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Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 28/04 Verkündet am:
25. Januar 2005
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Verbürgt sich der finanziell kraß überforderte Ehepartner für ein staatlich gefördertes
Existenzgründungsdarlehen des anderen, so genügt es zur Widerlegung der
Vermutung eines Handelns aus emotionaler Verbundenheiten nicht, daß der Bürge
in dem künftigen Gewerbebetrieb an verantwortlicher Stelle mitarbeiten soll.
BGH, Urteil vom 25. Januar 2005 - XI ZR 28/04 - OLG Düsseldorf
LG Wuppertal
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe
und die Richter Dr. Müller, Dr. Wassermann, Dr. Appl und
Dr. Ellenberger

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. Mai 2003 aufgehoben und das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 22. November 2001 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Bür gschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Beklagte und ihr Ehemann waren über viele Jahr e im Transportgewerbe tätig. Im Jahre 1997 verdienten die Eheleute zusammen mehr als 200.000 DM brutto, wovon rund 70.000 DM auf die als Prokuristin tätige Beklagte entfielen. Als beide ihren Arbeitsplatz verloren hatten , wandte sich der Ehemann der Beklagten im September 1998 an die klagende Sparkasse, um staatlich geförderte Existenzgründungsdarlehen und weitere Kredite über insgesamt ca. 1,2 Millionen DM für die von ihm beabsichtigte Gründung einer Einzelfirma zu erhalten. Nach dem vorgelegten Gründungskonzept sollte der Betrieb auf dem Gebiet des Transportwesens tätig werden. Ferner war vorgesehen, daß die Beklagte die Büroleitung zusammen mit der Auftragsbearbeitung übernimmt und ab März 1999 ein steigerungsfähiges Jahresgehalt von 75.000 DM brutto bezieht. Mit notariellem Vertrag vom 29. Dezember 1998 gründeten die Eheleute eine GmbH, die später das Unternehmen des Ehemannes der Beklagten übernehmen und fortführen sollte, aber den Geschäftsbetrieb nie aufgenommen hat.
Am 26. Februar 1999 bewilligte die Klägerin die be antragten Kredite zu unterschiedlichen Zinssätzen. Die damals 51 Jahre alte arbeitslose Beklagte übernahm dafür am selben Tag eine Höchstbetragsbürgschaft über 300.000 DM. Außerdem bestellte sie mit notarieller Urkunde vom 6. April 2000 an ihrem Wohnungseigentum eine wertausschöpfende Grundschuld von 400.000 DM. Ab Juli 1999 bezog sie als Angestellte im Unternehmen ihres Ehemannes ein Monatsgehalt von 2.365 DM netto.
Die Existenzgründung ihres Ehemannes scheiterte. N ach Einstellung des Gewerbebetriebes wurde im November 2000 über sein Vermö-
gen das Insolvenzverfahren eröffnet. Die ausgereichten Geschäftskredite wurden deshalb von der Klägerin fristlos gekündigt.
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus der Höchstbetr agsbürgschaft auf Zahlung von 300.000 DM zuzüglich Zinsen in Anspruch. Die Beklagte hält die Bürgschaft wegen krasser finanzieller Überforderung für sittenwidrig.
Beide Vorinstanzen haben dem Zahlungsbegehren der Klägerin antragsgemäß stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet.

I.


Das Berufungsgericht hat die Höchstbetragsbürgscha ft der Beklagten über 300.000 DM für wirksam erachtet und zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Die Bürgschaft verstoße nicht gegen die guten Sitt en. Eine krasse finanzielle Überforderung der Beklagten lasse sich trotz ihrer Arbeitslosigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht feststellen. Vor dem beruflichen Hintergrund der Beklagten habe die Klägerin nämlich darauf
vertrauen dürfen, daß die Planung ihres Ehemannes aufgehen und sie schon alsbald als Büroleiterin seines Betriebes jährlich 75.000 DM brutto verdienen werde. Das sogar noch für steigerungsfähig gehaltene Gehalt der Beklagten habe ausgereicht, um die nach ihren Angaben auf die verbürgten Existenzgründungsdarlehen entfallende Zinslast von höchstens 4,58% p.a. aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens dauerhaft allein zu tragen. Daß die Sicherheit der Einkünfte von dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängig gewesen sei, rechtfertige keine andere rechtliche Beurteilung, da die Klägerin ein Scheitern der überzeugenden Geschäftsidee nicht habe ernsthaft in Betracht ziehen müssen.
Darüber hinaus habe die Beklagte an der Kreditaufn ahme ersichtlich ein eigenes wirtschaftliches Interesse gehabt. Dieses ergebe sich daraus, daß sie in dem Betrieb als leitende Angestellte mitarbeiten und Jahreseinkünfte von 75.000 DM erhalten sollte. Da die Beklagte bei Abgabe der Bürgschaftserklärung arbeitslos gewesen sei und sich nach ihrem Vortrag bei der Arbeitssuche vermutlich Schwierigkeiten ergeben hätten, sei die Existenzgründung ihres seinerzeit ebenfalls erwerbslosen Ehemannes für sie beide eine gute Lösung gewesen.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Entgegen der Ansicht der Revision ist das Beruf ungsurteil allerdings nicht bereits deshalb aufzuheben, weil die Darstellung des Tatbestands nicht den Anforderungen des § 543 Abs. 2 ZPO a.F. entspreche.
Der Senat hat die entsprechende Rüge der Revision geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts v erstößt die Höchstbetragsbürgschaft der Beklagten gemäß § 138 Abs. 1 BGB gegen die guten Sitten und ist daher nichtig.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesger ichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge regelmäßig entscheidend vom Grad des Mißverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 136, 347, 351; 146, 37, 42; 151, 34, 36 f.; zuletzt Senatsurteil vom 11. Februar 2003 - XI ZR 214/01, ZIP 2003, 796, 797 und Senat BGHZ 156, 302, 307 m.w.Nachw.). Zwar reicht selbst der Umstand, daß der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines laufenden Einkommens und/oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft tragen kann, regelmäßig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Fall krasser finanzieller Überforderung ist aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, daß er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (st.Rspr., siehe z.B. Senatsurteil vom 11. Februar 2003 aaO, m.w.Nachw. und BGHZ 156, aaO).


b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war die Beklagte bei Übernahme der Bürgschaft über 300.000 DM im Februar 1999 kraß finanziell überfordert, weil sie die Zinsen von 4,58% für das verbürgte Existenzgründungsdarlehen über 230.000 DM und von 10% variabel für den Kontokorrentkredit über 100.000 DM aus eigenem pfändbaren Einkommen und/oder Vermögen auf Dauer allein nicht aufbringen konnte.
aa) Da die Beklagte bei Übernahme der Bürgschaft a rbeitslos war, konnte sie zunächst nicht das Geringste zur vertragsgemäßen Erfüllung der Zinsansprüche der Klägerin aus dem verbürgten Existenzgründungsdarlehen und dem Kontokorrentkredit ihres Ehemannes beitragen. Daß die den Wert ihrer Eigentumswohnung unstreitig ausschöpfende Grundschuld über 400.000 DM erst im April 2000, also weit nach Vertragsschluß bestellt wurde, rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Die Bestellung der Grundschuld ist bereits in den Darlehensverträgen vom 26. Februar 1999 vorgesehen.
bb) Aus der maßgebenden Sicht eines seriösen und v ernünftigen Kreditgebers war auch nicht mit einer die krasse finanzielle Überforderung der Beklagten beseitigenden Verbesserung ihres finanziellen Leistungsvermögens bis zum ungewissen Zeitpunkt der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft zu rechnen.
(1) Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkenn enden Senats sind bei der gebotenen Prognose grundsätzlich alle erwerbsrelevanten Umstände und Verhältnisse - wie z.B. Alter, Schul- und Berufsausbildung sowie etwaige besondere familiäre oder vergleichbare Belastungen - des
erkennbar finanzschwachen Bürgen oder Mithaftenden zu berücksichtigen (vgl. z.B. Senat BGHZ 146, 37, 43; Senatsurteile vom 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1024, vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 126 und vom 11. Februar 2003 - XI ZR 214/01, ZIP 2003, 796, 797). Erst wenn danach bei lebensnaher Betrachtung feststeht, daß der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegten Zinsen aus dem pfändbaren Teil seines eigenen Einkommens und/oder Vermögens bis zum Vertragsende allein aufbringen kann, ist eine krasse finanzielle Überforderung zu bejahen.
(2) So ist es hier. Die Klägerin durfte die damals 51-jährige Beklagte - anders als das Berufungsgericht angenommen hat - nicht im Vertrauen auf die Realisierbarkeit des Gründungskonzepts ihres Ehemannes in die von den staatlichen Förderstellen vorgeschriebene Bürgenhaftung für das ausgereichte Existenzgründungsdarlehen und den Kontokorrentkredit nehmen. Zwar sollte sie danach als leitende Angestellte des Gewerbebetriebes ab dem 1. März 1999 im Jahr 75.000 DM brutto und in absehbarer Zeit sogar noch mehr verdienen. Dieser Plan beruhte aber auf einer unrealistischen Marktanalyse und Überschätzung der künftigen Ertragskraft des tatsächlich nur bis zum Herbst 2000 werbend tätigen Unternehmens. In Wirklichkeit hat die Beklagte denn auch unstreitig nie das vorgesehene Gehalt bezogen, sondern seit dem 1. Juli 1999 lediglich im Monat 2.365 DM netto verdient. Außerdem läßt das Berufungsgericht unberücksichtigt, daß das weitgehend fremdfinanzierte und offenbar von vornherein nicht lebensfähige Unternehmen bei Eintritt des Sicherungsfalles entweder zahlungsunfähig oder überschuldet sein würde, das vorgesehene Gehalt der Beklagten also nicht von der Insolvenz des
Hauptschuldners unabhängig war. Daß die Klägerin diesen wichtigen und nach der allgemeinen Lebenserfahrung gerade bei besonders risikohaften Existenzgründungen häufig eintretenden Umstand nach dem Schutzzweck des § 138 Abs. 1 BGB berücksichtigen mußte, versteht sich von selbst (Nobbe/Kirchhof BKR 2002, 5, 9; Schimansky WM 2002, 2437, 2440).
(3) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderun g bestand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch keine hinreichend gesicherte Aussicht, daß die Beklagte aufgrund ihrer Ausbildung und langjährigen Berufserfahrung in absehbarer Zeit bei einem Konkurrenzunternehmen oder anderswo eine Anstellung mit einem dem vorgesehenen vergleichbaren Gehalt findet. Dazu hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - keine näheren Feststellungen getroffen, sondern lediglich auf die sich für die Beklagte bei der Arbeitssuche vermutlich ergebenden Schwierigkeiten hingewiesen. Der Einwand der Revisionserwiderung , daß die Beklagte von 1984 bis 1998 zu relativ hohen Bezügen gearbeitet habe und sogar Prokuristin gewesen sei, greift nicht. Denn abgesehen davon, daß ihr Ehemann das Unternehmen der früheren Arbeitgeberin leitete, darf in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, wie sie bei Vertragsschluß herrschten, nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Beklagte damals bereits 51 Jahre alt war und nach der Lebenserfahrung ältere Arbeitnehmer große Probleme haben, einen ihrer Qualifikation entsprechenden Arbeitsplatz zu finden.
(4) Bei Übernahme der Bürgschaft über 300.000 DM d urch die damals arbeitslose Beklagte war aus der maßgebenden Sicht eines vernünftigen und seriösen Kreditgebers nicht damit zu rechnen, daß die Be-
klagte bei Eintritt des Sicherungsfalles die laufenden Zinsen der verbürgten Kredite mit Hilfe des pfändbaren Teils ihres Einkommens werde aufbringen können. Die Zinsen beliefen sich auf 10.000 DM jährlich für den verbürgten Kontokorrentkredit über 100.000 DM zu 10% Zinsen variabel sowie ausgehend von 200.000 DM auf 9.160 DM für das verbürgte staatlich geförderte Existenzgründungsdarlehen zu 4,58% Zinsen. Um die insgesamt 19.160 DM jährlich, d.h. 1.596,67 DM monatlich betragenden Zinsen aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens tragen zu können, hätte die niemandem unterhaltspflichtige Beklagte nach der im Jahre 1999 geltenden Pfändungstabelle ein monatliches Nettoeinkommen von mindestens 3.500 DM erzielen müssen. Ein solches Einkommen hat die Beklagte nach Übernahme der Bürgschaft unstreitig nie erhalten und es bestand angesichts des Alters der Beklagten von damals 51 Jahren auch keine realistische Aussicht, daß sie ein solches Gehalt außerhalb des Unternehmens ihres Ehemannes erzielen konnte. Eine krasse finanzielle Überforderung der Beklagten ist danach gegeben.

c) Der Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB stehen entge gen der Auffassung des Berufungsgerichts auch keine anderen Hinderungsgründe entgegen. Die tatsächliche Vermutung, daß die Beklagte die ruinöse Bürgschaft aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen und die Klägerin dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, ist nicht widerlegt bzw. entkräftet.
aa) Daß das Einzelunternehmen des Ehemannes der Be klagten bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages die Existenzgrundlage der ganzen Familie bilden sollte, ist - anders als das Berufungsgericht angenommen hat - nicht von wesentlicher Bedeutung. Der Erwerb eines blo-
ßen mittelbaren geldwerten Vorteils aus der Unternehmensfinanzierung - wie etwa eine häufig nur schwer feststellbare und flüchtige Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards oder die Aussicht auf einen Arbeitsplatz - wiegt nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats das bei Betriebsmittelkrediten und erst recht bei Existenzgründungsdarlehen erfahrungsgemäß ganz besonders große Bürgschaftsbzw. Mithaftungsrisiko bei weitem nicht auf. Vielmehr wird der erkennbar nicht hinreichend solvente Ehepartner durch die Bindung der Fördermaßnahme an seine Bürgschafts- oder Mithaftungserklärung in eine wirtschaftlich sinnlose Garantenstellung für den ungewissen wirtschaftlichen Erfolg einer Berufsentscheidung des anderen gedrängt und möglicherweise bis zum Lebensende finanziell unzumutbar belastet (Senat BGHZ 135, 66, 71 f.). Zudem würde der gegenteilige Standpunkt zu einer erheblichen und sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung der Ehepartner selbständiger Unternehmer oder Gesellschafter führen (Senat BGHZ 146, 37, 45 f. und Senatsurteil vom 11. Februar 2003 - XI ZR 214/01, ZIP 2003, 796, 798).
bb) Allerdings ergibt sich in aller Regel eine and ere rechtliche Beurteilung , wenn der ersichtlich finanziell kraß überforderte Bürge oder Mitverpflichtete aufgrund konkreter und rechtlich hinreichend gesicherter Vereinbarungen mit dem Kreditnehmer an dem finanzierten Objekt in einem nennenswerten Umfang beteiligt werden soll. Da der Betroffene hier freiwillig das unternehmerische Risiko eingehen will und sich seine Rechtsstellung bei wertender Betrachtung häufig nicht wesentlich von der eines echten Mitdarlehensnehmers unterscheidet, ist es der kreditgebenden Bank grundsätzlich gestattet, ihn ohne Rücksicht auf eine geringe finanzielle Leistungsfähigkeit in die darlehensvertragliche Haftung
einzubinden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 283/99, WM 2003, 1563, 1565). Hierfür spricht ferner, daß Gesellschafter einer kreditsuchenden GmbH gewöhnlich ohne weiteres in die Mithaftung genommen werden können (st.Rspr., siehe z.B. Senatsurteil vom 10. Dezember 2002 - XI ZR 82/02, WM 2003, 275, 276 m.w.Nachw.) und hierfür unter Umständen auch ein unmittelbar bevorstehender Erwerb einer bedeutsamen Beteiligung an der Hauptschuldnerin ausreichen kann.
So ist es hier aber nicht. Zwar war geplant, daß d ie von den Eheleuten mit notariellem Vertrag vom 29. Dezember 1998 gegründete und der Beklagten zu 25,1% gehörende GmbH zu einem noch nicht festgelegten Zeitpunkt das kreditfinanzierte Einzelunternehmen ihres Ehemannes mit allen Aktiva sowie Passiva übernimmt und weiterführt. Diese in dem Gründungskonzept dargelegte und der Klägerin bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages bekannte Absicht der Eheleute reicht aber, wie auch die Revisionserwiderung nicht in Zweifel zieht, für sich genommen nicht aus, um von einer rechtlich oder wirtschaftlich hinreichend gesicherten Beteiligung der Beklagten an dem Einzelunternehmen ihres Ehemannes auszugehen.

III.


Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 56 2 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Klage abweisen.
Nobbe Müller Wassermann
Appl Ellenberger

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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

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(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

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für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 17. Mai 2001 aufgehoben und das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 26. Oktober 2000 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Bürgschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Ehemann der Beklagten - Inhaber eines Schmuckhandelsgeschäfts - war Schuldner mehrerer von der klagenden Bank ausgereichter
Betriebsmittelkredite, darunter zwei Darlehen über 50.000 DM und 240.000 DM mit Zinssätzen von ursprünglich 10,25% sowie 7,75% p.a.. Für beide Kredite übernahm die Beklagte am 3. Januar 1998 eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft über 320.000 DM. Ferner dienten die Geschäftseinrichtung und das Warenlager des Gewerbebetriebes ihres Ehemannes sowie dessen Forderungen aus zwei Lebensversicherungen der Klägerin als Sicherheit.
Anfang 1999 gründete die Beklagte die A. Schmuckhandels GmbH und leitete in der Folgezeit das Unternehmen in den Geschäftsräumen ihres nicht mehr als Einzelkaufmann tätigen Ehemannes. Am 5. März 1999 kündigte die Klägerin die mit ihm bestehende Geschäftsverbindung wegen Verschlechterung der Vermögenslage und Aufgabe seines Unternehmens fristlos und stellte die Kredite fällig. Nach Verwertung der anderweitigen Sicherheiten geht sie gegen die Beklagte aus dem Bürgschaftsvertrag vom 3. Januar 1998 vor.
Die Beklagte hält die Bürgschaft wegen krasser finanzieller Überforderung für sittenwidrig. Bei Abgabe der Bürgschaftserklärung habe sie als Aushilfsverkäuferin im Schmuckhandelsgeschäft ihres Ehemannes ein monatliches Nettogehalt von 466,36 DM erzielt und über kein eigenes Vermögen verfügt.
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 257.414,57 DM nebst Zinsen gerichteten Klage in Höhe von 249.034,42 DM zuzüglich Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage.

I.


Das Berufungsgericht hat den Bürgschaftsvertrag der Parteien für wirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die Bürgschaft sei nicht sittenwidrig. Die Beklagte werde durch die Höchstbetragsbürgschaft über 320.000 DM nicht finanziell kraß überfordert. Zwar habe sie ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnungen und Steuerbescheide für das Jahr 1998 als Aushilfskraft im Betrieb ihres Ehemannes im Monat durchschnittlich nur rund 800 DM brutto verdient und demnach nicht einmal die laufenden Zinsen für die verbürgten Geschäftskredite allein aufbringen können. Die Klägerin habe aber bei Vertragsschluß im Januar 1998 mit einer erheblichen Ausweitung der beruflichen Tätigkeit der Beklagten rechnen können. Durch die Mitarbeit im Unternehmen ihres Ehemannes sei die Beklagte hinreichend geschäftserfahren und die Betreuung der damals schon 14 und 15 Jahre alten Kinder in naher Zukunft nicht mehr erforderlich gewesen. Dafür spreche auch, daß sie seit Februar 1999 als Geschäftsführerin-Gesellschafterin der A. Schmuckhandels GmbH ein eigenes Geschäft betreibe und ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnung im November desselben Jahres 2.557,66 DM netto verdient habe.

Im übrigen sei das Mithaftungsbegehren des Kreditgebers nach der gegenwärtigen Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs , der sich der Senat anschließe, in aller Regel rechtlich vertretbar , weil er sich so möglichst wirksam vor Vermögensverlagerungen vom Hauptschuldner auf den Ehepartner schützen könne. Die Bürgschaft der Beklagten sei deshalb selbst bei einer finanziellen Überforderung hinnehmbar , zumal die Haftung auf den Höchstbetrag von 320.000 DM begrenzt sei. Dem IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs sei außerdem darin zu folgen, daß die bei Bürgschaften für Geschäftskredite des Ehegatten regelmäßig zu erwartenden höheren Unterhaltsleistungen im allgemeinen einen angemessenen Ausgleich darstellten, sofern der Vertragsschluß - wie hier - nicht mit unzulässigen Mitteln herbeigeführt worden sei.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in keinem wesentlichen Punkt stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstößt der Bürgschaftsvertrag der Parteien gegen die guten Sitten und ist infolgedessen nichtig.
1. Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge regelmäßig entscheidend vom Grad des Mißverhältnisses zwischen dem Verpflich-
tungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; Senatsurteile vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125; vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224; vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, WM 2002, 1347, 1348, für BGHZ 151, 34 vorgesehen; vom 14. Mai 2002 - XI ZR 81/01, WM 2002, 1350, 1351; vom 28. Mai 2002 - XI ZR 199/01, WM 2002, 1647, 1648; vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01, WM 2002, 1649, 1651 sowie vom 10. Dezember 2002 - XI ZR 82/02, WM 2003, 275 f.). Zwar reicht selbst der Umstand, daß der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft tragen kann, regelmäßig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, daß er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (st.Rspr., siehe z.B. Senatsurteile vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01 aaO S. 1348 und vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01 aaO, jeweils m.w.Nachw.).
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war die Beklagte weder bei Vertragsschluß im Januar 1998 noch bei Eintritt des Sicherungsfalles in der Lage, die in den der Höchstbetragsbürgschaft über 320.000 DM zugrunde liegenden Kreditverträgen vereinbarten Zinsen
aus eigenem pfändbaren Einkommen und/oder Vermögen auf Dauer allein zu tragen.

a) Da das monatliche Bruttogehalt der Beklagten für ihre geringfügige Aushilfstätigkeit im Schmuckhandelsgeschäft ihres Ehemannes nur rund 800 DM betrug und eigenes nennenswertes Vermögen nicht vorhanden war, konnte sie bei Übernahme der Bürgschaft nicht das Geringste zur vertragsgemäßen Erfüllung auch nur der Zinsansprüche der Klägerin aus den verbürgten Darlehen beitragen.

b) Aus der maßgebenden Sicht eines seriösen und vernünftigen Kreditgebers war unter normalen Umständen auch nicht mit einer wesentlichen und nachhaltigen Verbesserung des finanziellen Leistungsvermögens der Beklagten bis zum ungewissen Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft zu rechnen.
aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats sind bei der gebotenen Prognose grundsätzlich alle erwerbsrelevanten Umstände und Verhältnisse - wie z.B. Alter, Schul- und Berufsausbildung sowie etwaige besondere familiäre oder vergleichbare Belastungen - des erkennbar finanzschwachen Bürgen oder Mithaftenden zu berücksichtigen (vgl. z.B. Senat BGHZ 146, 37, 43; Senatsurteile vom 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1024 und vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 126). Erst wenn danach bei lebensnaher Betrachtung feststeht, daß der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegten Zinsen aus dem pfändbaren Teil seines eigenen Einkommens
und/oder Vermögens bis zum Vertragsende allein aufbringen kann, ist eine krasse finanzielle Überforderung zu bejahen.
bb) So ist es hier. Zwar mag es bei Übernahme der Bürgschaft aufgrund des Alters ihrer 1983 und 1984 geborenen Kinder nahegelegen haben, daß die damals 44 Jahre alte Beklagte alsbald deren Betreuung aufgeben und einer ganztägigen Berufstätigkeit nachgehen werde. Von der Klägerin ist aber nichts dafür vorgetragen, daß die Beklagte in ihrem erlernten Beruf als Arzthelferin oder aber als Verkäuferin unter normalen Umständen so viel verdienen konnte, daß sie die Zinsen aus den verbürgten Darlehen allein aufbringen konnte oder daß eine andere hinreichend gesicherte Aussicht auf eine wesentliche und nachhaltige Verbesserung der Einkommensverhältnisse bestand. Bei voller Valutierung der verbürgten Darlehen beliefen sich die Zinsen auf fast 2.000 DM monatlich. Um diese aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens tragen zu können, hätte die Beklagte selbst ohne Berücksichtigung von Unterhaltspflichten ein Einkommen von fast 4.000 DM netto im Monat erzielen müssen. Nichts spricht nach der Lebenserfahrung dafür, daß ihr dies als Arzthelferin oder als Verkäuferin möglich gewesen wäre.
Daß sie Anfang 1999 die A. Schmuckhandels GmbH gegründet und im November desselben Jahres als deren GeschäftsführerinGesellschafterin 2.557,66 DM netto verdient hat, rechtfertigt keine andere rechtliche Betrachtung. Nichts spricht dafür, daß die Beteiligten mit einer solchen ungewöhnlichen Entwicklung ernsthaft gerechnet und diese - wie es grundsätzlich erforderlich gewesen wäre (vgl. BGHZ 132, 328, 336) - zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht haben. Davon abgesehen ist nicht ersichtlich, daß die Erträge der Beklagten aus
der noch jungen Gesellschaft sowie ihr Geschäftsführergehalt von 2.557,66 DM netto pro Monat ausreichen, um die von den Darlehensvertragsparteien festgelegten Zinsen aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens bis zum Vertragsende allein aufzubringen.
3. Anders als das Berufungsgericht unter ausdrücklicher Berufung auf die "gegenwärtige" Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs angenommen hat, stehen einer Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auch keine anderen Hinderungsgründe entgegen.

a) Die tatsächliche Vermutung, daß die Beklagte die ruinöse Bürgschaft nur aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen und die Klägerin dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, hat die Klägerin nicht widerlegt oder entkräftet. Daß das Schmuckhandelsgeschäft des Ehemanns der Beklagten bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages die Existenzgrundlage der ganzen Familie bildete, ist insoweit nicht von wesentlicher Bedeutung. Der Erwerb eines bloßen mittelbaren geldwerten Vorteils aus der Aufnahme des verbürgten Darlehens - wie etwa eine häufig nur schwer feststellbare und flüchtige Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards oder die vorläufige Erhaltung des Arbeitsplatzes - wiegt nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats das bei Betriebsmittelkrediten regelmäßig ganz besonders große Bürgschaftsrisiko bei weitem nicht auf. Zudem würde der gegenteilige Standpunkt zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung der Ehepartner selbständiger Unternehmer führen (Senat BGHZ 146, 37, 45 f. m.w.Nachw.). Dem hat sich der vormals für das Bürgschaftsrecht zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs jedenfalls für die Fälle krasser finanzieller Überforderung des Bürgen in
seinem schon lange vor der angefochtenen Entscheidung ergangenen Urteil vom 27. Januar 2000 (IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 412, 413) ausdrücklich angeschlossen.

b) Des weiteren stellt das Interesse des Gläubigers, sich mit Hilfe von Bürgschaften oder Mithaftungsabreden möglichst wirksam vor etwaigen Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, allein keinen die Sittenwidrigkeit ausschließenden Umstand dar.
Nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats (siehe zuletzt Urteile vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, aaO S. 1349 f. und XI ZR 81/01, aaO S. 1351 f., jeweils m.w.Nachw.) rechtfertigt das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen zwischen den Eheleuten vorzubeugen, eine an sich wirtschaftlich sinnlose Bürgschaft oder Mithaftungsabrede nur dann, wenn es durch Vereinbarung der Parteien zum Vertragsinhalt gemacht wird. Ohne besondere, vom Kreditgeber darzulegende und notfalls zu beweisende Anhaltspunkte kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daß eine kraß überfordernde Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme inhaltlich von vornherein nur eine erhebliche Vermögensverlagerung zwischen Hauptschuldner und Sicherungsgeber verhindern soll. Die gegenteilige Auffassung verstößt gegen allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze und das im Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltende Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Dieser Standpunkt wird inzwischen im Grundsatz auch vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs geteilt (vgl. Urteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2329 f.). Soweit dies nicht für Bürgschaftsverträge aus der Zeit vor dem 1. Januar 1999 gelten soll, weil für die Kreditinstitute damals noch nicht hinreichend klar gewesen sei, inwieweit sie
ihr Interesse an einem möglichst wirksamen Schutz vor Vermögensverschiebungen über die bloße Hereinnahme der Bürgschaft hinaus durch geeignete vertragliche Regelungen absichern mußten, ist dem nicht zu folgen. Wie der erkennende Senat in den zitierten Urteilen vom 14. Mai 2002 (XI ZR 50/01, aaO und XI ZR 81/01, aaO) im einzelnen dargelegt hat, war es angesichts des Meinungsstreits beider Senate von vornherein ausgeschlossen, daß sich aus dem Blickwinkel eines rational handelnden Gläubigers ein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand der höchstrichterlichen Rechtsprechung bilden konnte. Etwas anderes ist im übrigen auch von der Klägerin in den Tatsacheninstanzen nicht geltend gemacht worden.

III.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.) und die Klage abweisen.
Nobbe Bungeroth Müller
Wassermann Appl

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 82/01 Verkündet am:
13. November 2001
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
BGB § 138 Bb Abs. 1
Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Mithaftungsübernahmen
naher Angehöriger entwickelten Grundsätze gelten nicht
nur für Kreditinstitute, sondern auch für andere gewerbliche oder berufliche
Kreditgeber im Sinne des Verbraucherkreditgesetzes.
BGH, Urteil vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01 - OLG Schleswig
LG Kiel
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe, die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die
Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 19. Januar 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben als es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 12. Mai 1999 zurückgewiesen hat. Auf die Berufung des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts abgeändert.
Die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus der Urkunde des Notarvertreters U. H. vom 29. Oktober 1996 - Urk.-Nr. ... des Notars P., Sch. - wird für unzulässig erklärt, soweit sie sich gegen den Kläger richtet.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Zwangsvollstrekkung aus einer notariellen Urkunde. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde :
Der Vater des Klägers verkaufte der beklagten GmbH, zu deren Unternehmensgegenstand u.a. die Vermittlung von Finanzierungen und Immobilien gehört, mit notariellem Vertrag vom 3. Mai 1996 sein in der Zwangsversteigerung befindliches Hausgrundstück. Nach dem Inhalt des Kaufvertrages war der Käuferin lastenfreies Eigentum zu verschaffen. Entgegen der Vorstellung der Vertragsparteien reichte dazu der vereinbarte Kaufpreis von 175.000 DM jedoch nicht aus. Um die Abwicklung des Kaufvertrages nicht zu gefährden, gewährte die Beklagte dem Vater des Klägers ein Darlehen über 35.000 DM, verlangte aber von seiner Ehefrau und dem Kläger eine vollstreckbare Mithaftungsübernahme.
In notarieller Urkunde vom 29. Oktober 1996 erkannten daraufhin der damals 18 Jahre alte Kläger und seine Eltern an, der Beklagten als Gesamtschuldner 35.000 DM zuzüglich 10% Zinsen zu schulden, verpflichteten sich zur Rückzahlung des Kredites spätestens am 1. Januar 1997 und unterwarfen sich wegen dieser Verpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.
Der Kläger, der nach seiner Darstellung bei Abgabe der notariellen Erklärungen noch die Realschule besuchte und nach zwischenzeitlicher Ableistung des Wehrdienstes arbeitslos ist, ist der Ansicht, der Schuld-
beitritt zur Darlehensschuld seines Vaters sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten und darüber hinaus auch nach § 6 Abs. 1 und § 10 Abs. 1, 2 VerbrKrG nichtig. Die Beklagte hält dem u.a. entgegen, der Kläger habe ihren Angestellten ausdrücklich versichert, das seinem Vater gewährte Darlehen aus eigenen Mitteln zurückzahlen zu können, weil er sich entweder selbständig machen oder als Berufs- bzw. Zeitsoldat verpflichten wolle.
Das Landgericht hat die gegen die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 29. Oktober 1996 gerichtete Klage abgewiesen. Unter Berücksichtigung übereinstimmender Teilerledigungserklärungen der Prozeßparteien und eines von der Beklagten beim Vater des Klägers beigetriebenen Betrages hat das Berufungsgericht die Zwangsvollstrekkung nur insoweit für unzulässig erklärt, als sie sich gegen den Kläger wegen eines über 20.653,07 DM hinausgehenden Teils der Hauptforderung richtet. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt er seinen Antrag, die Zwangsvollstreckung insgesamt für unzulässig zu erklären, weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Klägers ist begründet.

I.


Das Berufungsgericht hat das vom Kläger abgegebene Schuldanerkenntnis für wirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Zwar finde das Verbraucherkreditgesetz auf den vom Kläger in der notariellen Urkunde vom 29. Oktober 1996 erklärten kumulativen Schuldbeitritt zur Darlehensschuld seines Vaters entsprechende Anwendung. Daû die vertraglich festgelegte Laufzeit des Darlehens von weniger als drei Monaten einen die Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes ausschlieûenden Zahlungsaufschub im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 VerbrKrG darstelle, ändere daran nichts. Da weder die Eltern des Klägers noch er selbst den Kredit innerhalb dieser kurzen Frist hätten zurückzahlen können, sei diese Vereinbarung wegen Umgehung des Verbraucherkreditgesetzes nach § 18 Satz 2 VerbrKrG nichtig. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Mithaftungsabrede aber nicht wegen eines Formmangels unwirksam, weil § 4 VerbrKrG auf einen notariell beurkundeten Kreditvertrag nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 VerbrKrG keine Anwendung finde. Ebensowenig ergebe sich aus § 10 Abs. 1, 2 VerbrKrG ein Nichtigkeitsgrund. Nach seinem klaren Wortlaut verbiete das Gesetz nur den gänzlichen Verzicht des Verbrauchers auf Einwendungen oder deren Verlust durch die Auswirkungen der Verkehrsfähigkeit von Wechseln und Schecks. Dem sei der Fall einer erschwerten Durchsetzung von Einwendungen oder Einreden aufgrund der notariellen Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung nicht gleichzusetzen.
Der Schuldbeitritt des Klägers sei auch nicht sittenwidrig. Die Beklagte habe sich nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des 18 Jahre alten Klägers nicht näher erkundigen müssen. Sie habe
insoweit unwiderlegt vorgetragen, der Kläger habe vor Beurkundung des Schuldanerkenntnisses erklärt, er werde sich selbständig machen oder sich als Berufs- oder Zeitsoldat verpflichten und könne deshalb die übernommenen Verbindlichkeiten erfüllen.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Es liegt eine den Kläger besonders belastende und die Nichtigkeitsfolge des § 138 Abs. 1 BGB auslösende Störung der Vertragsparität vor. Mit seiner gegenteiligen Auffassung hat das Berufungsgericht im Rahmen der erforderlichen Zukunftsprognose einseitig auf die für erwiesen erachteten Angaben des Klägers zu seinen beruflichen Absichten abgestellt, ohne deren fehlenden Realitätsgehalt und die kurze Laufzeit des Darlehens zu berücksichtigen.

a) Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Banken mit privaten Sicherungsgebern geschlossenen Bürgschafts- und Mithaftungsverträgen entscheidend vom Grad des Miûverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; BGH, Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 337/98, WM 2001, 1330, 1331). Zwar reicht selbst der Umstand, daû der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die vertragliche Zinslast
aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens tragen kann, regelmäûig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung wird aber widerleglich vermutet, daû er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Kreditnehmer übernommen und die Bank dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (BGH, Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 337/98, aaO S. 1331 m.w.Nachw.). Nach diesen Grundsätzen ist der Schuldbeitritt des Klägers nichtig.

b) Der von der Beklagten erfolglos gepfändete vermögenslose Kläger ist arbeitslos und deshalb nicht in der Lage, die laufenden Zinsen des Darlehens aufzubringen. Etwas anderes war nach der erforderlichen Prognose im Zeitpunkt der Übergabe der Mithaftungserklärung auch nicht zu erwarten.
aa) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist bei der Prognose (vgl. BGHZ 146, 37, 43; Urteil vom 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1024) auf die vertraglich festgelegte Kreditlaufzeit abzustellen. Ist der Mithaftende innerhalb dieser Zeit voraussichtlich nicht in der Lage, wenigstens die laufenden Zinsen aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens aufzubringen, so liegt eine krasse finanzielle Überforderung vor.
Hier haben die Vertragsschlieûenden für das ausgereichte Darlehen über 35.000 DM lediglich eine Laufzeit von nicht einmal drei Monaten bis zum 1. Januar 1997 vereinbart. Dafür, daû der Kläger, der bei
Übernahme der Mithaftung am 29. Oktober 1996 nach seinem Vortrag noch die Realschule besuchte und auf die Unterhaltsleistungen seiner Eltern angewiesen war, innerhalb dieses kurzen Zeitraums einen nennenswerten Beitrag zur Tilgung des Kredits werde leisten oder zumindest die vertragliche Zinslast von 10% p.a. werde tragen können, ist nichts dargetan oder ersichtlich. Zugunsten des Klägers greift deshalb die widerlegliche Vermutung ein, daû die Beklagte bei ihrem Mithaftungsverlangen seine emotionale Verbundenheit mit seinen Eltern in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat.
bb) Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus , daû das Berufungsgericht die Vertragsklausel über die kurze Laufzeit des Darlehens für eine nach § 18 Satz 2 VerbrKrG nichtige Umgehung des Verbraucherkreditgesetzes erachtet hat und daû die Beklagte auf die alsbaldige Verwirklichung der beruflichen Pläne des Klägers vertraut haben will.
Dabei kann offenbleiben, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, die vereinbarte Laufzeit des Kredits von weniger als drei Monaten stelle einen Zahlungsaufschub dar, der die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes gemäû § 3 Abs. 1 Nr. 3 VerbrKrG ausschlieûe, und ob insoweit ein Verstoû gegen das Umgehungsverbot des § 18 Satz 2 VerbrKrG vorliegt. Darauf kommt es schon deshalb nicht entscheidend an, weil die Beklagte, wie vor allem ihre unmittelbar nach dem 1. Januar 1997 eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaûnahmen deutlich zeigen, von einer Wirksamkeit der vertraglichen Regelung ausgegangen
ist und eine zur Nichtigkeit führende Gesetzesumgehung sie im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB nicht entlasten kann.
Der Äuûerung des Klägers, er wolle sich entweder selbständig machen oder als Berufs- bzw. Zeitsoldat verpflichten, kommt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine wesentliche Bedeutung zu. Vielmehr handelt es sich - worauf die Revision zu Recht hinweist - nur um einen allgemeinen Zukunftswunsch eines gerade erst volljährig gewordenen Jugendlichen ohne jede Berufsausbildung. Offenbar wuûte der Kläger zum damaligen Zeitpunkt nicht einmal, in welchem Berufsfeld er eine selbständige Tätigkeit ausüben wollte. Ebenso waren konkrete Hinweise darauf, daû er die von der Bundeswehr für Zeit- oder Berufssoldaten verlangten Einstellungsvoraussetzungen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erfüllen würde, nicht vorhanden. Daû solche vagen und substanzlosen Angaben nicht zur Grundlage einer seriösen und vernünftigen Zukunftsprognose gemacht werden können, liegt auf der Hand.
2. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten muû sie sich bei der Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB ebenso behandeln lassen wie ein Kreditinstitut.
aa) Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 89, 214, 231 f.; BVerfG WM 1994, 1837, 1839) gebietet die grundrechtlich gewährleistete Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie
das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) bei typisierbaren Fallgestaltungen, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen lassen, eine Korrektur geschlossener Verträge, wenn die Vertragsfolgen für den unterlegenen Teil ungewöhnlich belastend sind. Je gravierender die Vertragsfreiheit im konkreten Einzelfall gestört ist und die Folgen für den strukturell unterlegenen Vertragspartner sind, umso dringender ist eine Korrektur geschlossener Verträge mit Hilfe der Generalklauseln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Nobbe /Kirchhof BKR 2001, 5, 6).
Nach der Lebenserfahrung ist die Unterlegenheit des Bürgen oder Mithaftenden bei Forderungen von Kreditinstituten nach Übernahme ruinöser Bürgschaften oder Mithaftungen finanziell kraû überforderter Ehegatten oder naher Angehöriger in aller Regel besonders groû. Eine ähnliche wirtschaftliche Überlegenheit kommt aber auch bei anderen Kreditgebern in Betracht, insbesondere wenn sie ihre laufenden Einkünfte ganz oder teilweise aus Geldgeschäften beziehen und als Unternehmer im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG anzusehen sind. So liegen die Dinge auch hier.
bb) Bei der Beklagten handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft, die sich gewerbsmäûig neben dem Versicherungs- und Maklergeschäft auch mit der Vermittlung von Finanzierungen und Bausparverträgen befaût. Sie betreibt daher - wenn auch nur im weiteren Sinne - Geldgeschäfte. Das Berufungsgericht hat sie deshalb in anderem Zusammenhang zu Recht als Kreditgeberin im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG angesehen.

Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers ist ferner davon auszugehen, daû sein Vater wegen seiner damals schlechten finanziellen Verhältnisse von einer Bank oder Sparkasse kein Darlehen mehr bekommen hätte und der Kaufvertrag über das in der Zwangsversteigerung befindliche Hausgrundstück ohne das Kreditengagement der Beklagten nicht durchgeführt worden wäre. Wenn sie ihm in dieser ausweglosen wirtschaftlichen Lage unter der nicht verhandelbaren Bedingung einer unbeschränkten Mithaftung der Familienmitglieder ein auf dem freien Kapitalmarkt nicht mehr zu erhaltendes Darlehen zur Erfüllung der kaufvertraglichen Verpflichtungen anbot, so geschah dies aus einer wirtschaftlichen Machtstellung heraus, die durchaus mit der eines Kreditinstituts zu vergleichen ist. Nichts spricht daher dafür, an die Wirksamkeit des Schuldbeitritts des völlig mittellosen Klägers weniger strenge Anforderungen zu stellen. Die Beklagte muû sich daher genauso behandeln lassen wie ein Kreditinstitut.

b) Auch stehen einer Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB keine anderen Hinderungsgründe entgegen.
Liegen eine krasse finanzielle Überforderung des Bürgen oder Mithaftenden und ein persönliches Näheverhältnis der vorgenannten Art objektiv vor, so ist es grundsätzlich Sache des Kreditgebers, die tatsächliche Vermutung zu widerlegen, daû der Sicherungsgeber sich nicht von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos, sondern von seiner emotionalen Bindung an den Hauptschuldner hat leiten lassen und der Kreditgeber diese Situation in sittlich anstöûiger Weise
ausgenutzt hat (st.Rspr., siehe etwa BGHZ 146, 37, 45). Dafür ist hier jedoch nichts dargetan oder ersichtlich. Daû der Kläger nach dem Vortrag der Beklagten die Vertragsverhandlungen für seinen fast tauben Vater geführt haben soll, deutet für sich genommen nicht auf eine unbeeinfluûte autonome Willensentscheidung hin. Selbst erfahrene und geschäftsgewandte Personen, die für den ihnen persönlich nahestehenden Kreditnehmer die Kreditgespräche führen, können dabei aus emotionaler Verbundenheit Verbindlichkeiten eingehen, die sie finanziell kraû überfordern und die sie im geschäftlichen Bereich vermutlich niemals eingegangen wären (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 413).

III.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und der Klage in vollem Umfang stattgeben.
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 214/01 Verkündet am:
11. Februar 2003
Weber,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 11. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe
und die Richter Dr. Bungeroth, Dr. Müller, Dr. Wassermann und Dr. Appl

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 17. Mai 2001 aufgehoben und das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 26. Oktober 2000 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Bürgschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Ehemann der Beklagten - Inhaber eines Schmuckhandelsgeschäfts - war Schuldner mehrerer von der klagenden Bank ausgereichter
Betriebsmittelkredite, darunter zwei Darlehen über 50.000 DM und 240.000 DM mit Zinssätzen von ursprünglich 10,25% sowie 7,75% p.a.. Für beide Kredite übernahm die Beklagte am 3. Januar 1998 eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft über 320.000 DM. Ferner dienten die Geschäftseinrichtung und das Warenlager des Gewerbebetriebes ihres Ehemannes sowie dessen Forderungen aus zwei Lebensversicherungen der Klägerin als Sicherheit.
Anfang 1999 gründete die Beklagte die A. Schmuckhandels GmbH und leitete in der Folgezeit das Unternehmen in den Geschäftsräumen ihres nicht mehr als Einzelkaufmann tätigen Ehemannes. Am 5. März 1999 kündigte die Klägerin die mit ihm bestehende Geschäftsverbindung wegen Verschlechterung der Vermögenslage und Aufgabe seines Unternehmens fristlos und stellte die Kredite fällig. Nach Verwertung der anderweitigen Sicherheiten geht sie gegen die Beklagte aus dem Bürgschaftsvertrag vom 3. Januar 1998 vor.
Die Beklagte hält die Bürgschaft wegen krasser finanzieller Überforderung für sittenwidrig. Bei Abgabe der Bürgschaftserklärung habe sie als Aushilfsverkäuferin im Schmuckhandelsgeschäft ihres Ehemannes ein monatliches Nettogehalt von 466,36 DM erzielt und über kein eigenes Vermögen verfügt.
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 257.414,57 DM nebst Zinsen gerichteten Klage in Höhe von 249.034,42 DM zuzüglich Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage.

I.


Das Berufungsgericht hat den Bürgschaftsvertrag der Parteien für wirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die Bürgschaft sei nicht sittenwidrig. Die Beklagte werde durch die Höchstbetragsbürgschaft über 320.000 DM nicht finanziell kraß überfordert. Zwar habe sie ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnungen und Steuerbescheide für das Jahr 1998 als Aushilfskraft im Betrieb ihres Ehemannes im Monat durchschnittlich nur rund 800 DM brutto verdient und demnach nicht einmal die laufenden Zinsen für die verbürgten Geschäftskredite allein aufbringen können. Die Klägerin habe aber bei Vertragsschluß im Januar 1998 mit einer erheblichen Ausweitung der beruflichen Tätigkeit der Beklagten rechnen können. Durch die Mitarbeit im Unternehmen ihres Ehemannes sei die Beklagte hinreichend geschäftserfahren und die Betreuung der damals schon 14 und 15 Jahre alten Kinder in naher Zukunft nicht mehr erforderlich gewesen. Dafür spreche auch, daß sie seit Februar 1999 als Geschäftsführerin-Gesellschafterin der A. Schmuckhandels GmbH ein eigenes Geschäft betreibe und ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnung im November desselben Jahres 2.557,66 DM netto verdient habe.

Im übrigen sei das Mithaftungsbegehren des Kreditgebers nach der gegenwärtigen Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs , der sich der Senat anschließe, in aller Regel rechtlich vertretbar , weil er sich so möglichst wirksam vor Vermögensverlagerungen vom Hauptschuldner auf den Ehepartner schützen könne. Die Bürgschaft der Beklagten sei deshalb selbst bei einer finanziellen Überforderung hinnehmbar , zumal die Haftung auf den Höchstbetrag von 320.000 DM begrenzt sei. Dem IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs sei außerdem darin zu folgen, daß die bei Bürgschaften für Geschäftskredite des Ehegatten regelmäßig zu erwartenden höheren Unterhaltsleistungen im allgemeinen einen angemessenen Ausgleich darstellten, sofern der Vertragsschluß - wie hier - nicht mit unzulässigen Mitteln herbeigeführt worden sei.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in keinem wesentlichen Punkt stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstößt der Bürgschaftsvertrag der Parteien gegen die guten Sitten und ist infolgedessen nichtig.
1. Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge regelmäßig entscheidend vom Grad des Mißverhältnisses zwischen dem Verpflich-
tungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; Senatsurteile vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125; vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224; vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, WM 2002, 1347, 1348, für BGHZ 151, 34 vorgesehen; vom 14. Mai 2002 - XI ZR 81/01, WM 2002, 1350, 1351; vom 28. Mai 2002 - XI ZR 199/01, WM 2002, 1647, 1648; vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01, WM 2002, 1649, 1651 sowie vom 10. Dezember 2002 - XI ZR 82/02, WM 2003, 275 f.). Zwar reicht selbst der Umstand, daß der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft tragen kann, regelmäßig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, daß er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (st.Rspr., siehe z.B. Senatsurteile vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01 aaO S. 1348 und vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01 aaO, jeweils m.w.Nachw.).
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war die Beklagte weder bei Vertragsschluß im Januar 1998 noch bei Eintritt des Sicherungsfalles in der Lage, die in den der Höchstbetragsbürgschaft über 320.000 DM zugrunde liegenden Kreditverträgen vereinbarten Zinsen
aus eigenem pfändbaren Einkommen und/oder Vermögen auf Dauer allein zu tragen.

a) Da das monatliche Bruttogehalt der Beklagten für ihre geringfügige Aushilfstätigkeit im Schmuckhandelsgeschäft ihres Ehemannes nur rund 800 DM betrug und eigenes nennenswertes Vermögen nicht vorhanden war, konnte sie bei Übernahme der Bürgschaft nicht das Geringste zur vertragsgemäßen Erfüllung auch nur der Zinsansprüche der Klägerin aus den verbürgten Darlehen beitragen.

b) Aus der maßgebenden Sicht eines seriösen und vernünftigen Kreditgebers war unter normalen Umständen auch nicht mit einer wesentlichen und nachhaltigen Verbesserung des finanziellen Leistungsvermögens der Beklagten bis zum ungewissen Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft zu rechnen.
aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats sind bei der gebotenen Prognose grundsätzlich alle erwerbsrelevanten Umstände und Verhältnisse - wie z.B. Alter, Schul- und Berufsausbildung sowie etwaige besondere familiäre oder vergleichbare Belastungen - des erkennbar finanzschwachen Bürgen oder Mithaftenden zu berücksichtigen (vgl. z.B. Senat BGHZ 146, 37, 43; Senatsurteile vom 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1024 und vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 126). Erst wenn danach bei lebensnaher Betrachtung feststeht, daß der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegten Zinsen aus dem pfändbaren Teil seines eigenen Einkommens
und/oder Vermögens bis zum Vertragsende allein aufbringen kann, ist eine krasse finanzielle Überforderung zu bejahen.
bb) So ist es hier. Zwar mag es bei Übernahme der Bürgschaft aufgrund des Alters ihrer 1983 und 1984 geborenen Kinder nahegelegen haben, daß die damals 44 Jahre alte Beklagte alsbald deren Betreuung aufgeben und einer ganztägigen Berufstätigkeit nachgehen werde. Von der Klägerin ist aber nichts dafür vorgetragen, daß die Beklagte in ihrem erlernten Beruf als Arzthelferin oder aber als Verkäuferin unter normalen Umständen so viel verdienen konnte, daß sie die Zinsen aus den verbürgten Darlehen allein aufbringen konnte oder daß eine andere hinreichend gesicherte Aussicht auf eine wesentliche und nachhaltige Verbesserung der Einkommensverhältnisse bestand. Bei voller Valutierung der verbürgten Darlehen beliefen sich die Zinsen auf fast 2.000 DM monatlich. Um diese aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens tragen zu können, hätte die Beklagte selbst ohne Berücksichtigung von Unterhaltspflichten ein Einkommen von fast 4.000 DM netto im Monat erzielen müssen. Nichts spricht nach der Lebenserfahrung dafür, daß ihr dies als Arzthelferin oder als Verkäuferin möglich gewesen wäre.
Daß sie Anfang 1999 die A. Schmuckhandels GmbH gegründet und im November desselben Jahres als deren GeschäftsführerinGesellschafterin 2.557,66 DM netto verdient hat, rechtfertigt keine andere rechtliche Betrachtung. Nichts spricht dafür, daß die Beteiligten mit einer solchen ungewöhnlichen Entwicklung ernsthaft gerechnet und diese - wie es grundsätzlich erforderlich gewesen wäre (vgl. BGHZ 132, 328, 336) - zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht haben. Davon abgesehen ist nicht ersichtlich, daß die Erträge der Beklagten aus
der noch jungen Gesellschaft sowie ihr Geschäftsführergehalt von 2.557,66 DM netto pro Monat ausreichen, um die von den Darlehensvertragsparteien festgelegten Zinsen aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens bis zum Vertragsende allein aufzubringen.
3. Anders als das Berufungsgericht unter ausdrücklicher Berufung auf die "gegenwärtige" Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs angenommen hat, stehen einer Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auch keine anderen Hinderungsgründe entgegen.

a) Die tatsächliche Vermutung, daß die Beklagte die ruinöse Bürgschaft nur aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen und die Klägerin dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, hat die Klägerin nicht widerlegt oder entkräftet. Daß das Schmuckhandelsgeschäft des Ehemanns der Beklagten bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages die Existenzgrundlage der ganzen Familie bildete, ist insoweit nicht von wesentlicher Bedeutung. Der Erwerb eines bloßen mittelbaren geldwerten Vorteils aus der Aufnahme des verbürgten Darlehens - wie etwa eine häufig nur schwer feststellbare und flüchtige Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards oder die vorläufige Erhaltung des Arbeitsplatzes - wiegt nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats das bei Betriebsmittelkrediten regelmäßig ganz besonders große Bürgschaftsrisiko bei weitem nicht auf. Zudem würde der gegenteilige Standpunkt zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung der Ehepartner selbständiger Unternehmer führen (Senat BGHZ 146, 37, 45 f. m.w.Nachw.). Dem hat sich der vormals für das Bürgschaftsrecht zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs jedenfalls für die Fälle krasser finanzieller Überforderung des Bürgen in
seinem schon lange vor der angefochtenen Entscheidung ergangenen Urteil vom 27. Januar 2000 (IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 412, 413) ausdrücklich angeschlossen.

b) Des weiteren stellt das Interesse des Gläubigers, sich mit Hilfe von Bürgschaften oder Mithaftungsabreden möglichst wirksam vor etwaigen Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, allein keinen die Sittenwidrigkeit ausschließenden Umstand dar.
Nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats (siehe zuletzt Urteile vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, aaO S. 1349 f. und XI ZR 81/01, aaO S. 1351 f., jeweils m.w.Nachw.) rechtfertigt das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen zwischen den Eheleuten vorzubeugen, eine an sich wirtschaftlich sinnlose Bürgschaft oder Mithaftungsabrede nur dann, wenn es durch Vereinbarung der Parteien zum Vertragsinhalt gemacht wird. Ohne besondere, vom Kreditgeber darzulegende und notfalls zu beweisende Anhaltspunkte kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daß eine kraß überfordernde Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme inhaltlich von vornherein nur eine erhebliche Vermögensverlagerung zwischen Hauptschuldner und Sicherungsgeber verhindern soll. Die gegenteilige Auffassung verstößt gegen allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze und das im Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltende Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Dieser Standpunkt wird inzwischen im Grundsatz auch vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs geteilt (vgl. Urteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2329 f.). Soweit dies nicht für Bürgschaftsverträge aus der Zeit vor dem 1. Januar 1999 gelten soll, weil für die Kreditinstitute damals noch nicht hinreichend klar gewesen sei, inwieweit sie
ihr Interesse an einem möglichst wirksamen Schutz vor Vermögensverschiebungen über die bloße Hereinnahme der Bürgschaft hinaus durch geeignete vertragliche Regelungen absichern mußten, ist dem nicht zu folgen. Wie der erkennende Senat in den zitierten Urteilen vom 14. Mai 2002 (XI ZR 50/01, aaO und XI ZR 81/01, aaO) im einzelnen dargelegt hat, war es angesichts des Meinungsstreits beider Senate von vornherein ausgeschlossen, daß sich aus dem Blickwinkel eines rational handelnden Gläubigers ein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand der höchstrichterlichen Rechtsprechung bilden konnte. Etwas anderes ist im übrigen auch von der Klägerin in den Tatsacheninstanzen nicht geltend gemacht worden.

III.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.) und die Klage abweisen.
Nobbe Bungeroth Müller
Wassermann Appl

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 214/01 Verkündet am:
11. Februar 2003
Weber,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 11. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe
und die Richter Dr. Bungeroth, Dr. Müller, Dr. Wassermann und Dr. Appl

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 17. Mai 2001 aufgehoben und das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 26. Oktober 2000 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Bürgschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Ehemann der Beklagten - Inhaber eines Schmuckhandelsgeschäfts - war Schuldner mehrerer von der klagenden Bank ausgereichter
Betriebsmittelkredite, darunter zwei Darlehen über 50.000 DM und 240.000 DM mit Zinssätzen von ursprünglich 10,25% sowie 7,75% p.a.. Für beide Kredite übernahm die Beklagte am 3. Januar 1998 eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft über 320.000 DM. Ferner dienten die Geschäftseinrichtung und das Warenlager des Gewerbebetriebes ihres Ehemannes sowie dessen Forderungen aus zwei Lebensversicherungen der Klägerin als Sicherheit.
Anfang 1999 gründete die Beklagte die A. Schmuckhandels GmbH und leitete in der Folgezeit das Unternehmen in den Geschäftsräumen ihres nicht mehr als Einzelkaufmann tätigen Ehemannes. Am 5. März 1999 kündigte die Klägerin die mit ihm bestehende Geschäftsverbindung wegen Verschlechterung der Vermögenslage und Aufgabe seines Unternehmens fristlos und stellte die Kredite fällig. Nach Verwertung der anderweitigen Sicherheiten geht sie gegen die Beklagte aus dem Bürgschaftsvertrag vom 3. Januar 1998 vor.
Die Beklagte hält die Bürgschaft wegen krasser finanzieller Überforderung für sittenwidrig. Bei Abgabe der Bürgschaftserklärung habe sie als Aushilfsverkäuferin im Schmuckhandelsgeschäft ihres Ehemannes ein monatliches Nettogehalt von 466,36 DM erzielt und über kein eigenes Vermögen verfügt.
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 257.414,57 DM nebst Zinsen gerichteten Klage in Höhe von 249.034,42 DM zuzüglich Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage.

I.


Das Berufungsgericht hat den Bürgschaftsvertrag der Parteien für wirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die Bürgschaft sei nicht sittenwidrig. Die Beklagte werde durch die Höchstbetragsbürgschaft über 320.000 DM nicht finanziell kraß überfordert. Zwar habe sie ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnungen und Steuerbescheide für das Jahr 1998 als Aushilfskraft im Betrieb ihres Ehemannes im Monat durchschnittlich nur rund 800 DM brutto verdient und demnach nicht einmal die laufenden Zinsen für die verbürgten Geschäftskredite allein aufbringen können. Die Klägerin habe aber bei Vertragsschluß im Januar 1998 mit einer erheblichen Ausweitung der beruflichen Tätigkeit der Beklagten rechnen können. Durch die Mitarbeit im Unternehmen ihres Ehemannes sei die Beklagte hinreichend geschäftserfahren und die Betreuung der damals schon 14 und 15 Jahre alten Kinder in naher Zukunft nicht mehr erforderlich gewesen. Dafür spreche auch, daß sie seit Februar 1999 als Geschäftsführerin-Gesellschafterin der A. Schmuckhandels GmbH ein eigenes Geschäft betreibe und ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnung im November desselben Jahres 2.557,66 DM netto verdient habe.

Im übrigen sei das Mithaftungsbegehren des Kreditgebers nach der gegenwärtigen Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs , der sich der Senat anschließe, in aller Regel rechtlich vertretbar , weil er sich so möglichst wirksam vor Vermögensverlagerungen vom Hauptschuldner auf den Ehepartner schützen könne. Die Bürgschaft der Beklagten sei deshalb selbst bei einer finanziellen Überforderung hinnehmbar , zumal die Haftung auf den Höchstbetrag von 320.000 DM begrenzt sei. Dem IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs sei außerdem darin zu folgen, daß die bei Bürgschaften für Geschäftskredite des Ehegatten regelmäßig zu erwartenden höheren Unterhaltsleistungen im allgemeinen einen angemessenen Ausgleich darstellten, sofern der Vertragsschluß - wie hier - nicht mit unzulässigen Mitteln herbeigeführt worden sei.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in keinem wesentlichen Punkt stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstößt der Bürgschaftsvertrag der Parteien gegen die guten Sitten und ist infolgedessen nichtig.
1. Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge regelmäßig entscheidend vom Grad des Mißverhältnisses zwischen dem Verpflich-
tungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; Senatsurteile vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125; vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224; vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, WM 2002, 1347, 1348, für BGHZ 151, 34 vorgesehen; vom 14. Mai 2002 - XI ZR 81/01, WM 2002, 1350, 1351; vom 28. Mai 2002 - XI ZR 199/01, WM 2002, 1647, 1648; vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01, WM 2002, 1649, 1651 sowie vom 10. Dezember 2002 - XI ZR 82/02, WM 2003, 275 f.). Zwar reicht selbst der Umstand, daß der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft tragen kann, regelmäßig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, daß er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (st.Rspr., siehe z.B. Senatsurteile vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01 aaO S. 1348 und vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01 aaO, jeweils m.w.Nachw.).
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war die Beklagte weder bei Vertragsschluß im Januar 1998 noch bei Eintritt des Sicherungsfalles in der Lage, die in den der Höchstbetragsbürgschaft über 320.000 DM zugrunde liegenden Kreditverträgen vereinbarten Zinsen
aus eigenem pfändbaren Einkommen und/oder Vermögen auf Dauer allein zu tragen.

a) Da das monatliche Bruttogehalt der Beklagten für ihre geringfügige Aushilfstätigkeit im Schmuckhandelsgeschäft ihres Ehemannes nur rund 800 DM betrug und eigenes nennenswertes Vermögen nicht vorhanden war, konnte sie bei Übernahme der Bürgschaft nicht das Geringste zur vertragsgemäßen Erfüllung auch nur der Zinsansprüche der Klägerin aus den verbürgten Darlehen beitragen.

b) Aus der maßgebenden Sicht eines seriösen und vernünftigen Kreditgebers war unter normalen Umständen auch nicht mit einer wesentlichen und nachhaltigen Verbesserung des finanziellen Leistungsvermögens der Beklagten bis zum ungewissen Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft zu rechnen.
aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats sind bei der gebotenen Prognose grundsätzlich alle erwerbsrelevanten Umstände und Verhältnisse - wie z.B. Alter, Schul- und Berufsausbildung sowie etwaige besondere familiäre oder vergleichbare Belastungen - des erkennbar finanzschwachen Bürgen oder Mithaftenden zu berücksichtigen (vgl. z.B. Senat BGHZ 146, 37, 43; Senatsurteile vom 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1024 und vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 126). Erst wenn danach bei lebensnaher Betrachtung feststeht, daß der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegten Zinsen aus dem pfändbaren Teil seines eigenen Einkommens
und/oder Vermögens bis zum Vertragsende allein aufbringen kann, ist eine krasse finanzielle Überforderung zu bejahen.
bb) So ist es hier. Zwar mag es bei Übernahme der Bürgschaft aufgrund des Alters ihrer 1983 und 1984 geborenen Kinder nahegelegen haben, daß die damals 44 Jahre alte Beklagte alsbald deren Betreuung aufgeben und einer ganztägigen Berufstätigkeit nachgehen werde. Von der Klägerin ist aber nichts dafür vorgetragen, daß die Beklagte in ihrem erlernten Beruf als Arzthelferin oder aber als Verkäuferin unter normalen Umständen so viel verdienen konnte, daß sie die Zinsen aus den verbürgten Darlehen allein aufbringen konnte oder daß eine andere hinreichend gesicherte Aussicht auf eine wesentliche und nachhaltige Verbesserung der Einkommensverhältnisse bestand. Bei voller Valutierung der verbürgten Darlehen beliefen sich die Zinsen auf fast 2.000 DM monatlich. Um diese aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens tragen zu können, hätte die Beklagte selbst ohne Berücksichtigung von Unterhaltspflichten ein Einkommen von fast 4.000 DM netto im Monat erzielen müssen. Nichts spricht nach der Lebenserfahrung dafür, daß ihr dies als Arzthelferin oder als Verkäuferin möglich gewesen wäre.
Daß sie Anfang 1999 die A. Schmuckhandels GmbH gegründet und im November desselben Jahres als deren GeschäftsführerinGesellschafterin 2.557,66 DM netto verdient hat, rechtfertigt keine andere rechtliche Betrachtung. Nichts spricht dafür, daß die Beteiligten mit einer solchen ungewöhnlichen Entwicklung ernsthaft gerechnet und diese - wie es grundsätzlich erforderlich gewesen wäre (vgl. BGHZ 132, 328, 336) - zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht haben. Davon abgesehen ist nicht ersichtlich, daß die Erträge der Beklagten aus
der noch jungen Gesellschaft sowie ihr Geschäftsführergehalt von 2.557,66 DM netto pro Monat ausreichen, um die von den Darlehensvertragsparteien festgelegten Zinsen aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens bis zum Vertragsende allein aufzubringen.
3. Anders als das Berufungsgericht unter ausdrücklicher Berufung auf die "gegenwärtige" Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs angenommen hat, stehen einer Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auch keine anderen Hinderungsgründe entgegen.

a) Die tatsächliche Vermutung, daß die Beklagte die ruinöse Bürgschaft nur aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen und die Klägerin dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, hat die Klägerin nicht widerlegt oder entkräftet. Daß das Schmuckhandelsgeschäft des Ehemanns der Beklagten bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages die Existenzgrundlage der ganzen Familie bildete, ist insoweit nicht von wesentlicher Bedeutung. Der Erwerb eines bloßen mittelbaren geldwerten Vorteils aus der Aufnahme des verbürgten Darlehens - wie etwa eine häufig nur schwer feststellbare und flüchtige Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards oder die vorläufige Erhaltung des Arbeitsplatzes - wiegt nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats das bei Betriebsmittelkrediten regelmäßig ganz besonders große Bürgschaftsrisiko bei weitem nicht auf. Zudem würde der gegenteilige Standpunkt zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung der Ehepartner selbständiger Unternehmer führen (Senat BGHZ 146, 37, 45 f. m.w.Nachw.). Dem hat sich der vormals für das Bürgschaftsrecht zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs jedenfalls für die Fälle krasser finanzieller Überforderung des Bürgen in
seinem schon lange vor der angefochtenen Entscheidung ergangenen Urteil vom 27. Januar 2000 (IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 412, 413) ausdrücklich angeschlossen.

b) Des weiteren stellt das Interesse des Gläubigers, sich mit Hilfe von Bürgschaften oder Mithaftungsabreden möglichst wirksam vor etwaigen Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, allein keinen die Sittenwidrigkeit ausschließenden Umstand dar.
Nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats (siehe zuletzt Urteile vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, aaO S. 1349 f. und XI ZR 81/01, aaO S. 1351 f., jeweils m.w.Nachw.) rechtfertigt das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen zwischen den Eheleuten vorzubeugen, eine an sich wirtschaftlich sinnlose Bürgschaft oder Mithaftungsabrede nur dann, wenn es durch Vereinbarung der Parteien zum Vertragsinhalt gemacht wird. Ohne besondere, vom Kreditgeber darzulegende und notfalls zu beweisende Anhaltspunkte kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daß eine kraß überfordernde Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme inhaltlich von vornherein nur eine erhebliche Vermögensverlagerung zwischen Hauptschuldner und Sicherungsgeber verhindern soll. Die gegenteilige Auffassung verstößt gegen allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze und das im Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltende Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Dieser Standpunkt wird inzwischen im Grundsatz auch vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs geteilt (vgl. Urteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2329 f.). Soweit dies nicht für Bürgschaftsverträge aus der Zeit vor dem 1. Januar 1999 gelten soll, weil für die Kreditinstitute damals noch nicht hinreichend klar gewesen sei, inwieweit sie
ihr Interesse an einem möglichst wirksamen Schutz vor Vermögensverschiebungen über die bloße Hereinnahme der Bürgschaft hinaus durch geeignete vertragliche Regelungen absichern mußten, ist dem nicht zu folgen. Wie der erkennende Senat in den zitierten Urteilen vom 14. Mai 2002 (XI ZR 50/01, aaO und XI ZR 81/01, aaO) im einzelnen dargelegt hat, war es angesichts des Meinungsstreits beider Senate von vornherein ausgeschlossen, daß sich aus dem Blickwinkel eines rational handelnden Gläubigers ein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand der höchstrichterlichen Rechtsprechung bilden konnte. Etwas anderes ist im übrigen auch von der Klägerin in den Tatsacheninstanzen nicht geltend gemacht worden.

III.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.) und die Klage abweisen.
Nobbe Bungeroth Müller
Wassermann Appl

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 283/99
Verkündet am:
27. Mai 2003
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Vermag sich eine Partei an ein Geschehen nicht zu erinnern, kann sie dazu
gleichwohl eine ihr günstige Behauptung unter Zeugenbeweis stellen, wenn
sie hinreichende Anhaltspunkte dafür vorträgt, daß der Zeuge - anders als
sie selbst - das notwendige Wissen hat.
Zur Annahme eines auf einen freien Willensentschluß hindeutenden und ein
Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit widerlegenden Eigeninteresses
des finanziell kraß überforderten Bürgen an dem verbürgten Darlehen
seiner Lebensgefährtin genügt, daß eine rechtliche Beteiligung des Bürgen
an dem finanzierten Objekt konkret vorgesehen ist. Das trifft insbesondere
zu, wenn bei Übernahme der Bürgschaft der Entwurf eines notariellen Vertrags
vorliegt, durch den der Bürge hälftiges Miteigentum an dem Objekt erhalten
soll.
BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 283/99 - OLG Hamm
LG Hagen
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Kirchhof, Dr. Fischer, Raebel und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. Mai 1999 aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 8. September 1998 im Kostenpunkt aufgehoben und insoweit abgeändert, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 250.000 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit dem 1. September 1997 verurteilt worden ist. Im Umfang der Abänderung wird die Klage abgewiesen.
Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revisionsinstanz - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaft in Anspruch. Sie gewährte der Lebensgefährtin des Beklagten, Frau M. L. (im folgenden auch: Hauptschuldnerin) am 30. August 1994 ein ERP-Existenzgründungsdarlehen über 585.000 DM und am 6. Oktober 1994 zwei Hausbankdarlehen über 120.000 DM und 15.000 DM. Weiterhin räumte sie Frau L. am 6. Oktober 1994 einen Kontokorrentkredit über 100.000 DM ein. Die Kredite dienten gemeinsam mit einem Frau L. am 1. Juli/30. August 1994 durch die D. A. bank gewährten EKH-Eigenkapitalhilfedarlehen in Höhe von 380.000 DM dem Kauf und der Modernisierung des Hotels "W. " in St. (S. ), das Frau L. betreiben wollte.
Der Beklagte übernahm unter dem 26. September 1994 zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrag von 1.145.000 DM. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte, der seine ursprüngliche Arbeitsstelle aufgegeben hatte, bereits für den Hotelbetrieb von Frau L. tätig. Der Beklagte und Frau L. beabsichtigten, das Hotel gemeinsam zu führen. Es war geplant, den Beklagten "eigentumsmäßig" zur Hälfte zu beteiligen ; ein entsprechender notarieller Vertrag lag im Entwurf vor. Wegen eines Gebührenstreits mit dem Amtsgericht kam es im folgenden nicht zu einer Übereignung. Als die Aufgabe des Hotelbetriebs abzusehen war, wurde der Vertrag annulliert.
Mit Schreiben vom 7. August 1997 kündigte die Klägerin der Hauptschuldnerin wegen der Aufgabe des Hotelbetriebs die von ihr gewährten Darlehen sowie namens und in Vollmacht der D. A. bank auch das EKH-Darlehen. Die Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin gegenüber der
Klägerin beliefen sich zu diesem Zeitpunkt auf 689.579,78 DM. Ebenfalls mit Schreiben vom 7. August 1997 nahm die Klägerin den Beklagten aus dessen Bürgschaft in Anspruch und forderte ihn auf, den offenen Debet-Saldo mit Einschluß des EKH-Darlehens in Höhe von insgesamt 1.069.579,78 DM bis zum 31. August 1997 auszugleichen.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin einen Teilbetrag von 350.000 DM nebst Zinsen geltend gemacht. Nach Erlaß des erstinstanzlichen Urteils einigte sich die Klägerin am 16. Dezember 1998 mit der Hauptschuldnerin und dem Beklagten , daß diese gesamtschuldnerisch nur noch für einen Betrag von 250.000 DM nebst Zinsen aus dem im Obligo stehenden Kreditengagement der Klägerin haften. Von dieser Vereinbarung blieb das EKH-Darlehen in Höhe von 380.000 DM ausdrücklich ausgenommen.
Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und wegen des 250.000 DM nebst Zinsen übersteigenden Betrages (EKH-Darlehen) zur Klageabweisung, im übrigen zur Zurückverweisung.

I.


Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die von dem Beklagten übernommene Bürgschaft sei wirksam. Insbesondere habe es sich nicht um eine gegen das Schriftformgebot verstoßende sogenannte Blankobürgschaft gehandelt. Der Bürgschaftsvertrag sei trotz der Höhe des Bürgschaftsbetrages auch nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Zwar dürfte ein Mißverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und der Leistungsfähigkeit des Beklagten bestehen. Beide Lebensgefährten hätten in ihrer Selbstauskunft vom 20. September 1994 ein "sonstiges Vermögen" (Guthaben, Wertpapiere) in Höhe von 30.000 DM und 70.000 DM angegeben. Diese für sich genommen nicht unbedeutende Summe falle gegenüber dem Höchstbetragsrahmen der Bürgschaft von 1.145.000 DM nicht ins Gewicht. Auch das in der Selbstauskunft des Beklagten angegebene monatliche "Fixum + Provision in Höhe von 1.500,00 DM" habe für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beklagten keine Bedeutung. Indessen hätten der Beklagte und die Hauptschuldnerin vorgehabt, das Hotel "W. " gemeinsam zu betreiben. Der Durchführung dieses Vorhabens hätten nicht nur die Kredite der Hauptschuldnerin, sondern auch die Bürgschaft des Beklagten gedient. Diese sei deshalb für ihn ein wirtschaftlich sinnvolles Geschäft gewesen, das maßgeblich von unabhängigen, eigenverantwortlichen Erwägungen des Beklagten gesteuert worden sei, die ihre Ursache außerhalb seiner persönlichen Beziehung zu der Hauptschuldnerin gehabt hätten. Soweit der Beklagte behaupte, die Zeugin Str. - Zweigstellenleiterin der Klägerin - habe vor Unterzeichnung der Bürgschaft ausdrücklich erklärt, daß sie diese nur "pro-forma" benötige, sei dem wegen des Vorhabens, das Hotel "W. " gemeinsam mit der Hauptschuldnerin zu betreiben, keine Bedeutung beizumessen.
Die Klägerin sei auch berechtigt, den Beklagten über den aus dem Gesamtobligo verbleibenden Betrag von 250.000 DM hinaus in Höhe von weiteren 100.000 DM aus dem EKH-Darlehen der D. A. bank in Anspruch zu nehmen. Aus Sinn und Zweck des Darlehensvertrages zwischen der Hauptschuldnerin und der D. A. bank folge, daß die darin mit der Verwaltung des Darlehens betraute Klägerin rechtlich die Stellung einer mittelbaren Stellvertreterin wahrnehmen sollte. Nach den Vertragsbestimmungen sei vorrangig die Klägerin Ansprechpartnerin der Hauptschuldnerin und des Beklagten gewesen, die durch die Weiterleitung der ihr als Hausbank zur Verfügung gestellten Darlehensvaluta jedenfalls im eigenen Namen berechtigt und verpflichtet werden sollte.

II.


Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft die Voraussetzungen einer Blankobürgschaft verneint, greift durch.
Fehlt in der Bürgschaftsurkunde mindestens eines der zur Wahrung der Schriftform unabdingbaren Merkmale und hat der Bürge einen anderen mündlich ermächtigt, die fehlenden Angaben zu ergänzen, handelt es sich um eine unwirksame Bürgschaft (BGHZ 132, 119, 122 f). Danach ist die Schriftform nur gewahrt, wenn die Urkunde außer dem Willen, für fremde Schuld einzustehen, auch die Bezeichnung des Gläubigers, des Hauptschuldners und der verbürg-
ten Forderung enthält (BGHZ 76, 187, 189; BGH, Urt. v. 3. Dezember 1992 - IX ZR 29/92, NJW 1993, 724, 725; v. 30. März 1995 - IX ZR 98/94, NJW 1995, 1886 f).
Der Beklagte hat behauptet, er habe die Bürgschaftsurkunde unterzeichnet , als weder die Person des Bürgen noch die Höhe von Darlehens- und Bürgschaftsverpflichtung eingetragen gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der gemäß § 141 ZPO angehörte Beklagte allerdings erklärt, er wisse nicht mehr, ob das Bürgschaftsformular blanko von ihm unterzeichnet worden sei. Er könne sich weder auf die eine noch auf die andere Richtung festlegen.
Das Berufungsgericht hat zu Unrecht von einer Beweisaufnahme abgesehen. Der Beklagte hat in der Berufungsbegründung substantiiert ausgeführt, das Bürgschaftsformular sei bei der Unterzeichnung durch ihn nicht ausgefüllt gewesen. Einer Partei darf nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann. Sie kann deshalb genötigt sein, eine von ihr nur vermutete Tatsache zu behaupten und unter Beweis zu stellen (BGH, Urt. v. 25. März 1987 - IVa ZR 224/85, NJW 1988, 60, 63 m.w.N.; v. 20. Juni 2002 - IX ZR 177/99, ZIP 2002, 1408, 1410). Unzulässig wird ein solches prozessuales Vorgehen erst dort, wo die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt (BGH, Urt. v. 4. März 1991 - II ZR 90/90, NJW-RR 1991, 888, 891 m.w.N.; v. 23. April 1991 - X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2709; v. 25. Februar 1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967, 1968; v. 25. April 1995 - VI ZR 178/94, NJW 1995, 2111,
2112; v. 17. September 1998 - III ZR 174/97, NJW-RR 1999, 361). Bei der An- nahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können (vgl. BGH, Urt. v. 23. April 1991, aaO; v. 25. Februar 1992, aaO; v. 25. April 1995, aaO; v. 17. September 1998, aaO).
Hier hat der Beklagte für die Richtigkeit seiner Behauptungen die Zeuginnen L. und Str. benannt und zugleich hinreichende Anhaltspunkte dafür vorgetragen, daß diese Zeuginnen - anders als er selbst - wissen und bekunden können, die Bürgschaftsurkunde habe nicht den zu einer formwirksamen Bürgschaft nötigen Inhalt gehabt, als er sie unterschrieb.
2. Ein weiterer Verfahrensverstoß ist dem Berufungsgericht bei der Verneinung der tatsächlichen Voraussetzungen für eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft unterlaufen.

a) Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft allein wegen krasser Überforderung des Beklagten und seiner emotionalen Verbindung zur Hauptschuldnerin abgelehnt.
aa) Zwar wird der Beklagte - wie das Berufungsgericht richtig ausführt - durch die Bürgschaft wirtschaftlich kraß überfordert. Es bestand auch eine emotionale Verbundenheit zur Hauptschuldnerin, weil der Beklagte mit ihr in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammenlebte; insofern sind Lebensgefährten und Ehepartner gleich zu behandeln (BGH, Urt. v. 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, NJW 2002, 744, 745 m.w.N.). Unter diesen Umständen wird widerleglich vermutet, daß die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus
emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen wurde und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (BGH, Urt. v. 4. Dezember 2001, aaO; v. 26. April 2001 - IX ZR 337/98, NJW 2001, 2466, 2467 m.w.N.; v. 13. November 2001 - XI ZR 82/01, NJW 2002, 746).
bb) Diese tatsächliche Vermutung ist jedoch widerlegt. Der Beklagte hat sich bei der Übernahme der Bürgschaft von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos leiten lassen.
Ein auf einen freien Willensentschluß hindeutendes und ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit widerlegendes Eigeninteresse des finanziell kraß überforderten Partners an der Darlehensgewährung ist grundsätzlich zu bejahen, wenn er zusammen mit dem Lebensgefährten ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung hat oder ihm aus der Verwendung der Darlehensvaluta unmittelbare und ins Gewicht fallende geldwerte Vorteile erwachsen sind (BGHZ 146, 37, 42, 45; BGH, Urt. v. 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, NJW 2000, 1182, 1184; Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 12). Bei wirtschaftlicher Betrachtung besteht dann kein wesentlicher Unterschied zu den Fällen, in denen die Lebensgefährten den Kredit als gleichberechtigte Vertragspartner aufgenommen und verwandt haben. Als eigener geldwerter Vorteil kommt auch der Erwerb von Miteigentum an den mit den Krediten finanzierten Gegenständen in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 27. Januar 2000, aaO S. 1184).
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der Beklagte zusammen mit der Hauptschuldnerin ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung hatte. Der von der Klägerin finanzierte Hotel- und Restaurantbetrieb sei als Investitionsmodell für die Zukunft beider Lebenspartner gedacht
gewesen. Der Beklagte habe mit seiner Lebensgefährtin eine neue Existenz in den neuen Bundesländern aufbauen wollen. Deshalb hat das Berufungsgericht die Bürgschaft als Investition zum Aufbau einer Existenz und den beabsichtigten Betrieb des Hotels als "joint venture" beider Lebenspartner gewertet. Der Beklagte habe selbst erklärt, von ihm und der Hauptschuldnerin sei beabsichtigt gewesen, das Hotel gemeinsam zu führen. Es sei geplant gewesen, ihn später eigentumsmäßig zur Hälfte zu beteiligen. Ein entsprechender notarieller Vertrag sei bereits entworfen worden. Zu einer Übereignung sei es aber wegen eines langwierigen Gebührenstreits mit dem Amtsgericht nicht gekommen. Es sei dann auch die Aufgabe des Hotelbetriebs abzusehen gewesen, so daß der Vertrag annulliert worden sei. Unbestritten hat der Beklagte zudem etwa 120.000 DM in das Objekt investiert.
Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Interesse des Beklagten an dem Vorhaben der Hauptschuldnerin habe sich auf Hoffnungen und Erwartungen beschränkt. Der Beklagte sei zum Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung weder rechtlich noch wirtschaftlich an dem Projekt der Hauptschuldnerin beteiligt gewesen. Anders als die Revision meint, kommt es nicht darauf an, ob die Erwartungen des Bürgen, am Erfolg des Unternehmens beteiligt zu werden, rechtlich abgesichert sind. Ob ein wirtschaftliches Eigeninteresse vorliegt, ist in erster Linie eine tatsächliche Frage. Daher genügt es für ein wirtschaftliches Eigeninteresse des Bürgen, wenn für ihn bei Abgabe seiner Bürgschaftserklärung eine realistische Aussicht besteht, unmittelbar von der Kreditgewährung zu profitieren. Hier lag bereits der Entwurf eines notariellen Vertrages vor, mit dem der Beklagte hälftiges Eigentum am Hotel erhalten sollte. Daß sich diese Aussichten nach der Bürgschaftserklärung aus Gründen zerschlugen, die die Klägerin nicht zu vertreten hat, beseitigt das bei der Bürgschaftserklärung be-
stehende wirtschaftliche Eigeninteresse des Beklagten nicht. Daher genügt es, wenn ein innerer Zusammenhang zwischen der - nach der Planung der Lebensgefährten - auch dem Beklagten unmittelbar zugute kommenden Verwendung des Darlehens und der Bürgschaft nicht zu leugnen ist (vgl. BGH, Urt. v. 6. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, NJW 1999, 135 zur Umschuldung bei Krediten , die ein Ehegatte aufgenommen hat). So liegt der Fall hier.
cc) Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Klägerin die Bürgschaft auch oder allein deshalb verlangt hat, weil sie die Nachteile möglicher Vermögensverschiebungen ausgleichen wollte. Da die Bürgschaft angesichts des von wirtschaftlich vernünftigen Erwägungen geleiteten Eigeninteresses des Beklagten von der Klägerin nicht in sittenwidriger Weise erlangt ist, führt es nicht zur Sittenwidrigkeit, wenn die von der Gläubigerin verfolgten (anderen) Motive für die Bürgschaftsbestellung nicht vorliegen oder ein Schutz vor Vermögensverschiebungen rechtlich nicht erheblich sein sollte (so nunmehr BGH, Urt. v. 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, NJW 2002, 2228 ff; v. 14. Mai 2002 - XI ZR 81/01, NJW 2002, 2230 ff). Daher kann dahinstehen, ob die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Schlüssigkeit der entsprechenden Einwendungen des Beklagten zutreffen.

b) Eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft ist jedoch zu bejahen, wenn die Behauptung des Beklagten zutreffen sollte, die Zweigstellenleiterin der Klägerin habe vor Unterzeichnung der Bürgschaft erklärt, die Bürgschaft sei eine Formsache, sie benötige diese nur pro forma.
Wirkt das Kreditinstitut selbst in unzulässiger Weise auf die Entschließung des finanziell überforderten Bürgen ein, indem es durch Angestellte die
Tragweite der Bürgschaft verharmlost oder verschleiert, insbesondere die Unterschrift als reine Formalität darstellt, kann dies die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft begründen (vgl. BGHZ 120, 272, 277; BGH, Urt. v. 24. Februar 1994 - IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341, 1343; v. 8. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, NJW 1999, 135, 136). Dabei kommt es jedoch auf die Gesamtumstände an. So fehlt es an einer sittenwidrigen Beeinträchtigung der Willensfreiheit, wenn es sich für die Beteiligten erkennbar nur um eine allgemeine Redensart ohne inhaltliche Aussage über Umfang und Bedeutung des Risikos handelt (BGH, Urt. v. 5. Januar 1955 - IV ZR 112/54, WM 1955, 375, 376; v. 24. Februar 1994, aaO S. 1344; vgl. auch BGH, Urt. v. 15. April 1997 - IX ZR 112/96, NJW 1997, 3230, 3231).
Im Streitfall liegt eine unzulässige Einflußnahme der Klägerin auf den Beklagten vor, wenn sich die Richtigkeit seiner Behauptungen beweisen sollte. In der Klageerwiderung des Beklagten heißt es insoweit:
"Der Beklagte wies darauf hin, daß er nach Kündigung seines Anstellungsvertrages bei seiner Arbeitgeberin zunächst über kein Einkommen verfügte und hoffte, zukünftig ein angemessenes Einkommen in dem geplanten Hotelbetrieb seiner Lebensgefährtin erarbeiten zu können. Gerade für den Fall, daß das Hotel nicht rentabel betrieben werden konnte und infolgedessen Kredite notleidend werden könnten, hätte ja auch der Beklagte kein Einkommen mehr, so daß die Erfüllung einer Bürgschaftsverpflichtung genau für den Fall, daß die Bürgschaft in Anspruch genommen werden müßte, mangels eines Einkommens des Beklagten gar nicht erfüllt werden könnte (und zwar unabhängig von der Höhe der Bürgschaft). Die Zweigstellenleiterin der Klägerin erklärte daraufhin, daß sie die Bürgschaft nur pro forma benötige, woraufhin der Beklagte das Bürgschaftsformular schließlich unterschrieb."

Zum Beweis für dieses Vorbringen hat der Beklagte sich auf das Zeugnis der Hauptschuldnerin berufen. In der Berufungsbegründung hat der Beklagte ausgeführt:
"Ein weiterer besonderer Umstand, welcher die Bürgschaft als Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden erscheinen läßt, liegt darin begründet, daß die Zeugin Str. vor Unterzeichnung des Vertrages ausdrücklich erklärt hat, daß sie die Bürgschaft nur 'pro forma' benötige."
Zum Beweis für diese Behauptung hat sich der Beklagte wiederum auf das Zeugnis der Hauptschuldnerin und zusätzlich auf das von H. Str. , der Zweigstellenleiterin der Klägerin, berufen. Schließlich hat der Beklagte in der Berufungsinstanz im Schriftsatz vom 12. April 1999 vorgetragen:
"Bei der Bürgschaftsübernahme erbat deren [d.h. der Klägerin] Mitarbeiterin Str. vom Beklagten eine Einkommensbescheinigung seines Arbeitgebers. Der Beklagte erklärte dazu, daß er ohnehin früher als freier Handelsvertreter tätig gewesen sei und zudem diese Tätigkeit schon lange nicht mehr ausübe. ... Als Reaktion darauf erklärte die klägerische Mitarbeiterin Str. , daß es dann auch so gehe, weil die Bürgschaft ja ohnehin nur eine Formsache sei."
Zum Beweis für dieses Vorbringen hat der Beklagte sich erneut auf das Zeugnis der Hauptschuldnerin und von H. Str. berufen.
Erweisen sich diese Behauptungen als richtig, wurde insbesondere die Erklärung des Beklagten, er könne im Bürgschaftsfall gar nicht zahlen, mit dem
Hinweis beantwortet, die Klägerin benötige die Bürgschaft nur pro forma, konnte der Beklagte dem entnehmen, er werde unter den von ihm geschilderten Umständen im Bürgschaftsfall nicht in Anspruch genommen werden. Wenn er im Vertrauen darauf die Bürgschaftsurkunde unterschrieb, handelt die Klägerin anstößig, wenn sie den durch die Bürgschaft finanziell kraß überforderten Beklagten gleichwohl an seiner Erklärung festhält; der Bürgschaftsvertrag ist dann wegen Sittenwidrigkeit nichtig.

III.


Das Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben und ist aufzuheben.
1. Soweit die Klägerin 250.000 DM nebst Zinsen wegen der Verbürgung für die von ihr ausgelegten Kredite begehrt, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die für die Behauptungen des Beklagten zur "Blanko-" und zur "pro-forma-Bürgschaft" angetretenen Beweise erheben kann.
2. Soweit die Klage auf eine Verbürgung des EKH-Darlehens gestützt wird, ist die Sache zur Endentscheidung reif. In diesem Umfang ist die Klage abzuweisen, weil dieses Darlehen von der Bürgschaft nicht umfaßt wird.

a) Der Grund dafür ist freilich nicht in der Unwirksamkeit der formularmäßig weiten Zweckerklärung zu suchen (vgl. insoweit § 9 Abs. 1 AGBG [jetzt § 307 Abs. 1 BGB n.F.]; BGHZ 130, 19, 32 f). Die von der Klägerin geltend gemachten Kredite sind sämtlich Anlaßkredite für die Bürgschaft gewesen. Maß-
geblich ist der objektive Anlaß, der sich nach dem aktuellen Sicherungsbedürfnis des Gläubigers und der Wahrung des Verbots der Fremddisposition richtet (BGHZ 130, 19, 33 f). Bei Abgabe der Bürgschaftserklärung waren den Beteiligten unstreitig alle beantragten Kreditmittel bekannt, zu deren Sicherung die Bürgschaft dienen sollte, insbesondere standen Kreditbeträge und Kreditgeber bereits fest. Daß die Hauptschuldnerin einzelne Kreditverträge erst kurze Zeit nach der Bürgschaftserklärung rechtsverbindlich unterzeichnete, steht daher der Einordnung als Anlaßkredit nicht im Wege.

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sichert die Bürgschaft jedoch nicht das EKH-Darlehen. Die D. A. bank ist nicht Gläubigerin der Bürgschaft; die Bürgschaftsurkunde bezeichnet allein die Klägerin als Gläubigerin.
Bei dem EKH-Darlehen handelt es sich auch nicht um Ansprüche der Klägerin, die von der Bürgschaft umfaßt sein könnten. Der Darlehensvertrag wurde zwischen der Hauptschuldnerin und der D. A. bank abgeschlossen. Die Hauptschuldnerin beantragte die Gewährung dieses Darlehens unmittelbar bei der D. A. bank. Die Klägerin sollte das Darlehen zwar verwalten, jedoch im Namen der D. A. bank. Hierzu erklärte sich die Klägerin im Begleitschreiben zum Darlehensantrag der Hauptschuldnerin ausdrücklich bereit. Dementsprechend ist die Klägerin verfahren ; soweit ersichtlich, hat sie Erklärungen bezüglich des Darlehens der D. A. bank immer in deren Namen abgegeben. Dies gilt insbesondere auch für die Kündigung der Kredite. Das EKH-Darlehen hat die Klägerin gesondert und ausdrücklich "namens und in Vollmacht der D. A. bank handelnd" gekündigt. Bei der Angabe der Gesamtverbindlichkeiten
in dem an die Hauptschuldnerin gerichteten Kündigungsschreiben bezog die Klägerin das EKH-Darlehen nicht ein. Danach besteht - wie die Revision zutreffend rügt - kein Anhaltspunkt für die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe im Hinblick auf das EKH-Darlehen die Stellung einer mittelbaren Stellvertreterin wahrnehmen sollen. Dazu hätte die Klägerin zumindest im eigenen Namen handeln müssen. Dies hat sie an keiner Stelle getan; auch das Berufungsgericht zeigt ein solches Handeln der Klägerin in bezug auf das EKH-Darlehen nicht auf. Bei der Vereinbarung vom 16. Dezember 1998 hat die Klägerin das EKH-Darlehen ausdrücklich ausgenommen und ausgeführt, daß dieses "neben der Forderung der Klägerin besteht und im Obligo der D. A. bank in B. steht". Damit hat die Klägerin selbst klar zu erkennen gegeben, daß auch sie bezüglich des EKH-Darlehens nicht von einer eigenen Forderung gegen die Hauptschuldnerin ausging. Daß die D. A. bank nach der Auffassung des Berufungsgerichts "möglichst weit außen vorgehalten werden sollte", mag zwar als Beschreibung der tatsächlichen Verhältnisse zutreffen, enthält jedoch keinen Anknüpfungspunkt für die allein nach rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilende Frage, ob die Klägerin Ansprüche aus dem EKH-Darlehen im eigenen Namen geltend machen durfte. Auch die Klägerin hat hierzu im Prozeß nichts vorgetragen. Vielmehr hat sie erklärt, daß das EKH-Darlehen "von der D. A. bank über die Klägerin als eingeschaltete Primärbank gewährt worden" sei. Dies genügt nicht, um die Forderung aus dem EKH-Darlehen zu einer eigenen Forderung der Klägerin zu machen, die durch die Bürgschaft gesichert wird.
Kreft Kirchhof Fischer Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bergmann ist wegen Urlaubs verhindert, seine Unterschrift beizufügen
Raebel Kreft

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 82/02 Verkündet am:
10. Dezember 2002
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zur Wirksamkeit ruinöser
Gesellschafterbürgschaften gelten in der Regel auch für Minderheitsgesellschafter
der kreditsuchenden GmbH, und zwar auch dann, wenn der
Betroffene nicht mit der Geschäftsführung betraut ist. Nur bei unbedeutenden
Bagatell- und Splitterbeteiligungen kann nach dem Schutzgedanken
des § 138 Abs. 1 BGB eine andere rechtliche Beurteilung in Betracht kommen.
BGH, Urteil vom 10. Dezember 2002 - XI ZR 82/02 - OLG Karlsruhe
LG Baden-Baden
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 10. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe, die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die
Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 18. Januar 2002 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts BadenBaden vom 3. April 2001 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Kläger.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Bürgschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Autohaus B. GmbH (nachfolgend: B. GmbH) nahm im Jahre 1992 bei der beklagten Bank einen Geschäftskredit auf. Zur Sicherung
ihrer Ansprüche übernahmen der Kläger und beide Mitgesellschafter eine Höchstbetragsbürgschaft über 350.000 DM und erhöhten die Haftungssumme im nächsten Jahr auf 400.000 DM. Als die Kreditlinie nochmals erweitert wurde, schlossen die Beteiligten am 4. Mai 1995 einen Bürgschaftsvertrag bis zum Höchstbetrag von 469.000 DM.
Der Kläger hatte im November 1992 an der B. GmbH, deren Stammkapital 50.000 DM betrug, einen nominellen Geschäftsanteil von 5.000 DM für 50.000 DM gekauft und war damals bei ihr als Kfz-Meister beschäftigt. Geschäftsführer war der Mehrheitsgesellschafter H.. Außer der Gesellschaftsbeteiligung besitzt der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau ein Hausgrundstück.
Der Kläger, der den Bürgschaftsvertrag vom 4. Mai 1995 wegen krasser finanzieller Überforderung für sittenwidrig erachtet und mit der Klage dessen Unwirksamkeit festgestellt haben will, hat u.a. vorgetragen : Das ihm und seiner Ehefrau jeweils zur Hälfte gehörende Hausgrundstück sei zum damaligen Zeitpunkt erheblich belastet und höchstens 390.000 DM wert gewesen. Mit dem von der B. GmbH bezogenen Gehalt habe er keinen erheblichen Beitrag zur Erfüllung der Bürgschaftsverpflichtung leisten können. Zur Unterzeichnung der Bürgschaft sei er durch den geschäftsführenden Mitgesellschafter H. gedrängt und durch verharmlosende Erklärungen veranlaßt worden.
Das Landgericht hat die Feststellungsklage des Klägers abgewiesen , das Berufungsgericht ihr stattgegeben. Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Abweisung der Klage.

I.


Das Berufungsgericht hat die Höchstbetragsbürgschaft des Klägers über 469.000 DM für sittenwidrig erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Der Bürgschaftsvertrag vom 4. Mai 1995 überfordere den Kläger finanziell in krasser Weise. Nach seinen Gehaltsbescheinigungen für das Jahr 1995 habe er bei der B. GmbH im Monat durchschnittlich 3.483,60 DM netto verdient und infolgedessen die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte monatliche Zinslast von 3.419,79 DM nicht allein auf Dauer tragen können. Die ihm gehörende Haushälfte sei unter Berücksichtigung der nachgewiesenen dinglichen Belastungen nicht so wertvoll, daß ein Verkaufserlös ihn dazu vermutlich in die Lage versetzen würde.
Außer der krassen finanziellen Überforderung lägen auch zusätzliche erschwerende und der Beklagten zurechenbare Umstände vor. Nach der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, daß sie die Kreditlinie der B. GmbH ohne die Bürgschaftserklärungen aller Gesellschafter nicht er-
weitert hätte. Der Kläger habe daher keine andere Wahl gehabt, als entweder die Vertragsurkunde auf Drängen des geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafters H. zu unterzeichnen oder den Verlust seiner Arbeitsstelle in Kauf zu nehmen. Diese Zwangslage habe die Beklagte bewußt ausgenutzt.
Daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Kreditinstitut regelmäßig ein berechtigtes Interesse an einer Mithaftung aller maßgeblich beteiligten Gesellschafter habe, entlaste die Beklagte nicht. Der Kläger sei an der B. GmbH weder maßgeblich beteiligt noch für die entstehenden Forderungen der Beklagten rechtlich und wirtschaftlich verantwortlich gewesen. Ein besonderes Interesse des Klägers am Fortbestehen der Gesellschaft sei nicht festzustellen, zumal er keine Gewinnausschüttung erhalten habe.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstößt der Bürgschaftsvertrag der Parteien vom 4. Mai 1995 nicht gegen die guten Sitten.
1. Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. Zivilsenats und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge regelmäßig entscheidend vom Grad des Mißverhältnisses zwischen dem
Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; Senatsurteile vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224; vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, WM 2002, 1347, 1348, für BGHZ vorgesehen; vom 14. Mai 2002 - XI ZR 81/01, WM 2002, 1350, 1351 und vom 28. Mai 2002 - XI ZR 199/01, WM 2002, 1647, 1648 sowie XI ZR 205/01, WM 2002, 1649, 1651).
2. Diese Grundsätze gelten jedoch abgesehen davon, daß es hier an einem persönlichen Näheverhältnis des Klägers zu einem Mitgesellschafter fehlt, grundsätzlich nicht für Bürgschaftserklärungen von GmbHGesellschaftern für Verbindlichkeiten der GmbH.

a) Nach der Rechtsprechung des vormals für das Bürgschaftsrecht zuständigen IX. Zivilsenats (BGHZ 137, 329, 336 ff.; BGH, Urteile vom 11. Dezember 1997 - IX ZR 274/96, WM 1998, 235, 236, insoweit in BGHZ 137, 292 ff. nicht abgedruckt, und vom 18. September 2001 - IX ZR 183/00, WM 2001, 2156, 2157; BGH, Beschluß vom 28. Februar 2002 - IX ZR 153/00, WM 2002, 923; BGH, Urteil vom 1. Oktober 2002 - IX ZR 443/00, WM 2002, 2278 f.) und des erkennenden Senats (Urteile vom 15. Januar 2002 - XI ZR 98/01, WM 2002, 436; vom 28. Mai 2002 - XI ZR 199/01, aaO S. 1648 und vom 17. September 2002 - XI ZR 306/01, Umdr. S. 11 f.) hat - wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat - ein Kreditinstitut, das einer GmbH oder KG ein Darlehen gewährt , grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der persönlichen Haftung ihrer Gesellschafter. Die gängige Bankpraxis, bei der Gewährung von Gesellschaftskrediten Bürgschaften der Gesellschafter zu verlangen,
ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden. Dabei kann die Bank im all- gemeinen davon ausgehen, daß die Beteiligung an der Gesellschaft aus eigenem finanziellen Interesse erfolgt und die Bürgschaft für den betreffenden Gesellschafter kein unzumutbares Risiko darstellt.

b) Zwar hat der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in dem vom Berufungsgericht herangezogenen Urteil vom 18. September 2001 (IX ZR 183/00, aaO S. 2157; vgl. ferner Urteil vom 11. Dezember 1997 - IX ZR 274/96, WM aaO S. 236) seine Rechtsprechung ohne nähere Begründung auf "maßgeblich" beteiligte GmbH-Gesellschafter beschränkt , überdies ist an gleicher Stelle von für die Gesellschaftsschulden "rechtlich und wirtschaftlich verantwortlichen" Personen die Rede. Dies ist aber nicht dahingehend zu verstehen, daß sich grundsätzlich nur Allein- bzw. Mehrheitsgesellschafter oder Geschäftsführer-Gesellschafter für ihre eigene finanzielle Leistungsfähigkeit weit übersteigende Betriebsmittelkredite wirksam verbürgen könnten. Wie seinem Urteil vom 16. Januar 1997 (IX ZR 250/97, WM 1997, 511, 513) zu entnehmen ist, ist dies auch bei einer Beteiligung in Höhe von 10% an der darlehensnehmenden GmbH möglich, ohne daß der betroffene Gesellschafter als Geschäftsführer für deren Kreditaufnahmeverhalten verantwortlich sein muß. In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der erkennende Senat in dem erst nach der angefochtenen Entscheidung veröffentlichten Urteil vom 15. Januar 2002 (XI ZR 98/01, aaO S. 436) die beklagte Bürgin, die bei Vertragsschluß 25% der Geschäftsanteile der Hauptschuldnerin (GmbH) hielt, ohne zur Geschäftsführung befugt zu sein, als "maßgeblich" beteiligt angesehen.

c) Im vorliegenden Streitfall gilt nichts anderes. Mit dem Begriff der "maßgeblichen Beteiligung" des Bürgen an der kreditsuchenden GmbH bzw. KG oder ähnlichen Formulierungen sollen lediglich unbedeutende Bagatell- oder Splitterbeteiligungen ausgeschieden werden. Nur bei ihnen kann es - namentlich bei ertragsschwachen und auch über kein ins Gewicht fallendes Eigenkapital verfügenden Gesellschaften - ausnahmsweise sachlich gerechtfertigt sein, den unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht nennenswert an der Kreditnehmerin beteiligten finanzschwachen Bürgen nach dem Schutzgedanken des § 138 Abs. 1 BGB im Ergebnis wie einen bloßen Strohmanngesellschafter ohne jedes Eigeninteresse an der treuhänderisch gehaltenen Beteiligung zu behandeln (zum Strohmanngesellschafter vgl. Senatsurteile vom 15. Januar 2002 - XI ZR 98/01, aaO S. 437; vom 28. Mai 2002 - XI ZR 199/01, aaO S. 1648 f. und vom 17. September 2002 - XI ZR 306/01, Umdr. S. 12 f. m.w.Nachw.). Ein solcher Ausnahmefall ist hier aber nicht gegeben.
Eine Beteiligung in Höhe von 10% an einer werbenden GmbH, wie sie der Kläger bei Abgabe der Bürgschaftserklärungen an der B. GmbH hielt, stellt gewöhnlich einen erheblichen Vermögenswert dar. Außerdem repräsentiert sie nach der allgemeinen Verkehrsanschauung einen nennenswerten Anteil am Gesellschaftskapital. Dies ist auch die Vorstellung des Gesetzgebers. § 50 GmbHG läßt einen Anteil von 10% am Stammkapital der Gesellschaft zur Ausübung der bedeutsamen Minderheitsrechte genügen. Daß sich ein solcher Minderheitsgesellschafter - ähnlich wie ein Strohmann ohne jedes eigene wirtschaftliche Interesse - von den Wünschen des ihm persönlich besonders nahe stehenden und die Geschäftspolitik bestimmenden Mehrheitsgesellschafters oder Dritten leiten läßt und weitgehend fremdbestimmte Bürgschaftserklärungen abgibt, ist
bei lebensnaher Betrachtung nicht zu erwarten. Die Beklagte durfte des- halb annehmen, dem Kläger sei es im Hinblick auf seine Beteiligung an der Hauptschuldnerin und nicht nur aus Sorge um seinen Arbeitsplatz persönlich wichtig, daß diese ihren Geschäftsbetrieb weiter führen konnte und nicht insolvent wurde. Es wäre daher verfehlt, wollte man der Beklagten vorwerfen, sich mit seiner finanziellen Leistungsfähigkeit nicht befaßt und von ihr die Kreditvergabe abhängig gemacht zu haben.
Eine andere Betrachtungsweise läge im übrigen auch nicht im Interesse der Gesellschafter, die das Bürgenrisiko im Innenverhältnis ohne Rücksicht auf die Größe des jeweiligen Anteilsbesitzes verteilen wollen. Überdies kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Anteilsbesitz auf zahlreiche Gesellschafter gleichmäßig verteilt ist und es wechselnde Mehrheiten gibt. Daß auch Gesellschaften mit derartigen Beteiligungsverhältnissen grundsätzlich in der Lage sein müssen, sich das zur Betriebsführung notwendige Fremdkapital mit Hilfe von Bürgschaften ihrer mehr oder weniger finanzkräftigen Gesellschafter zu verschaffen, liegt auf der Hand.
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird die Nichtigkeitssanktion des § 138 Abs. 1 BGB auch nicht durch den Kläger besonders belastende und der Beklagten zurechenbare Umstände oder Verhältnisse ausgelöst.
Die Tatsache, daß ein Gesellschafter der Hauptschuldnerin von der kreditgebenden Bank vor die Alternative gestellt wird, entweder eine ihn wirtschaftlich ruinierende Bürgschaft zu übernehmen oder aber die Nichtgewährung eines Geschäftskredits und die sich daraus ergebenden
rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteile hinzunehmen, stellt für sich genommen keine unzulässige Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit dar (vgl. Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 15). Daß der geschäftsführende Mehrheitsgesellschafter der B. GmbH, der Zeuge H., die Grenze des rechtlich Zulässigen überschritten und den Kläger zur Abgabe der streitgegenständlichen Bürgschaftserklärung widerrechtlich genötigt hat, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und ist auch dem Sachvortrag des Klägers nicht zu entnehmen. Sein weiterer Vorwurf, über die rechtliche Bedeutung und Tragweite der streitgegenständlichen Bürgschaft arglistig getäuscht worden zu sein, ist vor dem Hintergrund der vorher im Auftrag der Gesellschaft abgegebenen Bürgschaftserklärungen sowie der als Gesellschafter und Kfz-Meister gewonnenen geschäftlichen Erfahrungen ohne Substanz. Überdies ist nicht ersichtlich, daß H. als Vertreter oder Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) der Beklagten tätig geworden ist oder sie sich sein Handeln aus anderen Gründen zurechnen lassen müßte.

III.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die landgerichtliche Entscheidung wiederherstellen.
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen

(1) Das Gericht hat den Mangel der Parteifähigkeit, der Prozessfähigkeit, der Legitimation eines gesetzlichen Vertreters und der erforderlichen Ermächtigung zur Prozessführung von Amts wegen zu berücksichtigen.

(2) Die Partei oder deren gesetzlicher Vertreter kann zur Prozessführung mit Vorbehalt der Beseitigung des Mangels zugelassen werden, wenn mit dem Verzug Gefahr für die Partei verbunden ist. Das Endurteil darf erst erlassen werden, nachdem die für die Beseitigung des Mangels zu bestimmende Frist abgelaufen ist.

Kommt es nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder des Gerichtsverfassungsgesetzes auf den Wert des Streitgegenstandes, des Beschwerdegegenstandes, der Beschwer oder der Verurteilung an, so gelten die nachfolgenden Vorschriften.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.