Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 08. Apr. 2013 - 2 BvR 2567/10

bei uns veröffentlicht am08.04.2013

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 29. September 2010 - 1 Ws 421/10 - und der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 30. Juli 2010 - 31 KLs 3171 Js 30705/06 (68/06) - sowie die Ladung zum Haftantritt des Amtsgerichts Neustadt am Rübenberge vom 6. Juli 2010 - 60 VRJs 12/10 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse und die Ladung werden aufgehoben.

Die Sache wird an das Amtsgericht Neustadt am Rübenberge zurückverwiesen.

...

Gründe

1

Der zu einer mehrjährigen Jugendstrafe verurteilte Beschwerdeführer wendet sich gegen eine erst 22 Monate nach Eintritt der Rechtskraft erfolgte Ladung zum Haftantritt.

I.

2

Mit Urteil vom 24. Oktober 2007 verurteilte das Landgericht Hannover den im Tatzeitpunkt 17 Jahre alten Beschwerdeführer wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung aufgrund der Schwere der Schuld gemäß § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten; eine Anrechnung der Zeiten in Untersuchungshaft und sonstiger Freiheitsentziehung wurde nicht nach § 52a Abs. 1 Satz 2 JGG ausgeschlossen. Das Urteil ist seit dem 22. April 2008 rechtskräftig; zu diesem Zeitpunkt war der Beschwerdeführer 19 Jahre alt.

3

Der Beschwerdeführer befand sich nach seiner vorläufigen Festnahme am 16. April 2006 aufgrund eines am 17. April 2006 ergangenen Haftbefehls bis 29. Mai 2006 in Untersuchungshaft und war anschließend - nach der Außervollzugsetzung des Haftbefehls - zum Zwecke der Untersuchungshaftvermeidung bis zum 24. Oktober 2007 in einer entsprechenden Einrichtung untergebracht.

4

Nach seiner Entlassung holte der Beschwerdeführer einen Schulabschluss nach und absolvierte in der Zeit vom 3. September 2007 bis zum 9. Juni 2009 eine Ausbildung zum Fachlageristen, die er mit dem Gesellenbrief abschloss. Im Anschluss daran ging er mehrere Beschäftigungsverhältnisse ein. Eine bereits während der Unterbringung aufgenommene psychologische Betreuung mit dem Ziel der Aufarbeitung des begangenen Unrechts setzte er nach seiner Entlassung fort.

5

Die erste Ladung zum Haftantritt wurde dem Beschwerdeführer am 22. Februar 2010 zugestellt. Eine erneute Ladung durch das Amtsgericht Neustadt am Rübenberge erfolgte am 6. Juli 2010, nachdem die Vollstreckung des Urteils wegen eines letztlich erfolglosen Gnadengesuchs zurückgestellt worden war.

6

Gegen die zweite Ladung erhob der Beschwerdeführer Einwendungen gemäß § 458 StPO, weil eine Strafvollstreckung beinahe zwei Jahre nach eingetretener Rechtskraft weder unter Erziehungsaspekten notwendig noch im Hinblick auf den Vertrauensschutz wie auch die beeinträchtigende Wirkung der Vollstreckung zumutbar sei. Er habe zwischenzeitlich eine psychologisch betreute Aufarbeitung seiner Tat durchlaufen und bedürfe insbesondere keiner erzieherischen Einwirkung mehr. Außerdem habe er in der Zeit nach der Hauptverhandlung seine Ausbildung fortgesetzt und ein befristetes Arbeitsverhältnis eingehen können, an dessen Fortführung er durch den Vollzug der Strafe gehindert wäre.

7

Das Landgericht Hannover wies die Einwendungen mit Beschluss vom 30. Juli 2010 zurück. Allein der zeitliche Abstand von 22 Monaten zwischen Rechtskraft des Urteils und erstmaliger Ladung zum Strafantritt könne noch kein schutzwürdiges Vertrauen in die Nichtvollstreckung des Urteils begründen. Auch die positive Entwicklung des Beschwerdeführers stehe der Strafvollstreckung nicht entgegen. Dieser unterliege andernfalls der Vorstellung, dass sein Fehlverhalten - von den Maßnahmen der Untersuchungshaftvermeidung abgesehen - zu keinerlei Sanktionen geführt habe und er ein unbehindertes Leben fortführen könne. Neben dem fortbestehenden Erziehungsbedarf des Beschwerdeführers erforderten sowohl der Schuldausgleich als auch der Sühnegedanke die Strafvollstreckung.

8

In seiner hiergegen erhobenen sofortigen Beschwerde betonte der Beschwerdeführer erneut seine positive Entwicklung unter Bezugnahme auf die bereits dem Landgericht vorgelegten Gutachten, machte mögliche schädliche Einwirkungen des Strafvollzugs geltend und wandte sich gegen die Heranziehung der allgemeinen Verjährungsvorschrift des § 79 Abs. 3 Nr. 3 StGB, nach der die Vollstreckungsverjährung nach zehn Jahren eintritt.

9

Mit Beschluss vom 29. September 2010 verwarf das Oberlandesgericht die sofortige Beschwerde als unbegründet. Es würdigte die Situation des Beschwerdeführers, insbesondere seine positive Entwicklung seit Urteilserlass und die etwaigen Einschnitte einer nunmehrigen Strafvollstreckung, sowie den bis zur Vollstreckungseinleitung verstrichenen Zeitraum. Dennoch kam es zu dem Schluss, dass dem staatlichen Vollstreckungsanspruch Vorrang einzuräumen sei. Es sei weder eine verfassungskonforme Auslegung des § 79 StGB für die Vollstreckungsverjährung von Jugendstrafen im Allgemeinen geboten, noch lägen im Falle des Beschwerdeführers, unbeschadet der vorgelegten psychologischen Gutachten, außergewöhnliche Umstände vor, die eine grundrechtswidrige Härte der Vollstreckung der gerade wegen der Schwere der Schuld im Sinne des § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG verhängten Jugendstrafe begründen könnten.

II.

10

Der bei Erhebung der Verfassungsbeschwerde 22 Jahre alte Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG i. V. m. Art. 104 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG durch die Ladung zum Haftantritt und die Entscheidung über die sofortige Beschwerde. Sein Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) sei insbesondere dadurch verletzt, dass der im Jugendstrafrecht geltende Erziehungsgedanke durch den unzumutbar langen Abstand zwischen dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils und der erstmaligen Ladung zum Haftantritt unterlaufen werde und es somit an einem verfassungsrechtlich zulässigen Eingriff in dieses Grundrecht fehle. Infolge des von ihm entwickelten Vertrauens in die nicht mehr erfolgende Vollstreckung habe er zudem von sich aus einen gefestigten Lebenswandel entwickelt, der eine weitere erzieherische Einwirkung des Staates nicht mehr erfordere und durch eine dennoch erfolgende Vollstreckung der mehrjährigen Freiheitsstrafe massiv beeinträchtigt würde. Auch lasse die Entscheidung die Bedeutung des Beschleunigungsgrundsatzes, der gerade im Jugendstrafrecht verstärkt Anwendung finde, außer Acht. Zudem enthalte § 79 StGB eine verfassungswidrige Lücke insoweit, als er die Eigenheiten des Jugendstrafrechts nicht berücksichtige und keine spezifischen Fristen für die Vollstreckungsverjährung normiere. Zumindest müsse die Vorschrift verfassungskonform dergestalt ausgelegt werden, dass für die Verjährung von Jugendstrafen deutlich geringere Verjährungsfristen gälten, als dies bei erwachsenen Straftätern der Fall sei.

III.

11

Das Niedersächsische Justizministerium, das Bundesministerium der Justiz und der Generalbundesanwalt haben Stellungnahmen abgeben. Dem Bundesverfassungsgericht haben Teile der Akten des Strafverfahrens sowie das Vollstreckungsheft vorgelegen.

IV.

12

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Zu dieser Entscheidung ist sie berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet ist (§ 93b Satz 1 in Verbindung mit § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

13

Die Ladung zum Strafantritt durch das Amtsgericht Neustadt am Rübenberge und die diese bestätigenden Beschlüsse des Landgerichts Hannover - die Verfassungsbeschwerde ist dahin auszulegen, dass auch dieser Beschluss angegriffen ist - und des Oberlandesgerichts Celle verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie dem Rechtsstaatsprinzip.

14

1. Die in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG geschützte Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen eingeschränkt werden (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 29, 312 <316>; 35, 185 <190>; 45, 187 <223>; 130, 372 <388>; stRspr). Belange von ausreichendem Gewicht sind insbesondere die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 20, 45 <49>; 20, 144 <147>; 32, 87 <93>; 35, 185 <190>) und der Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 30, 47 <53>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>; 70, 297 <307>; 130, 372 <388>). Die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, umfasst auch die Pflicht, die Durchführung eingeleiteter Strafverfahren und die Vollstreckung rechtskräftig erkannter (Freiheits-)Strafen sicherzustellen. Dass der Strafanspruch durchgesetzt, also auch eingeleitete Verfahren fortgesetzt und rechtskräftig verhängte Strafen vollstreckt werden müssen, ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (BVerfGE 46, 214 <222 f.>; 49, 24 <54>; 51, 324 <344>).

15

Nach dem sich ebenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Beschleunigungsgrundsatz in Strafsachen erfordert eine funktionstüchtige Strafrechtspflege darüber hinaus die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs innerhalb eines so bemessenen Zeitraums, dass die Rechtsgemeinschaft die Strafe noch als Reaktion auf geschehenes Unrecht wahrnehmen kann (vgl. BVerfGE 122, 248 <273>). Dies gilt auch für die Vollstreckung verhängter (Freiheits-)Strafen. Im Jugendstrafrecht kommt dem Beschleunigungsgrundsatz eine weitere, besondere Bedeutung zu, weil dort Freiheitsstrafen mit dem Ziel der Erziehung und sozialen Integration, einem Vollzugsziel mit Verfassungsrang (vgl. BVerfGE 116, 69 <85>), vollzogen werden.

16

Im Falle einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung sind die Strafverfolgungsbehörden gehalten, in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, ob die Bestrafung noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem erreichbaren Rechtsgüterschutz steht (vgl. BVerfGK 2, 239 <247> m.w.N.). Dies gilt nicht nur für das Erkenntnisverfahren, sondern auch für die Vollstreckung, weil die von einer Strafe ausgehenden Wirkungen für das Leben des Verurteilten sich durch die Veränderung von Lebensumständen in Folge des Zeitablaufs seit Rechtskraft der Verurteilung verstärken können.

17

Entscheidungen, die auf einen Entzug der persönlichen Freiheit abzielen, müssen ferner auf einer zureichenden richterlichen Sachaufklärung beruhen (vgl. BVerfGE 58, 208 <222>; 70, 297 <308>; 109, 190 <223>). Die Mindestanforderungen an eine zuverlässige Wahrheitserforschung (vgl. BVerfGE 57, 250 <274 f.> m.w.N.) sind nicht nur im Erkenntnisverfahren, sondern auch im Vollstreckungsverfahren zu beachten (vgl. BVerfGE 58, 208 <222>; 70, 297 <308>; 86, 288 <317>; 109, 133 <162>; 117, 71 <105>).

18

2. Die Ladung zum Strafantritt wird diesen Anforderungen nicht gerecht und verkennt die Bedeutung und Tragweite des Freiheitsgrundrechtes aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.

19

Bei der Ladung zum Strafantritt vom 22. Februar 2010 war das zu voll-streckende Urteil bereits seit beinahe zwei Jahren, bei der - im Anschluss an das erfolglose Gnadenverfahren ergangenen - Ladung vom 6. Juli 2010 mehr als zwei Jahre rechtskräftig. Die Verzögerung bis zum Februar 2010 ist nicht auf ein Verhalten des Beschwerdeführers zurückzuführen, sondern, soweit ersichtlich, allein von staatlichen Stellen verursacht worden.

20

Bereits im Hinblick auf diese Verzögerung hätte das Amtsgericht die aktuellen Lebensumstände des Beschwerdeführers aufklären müssen, um sicherzustellen, dass die Strafzwecke noch erreichbar sind und die Verhältnismäßigkeit der Einwirkung auf den Beschwerdeführer durch den Vollzug der Jugendstrafe gewahrt ist. Gerade im Jugendstrafrecht können Verfahrensverzögerungen den Strafzweck, insbesondere den Erziehungsgedanken, konterkarieren. Veränderte Lebensumstände können die Notwendigkeit einer erzieherischen Einwirkung in anderem Licht als zum Zeitpunkt der Verurteilung oder des Eintritts der Rechtskraft erscheinen lassen, was von Verfassungs wegen im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfGK 2, 239 <247>). Abweichendes gilt hier nicht deshalb, weil eine Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld im Raum steht; denn auch bei dieser tritt die erzieherische Grundausrichtung des Jugendstrafrechts nicht vollständig zurück (vgl. BGHSt 15, 224).

21

Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer bereits 18 Monate, mithin weit mehr als ein Drittel der verhängten Strafe, in Untersuchungshaft und einer sonstigen freiheitsentziehenden Maßnahme im Sinne des § 52a Abs. 1 Satz 1 JGG verbracht hatte, ohne dass eine Anrechnung auf die verhängte Strafe nach § 52a Abs. 1 Satz 2 JGG ausgeschlossen worden war. Insofern drängte sich die Prüfung einer Reststrafenaussetzung nach § 88 JGG unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Entwicklung des Beschwerdeführers geradezu auf. Die Reststrafenaussetzung nach § 88 JGG ist ohne Antrag des Verurteilten von Amts wegen möglich und setzt nicht voraus, dass sich dieser im Strafvollzug befindet (vgl. Eisenberg JGG, 16. Aufl. 2013, § 88 Rn. 7). Für die Entscheidung nach § 88 JGG spielen die Vorschriften über die Vollstreckungsverjährung (§ 79 StGB) keine Rolle, so dass deren - vom Beschwerdeführer in Frage gestellte - Anwendbarkeit im Bereich des Jugendstrafrechts hier nicht erörtert werden muss.

22

3. Die die Ladung bestätigenden Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen ebenfalls nicht. Sie lassen die im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebotene Aufklärung des Sachverhalts (vgl. BVerfGE 58, 208 <222>) und die notwendige Begründungstiefe für eine die persönliche Freiheit entziehende Entscheidung (vgl. etwa BVerfGE 57, 250 <274 f.>; 63, 380 <390>; 70, 297 <308>; 103, 21 <35 f.>; BVerfGK 10, 294 <304>; 10, 544 <548>) vermissen. Es fehlt bereits eine auf den Einzelfall bezogene Überprüfung des Verfahrensablaufs im Hinblick auf mögliche Verletzungen des Beschleunigungsgrundsatzes (vgl. BVerfGK 7, 421 <428>; 17, 517 <524>). Die Beschlüsse verhalten sich in keiner Weise zu den Ursachen der entstandenen Verfahrensverzögerung.

23

Vor allem aber haben die Gerichte das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG geschützte Freiheitsinteresse des noch als Heranwachsender zu einer mehrjährigen Jugendstrafe verurteilten Beschwerdeführers nicht im Hinblick auf das im Jugendstrafrecht verankerte Erziehungsziel ausreichend berücksichtigt. Zwar haben sie die positive Entwicklung des Beschwerdeführers seit Urteilserlass und den ihm drohenden Arbeitsplatzverlust gewürdigt. Nicht erörtert worden ist hingegen, ob das Erziehungs- und Vollzugsziel der sozialen Integration nicht bereits erreicht worden ist, und ob für den Fall, dass weiterhin ein Erziehungsbedürfnis besteht, diesem durch Auflagen und Weisungen nach § 23 JGG Rechnung getragen werden kann. Die Annahme, der Verfahrensablauf habe beim Beschwerdeführer die - dem Erziehungsgedanken zuwiderlaufende - Vorstellung erweckt, man könne sich den Folgen einer Straftat entziehen, bleibt abstrakt und geht nicht auf die konkreten Umstände ein. In diesem Zusammenhang wird zwar erwähnt, aber nicht gewichtet, dass der Beschwerdeführer anlässlich der abgeurteilten Tat eine nicht unerhebliche Freiheitsentziehung hinzunehmen hatte und dass daher mit einer Nichtvollstreckung der Jugendstrafe kein vollständiger Verzicht auf den staatlichen Strafanspruch verbunden ist. Der von den Gerichten als entscheidend angesehene Aspekt, dass der Zweck der Jugendstrafe, das Unrecht zu sühnen, noch nicht entfallen sei, steht der Berücksichtigung der vorgenannten Abwägungsgesichtspunkte nicht zwingend entgegen.

24

4. Die Ladung zum Strafantritt des Amtsgerichts Neustadt am Rübenberge und die Beschlüsse des Landgerichts Hannover und des Oberlandesgerichts Celle werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Neustadt am Rübenberge zurückverwiesen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

25

Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

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(1) Hat der Angeklagte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf die Jugendstrafe angerechnet. Der Richter kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Angeklagten nach der Tat oder aus erzieherischen Gründen nicht gerechtfertigt ist. Erzieherische Gründe liegen namentlich vor, wenn bei Anrechnung der Freiheitsentziehung die noch erforderliche erzieherische Einwirkung auf den Angeklagten nicht gewährleistet ist.

(2) (weggefallen)

(1) Wenn über die Auslegung eines Strafurteils oder über die Berechnung der erkannten Strafe Zweifel entstehen oder wenn Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung erhoben werden, so ist die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.

(2) Das Gericht entscheidet ferner, wenn in den Fällen des § 454b Absatz 1 bis 3 sowie der §§ 455, 456 und 456c Abs. 2 Einwendungen gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde erhoben werden oder wenn die Vollstreckungsbehörde anordnet, daß an einem Ausgelieferten, Abgeschobenen, Zurückgeschobenen oder Zurückgewiesenen die Vollstreckung einer Strafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung nachgeholt werden soll, und Einwendungen gegen diese Anordnung erhoben werden.

(3) Der Fortgang der Vollstreckung wird hierdurch nicht gehemmt; das Gericht kann jedoch einen Aufschub oder eine Unterbrechung der Vollstreckung anordnen. In den Fällen des § 456c Abs. 2 kann das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen.

(1) Eine rechtskräftig verhängte Strafe oder Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) darf nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr vollstreckt werden.

(2) Die Vollstreckung von lebenslangen Freiheitsstrafen verjährt nicht.

(3) Die Verjährungsfrist beträgt

1.
fünfundzwanzig Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als zehn Jahren,
2.
zwanzig Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren,
3.
zehn Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren,
4.
fünf Jahre bei Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr und bei Geldstrafe von mehr als dreißig Tagessätzen,
5.
drei Jahre bei Geldstrafe bis zu dreißig Tagessätzen.

(4) Die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung und der unbefristeten Führungsaufsicht (§ 68c Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 3) verjähren nicht. Die Verjährungsfrist beträgt

1.
fünf Jahre in den sonstigen Fällen der Führungsaufsicht sowie bei der ersten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt,
2.
zehn Jahre bei den übrigen Maßnahmen.

(5) Ist auf Freiheitsstrafe und Geldstrafe zugleich oder ist neben einer Strafe auf eine freiheitsentziehende Maßregel, auf Einziehung oder Unbrauchbarmachung erkannt, so verjährt die Vollstreckung der einen Strafe oder Maßnahme nicht früher als die der anderen. Jedoch hindert eine zugleich angeordnete Sicherungsverwahrung die Verjährung der Vollstreckung von Strafen oder anderen Maßnahmen nicht.

(6) Die Verjährung beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Eine rechtskräftig verhängte Strafe oder Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) darf nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr vollstreckt werden.

(2) Die Vollstreckung von lebenslangen Freiheitsstrafen verjährt nicht.

(3) Die Verjährungsfrist beträgt

1.
fünfundzwanzig Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als zehn Jahren,
2.
zwanzig Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren,
3.
zehn Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren,
4.
fünf Jahre bei Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr und bei Geldstrafe von mehr als dreißig Tagessätzen,
5.
drei Jahre bei Geldstrafe bis zu dreißig Tagessätzen.

(4) Die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung und der unbefristeten Führungsaufsicht (§ 68c Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 3) verjähren nicht. Die Verjährungsfrist beträgt

1.
fünf Jahre in den sonstigen Fällen der Führungsaufsicht sowie bei der ersten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt,
2.
zehn Jahre bei den übrigen Maßnahmen.

(5) Ist auf Freiheitsstrafe und Geldstrafe zugleich oder ist neben einer Strafe auf eine freiheitsentziehende Maßregel, auf Einziehung oder Unbrauchbarmachung erkannt, so verjährt die Vollstreckung der einen Strafe oder Maßnahme nicht früher als die der anderen. Jedoch hindert eine zugleich angeordnete Sicherungsverwahrung die Verjährung der Vollstreckung von Strafen oder anderen Maßnahmen nicht.

(6) Die Verjährung beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Hat der Angeklagte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf die Jugendstrafe angerechnet. Der Richter kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Angeklagten nach der Tat oder aus erzieherischen Gründen nicht gerechtfertigt ist. Erzieherische Gründe liegen namentlich vor, wenn bei Anrechnung der Freiheitsentziehung die noch erforderliche erzieherische Einwirkung auf den Angeklagten nicht gewährleistet ist.

(2) (weggefallen)

(1) Der Vollstreckungsleiter kann die Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe zur Bewährung aussetzen, wenn der Verurteilte einen Teil der Strafe verbüßt hat und dies im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, verantwortet werden kann.

(2) Vor Verbüßung von sechs Monaten darf die Aussetzung der Vollstreckung des Restes nur aus besonders wichtigen Gründen angeordnet werden. Sie ist bei einer Jugendstrafe von mehr als einem Jahr nur zulässig, wenn der Verurteilte mindestens ein Drittel der Strafe verbüßt hat.

(3) Der Vollstreckungsleiter soll in den Fällen der Absätze 1 und 2 seine Entscheidung so frühzeitig treffen, daß die erforderlichen Maßnahmen zur Vorbereitung des Verurteilten auf sein Leben nach der Entlassung durchgeführt werden können. Er kann seine Entscheidung bis zur Entlassung des Verurteilten wieder aufheben, wenn die Aussetzung aufgrund neu eingetretener oder bekanntgewordener Tatsachen im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, nicht mehr verantwortet werden kann.

(4) Der Vollstreckungsleiter entscheidet nach Anhören des Staatsanwalts und des Vollzugsleiters. Dem Verurteilten ist Gelegenheit zur mündlichen Äußerung zu geben.

(5) Der Vollstreckungsleiter kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(6) Ordnet der Vollstreckungsleiter die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe an, so gelten § 22 Abs. 1, 2 Satz 1 und 2 sowie die §§ 23 bis 26a sinngemäß. An die Stelle des erkennenden Richters tritt der Vollstreckungsleiter. Auf das Verfahren und die Anfechtung von Entscheidungen sind die §§ 58, 59 Abs. 2 bis 4 und § 60 entsprechend anzuwenden. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Eine rechtskräftig verhängte Strafe oder Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) darf nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr vollstreckt werden.

(2) Die Vollstreckung von lebenslangen Freiheitsstrafen verjährt nicht.

(3) Die Verjährungsfrist beträgt

1.
fünfundzwanzig Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als zehn Jahren,
2.
zwanzig Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren,
3.
zehn Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren,
4.
fünf Jahre bei Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr und bei Geldstrafe von mehr als dreißig Tagessätzen,
5.
drei Jahre bei Geldstrafe bis zu dreißig Tagessätzen.

(4) Die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung und der unbefristeten Führungsaufsicht (§ 68c Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 3) verjähren nicht. Die Verjährungsfrist beträgt

1.
fünf Jahre in den sonstigen Fällen der Führungsaufsicht sowie bei der ersten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt,
2.
zehn Jahre bei den übrigen Maßnahmen.

(5) Ist auf Freiheitsstrafe und Geldstrafe zugleich oder ist neben einer Strafe auf eine freiheitsentziehende Maßregel, auf Einziehung oder Unbrauchbarmachung erkannt, so verjährt die Vollstreckung der einen Strafe oder Maßnahme nicht früher als die der anderen. Jedoch hindert eine zugleich angeordnete Sicherungsverwahrung die Verjährung der Vollstreckung von Strafen oder anderen Maßnahmen nicht.

(6) Die Verjährung beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Der Richter soll für die Dauer der Bewährungszeit die Lebensführung des Jugendlichen durch Weisungen erzieherisch beeinflussen. Er kann dem Jugendlichen auch Auflagen erteilen. Diese Anordnungen kann er auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben. Die §§ 10, 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 1, 2, 3 Satz 2 gelten entsprechend.

(2) Macht der Jugendliche Zusagen für seine künftige Lebensführung oder erbietet er sich zu angemessenen Leistungen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, so sieht der Richter in der Regel von entsprechenden Weisungen oder Auflagen vorläufig ab, wenn die Erfüllung der Zusagen oder des Anerbietens zu erwarten ist.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.