gerichtet (§ 3 Abs. 5 Satz 1 KiFöG LSA) und entspricht dem das Jugendhilferecht beherrschenden Prinzip der Wohnortnähe (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII). Dasselbe folgt aus der Gesamtverantwortung des Jugendhilfeträgers für ein bedürfnis- und bedarfsgerechtes Angebot gemäß § 79, § 22 Abs. 3 SGB VIII (Kaiser, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, § 24 Rn. 18). Daher wird der aus § 24 SGB VIII folgende Anspruch nur erfüllt, wenn die Betreuungseinrichtung vom Wohnsitz des Kindes aus in vertretbarer Zeit erreicht werden kann (vgl. BayVGH, Urteil vom 22. Juli 2016 - 12 BV 15.719 -, juris, Rn. 46 ff.). Das Bundesrecht verlangt, dass der örtliche Bedarf primär örtlich befriedigt wird und dass überörtliche Angebote den Anspruchsberechtigten nur in entsprechend gelagerten Einzelfällen zugemutet werden. Ein genereller Verweis auf alle in einem Landkreis bestehenden Angebote würde dem nicht gerecht.

115

Die Gewährleistungsverpflichtung zielt also darauf, dem lokalen Bedarf ein lokales Angebot gegenüberzustellen. Auch soweit es Bedarf daran gibt, Kinder auswärtig betreuen zu lassen, ändert dies nichts an der grundsätzlichen Zuordnung der Aufgabe zum örtlichen Bereich (vgl. BVerfGE 110, 370 <401>; 138, 1 <17 Rn. 48>).

116

Dieses Ergebnis wird durch einen Vergleich mit der Trägerschaft für Grund- und Hauptschulen bestätigt, die der Senat ebenfalls als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft qualifiziert hat (vgl. BVerfGE 138, 1 <24 f. Rn. 65 f.). Hat das Bildungsangebot für schulpflichtige Kinder einen spezifisch örtlichen Bezug, muss dies erst recht für Kinder im Vorschulalter gelten, da deren Mobilität noch eingeschränkter ist und die Verwirklichung der insoweit bestehenden Ansprüche und Pflichten noch stärker vom Wohnort der Eltern abhängt.

117

Vor diesem Hintergrund war die Leistungsverpflichtung den Gemeinden durch Gesetz zugewiesen und zur Pflichtaufgabe gemacht worden. Es handelte sich insoweit um eine "pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe" (LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12. Juli 2005 - LVG 6/04 -, juris, Rn. 81 und Rn. 84), die zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinden gehörte und daher von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG erfasst ist (vgl. HessStGH, Urteil vom 6. Juni 2012 - P.St.2292 -, juris, Rn. 93 f.). Eine Fachaufsicht bestand nicht.

118

bb) Diese Rechtslage hat in Sachsen-Anhalt zwar nur in der Zeit von 2003 bis 2013 gegolten. Die begrenzte Dauer der Aufgabenwahrnehmung spielt für die Zuordnung zum Gewährleistungsbereich des Art. 28 Abs. 2 GG - anders als das Landesverfassungsgericht offenbar annimmt (vgl. LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. Oktober 2015 - LVG 2/14 -, DVBl 2015, S. 1535 <1539>) - jedoch keine entscheidende Rolle, weil die historische Zuordnung einer Aufgabe für die Zugehörigkeit zum Begriff der örtlichen Angelegenheit und der Funktion der Selbstverwaltungsgarantie von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist.

119

cc) Etwas anderes folgt schließlich auch nicht aus der bundesrechtlichen Determinierung der Aufgabe. Zwar ergibt sich der Anspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder teilweise schon aus § 24 SGB VIII, auch ist für den in § 24 Abs. 1 bis Abs. 4 SGB VIII näher definierten Betreuungsanspruch der örtliche Träger zuständig, § 85 Abs. 1 SGB VIII. Eine Aufgabenzuweisung an die Kommunen ist damit jedoch nicht verbunden (§ 69 Abs. 1 SGB VIII) und darf es von Verfassungs wegen auch nicht sein (Art. 84 Abs.1 Satz 7 GG).

120

(1) Dass die Pflicht, eine bestimmte Aufgabe wahrzunehmen bundesgesetzlich geregelt ist, hindert ihre Einordnung als Selbstverwaltungsaufgabe nicht (vgl. Dreier, in: ders., GG, Bd. 2, Art. 28 Rn. 105; Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, Art. 28 Abs. 2 Rn. 174 f.; anders ist dies bei staatlichen Aufgaben: Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Abs. 2 Rn. 44 ). Ob die Pflicht bundes- oder landesrechtlich normiert ist, ist eine Frage der Gesetzgebungskompetenz; davon unabhängig ist zu entscheiden, ob die Aufgabe dem Gewährleistungsbereich von Art. 28 Abs. 2 GG unterfällt. Begründet der Bund im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenzen eine (materielle) Aufgabe, die unter dem Blickwinkel von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft ist, liegt es an den Ländern, die Zuständigkeiten so zu regeln, dass die Direktiven des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewahrt sind (vgl. BVerfGE 79, 127 <152>). Das gilt auch für das Achte Buch Sozialgesetzbuch (vgl. Schellhorn, in: Schellhorn/Fischer/Mann, SGB VIII, 3. Aufl. 2007, § 69 Rn. 25).

121

(2) Die Wahrnehmung der Leistungsverpflichtung durch die Gemeinden kollidiert auch nicht mit bundesgesetzlichen Vorgaben über Zuständigkeiten im Bereich des Kinder- und Jugendhilferechts. Insbesondere stehen ihr nicht die Zuständigkeitsregelungen der § 69, § 85 SGB VIII entgegen.

122

Ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ist in § 24 Abs. 2 und Abs. 3 SGB VIII insoweit normiert, als es um den Anspruch auf Betreuung in einer Tageseinrichtung zwischen dem ersten Geburtstag und dem Schuleintritt geht. Nach § 24 Abs. 6 SGB VIII bleibt weitergehendes Landesrecht unberührt, was insbesondere die Rechtslage in den ostdeutschen Ländern sichern soll (statt aller Kaiser, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, § 24 Rn. 41). Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII und § 85 Abs. 1 SGB VIII richtet sich der Rechtsanspruch gegen den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Winkler, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl. 2015, Sammelkommentierung zum SGB VIII Rn. 91; Struck, in: Wiesner, SGB VIII, § 24 Rn. 18; Wiesner/Grube/Kößler, Der Anspruch auf frühkindliche Förderung und seine Durchsetzung, 2013, S. 9). Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe werden durch Landesrecht bestimmt, § 69 Abs. 1 SGB VIII. Gleichzeitig bestimmt § 79 SGB VIII, dass die Gesamtverantwortung für die Erfüllung der Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch VIII beim Träger der öffentlichen Jugendhilfe liegt, der nach § 80 SGB VIII auch für die Bedarfsplanung zuständig ist.

123

Mit dem Verweis auf das Landesrecht verlangt § 69 Abs. 1 SGB VIII - anders als vor der Föderalismusreform I - nicht mehr, dass Landkreise und kreisfreie Städte örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe sein müssen (Weißenberger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, § 69 Rn. 11). Der Vorschrift ist auch nicht zu entnehmen, dass die nach Bundesrecht dem örtlichen Träger zugewiesenen Aufgaben zwingend von demselben Verwaltungsträger wahrzunehmen sind. Dies folgt nicht nur aus einem Vergleich mit der früheren Rechtslage, in der die Übertragung der Trägerschaft als solche oder auch nur die Zuweisung einzelner Aufgaben durch die Landkreise an kreisangehörige Gemeinden ausdrücklich geregelt war. Dieses Verständnis ergibt sich auch aus Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG in seiner durch die Föderalismusreform I 2006 geschaffenen Fassung, der es grundsätzlich ausschließt, dass Bundesgesetze (verpflichtende) Regelungen über die Einrichtung der Landesbehörden enthalten. Regelungen über die Einrichtung der Behörden dürfen ausweislich des Art. 84 Abs. 1 Satz 3 GG nicht abweichungsfest ausgestaltet werden, und mit Blick auf Gemeinden und Gemeindeverbänden bestimmt Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG ausdrücklich, dass ihnen durch Bundesgesetz Aufgaben nicht übertragen werden dürfen. Dieses Durchgriffsverbot gilt ausnahmslos (vgl. BVerfGE 119, 331 <359>; Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 84 Rn. 56; F. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 154 ).

124

Das Bundesrecht legt vorliegend weder fest, welche Verwaltungsebene die von ihm normierten materiell-rechtlichen Aufgaben erfüllen muss, noch regelt es, dass diese einheitlich von derselben Ebene wahrgenommen werden müssen. Eine zuständigkeitsbezogene Vorgabe besteht allerdings insoweit, als diejenige Körperschaft, die nach Landesrecht der örtliche Träger ist, die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung zu tragen hat, § 79 Abs. 1 SGB VIII. Dazu gehört auch die Pflicht, für eine ausreichende Zahl an Betreuungsplätzen zu sorgen (Struck, in: Wiesner, SGB VIII, § 24 Rn. 20 f.). Daraus mögen sich Grenzen für die Möglichkeit ergeben, die Trägerschaft auf kreisangehörige Gemeinden zu übertragen; der Übertragung der Leistungsverpflichtung steht die Gesamtverantwortung des Trägers aber nicht entgegen.

125

2. Vor diesem Hintergrund stellt die Übertragung der Leistungsverpflichtung auf Landkreise und kreisfreie Städte durch Art. 1 Nr. 2 Buchstabe c des Gesetzes zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes und anderer Gesetze vom 23. Januar 2013 beziehungsweise § 3 Abs. 4 KiFöG LSA 2013 eine Hochzonung von Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft dar (a). Der damit verbundene Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie ist jedoch von sachlichen Gründen getragen (b). Die Übertragung der Leistungsverpflichtung auf die Landkreise erscheint deshalb für die Gemeinden zumutbar (c).

126

a) Es sprechen gute Gründe dafür, dass die Auswechslung des Leistungsverpflichteten mit § 3 Abs. 4 KiFöG LSA 2013 und die damit verbundene Übertragung der mit der Erfüllung des Anspruchs auf einen Betreuungsplatz zusammenhängenden Verwaltungsaufgaben eine Hochzonung von Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft darstellt. Dies betrifft zunächst die Leistungsverpflichtung zur Erfüllung des Anspruchs auf Kinderbetreuung unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts gemäß § 3b, § 3 Abs. 4 KiFöG LSA 2013. Auch im Bereich der Finanzierung der Kinderbetreuung hat die gesetzliche Neuregelung Einschränkungen des Aufgabenfeldes der kreisangehörigen Gemeinden mit sich gebracht. So fiel den Kommunen nach der alten Gesetzeslage die Finanzierung der freien Träger im Rahmen einer partiellen und vorübergehenden Finanzierungspflicht als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe (vgl. Rn. 105) zu. Sie konnten mit den im Gemeindegebiet ansässigen freien Trägern von Kindertageseinrichtungen vertragliche Vereinbarungen über den Umfang der Kostenerstattung nach § 11 Abs. 4 Satz 3 KiFöG LSA 2010 schließen (vgl. Rn. 107). Insoweit hatten sie aufgrund ihrer Leistungsverpflichtung eine ihrer örtlichen Gesamtverantwortung entspringende umfassende Finanzverantwortung für die Errichtung, den Betrieb und die Unterhaltung der in ihrem Gemeindegebiet vorhandenen oder zusätzlich aus Bedarfsgründen erforderlichen Kindertagesstätten (vgl. Rn. 105), die ihnen heute nicht mehr zusteht.

127

b) Die gesetzliche Regelung wird indes durch hinreichende sachliche Gründe getragen (vgl. BVerfGE 138, 1 <29 ff. Rn. 78 ff.>). Die Übertragung der Leistungsverpflichtung soll der Stärkung der staatlichen Jugendämter (aa), einer kontinuierlichen Qualitätsentwicklung (bb), sowie der Zusammenführung der haftungsbewehrten Gewährleistungspflicht zur Bereitstellung eines Kinderbetreuungsplatzes mit der landesrechtlichen Verpflichtung zur Erfüllung des Anspruchs auf Kinderbetreuung (cc) dienen.

128

aa) Das Anliegen, die staatlichen Jugendämter zu stärken, zielt auf die Konzentration der Aufgaben der Jugendhilfe bei den örtlichen Trägern. Es entspricht damit dem gesetzlichen Leitbild des § 79 Abs. 1 SGB VIII, der die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe begründet und sie verpflichtet zu gewährleisten, dass die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlichen und geeigneten Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen (VGH BW, Urteil vom 4. Juni 2008 - 12 S 2559/06 -, juris, Rn. 64).

129

Diesem Leitbild entspricht, wie die Landesregierung in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, das Anliegen des sachsen-anhaltinischen Gesetzgebers, die Leistungen der Kinderbetreuung aus einer Hand anzubieten und sie bei den örtlichen Trägern der Jugendhilfe zu konzentrieren. Dem folgend, hat er die mit der Leistungsverpflichtung verbundene örtliche Gesamtverantwortung (vgl. LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12. Juli 2005 - LVG 6/04 -, juris, Rn. 85) (wieder) den örtlichen Trägern der Jugendhilfe übertragen und ihnen auch die Bedarfsplanung gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 SGB VIII zugewiesen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 KiFöG LSA). Der Stärkung der staatlichen Jugendämter dient - wie die Vertreterin der Landesregierung in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat - ferner das Anliegen, durch die gemeinsame Wahrnehmung der Aufgaben der Kinderbetreuung, des Kinderschutzes und der Hilfe zur Erziehung Synergieeffekte zu erzielen.

130

bb) Der Bündelung der Kompetenzen bei den Jugendämtern liegt zugleich das Anliegen einer Qualitätssteigerung zugrunde. Die Gewährleistung einer kontinuierlichen Qualitätsentwicklung ist Teil der Gesamtverantwortung des örtlichen Trägers der Jugendhilfe (§ 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 79a SGB VIII) und war bereits vor ihrer ausdrücklichen gesetzlichen Verankerung zum 1. Januar 2012 als solcher anerkannt (Eger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, § 79a Rn. 4).

131

Die Pflicht zur Qualitätsentwicklung bezieht sich nach § 79a Satz 1 Nr. 1 SGB VIII auf die Gewährung und Erbringung von Leistungen und gilt auch für die Aufgaben der Kinderbetreuung. Vor diesem Hintergrund wollte der Gesetzgeber die Gesamtverantwortung für die Vergabe von Kinderbetreuungsplätzen im Interesse der Qualitätssicherung bei den Jugendämtern konzentrieren. Zur Qualitätssicherung gehört die Einhaltung der maßgeblichen Vergabekriterien, also die Sicherstellung rechtmäßiger Vergabeentscheidungen. Bei diesen ist neben dem Kriterium der zumutbar erreichbaren Tageseinrichtung gemäß § 3 Abs. 5 KiFöG LSA 2013 sowie des Wunsch- und Wahlrechts gemäß § 3b KiFöG LSA 2013 auch der Vorrang der freien Träger gemäß § 4 Abs. 2 SGB VIII zu berücksichtigen.

132

Es ist darüber hinaus ein legitimes Anliegen der Qualitätsentwicklung bei der Vergabe von Kinderbetreuungsplätzen, einer möglichen Missbrauchsgefahr, die sich aus der Wettbewerbssituation zwischen Gemeinden und freien Trägern ergeben kann, und möglichen Fehlentscheidungen in der Zukunft zu begegnen. Ob die Konkurrenz zwischen kommunalen und freien Betreuungsangeboten zu einem strukturellen Interessenkonflikt geführt hat, kann an dieser Stelle dahinstehen. Ein solcher kann jedenfalls nicht allein damit begründet werden, dass kreisangehörige Gemeinden in der Vergangenheit mit freien Trägern über die Erstattung der nach § 11 Abs. 4 KiFöG LSA 2010 für den Betrieb der Tageseinrichtung notwendigen Kosten gestritten haben und es deshalb zu einigen wenigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren gekommen ist (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 22. Februar 2006 - 6 A 230/04 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. Februar 2011 - 3 L 792/08 -, juris). Dessen ungeachtet ist die Prognose des Gesetzgebers nicht zu beanstanden, dass es aufgrund des Nebeneinanders von kommunalen und freien Einrichtungen einen Interessenkonflikt zwischen den Gemeinden und ihren privaten Wettbewerbern geben und der von der Landesregierung als Vorrangregelung für letztere verstandene § 4 Abs. 2 SGB VIII dadurch unterlaufen werden kann. Offen bleibt allerdings, warum ein solcher Interessenkonflikt bei kreisfreien Städten, bei denen Leistungsverpflichtung und die Trägerschaft von Kindertagesstätten weiterhin zusammenfallen, nicht möglich sein soll. Jedenfalls handelt es sich mit Blick auf die in § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 79a SGB VIII normierte Pflicht zur Gewährleistung einer kontinuierlichen Qualitätsentwicklung um einen legitimen Zweck, wenn zum Schutz der freien Träger vor potentieller Benachteiligung bei der Vergabe von Betreuungsplätzen die maßgebliche Vergabeentscheidung auf die örtlichen Träger der Jugendhilfe übertragen wird.

133

cc) Die Zusammenführung der haftungsbewehrten unbedingten Gewährleistungspflicht zur Bereitstellung eines Kinderbetreuungsplatzes und der landesrechtlichen Leistungsverpflichtung auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte stellt ebenfalls einen legitimen Zweck dar.

134

Die Änderung des Leistungsverpflichteten in § 3 Abs. 4 KiFöG LSA zum 1. August 2013 ging einher mit der am selben Tag in Kraft getretenen Änderung des § 24 SGB VIII. Dieser sieht zum einen objektiv-rechtliche Verpflichtungen zur Betreuung von Kindern ab der Geburt bis vor Vollendung des ersten Lebensjahres (Abs. 1) und im schulpflichtigen Alter (Abs. 4) vor (vgl. Rixen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, § 24 Rn. 8). Zum andern beinhaltet er in den Absätzen 2 und 3 Rechtsansprüche auf Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen oder in der Kindertagespflege von der Vollendung des ersten Lebensjahrs an bis zum Schuleintritt, bei deren Nichterfüllung Amtshaftungsansprüche aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG entstehen können (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2016 - III ZR 302/15 -, juris, Leitsatz und Rn. 15 ff.). Aus der Regelung erwächst für den örtlich und sachlich zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe somit die (Amts-)Pflicht, im Rahmen seiner Gesamtverantwortung sicherzustellen, dass für jedes anspruchsberechtigte Kind, für das ein entsprechender Bedarf rechtzeitig angemeldet worden ist (§ 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII), ein Betreuungsplatz zur Verfügung steht; insoweit trifft ihn eine unbedingte Gewährleistungspflicht (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2016 - III ZR 302/15 -, juris, Rn. 17). Die vorbezeichnete Amtspflicht besteht nicht nur im Rahmen der vorhandenen Kapazität; vielmehr trifft den gesamtverantwortlichen Jugendhilfeträger die unbedingte Pflicht, eine ausreichende Zahl von Betreuungsplätzen selbst zu schaffen oder durch geeignete Dritte - freie Träger der Jugendhilfe, Kommunen oder Tagespflegepersonen - bereitzustellen (vgl. BVerfGE 140, 65 <84 Rn. 43>; BGH, Urteil vom 20. Oktober 2016 - III ZR 302/15 -, juris, Rn. 18). Gesamtverantwortlich sind aufgrund der landesrechtlichen Regelung in § 1 KJHG LSA in Sachsen-Anhalt die Landkreise und kreisfreien Städte. Die gesetzliche Neuregelung sorgt für einen Gleichlauf der die Landkreise und kreisfreien Städte aus § 24 Abs. 2 und Abs. 3 SGB VIII in Verbindung mit dem Landesrecht treffenden haftungsbewehrten Gewährleistungspflicht zur Bereitstellung eines Kinderbetreuungsplatzes auf der einen Seite und der landesrechtlichen Verpflichtung zur Erfüllung des Anspruchs auf Kinderbetreuung gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 KiFöG LSA 2013 auf der anderen Seite.

135

c) Die angegriffene Regelung genügt auch den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Sie ist geeignet, erforderlich und zumutbar.

136

aa) Sie lässt das Recht der kreisangehörigen Gemeinden unberührt, sich aufgrund ihrer Allzuständigkeit freiwillig der örtlichen Aufgabe der Kinderbetreuung und insbesondere der damit zusammenhängenden Planungs- und Koordinierungsaufgaben für ihr Gemeindegebiet anzunehmen. Die Allzuständigkeit erlaubt den kreisangehörigen Gemeinden auch im Bereich der Jugendhilfe einzelne Aufgaben freiwillig zu übernehmen (vgl. Weißenberger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, § 69 Rn. 32), solange diese nicht zum ausschließlichen gesetzlichen Aufgabenfeld der staatlichen Jugendämter gehören.

137

Ausgehend davon sind die kreisangehörigen Gemeinden nach der KiFöG-Reform des Jahres 2013 weiterhin für folgende Aufgaben im Rahmen der Kinderbetreuung zuständig:

138

Sie können Kindertageseinrichtungen in eigener Trägerschaft errichten, finanzieren und betreiben (vgl. VG Göttingen, Beschluss vom 21. August 1998 - 2 B 2297-98 -, NVwZ-RR 1999, S. 130; Weißenberger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, § 69 Rn. 32; Kunkel/Vondung, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, beck-online, § 69 Rn. 24; für Art. 11 Abs. 2 BayVerf: VG Augsburg, Urteil vom 22. Februar 2000 - Au 9 K 99.426 -, juris, Rn. 38; Wolff, in: Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 11 Rn. 32; für Art. 137 Abs. 3 HessVerf: HessStGH, Urteil vom 6. Juni 2012 - P.St. 2292 -, juris, Rn. 93). Dafür sind sie zwar auf die Erteilung einer Betriebserlaubnis gemäß § 85 Abs. 2 Nr. 6, § 45 SGB VIII durch die überörtlichen Träger der Jugendhilfe angewiesen. Sie haben zudem mit den örtlichen Trägern der Jugendhilfe eine Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarung gemäß § 11 Abs. 1 KiFöG LSA 2013 in Verbindung mit § 78b bis § 78e SGB VIII abzuschließen. Innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens steht es ihnen jedoch frei, durch den Betrieb eigener Einrichtungen Kinderbetreuungsplätze in der Gemeinde zu schaffen oder durch deren Schließung das Angebot zu verringern.

139

Den Gemeinden steht ferner das Recht zu, für ihr Gemeindegebiet den Betreuungsbedarf zu planen und zu koordinieren. Dieses Recht zur "Mikroplanung" ist von der Jugendhilfeplanung gemäß § 80 SGB VIII zu unterscheiden, die im Bereich der Kinderbetreuung die Belange des gesamten Landkreises zu berücksichtigen hat. Auf den konkreten kommunalen Betreuungsbedarf bezogen können die Gemeinden deshalb freiwillig die Aufgaben wahrnehmen, die den staatlichen Jugendämtern für ihren Zuständigkeitsbereich obliegen, ohne hierzu aufgrund einer örtlichen Gesamtverantwortung in Gestalt einer subsidiären Erfüllungsverantwortung verpflichtet zu sein. Ihnen steht es deshalb insbesondere offen, lokale Kinderbetreuungsleitplanungen zu erstellen und fortzuschreiben, hierzu die demographische Entwicklung im Gemeindegebiet zu analysieren, das Platzangebot konzeptionell zu planen und mit den in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen freien Trägern von Kindertageseinrichtungen zusammenzuarbeiten. Ebenso steht den Gemeinden ein Recht zur Kooperation mit Nachbargemeinden zu (sog. Kooperationshoheit, vgl. Rn. 74), um einen möglicherweise bestehenden gemeindeübergreifenden Betreuungsbedarf festzustellen und freiwillig abzudecken.

140

Innerhalb ihres Gemeindegebiets können die Kommunen die örtlich ansässigen freien Träger auch unterstützen. Dies gilt - ähnlich wie im Rahmen ihrer vormaligen Unterstützungspflicht gemäß § 9 Abs. 3 KiFöG LSA 2003 - für die Vergabe von Zuwendungen, die Bereitstellung von Räumen, Hilfe bei der Beschaffung von Grundstücken, bei der Fortbildung von Mitarbeitern der freien Träger oder auch nur für fachliche Beratung (vgl. Rn. 94). Im Gegensatz zur früheren Gesetzeslage sind die Gemeinden hierzu allerdings nicht mehr objektiv-rechtlich verpflichtet, sondern nehmen die Unterstützung der freien Träger bei Bedarf als freiwillige Aufgabe wahr.

141

Die Gemeinden können für ihr Gebiet ferner statistische Erhebungen durchführen, soweit diese für die Bereitstellung von Betreuungsplätzen und die konzeptionelle Planung des Betreuungsangebots erforderlich sind. Dieses Recht steht ihnen bereits als Ausfluss der allgemeinen kommunalen Informations- und Statistikhoheit zu. Davon unberührt bleibt ihre Verpflichtung, Meldungen zur Kinder- und Jugendhilfestatistik vorzunehmen, § 102 Abs. 2 Nr. 5 SGB VIII in Verbindung mit § 99 Abs. 7 bis Abs. 10 SGB VIII (vgl. Rn. 108).

142

bb) Gemäß § 13 KiFöG LSA 2013 haben die Gemeinden nunmehr die neue Aufgabe, für die Inanspruchnahme von Kinderbetreuungsleistungen Kostenbeiträge nach Anhörung der Träger von Tageseinrichtungen und Zustimmung des örtlichen Trägers der Jugendhilfe festzulegen (Abs. 2) sowie selbst zu erheben oder die Erhebung auf die Träger von Tageseinrichtungen zu übertragen (Abs. 3). Damit ist ihnen eine zusätzliche Pflichtaufgabe auferlegt und das von den Gemeinden vor der Gesetzesänderung im Jahr 2013 wahrgenommene Aufgabenfeld erweitert worden.

143

cc) Die angegriffene Regelung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil der Gesetzgeber bei eventuellen Rechtsverstößen der kreisangehörigen Gemeinden zur Wahrnehmung ihrer subsidiären Gesamtverantwortung auf das Instrument der Rechtsaufsicht hätte zurückgreifen können.

144

Die Nichterfüllung von Aufgaben kann ebenso wenig wie die Überforderung einer Gemeinde bei der Aufgabenwahrnehmung einen Aufgabenentzug begründen, solange im Wege der Aufsicht ausreichend Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um die Beachtung der gesetzlichen Anforderungen sicherzustellen (vgl. BVerfGE 138, 1 <31 Rn. 84>). Daher kann die Gefahr einer rechtswidrigen Aufgabenerfüllung durch die Gemeinden eine Verlagerung kommunaler Aufgaben auf die Kreisebene grundsätzlich nicht rechtfertigen. Vielmehr kann das Land mit der Rechtsaufsicht die Rechtmäßigkeit des gemeindlichen Handelns überprüfen und die Kommunen zu einem gesetzesmäßigen Vollzug ihrer Aufgaben anhalten.

145

Das führt vorliegend jedoch nicht zur Unangemessenheit der angegriffenen Vorschriften. Denn die in der Gesetzesbegründung angeführte Missbrauchsgefahr im Hinblick auf die Benachteiligung der freien Träger ist nur einer von mehreren legitimen Zwecken, die der gesetzlichen Neuregelung zu Grunde liegen. Wesentlich ist, dass für die staatlichen Jugendämter die bundesrechtliche Verpflichtung zur Gewährleistung einer kontinuierlichen Qualitätsentwicklung gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 79a SGB VIII besteht, die sich nach der nicht zu widerlegenden Einschätzung des Gesetzgebers in der zentralen Wahrnehmung der Jugendämter besser verwirklichen lässt.

146

dd) Die Übertragung der Leistungsverpflichtung auf Landkreise und kreisfreie Städte und die damit verbundene Hochzonung von Aufgaben erscheint auch verhältnismäßig im engeren Sinne.

147

(1) Gesetzliche Regelungen, die den Gemeinden Aufgaben entziehen, sind auf ihre Vereinbarkeit mit dem grundsätzlichen Zuständigkeitsvorrang zugunsten der Kommunen zu prüfen, wenn sie Bezüge zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft aufweisen. Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers ist dabei umso enger und die verfassungsgerichtliche Kontrolle umso intensiver, je mehr die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden als Folge der gesetzlichen Regelung an Substanz verliert (vgl. BVerfGE 79, 127 <154>; 138, 1 <20 Rn. 56>).

148

Vorliegend ist der mit der gesetzlichen Neuregelung einhergehende Substanzverlust für das kommunale Aufgabenfeld jedoch gering. Den kreisangehörigen Gemeinden geht zwar die Zuständigkeit zur Erfüllung des Betreuungsanspruchs unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts (§ 3b, § 3 Abs. 4 KiFöG LSA 2013) verloren (vgl. Rn. 126). Auch entfallen ihre partielle Verantwortung für die Finanzierung der freien Träger und das Recht, mit diesen Vereinbarungen über den durchzuführenden Defizitausgleich abzuschließen (vgl. Rn. 126), sowie die örtliche Gesamtverantwortung in Gestalt einer subsidiären Erfüllungsverantwortung, die mit der pflichtigen Wahrnehmung umfassender Planungs- und Koordinierungsaufgaben verbunden war (vgl. Rn. 126). Dem gegenüber stehen allerdings zahlreiche Zuständigkeiten im Bereich der Kinderbetreuung, die den Gemeinden nach der KiFöG-Novelle im Jahr 2013 verblieben sind (vgl. Rn. 137 ff.).

149

(2) Soweit Aufgabenbereiche auf die örtlichen Träger der Jugendhilfe übertragen wurden, bleiben die Interessen der Gemeinden zudem weitgehend gewahrt. Dies betrifft insbesondere die Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen gemäß § 78b bis § 78e SGB VIII, die zwischen den örtlichen Trägern der Jugendhilfe und den Trägern von Tageseinrichtungen geschlossen werden. Für deren Zustandekommen ist ein Einvernehmen der Gemeinden, Verbandsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften erforderlich (§ 11a Abs. 1 KiFöG LSA). Damit ist gesetzlich gesichert, dass ohne Beteiligung der kreisangehörigen Gemeinden keine neuen Tageseinrichtungen im Gemeindegebiet betrieben werden können. Dies sichert die aus der Allzuständigkeit fließende Befugnis der Kommunen, in ihrem Gemeindegebiet eigene Kindertagesstätten zu errichten, zu betreiben und zu finanzieren (vgl. Rn. 138).

150

Ferner ist im Hinblick auf die überörtliche Kinderbetreuungsplanung eine Beteiligung der Gemeinden über das Benehmenserfordernis des § 10 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 KiFöG LSA 2013 gesichert. Dieses ermöglicht den Gemeinden, ihren Standpunkt darzulegen, Einwände im Hinblick auf die von ihnen vertretenen Interessen zu erheben und so auf das Ergebnis der Entscheidung Einfluss zu nehmen (vgl. BVerfGE 138, 1 <32 Rn. 87>). Eine Benehmensherstellung erfordert keine Einigung der beteiligten Verwaltungsträger, sondern gestattet es der entscheidenden, das Benehmen herstellenden Behörde, sich über das Vorbringen des beteiligten Trägers öffentlicher Belange hinwegzusetzen (BVerfGE 138, 1 <32 Rn. 87>). Benehmenserfordernisse genügen deshalb grundsätzlich nicht, um die Entziehung kommunaler Kompetenzen zu rechtfertigen, weil diese den Gemeinden kein wirksames Mitentscheidungsrecht gewähren. Sie stehen lediglich für eine verfahrensrechtliche Beteiligung, mit der nach dem Willen des Gesetzgebers keine materielle Rechtsposition des beteiligten Trägers öffentlicher Belange korrespondiert. Benehmenserfordernisse sind im Regelfall ausschließlich dem objektiv-rechtlichen Ziel einer breiteren Beurteilungsgrundlage und damit einer besseren Entscheidungsfindung verpflichtet (BVerfGE 138, 1 <31 f. Rn. 85 f.>). Vorliegend geht es jedoch um die überörtliche Planung der Kinderbetreuung, die keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft ist, sondern die "Mikroplanung" der Kommunen im Bereich der Kinderbetreuung lediglich beeinflusst. Insofern stellt sich das Benehmenserfordernis als ein Instrument für eine weitergehende Beteiligung der Gemeinden an der Aufgabe der Sicherung der Kinderbetreuung dar.

(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.

(2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsbeschwerde entschieden hat, kann die Kammer alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen erlassen. Eine einstweilige Anordnung, mit der die Anwendung eines Gesetzes ganz oder teilweise ausgesetzt wird, kann nur der Senat treffen; § 32 Abs. 7 bleibt unberührt. Der Senat entscheidet auch in den Fällen des § 32 Abs. 3.

(3) Die Entscheidungen der Kammer ergehen durch einstimmigen Beschluß. Die Annahme durch den Senat ist beschlossen, wenn mindestens drei Richter ihr zustimmen.