Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 17. Dez. 2015 - 1 BvR 3164/13
Gericht
Tenor
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1. Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 30. September 2013 - 18 SchH 11/13 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zurückverwiesen.
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2. Das Land Schleswig-Holstein hat die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu erstatten.
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3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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A.
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Rüge der Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz durch die gerichtliche Auslegung des Begriffs der Verzögerungsrüge in einem Entschädigungsverfahren nach § 198 GVG.
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I.
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1. Der Beschwerdeführer war Beklagter in einem baurechtlichen Schadenersatzprozess (Ursprungsverfahren) vor dem Landgericht, der insgesamt sieben Jahre (von März 2006 bis März 2013) dauerte. Er wurde unter Klageabweisung im Übrigen in der Hauptsache zur Zahlung von rund 4.800 € verurteilt.
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2. Im Februar 2013 erhob der Beschwerdeführer vor dem Oberlandesgericht Entschädigungsklage nach § 198 GVG gegen das Land aufgrund überlangen Gerichtsverfahrens (Ausgangsverfahren). Er forderte eine Entschädigung in Höhe von 1.700 € für die Zeiträume August 2009 bis Februar 2010 (sieben Monate) sowie August 2011 bis Mai 2012 (zehn Monate). Diese Zeiträume betrafen die völlige Inaktivität des Gerichts. Sie enthielten keine Phasen, in denen das Verfahren aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers keinen Fortgang genommen hatte. Unter Bezugnahme auf eine der Klageschrift beigefügte Anlage zum Verfahrensgang war ausgeführt, der Beschwerdeführer habe beim Landgericht immer wieder die Verfahrensdauer gerügt und nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren auch entsprechende Verzögerungsrügen erhoben.
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Der im Ursprungsverfahren tätige Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers hatte vor Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren in zwei Schriftsätzen um Verfahrensförderung gebeten.
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Im Schriftsatz vom 31. Oktober 2011 war ausgeführt:
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In dem Rechtsstreit […] bittet der Beklagte darauf hinzuweisen, dass der Rechtsstreit schon in Richtung einer "überlangen Verfahrensdauer" zu gleiten scheint. […]
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Wir möchten daher das Gericht nachdrücklich um Förderung des Verfahrens bitten.
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Im Schriftsatz vom 8. November 2011 hieß es:
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[…] bittet der Beklagte hinsichtlich der "Verzögerungsrüge" nochmals auf folgendes hinzuweisen:
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Nach den von ihm recherchierten Unterlagen ergibt sich eine Verfahrensrüge gemäß Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren. […]
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Der Warnfunktion gegenüber dem Gericht ist in der Regel schon mit einer Verzögerungsrüge hinreichend genügt […]
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Wir bitten daher nochmal das Gericht entsprechend der hier vorliegenden Verfahrensrüge nunmehr die Angelegenheit zeitnah zu fördern.
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Nach Inkrafttreten des Gesetzes hat sich der Rechtsanwalt mit Schriftsätzen vom 19. Dezember 2011, 14. Februar 2012, 20. Juni 2012 und 20. Dezember 2012 an das Gericht gewandt.
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Die Formulierung im Schriftsatz vom 19. Dezember 2011 lautete:
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[…] bittet unsere Mandantschaft nunmehr nach seit dem 02.12.2011 veröffentlichten Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren um die Erhebung einer förmlichen Verzögerungsrüge.
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Mit Schriftsatz vom 14. Februar 2012 nahm der damalige Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers auf die förmliche Verzögerungsrüge vom 19. Dezember 2011 Bezug und bat um Sachstandsmitteilung.
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Unter dem 20. Juni 2012 erhob der Anwalt:
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[…] auf Veranlassung und namens unserer Mandantschaft nach dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren eine förmliche[n] Verzögerungsrüge.
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Im letzten Schriftsatz vom 20. Dezember 2012 erhob er:
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[…] im Auftrage des Beklagten erneut aufgrund des überlangen Gerichtsverfahrens förmliche Verzögerungsrüge.
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Das Oberlandesgericht wies die Klage nach vorangegangenem Hinweis mit dem angegriffenen Urteil als unbegründet zurück. Da Entschädigungsansprüche für Zeiträume vor Inkrafttreten der Neuregelung des Gesetzes geltend gemacht würden, fordere Artikel 23 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) für diese "Altfälle" eine unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes erhobene Verzögerungsrüge. Es könne dahinstehen, ob der Schriftsatz vom 19. Dezember 2011 noch unverzüglich sei, denn jedenfalls enthalte er keine wirksame Verzögerungsrüge, weil die Ausführungen in Wortlaut und Inhalt - insbesondere im Vergleich mit den nachfolgend ab dem 20. Juni 2012 erhobenen Verzögerungsrügen - nicht eindeutig und unmissverständlich, sondern mindestens mehrdeutig seien.
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Der Inhalt des Schriftsatzes vom 19. Dezember 2011 könne insbesondere so verstanden werden, dass er nicht mehr als einen Hinweis an das Gericht enthalten solle, der Mandant sei an den Prozessbevollmächtigten herangetreten, habe ihn auf die gesetzliche Neuregelung hingewiesen und geäußert, der Prozessbevollmächtigte möge eine solche Rüge erheben. Damit könne der Schriftsatz als kollegialer Hinweis angesehen werden, dass sich der Prozessbevollmächtigte bei zögerlicher Bearbeitung des Rechtsstreits durch das Gericht in absehbarer Zeit genötigt sehen könnte, dieser Bitte nachzukommen und eine Verzögerungsrüge zu erheben. Dieses Verständnis sei im Vergleich mit den nachfolgenden Schriftsätzen - in denen eine (erste) eindeutige und eine (zweite) erneute Verzögerungsrüge erhoben worden seien - sogar naheliegend.
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Die nach der wirksamen Verzögerungsbeschwerde vom 20. Juni 2012 durchgeführte Prüfung ergebe keine unangemessen lange Dauer des Verfahrens ab diesem Zeitpunkt. Dass in dieser Zeit bis zum Urteil im März 2013 Verzögerungen aufgetreten seien, behaupte der Kläger selbst nicht.
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Das Verfahren wäre aber auch dann nicht unangemessen lang gewesen, wenn der Verzögerungsrüge vom 20. Juni 2012 Rückwirkung zugekommen und danach alle im Verfahren nach Inkrafttreten der Neuregelung eingetretenen Verzögerungen zu berücksichtigen gewesen wären. In diesem Fall hätte nach dem Vortrag des Klägers der Rechtsstreit bei optimaler Förderung fünf Monate früher geendet. Dieser Zeitraum mache einen umfangreichen, rund sieben Jahre dauernden Baumängelprozess mit einer vielfältigen, immer wieder insbesondere durch Einholung von Sachverständigengutachten erweiterten Beweisaufnahme nicht unangemessen lang. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung des Prozessverhaltens des jetzigen Klägers sowie des Umstands, dass er damals der auf Zahlung in Anspruch genommene Beklagte gewesen sei.
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II.
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1. Die Verfassungsbeschwerde rügt die Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz durch die Auslegung des Schriftsatzes vom 19. Dezember 2011 als bloßen Hinweis statt als Verzögerungsrüge und sieht darin einen leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen, durch den rechtsstaatliche Grundsätze krass verletzt worden seien.
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Die Formulierung des Schriftsatzes vom 19. Dezember 2011 könne nicht zu der Auslegung führen, dass keine wirksame Verfahrensverzögerungsrüge erhoben worden sei. Weiter müsse berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer schon zuvor mehrfach die Verfahrensdauer beanstandet habe. Daraus sowie aus dem Umstand der früheren Beanstandungen der Verfahrensdauer, dem Wortlaut des Schriftsatzes vom 19. Dezember 2011, der Neuregelung des Gesetzes und der Notwendigkeit der Erhebung einer neuen Verzögerungsrüge ergebe sich zweifelsfrei, dass der Beschwerdeführer eine solche Rüge mit dem Schriftsatz vom 19. Dezember 2011 habe erheben wollen.
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Der Verstoß sei auch entscheidungserheblich, weil hierdurch keine weitere Prüfung der Verfahrensverzögerung stattgefunden habe.
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2. Die Akte des Ausgangsverfahrens wurde beigezogen.
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3. Zu der Verfassungsbeschwerde hatten das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sowie das Ministerium für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein Gelegenheit zur Äußerung. Die Verfassungsbeschwerde wurde ferner der Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts zur Kenntnis zugeleitet.
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Nach Auffassung des Ministeriums für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein ist die den Gerichten durch das Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gezogene Grenze zur Verletzung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz nicht überschritten. Selbst wenn die Erklärung des damaligen Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 19. Dezember 2011 tatsächlich nicht nur als Hinweis oder Ankündigung gemeint gewesen sein sollte, müsse jedem Rechtsanwalt klar sein, dass die Abgabe einer so unüblichen, weil distanzierten Prozesserklärung mehrdeutig sei und damit missverständlich wirke. Zumindest von einem Rechtsanwalt dürfe insoweit eine eindeutige und unmissverständliche Erklärung erwartet werden.
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Der Beschwerdeführer hat ergänzend Stellung genommen.
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B.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Der Beschwerdeführer ist in seinem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz verletzt und die Verletzung hat besonderes Gewicht.
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Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Maßstäbe der Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes durch wohlwollende Auslegung des Inhalts von Rechtsbehelfen sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet (vgl. BVerfGE 82, 126 <155>; 93, 99 <107>).
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I.
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Die seitens des Oberlandesgerichts gestellten Anforderungen an die Auslegung des Begriffs der Verzögerungsrüge bei überlanger Verfahrensdauer verletzen den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Artikel 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).
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1. a) Aus Artikel 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) lässt sich ein Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz im materiellen Sinn für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten ableiten (vgl. BVerfGE 82, 126 <155>; 93, 99 <107>). Die daraus folgende Rechtsschutzgarantie gewährleistet nicht nur, dass überhaupt ein Rechtsweg zu den Gerichten offensteht, sie garantiert vielmehr auch die Effektivität des Rechtsschutzes. Die Rechtsschutzgewährung durch die Gerichte bedarf allerdings einer normativen Ausgestaltung durch eine Verfahrensordnung. Dabei kann der Gesetzgeber auch Regelungen treffen, die für ein Rechtsschutzbegehren besondere formelle Voraussetzungen vorsehen und sich dadurch für den Rechtsuchenden einschränkend auswirken (vgl. BVerfGE 10, 264 <268>; 60, 253 <268 f.>; 77, 275 <284>). Solche Einschränkungen müssen aber mit den Belangen einer rechtsstaatlichen Verfahrensordnung vereinbar sein und dürfen den einzelnen Rechtsuchenden nicht unverhältnismäßig belasten. Darin findet die Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers zugleich ihre Grenze. Der Rechtsweg darf danach nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 10, 264 <268>; 77, 275 <284> m.w.N.). Formerfordernisse für Prozesshandlungen können der Rechtssicherheit dienen, sofern sie geeignet sind, die prozessuale Lage für alle Beteiligten rasch und zweifelsfrei zu klären.
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Diese Grundsätze gelten nicht nur für den ersten Zugang zum Gericht, sondern für die Ausgestaltung des gesamten Verfahrens (vgl. BVerfGE 40, 272 <275>). Sie sind auf das Rechtsschutzbegehren der klagenden Partei in gleicher Weise wie auf das auf Rechtsverteidigung gerichtete Begehren des Gegners anwendbar. Auch der Richter muss die Tragweite des Grundrechts auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz beachten (vgl. BVerfGE 77, 275 <284>). Er darf verfahrensrechtliche Regelungen, die den vorgenannten Grundsätzen widersprechen, nicht anwenden (Art. 100 Abs. 1 GG). Soweit Verfahrensvorschriften einen Auslegungsspielraum lassen, darf er sie nicht in einem Sinne auslegen, der zu einem solchen Widerspruch führen würde (vgl. BVerfGE 88, 118 <123 ff.>).
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Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind allerdings Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Das Bundesverfassungsgericht beschränkt seine Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen auf die Verletzung von Verfassungsrecht (vgl. BVerfGE 18, 85 <92>; stRspr). Die Schwelle eines derartigen Verstoßes gegen Verfassungsrecht ist erst erreicht, wenn die Auslegung der Fachgerichte Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 89, 1 <9 f.>; 99, 145 <160>; 129, 78 <102>). Dies ist hier der Fall.
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b) Am 3. Dezember 2011 ist das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in Kraft getreten (Art. 24 des Gesetzes, BGBl I S. 2302<2312 f.>). Nach diesem Gesetz ist nunmehr gemäß § 198 GVG die Möglichkeit eröffnet, nach Erhebung einer Verzögerungsrüge eine Entschädigungsklage wegen der unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens einzureichen. Artikel 23 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) sieht für bereits anhängige Verfahren, die bei Inkrafttreten des Gesetzes schon verzögert sind, eine Übergangsregelung vor. Danach muss die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden. Sie wahrt dann einen Anspruch auf Entschädigung oder auf Wiedergutmachung in anderer Weise auch für den vorausgehenden Zeitraum.
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Der Gesetzgeber hat Form und Inhalt der als zwingende Anspruchsvoraussetzung ausgestalteten Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG nicht näher bestimmt. Den Gesetzesmaterialien kann lediglich entnommen werden, dass die Verzögerungsrüge schriftlich oder mündlich und im Anwaltsprozess nur durch den bevollmächtigten Anwalt erhoben werden kann. Das Vorhandensein einer entsprechenden Rüge ist von Amts wegen zu überprüfen (BTDrucks 17/3802, S. 20, 22).
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c) Durch die Verzögerungsrüge muss der Betroffene lediglich sein fehlendes Einverständnis mit der Dauer des Verfahrens zum Ausdruck bringen (vgl. Althammer/Schäuble, NJW 2012, S. 1 <3>). Eine ausdrückliche Bezeichnung als "Verzögerungsrüge" ist nicht erforderlich (Zimmermann, FamRZ 2011, S. 1905 <1908>).
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Das Recht auf effektiven Rechtsschutz sichert dem Bürger einen substantiellen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle zu (vgl. BVerfGE 81, 123 <129>; 96, 27 <39>). Ist dem Inhalt einer schriftlichen Erklärung eines Antragstellers in Verbindung mit Umständen, die für das Gericht offensichtlich sind, zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Antragsteller einen Rechtsbehelf einlegen will, so wäre es eine bloße, mit einer rechtsstaatlichen Verfahrensweise nicht vereinbare Förmelei, den Rechtsbehelf allein deshalb als unzulässig anzusehen, weil die Erklärung unzulänglich formuliert ist (vgl. BVerfGE 88, 118 <127> zum Einspruch gegen ein Versäumnisurteil). Auch im fachgerichtlichen Verfahren erhobene prozessuale Anträge sind wohlwollend im Sinne des am Gesamtvorbringens erkennbaren Rechtsschutzanliegens auszulegen (vgl. BVerfGE 134, 106 <114 Rn. 25>).
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Dabei ist nicht nur anerkannt, dass es auf die wirkliche Natur des Rechtsschutzbegehrens ankommt und Falschbezeichnungen unschädlich sind (OLG München, Beschluss vom 19. März 2013 - 4 VAs 8/13 -, BeckRS 2013, 05324 "Untätigkeitsbeschwerde"), sondern ebenso, dass ein vor Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren mangels gesetzlicher Grundlage als sogenannte Untätigkeitsbeschwerde eingelegter Rechtsbehelf durch die Einführung der Verzögerungsrüge obsolet geworden und der bisherige Rechtsbehelf als Verzögerungsrüge auszulegen ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 21. September 2012 - 4 VAs 39/12 -, BeckRS 2013, 18849). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind in einem Anwaltsschriftsatz abgegebene Prozesserklärungen unter Zuhilfenahme ihrer Begründung auslegbar und ist im Zweifel dasjenige gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Beschluss vom 29. März 2011 - VIII ZB 25/10 -, NJW 2011, S. 1455 <1456>).
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Auch Nachfragen zum Verbleib von Eilanträgen können gegebenenfalls als Verzögerungsrüge auszulegen sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Oktober 2014 - 2 BvR 437/12 -, juris, Rn. 5, 14). Daher ist auch eine durch einen Rechtsanwalt erhobene bedingungsfeindliche Prozesserklärung, wie hier die Verzögerungsrüge, auslegungsfähig.
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2. Gemessen daran führt die Auslegung des Oberlandesgerichts, im Schriftsatz vom 19. Dezember 2011 sei keine Verzögerungsrüge zu erkennen, zu einer verfassungsrechtlich nicht mehr gerechtfertigten Verkürzung des Rechtsschutzes.
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a) Allerdings war eine Verzögerungsrüge nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Dezember 2011 nicht bereits deshalb entbehrlich, weil der Beschwerdeführer die Verfahrensdauer schon vor Inkrafttreten der §§ 198 ff. GVG mit Schriftsätzen vom 31. Oktober und 8. November 2011 die Verfahrensdauer beanstandet hatte. Denn nach der Übergangsregelung des Artikel 23 Satz 1 bis 3 ÜGRG ist bei bereits anhängigen, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes schon verzögerten Verfahren die Erhebung der Verzögerungsrüge ausdrücklich unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes erforderlich. Frühere Beanstandungen der Verfahrensdauer ersetzen daher die Verzögerungsrüge nicht (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 22. Mai 2013 - 1 SchH 2/12 -, BeckRS 2014, 15590).
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b) Das Oberlandesgericht hat jedoch bei der Frage, ob der Schriftsatz vom 19. Dezember 2011 eine wirksame Verzögerungsrüge enthält, die Auslegung ersichtlich nicht am Gesamtinhalt des aus den eingereichten Schriftsätzen erkennbaren Rechtsschutzbegehrens des Beschwerdeführers ausgerichtet. Zwar hat das Ausgangsgericht auch den Inhalt der nachfolgenden Schriftsätze vom 20. Juni 2012 und vom 20. Dezember 2012 bei der Auslegung herangezogen. Allein aufgrund dieser Beurteilungsgrundlage mag die Wertung des Gerichts, der Schriftsatz vom 19. Dezember 2011 enthalte keine Verzögerungsrüge, sondern im Sinne eines kollegialen Hinweises nur deren Ankündigung, noch vertretbar sein. Allerdings hat das Oberlandesgericht nicht geprüft, ob die vorherigen Bitten um Verfahrensförderung mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2011 und 8. November 2011 - bei letzterem unter Hinweis auf die gesetzliche Neuregelung - und der Inhalt des Schriftsatzes vom 14. Februar 2012 geeignet sind, den nach Auffassung des Gerichts mehrdeutigen Inhalt des Schriftsatzes vom 19. Dezember 2011 zu präzisieren und ihm damit den Gehalt einer eindeutigen Verzögerungsrüge zu verschaffen. Da schon im Schriftsatz vom 8. November 2011 der Regelungsgehalt der §§ 198 ff. GVG angesprochen worden war, scheint es nicht ausgeschlossen, dass das Ausgangsgericht bei einer wohlwollenden, am vernünftigen Rechtsschutzziel orientierten Auslegung unter Berücksichtigung auch dieser weiteren Beanstandungen den Inhalt des Schriftsatzes vom 19. Dezember 2011 als Verzögerungsrüge im Sinne des § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG ausgelegt hätte.
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c) Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Verstoß, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Ausgangsgericht zu einem abweichenden, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gekommen wäre, wenn es die aus Artikel 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes in ihrer Bedeutung als Verpflichtung der Fachgerichte, Rechtsbehelfe unter Berücksichtigung des Rechtsschutzbegehrens wohlwollend auszulegen, beachtet hätte. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht bei Beurteilung des Schriftsatzes vom 19. Dezember 2011 als wirksame Verzögerungsrüge auch deren Rechtzeitigkeit angenommen sowie haftungsrelevante Verzögerungen im Ursprungsverfahren in der Zeit von August 2009 bis Februar 2010 und von August 2011 bis Dezember 2011 beziehungsweise bis Mai 2012 festgestellt hätte, und dass diese Verzögerung genügt, um das konkrete Verfahren als unangemessen lang einzustufen.
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Das Oberlandesgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - offengelassen, ob im Falle der Auslegung des Schriftsatzes vom 19. Dezember 2011 als Verzögerungsrüge diese "unverzüglich" im Sinne des Artikel 23 Satz 2 ÜGRG nach Inkrafttreten des Gesetzes erhoben worden sei. Sofern die Neubewertung zur Einstufung als Verzögerungsrüge führt, liegt die Unverzüglichkeit jedenfalls nahe. Zutreffend weist das Ministerium für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein in seiner Stellungnahme darauf hin, dass der Rechtsbegriff der Unverzüglichkeit im Zusammenhang mit der Erhebung der Verzögerungsrüge mittlerweile in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2014 - III ZR 335/13 -, NJW 2014, S. 1967 <1968>; BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - III ZR 228/13 -, juris, Rn. 22; BFH, Urteil vom 20. August 2014 - X K 9/13 -, juris, Rn. 23; BSG, Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/14 R -, juris, Rn. 27). Danach wird eine innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des ÜGRG erfolgte Verzögerungsrüge regelmäßig als unverzüglich erhoben betrachtet. Soweit der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers dies als nicht ausreichend erachtet und eine sechsmonatige Frist entsprechend Artikel 35 Abs. 1 EMRK befürwortet, ist diese Frage nicht Gegenstand des konkreten Verfassungsbeschwerdeverfahrens.
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II.
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Die Verletzung des Artikel 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 3 GG hat besonderes Gewicht. Besonders gewichtig ist eine Grundrechtsverletzung, die auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet oder wegen ihrer Wirkung geeignet ist, den Betroffenen von der Ausübung von Grundrechten abzuhalten, wenn sie auf einer groben Verkennung des durch ein Grundrecht gewährleisteten Schutzes oder einem geradezu leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen beruht oder wenn sie rechtsstaatliche Grundsätze krass verletzt (vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Das Oberlandesgericht hat die Würdigung des Inhalts der früheren Schriftsätze vor dem 19. Dezember 2011 und desjenigen vom 14. Februar 2012 nicht lediglich versehentlich mangels Kenntnisnahme unterlassen. Obwohl im Laufe des Entschädigungsverfahrens sowohl seitens des beklagten Landes als auch des Beschwerdeführers ausdrücklich auch auf die früheren Beanstandungen hingewiesen wurde, beschränkt sich das Gericht bei der Auslegung auf die Würdigung der nachfolgenden Schriftsätze, ohne auf die zuvor eingereichten Bitten um Verfahrensförderung und den weiteren Schriftsatz vom 14. Februar 2012 überhaupt einzugehen.
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C.
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1. Da die Klageabweisung durch das Oberlandesgericht auf dem Verfassungsverstoß beruht, ist das angegriffene Urteil hiernach gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben; die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
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2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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3. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.
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Annotations
(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.
(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist
- 1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren; - 2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.
(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.
(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.
(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist
- 1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren; - 2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.
(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.
(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.
(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.
(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.
(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.
(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.
(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.