Bundessozialgericht Urteil, 02. Apr. 2014 - B 4 AS 29/13 R

bei uns veröffentlicht am02.04.2014

Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10. April 2013 werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

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Im Streit steht die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.1. bis 8.2.2009.

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Die Kläger leben in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des Grundsicherungsrechts. Der Kläger zu 1 war bis zum 31.12.2008 als Eisenflechter sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die Bedarfsgemeinschaft bezog in dieser Zeit teilweise und in wechselnder Höhe aufstockende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Nach einer Kündigung durch seinen Arbeitgeber meldete sich der Kläger zu 1 am 22.12.2008 bei der zuständigen Arbeitsagentur arbeitslos und beantragte Alg, das ihm auch bewilligt wurde. Am 9.2.2009 stellte er zudem einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dem Beklagten. Am 20.1.2009 wies er gegenüber der Arbeitsagentur telefonisch auf finanzielle Engpässe hin. Nach einem Vermerk, der sich in der Akte der Beklagten befindet, wurde er sodann auf die Möglichkeit hingewiesen sich an die "Arge" zu wenden. Dies habe der Kläger zu 1 abgelehnt.

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Durch Bescheid vom 20.4.2009 bewilligte der Beklagte den klagenden Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 9.2. bis zum 31.8.2009, zunächst ohne Leistungen für Unterkunft und Heizung und unter Berücksichtigung von Alg und Kindergeld als Einkommen. Dem Widerspruch hiergegen gab der Beklagte insoweit statt, als er durch Änderungsbescheid vom 16.7.2009 monatliche Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 461,02 Euro ab dem 9.2.2009 zusprach. Den Widerspruch im Hinblick auf die Gewährung von SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 1.1. bis 8.2.2009 wies er durch Widerspruchsbescheid vom 8.7.2009 zurück. Das SG hat die Klage hiergegen abgewiesen (Urteil vom 20.6.2011) und das LSG hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen (Urteil vom 10.4.2013). Es hat zur Begründung ausgeführt, die Kläger erfüllten im streitigen Zeitraum zwar die Voraussetzungen des § 7 SGB II, insbesondere seien sie hilfebedürftig iS des § 9 SGB II. Sie hätten jedoch keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vor dem 9.2.2009, denn sie hätten erst an diesem Tag einen Antrag hierauf gestellt und die Leistungen würden nicht für die Zeit vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Alg sei im konkreten Fall nicht zugleich ein Antrag auf Alg II. Zwar sei ein Antrag auf Sozialleistungen unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes auszulegen. Wenn der Leistungsberechtigte allerdings einen Antrag auf eine bestimmte Sozialleistung gestellt habe, sei er nicht ohne Weiteres in einen solchen auf eine andere Leistung umzudeuten. Die Rechtsprechung, nach welcher ein Alg-Antrag zugleich ein solcher auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) sei, könne nicht auf das Verhältnis von Alg zu Alg II übertragen werden. Denn der Leistungsanspruch nach dem 2. Abschnitt des 3. Kapitels des SGB II sei nicht allein ein Anspruch des erwerbsfähigen Arbeitsuchenden, sondern auch für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger zu 1 bei der Arbeitsagentur zugleich auch Leistungen für die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft habe beantragen wollen. Der Antrag auf Alg II vom 9.2.2009 könne im vorliegenden Fall auch nicht unter Berufung auf § 28 SGB X auf den 1.1.2009 zurückwirken, denn der Kläger zu 1 habe nicht erfolglos eine andere Sozialleistung - hier Alg - beantragt. Es mangele insoweit an einer negativen Verwaltungsentscheidung. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheitere an dem Fehlen eines Betreuungsfehlers bei der Auskunft und Beratung durch die Arbeitsagentur.

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Mit der vom LSG zugelassenen Revision machen die Kläger unter Hinweis auf die Entscheidung des 14. Senats des BSG zum Aktenzeichen B 14 AS 16/09 R (Urteil vom 19.10.2010, SozR 4-4200 § 37 Nr 3)geltend, dass es nicht darauf ankomme, ob der Leistungsberechtigte Alg oder Alg II beantrage, denn als Laie sei er in der Regel nicht in der Lage zwischen den beiden Leistungen zu differenzieren und den Hilfebedarf zu kalkulieren. Auch sei der Antrag auf Sozialleistungen bei der Arbeitsagentur nach § 38 SGB II zugunsten aller Leistungsberechtigten der Bedarfsgemeinschaft vom Kläger zu 1 gestellt worden. Zumindest habe er die Beantragung von Alg II rechtzeitig nachgeholt, denn ein Versagen einer Sozialleistung iS des § 28 SGB X liege auch dann vor, wenn die bewilligte Leistung nicht ausreiche, um die Existenz zu sichern.

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Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10. April 2013 und des Sozialgerichts Lüneburg vom 20. Juni 2011 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 20. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2009, diese in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Juli 2009, zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Januar bis 8. Februar 2009 zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

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Zur Begründung führt er aus, dass das Alg eine Entgeltersatzleistung aufgrund eines Sozialversicherungsverhältnisses sei und damit eine andere Zielrichtung als das Alg II habe. Bereits aus diesem Grunde könne in dem Antrag auf Alg nicht zugleich auch ein Antrag auf die Grundsicherungsleistungen erblickt werden. Im Übrigen hält er die Ausführungen des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die zulässigen Revisionen sind unbegründet.

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Die Kläger haben keine Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vor dem 9.2.2009. Der ausschließlich auf die Gewährung von Alg nach dem SGB III gerichtete Antrag des Klägers zu 1, der bei der Arbeitsagentur gestellt worden ist, umfasst nicht zugleich einen Antrag der Kläger auf Alg II/Sozialgeld (3). Ebenso wenig bewirkt der am 9.2.2009 bei dem Beklagten gestellte Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, als nachgeholter Antrag iS des § 28 SGB X, eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Beantragung von Alg bei der Arbeitsagentur (4). Nach den Feststellungen des LSG können die Kläger ihr Begehren auch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen (5).

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1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.1. bis 8.2.2009, die der Beklagte durch Bescheid vom 20.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.7.2009 und diese in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16.7.2009 abgelehnt hat. Die Kläger verfolgen ihren Anspruch insoweit zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG).

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2. Der Senat lässt es dahingestellt, ob die Feststellungen des LSG ausreichen, um die Leistungsberechtigung der Kläger iS des § 7 SGB II beurteilen zu können. Sie haben vor dem 9.2.2009 keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Kläger zu 1 hat nach den bindenden, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)vor dem 9.2.2009 keinen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II für sich und die Bedarfsgemeinschaft bei dem Beklagten gestellt.

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Für Zeiten vor der Antragstellung sind nach § 37 Abs 2 S 1 SGB II in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) keine Leistungen zu erbringen. Dem Antrag kommt im SGB II zwar keine Bedeutung als materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung zu. Hilfebedürftigkeit als Leistungsvoraussetzung iS von § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 iVm § 9 SGB II kann schon vor der Antragstellung und unabhängig von einer Antragstellung vorliegen(vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 30; s auch zum Fortzahlungsantrag BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 5 RdNr 17). Anders als im Sozialhilferecht (§ 18 SGB XII) ist für den Zeitpunkt des Leistungsbeginns im SGB II jedoch nicht die Kenntnis der Hilfebedürftigkeit durch die Leistungsträger ausreichend, sondern es bedarf des konstitutiven Akts des Antrags desjenigen, der Leistungen nach dem SGB II begehrt (BT-Drucks 15/1516, S 62; s auch BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 166/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 31 RdNr 15). Der Antrag hat insoweit "Türöffnerfunktion". Mit dem konstitutiven Akt der Antragstellung wird das Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt - ab diesem Zeitpunkt hat der Leistungsträger die Verpflichtung, das Bestehen des Leistungsanspruchs zu prüfen und zu bescheiden (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15; s auch BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38).

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Die Kläger können auch nicht unter Berufung auf § 37 Abs 2 S 2 SGB II für den Zeitraum vom 1.2. bis 8.2.2009 Alg II und Sozialgeld beanspruchen. Danach wirkt der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den Ersten des Antragsmonats zurück. Diese Regelung findet für den hier streitigen Zeitraum noch keine Anwendung. Sie ist erst durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011 (BGBl I 453) eingeführt worden und gemäß dessen Art 14 zum 1.1.2011 in Kraft getreten. Eine Rückwirkung ist ihr nicht beigegeben worden (vgl auch zur Intention der Änderung: BR-Drucks 661/10, S 185).

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3. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gilt auch nicht nach § 16 Abs 2 S 2 SGB I als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem der Antrag auf Alg nach dem SGB III bei der Arbeitsagentur einging(22.12.2008). Dieser bei der Arbeitsagentur gestellte Antrag des Klägers zu 1. umfasste nicht zugleich einen solchen auf Leistungen nach dem SGB II für ihn und die Kläger zu 2. bis 4. Nach der für den Senat bindenden Auslegung des Alg-Antrags durch das LSG (§ 163 SGG)war er im konkreten Fall ausschließlich auf das Alg nach dem SGB III gerichtet (a). Auch vermag sich der erkennende Senat nicht der Rechtsauffassung der Kläger anzuschließen, dass ein Alg-Antrag nach dem SGB III immer auch einen solchen auf die Leistungen nach dem SGB II umfasse (noch offen gelassen: BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 16/09 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 3 RdNr 18; aA Link in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 37 RdNr 27; Striebinger in Gagel SGB II/SGB III, § 37 SGB II RdNr 61, Stand XII/12; Valgolio in Hauck/Noftz SGB II, § 37 RdNr 29, Stand IV/12; wohl auch Spellbrink/G.Becker in Kreikebohm/ Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 36-45 SGB II RdNr 10) (b).

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a) Die Auslegung des LSG, dass der Antrag vom 22.12.2008 ausschließlich auf Alg nach dem SGB III gerichtet war, haben die Kläger weder mit Verfahrensrügen angegriffen, noch hat das LSG seiner Auslegung einen unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt (vgl zur Bindung an die Auslegung einer Willenserklärung durch das LSG: BSG Urteil vom 11.9.2001 - B 2 U 41/00 R - SozR 3-2200 § 1150 Nr 5, Juris-RdNr 24; BSG Urteil vom 24.11.1976 - 1 RA 151/75 - BSGE 43, 37, 39 = SozR 2200 § 1265 Nr 24, Juris-RdNr 13; BSG Urteil vom 24.10.1975 - 5 RJ 84/75 - SozR 1500 § 163 Nr 2, Juris-RdNr 25).

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Bei dem Antrag handelt es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige, öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die - sofern das Sozialrecht keine speziellen Regelungen trifft - die Vorschriften des BGB, insbesondere des § 133 BGB, Anwendung finden(BSG Urteil vom 17.7.1990 - 12 RK 10/89 - SozR 3-1200 § 16 Nr 2 mwN, RdNr 20). Maßgebend für die Auslegung eines Antrags ist daher - unter Berücksichtigung aller Umstände - der erkennbare wirkliche Willen des Antragstellers (BSG Urteil vom 1.4.1981 - 9 RV 49/80 - SozR 3100 § 48 Nr 7, Juris RdNr 17; BSG Urteil vom 23.2.1973 - 3 RK 44/71 - BSGE 35, 220, 221 = SozR Nr 2 zu § 173a RVO, Juris RdNr 18). Die Auslegung hat nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung zu erfolgen (vgl BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3, RdNr 14). Danach ist, sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht vorliegt, davon auszugehen, dass der Antragsteller die nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommenden Leistungen begehrt, unabhängig davon welchen Antragsvordruck er hierfür benutzt oder welchen Ausdruck er gewählt hat (BSG Urteil vom 11.9.2001 - B 2 U 41/00 R - SozR 3-2200 § 1150 Nr 5, Juris RdNr 24; BSG vom 1.4.1981 - 9 RV 49/80 - SozR 3100 § 48 Nr 7, Juris RdNr 17; BSG Urteil vom 15.11.1979 - 7 RAr 75/78 - BSGE 49, 114 = SozR 4100 § 100 Nr 5, Juris-RdNr 13).

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Eine Berufung auf den Meistbegünstigungsgrundsatz kann jedoch in einer Konstellation wie der hier vorliegenden - also der ausdrücklichen Beantragung einer Sozialleistung (Alg nach dem SGB III) bei dem für die weitere Leistung (Alg II/Sozialgeld) unzuständigen Träger (vgl zur Trägerzuständigkeit unten unter b) - allenfalls dann angenommen werden, wenn der Antragsteller einen für den unzuständigen Leistungsträger erkennbaren Willen zum Ausdruck bringt, neben der beantragten Leistung noch weitere Sozialleistungen zu begehren. Zumindest bedarf es dann im Verhältnis von Alg zu Alg II (Sozialgeld) tatsächlicher Angaben - unter Berücksichtigung der Laiensicht -, aus denen insbesondere auf die Hilfebedürftigkeit, aber ggf auch das Vorliegen anderer Anspruchsvoraussetzungen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu schließen ist (vgl zu den erforderlichen Angaben, um ein Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X auszulösen: BSG vom 13.2.2014 - B 4 AS 22/13 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Dies kann etwa dadurch geschehen, dass der Antragsteller zu erkennen gibt, ihm und ggf der Bedarfsgemeinschaft fehle es an hinreichenden finanziellen Mitteln, um den Lebensunterhalt zu bestreiten und sie seien deshalb auf weitere Sozialleistungen als die ausdrücklich beantragten angewiesen. Nur so kann im Übrigen ausgeschlossen werden, dass ein hilfebedürftiger Leistungsberechtigter, der keine Grundsicherungsleistungen in Anspruch nehmen möchte, gleichwohl in die Situation gelangt, als Antragsteller auf diese Leistungen behandelt zu werden, verbunden damit, dass für ihn - und ggf auch die restliche Bedarfsgemeinschaft - das System des Forderns und Förderns gilt (s zur Vermeidung des Grundsicherungsleistungsbezugs durch die Leistung des Kinderzuschlags nach § 6a BKGG: BT-Drucks 15/1516, S 83; vgl auch Spellbrink/G. Becker in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 6a BKGG RdNr 3). Einen Willen, Leistungen nach dem SGB II zu beantragen, hat der Kläger zu 1 hier nach den Feststellungen des LSG gegenüber der Arbeitsagentur jedoch gerade nicht bekundet.

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Danach war der Arbeitsagentur zunächst nichts zur familiären und finanziellen Situation des Klägers zu 1 bekannt. Er hat gegenüber der Arbeitsagentur nur die Angaben gemacht, die erforderlich waren, um den Anspruch auf Alg nach dem SGB III prüfen zu können. Unabhängig davon, ob hierin bereits eine Beschränkung des Antrags auf Leistungen nach dem SGB III erblickt werden kann, hat der Kläger zu 1 nach den Feststellungen des LSG auch erstmals am 20.1.2009 seine finanziell prekäre Situation gegenüber der Arbeitsagentur thematisiert. Er ist jedoch deren Hinweis auf eine Antragstellung bei der Arge nicht nachgekommen. Nach einem Vermerk der Beklagten in der Akte hat der Kläger zu 1 eine Antragstellung beim Grundsicherungsträger ausdrücklich abgelehnt. Diese Feststellungen haben die Kläger in der Revisionsbegründung nicht angegriffen. Sie sind daher für den erkennenden Senat bindend (§ 163 SGG).

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b) Die Kläger können - ungeachtet der konkreten Sachlage - auch nicht aus grundsätzlichen Erwägungen für sich in Anspruch nehmen, aus dem Meistbegünstigungsgrundsatz folge, dass ein bei der Arbeitsagentur gestellter Antrag auf Alg nach dem SGB III immer auch einen solchen auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beinhalte (zur generellen Anwendbarkeit des Meistbegünstigungsgrundsatzes vgl nur BSG Urteil vom 21.7.1977 - 7 RAr 132/75 - BSGE 44, 164 = SozR 4100 § 134 Nr 3, Juris-RdNr 24). Alg und Alg II/Sozialgeld unterscheiden sich im Hinblick auf Anspruchsvoraussetzungen, Leistungssystem und -verantwortung grundlegend, sodass der Antrag auf die eine Leistung nicht zugleich grundsätzlich als ein Antrag auf die andere Leistung angesehen werden kann. Während ein Anspruch auf Alg nach § 117 SGB III(idF des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 24.3.1997, BGBl I 594, gültig bis 31.12.2004) bzw heute § 136 SGB III das Bestehen von Arbeitslosigkeit erfordert, ist dies nicht Voraussetzung für Ansprüche auf Alg II oder Sozialgeld. Sie setzen vielmehr ua Hilfebedürftigkeit (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II) voraus, ohne dass diese durch Arbeitslosigkeit iS des § 118 SGB III bzw § 138 SGB III hervorgerufen worden sein müsste. Wegen dieser mangelnden Anknüpfung des Alg II an die Arbeitslosigkeit kommt auch eine Übertragung der Rechtsprechung des BSG zu dem Verhältnis von Alg-Antrag zu Alhi-Antrag auf das Verhältnis von Alg-Antrag zu Alg II-Antrag nicht in Betracht. Zwar war auch der Alhi-Anspruch nach § 190 Abs 1 Nr 5 SGB III(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, gültig bis zum 31.12.2004) von der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers abhängig. Doch Alg und Alhi verband die gemeinsame Anknüpfungstatsache der Arbeitslosigkeit als Anspruchsvoraussetzung. Nach der Rechtsprechung des 7. Senats des BSG war daher Voraussetzung, um in einem Antrag auf Alg auch einen solchen auf Alhi oder umgekehrt erblicken zu können, dass der Antrag eindeutig auf Leistungen für den Fall der Arbeitslosigkeit gerichtet war (BSG Urteil vom 21.7.1977 - 7 RAr 132/75 - BSGE 44, 164 = SozR 4100 § 134 Nr 3, Juris-RdNr 24).

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Dass das SGB II - zumindest soweit es den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten betrifft - auch Arbeitsmarktbezüge hat (vgl S. Knickrehm/Krauß, SRH, 5. Aufl 2012, § 24 RdNr 1; Stölting in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 1 RdNr 5, 6), wie sich etwa aus dem Grundsatz des Forderns nach § 2 SGB II, der Regelung des Erfordernisses der Zustimmung zur Ortsabwesenheit nach § 7 Abs 4a SGB II oder den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem 1. Abschnitt des 3. Kapitels des SGB II ergibt, ändert an dem soeben gefundenen Ergebnis ebenso wenig wie die zeitgleiche Ablösung der Regelungen zur Alhi und der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum 1.1.2005 (aA Link in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 37 RdNr 27; Striebinger in Gagel, SGB II/SGB III, § 37 SGB II RdNr 61, Stand XII/12; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 37 RdNr 29, Stand IV/12; wohl auch Spellbrink/G.Becker in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 36-45 SGB II RdNr 10). Alg und Alhi sollen und sollten nach dem SGB III den durch Arbeitslosigkeit eingetretenen Entgeltverlust ausgleichen (BSG Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 46/08 R - RdNr 10). Die Alhi wurde als so genannte Entgeltersatzleistung gemäß § 116 Nr 6 SGB III (aF) in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes(in Höhe von 57 bzw 53 vH) bezogen auf das Leistungsentgelt und damit letztlich auf den zuletzt erzielten Verdienst gezahlt (vgl § 195 SGB III aF). Bis zum 31.12.2004 betrachtete man daher Alg und Alhi im Wege der Fiktion als ein einheitliches System gestufter Leistungen gegen die finanziellen Folgen von Arbeitslosigkeit (vgl Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, E 10, RdNr 65, Stand VI/13 mwN und unter Hinweis auf BT-Drucks 9/846, S 47). Der Anspruch auf Alhi setzte ab dem 1.1.2000 zudem voraus, dass der Arbeitslose in der Vorfrist des § 190 Abs 1 Nr 4 SGB III Alg bezogen hatte. Alg als Voraussetzung für den Anspruch auf Anschluss-Alhi wiederum erforderte, dass der Antragsteller in der Rahmenfrist 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hatte. Wenn das BSG hieraus auch nicht den Schluss gezogen hat, dass es sich bei der Alhi um eine Versicherungsleistung handelte (s nur BSG vom 5.6.2003 - B 11 AL 67/02 R - SozR 4-4300 § 434c Nr 3, Juris-RdNr 20), war der Rechtscharakter der Anschluss-Alhi doch wesentlich dadurch geprägt, dass sie von einer vorangegangenen Versicherungsleistung abhängig war (vgl Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, E 10, RdNr 66, Stand VI/13 mwN).

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Für das Einsetzen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist es hingegen unerheblich, aus welchem Grund die Hilfebedürftigkeit eingetreten ist und ob zuvor Alg bezogen worden ist. Insoweit ist ein Systemwechsel eingetreten, der Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe in einem steuerfinanzierten Existenzsicherungssystem zusammengeführt hat (vgl hierzu S. Knickrehm/Krauß, SRH, 5. Aufl 2012, § 24 RdNr 1; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, E 10, RdNr 92, Stand VI/13). Wie das BSG bereits erkannt hat, handelt es sich beim Alg II materiell-inhaltlich auch nicht um eine einfache Fortsetzung bzw Nachfolgeregelung zur früheren Alhi. Das Alg II gemäß §§ 19 ff SGB II wird in Höhe der Regelleistung/des Regelbedarfs nach § 20 SGB II für alle Empfängergruppen in den einzelnen Regelbedarfsstufen in gleicher Höhe und pauschaliert gewährt. Anders als bei der Alhi (vgl die Leistungssätze des § 194 SGB III aF) wird beim Alg II das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft geprüft und danach für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gesondert Alg II/Sozialgeld als Einzelanspruch gewährt, während der Anspruch auf Alhi im Wesentlichen von der Größe der Familie bzw Bedarfsgemeinschaft unabhängig war. Insofern stellt der 1.1.2005 eine auch vom Gesetzgeber so beabsichtigte rechtliche und tatsächliche Zäsur dar (BSG Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 46/08 R - RdNr 10).

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Unabhängig davon hat sich die Situation im Verhältnis zur Rechtslage vor dem 1.1.2005 auch insoweit geändert, als nun nicht mehr ein und derselbe Leistungsträger für die Gewährung von Alg und Alg II/Sozialgeld Verantwortung trägt. Dies betrifft nicht nur den Fall, dass ein zugelassener kommunaler Träger nach § 6a SGB II ohne die BA die Aufgaben der Leistungsgewährung nach dem SGB II allein wahrnimmt, sondern gilt auch für die im hier streitigen Zeitpunkt noch tätigen Arbeitsgemeinschaften aus kommunalen Trägern und BA, in denen auch die Aufgaben der BA nach § 44b Abs 3 S 1 SGB II die Arge als Leistungsträger wahrgenommen hat(vgl hierzu Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 44b RdNr 17; nach der Entscheidung des BVerfG vom 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331 sollte § 44b SGB II bis zum 31.12.2010 in Kraft bleiben; aA Striebinger in Gagel, SGB II/SGB III, § 37 SGB II RdNr 61, Stand XII/12, die für beide Leistungen die BA als zuständigen Leistungsträger ansieht).

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4. Ebenso wenig können die Kläger § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 28 SGB X für sich nutzbar machen, um für den Zeitraum vom 1.1. bis 8.2.2009 zu einer Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch den Beklagten zu gelangen. Nach § 28 Satz 1 SGB X wirkt ein nachgeholter Antrag bis zu einem Jahr zurück, wenn ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines Antrages auf eine Sozialleistung abgesehen hat, weil ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht worden ist, und diese Leistung versagt wird oder zu erstatten ist, wenn der nunmehr nachgeholte Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist. Nach Satz 2 gilt dies auch dann, wenn der rechtzeitige Antrag auf eine andere Leistung aus Unkenntnis über deren Anspruchsvoraussetzung unterlassen wurde und die zweite Leistung gegenüber der ersten Leistung, wäre diese erbracht worden, nachrangig gewesen wäre. Die hier vorliegende Fallkonstellation, dass die andere Sozialleistung - das Alg nach dem SGB III - nicht versagt worden ist, sondern bewilligt wurde und nur nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft sicherzustellen, unterfällt dieser Regelung nicht. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut der Vorschrift.

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Der Gesetzeswortlaut spricht in Satz 1 des § 28 SGB X von "versagen", also dem erfolglosen Beantragen einer anderen Sozialleistung(Siefert in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 28 RdNr 6) und ihrer "Ablehnung" durch eine negative Verwaltungsentscheidung (vgl BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 16/09 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 3 RdNr 20; s auch Franz in jurisPK-SGB X, § 28 SGB X, RdNr 12, Stand 29.10.2013; Vogelsang in Hauck/Noftz, SGB X, § 28 RdNr 5, Stand VI/12). Nichts Anderes gilt für Satz 2 des § 28 SGB X, der davon ausgeht, dass die vorrangige Leistung tatsächlich nicht erbracht worden ist(BSG vom 24.9.2012 - B 14 AS 36/12 B - Juris RdNr 5). In der hier vorliegenden Fallkonstellation ist das Gegenteil dessen erfolgt. Die "andere Sozialleistung", also das Alg nach dem SGB III, ist antragsgemäß von der Arbeitsagentur bewilligt worden.

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Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die zuvor dargelegte Fallkonstellation scheidet ebenfalls aus. Es mangelt insoweit bereits an einer planwidrigen Lücke. Dies folgt aus der Gesetzesbegründung sowie dem Sinn und Zweck der Norm und systematischen Überlegungen. Zur Regelung des § 26a SGB X wird in den Gesetzesmaterialien ausgeführt, dass durch die Vorschrift Rechtsnachteile vermieden werden sollten, wenn ein Berechtigter in Erwartung eines positiven Bescheides einen Antrag auf andere Sozialleistungen nicht gestellt habe(BT-Drucks 8/4022 S 81 f). Wird seine Erwartung erfüllt, besteht mithin kein Bedürfnis, ihm zusätzlich die Vergünstigung des § 28 SGB X einzuräumen. Sinn und Zweck des § 28 SGB X ist es vielmehr Nachteile zu vermeiden, die dadurch entstehen, dass die beantragte Leistung abgelehnt wurde und die Leistung von einem anderen Leistungsträger, die statt dessen hätte in Anspruch genommen werden können, wegen des Verstreichens der Antragsfrist oder des fehlenden Antrags nicht für einen abgelaufenen Zeitraum gewährt werden kann(Siefert in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 28 RdNr 3). § 28 SGB X regelt insoweit zwei Spezialfälle der Wiedereinsetzung bei verspäteter Antragstellung auf eine Sozialleistung. Der Grundsatz, dass Leistungen erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung gewährt werden - und auch nur dieser - wird durch sie durchbrochen (Franz in jurisPK-SGB X, § 28 SGB X, RdNr 6, Stand 29.10.2013). Ziel der Vorschrift ist es hingegen nicht, wie vorliegend von den Klägern gefordert, materielle Gerechtigkeit unabhängig von dem Antragserfordernis herzustellen.

26

Zugleich soll die Regelung des § 28 SGB X verhindern, dass ein Betroffener zeitgleich mehrere Anträge auf verschiedene Leistungen stellen muss, um keinen Rechtsnachteil zu erlangen. Die Sozialverwaltung soll so von der Prüfung (unnötiger) Doppelanträge verschont werden (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 16/09 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 3 RdNr 20; Franz in jurisPK-SGB X, § 28 SGB X, RdNr 10, Stand 29.10.2013). Auch insoweit wird deutlich, dass § 28 SGB X nicht deswegen lückenhaft ist, weil die Vorschrift die hier vorliegende Konstellation, dass Alg nach dem SGB III bewilligt worden ist, dessen Höhe jedoch nicht zur Sicherung der Existenz ausreicht, nicht erfasst. Der Antrag auf die zweite Leistung - hier das aufstockende Alg II/Sozialgeld - wäre auch parallel zu dem wegen Alg nach dem SGB III von dem Grundsicherungsträger zu bearbeiten gewesen, ohne dass das Alg II bei der Bewilligung von Alg nach dem SGB III entfallen wäre; es sei denn, das Alg nach dem SGB III hätte zur Lebensunterhaltssicherung ausgereicht - dann hätte es des Alg II jedoch ohnehin nicht bedurft. Die Leistungen Alg und Alg II/Sozialgeld stehen eben gerade nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander.

27

Die Kläger gehen ebenfalls mit der Auffassung fehl, mit der Bewilligung von Alg nach dem SGB III werde zugleich der Anspruch auf Alg II/Sozialgeld abgelehnt. Zwar umfasst nach der für die Angelegenheiten der Grundsicherung zuständigen Senate des BSG die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II immer auch die Ablehnung von weitergehenden Leistungen nach dem SGB II, soweit ungedeckte Bedarfe tatsächlich vorhanden sind. Diese Rechtsprechung setzt bei der "Türöffnerfunktion" des Leistungsantrags nach § 37 SGB II an. Außer in den in § 37 SGB II geregelten Ausnahmefällen und soweit es Eingliederungsleistungen betrifft, wird mit dem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts die umfassende Bedarfsdeckung durch den Grundsicherungsträger beantragt. Angesichts der zuvor dargelegten Unterschiede der Leistungen nach dem SGB III und dem SGB II kann dies jedoch für einen Antrag, der ausschließlich auf Leistungen nach dem SGB III gerichtet ist, nicht gelten.

28

Auch soweit sich die Kläger auf die Entscheidung des 14. Senats des BSG vom 19.10.2010 (B 14 AS 16/09 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 3) stützen, bleibt ihre Argumentation erfolglos. In dem dortigen Fall war von der Arbeitsagentur ein Antrag auf Überprüfung einer bindenden Ablehnung von Alg nach dem SGB III negativ im Sinne der Nichtgewährung von Alg beschieden worden. Dass - soweit die weiteren Voraussetzungen des § 28 SGB X und des § 7 Abs 1 SGB II gegeben sind - alsdann der spätere Antrag auf Grundsicherungsleistungen nach § 28 SGB X zurückwirken kann, steht außer Zweifel, trifft die Lage der Kläger jedoch wie schon dargelegt nicht.

29

5. Auch der sozialrechtliche Herstellungsanspruch verhilft den Klägern nicht zum Erfolg ihres Begehrens. Rechtsgrundlage für die Beratungspflicht in Form einer Hinweispflicht sind die §§ 14, 15 SGB I. Eine umfassende Beratungspflicht des Sozialversicherungsträgers bzw des Sozialleistungsträgers besteht zunächst regelmäßig bei einem entsprechenden Beratungs- und Auskunftsbegehren des Leistungsberechtigten (vgl BSG Urteil vom 17.8.2000 - B 13 RJ 87/98 R - Juris-RdNr 38; BSG Urteil vom 14.11.2002 - B 13 RJ 39/01 R - SozR 3-2600 § 115 Nr 9, Juris RdNr 43). Ausnahmsweise besteht nach ständiger Rechtsprechung des BSG auch dann eine Hinweis- und Beratungspflicht des Leistungsträgers, wenn anlässlich einer konkreten Sachbearbeitung in einem Sozialrechtsverhältnis dem jeweiligen Mitarbeiter eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit ersichtlich ist, die ein verständiger Versicherter/Leistungsberechtigter wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre (BSG Urteil vom 8.2.2007 - B 7a AL 22/06 R - BSGE 98, 108 = SozR 4-4100 § 324 Nr 3; stRspr des BSG; vgl BSG Urteil vom 27.7.2004 - B 7 SF 1/03 R - SozR 4-1200 § 14 Nr 5 mit Anm Münder, SGb 2005, 239; BSG Urteil vom 10.12.2003 - B 9 VJ 2/02 R - BSGE 92, 34 = SozR 4-3100 § 60 Nr 1; BSG Urteil vom 14.11.2002 - B 13 RJ 39/01 R - SozR 3-2600 § 115 Nr 9 mit Anm Köhler, SGb 2003, 407; BSG Urteil vom 22.10.1998 - B 5 RJ 56/97 R - SGb 1999, 26). Dabei ist die Frage, ob eine Gestaltungsmöglichkeit klar zu Tage liegt, allein nach objektiven Merkmalen zu beurteilen (BSG Urteil vom 26.10.1994 - 11 RAr 5/94 - SozR 3-1200 § 14 Nr 16). Eine derartige Situation lag hier nicht vor.

30

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG, die die Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen haben, hat der Kläger zu 1 vor dem 20.1.2009 nichts gegenüber der Arbeitsagentur kund getan, was deren Beratungspflicht hätte auslösen können. Es wird insoweit auf die Ausführungen unter 3. verwiesen. Erstmals am 20.1.2009 hat er der Arbeitsagentur mitgeteilt, dass er keine Möglichkeit sehe, am Ende des Monats die Miete zu zahlen. Damit hatte die Arbeitsagentur Kenntnis von der finanziell prekären Situation der Kläger. Ausweislich der weiteren Feststellungen des LSG unter Bezug auf einen Vermerk in der Akte des Beklagten hat die Arbeitsagentur alsdann darauf hingewiesen, der Kläger zu 1 möge sich an die Arge wenden. Unabhängig davon, ob der Kläger zu 1 dies abgelehnt hat, hat die Arbeitsagentur damit jedoch ihre Beratungspflicht erfüllt. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass die Kläger schon vor dem 22.12.2008 aufstockende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen haben, also mit dem System des SGB II durchaus vertraut waren.

31

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 7 Leistungsberechtigte


(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die1.das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,2.erwerbsfähig sind,3.hilfebedürftig sind und4.ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschla

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 20 Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts


(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des tägl

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 9 Hilfebedürftigkeit


(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer So

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 163


Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 40 Anwendung von Verfahrensvorschriften


(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass1.rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 19 Bürgergeld und Leistungen für Bildung und Teilhabe


(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Bürgergeld. Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Bürgergeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 44b Gemeinsame Einrichtung


(1) Zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende bilden die Träger im Gebiet jedes kommunalen Trägers nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 eine gemeinsame Einrichtung. Die gemeinsame Einrichtung nimmt die Aufgaben der Träger nach

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 2 Grundsatz des Forderns


(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen müssen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person mu

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 37 Antragserfordernis


(1) Leistungen nach diesem Buch werden auf Antrag erbracht. Leistungen nach § 24 Absatz 1 und 3 und Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Absatz 5 sind gesondert zu beantragen. (2) Leistungen nach diesem Buch werden nicht für Zeiten vor der Antrag

Bundeskindergeldgesetz - BKGG 1996 | § 6a Kinderzuschlag


(1) Personen erhalten für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn1.sie für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des E

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 6a Zugelassene kommunale Träger


(1) Die Zulassungen der aufgrund der Kommunalträger-Zulassungsverordnung vom 24. September 2004 (BGBl. I S. 2349) anstelle der Bundesagentur als Träger der Leistungen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 zugelassenen kommunalen Träger werden vom Bundesm

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 138 Arbeitslosigkeit


(1) Arbeitslos ist, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und1.nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),2.sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und3.den Vermittlungsbemühungen

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 14 Beratung


Jeder hat Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch. Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind.

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 118 Leistungen


Die besonderen Leistungen umfassen1.das Übergangsgeld,2.das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann,3.die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 16 Antragstellung


(1) Anträge auf Sozialleistungen sind beim zuständigen Leistungsträger zu stellen. Sie werden auch von allen anderen Leistungsträgern, von allen Gemeinden und bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundes

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 117 Grundsatz


(1) Die besonderen Leistungen sind anstelle der allgemeinen Leistungen insbesondere zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung, einschließlich Berufsvorbereitung, sowie der wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung zu erbringen,

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 18 Einsetzen der Sozialhilfe


(1) Die Sozialhilfe, mit Ausnahme der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, setzt ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliege

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 15 Auskunft


(1) Die nach Landesrecht zuständigen Stellen, die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung sind verpflichtet, über alle sozialen Angelegenheiten nach diesem Gesetzbuch Auskünfte zu erteilen. (2) Die Auskunftspf

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 38 Vertretung der Bedarfsgemeinschaft


(1) Soweit Anhaltspunkte dem nicht entgegenstehen, wird vermutet, dass die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte bevollmächtigt ist, Leistungen nach diesem Buch auch für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen u

Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung


Arbeitsförderungs-Reformgesetz - AFRG

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 136 Anspruch auf Arbeitslosengeld


(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Arbeitslosengeld1.bei Arbeitslosigkeit oder2.bei beruflicher Weiterbildung. (2) Wer das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet hat, hat vo

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 116 Besonderheiten


(1) Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung können auch erbracht werden, wenn Menschen mit Behinderungen nicht arbeitslos sind und durch diese Leistungen eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden kann. (2) Förderun

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 28 Wiederholte Antragstellung


(1) Hat ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines Antrages auf eine Sozialleistung abgesehen, weil ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht worden ist, und wird diese Leistung versagt oder ist sie zu erstatten, wirkt der nun

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(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

(1) Hat ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines Antrages auf eine Sozialleistung abgesehen, weil ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht worden ist, und wird diese Leistung versagt oder ist sie zu erstatten, wirkt der nunmehr nachgeholte Antrag bis zu einem Jahr zurück, wenn er innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist. Satz 1 gilt auch dann, wenn der Antrag auf die zunächst geltend gemachte Sozialleistung zurückgenommen wird.

(2) Absatz 1 gilt auch dann, wenn der rechtzeitige Antrag auf eine andere Leistung aus Unkenntnis über deren Anspruchsvoraussetzung unterlassen wurde und die zweite Leistung gegenüber der ersten Leistung, wenn diese erbracht worden wäre, nachrangig gewesen wäre.

(1) Soweit Anhaltspunkte dem nicht entgegenstehen, wird vermutet, dass die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte bevollmächtigt ist, Leistungen nach diesem Buch auch für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegenzunehmen. Leben mehrere erwerbsfähige Leistungsberechtigte in einer Bedarfsgemeinschaft, gilt diese Vermutung zugunsten der Antrag stellenden Person.

(2) Für Leistungen an Kinder im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechts hat die umgangsberechtigte Person die Befugnis, Leistungen nach diesem Buch zu beantragen und entgegenzunehmen, soweit das Kind dem Haushalt angehört.

(1) Hat ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines Antrages auf eine Sozialleistung abgesehen, weil ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht worden ist, und wird diese Leistung versagt oder ist sie zu erstatten, wirkt der nunmehr nachgeholte Antrag bis zu einem Jahr zurück, wenn er innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist. Satz 1 gilt auch dann, wenn der Antrag auf die zunächst geltend gemachte Sozialleistung zurückgenommen wird.

(2) Absatz 1 gilt auch dann, wenn der rechtzeitige Antrag auf eine andere Leistung aus Unkenntnis über deren Anspruchsvoraussetzung unterlassen wurde und die zweite Leistung gegenüber der ersten Leistung, wenn diese erbracht worden wäre, nachrangig gewesen wäre.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Leistungen nach diesem Buch werden auf Antrag erbracht. Leistungen nach § 24 Absatz 1 und 3 und Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Absatz 5 sind gesondert zu beantragen.

(2) Leistungen nach diesem Buch werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück. Wird ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen einzelnen Monat gestellt, in dem aus Jahresabrechnungen von Heizenergiekosten oder aus der angemessenen Bevorratung mit Heizmitteln resultierende Aufwendungen für die Heizung fällig sind, wirkt dieser Antrag, wenn er bis zum Ablauf des dritten Monats nach dem Fälligkeitsmonat gestellt wird, auf den Ersten des Fälligkeitsmonats zurück. Satz 3 gilt nur für Anträge, die bis zum 31. Dezember 2023 gestellt werden.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1. bis 25.9.2008.

2

Die Kläger bezogen im Zeitraum vom 1.3. bis 31.8.2008 existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II. In einem Schreiben vom 4.7.2008 wies der Beklagte die Kläger darauf hin, dass der Leistungsbezug am 31.8.2008 ende und - da Leistungen nur auf Antrag gewährt werden könnten - ein Fortzahlungsantrag rechtzeitig vor dem Ablauf des Bewilligungsabschnitts gestellt werden müsse. Ein Antragsformular fügte er bei.

3

Der Fortzahlungsantrag der Kläger ging am 26.9.2008 bei dem Beklagten ein. Darauf bewilligte er den Klägern ab diesem Tag SGB II-Leistungen bis zum 28.2.2009. Der Widerspruch der Kläger, mit dem sie Leistungen bereits ab dem 1.9.2008 begehren, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18.2.2009).

4

SG Gelsenkirchen und LSG Nordrhein-Westfalen haben die Entscheidung des Beklagten bestätigt (Urteile des SG vom 11.12.2009 und des LSG vom 11.5.2010). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, dass die Kläger keinen Anspruch auf Leistungen im Zeitraum vor der Antragstellung hätten, denn Alg II bzw Sozialgeld werde nach dem Wortlaut des § 37 SGB II nur auf Antrag gewährt. Insoweit komme es nicht darauf an, ob es sich um einen Erst- oder einen Fortzahlungsantrag handele. § 37 SGB II differenziere nach der Gesetzesbegründung insoweit nicht. Verfahrensrechtlich bleibe ein einmal gestellter Antrag nur so lange bestehen, bis er beschieden worden sei, sodass für den nächsten Bewilligungsabschnitt auch ein neuer Antrag erforderlich werde. Diese Rechtsanwendung werde durch die Rechtsprechung des BSG bestätigt, wonach Folgezeiträume nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Rechtsstreits über einen vorhergehenden Bewilligungsabschnitt sein könnten. Die Rechtsprechung des BSG zum SGB III (Alhi) hinsichtlich der Fortwirkung der Antragstellung über den Bewilligungsabschnitt hinaus könne nicht auf das SGB II übertragen werden. Der Antrag habe im SGB III materiell-rechtliche Wirkung gehabt, was im SGB II nicht der Fall sei. Habe der Antrag im SGB II jedoch nur verfahrensrechtliche Funktion, verliere er seine Wirkung mit der Beendigung des Verwaltungsverfahrens. Ebenso sei die Entbehrlichkeit eines Folgeantrags, wie der 8. Senat des BSG sie für das Recht der Grundsicherung im Alter und wegen Erwerbsminderung angenommen habe, nicht auf das SGB II übertragbar. Dort sei von einem geringen Anpassungs- oder Änderungsbedarf nach Ablauf des Bewilligungszeitraums auszugehen. Insoweit unterscheide sich die Situation im SGB II - allein schon aufgrund der Einbeziehung der gesamten Bedarfsgemeinschaft - grundlegend. Sie führe zu einem schnellen und häufigen Wechsel des Bedarfs. Eine Antragstellung der Kläger vor dem 1.9.2008 sei nicht nachgewiesen und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, da hier keine gesetzliche Frist versäumt worden sei. Auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kämen die Kläger nicht zu dem Leistungsanspruch im streitigen Zeitraum, denn eine Nebenpflichtverletzung des Beklagten sei weder geltend gemacht, noch liege sie vor.

5

Die Kläger haben die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und rügen eine Verletzung von § 37 SGB II. Nach dem Wortlaut des § 37 SGB II sei eine erneute Antragstellung nicht erforderlich. Systematisch sei das SGB II auf Dauerleistungen angelegt, die nicht durch den Ablauf eines Bewilligungsabschnitts unterbrochen würden. Sinn und Zweck der Leistungsbewilligung in Abschnitten sei die daraus erwachsende Möglichkeit, den Einfluss des Leistungsträgers auf die Vermittlung des Hilfebedürftigen zu stärken. Dazu bedürfe es der regelhaften Unterbrechung in Bewilligungszeiträume jedoch nicht. Den praktischen Schwierigkeiten könne mit den Vorschriften zur mangelnden Mitwirkung nach §§ 60 ff SGB I Rechnung getragen werden.

6

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 11. Dezember 2009 und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 2010 aufzuheben sowie den Bescheid vom 29. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2009 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe auch für den Zeitraum vom 1. September bis 25. September 2008 zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet.

10

Die Entscheidung des LSG ist nicht zu beanstanden. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1. bis 25.9.2008. Es mangelt insoweit an einem Leistungsantrag nach § 37 Abs 1 SGB II für den streitigen Zeitraum. Es war vorliegend auch nicht auf das Antragserfordernis zu verzichten, weil eine Fortzahlung von Leistungen im direkten Anschluss an einen vorhergehenden Bewilligungszeitraum begehrt wird (3.). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG ist der Zugang eines Antrags bei dem Beklagten für den Leistungsabschnitt ab dem 1.9.2008 nicht vor dem 26.9.2008 nachgewiesen (4.). Den Klägern ist insoweit auch weder eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X einzuräumen (5.), noch steht ihnen ein Anspruch auf Leistungen aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu (6.).

11

1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Es steht insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112), die mit Wirkung vom 1.1.2011 kraft Gesetzes als (teil-)rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gesellschaft sui generis entstanden ist (Luik, jurisPR-SozR 24/2010 Anm 1). Die gemeinsame Einrichtung ist im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenzuweisung Trägerin von Rechten und Pflichten und nimmt die Aufgaben der Träger wahr, indem sie insbesondere Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide erlässt (§ 44b Abs 1 Satz 1 und 2 SGB II). Gemäß § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II tritt die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft (ARGE). Nach dieser Vorschrift tritt bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung iS von §§ 99, 168 Satz 1 SGG dar (vgl BSG Urteil vom 9.12.1987 - 10 RKg 5/85 = BSGE 62, 269 , 270 f = SozR 1200 § 48 Nr 14; BSG Urteil vom 18.7.2007 - B 12 P 4/06 R = BSGE 99, 15, 16 = SozR 4-3300 § 55 Nr 1; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl 2008, § 168 RdNr 2c). Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

12

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010 (BGBl I 1112) bestehen nicht. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat die "Leistungserbringung aus einer Hand" mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art 91e GG) vom 21.7.2010 (BGBl I 944) in zulässiger Weise verfassungsrechtlich verankert (Henneke in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Aufl 2011, Art 91e, RdNr 43; Volkmann in: v Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, 6. Aufl 2010, Art 91e GG, RdNr 3 f; unklar Hermes in Dreier, Grundgesetzkommentar, 5. Aufl 2010, Art 91e RdNr 26 ff). Der Gesetzgeber hat sich bei der einfach-gesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt (vgl Henneke, aaO, RdNr 46 ff; Volkmann, aaO, RdNr 6 f).

13

2. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 29.9.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.2.2009, mit dem der Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 26.9.2008 bis 28.2.2009 bewilligt hat. Die Kläger haben diesen Bescheid hinsichtlich des Leistungsbeginns angefochten und machen einen Anspruch auf Alg II und Sozialgeld auch für den Zeitraum vom 1.9.2008 an, dem ersten Tag nach dem Ende der Bewilligung durch den Bescheid vom 10.4.2008, bis zum 25.9.2008 zutreffend im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend.

14

3. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, den Klägern im streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren. Es fehlt insoweit bereits an einem Antrag.

15

Nach § 37 Abs 1 SGB II werden Leistungen auf Antrag und zudem nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht(§ 37 Abs 2 Satz 1 SGB II). Die gesetzlich geregelte einzige Ausnahme hiervon besteht, wenn die Anspruchsvoraussetzungen an einem Tag eintreten, an dem der zuständige Träger von Leistungen nach dem SGB II nicht geöffnet hat. Dann wirkt ein unverzüglich gestellter Antrag auf diesen Tag zurück (§ 37 Abs 2 Satz 2 SGB II). Das Antragserfordernis gilt auch nicht nur für das erstmalige Begehren der Leistungsgewährung, sondern ebenso im Fortzahlungsfalle (s auch: LSG Baden-Württemberg Urteil vom 26.3.2010 - L 12 AS 1857/09, Revision anhängig beim BSG unter B 14 AS 55/10 R; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 13.3.2009 - L 14 B 2368/08 AS PKH, ZFSH/SGB 2009, 221; SG Reutlingen Urteil vom 17.3.2008 - S 12 AS 2203/06; so wohl auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 18.9.2008 - L 9 B 39/08 AS, RdNr 17; aA SG Reutlingen Urteil vom 13.12.2007 - S 3 AS 3000/07). Dieses folgt aus Wortlaut, Gesetzesbegründung, systematischem Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der Regelung.

16

Aus dem Wortlaut des § 37 SGB II lässt sich eine unterschiedliche Behandlung von Erst- und Fortzahlungsanträgen nicht entnehmen. Die Regelung stellt allgemein auf das Erfordernis der Antragstellung als Voraussetzung für den Leistungsbeginn ab. In der Begründung zum Gesetzentwurf wird betont, dass der Antrag auf Leistungen konstitutive Wirkung habe, sodass Leistungen erst ab Antragstellung zustünden (BT-Drucks 15/1516, S 62). Ein Hinweis darauf, dass insoweit zwischen dem erstmaligen Leistungsbegehren und einem Anspruch auf die Fortzahlung zu differenzieren sei, findet sich nicht.

17

Das Antragserfordernis im Fortzahlungsfall wird vielmehr durch Überlegungen zur Systematik des Verhältnisses von Alg II-/Sozialgeldanspruch und Antrag bestätigt. Die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II erfolgt für in der Regel 6 Monate (§ 41 Abs 1 Satz 4 SGB II) und kann auf einen Zeitraum bis zu einem Jahr ausgedehnt werden. Die Befristung erfolgt zum einen, um die Grundsicherungsleistungen wegen des Ziels der Eingliederung in den Arbeitsmarkt von vornherein nur auf den hierfür unerlässlichen Zeitraum zu begrenzen (vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15). Es handelt sich insoweit - wie auch bei der Alhi (vgl hierzu BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 9/06 R, SozR 4-4300 § 428 Nr 3) - nicht um eine rentenähnliche Dauerleistung. Zum anderen können durch die Befristung Änderungen der Verhältnisse - insbesondere bedingt durch wechselnde Einkommensverhältnisse und Veränderungen in der Bedarfsgemeinschaft - verfahrensrechtlich und verwaltungstechnisch leichter bearbeitet und erfasst werden (vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15; vgl hierzu auch Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 41 RdNr 2 ). In diesen Zweck der Befristung der Leistungen fügt es sich systematisch zwingend ein, die Leistungsgewährung von der Antragstellung abhängig zu machen (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15). Insoweit gibt es jedoch keinen Unterschied zwischen der Situation der Erstantragstellung und der beanspruchten Folgebewilligung. Ebenso wie eine Leistungspflicht des SGB II-Leistungsträgers nicht vor einem Kontakt - es reicht ein formloser Antrag - zwischen dem Leistungsberechtigten und ihm entsteht, entfällt sie ohne Antrag vollständig, wenn keine Fortzahlung von Alg II oder Sozialgeld begehrt wird. Eine nachrangige weitere Leistungsverpflichtung des Grundsicherungsträgers entsteht - anders als nach dem BSHG/SGB XII -, selbst wenn weiter Hilfebedürftigkeit gegeben ist, nicht. Zwar kann Hilfebedürftigkeit als Leistungsvoraussetzung über den Bewilligungszeitraum hinaus und unabhängig von der Antragstellung vorliegen (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15). Anders als im Sozialhilferecht ist der Zeitpunkt des Leistungsbeginns im SGB II jedoch nicht von der Kenntnis der Hilfebedürftigkeit abhängig, sondern bedarf des konstitutiven Akts des Antrags. Mit diesem konstitutiven Akt wird das Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt - ab diesem Zeitpunkt hat der Leistungsträger die Verpflichtung, das Bestehen des Leistungsanspruchs zu prüfen und zu bescheiden (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15; s auch BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38). Der Antrag hat insoweit Türöffnerfunktion. Die konstitutive Wirkung des Antrags im SGB II und die nur formal befristete Leistungsgewährung sind auch die entscheidenden Gesichtspunkte, warum die Rechtsprechung des 8. Senat das BSG für das Recht der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, bei dem die Leistung ebenfalls von einem Antrag abhängig ist (§ 41 SGB XII), nicht in die Grundsicherung für Arbeitsuchende übertragen werden kann.

18

Der 8. Senat des BSG hat einen Fortzahlungsantrag im Recht der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ua deswegen nicht für erforderlich befunden (BSG Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 13/08 R, BSGE 104, 207 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1),weil nur der Erstantrag materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung für die Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung sei. Mit der ersten Antragstellung sei diese Anspruchsvoraussetzung erfüllt und danach gehe der Gesetzgeber von weitgehend gleichbleibenden Verhältnissen aus, sodass sich insoweit ein Fortzahlungsantrag erübrige. Der einjährige Bewilligungszeitraum des § 6 Satz 1 GSiG sei davon getragen, dass die Rentenanpassungen jährlich erfolgten und eine Mitwirkungspflicht des Hilfeempfängers nur bei der Meldung von Veränderungen seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse bestehe(BT-Drucks 14/4595, S 30, 71). Zudem seien dem Leistungsträger die gesundheitlichen und Einkommensverhältnisse auch bekannt. Anders als im SGB II hat er im Zweifel ohnehin von Amts wegen (Kenntnis von Hilfebedürftigkeit) zu prüfen, ob ein Anspruch auf die nachrangige Sozialhilfeleistung besteht. Die rechtliche Ausgangslage, wie oben dargelegt, ist damit im SGB II eine grundlegend andere. Insoweit verfängt auch nicht die Argumentation, ein einmal gestellter Antrag auf Alg II/Sozialgeld entfalte für den nächsten Bewilligungszeitraum weitere Wirkung, weil er als zeitlich unbefristeter Antrag durch die nur befristete Leistungsgewährung noch nicht verbraucht sei.

19

Hat ein Antrag verfahrensrechtliche, hier konstitutive Bedeutung, so hängt von der Antragstellung zwar der Zeitpunkt des Leistungsbeginns ab. Der Antrag erschöpft sich jedoch zugleich auch mit seiner Bescheidung. Die Verwaltung ist mit der Bescheidung - im Sinne der Funktion des Antrags - tätig geworden und hat ab dem Zeitpunkt der Antragstellung das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen geprüft, Leistungen bewilligt oder abgelehnt (vgl BSG Urteil vom 28.10.2010 - B 14 AS 56/08 R, SozR 4-4200 § 37 Nr 1). Der Antrag ist bereits aus diesem Grunde auch nicht insoweit unverbraucht geblieben. Zwar ist der Antrag so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt (Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl BSG Urteil vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R, SozR 4-4200 § 37 Nr 2; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R , SozR 4-4200 § 7 Nr 13 mwN; vgl zum Klageantrag BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 11). Als beantragt sind dementsprechend alle Leistungen anzusehen, die nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommen (vgl Link in Eicher/Spellbrink aaO; Striebinger in Gagel, SGB II, Stand Dezember 2009, § 37 RdNr 34). Unter Berücksichtigung des § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II umfasst dieses im Regelfall jedoch nur Leistungen bis zu einem Zeitraum von sechs Monaten. Selbst nach § 41 Abs 1 Satz 5 SGB II, der den Bewilligungszeitraum auf bis zu zwölf Monate bei Berechtigten verlängert, bei denen eine Veränderung der Verhältnisse nicht zu erwarten ist, ist jedoch eine Begrenzung vorgesehen. Der Gesetzgeber geht mithin davon aus, dass außer in Ausnahmefällen der Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung sowohl dem Grunde, als auch der Höhe nach einem so vielfältigen Wandel unterliegt, dass es geboten ist, die Leistungen immer nur für einen begrenzten Zeitraum zu gewähren und alsdann - auf Veranlassung des Hilfebedürftigen - einer erneuten Prüfung zu unterziehen.

20

Hieraus folgt auch, dass die Rechtsprechung des BSG zum Anspruch auf Fortzahlung der Alhi ohne Fortzahlungsantrag nicht ins SGB II übernommen werden kann. Zum Recht der Alhi hat das BSG mehrfach entschieden, dass Arbeitslosmeldung und Antrag auf Alhi nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums nicht seine Wirkung verlören (vgl Urteil vom 29.1.2001 - B 7 AL 16/00 R, BSGE 87, 262 = SozR 3-4300 § 196 Nr 1; BSG Urteil vom 29.11.1990 - 7 RAr 6/90, BSGE 68, 42 = SozR 3-4100 § 139a Nr 1; BSG Urteil vom 12.12.1985 - 7 RAr 75/84, SozR 4100 § 134 Nr 29; zustimmend der 11. Senat des BSG Urteil vom 29.6.2000 - B 11 AL 99/99 R , SozR 3-4100 § 152 Nr 10), weil es sich bei Alg und Alhi im Falle ununterbrochener Arbeitslosigkeit mit Fortbestand der übrigen Anspruchsvoraussetzungen grundsätzlich um einen einheitlichen und fortwährenden Anspruch handele (BSG Urteil vom 12.12.1985 - 7 RAr 75/84, SozR 4100 § 134 Nr 29). Die Bewilligung erfolge zwar nur für einen begrenzten Zeitraum (damals noch § 139a Abs 1 AFG, später § 190 Abs 3 Satz 1 SGB III) und danach sei das weitere Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen einer erneuten Überprüfung zu unterziehen (zu § 139a Abs 2 AFG: BSG Urteil vom 29.11.1990 - 7 RAr 6/90, BSGE 68, 42 = SozR 3-4100 § 139a Nr 1; später § 190 Abs 3 Satz 2 SGB III). Eines neuen Antrags bedurfte es dazu jedoch - anders als im SGB II - nicht, denn die materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung der Antragstellung/Arbeitslosmeldung war bereits erfüllt und der einheitliche Anspruch auf Alg/Alhi - sofern die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen weiterhin gegeben waren - wurden durch den Ablauf des Bewilligungsabschnitts nicht berührt.

21

Schließlich belegen auch Sinn und Zweck des § 37 Abs 1 SGB II das Antragserfordernis für eine Fortzahlung von Leistungen im Anschluss an einen vorhergehenden Bewilligungszeitraum. Durch eine Antragstellung bringt der Leistungsberechtigte zum Ausdruck, dass sich aus seiner Sicht die tatsächliche und rechtliche Lage nicht grundlegend geändert habe und er weiterhin Leistungen zur Existenzsicherung benötige. Er fordert damit die Verwaltung im Sinne der konstitutiven Wirkung dieses Begehrens auf zu überprüfen, ob und ggf in welchem Umfang für den nächsten Bewilligungsabschnitt Leistungen zu gewähren sind. Soweit die Kläger geltend machen, dass dem Leistungsträger bei Fortwirkung des Erstantrags im Falle der Überzahlung die Instrumentarien insbesondere der Aufhebung wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nach § 48 SGB X zur Verfügung stünden, vermag der Senat hierin kein Argument gegen das Erfordernis eines Fortzahlungsantrags zu erkennen. Vielmehr soll die Anwendung dieser Vorschrift mit Rücksicht auf die sich im Grundsicherungsbereich häufig ändernden Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse begrenzt werden. Nur aufgrund der Begrenzung der Bewilligungszeiträume mit dem Erfordernis eines Fortzahlungsantrags können Änderungsverfügungen selbst und deren Frequenz für den Leistungsträger und den Leistungsempfänger überschaubar bleiben (vgl hierzu BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15).

22

4. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist der Fortzahlungsantrag im vorliegenden Fall am 26.9.2008 bei dem Beklagten eingegangen; die Kläger haben die Feststellungen des LSG nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen. Es ist daher nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II von diesem Datum als Leistungsbeginn auszugehen.

23

5. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X ist den Klägern nicht zu gewähren. Nach § 27 Abs 1 SGB X ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Überwiegend wird in der Rechtsprechung der Instanzgerichte die Auffassung vertreten, dass es sich bei § 37 SGB II nicht um eine gesetzliche Frist handele(s nur LSG Baden-Württemberg Urteil vom 26.11.2008 - L 2 AS 6052/07; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 17.4.2008 - L 9 AS 69/07; Hessisches LSG Urteil vom 18.12.2009 - L 7 AS 413/09, anhängig beim BSG unter B 4 AS 29/10 R). Dem folgt der Senat, denn § 37 SGB II setzt keine Frist fest, sondern regelt lediglich das Verhältnis zwischen Leistungsbeginn und Antragstellung. Die Antragstellung selbst ist nicht an eine Frist gebunden und der Ausschluss der Leistungsgewährung vor dem Tag der Antragstellung stellt keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist dar (vgl hierzu auch Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 40 RdNr 106b).

24

6. Die Kläger können die Leistungen für den streitigen Zeitraum auch nicht über einen sozial-rechtlichen Herstellungsanspruch erhalten. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat zur Voraussetzung (vgl ua BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 63/06 R, SozR 4-1200 § 14 Nr 10), dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 SGB I), verletzt hat. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (vgl zum Lohnsteuerklassenwechsel BSG Urteil vom 1.4.2004 - B 7 AL 52/03 R, BSGE 92, 267 , 279 = SozR 4-4300 § 137 Nr 1 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Im vorliegenden Fall mangelt es bereits an einer Pflichtverletzung des Beklagten. Zwar kann es eine sich aus dem speziellen Sozialrechtsverhältnis des SGB II ergebende Pflicht des Grundsicherungsträgers sein, den Hilfebedürftigen vor dem Ablauf des letzten Bewilligungszeitraums über das Erfordernis eines Fortzahlungsantrags zu beraten (s hierzu Entscheidung des Senats vom selben Tag B 4 AS 29/10 R). Gleichwohl besteht hier kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Der Beklagte ist seiner Verpflichtung zur Unterrichtung der Kläger - wie er in den Fachlichen Hinweisen der BA unter Ziffer 37.11a dargelegt worden ist - nachgekommen. Die Kläger haben von dem Beklagten - nach den Feststellungen des LSG - mit Schreiben vom 4.7.2008 einen Hinweis auf das Ende des Bewilligungszeitraumes erhalten, ihnen wurde ein Fortzahlungsantragsformular übersandt und sie wurden auf das Erfordernis der Antragstellung für die Weiterbewilligung (vor Ablauf des Bewilligungszeitraumes) hingewiesen. Die Kläger haben die Feststellungen des LSG insoweit nicht angegriffen. Der Beklagte hat damit alles objektiv Erforderliche zur Beratung der Kläger getan.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Sozialhilfe, mit Ausnahme der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, setzt ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen.

(2) Wird einem nicht zuständigen Träger der Sozialhilfe oder einer nicht zuständigen Gemeinde im Einzelfall bekannt, dass Sozialhilfe beansprucht wird, so sind die darüber bekannten Umstände dem zuständigen Träger der Sozialhilfe oder der von ihm beauftragten Stelle unverzüglich mitzuteilen und vorhandene Unterlagen zu übersenden. Ergeben sich daraus die Voraussetzungen für die Leistung, setzt die Sozialhilfe zu dem nach Satz 1 maßgebenden Zeitpunkt ein.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. April 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum zwischen dem 1.10. und 5.11.2008.

2

Die 1948 geborene Klägerin bezieht seit 2005 Alg II - vor dem hier streitigen Zeitraum zuletzt für den Bewilligungszeitraum vom 1.4.2008 bis 30.9.2008 (bestandskräftiger Bescheid vom 3.3.2007 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 21.5.2008). Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten die Inanspruchnahme von Alg II unter den erleichterten Voraussetzungen des § 65 Abs 4 SGB II iVm § 428 SGB III(58er-Regelung) erklärt und am 30.8.2007 den Erhalt eines Merkblattes quittiert, in dem ua darauf hingewiesen wurde, dass Leistungen der Grundsicherung vor dem Tag der Antragstellung nicht gewährt würden.

3

Im Juli 2008 sprach die Klägerin zwei Mal bei dem Beklagten vor, weil sie sich für einen längeren Zeitraum in ihrem Heimatland Türkei aufhalten wollte. Der Beklagte stimmte dem schlussendlich am 15.7.2008 für den Zeitraum vom 17.7. bis 16.11.2008 zu. Am 6.11.2008 meldete sich die Klägerin aus der Ortsabwesenheit zurück und der Beklagte bewilligte ab diesem Tag erneut Alg II bis zum 30.4.2009 (Bescheid vom 7.11.2008). In der Zeit der Ortsabwesenheit der Klägerin hatte der Beklagte diese durch Schreiben vom 8.8. und 6.11.2008 an die Stellung eines Weiterbewilligungsantrags erinnert.

4

Mit dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Alg II auch im Zeitraum zwischen dem 1.10. und dem 5.11.2008 scheiterte sie im Widerspruchs- und Klageverfahren (Widerspruchsbescheid vom 11.12.2008 und Urteil des SG Detmold vom 27.5.2010). Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Klägerin gegen die Entscheidung des SG durch Urteil vom 6.4.2011 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Alg II, weil es hierfür an dem erforderlichen Antrag nach § 37 SGB II mangele. Ein solcher Antrag sei auch nicht in dem von der Klägerin gestellten und von dem Beklagten bewilligten Antrag auf Genehmigung der Ortsabwesenheit über den ursprünglichen Bewilligungszeitraum hinaus enthalten. Weder habe die umfangreiche Beweisaufnahme des SG durch Vernehmung des Mitarbeiters des Beklagten A sowie der Übersetzerin K ergeben, dass die Klägerin in dem Gespräch über die Genehmigung der Ortsabwesenheit zumindest konkludent einen derartigen Antrag gestellt oder der Beklagte eine konkludente Bewilligung über den 30.9.2008 hinaus vorgenommen habe, noch könne unter rechtlichen Gesichtspunkten die Einholung der Zustimmung zur Ortsabwesenheit als ein Antrag auf Leistungen auch in der Zeit der Ortsabwesenheit bewertet werden. Die Erforderlichkeit der Anwesenheit im orts- und zeitnahen Bereich nach § 7 Abs 4a SGB II sei keine Leistungsvoraussetzung, sondern nur im Falle des Zuwiderhandelns Grund für die Leistungsverweigerung durch den Grundsicherungsträger. Die Klägerin könne die begehrten Leistungen auch nicht aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch oder der sogenannten Nachsichtgewährung herleiten.

5

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 7 Abs 4a und § 37 SGB II. Die von dem LSG vorgenommene rechtliche und tatsächliche Trennung der Anwendung der beiden Vorschriften werde dem tatsächlichen Geschehen nicht gerecht. Das LSG habe es in seiner Beweiswürdigung versäumt, sich mit dem Wortlaut der Zustimmungserklärung des Beklagten auseinanderzusetzen. Auf dem Vordruck heiße es, dass ein Anspruch auf Leistungen während des Aufenthalts außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs bestehe, konkret in der Abwesenheitszeit der Klägerin vom 17.7. bis 16.11.2008. Zugleich werde in den Hinweisen ausgeführt, dass der Leistungsanspruch entfalle und Leistungen ggf zu erstatten seien, wenn sich der Aufenthalt außerhalb des Nahbereichs über die genehmigte Zeitdauer hinaus erstrecke und der Beklagte hierüber nicht rechtzeitig informiert worden sei. Hieraus folge, dass der Vordruck nicht nur eine Zustimmung zur Ortsabwesenheit enthalte, sondern in der Laiensphäre so verstanden werden müsse, dass Leistungen über den bereits zuvor bewilligten Anspruch hinaus auch während der Ortsabwesenheit gewährt würden. Unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes habe die Klägerin daher einen Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung.

6

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Detmold vom 27. Mai 2010 und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. April 2011 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 7. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2008 zu ändern sowie den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis 5. November 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und Unterkunftskosten in Höhe von insgesamt 811,18 Euro zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend. Ergänzend gibt er zu bedenken, dass aus den Hinweisen des Beklagten zu den Folgen der Ortsabwesenheit keine Willensäußerung der Klägerin auf Fortzahlung des Alg II über den Bewilligungszeitraum ab dem 1.10.2008 entnommen werden könne. Die beantragte Zustimmung könne zudem nicht - auch nicht im Wege der Meistbegünstigung - als Fortzahlungsantrag gewertet werden. Die Weiterbewilligung erfordere jedoch einen solchen vorherigen Antrag. Auch sei in dem Vordruck selbst keine Bewilligung zu erkennen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet.

10

Die Vorinstanzen haben zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Alg II im Zeitraum vom 1.10. bis 5.11.2008 abgelehnt. Es mangelt für die Leistungsgewährung an einem vorausgehenden Antrag (2.). Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht erfolgreich auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen (3.). Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder eine Nachsichtgewährung ist kein Raum (4.).

11

1. Streitgegenstand sind der Bescheid vom 7.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2008, mit denen der Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erst ab dem 6.11.2008 bewilligt und einen Leistungsanspruch für den allein streitigen Zeitraum vom 1.10. bis 5.11.2008 abgelehnt hat. Die Klägerin hat diese Bescheide angefochten und macht ihren Anspruch für diesen Zeitraum zutreffend mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend.

12

2. Die Leistungsgewährung an die Klägerin scheitert an dem Fehlen eines Leistungs- bzw Fortzahlungsantrags über den 30.9.2008 hinaus, dem Zeitpunkt, zu dem nach dem vorhergehenden Bescheid vom 3.3.2008 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 27.5.2008 der letzte Bewilligungszeitraum vor der erneuten Beantragung am 6.11.2008 endete.

13

Gemäß § 37 Abs 1 S 1 SGB II werden Leistungen nach dem SGB II auf Antrag erbracht. Sie werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht (§ 37 Abs 2 S 1 SGB II). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats gilt das Antragserfordernis nicht nur für das erstmalige Begehren der Leistungsgewährung, sondern ebenso im Fortzahlungsfalle (s Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 5; Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 29/10 R, SozR 4-1200 § 14 Nr 15; so wohl auch BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R, SozR 4-4200 § 21 Nr 10 RdNr 20).

14

Die Klägerin hat nach den Feststellungen des LSG, die sie nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen hat und die daher für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), keinen Antrag auf Fortzahlung des Alg II für den Zeitraum vom 1.10. bis 5.11.2008 gestellt. Die Klägerin hat zwar vorgebracht, während des ersten Gesprächs über die Zustimmung zur Ortsabwesenheit vom 10.7.2008 nach der Fortzahlung des Alg II während der Ortsabwesenheit gefragt zu haben. Ein formloser Antrag genügt auch den Voraussetzungen des § 37 SGB II(vgl BSG Urteile vom 19.8.2010 - B 14 AS 10/09 R, SozR 4-4200 § 23 Nr 10 RdNr 22 f; vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R, SozR 4-4200 § 37 Nr 5 RdNr 17). Nach der Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung des am Gespräch beteiligten Sachbearbeiters des Beklagten A konnte ein derartiger Gesprächsinhalt jedoch nicht festgestellt werden. Das LSG, das sich auf die Beweisaufnahme vor dem SG stützt, hat nach nicht zu beanstandender Würdigung insoweit eine Lage der objektiven Beweislosigkeit angenommen, die hier zu Lasten der den Anspruch geltend machenden Klägerin geht. Ein ausdrücklicher Antrag ist im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin auch dann erforderlich, wenn eine Zustimmung zur Ortsabwesenheit durch den Grundsicherungsträger erteilt wird und der Bewilligungszeitraum während der Ortsabwesenheit endet. Ein Fortzahlungsantrag ist nicht konkludent in einem Antrag auf Zustimmung zur Ortsabwesenheit enthalten.

15

a) § 37 SGB II stellt allgemein - ohne Differenzierung zwischen Erst- und Fortzahlungsbegehren - auf das Erfordernis der Antragstellung als Voraussetzung für den Leistungsbeginn ab; der Antrag hat konstitutive Wirkung (BT-Drucks 15/1516, S 62). Mit diesem konstitutiven Akt wird das Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt - ab diesem Zeitpunkt hat der Leistungsträger die Verpflichtung, das Bestehen des Leistungsanspruchs zu prüfen und zu bescheiden (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, jeweils RdNr 30; s auch BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 38 RdNr 14). Der Antrag hat insoweit "Türöffnerfunktion" für den Bewilligungszeitraum von in der Regel 6 Monaten (§ 41 Abs 1 S 4 SGB II) bis zu einem Jahr. Dahinter steht das Konzept, dass Alg II wie die Alhi keine rentenähnliche Dauerleistung ist (vgl BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 9/06 R, SozR 4-4300 § 428 Nr 3 RdNr 41),auch nicht, wenn wie hier von der Verpflichtung um Eingliederungsbemühungen nach § 65 Abs 4 SGB II iVm § 428 SGB III abgesehen werden kann. Die Befristung gewährleistet auch dann, dass Änderungen der Verhältnisse - insbesondere bedingt durch wechselnde Einkommensverhältnisse und Veränderungen in der Bedarfsgemeinschaft - verfahrensrechtlich und verwaltungstechnisch zeitnah bearbeitet und erfasst werden können (vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, jeweils RdNr 23 f; vgl hierzu auch Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 41 RdNr 2). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass abgesehen von Ausnahmefällen der Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach einem so vielfältigen Wandel unterliegt, dass es geboten ist, die Leistungen immer nur für einen begrenzten Zeitraum zu gewähren und alsdann - auf Veranlassung des Hilfebedürftigen - einer erneuten Prüfung zu unterziehen.

16

Hieran ändert die Zustimmung des Grundsicherungsträgers zur Ortsabwesenheit nach § 7 Abs 4a SGB II nichts. Endet ein Bewilligungsabschnitt während der genehmigten Ortsabwesenheit, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass sich die Verhältnisse während der Ortsabwesenheit nicht geändert haben können und iS der vorhergehenden Ausführungen eine erneute Prüfung der Leistungsverpflichtung durch den Beklagten erforderlich wird. Gerade wenn der Kontakt zwischen dem Leistungsträger und dem Leistungsberechtigten durch die Ortsabwesenheit des Letzteren gelockert ist, im konkreten Fall immerhin für einen Zeitraum von über vier Monaten, ergibt sich ein umso größeres Bedürfnis, Leistungsgrund und -höhe einer erneuten Prüfung aufgrund der Angaben des Leistungsberechtigten zu seinen aktuellen Verhältnissen zu unterziehen.

17

Der Antrag der Klägerin, den diese vor dem Beginn des am 30.9.2008 endenden Bewilligungsabschnitts gestellt hat, wirkt auch nicht über diesen Zeitpunkt fort. Hat ein Antrag verfahrensrechtliche, hier konstitutive Bedeutung, so hängt von der Antragstellung zwar der Zeitpunkt des Leistungsbeginns ab, der Antrag erschöpft sich jedoch zugleich auch mit seiner Bescheidung. Die Verwaltung ist mit der Bescheidung - im Sinne der Funktion des Antrags - tätig geworden und hat ab dem Zeitpunkt der Antragstellung das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen geprüft, Leistungen bewilligt oder abgelehnt (vgl BSG Urteil vom 28.10.2010 - B 14 AS 56/08 R, SozR 4-4200 § 37 Nr 1). Der Antrag ist bereits aus diesem Grunde auch nicht insoweit unverbraucht geblieben.

18

Zwar ist der Antrag so auszulegen, dass das Begehren der Antragstellerin möglichst weitgehend zum Tragen kommt (Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Urteil vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R, BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2, RdNr 15; vgl zum Klageantrag: BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 11). Als beantragt sind dementsprechend alle Leistungen anzusehen, die nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommen. Unter Berücksichtigung des § 41 Abs 1 S 4 SGB II umfasst dieses im Regelfall jedoch nur Leistungen bis zu einem Zeitraum von sechs Monaten. Bei der Bescheidung für den Bewilligungszeitraum vom 1.4. bis 30.9.2008 war dem Beklagten die geplante Ortsabwesenheit der Klägerin noch nicht bekannt. Die Klägerin hat nach den bindenden Feststellungen des LSG erstmals am 10.7.2008 deswegen beim Beklagten vorgesprochen. Die Klägerin hat die Bescheide vom 3.3.2008 und 21.5.2008 zudem nicht angefochten, sodass der Argumentation der Klägerin, der Beklagte habe bereits damals ermessensfehlerhaft eine Bewilligung für ein Jahr unterlassen, hier keiner weiteren Betrachtung bedarf.

19

Auch in der Situation des § 65 Abs 4 SGB II iVm § 428 SGB III gilt zudem, dass die Leistungsberechtigte durch eine Antragstellung zum Ausdruck bringt, aus ihrer Sicht habe sich die tatsächliche und rechtliche Lage nicht grundlegend geändert und sie benötige weiterhin Leistungen zur Existenzsicherung. Sie fordert damit die Verwaltung im Sinne der konstitutiven Wirkung dieses Begehrens auf zu überprüfen, ob und ggf in welchem Umfang auch für den nächsten Bewilligungsabschnitt Leistungen zu gewähren sind (zur Überschaubarkeit der ggf erforderlichen Änderungsverfügungen selbst und deren Frequenz vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, jeweils RdNr 30).

20

b) Der Antrag auf Zustimmung zur Ortsabwesenheit umfasst auch nicht konkludent einen Antrag auf Fortzahlung von Alg II für den während der Ortsabwesenheit beginnenden neuen Bewilligungszeitraum. Ein Verständnis vom Antrag auf Einholung einer Zustimmung zur Ortsabwesenheit, das über diesen originären Zweck hinausgeht, widerspräche nicht nur dem Wortlaut des § 7 Abs 4a SGB II, sondern auch den Erwägungen aus dem Gesetzgebungsverfahren, dem Sinn und Zweck von § 7 Abs 4a SGB II sowie der systematischen Einbindung der Vorschrift.

21

Nach § 7 Abs 4a SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende(vom 20.7.2006, BGBl I 1706, mWv 1.8.2006) erhält Leistungen nach dem SGB II nicht, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) vom 23.10.1997 (ANBA 1997, 1685), geändert durch die Anordnung vom 16.11.2001 (ANBA 2001, 1476), definierten zeit- und ortsnahen Bereiches aufhält; die übrigen Bestimmungen dieser Anordnung gelten entsprechend. Nach dem Wortlaut der Vorschrift werden mithin im Falle der Nichterreichbarkeit ohne die Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners keine Leistungen nach dem SGB II gewährt. Dies betrifft jedoch nur den Fall, dass ansonsten alle Voraussetzungen für die Gewährung von Alg II erfüllt sind - ihr auch nicht ein fehlender Antrag entgegensteht. Die Begründung zur Einfügung des § 7 Abs 4a SGB II durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende verdeutlicht dies.

22

Durch § 7 Abs 4a SGB II sollte erreicht werden, die missbräuchliche Inanspruchnahme von Fürsorgeleistungen zu vermeiden(BT-Drucks 16/1696, S 26). Hintergrund für die Neuregelung war der Umstand, dass bis zur Einfügung des § 7 Abs 4a SGB II Regelungen über den auswärtigen Aufenthalt (Ortsabwesenheit) nur in der Eingliederungsvereinbarung getroffen werden konnten, also im Wege der schriftlich vereinbarten Absprache zwischen dem Sachbearbeiter des Grundsicherungsträgers und dem Leistungsberechtigten. Hieraus folgte im Falle der Nichteinhaltung der Absprache durch den Leistungsberechtigten eine Absenkung des Alg II nach § 31 Abs 1 S 1 Nr 1b SGB II(idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706, mWv 1.1.2007). Insbesondere bei einem länger andauernden Aufenthalt im Ausland, bei dem dennoch der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland bestehen blieb, sei - so die Begründung zum Gesetzentwurf in der Ausschusssitzung - die dort vorgesehene Absenkung um lediglich 30 vH der Regelleistung nicht geeignet, den Hilfebedürftigen zu einer Rückkehr nach Deutschland und der aktiven Mitwirkung an seiner Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu bewegen. Deshalb sollte künftig der Anspruch auf Leistungen bei einem Verstoß gegen den in Abs 4a formulierten Grundsatz ganz entfallen (BT-Drucks 16/1696, S 26). Der gewünschte Effekt kann jedoch nur erreicht werden, wenn ohne den Ausschluss von Leistungen diese auch tatsächlich zu gewähren wären, also auch die konstitutive Bedingung der Antragstellung selbst erfüllt ist. Dies belegt auch der Sinn und Zweck der Vorschrift.

23

Durch die "Androhung" des Wegfalls der passiven Leistungen soll der Leistungsberechtigte zur Mitarbeit an der Eingliederung bewegt werden. Dies folgt nicht nur aus der Gesetzesbegründung, sondern auch aus der in § 7 Abs 4a SGB II in Bezug genommenen Erreichbarkeitsanordnung. In deren § 1 Abs 2 S 2 heißt es zu den Ausnahmen vom Grundsatz der ständigen Erreichbarkeit des Arbeitslosen ausdrücklich: "Es(das Arbeitsamt) lässt sich von dem Ziel leiten, den Arbeitslosen beruflich einzugliedern …". Genau wie die Absenkung der Geldleistung wegen des Eintritts einer Sanktion nach § 31 SGB II hat § 7 Abs 4a SGB II den Sinn, dem Grundsatz des "Forderns" in § 2 SGB II Nachdruck zu verleihen. Da umgekehrt "Fordern" hier immer mit der Androhung des teilweisen oder vollständigen Entzugs von passiven Leistungen der Grundsicherung verbunden ist, kann die Vorschrift ihren Sinn jedoch auch nur dann entfalten, wenn sämtliche Voraussetzungen für die Gewährung von Alg II erfüllt sind, die Durchsetzung des Anspruchs also auch nicht an dem Fehlen einer vorhergehenden Antragstellung scheitert.

24

Hieraus wird deutlich, dass die Zustimmung des Grundsicherungsträgers zur Ortsabwesenheit nicht Voraussetzung für einen Leistungsanspruch nach dem SGB II ist, sondern die Funktion eines Leistungsausschlusses hat, wenn es an dieser Zustimmung mangelt (Hänlein in Gagel SGB II/SGB III, Stand I/2009, § 7 RdNr 84a; Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl 2011, § 7 SGB II RdNr 30; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 78; Thie/Schoch in Münder, SGB II, 4. Aufl 2011, § 7 RdNr 109). Systematisch ist § 7 Abs 4a SGB II eingerahmt von den Leistungsausschlüssen des § 7 Abs 4 SGB II (Unterbringung in einer Einrichtung und Altersrentenbezug) und des § 7 Abs 5 SGB II (Durchlaufen einer dem Grunde nach förderfähigen Ausbildung) und folgt den in § 7 Abs 1 bis 3 SGB II ausdrücklich normierten und definierten Leistungsvoraussetzungen, der Hilfebedürftigkeit, der Erwerbsfähigkeit, des gewöhnlichen Aufenthalts und der Altersbegrenzung. Die "Erreichbarkeit" ist danach für den Leistungsanspruch im SGB II nicht leistungsbegründend. Insoweit unterscheidet sich die Regelung des SGB II auch von der des SGB III. Eingebettet in die sonstigen Regelungen des Forderns, etwa auch der Zumutbarkeit des § 10 SGB II, muss der erwerbsfähige Leistungsberechtigte des SGB II für seinen Anspruch auf passive Leistungen nicht die weiteren Verfügbarkeitsvoraussetzungen, wie sie in § 119 Abs 5 SGB III geregelt sind, erfüllen(BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R, SozR 4-4200 § 16 Nr 1 RdNr 20; s auch Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 78; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, § 77 RdNr 3, Stand X/2011). Das Begehren eines SGB II-Leistungsberechtigten, von der Verpflichtung zur Ortsanwesenheit freigestellt zu werden, dient demnach dazu, dem Eintritt eines Leistungsausschlussgrundes vorzubeugen. Es kann diesem Begehren daher bereits systematisch nicht zugleich die Funktion des Antrags auf diese Leistung inne wohnen.

25

Etwas Anderes gilt auch nicht, wenn eine Erklärung nach § 65 Abs 4 SGB II iVm § 428 SGB III abgegeben worden ist. Zwar wird in der Begründung zur Änderung des § 7 Abs 4a SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII(in der Fassung der Neubekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850) - unter Hinweis auf eine Klarstellung der Rechtslage insoweit - ausgeführt, Leistungsberechtigte, die vorübergehend und mit Einverständnis des Trägers ausnahmsweise keine Eingliederungsbemühungen nachzuweisen hätten (zum Beispiel in Vollzeit Beschäftigte, nicht erwerbsfähige Personen) benötigten keine besondere Zustimmung der persönlichen Ansprechpartnerin oder des persönlichen Ansprechpartners zur Ortsabwesenheit. Hieraus kann indessen nicht geschlossen werden, sie bräuchten im Fortzahlungsfall keinen Leistungsantrag zu stellen. Bei ihnen entfällt lediglich das Erfordernis der Einholung einer Zustimmung zur Ortsabwesenheit und damit bereits der gesamte Vorgang, der nach Auffassung der Klägerin einen konkludenten Leistungsantrag beinhalten soll. Abgesehen davon ergibt sich aus dem Wortlaut der Neufassung des § 7 Abs 4a SGB II und der Übergangsregelung des § 77 Abs 1 SGB II jedoch auch kein Hinweis darauf, dass in Zukunft in den Fällen des § 65 Abs 4 SGB II von dem Zustimmungserfordernis abgesehen werden soll. Bis zum Erlass einer Rechtsverordnung auf der Grundlage von § 13 Abs 3 SGB II soll die EAO weiterhin Anwendung finden. Deren § 4 trifft jedoch lediglich insofern eine Sonderregelung für Fälle des § 428 SGB III, als die genehmigungsfähige Ortsabwesenheitsdauer auf siebzehn Wochen und in besonderen Fällen auch länger ausgedehnt werden kann. Eine weitergehende besondere Behandlung dieses Personenkreises ist nicht vorgesehen. Auch sie müssen sich daher ggf auf Aufforderung des Grundsicherungsträgers bei diesem melden und können von dem Leistungsausschluss des § 7 Abs 4a SGB II betroffen sein.

26

3. Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gründen.

27

a) Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt voraus (vgl ua BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 63/0AS 63/06 R, SozR 4-1200 § 14 Nr 10 RdNr 13; s auch Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R, SozR 4-4200 § 37 Nr 5 RdNr 24), dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 SGB I), verletzt hat. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (vgl zum Lohnsteuerklassenwechsel: BSG Urteil vom 1.4.2004 - B 7 AL 52/03 R, BSGE 92, 267, 279 = SozR 4-4300 § 137 Nr 1 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Im vorliegenden Fall mangelt es bereits an einer Pflichtverletzung des Beklagten. Zwar kann es eine sich aus dem speziellen Sozialrechtsverhältnis des SGB II ergebende Pflicht des Grundsicherungsträgers sein, den Hilfebedürftigen vor dem Ablauf des letzten Bewilligungszeitraums über das Erfordernis eines Fortzahlungsantrags zu beraten (s hierzu Entscheidung des Senats vom 18.1.2011 - B 4 AS 29/10 R, SozR 4-1200 § 14 Nr 15). Gleichwohl besteht hier kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch.

28

Der Beklagte ist seiner Verpflichtung zur Unterrichtung der Klägerin - wie vom LSG bindend festgestellt - nachgekommen. Die Klägerin ist von dem Beklagten in zwei Schreiben vor dem Ende des bis zum 30.9.2008 andauernden Bewilligungszeitraums auf das Erfordernis der Antragstellung für die Weiterbewilligung hingewiesen worden. Der Beklagte hat damit alles objektiv Erforderliche zur Beratung der Klägerin getan.

29

Soweit die Klägerin die Hinweisschreiben wegen ihrer Ortsabwesenheit nicht zur Kenntnis genommen hat, muss sie sich dies zurechnen lassen. Zumindest kann sie hieraus oder aus der Tatsache, dass dem Beklagten aus der Zustimmung die Ortsabwesenheit bekannt war, keine Vorteile dergestalt ziehen, dass ihr daraus ein Leistungsanspruch erwachsen könnte. Dies gilt auch für ihre Behauptung der unterlassenen Beratung über die Fortzahlungsvoraussetzungen während der Gespräche im Juli 2008. Nach den nicht von der Klägerin mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG war kein Beratungsbegehren der Klägerin anlässlich der Beantragung der Zustimmung zur Ortsabwesenheit zu ermitteln. Insoweit trägt die Klägerin die negative Feststellungslast (Beweislast).

30

b) Soweit der Beklagte auf dem der Klägerin ausgehändigten Vordruck über die Anforderungen an die Zustimmung zur Ortsabwesenheit zugleich Ausführungen gemacht haben sollte, die in der Laiensphäre den Eindruck vermittelt haben könnten, während der "genehmigten" Ortsabwesenheit sei ein Fortzahlungsantrag, falls der Bewilligungszeitraum während der Ortsabwesenheit ende, nicht erforderlich, mag hierin zwar eine fehlerhafte Beratung zu erblicken sein. Der Vortrag der Klägerin insoweit ist im Revisionsverfahren jedoch unbeachtlich (vgl nur BSG Urteile vom 6.4.2011 - B 4 AS 3/10 R, SozR 4-4200 § 21 Nr 11 RdNr 28; vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 32). Es handelt sich um neuen Tatsachenvortrag, denn die Klägerin hat sich in den Tatsacheninstanzen zu keinem Zeitpunkt auf diesen Vordruck berufen und weder SG noch LSG haben den Vordruck in ihre Bewertungen einbezogen. Die Klägerin hat diesen Vordruck den Gerichten entgegen ihrer Ausführungen auch nicht vorgelegt - er war der Klageschrift nicht beigefügt.

31

4. Eine Nachsichtgewährung oder Wiedereinsetzung in den Stand der rechtzeitigen Antragstellung für einen Leistungsbeginn am 1.10.2008 kommen ebenfalls nicht in Betracht.

32

Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X liegen hier nicht vor. Nach § 27 Abs 1 SGB X ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der erkennende Senat hat bereits ausdrücklich entschieden, dass es sich bei § 37 SGB II nicht um eine gesetzliche Frist handelt(s nur BSG Urteile vom 18.1.2011 - B 4 AS 29/10 R, SozR 4-1200 § 14 Nr 15 RdNr 11 und B 4 AS 99/10 R, SozR 4-4200 § 37 Nr 5 RdNr 23). § 37 SGB II setzt keine Frist fest, sondern regelt lediglich das Verhältnis zwischen Leistungsbeginn und Antragstellung. Die Antragstellung selbst ist nicht an eine Frist gebunden und der Ausschluss der Leistungsgewährung vor dem Tag der Antragstellung stellt keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist dar (vgl hierzu auch Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 40 RdNr 106b).

33

Ebenso wenig war der Klägerin Nachsicht im Hinblick auf die Versäumung der Antragsfrist zu gewähren. Das BSG hat zwar in seiner Rechtsprechung unter gewissen Voraussetzungen - abgeleitet aus dem das gesamte Rechtsleben beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben - eine Nachsichtgewährung bei Überschreitung von gesetzlichen Antragsfristen für zulässig und geboten gehalten (BSG Urteil vom 28.4.1983 - 12 RK 14/82, SozR 5070 § 10 Nr 22 RdNr 11; s auch BSG Urteile vom 27.9.1983 - 12 RK 7/82, SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 55 RdNr 16 ff und 24.11.2005 - B 12 RA 9/03 R, SozR 4-2600 § 6 Nr 5 RdNr 19; s auch grundlegend Urteil vom 1.2.1979 - 12 RK 33/77, BSGE 48, 12, 17 = SozR 2200 § 1227 Nr 23 S 54 mwN). Danach kann in bestimmten Fällen eine Berufung der Verwaltung auf eine Fristversäumung als treuwidrig und damit als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem Leistungen für fünf Wochen im Streit stehen und diese nach nachgeholter Antragstellung auch sogleich wieder erbracht worden sind, besteht nach Überzeugung des Senats bereits kein Anlass zu einer Prüfung einer Nachsichtgewährung. Denn tragende Überlegung für das richterrechtliche Institut der Nachsichtgewährung ist, dass an einen geringfügigen Verstoß weittragende und offensichtlich unangemessene (unverhältnismäßige) Rechtsfolgen geknüpft werden oder der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt (vgl hierzu vor allem BSG Urteil vom 28.10.1981 - 12 RK 61/80, SozR 5070 § 10 Nr 19 S 41). Das ist hier - wie bereits dargelegt - nicht der Fall.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tatbestand

1

Streitig sind Leistungen für Unterkunft und Heizung, insbesondere die Übernahme einer Betriebs- und Heizkostennachforderung, für das Kalenderjahr 2006.

2

Der 1965 geborene Kläger zu 1 und die 1970 geborene Klägerin zu 2 sind erwerbsfähig und Eltern der 1990, 1991, 1995, 1996, 1999, 2002 sowie am 22.11.2006 geborenen Kläger zu 3 bis 9. Zusammen bewohnen sie eine 114 m² große 5-Zimmer-Wohnung. Für diese Wohnung hatten die Kläger zu 1 und 2, die gemeinsam Vertragspartner des 2003 geschlossenen Wohnungsmietvertrags sind, im Jahre 2006 547,20 Euro Kaltmiete und 228 Euro Vorauszahlung auf die Betriebs- und Heizkosten monatlich an ihren Vermieter zu zahlen (§ 4 des Mietvertrags). In der Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung waren Kosten für die Warmwasserbereitung enthalten. Ab 1.1.2007 erhöhten sich die Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen auf monatlich 285 Euro. Den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II beziehenden Klägern bewilligte die Beklagte im gesamten Jahr 2006 SGB II-Leistungen unter Anerkennung der tatsächlichen Kosten für die Kaltmiete (547,20 Euro) und der monatlichen Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 228 Euro (Bescheide vom 15.12.2005, 8.6.2006 und 22.12.2006). Mit weiterem Bescheid vom 22.12.2006 bewilligte die Beklagte den Klägern auf ihren Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 19.12.2006 für den Bewilligungszeitraum vom 1.12.2006 bis 31.5.2007 Kosten für Unterkunft und Heizung unter Anerkennung von Mietkosten in Höhe von 547,20 Euro mtl und Betriebs- und Heizkosten in Höhe von 228 Euro mtl. Nach Vorlage einer Bescheinigung zu geänderten Heiz- und Betriebskostenvorauszahlungen (ab Januar 2007 in Höhe von 285 Euro) wurden für die Zeit vom 1.1.2007 bis 31.5.2007 SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung der Kosten für die Miete und die geänderten Nebenkosten in Höhe von insgesamt 835,14 Euro bewilligt (Bescheid vom 10.1.2007).

3

Der Vermieter der Kläger übersandte diesen mit Schreiben vom 21.3.2007 die Heiz- und Betriebskostenabrechnung für das Kalenderjahr 2006, nach der im Jahre 2006 insgesamt 897,77 Euro an Heizkosten und 3251,26 Euro an Hausnebenkosten entstanden waren. Nach Abzug der im Jahre 2006 geleisteten Vorauszahlungen von insgesamt 2736 Euro (12 Monate x 228 Euro) ergab sich eine Nachzahlungsforderung in Höhe von 1413 Euro. Der Vermieter gab den Klägern auf, den Betrag bis zum 30.4.2007 auf sein Konto zu überweisen.

4

Die Beklagte lehnte die Übernahme der erst am 4.6.2007 bei ihr eingereichten Heiz- und Betriebskostennachforderung ab (Bescheid vom 14.6.2007; Widerspruchsbescheid vom 9.10.2007). Zur Begründung führte sie aus, eine Übernahme der Nachforderung als Zuschuss nach § 22 Abs 1 SGB II sei nicht möglich, weil es sich nicht um laufende Unterkunftskosten handele. Dies sei nur dann der Fall, wenn die Übernahme der Nebenkostenabrechnung vor Ablauf der eingeräumten Frist zur Begleichung der Rechnung beantragt werde. Eine darlehensweise Übernahme der Nachforderung als Mietschulden komme gleichfalls nicht in Betracht, weil die rückständige Nachforderung keine Kündigung rechtfertige und somit keine Wohnungslosigkeit einzutreten drohe.

5

Das SG Köln hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.10.2007 verurteilt, den Klägern auf die Nebenkostenabrechnung vom 21.3.2007 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 1336 Euro zu gewähren, diesen Betrag an den Vermieter der Kläger auszuzahlen und hat die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 11.4.2008). Das LSG Nordrhein-Westfalen hat das Urteil des SG geändert und die Beklagte verurteilt, den Klägern "auf die Heiz- und Nebenkostenabrechnung vom 21.3.2007 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 976 Euro zu gewähren und diesen Betrag an den Vermieter der Kläger auszuzahlen"; die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen (Urteil vom 22.1.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, Betriebs- und Heizkostennachforderungen führten zu einem gegenwärtigen Bedarf, der durch einmalige Leistung nach § 22 Abs 1 SGB II unter der Voraussetzung zu befriedigen sei, dass zur Zeit der Entstehung, Fälligkeit und Geltendmachung der Nachforderung ein Hilfebedarf nach dem SGB II bestehe. Sie verwandelten sich nicht gemäß § 22 Abs 5 SGB II in Mietschulden, wenn der Hilfebedürftige mit der Erfüllung der Nachforderung in Verzug sei, weil sich das SGB II erkennbar von der Konzeption eines einmonatigen "Bedarfszeitraums" verabschiedet habe. Die Aufwendungen der Kläger seien in dem tenorierten Umfang hinsichtlich der für das Kalenderjahr 2006 nachgeforderten Betriebs- und Heizkosten auch angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Hinsichtlich der Betriebskosten folge dies daraus, dass diese Kosten, die hier für das Kalenderjahr 2006 im Streit stünden und mit der Nachforderung vom Vermieter der Kläger geltend gemacht worden seien, mietvertraglich wirksam vereinbart seien und sämtlich der Betriebskostenverordnung vom 25.11.2003 (BGBl I 2346 f) unterfielen. Unabhängig hiervon bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Nebenkosten der Kläger die "marktüblichen Nebenkosten" vergleichbarer Wohnungen überschritten. Auch hinsichtlich der Angemessenheit der Heizkosten bestehe keine Pflicht zu einer weitergehenden Sachaufklärung, zumal die Beklagte diese ebenso wenig wie die Angemessenheit der Betriebskosten in Frage stelle. Allerdings könnten die geforderten Heizkosten nicht in voller Höhe übernommen werden, weil hierin enthaltene Kosten der Warmwasserbereitung als Kosten der Haushaltsenergie iS von § 20 Abs 1 SGB II aus der pauschal gewährten Regelleistung zu decken seien. Entgegen der Ansicht des SG sei bei der Ermittlung des Absetzbetrags nicht die Heizkostenabrechnung des Vermieters und sein Abrechnungsmodus zu Grunde zu legen. Vielmehr sei - entsprechend der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5) und der unterschiedlichen Höhe der Regelleistung der Kläger für das Jahr 2006 ein Gesamtbetrag in Höhe von 436,69 Euro abzusetzen. Für die Kläger zu 1 bis 8 errechne sich für das Kalenderjahr 2006 der Betrag von 432,96 Euro (42 Monate x 36,08 Euro); zusätzlich sei für den am 22.11.2006 geborenen Kläger zu 9 der Monat Dezember 2006 mit einem "Warmwasserabzug" von 3,73 Euro zu berücksichtigen. Dieser Betrag sei von der Gesamtnachzahlung in Höhe von 1413,03 Euro abzusetzen, sodass sich ein abgerundeter Nachforderungsbetrag in Höhe von 976 Euro ergebe.

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 22 Abs 1 und 5 SGB II. Die von den Vorinstanzen vertretene Auffassung, dass Mietschulden nur dasjenige sei, was aus der Zeit vor Leistungsbeginn schon Schulden seien oder was der Leistungsempfänger trotz ordnungsgemäßer Zahlung des Leistungsträgers nicht an den Vermieter weitergeleitet habe, finde keine Begründung im Gesetz. Vielmehr umfasse der Begriff der Mietschulden alles, was zur Zahlung fällig, seitens des Mieters aber dennoch nicht geleistet worden sei. Die Anknüpfung an die Fälligkeit der Forderung sei der geeignete Maßstab für eine Unterscheidung zwischen aktuellem Bedarf und Schulden.

7

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Köln vom 11.4.2008 und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22.1.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Kläger beantragen,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Sie halten die Entscheidung des LSG für zutreffend und vertreten die Ansicht, dass es sich bereits nach einer umgangssprachlichen Auslegung bei der Nachforderung aus der Heiz- und Betriebskostenabrechnung nicht um Schulden handele.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass den Klägern wegen der Heiz- und Nebenkostenabrechnung des Vermieters vom 21.3.2007 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zustehen. In der Nachforderung der Heiz- und Betriebskosten durch den Vermieter für das Kalenderjahr 2006 liegt eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen, die bei Erlass der laufenden SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 1.12.2006 bis 31.5.2007 bewilligenden Bescheids vom 10.1.2007 hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung vorlagen. Eines gesonderten Antrags der Kläger auf Übernahme dieser Kosten bedurfte es nicht. Die wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist auch iS von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse zugunsten der Kläger zu berücksichtigen, weil das SGB II keine gesonderten, § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X vorgehenden Regelungen zum Zeitpunkt der Berücksichtigung geänderter Verhältnisse enthält. Der aktuelle tatsächliche Bedarf der Kläger an Kosten der Unterkunft und Heizung hat sich auch nicht durch Zeitablauf in Schulden iS des § 22 Abs 5 SGB II verwandelt.

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zunächst der Bescheid vom 14.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.10.2007, mit dem die Beklagte die Übernahme der im März/April 2007 zu leistenden Heiz- und Betriebskostennachzahlung abgelehnt hat. Gegen diese Bescheide wenden sich die Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG iVm § 56 SGG). Die Rechtmäßigkeit dieser Ablehnungsbescheide misst sich an § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III und § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, weil die Beklagte den Klägern mit dem vorangegangenen Bewilligungsbescheid vom 10.1.2007 Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.1.2007 bis 31.5.2007 bewilligt hatte und das Nachforderungsverlangen des Vermieters zeitlich in diesen Bewilligungsabschnitt fällt. Mit ihrem Antrag vor dem LSG auf Übernahme der Nachzahlungsforderungen des Vermieters aus der Nebenkostenabrechnung vom 21.3.2007 haben die Kläger den Streitstoff dabei inhaltlich ausdrücklich auf höhere Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkt (zur Zulässigkeit einer derartigen Beschränkung: BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18; zur rechtlich nicht möglichen weiteren Aufspaltung des Streitgegenstands, etwa in Unterkunfts- und Heizkosten: BSG, aaO, RdNr 18, 22). Der Höhe nach ist die Überprüfung im Revisionsverfahren auf weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 976 Euro begrenzt, weil nur die Beklagte Revision eingelegt hat. Auch die Auszahlung des Nachforderungsbetrags an den Vermieter ist daher nicht im Streit.

12

2. a) Ob den Klägern ein Anspruch auf die Heizkostennachforderung zusteht, beurteilt sich nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, hier also der Bescheid vom 10.1.2007, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Dabei sind bei der Frage, ob bzw inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - bezogen auf die hier streitigen Kosten der Unterkunft und Heizung - dazu führt, dass der Bewilligungsbescheid vom 10.1.2007 abzuändern ist, grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R, BSGE 95, 191 = SozR 4-4300 § 37b Nr 2 jeweils RdNr 13; BSG, Urteil vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R, SozR 4-1500 § 95 Nr 1 RdNr 6; BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 23). Es ergeben sich hier allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass die mit Bescheid vom 10.1.2007 für den Zeitraum vom 1.1.2007 bis 31.5.2007 bewilligten Kosten für Unterkunft und Heizung unzutreffend festgesetzt sein könnten. Die Kläger erfüllten in dem vom diesem Bescheid umfassten Zeitraum vom 1.1.2007 bis 31.5.2007 die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm §§ 19 Satz 1, 22 SGB II.

13

b) Eine Änderung gegenüber den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vom 10.1.2007 vorlagen, ist hier mit der Nachforderung der Heiz- und Betriebskosten eingetreten. Der Anspruch der Kläger auf höhere Kosten der Unterkunft und Heizung folgt aus § 22 Abs 1 SGB II. Zwar handelt es sich bei der Übernahme einer Heiz- und Betriebskostennachzahlung anders als im Regelfall des § 22 Abs 1 SGB II nicht um eine laufende, sondern um eine einmalige Leistung. § 22 Abs 1 SGB II erfasst jedoch nicht nur laufende, sondern auch einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung (BSG, Beschluss vom 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 9; BSG, Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr 19, FEVS 60, 490, 494; BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R - BSGE 102, 194 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 16, jeweils RdNr 26). Soweit einzelne Nebenkosten - wie hier bei der Nachforderung - in einer Summe fällig werden, sind sie als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen, nicht aber auf längere Zeiträume zu verteilen (BSG, Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 36). Nachforderungen, die nach regelmäßiger Übernahme der Heizkostenvorauszahlungen bzw -abschläge der jeweiligen Monate entstehen, gehören als einmalig geschuldete Zahlungen zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat (BSG, Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 RdNr 16, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG, Urteil vom 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 16; vgl bereits BVerwG, Urteil vom 4.2.1988 - 5 C 89/85 - BVerwGE 79, 46, 51).

14

c) Dem Anspruch der Kläger auf höhere Kosten für Unterkunft und Heizung und damit der Annahme einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse steht auch nicht entgegen, dass die Kläger vor Entstehung der Heiz- und Betriebskostennachforderung für das Kalenderjahr 2006 bzw deren Begleichung nach Zugang des Schreibens vom 21.3.2007 keinen gesonderten Antrag auf Deckung dieses Bedarfs gestellt haben. Zwar werden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nur auf Antrag und nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht (§ 37 Abs 1 und 2 Satz 1 SGB II; BT-Drucks 15/1516 S 62; BSG, Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSG, Urteil vom 7.5.2009 - B 14 AS 13/08 R, RdNr 13, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Im Sinne des Meistbegünstigungsgrundsatzes ist aber davon auszugehen, dass ein bereits gestellter Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts diejenigen Leistungen beinhaltet, die nach Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommen (Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 37 RdNr 21; BSG, Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R - RdNr 11 zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; zum Klageantrag: BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 11) und dem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts eine "Türöffner-Funktion" für diese Leistungen zukommt (vgl zur Funktion des Antrags bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auch BSG, Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 13/08 R - RdNr 15, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; zur "Türöffner-Funktion" der Arbeitslosmeldung im SGB III: BSG, Urteil vom 7.10.2004 - B 11 AL 23/04 R - BSGE 93, 209 = SozR 4-4300 § 122 Nr 2 jeweils RdNr 13). Der Antrag der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 19.12.2006 umfasste auch die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Eine sachliche und zeitliche Konkretisierung der von der Antragstellung umfassten Bedarfe kann auch zu einem späteren Zeitpunkt, insbesondere dann vorgenommen werden, wenn sich weitere Bedarfe erst während des laufenden Leistungsbezugs ergeben, also die Forderung - wie hier - erst nach Antragstellung fällig wird. Mit der Vorlage der Heiz- und Betriebskostennachforderung bei der Beklagten haben die Kläger die Höhe ihres Bedarfs insofern lediglich weiter konkretisiert, jedoch keine weitere, vom Antrag nicht erfasste Leistung beantragt.

15

d) Die durch die Heiz- und Betriebskostennachforderung für das Jahr 2006 eingetretene Änderung der tatsächlichen Verhältnisse "zugunsten des Betroffenen" iS von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X war auch wesentlich iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, dh rechtserheblich, weil die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in neuer Höhe zu bemessen waren, der Bewilligungsbescheid vom 10.1.2007 also unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen so nicht mehr hätte erlassen werden dürfen (vgl BSG, Urteil vom 9.6.1988 - 4/1 RA 57/87 - SozR 2200 § 1255a Nr 19 S 56). Die Nachforderung des Vermieters der Kläger führt dazu, dass diesen in dem vom Bewilligungsbescheid vom 10.1.2007 umfassten Zeitraum höhere Kosten für Unterkunft und Heizung mit dem vom LSG angenommenen Gesamtbetrag in Höhe von 976 Euro zustehen. Leistungen für die Heizung werden gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen übernommen, soweit sie nicht einen Grenzwert überschreiten, der unangemessenes Heizen indiziert(vgl hierzu BSG, Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 RdNr 23, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, gehen die Beteiligten übereinstimmend von der Angemessenheit der für das Jahr 2006 nachgeforderten Betriebs- und Heizkosten aus. Es ergeben sich auf der Grundlage der Feststellungen des LSG für den Senat auch keine Anhaltspunkte für zu hohe Betriebs- oder Heizkosten. Das LSG ist schließlich auch zutreffend davon ausgegangen, dass die tatsächlich angefallenen Heizkosten um die Kosten der Warmwasserbereitung zu bereinigen sind, wobei die in Ansehung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 rechnerisch für die Warmwasserbereitung aus den Regelleistungen ermittelbaren Anteile zu berücksichtigen waren (vgl dazu BSG, Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5; BSG, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 8/09 R - RdNr 28 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

16

3. Der Bewilligungsbescheid vom 10.1.2007 war auch vom Zeitpunkt dieser Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X aufzuheben, weil das SGB II - anders als zB das SGB XII für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung(vgl § 44 Abs 1 SGB XII) und das SGB VI für Änderungen bei der Höhe der Rente (§ 100 Abs 1 SGB VI; vgl zB BSG, Urteil vom 22.4.2008 - B 5a R 72/07 R - RdNr 17) - keine gesonderten, § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X vorgehenden Regelungen zum Zeitpunkt der Berücksichtigung geänderter Verhältnisse enthält. Insofern steht die verspätete Information der Beklagten über die Nachforderung der Heiz- und Betriebskosten durch die Kläger dem Ausgleich der Nachforderung an Betriebs- und Heizkosten nicht entgegen.

17

4. Allein der Umstand, dass die Kläger die Nachforderung offenbar nicht innerhalb der vom Vermieter gesetzten Frist, also mit Ablauf des Fälligkeitsmonats (April 2007), beglichen haben, führt nicht dazu, dass es sich - allein durch Zeitablauf - bei den nachgeforderten Heiz- und Betriebskosten nicht mehr um einen aktuellen Bedarf, sondern (nur noch) um nach § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II durch Darlehen auszugleichende Schulden handelt(so auch Berlit in Münder, SGB II, 3. Aufl 2009, § 22 RdNr 19; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 RdNr 36, Stand 9/2009 mit Beschränkung auf den laufenden Bewilligungsabschnitt). Die Nachforderung der Heiz- und Betriebskosten für das Kalenderjahr 2006 erfolgte zu einem Zeitpunkt, in dem die Kläger während des Bewilligungsabschnitts vom 1.12.2006 bis 31.5.2007 im durchgehenden SGB II-Bezug waren, ihre Hilfebedürftigkeit also bereits eingetreten war. Ob Schulden iS des § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II oder tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 SGB II vorliegen, ist - unabhängig von deren zivilrechtlicher Einordnung - ausgehend von dem Zweck der Leistungen nach dem SGB II zu beurteilen, einen tatsächlich eingetretenen und bisher noch nicht von dem SGB II-Träger gedeckten Bedarf aufzufangen. Bezieht sich die Nachforderung an Heiz- und Betriebskosten auf einen während der Hilfebedürftigkeit des SGB II-Leistungsberechtigten eingetretenen und bisher noch nicht gedeckten Bedarf, handelt es sich jedenfalls um vom SGB II-Träger zu übernehmende tatsächliche Aufwendungen nach § 22 Abs 1 SGB II. Dabei besteht bei den Kosten für Heizung der Bedarf darin, dass der Grundsicherungsträger dem Leistungsberechtigten die Geldmittel zur Verfügung stellt, die dieser benötigt, um die Lieferung der Wärme durch den Vermieter bzw das Energieversorgungsunternehmen zahlen zu können (BSG, Urteil vom 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 9; vgl auch bereits BVerwG, Urteil vom 4.2.1988 - 5 C 89/85 - BVerwGE 79, 46, 50). Hat der Grundsicherungsträger dem Leistungsberechtigten bereits die monatlich an den Vermieter oder das Energieversorgungsunternehmen zu zahlenden Abschlagsbeträge zur Verfügung gestellt, den aktuellen Bedarf in der Vergangenheit also bereits gedeckt, und beruht die Nachforderung auf der Nichtzahlung der als Vorauszahlung vom Vermieter geforderten Abschläge für Heiz- und Betriebskosten, handelt es sich dagegen um Schulden (Schmidt in Oestreicher, SGB II/SGB XII, § 22 SGB II RdNr 59, Stand Februar 2008).

18

Nach diesen Grundsätzen liegen hier tatsächliche Aufwendungen nach § 22 Abs 1 SGB II vor, weil die Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum des gesamten Kalenderjahres 2006 ihre mietvertraglichen Verbindlichkeiten in Gestalt der vereinbarten Vorauszahlung von monatlich 228 Euro vollständig erfüllt haben und zum Zeitpunkt der Nachforderung von Heiz- und Betriebskosten hilfebedürftig waren.

19

5. Demnach war die Entscheidung des LSG auch zu bestätigen, soweit es wegen der wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen hinsichtlich der als Dauerleistung mit Bescheid vom 10.1.2007 bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung bei zeitgleich fortbestehender Hilfebedürftigkeit den Nachzahlungsbetrag in Höhe von 976 Euro zugesprochen hat (§ 48 Abs 4 iVm § 44 Abs 4 SGB X).

20

6. Lediglich im Sinne einer Klarstellung hat der Senat den Tenor des LSG-Urteils unter Einbeziehung des Bescheides vom 10.1.2007 teilweise neu gefasst. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Leistungen nach diesem Buch werden auf Antrag erbracht. Leistungen nach § 24 Absatz 1 und 3 und Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Absatz 5 sind gesondert zu beantragen.

(2) Leistungen nach diesem Buch werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück. Wird ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen einzelnen Monat gestellt, in dem aus Jahresabrechnungen von Heizenergiekosten oder aus der angemessenen Bevorratung mit Heizmitteln resultierende Aufwendungen für die Heizung fällig sind, wirkt dieser Antrag, wenn er bis zum Ablauf des dritten Monats nach dem Fälligkeitsmonat gestellt wird, auf den Ersten des Fälligkeitsmonats zurück. Satz 3 gilt nur für Anträge, die bis zum 31. Dezember 2023 gestellt werden.

(1) Anträge auf Sozialleistungen sind beim zuständigen Leistungsträger zu stellen. Sie werden auch von allen anderen Leistungsträgern, von allen Gemeinden und bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland entgegengenommen.

(2) Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, sind unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der in Satz 1 genannten Stellen eingegangen ist.

(3) Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. März 2008 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 28.1. bis zum 5.5.2005.

2

Der 1965 geborene Kläger wehrte sich vor dem Arbeitsgericht (ArbG) gegen eine seitens seines ehemaligen Arbeitgebers zum 2.2.2004 ausgesprochene Kündigung. Er meldete sich aber gleichwohl am 3.2.2004 bei der beigeladenen Bundesagentur für Arbeit arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Ab dem 3.2.2004 bewilligte die Beigeladene dem Kläger Alg für eine Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen.

3

Mit Urteil vom 12.10.2004 stellte das vom Kläger eingeschaltete ArbG fest, dass sein Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 2.2.2004 aufgelöst worden sei. Hiergegen legte der ehemalige Arbeitgeber des Klägers Berufung ein.

4

Mit Schreiben vom 17.12.2004 teilte die Beigeladene dem Kläger mit, sein Anspruch auf Alg ende voraussichtlich am 27.1.2005. Zugleich enthielt das Schreiben den Hinweis, dass die bisherige Arbeitslosenhilfe (Alhi) zum 1.1.2005 wegfalle und durch das Arbeitslosengeld II (Alg II) ersetzt werde, dessen Gewährung von einem Antrag abhänge. Es folgten Angaben darüber, wo der Antrag zu stellen sei und der Hinweis, dass weitere Informationen auf Anfrage von der Agentur für Arbeit zu erhalten seien. Mit Änderungsbescheid vom 2.1.2005 setzte die Beigeladene das Alg des Klägers ab dem 1.1.2005 hinsichtlich der Höhe neu fest, hinsichtlich der Anspruchsdauer verblieb es bei der früheren Bewilligungsentscheidung.

5

Am 28.1.2005, dem Tag nach Erschöpfung des Alg-Anspruchs, wurde der Kläger bei der Beigeladenen vorstellig. Dort fand ein Gespräch mit einem Mitarbeiter der Beigeladenen statt, das sich allein auf die Frage der Dauer des Alg-Anspruchs bezog. Ein evtl bestehender Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II war nicht Gegenstand des Gesprächs.

6

Am 31.1.2005 stellte der Kläger wegen der Frage der Dauer seines Alg-Anspruchs einen Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf Änderung des bestandskräftigen Bewilligungsbescheids vom 1.4.2004. Diesen Antrag lehnte die Beigeladene mit Bescheid vom 24.3.2005 ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde am 23.5.2005 zurückgenommen.

7

Mit Urteil vom 12.4.2005 hob in dem parallel laufenden Arbeitsgerichtsprozess das Landesarbeitsgericht das Urteil des ArbG wieder auf und wies die Kündigungsschutzklage des Klägers ab.

8

Am 6.5.2005 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, diese wurden ihm mit Bescheid vom 6.6.2005 ab dem 6.5.2005 bewilligt. Gegen den Bescheid vom 6.6.2005 legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.7.2005 zurückwies. Die dagegen erhobene Klage ist vor dem Sozialgericht (SG) und dem Landessozialgericht (LSG) ohne Erfolg geblieben (Urteile vom 31.1.2007 und vom 18.3.2008). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, dem Kläger könnten vor Antragstellung am 6.5.2005 keine Leistungen gewährt werden. Auch könne er nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch so gestellt werden, als hätte er seinen Antrag bereits am 28.1.2005 gestellt. Ein Beratungsfehler liege nicht vor. Vorliegend habe über das Informationsschreiben der Beigeladenen vom 17.12.2004 hinaus kein Anlass bestanden, den Kläger erneut über die Notwendigkeit einer Antragstellung zur Gewährung von Alg II zu unterrichten.

9

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Revision. Er rügt, das LSG habe die zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze nicht beachtet. Er ist der Ansicht, die Beigeladene habe im Rahmen der persönlichen Vorsprache die Pflicht gehabt, ihn über die Möglichkeiten und Voraussetzungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch Leistungen nach dem SGB II zu beraten. Die Beigeladene treffe vor dem Hintergrund des engen Sachzusammenhangs zwischen Alg und Leistungen nach dem SGB II eine erweiterte Beratungspflicht.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Koblenz vom 31. Januar 2007 und das Berufungsurteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 18. März 2008 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2005 zu ändern und ihm auch für die Zeit vom 28. Januar bis zum 5. Mai 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

13

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

15

Der Senat konnte auf Grund der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend entscheiden, ob der Kläger im Zeitraum vom 28.1. bis zum 5.5.2005 einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hatte. Zwar haben SG und LSG zutreffend entschieden, dass der Kläger vor dem 6.5.2005 keinen Antrag auf solche Leistungen gestellt hat (dazu unter 1.). Sie haben aber nicht geprüft, ob der am 6.5.2005 gestellte Antrag nach § 28 SGB X zurückwirkt(dazu unter 2.). Dies bedarf der abschließenden Klärung, bevor auf das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zurückgegriffen werden kann (dazu unter 3.).

16

1. Der Kläger hat vor dem 6.5.2005 weder bei der Beklagten noch bei der Beigeladenen einen Antrag gestellt. Die Antragstellung wird aber neben den sonstigen Anspruchsvoraussetzungen für alle Leistungen nach dem SGB II vorausgesetzt.

17

Nach § 37 Abs 1 SGB II werden die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Antrag erbracht, nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II aber nicht für Zeiten vor der Antragstellung. Nach § 16 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) sind Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, so gilt dieser als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der genannten Stellen eingegangen ist.

18

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger auch bei der Beigeladenen, etwa anlässlich seines dortigen Vorsprechens am 28.1.2005, keinen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gestellt hat. Die Auslegung eines Antrags auf Gewährung von Sozialleistungen folgt dem Grundsatz der Meistbegünstigung (vgl Urteile des Senats vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - und vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 13). Sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht vorliegt, ist davon auszugehen, dass der Leistungsberechtigte die Sozialleistungen begehrt, die nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommen (vgl Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 37 RdNr 21; Kretschmer in GK-SGB I, 3. Aufl 1996, § 16 RdNr 17). Dabei kann in einem Antrag auf Gewährung von Alg nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) auch zugleich ein Antrag auf Gewährung von Alg II liegen. Ob dies bereits dann gilt, wenn der Betroffene nur deutlich macht, er begehre Leistungen bei Arbeitslosigkeit (so zB Oberverwaltungsgericht Bremen Urteil vom 8.6.2010 - S 2 A 492/07 - im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Alhi, vgl etwa BSGE 44, 164, 166 f = SozR 4100 § 134 Nr 3)oder ob - wie das SG meint - zusätzlich erforderlich ist, dass der Antragsteller zumindest zu erkennen gibt, er sei wegen fehlenden Einkommens und Vermögens hilfebedürftig und deshalb auf Sozialleistungen angewiesen, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn nach den Feststellungen im angegriffenen Urteil beschränkte sich der Kläger zunächst allein auf die Beanspruchung von Alg nach dem SGB III. Dies wird - wie das LSG hervorhebt - insbesondere vor dem Hintergrund des Überprüfungsantrags vom 31.1.2005 deutlich, mit dem er eine Weitergewährung des Alg erreichen wollte, weil sein Anspruch noch nicht erschöpft sei. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger vor dem 6.5.2005 bei der Beigeladenen als unzuständigem Leistungsträger einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gestellt hat.

19

2. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Antrag des Klägers vom 6.5.2005 nach § 28 SGB X zurückwirkt, insofern bedarf es weiterer Feststellungen durch das LSG.

20

§ 28 Satz 1 SGB X bestimmt, dass ein Antrag auf eine Sozialleistung bis zu einem Jahr zurückwirkt, wenn der Leistungsberechtigte von der Stellung eines Antrags auf diese Sozialleistung deshalb abgesehen hat, weil er einen Antrag auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht hat, die ihm "versagt"(im Sinne von "abgelehnt", vgl Eicher in Eicher/Spellbrink, aaO, § 40 RdNr 106f) wurde oder die er zu erstatten hat. Dies gilt allerdings grundsätzlich nur, wenn der nachgeholte Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist. Zu einer solchen Rückwirkung nach § 28 Satz 1 SGB X kommt es gemäß § 28 Satz 2 SGB X auch dann, wenn der rechtzeitige Antrag auf eine andere Leistung aus Unkenntnis über deren Anspruchsvoraussetzungen unterlassen wurde und die zweite Leistung gegenüber der ersten Leistung, wenn diese erbracht worden wäre, nachrangig gewesen wäre.

21

§ 28 SGB X ist auch im Rahmen des SGB II anwendbar(dazu unter a). Der Kläger hat auch durch seinen Überprüfungsantrag einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht (dazu unter b) und innerhalb der sich aus § 28 SGB X ergebenden Frist den Antrag auf die von ihm nunmehr beanspruchte Sozialleistung nachgeholt(dazu unter c). Es fehlen jedoch Feststellungen des LSG hinsichtlich der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 28 SGB X und die Prüfung der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach dem SGB II für den Zeitraum ab dem 28.1. bis zum 5.5.2005 (dazu unter d).

22

a) Die Vorschrift des § 28 SGB X über die Zurückwirkung eines Antrags findet auch auf das Antragserfordernis nach § 37 Abs 1 SGB II Anwendung(vgl § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II). Davon geht auch der Gesetzgeber aus, wie sich aus einem Umkehrschluss zu § 40 Abs 3 SGB II entnehmen lässt(vgl BT-Drucks 16/1410 S 27). Der dort eingefügten Einschränkung hätte es nicht bedurft, wenn § 28 SGB X ohnehin keine Anwendung im SGB II fände. Dagegen spricht nicht, dass der Antrag auf Leistungen nach § 37 Abs 1 SGB II konstitutive Wirkung hat(BT-Drucks 15/1516 S 62) und deshalb Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden (§ 37 Abs 2 Satz 1 SGB II, vgl oben). § 28 SGB X befreit nämlich nicht von dem Antragserfordernis als solchem, sondern lässt nur den nachgeholten Antrag zurückwirken. Die Anwendung des § 28 SGB X führt demnach nicht dazu, dass Leistungenvor Antragstellung erbracht werden.

23

b) Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 28 SGB X auch insofern, als er zunächst einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung, nämlich auf Alg gemäß §§ 117 ff SGB III geltend gemacht hat. Dagegen spricht nicht, dass der Kläger für den Zeitraum ab dem 28.1.2005 keinen (Neu-)Antrag auf Gewährung von Alg gestellt hat, der sodann abgelehnt wurde, sondern seinen Leistungsanspruch ab dem genannten Zeitpunkt im Wege eines Antrags auf Überprüfung des ursprünglichen Bewilligungsbescheids gemäß § 44 SGB X im Hinblick auf die bestandskräftig festgesetzte Anspruchsdauer verfolgt hat. Ein solcher Fall, in dem im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Bewilligung einer laufenden Sozialleistung begehrt wird, ist jedenfalls von § 28 SGB X mit umfasst.

24

Für diese Auslegung spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift, die hinsichtlich der Anforderungen an die Geltendmachung der zunächst beanspruchten Sozialleistungen offen formuliert ist und weder einen Antrag iS von § 16 Abs 1 Satz 1 SGB I noch Personenidentität zwischen den Antragstellern der beiden Sozialleistungen voraussetzt(vgl dazu Schneider-Danwitz, SGB X, § 28 Anm 12; Eicher, aaO, § 40 RdNr 106d). Soweit die Überschrift zu § 28 SGB X in scheinbarem Widerspruch dazu von einer "wiederholten" (und nicht nur von einer "nachgeholten") Antragstellung ausgeht, ist dies irreführend formuliert(vgl Eicher, aaO, § 40 RdNr 106c; Schneider-Danwitz, aaO, Anm 5a).

25

Für die Anwendbarkeit des § 28 SGB X im vorliegenden Fall spricht auch die Regelungsabsicht des damaligen Gesetzgebers. In dem Abschlussbericht zur Einfügung der Vorschrift heißt es, in Zukunft sollten dann Rechtsnachteile vermieden werden, wenn ein Berechtigter in Erwartung eines positiven Bescheides einen Antrag auf andere Sozialleistungen nicht gestellt habe (BT-Drucks 8/4022 S 81 f). Der Wunsch, Mehrfachprüfungen zu vermeiden sowie den Leistungsberechtigten in einem gegliederten Sozialleistungssystem insoweit zu schützen, als seinem Anspruch auf eine weitere Sozialleistung ein erst später gestellter Antrag nicht entgegengehalten wird, zeigt, dass § 28 SGB X auch in Fällen wie dem vorliegenden gelten soll. Hierfür spricht auch, dass es oftmals von Zufälligkeiten abhängt, ob bei Beanspruchung einer laufenden Sozialleistung diese zunächst bewilligt und dann eingestellt wird, sodass die Weitergewährung durch einen Überprüfungsantrag geltend gemacht werden muss, oder ob ein neuer Antrag gestellt werden kann. Vor dem Hintergrund des offenen Wortlauts der Vorschrift kann zwischen beiden Fällen im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 28 SGB X nicht differenziert werden.

26

c) Der Kläger hat auch den erforderlichen Antrag nach § 37 Abs 1 SGB II innerhalb der in § 28 Satz 1 SGB X genannten Frist nachgeholt. Danach ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats zu stellen, in dem die Ablehnung der anderen Leistung bindend geworden ist. § 40 Abs 3 SGB II, der diese Frist insoweit einschränkt, als nur noch der unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Entscheidung bindend geworden ist, nachgeholte Antrag ausreicht, greift hier nicht, denn die genannte Vorschrift wurde erst mit Wirkung vom 1.8.2006 durch das Fortentwicklungsgesetz vom 20.7.2006 (BGBl I 1706, 1712) eingefügt und ist daher auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Im Übrigen hat der Kläger hier am 6.5.2005 und damit vor der am 23.5.2005 eingetretenen Bestandskraft des ablehnenden Überprüfungsbescheids, auf den hier konsequenterweise abzustellen ist, den Antrag auf Gewährung von Alg II gestellt.

27

d) Nach dem Wortlaut des § 28 Satz 1 SGB X ("weil") muss der Leistungsempfänger aber deshalb von der Stellung eines Antrags abgesehen haben, weil er sich die Gewährung einer anderen Sozialleistung versprochen hat. Dies setzt voraus, dass der Leistungsberechtigte bewusst von einer Antragstellung abgesehen hat und ein Kausalzusammenhang zwischen der Nichtbeantragung der einen und der Geltendmachung der anderen Sozialleistung bestand (vgl Schneider-Danwitz, aaO, Anm 9). Allerdings kann nach § 28 Satz 2 SGB X auch Unkenntnis zu einer Antragsrückwirkung führen, wenn beide Sozialleistungen in einem Vor- und Nachrangverhältnis zueinander stehen, was beim Alg und der Grundsicherung für Arbeitsuchende der Fall ist(vgl § 3 Abs 3, § 9 Abs 1, § 11 Abs 1 Satz 1, § 12a Satz 1 SGB II).

28

Aus den Feststellungen des LSG kann nicht nachvollzogen werden, ob eine und ggf welche der genannten Varianten vorliegend tatsächlich eingreift, insoweit wird das LSG weitere Ermittlungen zu tätigen haben. Sollten diese - wofür viel spricht - zu einer Bejahung der Voraussetzungen des § 28 SGB X führen, so wäre Rechtsfolge der nachgeholten Antragstellung vom 6.5.2005 ihre Rückwirkung bis zum 28.1.2005. § 28 Satz 1 SGB X begrenzt die maximale Rückwirkung des nachgeholten Antrags auf ein Jahr. Die Rückwirkung erfolgt bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die abgelehnte oder zu erstattende Sozialleistung begehrt wurde. Dies ist in der Regel die erste Antragstellung, wobei es im Rahmen von § 28 Satz 1 SGB X ausreicht, dass eine Sozialleistung - auf welche Weise auch immer - geltend gemacht wird(vgl oben). Im vorliegenden Fall, in dem durch den Überprüfungsantrag vom 31.1.2005 die nahtlose Weiterbewilligung des Alg ab dem 28.1.2005 begehrt wurde, kommt eine Rückwirkung bis zu diesem Tag in Betracht, denn insoweit besteht die der genannten Norm zu Grunde liegende Deckungsgleichheit in zeitlicher Hinsicht zwischen der zunächst geltend gemachten und der später beantragten Sozialleistung.

29

Kann nach den genannten Maßgaben der Antrag auf Leistungen nach dem SGB II vom 6.5.2005 auf den 28.1.2005 zurückwirken, so besagt dies aber noch nichts bezüglich des Bestehens eines Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 28.1.2005 bis zum 5.5.2005, denn § 28 SGB X ersetzt nicht die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen eines Leistungsanspruchs(vgl BSG Urteil vom 19.3.1986 - 7 RAr 17/84 - SozR 1300 § 28 Nr 1; Urteil vom 10.10.2002 - B 2 U 10/02 R -). Vorliegend fehlt es bislang insbesondere an Feststellungen hinsichtlich der Hilfebedürftigkeit des Klägers gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II sowie §§ 9, 11 und 12 SGB II zum oben genannten maßgeblichen Zeitpunkt.

30

3. Ob neben der möglichen Anwendung des § 28 SGB X die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch vorliegen, kann nicht entschieden werden, solange die Anwendbarkeit des § 28 SGB X nicht geklärt ist. Das folgt daraus, dass das (richterrechtlich entwickelte) Rechtsinstitut des Herstellungsanspruchs subsidiär ist und eine Regelungslücke voraussetzt (vgl BSG Urteil vom 15.12.1994 - 4 RA 64/93 - SozR 3-2600 § 58 Nr 2; BSG Urteil vom 23.7.1986 - 1 RA 31/85 - BSGE 60, 158 ff = SozR 1300 § 44 Nr 23; BVerwG Urteil vom 18.4.1997 - 8 C 38/95 - Buchholz 454.71 § 27 WoGG Nr 2; speziell zu § 28 SGB X Werhahn in Estelmann, SGB II, Stand September 2010, § 40 RdNr 140).

31

Das LSG wird auch über die Kosten des Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Leistungen nach diesem Buch werden auf Antrag erbracht. Leistungen nach § 24 Absatz 1 und 3 und Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Absatz 5 sind gesondert zu beantragen.

(2) Leistungen nach diesem Buch werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück. Wird ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen einzelnen Monat gestellt, in dem aus Jahresabrechnungen von Heizenergiekosten oder aus der angemessenen Bevorratung mit Heizmitteln resultierende Aufwendungen für die Heizung fällig sind, wirkt dieser Antrag, wenn er bis zum Ablauf des dritten Monats nach dem Fälligkeitsmonat gestellt wird, auf den Ersten des Fälligkeitsmonats zurück. Satz 3 gilt nur für Anträge, die bis zum 31. Dezember 2023 gestellt werden.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 29.3. bis 30.11.2007. Streitig ist dabei, ob dem im streitigen Zeitraum drei bzw vier Jahre alten Kläger zu 4 ein Mehrbedarf gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II nach Anerkennung des Merkzeichens "G" zusteht.

2

Die Kläger zu 1 und 2 sind die Eltern des 1998 geborenen Klägers zu 3 und des am 21.5.2003 geborenen Klägers zu 4. Die Kläger standen im streitgegenständlichen Zeitraum im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dem Beklagten. Der Kläger zu 4 leidet an einer allgemeinen Entwicklungsstörung mit motorischer Unruhe, Aufmerksamkeitsdefizit, Verdauungsstörungen, Zöliakie, Wachstumsstörung und infektabhängigem Asthma bronchiale. Durch Bescheid des Versorgungsamtes G vom 11.5.2007 ist er ab dem 29.3.2007 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 und den Merkzeichen "G" und "B" anerkannt. Der Kläger zu 1 ging im streitigen Zeitraum einer Erwerbstätigkeit nach, aus der er monatlich wechselndes Nettoarbeitseinkommen bei einem gleichbleibenden Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1340 Euro erzielte.

3

Der Beklagte bewilligte zunächst durch Bescheid vom 30.10.2006 den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von Dezember 2006 bis zum 31.5.2007. In der Folgezeit bis zum 13.4.2007 erließ der Beklagte insgesamt fünf Änderungsbescheide, in denen er jeweils nach Vorlage von Lohnabrechnungen durch den Kläger zu 1 eine Neuberechnung unter Berücksichtigung des wechselnden Einkommens vornahm. Der Beklagte erließ sodann am 7.5.2007 einen weiteren Änderungsbescheid, in dem er die Leistungen für sämtliche Monate von Dezember 2006 bis Mai 2007 neu berechnete. Der Beklagte ging dabei von einem monatlichen Bedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1673,66 Euro aus. Dabei legte er für die Kläger zu 1 und 2 jeweils eine Regelleistung von 311 Euro gemäß § 20 Abs 3 SGB II und für die Kläger zu 3 und 4 eine Regelleistung gemäß § 28 Abs 1 Nr 1 SGB II in Höhe von jeweils 207 Euro zu Grunde. Außerdem berücksichtigte er bei dem Kläger zu 4 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von monatlich 66,74 Euro. Die angemessenen Kosten der Unterkunft gemäß § 22 Abs 1 SGB II wurden in Höhe von monatlich 571,19 Euro festgesetzt. Als Einkommen wurde neben dem Kindergeld für die Kläger zu 3 und 4 in Höhe von insgesamt 308 Euro das vom Kläger zu 1 erzielte Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 1115 Euro (März 2007), 1075,27 Euro (April 2007) und 1200 Euro (Mai 2007) jeweils abzüglich eines Freibetrags in Höhe von 294 Euro berücksichtigt. Außerdem berücksichtigte der Beklagte in den Monaten März und April 2007 aus einer im Dezember 2006 erfolgten Überzahlung 127,86 Euro bzw 127,88 Euro als Einkommen. Am 18.6.2007 erließ der Beklagte einen weiteren Änderungsbescheid, in dem er eine Neuberechnung für den Monat Mai 2007 vornahm, bei der er nunmehr ein Nettoarbeitsentgelt von 1207,76 Euro bei dem Kläger zu 1 zu Grunde legte.

4

Der Beklagte bewilligte durch Bescheid vom 17.4.2007 den Klägern Leistungen für den Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2007. Dabei legte er für den Monat Juni 2007 für die Bedarfsgemeinschaft einen Gesamtbedarf von 1673,66 Euro zu Grunde. Für die Zeit ab dem 1.7. bis zum 30.11.2007 ging er von einem Gesamtbedarf in Höhe von 1680,12 Euro monatlich aus. Der um 6,46 Euro erhöhte Bedarf ergab sich aus der ab dem 1.7.2007 um jeweils 1 Euro erhöhten Regelleistung sowie dem um 2,46 Euro höheren Bedarf für Unterkunft und Heizung. Der Beklagte ging dabei von einem erzielten Nettoarbeitseinkommen des Klägers zu 1 in Höhe von 1200 Euro abzüglich eines Freibetrags in Höhe von 294 Euro aus. In der Folgezeit erließ der Beklagte für den Leistungszeitraum vom 1.6. bis 30.11.2007 insgesamt acht Änderungsbescheide, in denen er eine Neuberechnung unter Berücksichtigung des vom Kläger zu 1 monatlich in wechselnder Höhe erzielten Einkommens vornahm (Juni: 1141,59 Euro, Juli: 1054,82 Euro, August: 1078,72 Euro, September: 1183,22 Euro, Oktober: 923,63 Euro, November: 1148,55 Euro).

5

Am 18.5.2007 legten die Kläger bei dem Beklagten den Bescheid des Versorgungsamts Gelsenkirchen vom 11.5.2007 vor, mit dem dieses bei dem Kläger zu 4 einen GdB von 70 sowie die Erfüllung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B" rückwirkend zum 29.3.2007 festgestellt hatte. Die Kläger beantragten deshalb die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für den Kläger zu 4. Der Beklagte lehnte durch Bescheid vom 14.8.2007 den Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs für schwerbehinderte Menschen mit dem Merkzeichen "G" ab. Der Kläger zu 4 werde gerade erst fünf Jahre alt. Der Mehrbedarf sei für Kinder unter 15 Jahren nicht vorgesehen. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24.8.2007).

6

Hiergegen haben die Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhoben, das diese durch Urteil vom 19.2.2008 abgewiesen hat. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Klage sei bezüglich der Zeiträume ab dem 1.6.2007 bereits unzulässig. Der Regelungsgegenstand eines Bescheides über Mehrbedarf beschränke sich jeweils auf den bei der Antragstellung geltenden Bewilligungsbescheid über die laufenden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bei Beantragung des Mehrbedarfs am 18.5.2007 sei maßgebend der Bewilligungsbescheid für die Zeit vom 1.12.2006 bis 31.5.2007 gewesen. Die Kläger müssten sich bezüglich eines Mehrbedarfs für die Zeit ab dem 1.6.2007 gegen die für diesen Zeitraum ergangenen weiteren Bescheide über die laufenden Leistungen wenden. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II in der Person des Klägers zu 4 nicht vor. Bei dem Kläger zu 4 handele es sich von vornherein um eine nicht erwerbsfähige Person iS des SGB II, für die § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II nicht einschlägig sei.

7

Die Berufung der Kläger hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen durch Urteil vom 11.12.2008 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es zunächst ausgeführt, streitiger Zeitraum sei hier der Zeitraum vom 29.3. bis zum 30.11.2007. Der Beklagte habe mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.8.2007 eine Regelung hinsichtlich des gesamten streitigen Zeitraums getroffen. Es bestehe jedoch kein Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen. Der monatliche Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft, die angemessenen Kosten der Unterkunft und die Nebeneinkommen des Klägers zu 1 seien für den gesamten Zeitraum zutreffend berücksichtigt und berechnet worden. Darüber hinaus bestehe kein weiterer Bedarf. Der im Jahre 2003 geborene Kläger zu 4 habe insbesondere keinen Anspruch auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II. Der Kläger zu 4 sei keine "nicht erwerbsfähige Person" im Sinne dieser Vorschrift. Der Begriff der Erwerbsfähigkeit sei in § 8 Abs 1 SGB II definiert. Hiernach sei erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außer Stande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hieraus ergebe sich im Umkehrschluss auch eine Definition der Nichterwerbsfähigkeit, die im Wesentlichen dem Begriff der vollen Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) entspreche, auf den die Parallelvorschrift für die Sozialhilfe (§ 30 Abs 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) abstelle. Das Vorliegen von Nichterwerbsfähigkeit iS von § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II setze mithin voraus, dass es an der Fähigkeit zur Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes gerade auf Grund von Krankheit oder Behinderung mangele. So verhalte es sich bei dem im streitigen Zeitpunkt vierjährigen Kläger zu 4 gerade nicht, denn dieser sei von vornherein außer Stande, erwerbstätig zu sein. Dies ergebe sich jedoch nicht daraus, dass er krank oder behindert sei. Vielmehr sei jedes, auch ein völlig gesundes vierjähriges Kind, nicht erwerbsfähig.

8

Schon aus Gleichheitsgründen sei es geboten, den Mehrbedarf in § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II unter denselben Voraussetzungen zu gewähren wie denjenigen im Sozialhilferecht nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII. Für den Bereich des SGB XII sei aber unstreitig, dass nur Personen, die im Sinne des Rentenversicherungsrechts voll erwerbsgemindert seien, den Mehrbedarf erhalten können. Auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Mehrbedarfs für Nichterwerbsfähige mit dem Merkzeichen "G" im SGB II komme ein anderes Ergebnis nicht in Betracht.

9

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Revision. Sie rügen eine Verletzung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II. Zur Begründung führen sie aus, die Beschränkung der Gewährung des Mehrbedarfszuschlags auf Personen, die älter als 15 Jahre sind, überzeuge nicht. Unter den Begriff des nicht erwerbsfähigen Angehörigen iS des § 28 Abs 1 Satz 1 SGB II fielen auch Minderjährige, sodass es keinen Grund gebe, den in § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II enthaltenen Begriff der "nicht erwerbsfähigen Person" anders auszulegen. Insbesondere könne keine Altersgrenze in die Vorschrift hineingelesen werden. Dies ergebe sich auch aus einem Vergleich der in Nr 2 und Nr 4 des § 28 SGB II geregelten Mehrbedarfe. Während in § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB II ausdrücklich geregelt sei, dass der darin enthaltene Mehrbedarf nur Personen zustehe, die das 15. Lebensjahr vollendet hätten, fehle eine entsprechende Regelung in § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dies ein gesetzgeberisches Versehen sei. In der Gesetzesbegründung zu § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB II werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Mehrbedarf erst nach Vollendung des 15. Lebensjahres zustehen solle (BT-Drucks 16/1410, S 25 zu Buchst a). Wenn der Gesetzgeber eine überschaubare Vorschrift abändere und in einer Ziffer gezielt eine Altersgrenze einfüge, so sei davon auszugehen, dass er die identische bzw die vom LSG hineininterpretierte Altersgrenze in die übernächste Ziffer ebenfalls eingefügt hätte, wenn eine solche Altersgrenze beabsichtigt gewesen wäre. Im Übrigen gehe die Gewährung der Mehrbedarfe im SGB II so weit, dass sogar solche Personen, die prinzipiell vom Leistungsbezug ausgeschlossen seien, durch den Mehrbedarf wieder in das SGB II-Leistungssystem insgesamt einbezogen werden können. Dies gelte insbesondere für den Mehrbedarf für Alleinerziehende, der auch die Situation des Kindes berühre, sodass der Leistungsausschluss des § 7 Abs 5 SGB II nicht greife mit der Konsequenz, dass das minderjährige Kind aus dem Leistungssystem des SGB XII in dasjenige des SGB II gelangen könne. Der Mehrbedarf könne demnach einen eigenen Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Alg II) begründen. Von daher überzeuge der Hinweis des LSG auf die strukturellen Unterschiede zwischen SGB II und SGB XII nicht. Der Begriff "nicht erwerbsfähige Person" beziehe sich im SGB II allgemein auf Bezieher von Sozialgeld, worunter gerade nicht zwingend erwerbsunfähige Menschen im medizinischen Sinne fallen würden. Alle Menschen, also auch Kinder bis zum 15. Geburtstag, hätten einen Anspruch auf Zuschlag nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II, wenn sie schwerbehindert mit Merkzeichen "G" oder "aG" seien. Nur durch die Gewährung solcher Mehrbedarfe für schwerbehinderte Kinder könne das Existenzminimum und der gesteigerte Bedarf von schwerbehinderten Kindern und damit ein Leben im Rahmen des soziokulturellen Existenzminimums (Art 1 Grundgesetz) sichergestellt werden. Im Übrigen müsse die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Urteil vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) geschaffene Härtefallregelung auf ihn Anwendung finden.

10

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Dezember 2008 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 19. Februar 2008 aufzuheben. Den Bescheid des Beklagten vom 14. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Änderung aller Bewilligungs- und Änderungsbescheide für den Zeitraum vom 29. März bis zum 30. November 2007 den Klägern zusätzlich Leistungen in Höhe von 17 % der für den Kläger zu 4 maßgeblichen Regelleistung wegen eines Mehrbedarfs nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II zu bewilligen.

11

Der Beklagte beantragt,

die Revision der Kläger zurückzuweisen.

12

Er beruft sich auf das angefochtene Urteil des LSG.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Kläger ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG entschieden, dass den Klägern keine höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für den Kläger zu 4 gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II(idF, die die Norm des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706 erhalten hat) zustehen (vgl unter 2.). Zu Recht hat das LSG entschieden, dass der im Jahre 2003 geborene Kläger zu 4 keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II (alter Fassung) hat, weil er keine "nicht erwerbsfähige Person" im Sinne dieser Vorschrift ist (vgl unter 3.). Dem Kläger zu 4 steht auch der vom BVerfG am 9.2.2010 (aaO) geschaffene Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines unabweisbaren laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfs nicht zu (hierzu unter 4.).

14

1. Streitiger Zeitraum ist der Zeitraum vom 29.3. bis zum 30.11.2007. Das Versorgungsamt hat durch Bescheid vom 11.5.2007 rückwirkend ab dem 29.3.2007 das Vorliegen des Merkzeichens "G" beim Kläger zu 4 festgestellt. Die Kläger haben zwar umgehend (am 18.5.2007) unter Vorlage dieses Bescheids einen "Antrag" bei dem Beklagten gestellt. Eines solchen Antrags hätte es jedoch im Lichte des § 37 SGB II nicht bedurft. Wie der Senat zuletzt entschieden hat (Urteil vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R) ist der Antrag im SGB II jeweils so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt (Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl Urteil des Senats vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R und Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217, 230 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 11). Als beantragt sind dementsprechend alle Leistungen anzusehen, die nach Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommen. Das sind bei einem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts regelmäßig alle im ersten und zweiten Unterabschnitt des zweiten Abschnitts des dritten Kapitels SGB II genannten Leistungen. Mit dem Antrag wird mithin ein Hilfebedarf geltend gemacht, der alle Leistungen umfasst, die der Sicherung des Lebensunterhalts in Form des Alg II dienen. Auch bei dem Mehrbedarf nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II handelt es sich um eine Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts. Diese Leistung muss von daher nicht gesondert beantragt werden. Ein solches Erfordernis lässt sich jedenfalls § 37 SGB II nicht entnehmen.

15

Das LSG hat auch zu Recht die Kläger zu 1 bis 4 als Kläger geführt. Im Rahmen des Leistungssystems des SGB II gemäß § 7 iVm §§ 9 ff SGB II kann eine Leistungserhöhung auf Seiten des Klägers zu 4 in Form eines zusätzlichen Mehrbedarfs die Rechtsansprüche sämtlicher Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft auf Leistungen nach dem SGB II ggf erhöhen. Insofern wäre es nicht zweckdienlich gewesen, lediglich den Kläger zu 4 als Kläger zu führen.

16

2. Sämtliche streitgegenständliche Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und waren nicht gemäß §§ 44 ff SGB X (iVm § 40 Abs 1 SGB II) aufzuheben. Das LSG hat dabei zunächst zu Recht festgestellt, dass den Klägern zu 1 bis 4 für den streitigen Zeitraum vom 29.3. bis zum 1.11.2007 Leistungen nach den §§ 19 ff SGB II in richtiger Höhe bewilligt worden sind. Insofern bestehen gegen die in den einzelnen Bescheiden und für die einzelnen Zeiträume aufgeführten Berechnungen des LSG keine rechtlichen Bedenken. Im Übrigen liegen auch keine Angriffe der Revision gegen die Bedarfsermittlung und die Berücksichtigung des Einkommens des Klägers zu 1 seitens des Beklagten vor. Hinsichtlich der Höhe der Regelleistung der Kläger zu 3 und 4 (207 Euro gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB II) folgt aus der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (aaO), dass diese von der Höhe her - für den streitigen Zeitraum - nicht zu beanstanden sind.

17

Entgegen der Rechtsansicht der Revision sind durch die Bewilligung des Merkzeichens "G" für den im streitigen Zeitraum drei- bzw vierjährigen Kläger zu 4 die Bewilligungsbescheide auch nicht durch eine nachträglich eintretende wesentliche Änderung der Verhältnisse rechtswidrig geworden (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB X). Ebenso sind die nach diesem Zeitpunkt erlassenen Bescheide nicht ursprünglich rechtswidrig (§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB X). Zu Recht hat das LSG nämlich entschieden, dass die Ablehnung eines Mehrbedarfs gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II aF rechtmäßig war, sodass auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt an der Rechtmäßigkeit der Bewilligungs- bzw Änderungsbescheide nicht zu zweifeln ist.

18

3. Den Klägern stehen im streitigen Zeitraum keine höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für den Kläger zu 4 gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II aF zu.

19

a) Nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II aF erhalten nicht erwerbsfähige Personen einen Mehrbedarf von 17 vH der nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung, wenn sie Inhaber eines Ausweises nach § 69 Abs 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) mit dem Merkzeichen "G" sind. Der Kläger zu 4 war keine "nicht erwerbsfähige Person" im Sinne dieser Vorschrift, weil aus der Gesetzgebungsgeschichte und der systematischen Stellung der Norm folgt, dass Kinder unter 15 Jahren grundsätzlich nicht begünstigt werden sollten. Die Norm wurde gemeinsam mit § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB II durch das sogenannte Fortentwicklungsgesetz vom 20.7.2006 zum 1.8.2006 neu gefasst (BGBl I 1706). Der Gesetzgeber wollte damit dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechen und die Leistungen für behinderte Menschen im SGB II an die Leistungen für behinderte Menschen im SGB XII anpassen (BT-Drucks 16/1410, S 25). Vor dem 1. 8. 2006 gab es für Sozialgeldbezieher im SGB II keinen Mehrbedarf bei Nichterwerbsfähigkeit und gleichzeitiger Innehabung eines Nachteilsausgleichs "G". Aus der Übernahme der im Wesentlichen identischen Regelung aus § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII folgt, dass die Gewährung des Mehrbedarfs grundsätzlich unter den gleichen Voraussetzungen wie im SGB XII erfolgen sollte. Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ist für den Bereich des SGB XII aber unstreitig gewesen, dass nur Personen, die im Sinne des Rentenversicherungsrechts voll erwerbsgemindert sind, den Mehrbedarf erhalten können (vgl nur Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 30 RdNr 13 ff; Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 30 RdNr 10, 13. Lieferung, Stand 6/08).

20

§ 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII entspricht im wesentlichen der Vorgängervorschrift in § 23 Abs 1 Nr 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Auch zu dieser Norm war bereits unstreitig, dass der Bezug des Mehrbedarfs das Vorliegen von voller Erwerbsminderung bzw Erwerbsunfähigkeit nach dem SGB VI voraussetzte (vgl Hofmann in LPK BSHG, 6. Aufl 2003, § 23 RdNr 16). Mit dem Mehrbedarf für Erwerbsunfähige im BSHG sollte damals ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass der Erwerbsunfähige im Gegensatz zum arbeitsfähigen Hilfeempfänger auch unter Einsatz besonderer Tatkraft nicht in der Lage ist, durch eigene Arbeit etwas hinzuzuverdienen und sich dadurch ein über den notwendigen Bedarf hinausgehendes und zum Teil anrechnungsfreies Einkommen verschaffen kann (Dauber in Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl, 36. Lieferung, Stand März 2004, § 23 RdNr 19). Die Regelung des § 23 Abs 1 Nr 2 BSHG wurde in § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII ohne weitere Begründung fortgeführt. An diese Vorgaben wollte der Gesetzgeber des SGB II anknüpfen (BT-Drucks 16/1410, S 25). Vor dem Hintergrund dieser Gesetzgebungsgeschichte kommt ein Mehrbedarf für ein vierjähriges Kind nicht in Betracht, weil es auch im gesunden Zustand rechtlich und tatsächlich nicht in der Lage ist, sich etwas hinzuzuverdienen.

21

Entgegen der Revision folgt auch aus der ebenfalls durch das Fortentwicklungsgesetz vom 20.7.2006 mit Wirkung zum 1.8.2006 vorgenommenen Änderung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB II kein anderes Ergebnis. § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB II wurde durch dieses Gesetz dahingehend geändert, dass Leistungen für Mehrbedarfe nach § 21 Abs 4 SGB II nur an behinderte Menschen gezahlt werden können, die das 15. Lebensjahr vollendet haben. Vor der Änderung zum 1.8.2006 enthielt die Vorschrift keinerlei Altersbeschränkungen. Soweit die Revision aus der gleichzeitigen Einführung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2 und des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II den Schluss zieht, aus einer fehlenden Altersbegrenzung in § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II müsse gefolgert werden, dass der Mehrbedarf nach Nr 4 allen Personen ohne jede Altersbeschränkung gewährt werden müsse, überzeugt dies nicht. Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Mehrbedarf nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB II anders als der Mehrbedarf nach Nr 4 gerade nicht auf das Tatbestandsmerkmal der Nichterwerbsfähigkeit abstelle, sondern die Norm lediglich von "behinderten Menschen" spreche. Damit folgt er der Regelung in § 30 Abs 4 SGB XII. Auch diese Regelung enthält eine Beschränkung auf Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben. Bei der Ergänzung des § 28 SGB II hat der Gesetzgeber ausdrücklich betont(BT-Drucks 16/1410, S 25), dass er im Bereich des SGB II keine weitergehende Leistungsgewährung beabsichtige als im Bereich des SGB XII. Die Einfügung einer entsprechenden Einschränkung hinsichtlich des Alters in § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II war mithin entbehrlich, weil bei diesem Mehrbedarf auch nach dem SGB XII der entsprechende Mehrbedarf nur bei Überschreitung der Altersgrenze nach § 41 Abs 2 SGB VI bzw beim Vorliegen voller Erwerbsminderung nach dem SGB VI gewährt wurde.

22

b) Der Senat sieht sich in seiner Auslegung des Begriffs "nicht erwerbsfähige Person" iS des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II (idF des Fortentwicklungsgesetzes, aaO) durch die weitere Rechtsentwicklung bestätigt. Durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I 2917) wurde mit Wirkung vom 1.1.2009 § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II nochmals geändert. Die Norm enthält nunmehr eine Klarstellung im Sinne der hier vorgenommenen Auslegung. § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II lautet nunmehr: "Nicht erwerbsfähige Personen, die voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind, erhalten einen Mehrbedarf von 17 vom Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung, …." Zur Begründung dieser Neuregelung hat der Gesetzgeber ausgeführt (BT-Drucks 16/10810, S 49 zu Nr 11 Buchst bb), mit der Ergänzung in § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 werde die mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende verfolgte Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen im SGB II und SGB XII sichergestellt. Der dort geregelte Mehrbedarf werde - wie im SGB XII - nur bei nicht erwerbsfähigen Personen berücksichtigt, die voll erwerbsgemindert nach dem SGB VI sind. Eine Berücksichtigung des Mehrbedarfs bei Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft, die auf Grund ihres Alters zwar nicht erwerbsfähig iS des SGB II, aber nicht voll erwerbsgemindert nach dem SGB VI sind, sei ausgeschlossen (BT-Drucks 16/10810, aaO). Der Gesetzgeber hat diese Ergänzung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II ausdrücklich nicht als Neuregelung im Sinne einer konstitutiven Änderung definiert. Vielmehr hat er in seiner Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebracht, dass es sich insofern um eine Klarstellung handelt, die den - bereits oben herausgestellten - Grundsatz der Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen im SGB II und SGB XII, der durch das Fortentwicklungsgesetz eingeleitet wurde, sicherstellen soll. § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II im Sinne des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente hat damit lediglich klarstellende Funktion.

23

4. Dem Kläger zu 4 steht auch der vom BVerfG (Urteil vom 9.2.2010, aaO) geschaffene Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs nicht zu. Der Senat kann dabei ausdrücklich offen lassen, ob dieser Anspruch für Zeiträume, die vor dem der Entscheidung des BVerfG liegen, überhaupt gegeben ist. Dies hat der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom 18.2.2010 (B 4 AS 29/09 R, RdNr 34 ff) ausdrücklich bejaht (anders offenbar BVerfG Urteil vom 24.3.2010 - 1 BvR 395/09) und mithin auch eine rückwirkende Anwendung des neuen verfassungsrechtlichen Härteanspruchs im SGB II für möglich gehalten. Die Feststellungen der Vorinstanzen lassen jedenfalls nicht erkennen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen Härtefallanspruchs in der streitigen Zeit vorgelegen haben. Ermittlungen "ins Blaue hinein" sind insoweit auch nach der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (aaO, RdNr 32) nicht geboten, sodass eine Rückverweisung an das LSG zu weiteren Tatsachenfeststellungen nicht in Betracht kam.

24

Hierbei war auch zu berücksichtigen, dass nach dem Willen des BVerfG der neue Anspruch erst dann entsteht, wenn der Bedarf so erheblich ist, dass die Gesamtsumme der dem Hilfebedürftigen gewährten Leistung - einschließlich der Leistungen Dritter und unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Hilfebedürftigen - das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleistet (BVerfG Urteil vom 9.2.2010, Umdruck S 74; RdNr 208). Das BVerfG geht davon aus, dass dieser zusätzliche Anspruch angesichts seiner engen Tatbestandsvoraussetzungen nur in seltenen Fällen entstehen dürfte (BVerfG, aaO). Der Kläger zu 4 war im streitigen Zeitraum drei bzw vier Jahre alt. Ihm war bereits ein monatlicher Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung gemäß § 21 Abs 4 SGB II zuerkannt worden. Mit Anerkennung des Merkzeichens "G" stand ihm als Empfänger von Leistungen nach dem SGB II die Möglichkeit offen, ohne jede Eigenbeteiligung am öffentlichen Personennahverkehr teilzunehmen (§ 145 Abs 1 SGB IX; der Erwerb einer Wertmarke war gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX nicht erforderlich; vgl auch Bieritz-Harder in HK-SGB IX, 3. Aufl, § 145 RdNr 16). Weitere Gesichtspunkte, die einen besonderen Härtefall im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG begründen könnten, sind nicht ersichtlich oder vorgetragen.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Überprüfung und Rücknahme aller Bescheide über die Gewährung, Aufhebung und Erstattung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum seit Januar 2006.

2

Der 1973 geborene Kläger bezog seit Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auf den Antrag des anwaltlich vertretenen Klägers vom 28.7.2010, sämtliche bestandskräftige Bescheide seit dem 1.1.2006 "auf ihre Rechtmäßigkeit" zu überprüfen, forderte der Beklagte ihn unter Fristsetzung bis zum 15.8.2010 auf, eine detaillierte Aufstellung der angefochtenen Bescheide vorzulegen. Eine Überprüfung des Sachverhaltes werde ansonsten nicht vorgenommen. Nachdem keine Reaktion erfolgt war, lehnte der Beklagte eine Prüfung der Bescheide ab (Bescheid vom 16.8.2010; Widerspruchsbescheid vom 11.10.2010).

3

Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Kläger vorgetragen, in den Bewilligungsbescheiden vom 23.11.2005, 12.6.2006, 14.12.2006, 29.5.2007, 26.11.2007, 2.6.2008 und 24.11.2008 seien die Kosten für Unterkunft und Heizung falsch ermittelt, der Beklagte habe den Abzug der Kosten für die Warmwasseraufbereitung unrichtig vorgenommen. Im August 2006 müsse eine Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung in Höhe von 108,36 Euro berücksichtigt werden. Gleiches gelte für die Betriebskostenabrechnungen für das Jahr 2006 (Bescheid vom 22.6.2007) und für das Jahr 2007 (Bescheid vom 8.5.2008). Der Beklagte habe jeweils einen zu geringen Betrag berücksichtigt.

4

Das SG hat die Klage teilweise als unzulässig zurückgewiesen, im Übrigen als unbegründet abgewiesen (Urteil vom 15.3.2011). Soweit die Klagebegründung einen erneuten Überprüfungsantrag beinhalte, fehle es an einem ordnungsgemäßen Vorverfahren. Im Übrigen handele es sich bei der in § 44 SGB X vorgesehenen Korrekturmöglichkeit um eine Einzelfallprüfung. Ein "globaler" Überprüfungsantrag werde von der Norm nicht erfasst.

5

Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 26.3.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine schranken- und voraussetzungslose Sach- und Rechtsprüfung der seit Januar 2006 erlassenen Bescheide. Aus dem Wortlaut und der Systematik ergebe sich, dass jeweils nur ein Anspruch auf Überprüfung einzelner Verwaltungsentscheidungen, nicht auf ein ggf umfangreiches Verwaltungshandeln über einen mehrjährigen Zeitraum bestehe. Für den Bereich des SGB II habe der Gesetzgeber die Bedeutung der Rechtssicherheit mit Wirkung zum 1.4.2011 weiter hervorgehoben und durch eine Ergänzung in § 40 Abs 1 S 2 SGB II die Rückwirkung auf ein Jahr begrenzt. Zudem werde das Leistungsverhältnis Bürger - Behörde im Bereich des SGB II schon materiell-rechtlich, dh aufgrund des Gegenstandes und des Normprogramms, durch Veränderungen in der Lebenswirklichkeit der Betreffenden ungleich mehr als im Sozialrecht sonst üblich geprägt. Im Interesse einer funktionsfähigen Verwaltung erfahre § 44 SGB X daher im SGB II eine Einschränkung. Unter Beachtung dieser Grundsätze folge aus dem Antrag des Klägers keine Pflicht zur Überprüfung von Bescheiden in der Sache, weil er diese bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht benannt habe. Soweit er mit seiner Klagebegründung die zu überprüfenden Bescheide des Beklagten und Gründe für die aus seiner Sicht rechtswidrigen Regelungen benannt habe, sei zwar bei der Beurteilung von Bescheiden im Überprüfungsverfahren bei einer zulässigen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebliche Zeitpunkt derjenige der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz. Hänge das Überprüfungsbegehren aber von Mitwirkungsobliegenheiten im Verwaltungsverfahren ab, seien Gerichte nicht verpflichtet, auf die Nachholung der schon bestehenden Mitwirkungsobliegenheit die nunmehr konkret benannten Bescheide erstmals zu überprüfen.

6

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, es sei kein plausibler Grund dafür ersichtlich, warum eine Überprüfung "sämtlicher" erlassener Bescheide des Beklagten nur dann möglich sein solle, wenn der Antragsteller diese nochmals aufliste. Da der Überprüfungsantrag ausschließlich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung gestützt worden sei, bedürfe es keiner weiteren Darlegungen.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. März 2013 aufzuheben, das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 15. März 2011 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2010 zu verpflichten, die Bescheide vom 23. November 2005, 12. Juni 2006, 14. Dezember 2006, 29. Mai 2007, 22. Juni 2007, 26. November 2007, 8. Mai 2008, 2. Juni 2008 und 24. November 2008 teilweise zurückzunehmen und dem Kläger für die in den Bescheiden geregelten Bewilligungszeiträume höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er bezieht sich auf das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist zulässig, jedoch unbegründet.

11

1. Streitgegenstand ist die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Zeitraum vom 1.1.2006 bis 30.6.2009, als dies durch die im Antrag bezeichneten Bescheide des Beklagten geschehen ist. Richtige Klageart ist hier eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (zuletzt BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 17/13 R - SozR 4-1500 § 192 Nr 2 RdNr 4; BSG Urteil vom 28.2.2013 - B 8 SO 4/12 R - RdNr 9; vgl auch Baumeister in juris-PK SGB X, § 44 RdNr 154, Stand 4/2013; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X RdNr 30, Stand 09/2013 mwN; Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, § 44 RdNr 59; aA in einem obiter dictum: BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, jeweils RdNr 9; wohl auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IV RdNr 76). Der Kläger begehrt mit der Anfechtungsklage die Aufhebung des - die Überprüfung der zuvor benannten Bescheide ablehnenden - Verwaltungsakts vom 16.8.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2010. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheids durch den Beklagen gerichtet, mit dem dieser die begehrte Änderung der bezeichneten Bewilligungsbescheide bewirkt. Mit der Leistungsklage beantragt er die Erbringung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im streitigen Zeitraum.

12

2. Der Beklagte hat es hier rechtlich zutreffend abgelehnt, eine inhaltliche Überprüfung der benannten Verwaltungsakte nach § 44 SGB X vorzunehmen. Es mangelt bereits an einem hinreichend objektiv konkretisierbaren Antrag im Sinne dieser Vorschrift.

13

a) Nach § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Erfolgt die Überprüfung aufgrund eines Antrags des Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag zwar grundsätzlich eine Prüfpflicht des Leistungsträgers aus. Der Antrag bestimmt jedoch zugleich auch den Umfang des Prüfauftrags der Verwaltung im Hinblick darauf, ob bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist. Aufgrund oder aus Anlass des Antrags muss sich der Verwaltung im Einzelfall objektiv erschließen, aus welchem Grund - Rechtsfehler und/oder falsche Sachverhaltsgrundlage - nach Auffassung des Leistungsberechtigten eine Überprüfung erfolgen soll. Dazu muss der Antrag konkretisierbar sein, dh entweder aus dem Antrag selbst - ggf nach Auslegung - oder aus einer Antwort des Leistungsberechtigten aufgrund konkreter Nachfrage des Sozialleistungsträgers muss der Umfang des Prüfauftrags für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar werden. Ist dies nicht der Fall, ist der Sozialleistungsträger berechtigt, von einer inhaltlichen Prüfung dieses Antrags abzusehen. Diese Begrenzung des Prüfauftrags der Verwaltung wird durch den Wortlaut, die Gesetzesbegründung sowie den Sinn und Zweck des § 44 SGB X gestützt.

14

b) Nach dem Wortlaut von § 44 Abs 1 S 1 SGB X soll "im Einzelfall" eine Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes - sei es ein rechtswidriger belastender Verwaltungsakt, mit dem Leistungen ganz oder teilweise abgelehnt worden sind, sei es ein Rückforderungsbescheid(vgl Voelzke/Hahn, SGb 2012, 685, mwN) - erfolgen. Hieraus hat der erkennende Senat geschlossen, dass dann, wenn nicht ein einzelner oder mehrere konkrete, ihrer Zahl nach bestimmbare Verfügungssätze von Verwaltungsakten, sondern das Verwaltungshandeln - ohne jede Differenzierung - insgesamt zur Überprüfung durch die Verwaltung gestellt wird, keine Prüfung im Einzelfall begehrt wird. Trotz des Vorliegen eines "Antrags" löst ein solches Begehren bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift noch keine inhaltliche Prüfpflicht des Sozialleistungsträgers aus (BSG Beschluss vom 14.3.2012 - B 4 AS 239/11 B - juris-RdNr 6).

15

c) Eine Entbindung von der inhaltlichen Prüfung setzt allerdings voraus, dass der Sozialleistungsträger "den Einzelfall", also die konkreten Inhalte eines bestimmten Bescheides, die zur Überprüfung gestellt werden sollen, bei objektiver Betrachtung nicht ermitteln kann. Ein Prüfanliegen "im Einzelfall" ist daher zu bejahen, wenn entweder eine bestimmte Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur oder eine konkrete Verwaltungsentscheidung benannt wird. Auch bei einem Antrag nach § 44 SGB X hat die Verwaltung den Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X zu beachten. Insofern kann es - je nach den konkreten Umständen der Antragstellung - erforderlich sein, dass der Träger auf eine Konkretisierung des Überprüfungsbegehrens durch den Leistungsberechtigten iS des § 21 Abs 2 S 1 SGB X hinwirkt. In welchem Umfang der Leistungsträger seiner Amtsermittlungspflicht nachzukommen hat, beurteilt sich jedoch nach Lage des Einzelfalls. Als Kriterium für den Umfang der Amtsermittlungspflicht des SGB II-Trägers ist beispielsweise zu berücksichtigen, ob der Leistungsberechtigte (mit juristischem Sachverstand) vertreten oder unvertreten ist oder ob sich aus vorangegangenen Kontakten zwischen ihm und der Verwaltung Anhaltspunkte für das Begehren des Antragstellers ergeben. Auch kann von Bedeutung sein, in welchem Gesamtkontext ein Überprüfungsantrag gestellt wird. Wenn - jedoch wie im vorliegenden Fall - auch auf Nachfrage des SGB II-Trägers bei dem Rechtsanwalt der Antragstellerin keine Angaben gemacht werden, die eine Konkretisierung für den Einzelfall ermöglichen, sondern weiter pauschal auf die Überprüfung sämtlicher Bescheide verwiesen wird, ist der Sozialleistungsträger objektiv nicht in der Lage, seinen Prüfauftrag zu bestimmen. In diesem Sinne wird auch in dem Entwurf zur Begründung des § 42 SGB X (heute § 44 SGB X) darauf hingewiesen, Voraussetzung für die Rücknahme solle sein, dass der Behörde im Einzelfall die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes bekannt werde(BT-Drucks 8/2034, S 34). Der Sozialleistungsträger muss also zumindest in die Lage versetzt werden, bestimmen zu können, welcher Verwaltungsakt rechtswidrig sein könnte. Dies war hier bis zur Erteilung des Widerspruchsbescheides nicht der Fall.

16

d) Es genügt nicht, wenn der Leistungsberechtigte - wie hier - eine Nachbesserung des bis dahin unbestimmten und nicht objektiv konkretisierbaren Antrags erst im Klageverfahren vornimmt. Für die Beurteilung, ob die formellen Erfordernisse eines solchen Antrags vorliegen, der überhaupt erst eine Prüfpflicht des Leistungsträgers auslöst, ist auf die zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu diesem Überprüfungsantrag vorgetragenen tatsächlichen und/oder rechtlichen Anhaltspunkte abzustellen.

17

Soweit das LSG mit Hinweis auf eine Entscheidung des 5. Senats des BSG (Urteil vom 25.1.2011 - B 5 R 47/10 R - RdNr 12) für die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Überprüfungsverfahren im Ansatz davon ausgegangen ist, dass dies derjenige der letzten mündlichen Verhandlung sei, handelte es sich bei der Entscheidung des 5. Senats um eine andere Ausgangslage. In dem dortigen Verfahren war umstritten, ob konkrete "Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden" sind. Ob diese neben der Antragsstellung zu beachtende (weitere) Rücknahmevoraussetzung erfüllt ist, kann sich nach der materiellen Rechtslage richten, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überprüfungsentscheidung gilt. Insofern ist neues Recht und auch erstmaliges Vorbringen der Beteiligten im Klageverfahren hierzu nach der Entscheidung des 5. Senats des BSG zu berücksichtigen, wenn das neue Recht das streitige Rechtsverhältnis nach seinem Geltungswillen "mit Rückwirkung" erfassen soll. Vorliegend fehlt es jedoch bereits an der vorrangig zu prüfenden verfahrensrechtlichen Voraussetzung für ein (Wieder)Aufleben ("Ingangbringen") der Prüfverpflichtung des Sozialleistungsträgers nach § 44 SGB X.

18

e) Ohne Bedeutung für die hier behandelte Fallgestaltung des nicht einzelfallbezogenen Antrags ist es, dass nach der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG eine Einschränkung im Verfahren nach § 44 SGB X unter Rückgriff auf § 51 Abs 1 VwVfG vorgenommen werden darf mit der Folge einer gestuften Prüfungsverpflichtung bei einem "unrichtigen Sachverhalt"(BSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20). Nicht einschlägig ist hier auch die Rechtsprechung des 9. Senats des BSG, der eine Prüfpflicht nur dann annehmen will, wenn Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des der früheren Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts vorhanden sind (BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 33). Wird das Verwaltungshandeln umfassend zur Überprüfung gestellt, mangelt es bereits an einem konkreten Anlass zum Eintritt in die zuvor aufgezeigten "Prüfstadien". Bereits auf der davor liegenden Stufe fehlt es an Hinweisen, wie sich der Prüfumfang bestimmen soll, wenn - wie hier - auch auf Nachfrage bei dem Leistungsberechtigten keine weiteren Angaben gemacht werden. Gleiches gilt, wenn sich die Rechtswidrigkeit aus einer unrichtigen Anwendung des Rechts ergeben soll. Nach Auffassung des 2. Senats des BSG soll zwar im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X auch ohne neues Vorbringen des Antragstellers immer eine Prüfverpflichtung bestehen, ob bei Erlass des bindend gewordenen Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt wurde(BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, RdNr 12). Dies setzt jedoch voraus, dass die Verwaltung überhaupt "einzelfallbezogen" erkennen kann, welcher Bescheid zu überprüfen ist. Ansonsten kann sie bereits den Gegenstand der Prüfung nicht bestimmen und nicht dem Sinn und Zweck des § 44 SGB X entsprechend handeln.

19

f) Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen(BSG SozR 3-1300 § 44 Nr 24, juris-RdNr 16; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, K § 44 RdNr 2, Stand XII/12; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2013, § 44 RdNr 2, vor 44-49, RdNr 1; Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 44 SGB X RdNr 2, Stand IX/2013; Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, vor §§ 44-51 RdNr 13; vgl auch Voelzke/Hahn, SGb 2012, 685). Eine Konfliktlösung in diesem Sinne ist der Verwaltung jedoch nur möglich, wenn ihr "der Konflikt" bekannt ist. Insoweit besteht kein Unterschied zwischen der Situation der Einleitung eines Überprüfungsverfahrens durch einen Antrag des Leistungsberechtigten oder der Verpflichtung der Verwaltung zur Überprüfung von Amts wegen (§ 44 Abs 3 S 2 und 3 SGB X). Der Maßstab zur Bestimmung des Prüfumfangs ist gleich. Im Rahmen der Überprüfung von Amts wegen ist die Verwaltung nach ständiger Rechtsprechung des BSG nicht verpflichtet, die Akten von sich aus auf Rücknahmemöglichkeiten durchzuarbeiten. Es müssen sich vielmehr konkret in der Bearbeitung eines Falles Anhaltspunkte für eine Aufhebung ergeben (vgl BSG Urteil vom 2.10.2008 - B 9 VH 1/07 R - juris-RdNr 48; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 23, juris-RdNr 24 f; s auch Baumeister in jurisPK-SGB X, § 44 SGB X, RdNr 133, Stand 4/2013; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2013, § 44 RdNr 39; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X, RdNr 24, Stand IX/2013). Anderenfalls würde der Verwaltung die Verpflichtung auferlegt, ihr bindend gewordenes Verwaltungshandeln "ins Blaue hinein" zu überprüfen. Auch bei einer Überprüfung auf Antrag ist die Verwaltung daher nicht gehalten, die Akten von Amts wegen durchzuarbeiten, um eine mögliche Rechtswidrigkeit aufzudecken. Sie kann sich vielmehr - in einer Situation wie der vorliegenden - unter dem Hinweis auf fehlende Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit nicht näher bezeichneter Ausgangsbescheide darauf stützen, es sei nicht erkennbar, dass das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei und die erneute inhaltliche Prüfung ablehnen. Damit wird sowohl der materiellen Gerechtigkeit als auch der Bindungswirkung Rechnung getragen, ohne die materielle Gerechtigkeit durch eine Zugunstenentscheidung für den Leistungsberechtigten im Einzelfall hinter die Bindungswirkung zurücktreten zu lassen.

20

g) Unerheblich für die Bestimmung des Umfangs der Prüfpflicht des Leistungsträgers ist hingegen, dass es sich hier um einen Antrag auf Überprüfung eines Bescheides aus dem Leistungsbereich des SGB II handelt. Die den dortigen Leistungsvoraussetzungen geschuldete Häufigkeit der Änderungen der Leistungshöhe und der damit verbundenen erneuten Bescheiderteilung bilden keinen Anlass von anderen Sozialleistungsbereichen abweichende Maßstäbe für die Voraussetzungen der Überprüfung einer Verwaltungsentscheidung nach § 44 SGB X aufzustellen. § 40 Abs 1 SGB II enthält nur eine Begrenzung hinsichtlich der rückwirkenden Erbringung von SGB II-Leistungen nach § 44 Abs 4 SGB X, nicht jedoch abweichende Grundsätze für die vorangehenden Prüfungsschritte des § 44 SGB X(vgl in diesem Zusammenhang auch BSGE 106, 155 = SozR 4-4200 § 22 Nr 36).

21

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Personen erhalten für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn

1.
sie für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 haben,
2.
sie mit Ausnahme des Wohngeldes, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags über Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch in Höhe von mindestens 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von mindestens 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch nicht abzusetzen sind, und
3.
bei Bezug des Kinderzuschlags keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch besteht, wobei die Bedarfe nach § 28 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch außer Betracht bleiben. Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit ist das für den Antragsmonat bewilligte Wohngeld zu berücksichtigen. Wird kein Wohngeld bezogen und könnte mit Wohngeld und Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit vermieden werden, ist bei der Prüfung Wohngeld in der Höhe anzusetzen, in der es voraussichtlich für den Antragsmonat zu bewilligen wäre.

(1a) Ein Anspruch auf Kinderzuschlag besteht abweichend von Absatz 1 Nummer 3, wenn

1.
bei Bezug von Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit besteht, der Bedarfsgemeinschaft zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit aber mit ihrem Einkommen, dem Kinderzuschlag und dem Wohngeld höchstens 100 Euro fehlen,
2.
sich bei der Ermittlung des Einkommens der Eltern nach § 11b Absatz 2 bis 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch wegen Einkommen aus Erwerbstätigkeit Absetzbeträge in Höhe von mindestens 100 Euro ergeben und
3.
kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem Zweiten oder nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erhält oder beantragt hat.

(2) Der monatliche Höchstbetrag des Kinderzuschlags deckt zusammen mit dem für ein erstes Kind nach § 66 des Einkommensteuergesetzes zu zahlenden Kindergeld ein Zwölftel des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums eines Kindes für das jeweilige Kalenderjahr mit Ausnahme des Anteils für Bildung und Teilhabe. Steht dieses Existenzminimum eines Kindes zu Beginn eines Jahres nicht fest, ist insoweit der für das Jahr geltende Betrag für den Mindestunterhalt eines Kindes in der zweiten Altersstufe nach der Mindestunterhaltsverordnung maßgeblich. Als Höchstbetrag des Kinderzuschlags in dem jeweiligen Kalenderjahr gilt der Betrag, der sich zu Beginn des Jahres nach den Sätzen 1 und 2 ergibt, mindestens jedoch ein Betrag in Höhe des Vorjahres. Der Betrag nach Satz 3 erhöht sich ab 1. Juli 2022 um einen Sofortzuschlag in Höhe von 20 Euro.

(3) Ausgehend vom Höchstbetrag mindert sich der jeweilige Kinderzuschlag, wenn das Kind nach den §§ 11 bis 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen hat. Bei der Berücksichtigung des Einkommens bleiben das Wohngeld, das Kindergeld und der Kinderzuschlag außer Betracht. Der Kinderzuschlag wird um 45 Prozent des zu berücksichtigenden Einkommens des Kindes monatlich gemindert. Ein Anspruch auf Zahlung des Kinderzuschlags für ein Kind besteht nicht, wenn zumutbare Anstrengungen unterlassen wurden, Ansprüche auf Einkommen des Kindes geltend zu machen. § 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Vermögen nur berücksichtigt wird, wenn es erheblich ist. Ist das zu berücksichtigende Vermögen höher als der nach den Sätzen 1 bis 5 verbleibende monatliche Anspruch auf Kinderzuschlag, so dass es den Kinderzuschlag für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums vollständig mindert, entfällt der Anspruch auf Kinderzuschlag. Ist das zu berücksichtigende Vermögen niedriger als der monatliche Anspruch auf Kinderzuschlag, ist der Kinderzuschlag im ersten Monat des Bewilligungszeitraums um einen Betrag in Höhe des zu berücksichtigenden Vermögens zu mindern und ab dem folgenden Monat Kinderzuschlag ohne Minderung wegen des Vermögens zu zahlen.

(4) Die Summe der einzelnen Kinderzuschläge nach den Absätzen 2 und 3 bildet den Gesamtkinderzuschlag.

(5) Der Gesamtkinderzuschlag wird in voller Höhe gewährt, wenn das nach den §§ 11 bis 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kinderzuschlags zu berücksichtigende Einkommen der Eltern einen Betrag in Höhe der bei der Berechnung des Bürgergeldes zu berücksichtigenden Bedarfe der Eltern (Gesamtbedarf der Eltern) nicht übersteigt und kein zu berücksichtigendes Vermögen der Eltern nach § 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vorhanden ist. Als Einkommen oder Vermögen der Eltern gilt dabei dasjenige der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft mit Ausnahme des Einkommens oder Vermögens der in dem Haushalt lebenden Kinder. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Zur Feststellung des Gesamtbedarfs der Eltern sind die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in dem Verhältnis aufzuteilen, das sich aus den im 12. Bericht der Bundesregierung über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern festgestellten entsprechenden Bedarfen für Alleinstehende, Ehepaare, Lebenspartnerschaften und Kinder ergibt.

(6) Der Gesamtkinderzuschlag wird um das zu berücksichtigende Einkommen der Eltern gemindert, soweit es deren Bedarf übersteigt. Wenn das zu berücksichtigende Einkommen der Eltern nicht nur aus Erwerbseinkünften besteht, ist davon auszugehen, dass die Überschreitung des Gesamtbedarfs der Eltern durch die Erwerbseinkünfte verursacht wird, wenn nicht die Summe der anderen Einkommensteile für sich genommen diesen maßgebenden Betrag übersteigt. Der Gesamtkinderzuschlag wird um 45 Prozent des Betrags, um den die monatlichen Erwerbseinkünfte den maßgebenden Betrag übersteigen, monatlich gemindert. Anderes Einkommen oder Vermögen der Eltern mindern den Gesamtkinderzuschlag in voller Höhe. Bei der Berücksichtigung des Vermögens gilt Absatz 3 Satz 6 und 7 entsprechend.

(7) Über den Gesamtkinderzuschlag ist jeweils für sechs Monate zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum beginnt mit dem Monat, in dem der Antrag gestellt wird, jedoch frühestens nach Ende eines laufenden Bewilligungszeitraums. Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen während des laufenden Bewilligungszeitraums sind abweichend von § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch nicht zu berücksichtigen, es sei denn, die Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft oder der Höchstbetrag des Kinderzuschlags ändert sich. Wird ein neuer Antrag gestellt, unverzüglich nachdem der Verwaltungsakt nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch wegen einer Änderung der Bedarfsgemeinschaft aufgehoben worden ist, so beginnt ein neuer Bewilligungszeitraum unmittelbar nach dem Monat, in dem sich die Bedarfsgemeinschaft geändert hat.

(8) Für die Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens ist der Durchschnitt des Einkommens aus den sechs Monaten vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich. Bei Personen, die den selbst genutzten Wohnraum mieten, sind als monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung die laufenden Bedarfe für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen. Bei Personen, die an dem selbst genutzten Wohnraum Eigentum haben, sind als monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung die Bedarfe aus den durchschnittlichen Monatswerten des Kalenderjahres vor Beginn des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen. Liegen die entsprechenden Monatswerte für den Wohnraum nicht vor, soll abweichend von Satz 3 ein Durchschnitt aus den letzten vorliegenden Monatswerten für den Wohnraum zugrunde gelegt werden, nicht jedoch aus mehr als zwölf Monatswerten. Im Übrigen sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Die besonderen Leistungen sind anstelle der allgemeinen Leistungen insbesondere zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung, einschließlich Berufsvorbereitung, sowie der wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung zu erbringen, wenn

1.
Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben die Teilnahme an
a)
einer Maßnahme in einer besonderen Einrichtung für Menschen mit Behinderungen oder
b)
einer sonstigen, auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen ausgerichteten Maßnahme
unerlässlich machen oder
2.
die allgemeinen Leistungen die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlichen Leistungen nicht oder nicht im erforderlichen Umfang vorsehen.
In besonderen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen können auch Aus- und Weiterbildungen außerhalb des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung gefördert werden.

(2) Leistungen im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich werden von anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder anderen Leistungsanbietern nach den §§ 57, 60, 61a und 62 des Neunten Buches erbracht.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Arbeitslosengeld

1.
bei Arbeitslosigkeit oder
2.
bei beruflicher Weiterbildung.

(2) Wer das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet hat, hat vom Beginn des folgenden Monats an keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Die besonderen Leistungen umfassen

1.
das Übergangsgeld,
2.
das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann,
3.
die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

(1) Arbeitslos ist, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und

1.
nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),
2.
sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und
3.
den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

(2) Eine ehrenamtliche Betätigung schließt Arbeitslosigkeit nicht aus, wenn dadurch die berufliche Eingliederung der oder des Arbeitslosen nicht beeinträchtigt wird.

(3) Die Ausübung einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) schließt die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Die Arbeitszeiten mehrerer Erwerbstätigkeiten werden zusammengerechnet.

(4) Im Rahmen der Eigenbemühungen hat die oder der Arbeitslose alle Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung zu nutzen. Hierzu gehören insbesondere

1.
die Wahrnehmung der Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung,
2.
die Mitwirkung bei der Vermittlung durch Dritte und
3.
die Inanspruchnahme der Selbstinformationseinrichtungen der Agentur für Arbeit.

(5) Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht zur Verfügung, wer

1.
eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2.
Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann,
3.
bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und
4.
bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen müssen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person muss aktiv an allen Maßnahmen zu ihrer Eingliederung in Arbeit mitwirken, insbesondere einen Kooperationsplan abschließen. Im Rahmen der vorrangigen Selbsthilfe und Eigenverantwortung sollen erwerbsfähige leistungsberechtigte Personen eigene Potenziale nutzen und Leistungen anderer Träger in Anspruch nehmen.

(2) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen haben in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte müssen ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen einsetzen.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Leistungen nach diesem Buch werden auf Antrag erbracht. Leistungen nach § 24 Absatz 1 und 3 und Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Absatz 5 sind gesondert zu beantragen.

(2) Leistungen nach diesem Buch werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück. Wird ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen einzelnen Monat gestellt, in dem aus Jahresabrechnungen von Heizenergiekosten oder aus der angemessenen Bevorratung mit Heizmitteln resultierende Aufwendungen für die Heizung fällig sind, wirkt dieser Antrag, wenn er bis zum Ablauf des dritten Monats nach dem Fälligkeitsmonat gestellt wird, auf den Ersten des Fälligkeitsmonats zurück. Satz 3 gilt nur für Anträge, die bis zum 31. Dezember 2023 gestellt werden.

(1) Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung können auch erbracht werden, wenn Menschen mit Behinderungen nicht arbeitslos sind und durch diese Leistungen eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden kann.

(2) Förderungsfähig sind auch berufliche Aus- und Weiterbildungen, die im Rahmen des Berufsbildungsgesetzes oder der Handwerksordnung abweichend von den Ausbildungsordnungen für staatlich anerkannte Ausbildungsberufe oder in Sonderformen für Menschen mit Behinderungen durchgeführt werden.

(3) Ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe besteht auch, wenn der Mensch mit Behinderungen während der Berufsausbildung im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnt. In diesem Fall wird der jeweils geltende Bedarf nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zugrunde gelegt. Für die Unterkunft wird der jeweils geltende Bedarf nach § 13 Absatz 2 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zugrunde gelegt.

(4) Ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe besteht auch, wenn der Mensch mit Behinderungen, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils wohnt, auch wenn die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern oder eines Elternteils aus in angemessener Zeit zu erreichen ist. In diesem Fall wird der Bedarf nach Absatz 3 Satz 2 und 3 zugrunde gelegt.

(5) Eine Verlängerung der Ausbildung über das vorgesehene Ausbildungsende hinaus, eine Wiederholung der Ausbildung ganz oder in Teilen oder eine erneute Berufsausbildung wird gefördert, wenn Art oder Schwere der Behinderung es erfordern und ohne die Förderung eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben nicht erreicht werden kann.

(6) Berufliche Weiterbildung kann auch gefördert werden, wenn Menschen mit Behinderungen

1.
nicht arbeitslos sind,
2.
als Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer ohne Berufsabschluss noch nicht drei Jahre beruflich tätig gewesen sind oder
3.
einer längeren Förderung als Menschen ohne Behinderungen oder einer erneuten Förderung bedürfen, um am Arbeitsleben teilzuhaben oder weiter teilzuhaben.
Förderungsfähig sind auch schulische Ausbildungen, deren Abschluss für die Weiterbildung erforderlich ist.

(7) Ein Gründungszuschuss kann auch geleistet werden, wenn der Mensch mit Behinderungen einen Anspruch von weniger als 150 Tagen oder keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Die Zulassungen der aufgrund der Kommunalträger-Zulassungsverordnung vom 24. September 2004 (BGBl. I S. 2349) anstelle der Bundesagentur als Träger der Leistungen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 zugelassenen kommunalen Träger werden vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch Rechtsverordnung über den 31. Dezember 2010 hinaus unbefristet verlängert, wenn die zugelassenen kommunalen Träger gegenüber der zuständigen obersten Landesbehörde die Verpflichtungen nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 und 5 bis zum 30. September 2010 anerkennen.

(2) Auf Antrag wird eine begrenzte Zahl weiterer kommunaler Träger vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales als Träger im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zugelassen, wenn sie

1.
geeignet sind, die Aufgaben zu erfüllen,
2.
sich verpflichten, eine besondere Einrichtung nach Absatz 5 zu schaffen,
3.
sich verpflichten, mindestens 90 Prozent der Beamtinnen und Beamten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur, die zum Zeitpunkt der Zulassung mindestens seit 24 Monaten in der im Gebiet des kommunalen Trägers gelegenen Arbeitsgemeinschaft oder Agentur für Arbeit in getrennter Aufgabenwahrnehmung im Aufgabenbereich nach § 6 Absatz 1 Satz 1 tätig waren, vom Zeitpunkt der Zulassung an, dauerhaft zu beschäftigen,
4.
sich verpflichten, mit der zuständigen Landesbehörde eine Zielvereinbarung über die Leistungen nach diesem Buch abzuschließen, und
5.
sich verpflichten, die in der Rechtsverordnung nach § 51b Absatz 1 Satz 2 festgelegten Daten zu erheben und gemäß den Regelungen nach § 51b Absatz 4 an die Bundesagentur zu übermitteln, um bundeseinheitliche Datenerfassung, Ergebnisberichterstattung, Wirkungsforschung und Leistungsvergleiche zu ermöglichen.
Für die Antragsberechtigung gilt § 6 Absatz 3 entsprechend. Der Antrag bedarf in den dafür zuständigen Vertretungskörperschaften der kommunalen Träger einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder sowie der Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde. Die Anzahl der nach den Absätzen 1 und 2 zugelassenen kommunalen Träger beträgt höchstens 25 Prozent der zum 31. Dezember 2010 bestehenden Arbeitsgemeinschaften nach § 44b in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung, zugelassenen kommunalen Trägern sowie der Kreise und kreisfreien Städte, in denen keine Arbeitsgemeinschaft nach § 44b in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung errichtet wurde (Aufgabenträger).

(3) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, Voraussetzungen der Eignung nach Absatz 2 Nummer 1 und deren Feststellung sowie die Verteilung der Zulassungen nach den Absätzen 2 und 4 auf die Länder durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu regeln.

(4) Der Antrag nach Absatz 2 kann bis zum 31. Dezember 2010 mit Wirkung zum 1. Januar 2012 gestellt werden. Darüber hinaus kann vom 30. Juni 2015 bis zum 31. Dezember 2015 mit Wirkung zum 1. Januar 2017 ein Antrag auf Zulassung gestellt werden, soweit die Anzahl der nach den Absätzen 1 und 2 zugelassenen kommunalen Träger 25 Prozent der zum 1. Januar 2015 bestehenden Aufgabenträger nach Absatz 2 Satz 4 unterschreitet. Die Zulassungen werden unbefristet erteilt.

(5) Zur Wahrnehmung der Aufgaben anstelle der Bundesagentur errichten und unterhalten die zugelassenen kommunalen Träger besondere Einrichtungen für die Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch.

(6) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann mit Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Zulassung widerrufen. Auf Antrag des zugelassenen kommunalen Trägers, der der Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde bedarf, widerruft das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Zulassung durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Die Trägerschaft endet mit Ablauf des auf die Antragstellung folgenden Kalenderjahres.

(7) Auf Antrag des kommunalen Trägers, der der Zustimmung der obersten Landesbehörde bedarf, widerruft, beschränkt oder erweitert das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Zulassung nach Absatz 1 oder 2 durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, wenn und soweit die Zulassung aufgrund einer kommunalen Neugliederung nicht mehr dem Gebiet des kommunalen Trägers entspricht. Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 bis 5 gilt bei Erweiterung der Zulassung entsprechend. Der Antrag nach Satz 1 kann bis zum 1. Juli eines Kalenderjahres mit Wirkung zum 1. Januar des folgenden Kalenderjahres gestellt werden.

(1) Zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende bilden die Träger im Gebiet jedes kommunalen Trägers nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 eine gemeinsame Einrichtung. Die gemeinsame Einrichtung nimmt die Aufgaben der Träger nach diesem Buch wahr; die Trägerschaft nach § 6 sowie nach den §§ 6a und 6b bleibt unberührt. Die gemeinsame Einrichtung ist befugt, Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide zu erlassen. Die Aufgaben werden von Beamtinnen und Beamten sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wahrgenommen, denen entsprechende Tätigkeiten zugewiesen worden sind.

(2) Die Träger bestimmen den Standort sowie die nähere Ausgestaltung und Organisation der gemeinsamen Einrichtung durch Vereinbarung. Die Ausgestaltung und Organisation der gemeinsamen Einrichtung sollen die Besonderheiten der beteiligten Träger, des regionalen Arbeitsmarktes und der regionalen Wirtschaftsstruktur berücksichtigen. Die Träger können die Zusammenlegung mehrerer gemeinsamer Einrichtungen zu einer gemeinsamen Einrichtung vereinbaren.

(3) Den Trägern obliegt die Verantwortung für die rechtmäßige und zweckmäßige Erbringung ihrer Leistungen. Sie haben in ihrem Aufgabenbereich nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder 2 gegenüber der gemeinsamen Einrichtung ein Weisungsrecht; dies gilt nicht im Zuständigkeitsbereich der Trägerversammlung nach § 44c. Die Träger sind berechtigt, von der gemeinsamen Einrichtung die Erteilung von Auskunft und Rechenschaftslegung über die Leistungserbringung zu fordern, die Wahrnehmung der Aufgaben in der gemeinsamen Einrichtung zu prüfen und die gemeinsame Einrichtung an ihre Auffassung zu binden. Vor Ausübung ihres Weisungsrechts in Angelegenheiten grundsätzlicher Bedeutung befassen die Träger den Kooperationsausschuss nach § 18b. Der Kooperationsausschuss kann innerhalb von zwei Wochen nach Anrufung eine Empfehlung abgeben.

(4) Die gemeinsame Einrichtung kann einzelne Aufgaben auch durch die Träger wahrnehmen lassen. Im Übrigen gelten die §§ 88 bis 92 des Zehnten Buches für die gemeinsamen Einrichtungen im Aufgabenbereich dieses Buches entsprechend.

(5) Die Bundesagentur stellt der gemeinsamen Einrichtung Angebote an Dienstleistungen zur Verfügung.

(6) Die Träger teilen der gemeinsamen Einrichtung alle Tatsachen und Feststellungen mit, von denen sie Kenntnis erhalten und die für die Leistungen erforderlich sind.

(1) Leistungen nach diesem Buch werden auf Antrag erbracht. Leistungen nach § 24 Absatz 1 und 3 und Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Absatz 5 sind gesondert zu beantragen.

(2) Leistungen nach diesem Buch werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück. Wird ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen einzelnen Monat gestellt, in dem aus Jahresabrechnungen von Heizenergiekosten oder aus der angemessenen Bevorratung mit Heizmitteln resultierende Aufwendungen für die Heizung fällig sind, wirkt dieser Antrag, wenn er bis zum Ablauf des dritten Monats nach dem Fälligkeitsmonat gestellt wird, auf den Ersten des Fälligkeitsmonats zurück. Satz 3 gilt nur für Anträge, die bis zum 31. Dezember 2023 gestellt werden.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Hat ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines Antrages auf eine Sozialleistung abgesehen, weil ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht worden ist, und wird diese Leistung versagt oder ist sie zu erstatten, wirkt der nunmehr nachgeholte Antrag bis zu einem Jahr zurück, wenn er innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist. Satz 1 gilt auch dann, wenn der Antrag auf die zunächst geltend gemachte Sozialleistung zurückgenommen wird.

(2) Absatz 1 gilt auch dann, wenn der rechtzeitige Antrag auf eine andere Leistung aus Unkenntnis über deren Anspruchsvoraussetzung unterlassen wurde und die zweite Leistung gegenüber der ersten Leistung, wenn diese erbracht worden wäre, nachrangig gewesen wäre.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. März 2008 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 28.1. bis zum 5.5.2005.

2

Der 1965 geborene Kläger wehrte sich vor dem Arbeitsgericht (ArbG) gegen eine seitens seines ehemaligen Arbeitgebers zum 2.2.2004 ausgesprochene Kündigung. Er meldete sich aber gleichwohl am 3.2.2004 bei der beigeladenen Bundesagentur für Arbeit arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Ab dem 3.2.2004 bewilligte die Beigeladene dem Kläger Alg für eine Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen.

3

Mit Urteil vom 12.10.2004 stellte das vom Kläger eingeschaltete ArbG fest, dass sein Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 2.2.2004 aufgelöst worden sei. Hiergegen legte der ehemalige Arbeitgeber des Klägers Berufung ein.

4

Mit Schreiben vom 17.12.2004 teilte die Beigeladene dem Kläger mit, sein Anspruch auf Alg ende voraussichtlich am 27.1.2005. Zugleich enthielt das Schreiben den Hinweis, dass die bisherige Arbeitslosenhilfe (Alhi) zum 1.1.2005 wegfalle und durch das Arbeitslosengeld II (Alg II) ersetzt werde, dessen Gewährung von einem Antrag abhänge. Es folgten Angaben darüber, wo der Antrag zu stellen sei und der Hinweis, dass weitere Informationen auf Anfrage von der Agentur für Arbeit zu erhalten seien. Mit Änderungsbescheid vom 2.1.2005 setzte die Beigeladene das Alg des Klägers ab dem 1.1.2005 hinsichtlich der Höhe neu fest, hinsichtlich der Anspruchsdauer verblieb es bei der früheren Bewilligungsentscheidung.

5

Am 28.1.2005, dem Tag nach Erschöpfung des Alg-Anspruchs, wurde der Kläger bei der Beigeladenen vorstellig. Dort fand ein Gespräch mit einem Mitarbeiter der Beigeladenen statt, das sich allein auf die Frage der Dauer des Alg-Anspruchs bezog. Ein evtl bestehender Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II war nicht Gegenstand des Gesprächs.

6

Am 31.1.2005 stellte der Kläger wegen der Frage der Dauer seines Alg-Anspruchs einen Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf Änderung des bestandskräftigen Bewilligungsbescheids vom 1.4.2004. Diesen Antrag lehnte die Beigeladene mit Bescheid vom 24.3.2005 ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde am 23.5.2005 zurückgenommen.

7

Mit Urteil vom 12.4.2005 hob in dem parallel laufenden Arbeitsgerichtsprozess das Landesarbeitsgericht das Urteil des ArbG wieder auf und wies die Kündigungsschutzklage des Klägers ab.

8

Am 6.5.2005 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, diese wurden ihm mit Bescheid vom 6.6.2005 ab dem 6.5.2005 bewilligt. Gegen den Bescheid vom 6.6.2005 legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.7.2005 zurückwies. Die dagegen erhobene Klage ist vor dem Sozialgericht (SG) und dem Landessozialgericht (LSG) ohne Erfolg geblieben (Urteile vom 31.1.2007 und vom 18.3.2008). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, dem Kläger könnten vor Antragstellung am 6.5.2005 keine Leistungen gewährt werden. Auch könne er nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch so gestellt werden, als hätte er seinen Antrag bereits am 28.1.2005 gestellt. Ein Beratungsfehler liege nicht vor. Vorliegend habe über das Informationsschreiben der Beigeladenen vom 17.12.2004 hinaus kein Anlass bestanden, den Kläger erneut über die Notwendigkeit einer Antragstellung zur Gewährung von Alg II zu unterrichten.

9

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Revision. Er rügt, das LSG habe die zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze nicht beachtet. Er ist der Ansicht, die Beigeladene habe im Rahmen der persönlichen Vorsprache die Pflicht gehabt, ihn über die Möglichkeiten und Voraussetzungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch Leistungen nach dem SGB II zu beraten. Die Beigeladene treffe vor dem Hintergrund des engen Sachzusammenhangs zwischen Alg und Leistungen nach dem SGB II eine erweiterte Beratungspflicht.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Koblenz vom 31. Januar 2007 und das Berufungsurteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 18. März 2008 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2005 zu ändern und ihm auch für die Zeit vom 28. Januar bis zum 5. Mai 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

13

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

15

Der Senat konnte auf Grund der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend entscheiden, ob der Kläger im Zeitraum vom 28.1. bis zum 5.5.2005 einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hatte. Zwar haben SG und LSG zutreffend entschieden, dass der Kläger vor dem 6.5.2005 keinen Antrag auf solche Leistungen gestellt hat (dazu unter 1.). Sie haben aber nicht geprüft, ob der am 6.5.2005 gestellte Antrag nach § 28 SGB X zurückwirkt(dazu unter 2.). Dies bedarf der abschließenden Klärung, bevor auf das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zurückgegriffen werden kann (dazu unter 3.).

16

1. Der Kläger hat vor dem 6.5.2005 weder bei der Beklagten noch bei der Beigeladenen einen Antrag gestellt. Die Antragstellung wird aber neben den sonstigen Anspruchsvoraussetzungen für alle Leistungen nach dem SGB II vorausgesetzt.

17

Nach § 37 Abs 1 SGB II werden die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Antrag erbracht, nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II aber nicht für Zeiten vor der Antragstellung. Nach § 16 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) sind Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, so gilt dieser als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der genannten Stellen eingegangen ist.

18

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger auch bei der Beigeladenen, etwa anlässlich seines dortigen Vorsprechens am 28.1.2005, keinen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gestellt hat. Die Auslegung eines Antrags auf Gewährung von Sozialleistungen folgt dem Grundsatz der Meistbegünstigung (vgl Urteile des Senats vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - und vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 13). Sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht vorliegt, ist davon auszugehen, dass der Leistungsberechtigte die Sozialleistungen begehrt, die nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommen (vgl Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 37 RdNr 21; Kretschmer in GK-SGB I, 3. Aufl 1996, § 16 RdNr 17). Dabei kann in einem Antrag auf Gewährung von Alg nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) auch zugleich ein Antrag auf Gewährung von Alg II liegen. Ob dies bereits dann gilt, wenn der Betroffene nur deutlich macht, er begehre Leistungen bei Arbeitslosigkeit (so zB Oberverwaltungsgericht Bremen Urteil vom 8.6.2010 - S 2 A 492/07 - im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Alhi, vgl etwa BSGE 44, 164, 166 f = SozR 4100 § 134 Nr 3)oder ob - wie das SG meint - zusätzlich erforderlich ist, dass der Antragsteller zumindest zu erkennen gibt, er sei wegen fehlenden Einkommens und Vermögens hilfebedürftig und deshalb auf Sozialleistungen angewiesen, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn nach den Feststellungen im angegriffenen Urteil beschränkte sich der Kläger zunächst allein auf die Beanspruchung von Alg nach dem SGB III. Dies wird - wie das LSG hervorhebt - insbesondere vor dem Hintergrund des Überprüfungsantrags vom 31.1.2005 deutlich, mit dem er eine Weitergewährung des Alg erreichen wollte, weil sein Anspruch noch nicht erschöpft sei. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger vor dem 6.5.2005 bei der Beigeladenen als unzuständigem Leistungsträger einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gestellt hat.

19

2. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Antrag des Klägers vom 6.5.2005 nach § 28 SGB X zurückwirkt, insofern bedarf es weiterer Feststellungen durch das LSG.

20

§ 28 Satz 1 SGB X bestimmt, dass ein Antrag auf eine Sozialleistung bis zu einem Jahr zurückwirkt, wenn der Leistungsberechtigte von der Stellung eines Antrags auf diese Sozialleistung deshalb abgesehen hat, weil er einen Antrag auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht hat, die ihm "versagt"(im Sinne von "abgelehnt", vgl Eicher in Eicher/Spellbrink, aaO, § 40 RdNr 106f) wurde oder die er zu erstatten hat. Dies gilt allerdings grundsätzlich nur, wenn der nachgeholte Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist. Zu einer solchen Rückwirkung nach § 28 Satz 1 SGB X kommt es gemäß § 28 Satz 2 SGB X auch dann, wenn der rechtzeitige Antrag auf eine andere Leistung aus Unkenntnis über deren Anspruchsvoraussetzungen unterlassen wurde und die zweite Leistung gegenüber der ersten Leistung, wenn diese erbracht worden wäre, nachrangig gewesen wäre.

21

§ 28 SGB X ist auch im Rahmen des SGB II anwendbar(dazu unter a). Der Kläger hat auch durch seinen Überprüfungsantrag einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht (dazu unter b) und innerhalb der sich aus § 28 SGB X ergebenden Frist den Antrag auf die von ihm nunmehr beanspruchte Sozialleistung nachgeholt(dazu unter c). Es fehlen jedoch Feststellungen des LSG hinsichtlich der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 28 SGB X und die Prüfung der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach dem SGB II für den Zeitraum ab dem 28.1. bis zum 5.5.2005 (dazu unter d).

22

a) Die Vorschrift des § 28 SGB X über die Zurückwirkung eines Antrags findet auch auf das Antragserfordernis nach § 37 Abs 1 SGB II Anwendung(vgl § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II). Davon geht auch der Gesetzgeber aus, wie sich aus einem Umkehrschluss zu § 40 Abs 3 SGB II entnehmen lässt(vgl BT-Drucks 16/1410 S 27). Der dort eingefügten Einschränkung hätte es nicht bedurft, wenn § 28 SGB X ohnehin keine Anwendung im SGB II fände. Dagegen spricht nicht, dass der Antrag auf Leistungen nach § 37 Abs 1 SGB II konstitutive Wirkung hat(BT-Drucks 15/1516 S 62) und deshalb Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden (§ 37 Abs 2 Satz 1 SGB II, vgl oben). § 28 SGB X befreit nämlich nicht von dem Antragserfordernis als solchem, sondern lässt nur den nachgeholten Antrag zurückwirken. Die Anwendung des § 28 SGB X führt demnach nicht dazu, dass Leistungenvor Antragstellung erbracht werden.

23

b) Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 28 SGB X auch insofern, als er zunächst einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung, nämlich auf Alg gemäß §§ 117 ff SGB III geltend gemacht hat. Dagegen spricht nicht, dass der Kläger für den Zeitraum ab dem 28.1.2005 keinen (Neu-)Antrag auf Gewährung von Alg gestellt hat, der sodann abgelehnt wurde, sondern seinen Leistungsanspruch ab dem genannten Zeitpunkt im Wege eines Antrags auf Überprüfung des ursprünglichen Bewilligungsbescheids gemäß § 44 SGB X im Hinblick auf die bestandskräftig festgesetzte Anspruchsdauer verfolgt hat. Ein solcher Fall, in dem im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Bewilligung einer laufenden Sozialleistung begehrt wird, ist jedenfalls von § 28 SGB X mit umfasst.

24

Für diese Auslegung spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift, die hinsichtlich der Anforderungen an die Geltendmachung der zunächst beanspruchten Sozialleistungen offen formuliert ist und weder einen Antrag iS von § 16 Abs 1 Satz 1 SGB I noch Personenidentität zwischen den Antragstellern der beiden Sozialleistungen voraussetzt(vgl dazu Schneider-Danwitz, SGB X, § 28 Anm 12; Eicher, aaO, § 40 RdNr 106d). Soweit die Überschrift zu § 28 SGB X in scheinbarem Widerspruch dazu von einer "wiederholten" (und nicht nur von einer "nachgeholten") Antragstellung ausgeht, ist dies irreführend formuliert(vgl Eicher, aaO, § 40 RdNr 106c; Schneider-Danwitz, aaO, Anm 5a).

25

Für die Anwendbarkeit des § 28 SGB X im vorliegenden Fall spricht auch die Regelungsabsicht des damaligen Gesetzgebers. In dem Abschlussbericht zur Einfügung der Vorschrift heißt es, in Zukunft sollten dann Rechtsnachteile vermieden werden, wenn ein Berechtigter in Erwartung eines positiven Bescheides einen Antrag auf andere Sozialleistungen nicht gestellt habe (BT-Drucks 8/4022 S 81 f). Der Wunsch, Mehrfachprüfungen zu vermeiden sowie den Leistungsberechtigten in einem gegliederten Sozialleistungssystem insoweit zu schützen, als seinem Anspruch auf eine weitere Sozialleistung ein erst später gestellter Antrag nicht entgegengehalten wird, zeigt, dass § 28 SGB X auch in Fällen wie dem vorliegenden gelten soll. Hierfür spricht auch, dass es oftmals von Zufälligkeiten abhängt, ob bei Beanspruchung einer laufenden Sozialleistung diese zunächst bewilligt und dann eingestellt wird, sodass die Weitergewährung durch einen Überprüfungsantrag geltend gemacht werden muss, oder ob ein neuer Antrag gestellt werden kann. Vor dem Hintergrund des offenen Wortlauts der Vorschrift kann zwischen beiden Fällen im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 28 SGB X nicht differenziert werden.

26

c) Der Kläger hat auch den erforderlichen Antrag nach § 37 Abs 1 SGB II innerhalb der in § 28 Satz 1 SGB X genannten Frist nachgeholt. Danach ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats zu stellen, in dem die Ablehnung der anderen Leistung bindend geworden ist. § 40 Abs 3 SGB II, der diese Frist insoweit einschränkt, als nur noch der unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Entscheidung bindend geworden ist, nachgeholte Antrag ausreicht, greift hier nicht, denn die genannte Vorschrift wurde erst mit Wirkung vom 1.8.2006 durch das Fortentwicklungsgesetz vom 20.7.2006 (BGBl I 1706, 1712) eingefügt und ist daher auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Im Übrigen hat der Kläger hier am 6.5.2005 und damit vor der am 23.5.2005 eingetretenen Bestandskraft des ablehnenden Überprüfungsbescheids, auf den hier konsequenterweise abzustellen ist, den Antrag auf Gewährung von Alg II gestellt.

27

d) Nach dem Wortlaut des § 28 Satz 1 SGB X ("weil") muss der Leistungsempfänger aber deshalb von der Stellung eines Antrags abgesehen haben, weil er sich die Gewährung einer anderen Sozialleistung versprochen hat. Dies setzt voraus, dass der Leistungsberechtigte bewusst von einer Antragstellung abgesehen hat und ein Kausalzusammenhang zwischen der Nichtbeantragung der einen und der Geltendmachung der anderen Sozialleistung bestand (vgl Schneider-Danwitz, aaO, Anm 9). Allerdings kann nach § 28 Satz 2 SGB X auch Unkenntnis zu einer Antragsrückwirkung führen, wenn beide Sozialleistungen in einem Vor- und Nachrangverhältnis zueinander stehen, was beim Alg und der Grundsicherung für Arbeitsuchende der Fall ist(vgl § 3 Abs 3, § 9 Abs 1, § 11 Abs 1 Satz 1, § 12a Satz 1 SGB II).

28

Aus den Feststellungen des LSG kann nicht nachvollzogen werden, ob eine und ggf welche der genannten Varianten vorliegend tatsächlich eingreift, insoweit wird das LSG weitere Ermittlungen zu tätigen haben. Sollten diese - wofür viel spricht - zu einer Bejahung der Voraussetzungen des § 28 SGB X führen, so wäre Rechtsfolge der nachgeholten Antragstellung vom 6.5.2005 ihre Rückwirkung bis zum 28.1.2005. § 28 Satz 1 SGB X begrenzt die maximale Rückwirkung des nachgeholten Antrags auf ein Jahr. Die Rückwirkung erfolgt bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die abgelehnte oder zu erstattende Sozialleistung begehrt wurde. Dies ist in der Regel die erste Antragstellung, wobei es im Rahmen von § 28 Satz 1 SGB X ausreicht, dass eine Sozialleistung - auf welche Weise auch immer - geltend gemacht wird(vgl oben). Im vorliegenden Fall, in dem durch den Überprüfungsantrag vom 31.1.2005 die nahtlose Weiterbewilligung des Alg ab dem 28.1.2005 begehrt wurde, kommt eine Rückwirkung bis zu diesem Tag in Betracht, denn insoweit besteht die der genannten Norm zu Grunde liegende Deckungsgleichheit in zeitlicher Hinsicht zwischen der zunächst geltend gemachten und der später beantragten Sozialleistung.

29

Kann nach den genannten Maßgaben der Antrag auf Leistungen nach dem SGB II vom 6.5.2005 auf den 28.1.2005 zurückwirken, so besagt dies aber noch nichts bezüglich des Bestehens eines Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 28.1.2005 bis zum 5.5.2005, denn § 28 SGB X ersetzt nicht die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen eines Leistungsanspruchs(vgl BSG Urteil vom 19.3.1986 - 7 RAr 17/84 - SozR 1300 § 28 Nr 1; Urteil vom 10.10.2002 - B 2 U 10/02 R -). Vorliegend fehlt es bislang insbesondere an Feststellungen hinsichtlich der Hilfebedürftigkeit des Klägers gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II sowie §§ 9, 11 und 12 SGB II zum oben genannten maßgeblichen Zeitpunkt.

30

3. Ob neben der möglichen Anwendung des § 28 SGB X die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch vorliegen, kann nicht entschieden werden, solange die Anwendbarkeit des § 28 SGB X nicht geklärt ist. Das folgt daraus, dass das (richterrechtlich entwickelte) Rechtsinstitut des Herstellungsanspruchs subsidiär ist und eine Regelungslücke voraussetzt (vgl BSG Urteil vom 15.12.1994 - 4 RA 64/93 - SozR 3-2600 § 58 Nr 2; BSG Urteil vom 23.7.1986 - 1 RA 31/85 - BSGE 60, 158 ff = SozR 1300 § 44 Nr 23; BVerwG Urteil vom 18.4.1997 - 8 C 38/95 - Buchholz 454.71 § 27 WoGG Nr 2; speziell zu § 28 SGB X Werhahn in Estelmann, SGB II, Stand September 2010, § 40 RdNr 140).

31

Das LSG wird auch über die Kosten des Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Hat ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines Antrages auf eine Sozialleistung abgesehen, weil ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht worden ist, und wird diese Leistung versagt oder ist sie zu erstatten, wirkt der nunmehr nachgeholte Antrag bis zu einem Jahr zurück, wenn er innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist. Satz 1 gilt auch dann, wenn der Antrag auf die zunächst geltend gemachte Sozialleistung zurückgenommen wird.

(2) Absatz 1 gilt auch dann, wenn der rechtzeitige Antrag auf eine andere Leistung aus Unkenntnis über deren Anspruchsvoraussetzung unterlassen wurde und die zweite Leistung gegenüber der ersten Leistung, wenn diese erbracht worden wäre, nachrangig gewesen wäre.

Tenor

Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Januar 2012 werden verworfen.

Außergerichtliche Kosten der Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Kläger, die in Bedarfsgemeinschaft leben, machen einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der Zeit vom 22.2.2006 bis zum 3.9.2006 geltend. Sie tragen vor, die erste Antragstellung bei der Beklagten - einer Optionskommune - sei zwar erst am 4.9.2006 erfolgt, bereits am 22.2.2006 sei aber bei Bearbeitung des Wohngeldantrages der Klägerin zu 1 beim Wohnungsamt der Beklagten erkennbar geworden, dass die Bedarfsgemeinschaft nicht über ausreichendes Einkommen verfüge und der Lebensunterhalt aus Schonvermögen (vgl § 12 Abs 2 SGB II) bestritten werde. Es sei vom Wohnungsamt lediglich Wohngeld bewilligt worden; weitergehende Hinweise seien nicht erfolgt. Die fehlende Antragstellung beim Träger der Grundsicherung sei entweder nach § 28 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) oder im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu ersetzen. Antrag, Widerspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben (Bescheid der Beklagten vom 14.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.5.2008; Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 8.7.2010). Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat die dagegen gerichtete Berufung der Kläger zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 23.11.2011).

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wenden sich die Kläger mit ihren Nichtzulassungsbeschwerden zum Bundessozialgericht (BSG) und machen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerden sind unzulässig, denn die Kläger haben den von ihnen allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet bzw dargelegt (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerden waren daher ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG).

4

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13). Es muss daher anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ggf sogar des Schrifttums, angegeben werden, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt.

5

Ausgehend von diesen Grundsätzen sind Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, die sich vorliegend aus dem Anwendungsbereich des § 28 SGB X ergeben könnten, nicht ausreichend dargelegt. Wegen der zunächst gestellten Frage,

        

 ob die Vorschrift des § 28 Satz 2 SGB X ebenso wie die Vorschrift des § 28 Satz 1 SGB X erfordert, dass die zunächst beantragte Sozialleistung abgelehnt wurde oder zu erstatten ist,

fehlt es an einer ausreichenden Darlegung, weshalb die aufgestellte Rechtsfrage klärungsbedürftig sein sollte. Ihre Beantwortung ergibt sich aus dem Gesetz. Der Wortlaut des § 28 Satz 2 SGB X setzt voraus, dass die zunächst beantragte ("erste") Leistung (hier das Wohngeld) tatsächlich nicht erbracht worden ist ("wenn diese erbracht worden wäre"). Dieses Ergebnis ist in der Literatur und Rechtsprechung nicht in Frage gestellt, wie auch die Kläger einräumen. Weitergehende Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit sind nicht erfolgt.

6

Zudem setzen sich die Beschwerden nicht ausreichend mit der Rechtsprechung des Senats zu § 28 SGB X auseinander. § 28 Satz 2 SGB X gilt danach - wie sich ebenfalls aus dem Wortlaut ergibt - nur in den Fällen des Nachranges der zweiten Leistung(BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 16/09 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 3 RdNr 27). Nach § 1 Abs 2 Nr 1 Wohngeldgesetz (WoGG) in der zum Antragszeitpunkt geltenden Fassung(nunmehr § 7 WoGG) ergibt sich aber ein Nachrang von Leistungen nach dem WoGG gegenüber Leistungen nach dem SGB II. Es fehlt an einer Auseinandersetzung mit diesen Vorschriften sowie der zitierten Entscheidung des Senats und ausführlichen Darlegungen dazu, weshalb sich vor diesem Hintergrund gleichwohl noch die Rechtsfrage stellt, ob § 28 Satz 2 SGB X auch in anderen Fällen Anwendung finden könnte.

7

Auch hinsichtlich der zu den Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs formulierten Rechtsfrage,

        

 ob und unter welchen Voraussetzungen eine Wohngeldbehörde bei erkennbarer Bedarfsunterschreitung beim Einkommen und erkennbarer Bestreitung des Lebensunterhalts aus Schonvermögen im Rahmen der Spontanberatung verpflichtet ist, einen Antragsteller auf die Möglichkeit von Leistungen nach dem SGB II trotz bestehendem Schonvermögens im Hinblick auf die Vermögensfreibeträge hinzuweisen,

sind die Darlegungen zur grundsätzlichen Bedeutung nicht ausreichend. Zwar führen die Beschwerden aus, es sei nach der Rechtsprechung des BSG unklar, ob die Wohngeldstelle auch hinsichtlich klar zu Tage tretender Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf Ansprüche nach dem SGB II beraten müsse und auf einem entsprechenden Beratungsmangel ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch beruhen könne. Dies genügt angesichts der zu dieser Problematik bislang ergangenen Rechtsprechung des BSG aber nicht. Diese Rechtsprechung des BSG ist zwar in der Beschwerdebegründung - zumindest teilweise - zitiert. Die Beschwerden zeigen jedoch nicht auf, weshalb die dort aufgestellten Grundsätze zur Beantwortung der von den Klägern aufgeworfenen Frage nicht ausreichen und welche weitergehenden Fragen sich stellen. Ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung (vgl insbesondere BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 5 RdNr 17), wonach eine Pflicht zu einer sog "Spontanberatung" durch eine andere Stelle zumindest voraussetzt, dass ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen der sinnvollerweise zu beantragenden Leistung und der eigentlich bearbeiteten Angelegenheit (hier also der Bearbeitung der Wohngeldangelegenheiten) besteht, hätte aufgezeigt werden müssen, aus welchen Vorschriften des WoGG im Einzelnen sich eine solche enge Verbundenheit mit den Angelegenheiten nach dem SGB II ergeben könnte, und welche weitergehenden Rechtsfragen sich in diesem Zusammenhang stellen.

8

Im Übrigen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Anlass zur Spontanberatung nur dann vorliegt, wenn sich klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten ergeben, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt würden (vgl etwa BSG aaO RdNr 16 unter Hinweis auf BSGE 92, 34 = SozR 4-3100 § 60 Nr 1; BSG SozR 3-4100 § 110 Nr 2; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 16; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 6). Soweit sich die Kläger dagegen wenden, dass das LSG davon ausgegangen ist, bei der Klägerin zu 1 habe kein für die Wohngeldstelle erkennbarer Beratungsbedarf bestanden, weil sie nicht deutlich gemacht habe, ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten zu können, wenden sie sich gegen die Würdigung des Sachverhalts im Einzelfall, die allein die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nicht zu begründen vermag. Welche weitergehenden Fragen grundsätzlicher Bedeutung sich in diesem Zusammenhang stellen könnten, wird nicht ersichtlich.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

(1) Hat ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines Antrages auf eine Sozialleistung abgesehen, weil ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht worden ist, und wird diese Leistung versagt oder ist sie zu erstatten, wirkt der nunmehr nachgeholte Antrag bis zu einem Jahr zurück, wenn er innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist. Satz 1 gilt auch dann, wenn der Antrag auf die zunächst geltend gemachte Sozialleistung zurückgenommen wird.

(2) Absatz 1 gilt auch dann, wenn der rechtzeitige Antrag auf eine andere Leistung aus Unkenntnis über deren Anspruchsvoraussetzung unterlassen wurde und die zweite Leistung gegenüber der ersten Leistung, wenn diese erbracht worden wäre, nachrangig gewesen wäre.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. März 2008 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 28.1. bis zum 5.5.2005.

2

Der 1965 geborene Kläger wehrte sich vor dem Arbeitsgericht (ArbG) gegen eine seitens seines ehemaligen Arbeitgebers zum 2.2.2004 ausgesprochene Kündigung. Er meldete sich aber gleichwohl am 3.2.2004 bei der beigeladenen Bundesagentur für Arbeit arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Ab dem 3.2.2004 bewilligte die Beigeladene dem Kläger Alg für eine Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen.

3

Mit Urteil vom 12.10.2004 stellte das vom Kläger eingeschaltete ArbG fest, dass sein Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 2.2.2004 aufgelöst worden sei. Hiergegen legte der ehemalige Arbeitgeber des Klägers Berufung ein.

4

Mit Schreiben vom 17.12.2004 teilte die Beigeladene dem Kläger mit, sein Anspruch auf Alg ende voraussichtlich am 27.1.2005. Zugleich enthielt das Schreiben den Hinweis, dass die bisherige Arbeitslosenhilfe (Alhi) zum 1.1.2005 wegfalle und durch das Arbeitslosengeld II (Alg II) ersetzt werde, dessen Gewährung von einem Antrag abhänge. Es folgten Angaben darüber, wo der Antrag zu stellen sei und der Hinweis, dass weitere Informationen auf Anfrage von der Agentur für Arbeit zu erhalten seien. Mit Änderungsbescheid vom 2.1.2005 setzte die Beigeladene das Alg des Klägers ab dem 1.1.2005 hinsichtlich der Höhe neu fest, hinsichtlich der Anspruchsdauer verblieb es bei der früheren Bewilligungsentscheidung.

5

Am 28.1.2005, dem Tag nach Erschöpfung des Alg-Anspruchs, wurde der Kläger bei der Beigeladenen vorstellig. Dort fand ein Gespräch mit einem Mitarbeiter der Beigeladenen statt, das sich allein auf die Frage der Dauer des Alg-Anspruchs bezog. Ein evtl bestehender Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II war nicht Gegenstand des Gesprächs.

6

Am 31.1.2005 stellte der Kläger wegen der Frage der Dauer seines Alg-Anspruchs einen Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf Änderung des bestandskräftigen Bewilligungsbescheids vom 1.4.2004. Diesen Antrag lehnte die Beigeladene mit Bescheid vom 24.3.2005 ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde am 23.5.2005 zurückgenommen.

7

Mit Urteil vom 12.4.2005 hob in dem parallel laufenden Arbeitsgerichtsprozess das Landesarbeitsgericht das Urteil des ArbG wieder auf und wies die Kündigungsschutzklage des Klägers ab.

8

Am 6.5.2005 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, diese wurden ihm mit Bescheid vom 6.6.2005 ab dem 6.5.2005 bewilligt. Gegen den Bescheid vom 6.6.2005 legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.7.2005 zurückwies. Die dagegen erhobene Klage ist vor dem Sozialgericht (SG) und dem Landessozialgericht (LSG) ohne Erfolg geblieben (Urteile vom 31.1.2007 und vom 18.3.2008). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, dem Kläger könnten vor Antragstellung am 6.5.2005 keine Leistungen gewährt werden. Auch könne er nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch so gestellt werden, als hätte er seinen Antrag bereits am 28.1.2005 gestellt. Ein Beratungsfehler liege nicht vor. Vorliegend habe über das Informationsschreiben der Beigeladenen vom 17.12.2004 hinaus kein Anlass bestanden, den Kläger erneut über die Notwendigkeit einer Antragstellung zur Gewährung von Alg II zu unterrichten.

9

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Revision. Er rügt, das LSG habe die zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze nicht beachtet. Er ist der Ansicht, die Beigeladene habe im Rahmen der persönlichen Vorsprache die Pflicht gehabt, ihn über die Möglichkeiten und Voraussetzungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch Leistungen nach dem SGB II zu beraten. Die Beigeladene treffe vor dem Hintergrund des engen Sachzusammenhangs zwischen Alg und Leistungen nach dem SGB II eine erweiterte Beratungspflicht.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Koblenz vom 31. Januar 2007 und das Berufungsurteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 18. März 2008 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2005 zu ändern und ihm auch für die Zeit vom 28. Januar bis zum 5. Mai 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

13

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

15

Der Senat konnte auf Grund der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend entscheiden, ob der Kläger im Zeitraum vom 28.1. bis zum 5.5.2005 einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hatte. Zwar haben SG und LSG zutreffend entschieden, dass der Kläger vor dem 6.5.2005 keinen Antrag auf solche Leistungen gestellt hat (dazu unter 1.). Sie haben aber nicht geprüft, ob der am 6.5.2005 gestellte Antrag nach § 28 SGB X zurückwirkt(dazu unter 2.). Dies bedarf der abschließenden Klärung, bevor auf das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zurückgegriffen werden kann (dazu unter 3.).

16

1. Der Kläger hat vor dem 6.5.2005 weder bei der Beklagten noch bei der Beigeladenen einen Antrag gestellt. Die Antragstellung wird aber neben den sonstigen Anspruchsvoraussetzungen für alle Leistungen nach dem SGB II vorausgesetzt.

17

Nach § 37 Abs 1 SGB II werden die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Antrag erbracht, nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II aber nicht für Zeiten vor der Antragstellung. Nach § 16 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) sind Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, so gilt dieser als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der genannten Stellen eingegangen ist.

18

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger auch bei der Beigeladenen, etwa anlässlich seines dortigen Vorsprechens am 28.1.2005, keinen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gestellt hat. Die Auslegung eines Antrags auf Gewährung von Sozialleistungen folgt dem Grundsatz der Meistbegünstigung (vgl Urteile des Senats vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - und vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 13). Sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht vorliegt, ist davon auszugehen, dass der Leistungsberechtigte die Sozialleistungen begehrt, die nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommen (vgl Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 37 RdNr 21; Kretschmer in GK-SGB I, 3. Aufl 1996, § 16 RdNr 17). Dabei kann in einem Antrag auf Gewährung von Alg nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) auch zugleich ein Antrag auf Gewährung von Alg II liegen. Ob dies bereits dann gilt, wenn der Betroffene nur deutlich macht, er begehre Leistungen bei Arbeitslosigkeit (so zB Oberverwaltungsgericht Bremen Urteil vom 8.6.2010 - S 2 A 492/07 - im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Alhi, vgl etwa BSGE 44, 164, 166 f = SozR 4100 § 134 Nr 3)oder ob - wie das SG meint - zusätzlich erforderlich ist, dass der Antragsteller zumindest zu erkennen gibt, er sei wegen fehlenden Einkommens und Vermögens hilfebedürftig und deshalb auf Sozialleistungen angewiesen, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn nach den Feststellungen im angegriffenen Urteil beschränkte sich der Kläger zunächst allein auf die Beanspruchung von Alg nach dem SGB III. Dies wird - wie das LSG hervorhebt - insbesondere vor dem Hintergrund des Überprüfungsantrags vom 31.1.2005 deutlich, mit dem er eine Weitergewährung des Alg erreichen wollte, weil sein Anspruch noch nicht erschöpft sei. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger vor dem 6.5.2005 bei der Beigeladenen als unzuständigem Leistungsträger einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gestellt hat.

19

2. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Antrag des Klägers vom 6.5.2005 nach § 28 SGB X zurückwirkt, insofern bedarf es weiterer Feststellungen durch das LSG.

20

§ 28 Satz 1 SGB X bestimmt, dass ein Antrag auf eine Sozialleistung bis zu einem Jahr zurückwirkt, wenn der Leistungsberechtigte von der Stellung eines Antrags auf diese Sozialleistung deshalb abgesehen hat, weil er einen Antrag auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht hat, die ihm "versagt"(im Sinne von "abgelehnt", vgl Eicher in Eicher/Spellbrink, aaO, § 40 RdNr 106f) wurde oder die er zu erstatten hat. Dies gilt allerdings grundsätzlich nur, wenn der nachgeholte Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist. Zu einer solchen Rückwirkung nach § 28 Satz 1 SGB X kommt es gemäß § 28 Satz 2 SGB X auch dann, wenn der rechtzeitige Antrag auf eine andere Leistung aus Unkenntnis über deren Anspruchsvoraussetzungen unterlassen wurde und die zweite Leistung gegenüber der ersten Leistung, wenn diese erbracht worden wäre, nachrangig gewesen wäre.

21

§ 28 SGB X ist auch im Rahmen des SGB II anwendbar(dazu unter a). Der Kläger hat auch durch seinen Überprüfungsantrag einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht (dazu unter b) und innerhalb der sich aus § 28 SGB X ergebenden Frist den Antrag auf die von ihm nunmehr beanspruchte Sozialleistung nachgeholt(dazu unter c). Es fehlen jedoch Feststellungen des LSG hinsichtlich der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 28 SGB X und die Prüfung der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach dem SGB II für den Zeitraum ab dem 28.1. bis zum 5.5.2005 (dazu unter d).

22

a) Die Vorschrift des § 28 SGB X über die Zurückwirkung eines Antrags findet auch auf das Antragserfordernis nach § 37 Abs 1 SGB II Anwendung(vgl § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II). Davon geht auch der Gesetzgeber aus, wie sich aus einem Umkehrschluss zu § 40 Abs 3 SGB II entnehmen lässt(vgl BT-Drucks 16/1410 S 27). Der dort eingefügten Einschränkung hätte es nicht bedurft, wenn § 28 SGB X ohnehin keine Anwendung im SGB II fände. Dagegen spricht nicht, dass der Antrag auf Leistungen nach § 37 Abs 1 SGB II konstitutive Wirkung hat(BT-Drucks 15/1516 S 62) und deshalb Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden (§ 37 Abs 2 Satz 1 SGB II, vgl oben). § 28 SGB X befreit nämlich nicht von dem Antragserfordernis als solchem, sondern lässt nur den nachgeholten Antrag zurückwirken. Die Anwendung des § 28 SGB X führt demnach nicht dazu, dass Leistungenvor Antragstellung erbracht werden.

23

b) Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 28 SGB X auch insofern, als er zunächst einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung, nämlich auf Alg gemäß §§ 117 ff SGB III geltend gemacht hat. Dagegen spricht nicht, dass der Kläger für den Zeitraum ab dem 28.1.2005 keinen (Neu-)Antrag auf Gewährung von Alg gestellt hat, der sodann abgelehnt wurde, sondern seinen Leistungsanspruch ab dem genannten Zeitpunkt im Wege eines Antrags auf Überprüfung des ursprünglichen Bewilligungsbescheids gemäß § 44 SGB X im Hinblick auf die bestandskräftig festgesetzte Anspruchsdauer verfolgt hat. Ein solcher Fall, in dem im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Bewilligung einer laufenden Sozialleistung begehrt wird, ist jedenfalls von § 28 SGB X mit umfasst.

24

Für diese Auslegung spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift, die hinsichtlich der Anforderungen an die Geltendmachung der zunächst beanspruchten Sozialleistungen offen formuliert ist und weder einen Antrag iS von § 16 Abs 1 Satz 1 SGB I noch Personenidentität zwischen den Antragstellern der beiden Sozialleistungen voraussetzt(vgl dazu Schneider-Danwitz, SGB X, § 28 Anm 12; Eicher, aaO, § 40 RdNr 106d). Soweit die Überschrift zu § 28 SGB X in scheinbarem Widerspruch dazu von einer "wiederholten" (und nicht nur von einer "nachgeholten") Antragstellung ausgeht, ist dies irreführend formuliert(vgl Eicher, aaO, § 40 RdNr 106c; Schneider-Danwitz, aaO, Anm 5a).

25

Für die Anwendbarkeit des § 28 SGB X im vorliegenden Fall spricht auch die Regelungsabsicht des damaligen Gesetzgebers. In dem Abschlussbericht zur Einfügung der Vorschrift heißt es, in Zukunft sollten dann Rechtsnachteile vermieden werden, wenn ein Berechtigter in Erwartung eines positiven Bescheides einen Antrag auf andere Sozialleistungen nicht gestellt habe (BT-Drucks 8/4022 S 81 f). Der Wunsch, Mehrfachprüfungen zu vermeiden sowie den Leistungsberechtigten in einem gegliederten Sozialleistungssystem insoweit zu schützen, als seinem Anspruch auf eine weitere Sozialleistung ein erst später gestellter Antrag nicht entgegengehalten wird, zeigt, dass § 28 SGB X auch in Fällen wie dem vorliegenden gelten soll. Hierfür spricht auch, dass es oftmals von Zufälligkeiten abhängt, ob bei Beanspruchung einer laufenden Sozialleistung diese zunächst bewilligt und dann eingestellt wird, sodass die Weitergewährung durch einen Überprüfungsantrag geltend gemacht werden muss, oder ob ein neuer Antrag gestellt werden kann. Vor dem Hintergrund des offenen Wortlauts der Vorschrift kann zwischen beiden Fällen im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 28 SGB X nicht differenziert werden.

26

c) Der Kläger hat auch den erforderlichen Antrag nach § 37 Abs 1 SGB II innerhalb der in § 28 Satz 1 SGB X genannten Frist nachgeholt. Danach ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats zu stellen, in dem die Ablehnung der anderen Leistung bindend geworden ist. § 40 Abs 3 SGB II, der diese Frist insoweit einschränkt, als nur noch der unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Entscheidung bindend geworden ist, nachgeholte Antrag ausreicht, greift hier nicht, denn die genannte Vorschrift wurde erst mit Wirkung vom 1.8.2006 durch das Fortentwicklungsgesetz vom 20.7.2006 (BGBl I 1706, 1712) eingefügt und ist daher auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Im Übrigen hat der Kläger hier am 6.5.2005 und damit vor der am 23.5.2005 eingetretenen Bestandskraft des ablehnenden Überprüfungsbescheids, auf den hier konsequenterweise abzustellen ist, den Antrag auf Gewährung von Alg II gestellt.

27

d) Nach dem Wortlaut des § 28 Satz 1 SGB X ("weil") muss der Leistungsempfänger aber deshalb von der Stellung eines Antrags abgesehen haben, weil er sich die Gewährung einer anderen Sozialleistung versprochen hat. Dies setzt voraus, dass der Leistungsberechtigte bewusst von einer Antragstellung abgesehen hat und ein Kausalzusammenhang zwischen der Nichtbeantragung der einen und der Geltendmachung der anderen Sozialleistung bestand (vgl Schneider-Danwitz, aaO, Anm 9). Allerdings kann nach § 28 Satz 2 SGB X auch Unkenntnis zu einer Antragsrückwirkung führen, wenn beide Sozialleistungen in einem Vor- und Nachrangverhältnis zueinander stehen, was beim Alg und der Grundsicherung für Arbeitsuchende der Fall ist(vgl § 3 Abs 3, § 9 Abs 1, § 11 Abs 1 Satz 1, § 12a Satz 1 SGB II).

28

Aus den Feststellungen des LSG kann nicht nachvollzogen werden, ob eine und ggf welche der genannten Varianten vorliegend tatsächlich eingreift, insoweit wird das LSG weitere Ermittlungen zu tätigen haben. Sollten diese - wofür viel spricht - zu einer Bejahung der Voraussetzungen des § 28 SGB X führen, so wäre Rechtsfolge der nachgeholten Antragstellung vom 6.5.2005 ihre Rückwirkung bis zum 28.1.2005. § 28 Satz 1 SGB X begrenzt die maximale Rückwirkung des nachgeholten Antrags auf ein Jahr. Die Rückwirkung erfolgt bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die abgelehnte oder zu erstattende Sozialleistung begehrt wurde. Dies ist in der Regel die erste Antragstellung, wobei es im Rahmen von § 28 Satz 1 SGB X ausreicht, dass eine Sozialleistung - auf welche Weise auch immer - geltend gemacht wird(vgl oben). Im vorliegenden Fall, in dem durch den Überprüfungsantrag vom 31.1.2005 die nahtlose Weiterbewilligung des Alg ab dem 28.1.2005 begehrt wurde, kommt eine Rückwirkung bis zu diesem Tag in Betracht, denn insoweit besteht die der genannten Norm zu Grunde liegende Deckungsgleichheit in zeitlicher Hinsicht zwischen der zunächst geltend gemachten und der später beantragten Sozialleistung.

29

Kann nach den genannten Maßgaben der Antrag auf Leistungen nach dem SGB II vom 6.5.2005 auf den 28.1.2005 zurückwirken, so besagt dies aber noch nichts bezüglich des Bestehens eines Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 28.1.2005 bis zum 5.5.2005, denn § 28 SGB X ersetzt nicht die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen eines Leistungsanspruchs(vgl BSG Urteil vom 19.3.1986 - 7 RAr 17/84 - SozR 1300 § 28 Nr 1; Urteil vom 10.10.2002 - B 2 U 10/02 R -). Vorliegend fehlt es bislang insbesondere an Feststellungen hinsichtlich der Hilfebedürftigkeit des Klägers gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II sowie §§ 9, 11 und 12 SGB II zum oben genannten maßgeblichen Zeitpunkt.

30

3. Ob neben der möglichen Anwendung des § 28 SGB X die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch vorliegen, kann nicht entschieden werden, solange die Anwendbarkeit des § 28 SGB X nicht geklärt ist. Das folgt daraus, dass das (richterrechtlich entwickelte) Rechtsinstitut des Herstellungsanspruchs subsidiär ist und eine Regelungslücke voraussetzt (vgl BSG Urteil vom 15.12.1994 - 4 RA 64/93 - SozR 3-2600 § 58 Nr 2; BSG Urteil vom 23.7.1986 - 1 RA 31/85 - BSGE 60, 158 ff = SozR 1300 § 44 Nr 23; BVerwG Urteil vom 18.4.1997 - 8 C 38/95 - Buchholz 454.71 § 27 WoGG Nr 2; speziell zu § 28 SGB X Werhahn in Estelmann, SGB II, Stand September 2010, § 40 RdNr 140).

31

Das LSG wird auch über die Kosten des Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Hat ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines Antrages auf eine Sozialleistung abgesehen, weil ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht worden ist, und wird diese Leistung versagt oder ist sie zu erstatten, wirkt der nunmehr nachgeholte Antrag bis zu einem Jahr zurück, wenn er innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist. Satz 1 gilt auch dann, wenn der Antrag auf die zunächst geltend gemachte Sozialleistung zurückgenommen wird.

(2) Absatz 1 gilt auch dann, wenn der rechtzeitige Antrag auf eine andere Leistung aus Unkenntnis über deren Anspruchsvoraussetzung unterlassen wurde und die zweite Leistung gegenüber der ersten Leistung, wenn diese erbracht worden wäre, nachrangig gewesen wäre.

(1) Leistungen nach diesem Buch werden auf Antrag erbracht. Leistungen nach § 24 Absatz 1 und 3 und Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Absatz 5 sind gesondert zu beantragen.

(2) Leistungen nach diesem Buch werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück. Wird ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen einzelnen Monat gestellt, in dem aus Jahresabrechnungen von Heizenergiekosten oder aus der angemessenen Bevorratung mit Heizmitteln resultierende Aufwendungen für die Heizung fällig sind, wirkt dieser Antrag, wenn er bis zum Ablauf des dritten Monats nach dem Fälligkeitsmonat gestellt wird, auf den Ersten des Fälligkeitsmonats zurück. Satz 3 gilt nur für Anträge, die bis zum 31. Dezember 2023 gestellt werden.

(1) Hat ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines Antrages auf eine Sozialleistung abgesehen, weil ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht worden ist, und wird diese Leistung versagt oder ist sie zu erstatten, wirkt der nunmehr nachgeholte Antrag bis zu einem Jahr zurück, wenn er innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist. Satz 1 gilt auch dann, wenn der Antrag auf die zunächst geltend gemachte Sozialleistung zurückgenommen wird.

(2) Absatz 1 gilt auch dann, wenn der rechtzeitige Antrag auf eine andere Leistung aus Unkenntnis über deren Anspruchsvoraussetzung unterlassen wurde und die zweite Leistung gegenüber der ersten Leistung, wenn diese erbracht worden wäre, nachrangig gewesen wäre.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Hat ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines Antrages auf eine Sozialleistung abgesehen, weil ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht worden ist, und wird diese Leistung versagt oder ist sie zu erstatten, wirkt der nunmehr nachgeholte Antrag bis zu einem Jahr zurück, wenn er innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist. Satz 1 gilt auch dann, wenn der Antrag auf die zunächst geltend gemachte Sozialleistung zurückgenommen wird.

(2) Absatz 1 gilt auch dann, wenn der rechtzeitige Antrag auf eine andere Leistung aus Unkenntnis über deren Anspruchsvoraussetzung unterlassen wurde und die zweite Leistung gegenüber der ersten Leistung, wenn diese erbracht worden wäre, nachrangig gewesen wäre.

Jeder hat Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch. Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind.

(1) Die nach Landesrecht zuständigen Stellen, die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung sind verpflichtet, über alle sozialen Angelegenheiten nach diesem Gesetzbuch Auskünfte zu erteilen.

(2) Die Auskunftspflicht erstreckt sich auf die Benennung der für die Sozialleistungen zuständigen Leistungsträger sowie auf alle Sach- und Rechtsfragen, die für die Auskunftsuchenden von Bedeutung sein können und zu deren Beantwortung die Auskunftsstelle imstande ist.

(3) Die Auskunftsstellen sind verpflichtet, untereinander und mit den anderen Leistungsträgern mit dem Ziel zusammenzuarbeiten, eine möglichst umfassende Auskunftserteilung durch eine Stelle sicherzustellen.

(4) Die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sollen über Möglichkeiten zum Aufbau einer staatlich geförderten zusätzlichen Altersvorsorge produkt- und anbieterneutral Auskünfte erteilen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.