Bundesgerichtshof Urteil, 11. Feb. 2003 - XI ZR 214/01

bei uns veröffentlicht am11.02.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 214/01 Verkündet am:
11. Februar 2003
Weber,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 11. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe
und die Richter Dr. Bungeroth, Dr. Müller, Dr. Wassermann und Dr. Appl

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 17. Mai 2001 aufgehoben und das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 26. Oktober 2000 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Bürgschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Ehemann der Beklagten - Inhaber eines Schmuckhandelsgeschäfts - war Schuldner mehrerer von der klagenden Bank ausgereichter
Betriebsmittelkredite, darunter zwei Darlehen über 50.000 DM und 240.000 DM mit Zinssätzen von ursprünglich 10,25% sowie 7,75% p.a.. Für beide Kredite übernahm die Beklagte am 3. Januar 1998 eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft über 320.000 DM. Ferner dienten die Geschäftseinrichtung und das Warenlager des Gewerbebetriebes ihres Ehemannes sowie dessen Forderungen aus zwei Lebensversicherungen der Klägerin als Sicherheit.
Anfang 1999 gründete die Beklagte die A. Schmuckhandels GmbH und leitete in der Folgezeit das Unternehmen in den Geschäftsräumen ihres nicht mehr als Einzelkaufmann tätigen Ehemannes. Am 5. März 1999 kündigte die Klägerin die mit ihm bestehende Geschäftsverbindung wegen Verschlechterung der Vermögenslage und Aufgabe seines Unternehmens fristlos und stellte die Kredite fällig. Nach Verwertung der anderweitigen Sicherheiten geht sie gegen die Beklagte aus dem Bürgschaftsvertrag vom 3. Januar 1998 vor.
Die Beklagte hält die Bürgschaft wegen krasser finanzieller Überforderung für sittenwidrig. Bei Abgabe der Bürgschaftserklärung habe sie als Aushilfsverkäuferin im Schmuckhandelsgeschäft ihres Ehemannes ein monatliches Nettogehalt von 466,36 DM erzielt und über kein eigenes Vermögen verfügt.
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 257.414,57 DM nebst Zinsen gerichteten Klage in Höhe von 249.034,42 DM zuzüglich Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage.

I.


Das Berufungsgericht hat den Bürgschaftsvertrag der Parteien für wirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die Bürgschaft sei nicht sittenwidrig. Die Beklagte werde durch die Höchstbetragsbürgschaft über 320.000 DM nicht finanziell kraß überfordert. Zwar habe sie ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnungen und Steuerbescheide für das Jahr 1998 als Aushilfskraft im Betrieb ihres Ehemannes im Monat durchschnittlich nur rund 800 DM brutto verdient und demnach nicht einmal die laufenden Zinsen für die verbürgten Geschäftskredite allein aufbringen können. Die Klägerin habe aber bei Vertragsschluß im Januar 1998 mit einer erheblichen Ausweitung der beruflichen Tätigkeit der Beklagten rechnen können. Durch die Mitarbeit im Unternehmen ihres Ehemannes sei die Beklagte hinreichend geschäftserfahren und die Betreuung der damals schon 14 und 15 Jahre alten Kinder in naher Zukunft nicht mehr erforderlich gewesen. Dafür spreche auch, daß sie seit Februar 1999 als Geschäftsführerin-Gesellschafterin der A. Schmuckhandels GmbH ein eigenes Geschäft betreibe und ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnung im November desselben Jahres 2.557,66 DM netto verdient habe.

Im übrigen sei das Mithaftungsbegehren des Kreditgebers nach der gegenwärtigen Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs , der sich der Senat anschließe, in aller Regel rechtlich vertretbar , weil er sich so möglichst wirksam vor Vermögensverlagerungen vom Hauptschuldner auf den Ehepartner schützen könne. Die Bürgschaft der Beklagten sei deshalb selbst bei einer finanziellen Überforderung hinnehmbar , zumal die Haftung auf den Höchstbetrag von 320.000 DM begrenzt sei. Dem IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs sei außerdem darin zu folgen, daß die bei Bürgschaften für Geschäftskredite des Ehegatten regelmäßig zu erwartenden höheren Unterhaltsleistungen im allgemeinen einen angemessenen Ausgleich darstellten, sofern der Vertragsschluß - wie hier - nicht mit unzulässigen Mitteln herbeigeführt worden sei.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in keinem wesentlichen Punkt stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstößt der Bürgschaftsvertrag der Parteien gegen die guten Sitten und ist infolgedessen nichtig.
1. Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge regelmäßig entscheidend vom Grad des Mißverhältnisses zwischen dem Verpflich-
tungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; Senatsurteile vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125; vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224; vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, WM 2002, 1347, 1348, für BGHZ 151, 34 vorgesehen; vom 14. Mai 2002 - XI ZR 81/01, WM 2002, 1350, 1351; vom 28. Mai 2002 - XI ZR 199/01, WM 2002, 1647, 1648; vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01, WM 2002, 1649, 1651 sowie vom 10. Dezember 2002 - XI ZR 82/02, WM 2003, 275 f.). Zwar reicht selbst der Umstand, daß der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft tragen kann, regelmäßig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, daß er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (st.Rspr., siehe z.B. Senatsurteile vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01 aaO S. 1348 und vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01 aaO, jeweils m.w.Nachw.).
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war die Beklagte weder bei Vertragsschluß im Januar 1998 noch bei Eintritt des Sicherungsfalles in der Lage, die in den der Höchstbetragsbürgschaft über 320.000 DM zugrunde liegenden Kreditverträgen vereinbarten Zinsen
aus eigenem pfändbaren Einkommen und/oder Vermögen auf Dauer allein zu tragen.

a) Da das monatliche Bruttogehalt der Beklagten für ihre geringfügige Aushilfstätigkeit im Schmuckhandelsgeschäft ihres Ehemannes nur rund 800 DM betrug und eigenes nennenswertes Vermögen nicht vorhanden war, konnte sie bei Übernahme der Bürgschaft nicht das Geringste zur vertragsgemäßen Erfüllung auch nur der Zinsansprüche der Klägerin aus den verbürgten Darlehen beitragen.

b) Aus der maßgebenden Sicht eines seriösen und vernünftigen Kreditgebers war unter normalen Umständen auch nicht mit einer wesentlichen und nachhaltigen Verbesserung des finanziellen Leistungsvermögens der Beklagten bis zum ungewissen Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft zu rechnen.
aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats sind bei der gebotenen Prognose grundsätzlich alle erwerbsrelevanten Umstände und Verhältnisse - wie z.B. Alter, Schul- und Berufsausbildung sowie etwaige besondere familiäre oder vergleichbare Belastungen - des erkennbar finanzschwachen Bürgen oder Mithaftenden zu berücksichtigen (vgl. z.B. Senat BGHZ 146, 37, 43; Senatsurteile vom 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1024 und vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 126). Erst wenn danach bei lebensnaher Betrachtung feststeht, daß der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegten Zinsen aus dem pfändbaren Teil seines eigenen Einkommens
und/oder Vermögens bis zum Vertragsende allein aufbringen kann, ist eine krasse finanzielle Überforderung zu bejahen.
bb) So ist es hier. Zwar mag es bei Übernahme der Bürgschaft aufgrund des Alters ihrer 1983 und 1984 geborenen Kinder nahegelegen haben, daß die damals 44 Jahre alte Beklagte alsbald deren Betreuung aufgeben und einer ganztägigen Berufstätigkeit nachgehen werde. Von der Klägerin ist aber nichts dafür vorgetragen, daß die Beklagte in ihrem erlernten Beruf als Arzthelferin oder aber als Verkäuferin unter normalen Umständen so viel verdienen konnte, daß sie die Zinsen aus den verbürgten Darlehen allein aufbringen konnte oder daß eine andere hinreichend gesicherte Aussicht auf eine wesentliche und nachhaltige Verbesserung der Einkommensverhältnisse bestand. Bei voller Valutierung der verbürgten Darlehen beliefen sich die Zinsen auf fast 2.000 DM monatlich. Um diese aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens tragen zu können, hätte die Beklagte selbst ohne Berücksichtigung von Unterhaltspflichten ein Einkommen von fast 4.000 DM netto im Monat erzielen müssen. Nichts spricht nach der Lebenserfahrung dafür, daß ihr dies als Arzthelferin oder als Verkäuferin möglich gewesen wäre.
Daß sie Anfang 1999 die A. Schmuckhandels GmbH gegründet und im November desselben Jahres als deren GeschäftsführerinGesellschafterin 2.557,66 DM netto verdient hat, rechtfertigt keine andere rechtliche Betrachtung. Nichts spricht dafür, daß die Beteiligten mit einer solchen ungewöhnlichen Entwicklung ernsthaft gerechnet und diese - wie es grundsätzlich erforderlich gewesen wäre (vgl. BGHZ 132, 328, 336) - zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht haben. Davon abgesehen ist nicht ersichtlich, daß die Erträge der Beklagten aus
der noch jungen Gesellschaft sowie ihr Geschäftsführergehalt von 2.557,66 DM netto pro Monat ausreichen, um die von den Darlehensvertragsparteien festgelegten Zinsen aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens bis zum Vertragsende allein aufzubringen.
3. Anders als das Berufungsgericht unter ausdrücklicher Berufung auf die "gegenwärtige" Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs angenommen hat, stehen einer Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auch keine anderen Hinderungsgründe entgegen.

a) Die tatsächliche Vermutung, daß die Beklagte die ruinöse Bürgschaft nur aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen und die Klägerin dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, hat die Klägerin nicht widerlegt oder entkräftet. Daß das Schmuckhandelsgeschäft des Ehemanns der Beklagten bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages die Existenzgrundlage der ganzen Familie bildete, ist insoweit nicht von wesentlicher Bedeutung. Der Erwerb eines bloßen mittelbaren geldwerten Vorteils aus der Aufnahme des verbürgten Darlehens - wie etwa eine häufig nur schwer feststellbare und flüchtige Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards oder die vorläufige Erhaltung des Arbeitsplatzes - wiegt nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats das bei Betriebsmittelkrediten regelmäßig ganz besonders große Bürgschaftsrisiko bei weitem nicht auf. Zudem würde der gegenteilige Standpunkt zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung der Ehepartner selbständiger Unternehmer führen (Senat BGHZ 146, 37, 45 f. m.w.Nachw.). Dem hat sich der vormals für das Bürgschaftsrecht zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs jedenfalls für die Fälle krasser finanzieller Überforderung des Bürgen in
seinem schon lange vor der angefochtenen Entscheidung ergangenen Urteil vom 27. Januar 2000 (IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 412, 413) ausdrücklich angeschlossen.

b) Des weiteren stellt das Interesse des Gläubigers, sich mit Hilfe von Bürgschaften oder Mithaftungsabreden möglichst wirksam vor etwaigen Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, allein keinen die Sittenwidrigkeit ausschließenden Umstand dar.
Nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats (siehe zuletzt Urteile vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, aaO S. 1349 f. und XI ZR 81/01, aaO S. 1351 f., jeweils m.w.Nachw.) rechtfertigt das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen zwischen den Eheleuten vorzubeugen, eine an sich wirtschaftlich sinnlose Bürgschaft oder Mithaftungsabrede nur dann, wenn es durch Vereinbarung der Parteien zum Vertragsinhalt gemacht wird. Ohne besondere, vom Kreditgeber darzulegende und notfalls zu beweisende Anhaltspunkte kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daß eine kraß überfordernde Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme inhaltlich von vornherein nur eine erhebliche Vermögensverlagerung zwischen Hauptschuldner und Sicherungsgeber verhindern soll. Die gegenteilige Auffassung verstößt gegen allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze und das im Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltende Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Dieser Standpunkt wird inzwischen im Grundsatz auch vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs geteilt (vgl. Urteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2329 f.). Soweit dies nicht für Bürgschaftsverträge aus der Zeit vor dem 1. Januar 1999 gelten soll, weil für die Kreditinstitute damals noch nicht hinreichend klar gewesen sei, inwieweit sie
ihr Interesse an einem möglichst wirksamen Schutz vor Vermögensverschiebungen über die bloße Hereinnahme der Bürgschaft hinaus durch geeignete vertragliche Regelungen absichern mußten, ist dem nicht zu folgen. Wie der erkennende Senat in den zitierten Urteilen vom 14. Mai 2002 (XI ZR 50/01, aaO und XI ZR 81/01, aaO) im einzelnen dargelegt hat, war es angesichts des Meinungsstreits beider Senate von vornherein ausgeschlossen, daß sich aus dem Blickwinkel eines rational handelnden Gläubigers ein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand der höchstrichterlichen Rechtsprechung bilden konnte. Etwas anderes ist im übrigen auch von der Klägerin in den Tatsacheninstanzen nicht geltend gemacht worden.

III.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.) und die Klage abweisen.
Nobbe Bungeroth Müller
Wassermann Appl

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(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

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BGB § 138 Bb Abs. 1
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naher Angehöriger entwickelten Grundsätze gelten nicht
nur für Kreditinstitute, sondern auch für andere gewerbliche oder berufliche
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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe, die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die
Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 19. Januar 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben als es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 12. Mai 1999 zurückgewiesen hat. Auf die Berufung des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts abgeändert.
Die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus der Urkunde des Notarvertreters U. H. vom 29. Oktober 1996 - Urk.-Nr. ... des Notars P., Sch. - wird für unzulässig erklärt, soweit sie sich gegen den Kläger richtet.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Zwangsvollstrekkung aus einer notariellen Urkunde. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde :
Der Vater des Klägers verkaufte der beklagten GmbH, zu deren Unternehmensgegenstand u.a. die Vermittlung von Finanzierungen und Immobilien gehört, mit notariellem Vertrag vom 3. Mai 1996 sein in der Zwangsversteigerung befindliches Hausgrundstück. Nach dem Inhalt des Kaufvertrages war der Käuferin lastenfreies Eigentum zu verschaffen. Entgegen der Vorstellung der Vertragsparteien reichte dazu der vereinbarte Kaufpreis von 175.000 DM jedoch nicht aus. Um die Abwicklung des Kaufvertrages nicht zu gefährden, gewährte die Beklagte dem Vater des Klägers ein Darlehen über 35.000 DM, verlangte aber von seiner Ehefrau und dem Kläger eine vollstreckbare Mithaftungsübernahme.
In notarieller Urkunde vom 29. Oktober 1996 erkannten daraufhin der damals 18 Jahre alte Kläger und seine Eltern an, der Beklagten als Gesamtschuldner 35.000 DM zuzüglich 10% Zinsen zu schulden, verpflichteten sich zur Rückzahlung des Kredites spätestens am 1. Januar 1997 und unterwarfen sich wegen dieser Verpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.
Der Kläger, der nach seiner Darstellung bei Abgabe der notariellen Erklärungen noch die Realschule besuchte und nach zwischenzeitlicher Ableistung des Wehrdienstes arbeitslos ist, ist der Ansicht, der Schuld-
beitritt zur Darlehensschuld seines Vaters sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten und darüber hinaus auch nach § 6 Abs. 1 und § 10 Abs. 1, 2 VerbrKrG nichtig. Die Beklagte hält dem u.a. entgegen, der Kläger habe ihren Angestellten ausdrücklich versichert, das seinem Vater gewährte Darlehen aus eigenen Mitteln zurückzahlen zu können, weil er sich entweder selbständig machen oder als Berufs- bzw. Zeitsoldat verpflichten wolle.
Das Landgericht hat die gegen die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 29. Oktober 1996 gerichtete Klage abgewiesen. Unter Berücksichtigung übereinstimmender Teilerledigungserklärungen der Prozeßparteien und eines von der Beklagten beim Vater des Klägers beigetriebenen Betrages hat das Berufungsgericht die Zwangsvollstrekkung nur insoweit für unzulässig erklärt, als sie sich gegen den Kläger wegen eines über 20.653,07 DM hinausgehenden Teils der Hauptforderung richtet. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt er seinen Antrag, die Zwangsvollstreckung insgesamt für unzulässig zu erklären, weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Klägers ist begründet.

I.


Das Berufungsgericht hat das vom Kläger abgegebene Schuldanerkenntnis für wirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Zwar finde das Verbraucherkreditgesetz auf den vom Kläger in der notariellen Urkunde vom 29. Oktober 1996 erklärten kumulativen Schuldbeitritt zur Darlehensschuld seines Vaters entsprechende Anwendung. Daû die vertraglich festgelegte Laufzeit des Darlehens von weniger als drei Monaten einen die Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes ausschlieûenden Zahlungsaufschub im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 VerbrKrG darstelle, ändere daran nichts. Da weder die Eltern des Klägers noch er selbst den Kredit innerhalb dieser kurzen Frist hätten zurückzahlen können, sei diese Vereinbarung wegen Umgehung des Verbraucherkreditgesetzes nach § 18 Satz 2 VerbrKrG nichtig. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Mithaftungsabrede aber nicht wegen eines Formmangels unwirksam, weil § 4 VerbrKrG auf einen notariell beurkundeten Kreditvertrag nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 VerbrKrG keine Anwendung finde. Ebensowenig ergebe sich aus § 10 Abs. 1, 2 VerbrKrG ein Nichtigkeitsgrund. Nach seinem klaren Wortlaut verbiete das Gesetz nur den gänzlichen Verzicht des Verbrauchers auf Einwendungen oder deren Verlust durch die Auswirkungen der Verkehrsfähigkeit von Wechseln und Schecks. Dem sei der Fall einer erschwerten Durchsetzung von Einwendungen oder Einreden aufgrund der notariellen Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung nicht gleichzusetzen.
Der Schuldbeitritt des Klägers sei auch nicht sittenwidrig. Die Beklagte habe sich nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des 18 Jahre alten Klägers nicht näher erkundigen müssen. Sie habe
insoweit unwiderlegt vorgetragen, der Kläger habe vor Beurkundung des Schuldanerkenntnisses erklärt, er werde sich selbständig machen oder sich als Berufs- oder Zeitsoldat verpflichten und könne deshalb die übernommenen Verbindlichkeiten erfüllen.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Es liegt eine den Kläger besonders belastende und die Nichtigkeitsfolge des § 138 Abs. 1 BGB auslösende Störung der Vertragsparität vor. Mit seiner gegenteiligen Auffassung hat das Berufungsgericht im Rahmen der erforderlichen Zukunftsprognose einseitig auf die für erwiesen erachteten Angaben des Klägers zu seinen beruflichen Absichten abgestellt, ohne deren fehlenden Realitätsgehalt und die kurze Laufzeit des Darlehens zu berücksichtigen.

a) Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Banken mit privaten Sicherungsgebern geschlossenen Bürgschafts- und Mithaftungsverträgen entscheidend vom Grad des Miûverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; BGH, Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 337/98, WM 2001, 1330, 1331). Zwar reicht selbst der Umstand, daû der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die vertragliche Zinslast
aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens tragen kann, regelmäûig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung wird aber widerleglich vermutet, daû er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Kreditnehmer übernommen und die Bank dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (BGH, Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 337/98, aaO S. 1331 m.w.Nachw.). Nach diesen Grundsätzen ist der Schuldbeitritt des Klägers nichtig.

b) Der von der Beklagten erfolglos gepfändete vermögenslose Kläger ist arbeitslos und deshalb nicht in der Lage, die laufenden Zinsen des Darlehens aufzubringen. Etwas anderes war nach der erforderlichen Prognose im Zeitpunkt der Übergabe der Mithaftungserklärung auch nicht zu erwarten.
aa) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist bei der Prognose (vgl. BGHZ 146, 37, 43; Urteil vom 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1024) auf die vertraglich festgelegte Kreditlaufzeit abzustellen. Ist der Mithaftende innerhalb dieser Zeit voraussichtlich nicht in der Lage, wenigstens die laufenden Zinsen aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens aufzubringen, so liegt eine krasse finanzielle Überforderung vor.
Hier haben die Vertragsschlieûenden für das ausgereichte Darlehen über 35.000 DM lediglich eine Laufzeit von nicht einmal drei Monaten bis zum 1. Januar 1997 vereinbart. Dafür, daû der Kläger, der bei
Übernahme der Mithaftung am 29. Oktober 1996 nach seinem Vortrag noch die Realschule besuchte und auf die Unterhaltsleistungen seiner Eltern angewiesen war, innerhalb dieses kurzen Zeitraums einen nennenswerten Beitrag zur Tilgung des Kredits werde leisten oder zumindest die vertragliche Zinslast von 10% p.a. werde tragen können, ist nichts dargetan oder ersichtlich. Zugunsten des Klägers greift deshalb die widerlegliche Vermutung ein, daû die Beklagte bei ihrem Mithaftungsverlangen seine emotionale Verbundenheit mit seinen Eltern in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat.
bb) Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus , daû das Berufungsgericht die Vertragsklausel über die kurze Laufzeit des Darlehens für eine nach § 18 Satz 2 VerbrKrG nichtige Umgehung des Verbraucherkreditgesetzes erachtet hat und daû die Beklagte auf die alsbaldige Verwirklichung der beruflichen Pläne des Klägers vertraut haben will.
Dabei kann offenbleiben, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, die vereinbarte Laufzeit des Kredits von weniger als drei Monaten stelle einen Zahlungsaufschub dar, der die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes gemäû § 3 Abs. 1 Nr. 3 VerbrKrG ausschlieûe, und ob insoweit ein Verstoû gegen das Umgehungsverbot des § 18 Satz 2 VerbrKrG vorliegt. Darauf kommt es schon deshalb nicht entscheidend an, weil die Beklagte, wie vor allem ihre unmittelbar nach dem 1. Januar 1997 eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaûnahmen deutlich zeigen, von einer Wirksamkeit der vertraglichen Regelung ausgegangen
ist und eine zur Nichtigkeit führende Gesetzesumgehung sie im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB nicht entlasten kann.
Der Äuûerung des Klägers, er wolle sich entweder selbständig machen oder als Berufs- bzw. Zeitsoldat verpflichten, kommt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine wesentliche Bedeutung zu. Vielmehr handelt es sich - worauf die Revision zu Recht hinweist - nur um einen allgemeinen Zukunftswunsch eines gerade erst volljährig gewordenen Jugendlichen ohne jede Berufsausbildung. Offenbar wuûte der Kläger zum damaligen Zeitpunkt nicht einmal, in welchem Berufsfeld er eine selbständige Tätigkeit ausüben wollte. Ebenso waren konkrete Hinweise darauf, daû er die von der Bundeswehr für Zeit- oder Berufssoldaten verlangten Einstellungsvoraussetzungen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erfüllen würde, nicht vorhanden. Daû solche vagen und substanzlosen Angaben nicht zur Grundlage einer seriösen und vernünftigen Zukunftsprognose gemacht werden können, liegt auf der Hand.
2. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten muû sie sich bei der Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB ebenso behandeln lassen wie ein Kreditinstitut.
aa) Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 89, 214, 231 f.; BVerfG WM 1994, 1837, 1839) gebietet die grundrechtlich gewährleistete Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie
das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) bei typisierbaren Fallgestaltungen, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen lassen, eine Korrektur geschlossener Verträge, wenn die Vertragsfolgen für den unterlegenen Teil ungewöhnlich belastend sind. Je gravierender die Vertragsfreiheit im konkreten Einzelfall gestört ist und die Folgen für den strukturell unterlegenen Vertragspartner sind, umso dringender ist eine Korrektur geschlossener Verträge mit Hilfe der Generalklauseln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Nobbe /Kirchhof BKR 2001, 5, 6).
Nach der Lebenserfahrung ist die Unterlegenheit des Bürgen oder Mithaftenden bei Forderungen von Kreditinstituten nach Übernahme ruinöser Bürgschaften oder Mithaftungen finanziell kraû überforderter Ehegatten oder naher Angehöriger in aller Regel besonders groû. Eine ähnliche wirtschaftliche Überlegenheit kommt aber auch bei anderen Kreditgebern in Betracht, insbesondere wenn sie ihre laufenden Einkünfte ganz oder teilweise aus Geldgeschäften beziehen und als Unternehmer im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG anzusehen sind. So liegen die Dinge auch hier.
bb) Bei der Beklagten handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft, die sich gewerbsmäûig neben dem Versicherungs- und Maklergeschäft auch mit der Vermittlung von Finanzierungen und Bausparverträgen befaût. Sie betreibt daher - wenn auch nur im weiteren Sinne - Geldgeschäfte. Das Berufungsgericht hat sie deshalb in anderem Zusammenhang zu Recht als Kreditgeberin im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG angesehen.

Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers ist ferner davon auszugehen, daû sein Vater wegen seiner damals schlechten finanziellen Verhältnisse von einer Bank oder Sparkasse kein Darlehen mehr bekommen hätte und der Kaufvertrag über das in der Zwangsversteigerung befindliche Hausgrundstück ohne das Kreditengagement der Beklagten nicht durchgeführt worden wäre. Wenn sie ihm in dieser ausweglosen wirtschaftlichen Lage unter der nicht verhandelbaren Bedingung einer unbeschränkten Mithaftung der Familienmitglieder ein auf dem freien Kapitalmarkt nicht mehr zu erhaltendes Darlehen zur Erfüllung der kaufvertraglichen Verpflichtungen anbot, so geschah dies aus einer wirtschaftlichen Machtstellung heraus, die durchaus mit der eines Kreditinstituts zu vergleichen ist. Nichts spricht daher dafür, an die Wirksamkeit des Schuldbeitritts des völlig mittellosen Klägers weniger strenge Anforderungen zu stellen. Die Beklagte muû sich daher genauso behandeln lassen wie ein Kreditinstitut.

b) Auch stehen einer Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB keine anderen Hinderungsgründe entgegen.
Liegen eine krasse finanzielle Überforderung des Bürgen oder Mithaftenden und ein persönliches Näheverhältnis der vorgenannten Art objektiv vor, so ist es grundsätzlich Sache des Kreditgebers, die tatsächliche Vermutung zu widerlegen, daû der Sicherungsgeber sich nicht von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos, sondern von seiner emotionalen Bindung an den Hauptschuldner hat leiten lassen und der Kreditgeber diese Situation in sittlich anstöûiger Weise
ausgenutzt hat (st.Rspr., siehe etwa BGHZ 146, 37, 45). Dafür ist hier jedoch nichts dargetan oder ersichtlich. Daû der Kläger nach dem Vortrag der Beklagten die Vertragsverhandlungen für seinen fast tauben Vater geführt haben soll, deutet für sich genommen nicht auf eine unbeeinfluûte autonome Willensentscheidung hin. Selbst erfahrene und geschäftsgewandte Personen, die für den ihnen persönlich nahestehenden Kreditnehmer die Kreditgespräche führen, können dabei aus emotionaler Verbundenheit Verbindlichkeiten eingehen, die sie finanziell kraû überfordern und die sie im geschäftlichen Bereich vermutlich niemals eingegangen wären (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 413).

III.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und der Klage in vollem Umfang stattgeben.
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 56/01 Verkündet am:
4. Dezember 2001
Weber,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Ob der finanziell überforderte Ehepartner oder Lebensgefährte durch
die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages nach dem Willen der
Vertragsschließenden echter Darlehensnehmer oder lediglich Mithaftender
wird, richtet sich ausschließlich nach den Verhältnissen auf
seiten der Vertragsgegner des Kreditgebers.
BGH, Urteil vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01 - OLG Dresden
LG Leipzig
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 4. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe und die Richter Dr. Siol, Dr. Müller, Dr. Joeres und
Dr. Wassermann

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Juni 2000 aufgehoben und das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 2. Februar 2000 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Mitverpflichtung der Beklagten aus einem Darlehensvertrag. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 28. Juli 1997 schloû die klagende Sparkasse mit dem ehemaligen Lebensgefährten der Beklagten, einem Inhaber von Imbiûstuben,
einen Vertrag über ein Allzweckdarlehen mit einem Nettokreditbetrag von 105.000 DM. Der Kredit sollte bei einem Zinssatz von 9,5% p.a. in 72 Monatsraten über jeweils 1.978,20 DM zurückgezahlt werden. Der Vertrag wurde von der damals 36 Jahre alten Beklagten, einer gelernten Textilfachfrau, als "Kreditnehmer" mitunterzeichnet. Von der Darlehenssumme überwies die Klägerin vertragsgemäû 49.372,74 DM auf das Geschäftskonto ihres früheren Lebensgefährten und verrechnete weitere 55.607,26 DM mit einem von ihm allein aufgenommenen Altkredit. Nachdem er in der Folgezeit einige Zins- und Tilgungsraten trotz mehrerer Mahnungen nicht geleistet hatte, kündigte sie das Darlehen fristlos und forderte ihn und die Beklagte zur Rückzahlung auf.
Die Beklagte, die nach ihren Angaben bei Vertragsschluû längere Zeit arbeitslos war und neben der Betreuung ihres minderjährigen Kindes in den Imbiûstuben des vormaligen Lebensgefährten stundenweise gegen Bezahlung aushalf, hält die von ihr übernommene Verpflichtung für einen sittenwidrigen und daher nichtigen Schuldbeitritt. Die Klägerin ist in erster Linie der Auffassung, die Beklagte sei dem klaren Vertragswortlaut entsprechend gleichberechtigte Mitdarlehensnehmerin.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäû als Gesamtschuldnerin neben ihrem früheren Lebensgefährten zur Zahlung von 105.515,09 DM zuzüglich Zinsen verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Abweisung der Klage.

I.


Das Berufungsgericht hat zur Begründung seines stattgebenden Urteils im wesentlichen ausgeführt:
Der von der Beklagten geschlossene Darlehensvertrag sei nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Grundsätzlich sei es jedem Volljährigen aufgrund der Vertragsfreiheit als Teil der Privatautonomie unbenommen , auch risikoreiche Geschäfte abzuschlieûen und sich zu Leistungen zu verpflichten, die ihn finanziell schlechthin überforderten oder die von ihm nur unter ganz besonders günstigen Bedingungen, notfalls sogar unter dauernder Inanspruchnahme des pfändungsfreien Einkommens , erbracht werden könnten. Die Sittenwidrigkeit eines Darlehensvertrages wegen finanzieller Überforderung des Darlehensnehmers komme anders als die einer Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme, bei der die Gefahr einer Inanspruchnahme in den Hintergrund trete, die Unterschriftsleistung leicht als bloûe Formalität erscheine und das Schutzbedürfnis naher Angehöriger höher sei als bei Mitunterzeichnung eines Darlehensvertrages, in aller Regel nicht in Betracht.
Die Beklagte sei als Mitdarlehensnehmerin anzusehen. Sie habe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses über ein, wenn auch nur geringes Einkommen verfügt, das zusammen mit den Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb ihres ehemaligen Lebensgefährten zur gemeinsamen Lebensführung verwendet worden sei und das im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft für das zurückzuzahlende Darlehen habe eingesetzt
werden sollen. Ihr Kind habe bei Abschluû des Vertrages ein Alter und einen Entwicklungsgrad gehabt, welcher zu einer wirtschaftlichen Selbständigkeit seit dem 1. Januar 1999, also rund 1,5 Jahre nach der Kreditaufnahme , geführt habe. Ausgehend hiervon habe sich das Einkommen der Beklagten vergröûert und sich auch eine für eine Arbeitsaufnahme förderliche Unabhängigkeit eingestellt, so daû damals mit einer Steigerung ihrer Einnahmen zu rechnen gewesen sei. Besondere Umstände , insbesondere eine Überrumpelung oder eine Verharmlosung der Unterzeichnung des Vertrages als Formsache durch Mitarbeiter der Klägerin, seien nicht vorgetragen.

II.


Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Dem Berufungsgericht kann nicht gefolgt werden, soweit es meint, die Beklagte sei nach dem Vertragsinhalt echte Mitdarlehensnehmerin. Vielmehr hat sie bei Würdigung der objektiven Umstände zur Absicherung des neuen Kredits ihres damaligen Lebensgefährten im Wege des Schuldbeitritts lediglich die Mithaftung übernommen.
Echter Mitdarlehensnehmer ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur, wer ein eigenes – sachliches und/oder persönliches Interesse – an der Kreditaufnahme hat und als im wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung sowie die Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf (BGHZ 146, 37, 41; siehe auch Senatsurteil vom 6. Oktober 1998 – XI ZR 244/97, WM 1998, 2366 f.). Ob diese Voraussetzungen im konkreten Einzelfall erfüllt sind, beurteilt sich ausschlieûlich nach den Verhältnissen auf seiten der Mit-
darlehensnehmer. Die kreditgebende Bank hat es daher nicht in der Hand, etwa durch eine im Darlehensvertrag gewählte Formulierung wie z.B. "Mitdarlehensnehmer", "Mitantragsteller", "Mitschuldner" oder dergleichen einen bloû Mithaftenden zu einem gleichberechtigten Mitdarlehensnehmer zu machen und dadurch den Nichtigkeitsfolgen des § 138 Abs. 1 BGB zu entgehen (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, aaO S. 2366; Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 6). Danach durfte das Berufungsgericht die Beklagte ± wie die Revision zu Recht geltend macht ± nicht für eine echte Kreditnehmerin halten. Da es die vorgenannten Auslegungsregeln nicht einmal ansatzweise beachtet hat und weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der erkennende Senat die Vertragsauslegung selbst vornehmen (vgl. etwa BGHZ 124, 39, 45).
Nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsschlieûenden war der ausgereichte Kredit ausschlieûlich für den damaligen Lebensgefährten der Beklagten bestimmt, und zwar für dessen Gewerbebetrieb sowie zur Ablösung eines nur von ihm aufgenommenen Altkredits. Dafür , daû die Beklagte gleichwohl über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta als gleichberechtigte Vertragspartei mitbestimmen durfte und von einem solchen Recht ganz oder teilweise Gebrauch gemacht hat, ist nichts vorgetragen. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin ist die Valutierung des Darlehens vielmehr durch Aufrechnung mit ihrer Altkreditforderung gegen den damaligen Lebensgefährten der Beklagten und durch Gutschrift von 49.392,74 DM auf dessen Geschäftskonto erfolgt. Über dieses konnte die Beklagte nicht verfügen. Da sie an den Imbiûbetrieben ihres früheren Lebensgefährten nicht beteiligt war, deutet bei objektiver Betrachtung auch nichts auf ein eigenes ± sachliches und/oder persönliches ± Interesse an der Kreditaufnahme und Mittelverwendung hin. Der Umstand, daû beide auf die
Geschäftseinnahmen angewiesen waren und das neue Darlehen für den Fortbestand des Gewerbetriebes dringend notwendig gewesen sein soll, spricht ebenfalls nicht dafür, die Beklagte als echte Mitdarlehensnehmerin anzusehen, sondern lenkt nur den Blick auf die wirtschaftliche Abhängigkeit der Beklagten bei Abgabe der Mithaftungserklärung.

III.


Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Die Mithaftungsübernahme überforderte die Beklagte finanziell in krasser Weise, ohne daû sich für die Klägerin entlastende Umstände anführen lassen.
1. Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung sowohl des IX. als auch des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB bei Bürgschafts- und Mithaftungsverträgen zwischen Kreditinstituten und privaten Sicherungsgebern regelmäûig entscheidend vom Grad des Miûverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; BGH, Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 337/98, WM 2001, 1330, 1331; Senatsurteil vom 13. November 2001 ± XI ZR 82/01, Urt.Umdr. S. 6). Zwar reicht selbst der Umstand, daû der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die vertragliche Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens tragen kann, regelmäûig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung wird aber widerleglich vermutet, daû die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner
übernommen wurde und der Kreditgeber dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (BGH, Urteil vom 26. April 2001 ± IX ZR 337/98, aaO S. 1331 m.w.Nachw.; Senatsurteil vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, Urt.Umdr. S. 6 f.).
2. Die in der Literatur geäuûerte Kritik, diese Betrachtungsweise betone zu sehr die krasse finanzielle Überforderung und das persönliche Näheverhältnis zwischen Bürgen oder Mithaftenden und Hauptschuldner und vernachlässige das vom Bundesverfassungsgericht angesprochene Erfordernis einer strukturellen Unterlegenheit des Bürgen oder Mithaftenden sowie die Umstände bei der Haftungsbegründung, insbesondere eine unzulässige Willensbeeinflussung (Habersack/Giglio WM 2001, 1100, 1103; vgl. auch Roth JZ 2001, 1039 f.), ist nicht berechtigt. Mit dem Kriterium des Handelns aus emotionaler Verbundenheit wird den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 89, 214, 231 f.; BVerfG WM 1994, 1837, 1839) Rechnung getragen , den gegenüber der kreditgebenden Bank weitaus unterlegenen Bürgen oder Mithaftenden mit Hilfe der Generalklauseln des Bürgerlichen Rechts vor der Abgabe fremdbestimmter und ungewöhnlich belastender Willenserklärungen zu schützen. Je stärker dabei das Übergewicht des Kreditgebers ist, je gravierender die Belastungen und je enger die persönlichen Beziehungen zwischen Bürgen oder Mithaftenden sind, desto wahrscheinlicher ist es, daû es an einer nüchtern abwägenden , selbstbestimmten Entschlieûung des Bürgen oder Mithaftenden fehlt. Es trifft daher entgegen einer in der Literatur (Medicus JuS 1999, 833, 835 f.; Zöllner WM 2000, 1, 5, 9 f.; Habersack/Giglio aaO S. 1103) vertretenen Ansicht nicht zu, die krasse finanzielle Überforderung und die Nähebeziehung zwischen Mithaftenden und Hauptschuldner seien für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit der Personalsicherheit indifferent (vgl. Tiedtke JZ 2000, 677; Nobbe/Kirchhof aaO; s. auch Kulke
ZIP 2001, 985, 989). Vielmehr ist es gerechtfertigt, dem Gläubiger in den Fällen einer krassen finanziellen Überforderung die Darlegungsund Beweislast für eine im wesentlichen freie Willensentscheidung des Sicherungsgebers aufzubürden. Bei dieser differenzierenden Beurteilung bleiben die Umstände des Einzelfalles keineswegs auûer acht, sondern spielen bei der Widerlegung der tatsächlichen Vermutung einer unzulässigen Willensbeeinflussung eine entscheidende Rolle (st.Rspr., siehe etwa BGHZ 146, 37, 45).
3. Die zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme 36 Jahre alte Beklagte war voraussichtlich nicht in der Lage, die im Darlehensvertrag festgelegte Zinslast von monatlich 831,25 DM bei Eintritt des Sicherungsfalls allein zu tragen. Die von ihr bezogene Arbeitslosenhilfe betrug damals ausweislich des vorgelegten Leistungsnachweises lediglich 1.287,10 DM monatlich. Von diesem Betrag waren, selbst wenn man die damals noch bestehende, aber in absehbarer Zeit endende Unterhaltspflicht der Beklagten gegenüber ihrem Kind auûer acht läût, lediglich 49,70 DM monatlich pfändbar. Das von der Beklagten durch stundenweise Mitarbeit in den Imbiûstuben ihres damaligen Lebensgefährten erzielte Einkommen fällt nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nicht ins Gewicht. Eigenes pfändbares Vermögen, das sie zur Schuldentilgung hätte einsetzen können, war nicht vorhanden. An der krassen finanziellen Überforderung der Beklagten bei Abschluû des Vertrages kann danach kein Zweifel bestehen.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war aus der maûgebenden Sicht eines seriösen und vernünftigen Kreditgebers innerhalb der 72-monatigen Laufzeit des Darlehens (zu dieser Voraussetzung siehe BGHZ 146, 37, 43; Senatsurteil vom 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1024) auch nicht mit einer Beseitigung der fi-
nanziellen Leistungsunfähigkeit der Beklagten zu rechnen. Zwar hatte ihr Kind bei Abgabe der Mithaftungserklärung bereits ein Alter erreicht, das eine Betreuung und finanzielle Unterhaltsleistungen in naher Zukunft entbehrlich machte. Da die Beklagte nach ihrem unwidersprochenen Vortrag über einen längeren Zeitraum arbeitslos war, muûte aber die Möglichkeit einer alsbaldigen Ausübung des von ihr erlernten Berufes einer Textilfachfrau unwahrscheinlich erscheinen. Dafür, daû diese Betrachtungsweise nicht der späteren realen Entwicklung ihrer Einkommensverhältnisse entspricht, bestehen auch unter Berücksichtigung der Revisionserwiderung keine Anhaltspunkte.
4. Auch von einer emotionalen Verbundenheit der Beklagten mit ihrem damaligen Lebenspartner, dem Darlehensnehmer, mit dem sie in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebte, ist ebenso wie bei Ehepartnern auszugehen (BGH, Urteile vom 23. Januar 1997 ± IX ZR 55/96, WM 1997, 465 und vom 27. Januar 2000 ± IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 412). Die persönliche enge Beziehung zwischen der Beklagten und ihrem damaligen Lebensgefährten sowie die die krasse finanzielle Überforderung begründenden Umstände waren der Klägerin aus den Darlehensverhandlungen entweder bekannt oder sie hat sich einer Kenntnis bewuût verschlossen. Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 146, 37, 45) lag es daher bei ihr darzulegen und notfalls zu beweisen, daû die Beklagte sich bei Abgabe der Mithaftungserklärung von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos und nicht von fremdbestimmten Motiven hat leiten lassen. Dafür ist hier jedoch nichts dargetan oder ersichtlich.
5. Anders als die Revisionserwiderung meint, ist mit der seit dem 1. Januar 1999 geltenden Insolvenzordnung die Wertungsbasis für eine Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB nicht entfallen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit grundsätzlich der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maûgebend (BGHZ 72, 308, 314; 100, 353, 359; 120, 272, 276; 125, 206, 209; 140, 395, 399). Der Darlehensvertrag wurde indes bereits im Sommer des Jahres 1997, also vor Inkrafttreten der Insolvenzverordnung geschlossen. Schon deshalb ist es nicht möglich , das in ihr normierte Verfahren zur Restschuldbefreiung zu berücksichtigen.

IV.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und die Klage abweisen.
Nobbe Siol Müller
Joeres Wassermann

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 50/01 Verkündet am:
14. Mai 2002
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
_____________________
BGB §§ 138 Bb Abs. 1, 765
1. Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen
oder Mithaftenden sind die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf
seinem Grundbesitz ruhenden dinglichen Belastungen grundsätzlich
wertmindernd zu berücksichtigen.
2. Ein Interesse des Kreditgebers, sich durch einen an sich wirtschaftlich
sinnlosen Bürgschafts- oder Mithaftungsübernahmevertrag vor Vermögensverschiebungen
zwischen Eheleuten zu schützen, vermag die Sittenwidrigkeit
grundsätzlich nur bei einer ausdrücklichen Haftungsbeschränkung
zu vermeiden. Das gilt auch für eine vor dem 1. Januar 1999
übernommene Bürgschaft (Aufgabe von BGH WM 1998, 2327, 2329 f.).
BGH, Urteil vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01 - OLG Dresden
LG Leipzig
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 2) wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 21. Dezember 2000 in der berichtigten Fassung vom 24. April 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Bürgschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die klagende Sparkasse schloß am 13./14. April 1994 mit der R. Bau... GmbH (nachfolgend: R. GmbH), dem früheren Beklagten zu 1) und einem weiteren Gesellschafter der R. GmbH fünf Darlehensverträge, darunter einen Kontokorrentkreditvertrag über einen Höchstbetrag von 200.000 DM zu einem Zinssatz von 12,5% p.a.. Gleichzeitig übernahm die Beklagte zu 2) (nachfolgend: Beklagte), Ehefrau des früheren Beklagten zu 1), eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von 100.000 DM zur Sicherung für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten und befristeten Forderungen der Klägerin gegen die Darlehensnehmer. Zuvor hatte die B.bank GmbH eine Ausfallbürgschaft über 80% für die gewährten Kredite bestellt. Nachdem eine Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der R. GmbH am 31. Mai 1996 mangels Masse abgelehnt worden war, kündigte die Klägerin sämtliche Darlehensverträge fristlos.
In der Folgezeit zahlte die B.bank GmbH der Klägerin einen Betrag von 207.471,01 DM und ermächtigte sie zur gerichtlichen Geltendmachung der ihr als Ausfallbürgin zustehenden Forderungen gegen die Darlehensnehmer und die Beklagte als Mitbürgin. Nach Verwertung verschiedener Sicherheiten hat die Klägerin Zahlungsklage erhoben.
Die Beklagte, die den Bürgschaftsvertrag für sittenwidrig erachtet, hat u.a. vorgetragen: Ihr gehöre ein sanierungsbedürftiges Mehrfamilienhaus , das bei Übernahme der Bürgschaft mit einem mit rund 300.000 DM valutierenden Hypothekendarlehen wertausschöpfend belastet gewesen sei. Als teilzeitbeschäftigte Lehrerin und Mutter eines siebenjährigen Sohnes habe sie im März 1994 1.470 DM netto verdient so-
wie mit ihrer Immobilie Mieteinnahmen von 1.232,50 DM erzielt. Die monatliche Annuitätenrate für das Hypothekendarlehen habe 2.143 DM betragen.
Das Landgericht hat der Klage gegen den früheren Beklagten zu
1) teilweise und der gegen die Beklagte antragsgemäß in Höhe von 100.000 DM zuzüglich Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist weitgehend erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit zu ihrem Nachteil erkannt wurde.

I.


Das Berufungsgericht hat die Bürgschaftsübernahme der Beklagten für wirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt :
Der Bürgschaftsvertrag der Parteien verstoße entgegen der Ansicht der Beklagten nicht gegen die guten Sitten. Eine krasse finanzielle Überforderung bei Abgabe der Bürgschaftserklärung lasse sich nach
dem Vortrag der Beklagten nicht feststellen. Zwar seien die Mieteinkünfte aus ihrer Immobilie nur zu erzielen, wenn zugleich das auf ihr lastende Hypothekendarlehen ordnungsgemäû zurückgezahlt werde. Solange sie aber mit ihren gesamten Einnahmen und der Schuldentilgung eigenes Vermögen bilden könne, sei die Annahme einer krassen finanziellen Überforderung sachlich nicht gerechtfertigt.
Überdies komme nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs eine Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auch deswegen nicht in Betracht, weil das Interesse der Klägerin, sich vor Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, die Bürgschaft rechtfertige. Die vom XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs vertretene Gegenmeinung überzeuge nicht. Wie die Regeln über die Anfechtung von Rechtsgeschäften des Schuldners in der Zwangsvollstreckung und Insolvenz zeigten, seien Vermögensverschiebungen unter Eheleuten nicht nur eine abstrakte Möglichkeit, sondern eine von der Rechtsordnung wahrgenommene, ernsthaft bestehende Gefährdung der Gläubigerinteressen. Wenn ein Gläubiger nach den Grundsätzen der Privatautonomie diesem rechtlich anerkannten Interesse Rechnung trage und sich durch einen Bürgschaftsvertrag einen eigenständigen Zahlungsanspruch gegen den finanzschwachen Ehegatten des Hauptschuldners verschaffe, könne die Rechtsordnung diesem Handeln grundsätzlich nicht das Urteil der Sittenwidrigkeit entgegenhalten.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstöût der Bürgschaftsvertrag der Parteien nach dem streitigen Vorbringen der Beklagten , von dem für die Revisionsinstanz auszugehen ist, gegen die guten Sitten und ist infolgedessen nichtig.
1. Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge regelmäûig entscheidend vom Grad des Miûverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; Senatsurteile vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125 und vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224). Zwar reicht selbst der Umstand, daû der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft tragen kann, regelmäûig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten , daû er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kre-
ditgeber dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (st.Rspr., siehe Senatsurteile vom 13. November 2001 aaO S. 126 und vom 4. Dezember 2001 aaO).
2. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, war die Beklagte nach ihrem Vorbringen bei Übernahme der Bürgschaft voraussichtlich nicht in der Lage, die in den Kreditverträgen, welche Anlaû der Höchstbetragsbürgschaftserklärung über 100.000 DM waren, vereinbarten Zinsen aus eigenem pfändbaren Einkommen und/oder Vermögen dauerhaft allein zu tragen. Es spricht deshalb eine von der Klägerin zu widerlegende tatsächliche Vermutung dafür, daû sie die Bürgschaft nur aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen hat.

a) Nach ihren unwidersprochen gebliebenen Angaben verdiente die Beklagte bei Übernahme der Bürgschaft im März 1994 als teilzeitbeschäftigte Lehrerin lediglich 1.470 DM netto im Monat. Dieses Einkommen war unter Berücksichtigung ihrer Unterhaltspflicht gegenüber ihrem damals sieben Jahre alten Sohn unpfändbar (§ 850 c Abs. 1 ZPO). Ihren Einkünften aus der Vermietung eines Mehrfamilienhauses in Höhe von 1.232,50 DM monatlich standen nach ihrem streitigen Vorbringen Aufwendungen von 2.143 DM für Zinsen und Tilgung des angeblich mit rund 300.000 DM valutierenden Hypothekendarlehens gegenüber. Diese Aufwendungen waren, wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, notwendig , um die Mieteinnahmen erzielen zu können. Daû von den Aufwendungen weniger als 1.232,50 DM monatlich auf Zinsen entfielen, ist nicht festgestellt und angesichts der Höhe des Hypothekendarlehens auch nicht ersichtlich. Nach dem Vorbringen der Beklagten ist vielmehr
davon auszugehen, daû von ihren Mieteinnahmen nicht einmal ein Teil zur Bedienung der laufenden Zinsen aus der verbürgten Darlehenssumme von 100.000 DM zur Verfügung stand. Die Annahme des Berufungsgerichts , die Beklagte sei mit Hilfe ihres Arbeitseinkommens und ihrer Mieteinnahmen in der Lage, Vermögensbildung zu betreiben, entbehrt danach jeder Grundlage.

b) Auch über pfändbares Vermögen, das bei der Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen wäre, verfügt die Beklagte nach ihren Angaben nicht. Ihr Mehrfamilienhausgrundstück hat nach ihrem unter Beweis gestellten Vorbringen, dem das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, verfahrensfehlerhaft nicht nachgegangen ist, lediglich einen Verkehrswert von 300.000 DM und ist wertausschöpfend belastet. Diese Belastung ist bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Bürgen zu berücksichtigen. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei älteren Entscheidungen zwar die gegenteilige Ansicht vertreten (BGH, Urteile vom 7. März 1996 - IX ZR 43/95, WM 1996, 766, 768 und vom 13. November 1997 - IX ZR 289/96, WM 1998, 67, 69, insoweit in BGHZ 137, 153 ff. nicht abgedruckt). Diese Ansicht ist angesichts der jetzt auch vom IX. Zivilsenat geteilten Auffassung, daû sich die Wirksamkeit einer Bürgschaft nur nach der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen richtet (BGHZ 146, 37, 43 f.; BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 298/98, WM 2000, 410, 412), aber überholt. Nach dieser neuen Rechtsprechung ist es allein folgerichtig, das verbürgte Risiko nur um den im Einzelfall effektiv verfügbaren Sicherungswert des mitverhafteten dinglichen Vermögens zu mindern, also valutierende dingliche Belastungen vermögensmindernd zu berücksichti-
gen. Deren Nichtberücksichtigung widerspräche auch der banküblichen Praxis und würde insbesondere bei wertausschöpfenden dinglichen Belastungen dazu führen, daû ein Bürge als finanziell leistungsfähig behandelt werden müûte, obwohl er dies ersichtlich nicht ist (Nobbe /Kirchhof BKR 2001, 1, 9 f.). An der vorgenannten älteren Rechtsprechung des IX. Zivilsenats kann deshalb nicht festgehalten werden. Zu dieser Änderung der Rechtsprechung ist der erkennende Senat ohne Anrufung des Groûen Senats für Zivilsachen gemäû § 132 GVG in der Lage, da er nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs seit dem 1. Januar 2001 an Stelle des IX. Zivilsenats für Bürgschaftssachen zuständig ist.

c) Aus der maûgeblichen Sicht eines rational handelnden Kreditinstituts war bei Hereinnahme der Bürgschaft im März 1994 auch mit einer alsbaldigen wesentlichen und dauerhaften Verbesserung der Einkommens - und Vermögensverhältnisse der Beklagten nicht zu rechnen. Angesichts des Alters des von ihr betreuten Sohnes von sieben Jahren erschien eine ganztätige berufliche Tätigkeit der Beklagten in naher Zukunft vielmehr eher unwahrscheinlich. Daû sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse günstiger entwickelt hätten, als dies bei Übernahme der Bürgschaft zu erwarten war, ist weder substantiiert vorgetragen noch festgestellt, so daû sich die von der Revisionserwiderung erörterte Streitfrage, ob auch die finanzielle Situation des Bürgen bei Eintritt des Bürgschaftsfalles bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit Berücksichtigung finden muû, nicht stellt.
3. Anders als das Berufungsgericht unter Berufung auf die Rechtsprechung des vormals für das Bürgschaftsrecht zuständigen IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs angenommen hat, ändert auch ein Interesse des Gläubigers, sich vor Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, an der Sittenwidrigkeit einer den bürgenden Ehegatten finanziell kraû überfordernden Bürgschaft nichts. Überdies hat das Berufungsgericht übersehen, daû eine Klage gegen einen kraû finanziell überforderten bürgenden Ehegatten auch nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats - als derzeit unbegründet - abzuweisen ist, wenn eine Vermögensverschiebung - wie hier - nicht stattgefunden hat (BGHZ 128, 230, 235 f.; 134, 325, 328 ff.; BGH, Urteil vom 25. November 1999 - IX ZR 40/98, WM 2000, 23, 25).

a) Wie der erkennende Senat bereits in seinem Vorlagebeschluû vom 29. Juni 1999 an den Groûen Senat für Zivilsachen (XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558) ausgeführt hat, rechtfertigt allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen, ein unbeschränktes Mithaftungsbegehren nicht. Ohne besondere, vom Kreditgeber darzulegende und notfalls zu beweisende Anhaltspunkte kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daû eine kraû überfordernde Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme inhaltlich von vornherein nur eine erhebliche Vermögensverlagerung zwischen Hauptschuldner und Sicherungsgeber verhindern soll. Eine solche Vereinbarung, die der Personalsicherheit einen ganz besonderen Sinn verleiht, ist keineswegs üblich oder den auûerhalb der Vertragsurkunde liegenden Umständen zu entnehmen. Wer unter Berufung auf den wirklichen Willen verständiger Vertragsparteien eine solche einschränkende Auslegung der Bürgschaft
oder Mithaftungsabrede vornimmt, setzt sich daher über allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze hinweg und verstöût überdies gegen das Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion formularmäûiger Bürgschafts - oder Mithaftungsverträge. Nimmt der Kreditgeber den Betroffenen - wie hier - in Anspruch, ohne auch nur ansatzweise zu behaupten, daû und in welchem Umfang eine im Verhältnis zur Kreditsumme erhebliche Vermögensverschiebung stattgefunden hat, so zeigt auch dieses im Rahmen der Vertragsauslegung zu berücksichtigende nachvertragliche Verhalten (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 16. Oktober 1997 - IX ZR 164/96, WM 1997, 2305, 2306 m.w.Nachw.), daû die Annahme einer stillschweigend getroffenen Haftungsbeschränkung nicht gerechtfertigt ist.

b) Diese Auffassung wird inzwischen im Grundsatz auch vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs geteilt. Er sieht sich jedoch daran gehindert, die von ihm für die Zukunft anerkannten Grundsätze auch auf Bürgschaftsverträge aus der Zeit vor dem 1. Januar 1999 anzuwenden (Urteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2329 f.), weil für die Kreditinstitute nicht hinreichend klar gewesen sei, inwieweit sie ihr Interesse an einem möglichst wirksamen Schutz vor Vermögensverschiebungen über die bloûe Hereinnahme einer Bürgschaft hinaus durch geeignete vertragliche Regelungen absichern muûten. Dieser differenzierenden Betrachtungsweise vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschlieûen.
Dabei kann offenbleiben, ob und inwieweit das Vertrauen einer Prozeûpartei in den Fortbestand höchstrichterlicher Rechtsprechung
überhaupt schutzwürdig ist (siehe dazu Schimansky WM 2001, 1889 ff. m.w.Nachw.). Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es hier nicht entscheidend an, weil sich bei einem vernünftigen Gläubiger kein für einen etwaigen Dispositionsschutz unerläûliches Vertrauen bilden konnte. Der Gesichtspunkt der Verhinderung von Vermögensverschiebungen des Hauptschuldners als ein die Sittenwidrigkeit vermeidendes Moment ist erstmals als Reaktion auf die Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1993 (BVerfGE 89, 214, 229 ff.) und 5. August 1994 (BVerfG NJW 1994, 2749) vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs berücksichtigt worden (vgl. BGHZ 128, 230, 234 f.; 132, 328, 331; 134, 325, 327 f.). Er hat dabei ausdrücklich der abweichenden Rechtsprechung des XI. Zivilsenats (BGHZ 120, 272, 278 f. und Urteil vom 22. Januar 1991 - XI ZR 111/90, WM 1991, 313, 315) widersprochen. Der XI. Zivilsenat hat auch in der Folgezeit stets daran festgehalten , daû allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen , ein wirtschaftlich sinnloses Mithaftungsbegehren des Kreditgebers grundsätzlich nicht rechtfertigt (BGHZ 134, 42, 49; 135, 66, 69; Vorlagebeschluû vom 29. Juni 1999 - XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558). Von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Berücksichtigungsfähigkeit des Schutzinteresses des Gläubigers vor Vermögensverschiebungen ohne eine ausdrückliche Beschränkung von Bürgschaften auf diesen Zweck konnte daher keine Rede sein (Vorlagebeschluû des erkennenden Senats vom 29. Juni 1999 - XI ZR 10/98, aaO S. 1558 f.; siehe auch Schimansky aaO S. 1892).

III.



Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil insbesondere tatrichterliche Feststellungen zum Wert des Mehrfamilienhauses der Beklagten , der Valutierung des Hypothekendarlehens und zu den monatlichen Zins- und Tilgungslasten der Beklagten bei Abschluû des Bürg-
schaftsvertrages fehlen. Zur weiteren Sachaufklärung war die Sache deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 81/01 Verkündet am:
14. Mai 2002
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Ein Interesse des Kreditgebers, sich durch einen an sich wirtschaftlich sinnlosen
Bürgschafts- oder Mithaftungsübernahmevertrag vor Vermögensverschiebungen
zwischen Eheleuten zu schützen, vermag die Sittenwidrigkeit
grundsätzlich nur bei einer ausdrücklichen Haftungsbeschränkung zu vermeiden.
Das gilt auch für eine vor dem 1. Januar 1999 übernommene Bürgschaft
(Aufgabe von BGH WM 1998, 2327, 2329 f.).
BGH, Urteil vom 14. Mai 2002 - XI ZR 81/01 - OLG Dresden
LG Dresden
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und
die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Müller und Dr. Wassermann

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Januar 2001 aufgehoben und das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 24. April 1998 abgeändert.
Die Klage wird uneingeschränkt abgewiesen.
Die Anschlußrevision der Klägerin wird nicht angenommen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Bürgschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Vertrag vom 25. Juli 1995 verbürgte sich die Beklagte - Mutter von zwei Kindern und von Beruf Architektin - gegenüber der klagenden Sparkasse bis zum Höchstbetrag von 9,86 Millionen DM. Hauptschuldnerin war die K. GmbH & Co. KG. Deren einziger Kommanditist und alleiniger Gesellschafter der Komplementärin war der Ehemann der Beklagten.
Die Beklagte war früher kaufmännische Angestellte bei der Hauptschuldnerin und bezog von Januar bis mindestens Ende August 1995 als Geschäftsführerin der K. GmbH ein monatliches Bruttogehalt von 6.500 DM. Bei Abgabe der Bürgschaftserklärung war sie Miteigentümerin eines mit Grundschulden in Höhe von 800.000 DM belasteten Grundstücks zu ein halb und zusammen mit ihrem Ehemann Mitinhaberin eines Bankguthabens über rund 20.000 DM. Außerdem besaß sie eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von ca. 8.000 DM.
Am 1. September 1996 wurde über das Vermögen der KG das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Im selben Monat kündigte die Klägerin daraufhin die ausgereichten Geschäftskredite über insgesamt 18.276.968,55 DM fristlos und nahm die Beklagte aus dem Bürgschaftsvertrag in Anspruch. Mit der vorliegenden Klage macht sie einen Teilbetrag von 500.000 DM geltend. Die Beklagte hält dem entgegen, die Bürgschaft überfordere ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit kraß und sei daher sittenwidrig.
Das Landgericht hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Die Berufungen beider Parteien sind erfolglos geblieben. Mit der Revision der Beklagten und der unselbständigen Anschluûrevision der Klägerin verfolgen die Parteien ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur uneingeschränkten Abweisung der Klage.
1. Das Berufungsgericht hat den Bürgschaftsvertrag für wirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die Bürgschaft der Beklagten verstoûe nicht gegen die guten Sitten. Allerdings sei sie durch die Haftung bis zum Höchstbetrag von 9,86 Millionen DM von Anfang an finanziell in krasser Weise überfordert worden. Mit der Teilinhaberschaft an dem Bankguthaben über rund 20.000 DM und ihrer Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von ca. 8.000 DM habe ihr Gesamtvermögen nicht mehr als rund 18.000 DM betragen. Der Miteigentumsanteil der Beklagten an einem Grundstück ändere daran nichts, da er wertausschöpfend belastet gewesen sei. Das monatliche Bruttoeinkommen von 6.500 DM als Geschäftsführerin der K. GmbH habe nicht einmal zur vertragsgemäûen Zahlung der laufenden Zinsen der verbürgten Verbindlichkeiten ausgereicht. Die bei einer kras-
sen finanziellen Überforderung bestehende tatsächliche Vermutung, daû die Beklagte die Bürgschaft nur aus persönlicher Verbundenheit zu ihrem Ehemann, dem wirtschaftlichen Eigentümer der Hauptschuldnerin, übernommen habe, habe die Klägerin nicht entkräftet.
Gleichwohl sei der Bürgschaftsvertrag bei Würdigung aller Umstände nicht als sittenwidrig einzustufen. Da die Klägerin die Beklagte weder überrumpelt noch Aufklärungspflichten verletzt habe, rechtfertige das Interesse des Gläubigers, sich vor Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, auch die Hereinnahme einer im übrigen wirtschaftlich sinnlosen Personalsicherheit. Daû sich die Hauptschuldnerin schon seit mehreren Jahren in der Gesamtvollstreckung befinde, ändere nichts, weil weiterhin die - wenngleich vorläufig nicht naheliegende - Gefahr bestehe, daû der Ehemann der Beklagten als weiterer Bürge der Klägerin Vermögensverlagerungen vornehme. Da es dazu bislang nicht gekommen sei, sei die Klägerin jedoch an der Durchsetzung ihrer Ansprüche aus dem Bürgschaftsvertrag gegen die Beklagte rechtlich gehindert , so daû das Landgericht die Klage zu Recht als derzeit unbegründet abgewiesen habe.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
Die von der Beklagten übernommene Höchstbetragsbürgschaft verstöût in besonders auffälliger Weise gegen die guten Sitten und ist infolgedessen nichtig. Mit seiner gegenteiligen Auffassung hat das Berufungsgericht verkannt, daû ein Interesse des Kreditgebers, sich vor
etwaigen Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, die Sittenwidrigkeit in aller Regel nur dann vermeiden kann, wenn dieser beschränkte Zweck durch eindeutige Erklärungen zum Inhalt der den unterlegenen Vertragsteil sonst kraû überfordernden Bürgschaft oder Mithaftungsabrede gemacht worden ist.

a) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Ansicht des Berufungsgerichts , die Beklagte werde durch die Übernahme einer Höchstbetragsbürgschaft von 9,86 Millionen DM finanziell kraû überfordert.
aa) Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs liegt eine solche Überforderung des Bürgen oder Mitverpflichteten bei nicht ganz geringen Bankschulden grundsätzlich vor, wenn er voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens und Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalls dauerhaft tragen kann. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ohne Hinzutreten weiterer Umstände - widerleglich zu vermuten, daû der dem Hauptschuldner persönlich nahestehende Bürge oder Mithaftende die für ihn ruinöse Personalsicherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (BGHZ 136, 346, 351; 146, 37, 42; BGH, Urteile vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 411; vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 126 und vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224).

bb) Die Beklagte war nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts bei Abgabe der Bürgschaftserklärung im Juli 1995 ersichtlich nicht einmal annähernd in der Lage, die laufenden Zinsen für die verbürgte Hauptschuld über 9,86 Millionen DM aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens und Vermögens zu tragen. Ihr Gehalt als Geschäftsführerin der K. GmbH von monatlich 6.500 DM brutto reichte dazu bei weitem nicht aus. Eigenes verwertbares Vermögen war nur in Höhe von rund 18.000 DM vorhanden. Das wertausschöpfend belastete Grundeigentum der Beklagten hat das Berufungsgericht zu Recht nicht berücksichtigt (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tage - XI ZR 50/01).
cc) Die danach bestehende Vermutung, daû sich die Beklagte bei Übernahme der ruinösen Bürgschaft von ihrer emotionalen Bindung an ihren Ehemann, den wirtschaftlichen Alleineigentümer der Hauptschuldnerin , hat leiten lassen, hat das Berufungsgericht zu Recht nicht als entkräftet angesehen. Daû die Beklagte zunächst bei der Hauptschuldnerin angestellt, geschäftlich nicht unerfahren war und als Vertreterin ihres Ehemannes an Gesprächen zur Sanierung der Hauptschuldnerin teilgenommen hat, fällt entgegen der Ansicht der Klägerin als Beweisanzeichen nicht entscheidend ins Gewicht. Auch erfahrene und geschäftsgewandte Personen können aus emotionaler Verbundenheit zu ihrem Ehegatten Verbindlichkeiten eingehen, die sie finanziell kraû überfordern (BGH, Urteile vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 413 und vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 127).

b) Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht aber, soweit es unter Berufung auf die Rechtsprechung des vormals für das Bürgschaftsrecht zuständigen IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ein Interesse der kreditgebenden Bank, sich vor Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, angenommen und mit Rücksicht darauf die Sittenwidrigkeit der die Beklagte kraû überfordernden Bürgschaft verneint hat.
aa) Wie der erkennende Senat bereits in seinem Vorlagebeschluû vom 29. Juni 1999 an den Groûen Senat für Zivilsachen (XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558) ausgeführt hat, rechtfertigt allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen, ein unbeschränktes Mithaftungsbegehren nicht. Ohne besondere, vom Kreditgeber im einzelnen darzulegende und notfalls zu beweisende Anhaltspunkte kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daû eine kraû überfordernde Bürgschafts- oder Mithaftungsübernahme inhaltlich von vornherein nur eine erhebliche Vermögensverlagerung zwischen Hauptschuldner und Sicherungsgeber verhindern soll. Eine solche Vereinbarung, die der Personalsicherheit einen ganz besonderen Sinn verleiht, ist keineswegs üblich oder den auûerhalb der Vertragsurkunde liegenden Umständen zu entnehmen. Wer unter Berufung auf den wirklichen Willen verständiger Vertragsparteien eine solche einschränkende Auslegung der Bürgschaft oder Mithaftungsabrede vornimmt, setzt sich daher über allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze hinweg und verstöût überdies gegen das Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion formularmäûiger Bürgschafts - oder Mithaftungsverträge. Nimmt der Kreditgeber den Betroffenen - wie hier - in Anspruch, ohne auch nur ansatzweise zu behaupten,
daû und in welchem Umfang eine im Verhältnis zur Kreditsumme erhebliche Vermögensverschiebung stattgefunden hat, so zeigt auch dieses im Rahmen der Vertragsauslegung zu berücksichtigende nachvertragliche Verhalten (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 16. Oktober 1997 - IX ZR 164/96, WM 1997, 2305, 2306 m.w.Nachw.), daû die Annahme einer stillschweigend getroffenen Haftungsbegrenzung nicht gerechtfertigt ist.
bb) Diese Auffassung wird inzwischen im Grundsatz auch vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs geteilt. Er sieht sich jedoch daran gehindert, die von ihm für die Zukunft anerkannten Grundsätze auch auf Bürgschaftsverträge aus der Zeit vor dem 1. Januar 1999 anzuwenden (BGH, Urteil, vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2329 f.), weil für die Kreditinstitute nicht hinreichend klar gewesen sei, inwieweit sie ihr Interesse an einem möglichst wirksamen Schutz vor Vermögensverschiebungen über die bloûe Hereinnahme einer Bürgschaft hinaus durch geeignete vertragliche Regelungen absichern muûten. Dieser differenzierenden Betrachtungsweise vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschlieûen.
Dabei kann offenbleiben, ob und inwieweit das Vertrauen einer Prozeûpartei in den Fortbestand höchstrichterlicher Rechtsprechung überhaupt schutzwürdig ist (siehe dazu Schimansky WM 2001, 1889 ff. m.w.Nachw.). Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es hier nicht entscheidend an, weil sich bei einem vernünftigen Gläubiger kein für einen etwaigen Dispositionsschutz unerläûliches Vertrauen bilden konnte. Der Gesichtspunkt der Verhinderung von Vermögensverschiebungen des Hauptschuldners als ein die Sittenwidrigkeit vermeidendes Moment ist
erstmals als Reaktion auf die Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1993 (BVerfGE 89, 214, 229 ff.) und 5. August 1994 (BVerfG NJW 1994, 2749 f.) vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs berücksichtigt worden (vgl. BGHZ 128, 230, 234 f.; 132, 328, 331; 134, 325, 327 f.). Er hat dabei ausdrücklich der abweichenden Rechtsprechung des XI. Zivilsenats (BGHZ 120, 272, 278 f. und Urteil vom 22. Januar 1991 - XI ZR 111/90, WM 1991, 313, 315) widersprochen. Der XI. Zivilsenat hat auch in der Folgezeit stets daran festgehalten , daû allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen , ein wirtschaftlich sinnloses Mithaftungsbegehren des Kreditgebers grundsätzlich nicht rechtfertigt (BGHZ 134, 42, 49; 135, 66, 69; Vorlagebeschluû vom 29. Juni 1999 - XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558). Von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Berücksichtigungsfähigkeit des Interesses des Gläubigers, sich vor Vermögensverschiebungen zu schützen, ohne eine ausdrückliche Beschränkung von Bürgschaften auf diesen Zweck konnte daher keine Rede sein (Vorlagebeschluû des erkennenden Senats vom 29. Juni 1999 - XI ZR 10/98, aaO S. 1558 f.; siehe auch Schimansky aaO S. 1892).
Die Beurteilung der Sittenwidrigkeit der von der Beklagten im Juli 1995 übernommenen Bürgschaft hat danach nach denselben Kriterien zu erfolgen wie die eines nach dem 1. Januar 1999 abgeschlossenen Bürgschaftsvertrages. An der abweichenden Rechtsprechung des IX. Zivilsenats kann deshalb nicht festgehalten werden. Zu dieser Änderung der Rechtsprechung ist der erkennende Senat ohne Anrufung des Groûen Senats für Zivilsachen gemäû § 132 GVG in der Lage, da er nach dem
Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs seit dem 1. Januar 2001 an Stelle des IX. Zivilsenats für Bürgschaftssachen zuständig ist.

c) Auf die Revision der Beklagten war das Berufungsurteil daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.) und die Klage uneingeschränkt abzuweisen.

II.


Die Annahme der unselbständigen Anschluûrevision der Klägerin war abzulehnen. Sie hat weder Aussicht auf Erfolg noch grundsätzliche Bedeutung (§ 554 b ZPO a.F.). Prozeûrechtliche Bedenken gegen die Ablehnung der Annahme der Anschluûrevision durch Urteil nach mündlicher Verhandlung bestehen nicht (Senatsurteile vom 29. September 1992 - XI ZR 265/91, NJW 1992, 3225, 3227 und vom 14. März 2000 - XI ZR 14/99, WM 2000, 1057, 1058). Die Entscheidung muû nicht in einem vorgeschalteten Beschluûverfahren getroffen werden.
Nobbe Siol Bungeroth
Müller Wassermann

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 199/01 Verkündet am:
28. Mai 2002
Weber,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit
von Mithaftung und Bürgschaft finanziell überforderter Angehöriger gelten
grundsätzlich nicht für Kommanditisten einer KG, die für Verbindlichkeiten
der KG die Mithaftung oder Bürgschaft übernehmen. Etwas anderes gilt,
wenn der Kommanditist ausschließlich Strohmannfunktion hat, die Mithaftung
oder Bürgschaft nur aus emotionaler Verbundenheit mit der hinter ihm
stehenden Person übernimmt und beides für die kreditgebende Bank evident
ist.
BGH, Urteil vom 28. Mai 2002 - XI ZR 199/01 - OLG Naumburg
LG Magdeburg
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Joeres und die Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 26. April 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die klagende Bank nimmt die Beklagte im Wege der Teilklage aus einer Bürgschaft für Verbindlichkeiten einer Kommanditgesellschaft in Anspruch.
Die Mutter der Beklagten entschloß sich im Jahr 1996 zur Fortführung eines in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft betriebenen Unternehmens, dessen Betriebsleiterin sie früher gewesen war. Zu die-
sem Zweck trat sie als Komplementärin in die KG ein. Die Beklagte übernahm eine Kommanditeinlage von 810.000 DM.
Mit Kontokorrentkredit- bzw. Darlehensverträgen vom 16. März und 30. Oktober 1996 gewährte die Klägerin der KG Kredite in Höhe von insgesamt 2.506.000 DM zu einem jährlichen Zinssatz von 8,25%. Für diese übernahm die Beklagte im Januar 1997 eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zu einem Höchstbetrag von 1 Million DM.
Die Beklagte, eine damals 30 Jahre alte Diplomjuristin, verheiratet und kinderlos, war seit 1992 als selbständige Finanz- und Versorgungsberaterin tätig. Ausweislich des Einkommenssteuerbescheides für 1996 betrugen ihre jährlichen Einnahmen 18.241 DM. In einer Selbstauskunft vom 18. Juli 1996 hatte sie ihr Jahreseinkommen hingegen auf 64.000 DM und das ihres Ehemannes auf 34.000 DM, zusammen 98.000 DM, beziffert. Ihr Bankguthaben hatte sie dort mit 20.000 DM und den Wert von Grundeigentum, das mit Grundpfandrechten in Höhe von 145.000 DM belastet war, mit 145.000 DM angegeben. In einem Sachbericht der M. Beteiligungsgesellschaft mbH und der B.bank GmbH vom 19. August 1996 an die Klägerin wurde der Verkehrswert des belasteten, der Beklagten nur zu ein halb zustehenden Grundstücks hingegen auf 300.000 DM und das Bankguthaben der Beklagten auf 21.000 DM beziffert.
Nachdem die KG im November 1999 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hatte, kündigte die Klägerin am 3. Dezember 1999 die in Höhe von 1.768.886,41 DM valutierenden Kredite und nahm die Beklagte aus der Bürgschaft in Anspruch.

Die Beklagte macht die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft wegen krasser finanzieller Überforderung geltend. Sie sei nicht in der Lage gewesen , die laufenden Zinsen zu tilgen. Die Gesellschafterstellung habe sie nur als Strohfrau und die Bürgschaft nur aufgrund familiären Drucks übernommen. Sie sei geschäftsunerfahren gewesen. Überdies habe der Mitarbeiter der Klägerin die Übernahme der Bürgschaft als bloße Formsache verharmlost.
Das Landgericht hat der Teilklage auf Zahlung von 100.000 DM nebst Zinsen stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Die Bürgschaft sei wegen krasser finanzieller Überforderung der Bürgin sittenwidrig. Die Beklagte sei allerdings weder geschäftlich uner-
fahren gewesen noch seien der von ihr behauptete familiäre Druck oder die angebliche Verharmlosung der Bürgschaftsübernahme durch einen Mitarbeiter der Klägerin geeignet, die Sittenwidrigkeit zu begründen. Daß die Kreditgewährung von der Gestellung einer Bürgschaft abhängig gemacht worden sei, entspreche der banküblichen Praxis und rechtfertige die Annahme der Sittenwidrigkeit auch dann nicht, wenn die Beklagte - wie sie behaupte - nur als Strohfrau Gesellschafterin geworden sei. Bürgschaften von Angehörigen des Hauptschuldners oder eines persönlich haftenden Gesellschafters seien jedoch auch bei Fehlen weiterer Umstände als sittenwidrig anzusehen, wenn ein krasses Mißverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen bestehe. So sei es hier. Die Beklagte sei bei Berücksichtigung ihres pfändbaren Einkommens und Vermögens nicht in der Lage, auch nur die laufende Zinslast zu tragen. Dies gelte auch dann, wenn man zugunsten der Klägerin von dem in der Selbstauskunft vom 18. Juli 1996 angegebenen Jahreseinkommen von 98.000 DM ausgehe sowie die Vermögensverhältnisse aus dem Sachbericht der M. Beteiligungsgesellschaft mbH und der B.bank GmbH vom 19. August 1996 zugrunde lege. Die Klägerin habe auch berücksichtigen müssen, daß die Beklagte für die Übernahme des Kommanditanteils von 810.000 DM noch den Kaufpreis in einer Rate zu 110.000 DM und sieben jährlichen Folgeraten von 100.000 DM habe zahlen müssen. Auf den mit dem Erwerb des Kommanditanteils verbundenen Vermögenszuwachs komme es nicht an, da der Kommanditanteil im Falle der Insolvenz des Hauptschuldners keinen Wert mehr habe. Das Interesse der Klägerin, sich vor Vermögensverschiebungen zu schützen, rechtfertige die Hereinnahme der die Beklagte finanziell kraß überfordernden Bürgschaft hier nicht.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Im Ergebnis zutreffend ist allerdings die Ansicht des Berufungsgerichts , die Beklagte werde durch die Übernahme der Höchstbetragsbürgschaft von 1 Million DM finanziell kraû überfordert.

a) Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes liegt eine solche Überforderung des Bürgen oder Mitverpflichteten bei nicht ganz geringen Bankschulden grundsätzlich vor, wenn er innerhalb der vertraglich festgelegten Kreditlaufzeit voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens und Vermögens dauerhaft aufbringen kann (BGHZ 136, 347, 351; 146, 37, 42; BGH, Urteile vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 411; vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 126; vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224 und vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01 und 81/01, beide zur Veröffentlichung vorgesehen). Bei der Beurteilung der krassen finanziellen Überforderung von Bürgen und Mithaftenden ist pfändbares Vermögen in der Weise zu berücksichtigen, daû der ermittelte Wert von der Bürgschafts- oder mitübernommenen Schuld abgezogen wird. Nur wenn der pfändbare Teil des Einkommens des Bürgen oder Mithaftenden die auf den so ermittelten Schuldbetrag entfallenden laufenden Zinsen voraussichtlich nicht abdeckt, liegt eine krasse finanzielle Überforderung vor (Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 10).


b) So ist es hier, ohne daû es auf die vom Berufungsgericht berücksichtigten Ratenzahlungsverpflichtungen der Beklagten aus dem Erwerb des Kommanditanteils ankommt.
aa) Selbst wenn man zugunsten der Klägerin von den bestrittenen Vermögensverhältnissen der Beklagten ausgeht, wie sie sich aus dem Sachbericht der M. Beteiligungsgesellschaft mbH und der B.bank GmbH vom 19. August 1996 ergeben, betrug das pfändbare Vermögen der Beklagten , wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bei Abschluû des Bürgschaftsvertrages nur 98.500 DM. Die Beklagte verfügte danach über ein Bankguthaben von 21.000 DM und war zu ein halb mitbeteiligt an einem Grundstück mit einem Verkehrswert von 300.000 DM, das mit valutierenden Grundpfandrechten von 145.000 DM belastet war. Diese Belastung ist der banküblichen Praxis entsprechend bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Beklagten vermögensmindernd zu berücksichtigen ; denn im Falle der Veräuûerung des Grundstücksanteils der Beklagten stünde nur der um die Belastung geminderte Erlös zur Erfüllung ihrer Bürgschaftsschuld zur Verfügung (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Dies wären hier 77.500 DM. Diese sowie das Bankguthaben von 21.000 DM sind danach von der Bürgschaftsschuld von 1 Million DM abzuziehen , so daû sich bei dem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Vertragszinssatz von 8,25% eine monatliche Zinsbelastung in Höhe von 6.197,81 DM ergibt.
bb) Diese laufende Zinslast konnte die Beklagte nicht aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens tragen. Nach der vom Berufungsge-
richt zugrundegelegten Selbstauskunft vom 18. Juli 1996 verfügte die Beklagte selbst über jährliche Einnahmen von 64.000 DM. Das angegebene Jahreseinkommen ihres Ehemannes von 34.000 DM ist, da es auf die Leistungsfähigkeit nur des Bürgen persönlich ankommt, insoweit nicht unmittelbar zu berücksichtigen, sondern führt nur dazu, daû sich der pfändungsfreie Betrag nicht durch Unterhaltspflichten erhöht. Auszugehen ist somit entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht von einem Jahreseinkommen der Beklagten von 98.000 DM, sondern nur von 64.000 DM, d.h. monatlichen Einkünften von 5.333,33 DM. Der 1997 nach § 850 c ZPO monatlich pfändbare Betrag beläuft sich danach auf 3.337,03 DM und bleibt damit weit hinter der monatlichen Zinsbelastung zurück.
2. Nicht rechtsfehlerfrei ist aber die Ansicht des Berufungsgerichts, die krasse finanzielle Überforderung habe ohne weiteres die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft der Beklagten zur Folge.
a) Die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Sittenwidrigkeit von Mithaftung und Bürgschaft finanziell überforderter Familienangehöriger entwickelten Grundsätze (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 411; Senat BGHZ 146, 37 ff.; Senatsurteil vom 15. Januar 2002 - XI ZR 98/01, WM 2002, 436 f., jeweils m.w.Nachw.) gelten, was das Berufungsgericht verkannt hat, für die Bürgschaft der Beklagten als einziger Kommanditistin der Hauptschuldnerin grundsätzlich nicht.
aa) Ein Kreditinstitut, das einer GmbH ein Darlehen gewährt, hat nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein berechtigtes Interesse an der persönlichen Haftung der maûgeblich beteiligten
Gesellschafter. Die gängige Bankpraxis, bei der Gewährung von Geschäftskrediten für eine GmbH Bürgschaften der Gesellschafter zu verlangen , ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden (BGHZ 137, 329, 336; BGH, Urteile vom 11. Dezember 1997 - IX ZR 274/96, WM 1998, 235, 236, insoweit in BGHZ 137, 292 ff. nicht abgedruckt; vom 16. Dezember 1999 - IX ZR 36/98, WM 2000, 514, 516; vom 18. September 2001 - IX ZR 183/00, WM 2001, 2156, 2157 und Senatsurteil vom 15. Januar 2002 - XI ZR 98/01, WM 2002, 436). Das gilt in gleicher Weise, wenn der Kredit - wie hier - einer Kommanditgesellschaft gewährt und vom Kommanditisten eine entsprechende Sicherheit verlangt wird (Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 14). Auch in diesem Fall kann die kreditgebende Bank im allgemeinen davon ausgehen, daû bei einem Gesellschafterbürgen, der einen bedeutsamen Gesellschaftsanteil hält, das eigene wirtschaftliche Interesse im Vordergrund steht und er schon deshalb durch die Haftung kein unzumutbares Risiko auf sich nimmt. Auch hier begründen daher weder die krasse finanzielle Überforderung eines bürgenden Gesellschafters noch seine emotionale Verbundenheit mit einem die Gesellschaft beherrschenden Dritten die Vermutung der Sittenwidrigkeit (vgl. Senatsurteil vom 15. Januar 2002 aaO S. 436 f. m.w.Nachw.).
bb) Dies gilt in der Regel selbst dann, wenn der Gesellschafter - wie die Beklagte dies behauptet - lediglich die Funktion eines Strohmannes hat. Nur wenn für das Kreditinstitut klar ersichtlich ist, daû derjenige , der bürgen soll, finanziell nicht beteiligt ist und die Stellung eines Gesellschafters ohne eigenes wirtschaftliches Interesse nur aus persönlicher Verbundenheit mit einer die Gesellschaft wirtschaftlich beherrschenden Person übernommen hat, gelten die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften naher Angehöriger entsprechend (Senatsurteil
vom 15. Januar 2002 aaO S. 437 m.w.Nachw.). Wird die Bank in die wirtschaftlichen Hintergründe der Gesellschaftsgründung so einbezogen, daû für sie die wirklichen Motive des Bürgen klar hervortreten, so darf sie davor nicht die Augen verschlieûen. Erkennt das Kreditinstitut infolge der ihm offenbarten Tatsachen, daû derjenige, der die Haftung übernehmen soll, finanziell nicht beteiligt ist und die Stellung eines Gesellschafters nur aus emotionaler Abhängigkeit übernommen hat, er also keine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt, ist der überforderte Bürge in gleicher Weise schutzwürdig wie in den typischen Fällen von Haftungserklärungen für die Verbindlichkeiten von Personen, denen er emotional eng verbunden ist (BGHZ 137, 329, 337; BGH, Urteil vom 18. September 2001 - IX ZR 183/00, WM 2001, 2156, 2157).

b) Das Berufungsgericht hat, wie die Revisionserwiderung zu Recht rügt, bislang weder zu der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob die Beklagte lediglich als Strohfrau ohne eigene wirtschaftliche Interessen Gesellschafterin geworden war, Feststellungen getroffen noch zu der Frage, ob das der Klägerin bekannt war oder sie davor die Augen verschlossen hat.
3. Eine finanziell belastende Bürgschaftsübernahme kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch aufgrund besonderer erschwerender, dem Kreditinstitut zurechenbarer Umstände sittenwidrig sein. Das ist etwa der Fall, wenn das Kreditinstitut die geschäftliche Unerfahrenheit des Bürgen ausnutzt oder die Willensbildung und Entschlieûungsfreiheit durch Irreführung, Schaffung einer seelischen Zwangslage oder die Ausübung unzulässigen Drucks beeinträchtigt hat (vgl. BGHZ 125, 206, 210; 128, 230, 232; 132, 328, 329 f.; 137, 329,
333; BGH, Urteile vom 15. Februar 1996 - IX ZR 245/94, WM 1996, 588, 592; vom 16. Januar 1997 - IX ZR 250/95, WM 1997, 511, 512 und Senatsurteil vom 15. Januar 2002 - XI ZR 98/01, WM 2002, 436, 437). Derartige Umstände hat das Berufungsgericht bislang ebenfalls nicht festgestellt.

a) Dies läût keinen Rechtsfehler erkennen, soweit das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, die Klägerin habe nicht eine bestehende geschäftliche Unerfahrenheit der Beklagten ausgenutzt. Dieser Umstand, der in der Praxis bei einem Kommanditisten ohnedies so gut wie nie zu bejahen sein wird (Nobbe/Kirchhof aaO S. 15), scheidet hier angesichts der Berufsausbildung der Beklagten als Diplomjuristin und ihrer seit 1992 ausgeübten Tätigkeit als Finanz- und Versorgungsberaterin aus.

b) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Berufungsgericht auch eine zur Sittenwidrigkeit der Bürgschaft führende seelische Zwangslage der Beklagten verneint. Die Beklagte hat sich zwar darauf berufen, sie sei von ihrem Vater am Hochzeitstag ihrer Eltern massiv unter Druck gesetzt worden. Das Berufungsgericht weist aber zutreffend darauf hin, es sei nicht dargetan, daû diese Umstände der Klägerin bekannt geworden sind.

c) Dem Berufungsgericht kann hingegen nicht gefolgt werden, soweit es den unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten als unerheblich ansieht, der Mitarbeiter J. der Klägerin habe auf Nachfrage die Bürgschaft als bloûe Formsache bezeichnet und die Rechtsfolgen verharmlost. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann in einer Verharmlosung der Rechtsfolgen einer Bürgschaft eine Irreführung des Bürgen liegen und damit zugleich ein besonderer Umstand, der die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft (mit)begründen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1997 - IX ZR 271/96, WM 1998, 239, 240, insoweit in BGHZ 137, 329 ff. nicht abgedruckt; Urteil vom 8. November 2001 - IX ZR 46/99, WM 2002, 919, 922; Nobbe/Kirchhof aaO S. 15).
4. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist schlieûlich die Ansicht des Berufungsgerichts, ein Interesse der Klägerin, sich vor Vermögensverschiebungen unter Verwandten zu schützen, rechtfertige die kraû überfordernde Bürgschaft nicht. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Vorlagebeschluû vom 29. Juni 1999 an den Groûen Senat für Zivilsachen (XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558) ausgeführt hat, rechtfertigt allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen, ein unbeschränktes Mithaftungsbegehren nicht. Gleiches gilt für eine kraû überfordernde Bürgschaft. Ohne besondere, vom Kreditgeber darzulegende und notfalls zu beweisende Anhaltspunkte kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daû eine kraû überfordernde Bürgschaft inhaltlich von vornherein nur eine erhebliche Vermögensverlagerung zwischen Hauptschuldner und Sicherungsgeber verhindern soll. Nimmt der Kreditgeber den Bürgen - wie hier - in Anspruch, ohne auch nur ansatzweise zu behaupten, daû und in welchem Umfang eine im Verhältnis zur Kreditsumme erhebliche Vermögensverschiebung statt-
gefunden hat, so zeigt dieses im Rahmen der Vertragsauslegung zu berücksichtigende nachvertragliche Verhalten, daû die Annahme einer stillschweigend getroffenen Haftungsbeschränkung nicht gerechtfertigt ist. Das gilt, wie der erkennende Senat in seinen Urteilen vom 14. Mai 2002 (XI ZR 50/01 und 81/01, beide zur Veröffentlichung vorgesehen) unter Änderung der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats (vgl. Urteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2329 f.) näher ausgeführt hat, auch für Bürgschaftsverträge aus der Zeit vor dem 1. Januar 1999.

III.


Das Berufungsurteil war danach aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).
Nobbe Siol Bungeroth Richter am Bundesge- Mayen richtshof Dr. Joeres ist wegen Urlaubs gehindert , seine Unterschrift beizufügen. Nobbe

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 205/01 Verkündet am:
28. Mai 2002
Weber
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Zur Abgrenzung zwischen Mitdarlehensnehmerschaft und einseitig verpflichtender
Mithaftung eines einkommens- und vermögenslosen Ehepartners.
BGH, Urteil vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01 - OLG Düsseldorf
LG Wuppertal
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter Dr. Siol, Dr. Müller, Dr. Joeres und die Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 1) wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. Mai 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als das Versäumnisurteil vom 8. Dezember 2000 gegen die Beklagte zu 1) aufrechterhalten und ihre Berufung gegen das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 28. März 2000 zurückgewiesen worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 28. März 2000 im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als die Beklagte zu 1) zur Zahlung von 597.255,45 DM nebst 6% Zinsen aus 596.370,72 DM seit dem 16. Juni 1999 verurteilt worden ist.
Im Umfang der Abänderung wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten erster Instanz sind wie folgt zu verteilen: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen sie selbst 60%, die Beklagte zu 1) 1% und der Beklagte zu 2) 39%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu 99% und diejenigen des Beklagten zu 2) zu 22% zu erstatten. Ihre übrigen außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagten selbst.
Von den Kosten zweiter Instanz haben die Beklagten die durch ihre Säumnis veranlaßten Kosten als Gesamtschuldner vorab zu tragen. Für die übrigen entstandenen Kosten gilt: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen sie selbst 49%, die Beklagte zu 1) 2% und der Beklagte zu 2) 49%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu 98% zu erstatten. Ihre übrigen außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagten selbst.
Die im Revisionsverfahren entstandenen Kosten sind wie folgt zu verteilen: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen sie selbst 72% und der Beklagte zu 2) 28%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu erstatten. Der Be- klagte zu 2) trägt seine auûergerichtlichen Kosten selbst.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten vor allem noch über die Wirksamkeit einer Mitverpflichtung der Beklagten aus einem Darlehensvertrag. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 15. Juli 1994 gewährte die klagende Sparkasse dem Beklagten zu 2), einem Immobilienmakler, ein variabel verzinsliches Darlehen über 800.000 DM zu einem Zinssatz von zunächst 6,75% p.a., rückzahlbar in monatlichen Zins- und Tilgungsraten von anfänglich 5.170 DM. Der Vertrag wurde von der Beklagten zu 1) (nachfolgend: Beklagte), seiner Ehefrau , mitunterzeichnet. Nach dem Willen der Vertragsparteien sollte mit dem Kredit das von ihrem Ehemann am 19. April 1994 allein erworbene Hausgrundstück finanziert werden. Gesichert wurden das Darlehen sowie alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Klägerin gegen die Darlehensnehmer durch eine Grundschuld über 1,07 Millionen DM an dem vom Ehemann der Beklagten erworbenen Grundstück.
Nachdem mehrere Zins- und Tilgungsraten nicht geleistet worden waren, kündigte die Klägerin den Darlehensvertrag mit Schreiben vom
24. Mai 1996 fristlos. In der Folgezeit betrieb sie die Zwangsversteigerung der belasteten Immobilie und verrechnete den ihr zugeflossenen Erlös von 730.101,86 DM vorrangig mit anderen Forderungen gegen den Ehemann der Beklagten, so daû nur noch ein Betrag von 161.392,68 DM auf das ausgereichte Darlehen entfiel.
Die vermögenslose Beklagte, die nach ihren Angaben zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im sechsten Monat schwanger und deshalb nicht mehr in der Lage war, ihrer mit maximal 1.200 DM brutto monatlich vergüteten Halbtagstätigkeit im Büro ihres Ehemannes nachzugehen, ist der Auffassung: Die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages stelle eine sie finanziell kraû überfordernde und überdies wegen besonders belastender Umstände sittenwidrige Schuldmitübernahme dar.
Das Landgericht hat der Klage zum groûen Teil stattgegeben und die beklagten Eheleute wegen des geltend gemachten Darlehensrückzahlungsanspruchs als Gesamtschuldner zur Zahlung von 597.255,45 DM zuzüglich Zinsen verurteilt. Ihre Berufungen sind erfolglos geblieben. Von den beiden Revisionen ist nur die der Beklagten angenommen worden.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt bezüglich des ihr gegenüber geltend gemachten Darlehensrückzahlungsanspruchs zur Abweisung der Klage.

I.


Das Berufungsgericht hat die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages durch die Beklagte für eine wirksame Mithaftungserklärung gehalten und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die von der Beklagten übernommene Mithaftung überfordere sie trotz fehlenden eigenen Einkommens und Vermögens nicht in krasser Weise. Eine andere Betrachtungsweise lasse die Besonderheit auûer acht, daû das Darlehen nicht für lange Zeit habe aufgenommen werden müssen, sondern nur deshalb, weil der Kaufpreis von 3,3 Millionen DM für die von ihrem Ehemann veräuûerte Gesellschaftsbeteiligung noch nicht bezahlt worden sei. Daû die Kaufpreisforderung schon bei der Kreditaufnahme endgültig uneinbringlich gewesen sei, sei von der Beklagten nicht schlüssig vorgetragen. Vor allem stehe der Annahme einer krassen finanziellen Überforderung entgegen, daû sie aufgrund der mit ihrem Ehemann getroffenen Vereinbarungen über die Mithaftungsübernahme im Innenverhältnis einen gleich hohen Aufwendungserstattungs- oder Ausgleichsanspruch erworben habe. Diese Ansprüche seien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses durchaus realisierbar gewesen, weil die Eheleute damals noch die Kaufpreiszahlung für die veräuûerten Geschäftsanteile erwartet hätten. Auûerdem sei nicht schlüssig vorgetragen , daû die Beklagte nicht bereits bei Abgabe der Mithaftungserklärung mit der finanziellen Unterstützung ihrer Schwiegereltern habe rechnen können. Dagegen sprächen zumindest die erheblichen Geldbeträge über rund 800.000 DM, die diese ihr ab Dezember 1995, also schon vor der Inanspruchnahme durch die Klägerin hätten zukommen lassen. Den Be-
weis, daû die Mithaftungsübernahme nach einer verharmlosenden Erklärung der Klägerin nur "pro forma" habe erfolgen sollen oder von ihr erzwungen worden sei, sei die Beklagte schuldig geblieben.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
Die durch die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages über 800.000 DM übernommene Mithaftung der Beklagten verstöût, wie die Revision zutreffend rügt, gemäû § 138 Abs. 1 BGB gegen die guten Sitten und ist damit nichtig. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die einkommens - und vermögenslose Beklagte sei nicht finanziell kraû überfordert , ist unhaltbar.
1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts , daû die Beklagte durch die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages nach dem Willen aller Beteiligten keine gleichberechtigte Kreditnehmerin, sondern bloûe Mithaftende werden sollte.

a) Echter Mitdarlehensnehmer ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur, wer ein eigenes - sachliches und/oder persönliches - Interesse an der Kreditaufnahme hat und als im wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung sowie die Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf (BGHZ 146, 37, 41; Senatsurteile vom 6. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, WM 1998, 2366 f.
und vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224). Ob diese Voraussetzungen im konkreten Einzelfall erfüllt sind, beurteilt sich ausschlieûlich nach den für die finanzierende Bank erkennbaren Verhältnissen auf seiten der Mitdarlehensnehmer. Die kreditgebende Bank hat es daher nicht in der Hand, etwa durch eine im Darlehensvertrag gewählte Formulierung wie z.B. "Mitdarlehensnehmer", "Mitantragsteller", "Mitschuldner" oder dergleichen einen bloû Mithaftenden zu einem gleichberechtigten Mitdarlehensnehmer zu machen und dadurch den Nichtigkeitsfolgen des § 138 Abs. 1 BGB zu entgehen (st.Rspr., siehe z.B. Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, aaO S. 224 m.w.Nachw.). Danach durfte das Berufungsgericht die Willenserklärung der Beklagten bei wertender Betrachtung gemäû §§ 133, 157 BGB durchaus als Schuldmitübernahme deuten. Zwar hat es seine Auffassung nicht einmal ansatzweise begründet, sondern eine Mitgläubiger- und gleichgründige Gesamtschuldnerschaft der Eheleute offenbar erst gar nicht in Betracht gezogen. Da in dieser Frage weiterer Sachvortrag der Prozeûparteien nicht zu erwarten ist, kann der erkennende Senat aber die gebotene Vertragsauslegung selbst vornehmen (vgl. etwa BGHZ 124, 39, 45).

b) Nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragschlieûenden diente die Kreditaufnahme über 800.000 DM ausschlieûlich zur Finanzierung des Kaufpreises für das nur vom Ehemann der Beklagten bereits vor Abschluû des Darlehensvertrags erworbene Hausgrundstück. Dafür, daû die Beklagte gleichwohl über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta als im wesentlichen gleichberechtigte Vertragspartei mitbestimmen durfte und von einem solchen Recht ganz oder teilweise Gebrauch gemacht hat, ist nichts ersichtlich. Nach ihrer unwiderlegten
Darstellung ist vielmehr davon auszugehen, daû sie, die mit dem Kauf der "Jugendstilvilla" nicht einverstanden war, aufgrund der mit ihrem Ehemann getroffenen Vereinbarung lediglich die Mithaftung für das Darlehen übernehmen sollte. Der Umstand, daû die zu finanzierende Immobilie bis zur Zwangsversteigerung durch die Klägerin von der ganzen Familie der Beklagten bewohnt wurde, deutet entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung keineswegs darauf hin, daû die Beklagte gleichberechtigte Mitdarlehensnehmerin sein sollte, sondern lenkt nur den Blick auf einen regelmäûig nicht einmal zuverlässig feststellbaren und häufig nur flüchtigen mittelbaren Vorteil der Beklagten aus der Kreditaufnahme.
2. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, überforderte die Mithaftungsübernahme die Beklagte von Anfang an finanziell in krasser Weise, ohne daû sich für die Klägerin entlastende Momente finden lassen.

a) Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs liegt eine solche Überforderung des Bürgen oder Mitverpflichteten bei nicht ganz geringen Bankschulden grundsätzlich vor, wenn er voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens und Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalls dauerhaft tragen kann. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, daû der dem Hauptschuldner persönlich nahestehende Bürge oder Mithaftende die für ihn ruinöse Personalsicherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit
dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (BGHZ 136, 346, 351; 146, 37, 47; BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 411; Senatsurteile vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 126, vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224 und vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, Umdruck S. 6 und - XI ZR 81/01, Umdruck S. 6, beide zur Veröffentlichung vorgesehen).

b) So ist es hier. Nach dem unwidersprochenen Sachvortrag der Beklagten war sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im sechsten Monat schwanger, nicht mehr halbtags in dem Betrieb ihres Ehemannes als Bürokraft tätig und infolgedessen ohne eigenes Einkommen. Da eine ganztätige Berufsausübung mit einem erheblich höheren Monatsgehalt als die vorher bezogenen 1.200 DM brutto in absehbarer Zeit nicht realistisch erschien und ein eigenes nennenswertes Vermögen nicht vorhanden war, konnte sie aus der maûgebenden Sicht eines rational handelnden Kreditgebers voraussichtlich auch zukünftig nicht einmal die im Darlehensvertrag vereinbarten Zinsen von mehr als 4.000 DM monatlich allein aufbringen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen auch keine besonderen Umstände vor, die es rechtfertigen, eine krasse finanzielle Überforderung der Beklagten zu verneinen.
aa) Darauf, ob der gesamte Kredit nach dem Willen der Vertragsschlieûenden schon nach kurzer Zeit mit dem Erlös aus dem Verkauf der Gesellschaftsbeteiligung des Ehemannes der Beklagten wieder zurückgezahlt werden sollte, kommt es - wie die Revision zu Recht geltend macht - nicht entscheidend an. Wenn das Berufungsgericht von der Beklagten den Nachweis verlangt, daû die Kaufpreisforderung über
3,3 Millionen DM bereits bei Abgabe der sonst ruinösen Mithaftung endgültig uneinbringlich gewesen sei, verkennt es, daû bei der Beurteilung der finanziellen Überforderung allein auf die Leistungsfähigkeit des Mithaftenden abzustellen ist (BGHZ 146, 37, 43; BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 412) und die Mithaftungserklärung gerade dann zum Tragen kommen soll, wenn der Hauptschuldner (unvorhergesehen) seiner Verpflichtung nicht nachkommt. Im übrigen enthält der Darlehensvertrag, der die Zinsanpassung für einen Zeitraum von 10 Jahren regelt, keinerlei Hinweis darauf, daû es sich nach dem ursprünglichen Willen der Vertragsparteien nur um eine kurzfristige Zwischenfinanzierung handeln sollte.
bb) Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten habe als bloûe Mithaftende jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Innenverhältnis ein die krasse finanzielle Überforderung voll ausgleichender Aufwendungsersatz- oder Ausgleichsanspruch gegen ihren primär haftenden Ehemann zugestanden, trägt die getroffene Entscheidung nicht. Eine Bürgschaft oder Mithaftung wird, wie dargelegt , von dem Betroffenen regelmäûig für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners oder anderer vergleichbarer Leistungshindernisse übernommen. Nach gefestigter Rechtsprechung sowohl des IX. als auch des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (siehe z.B. Senat BGHZ 146, 37, 43 m.w. Nachw.) ist bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Personalsicherheit daher die bei Vertragsabschluû vielleicht noch vorhandene Finanzkraft des Darlehensnehmers grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, sondern nur das pfändbare Einkommen und Vermögen des Sicherungsgebers. Davon ausgehend ist von vornherein ausgeschlossen , daû schuldrechtliche Befreiungs- oder Regreûansprüche des
Bürgen oder Mithaftenden gegen den Hauptschuldner, zumal wenn sie - wie hier - völlig ungesichert sind, bei der Prüfung der Wirksamkeit der Bürgschaft oder Mithaftung eine Rolle spielen.
cc) Rechtsfehlerhaft ist auch die Berücksichtigung von Zuwendungen der Schwiegereltern bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Beklagten. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestand keine hinreichend gesicherte Aussicht der Beklagten auf eine gegenüber der Darlehenssumme ins Gewicht fallende finanzielle Unterstützung durch ihre Schwiegereltern. Denn abgesehen davon, daû die Gelder nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag erst ab Dezember 1995, also nach der bereits im Sommer 1994 abgegebenen Mithaftungserklärung geflossen sind, handelt es sich durchweg um Leistungen, auf die sie keinen Anspruch hatte und die auch nicht, wie es grundsätzlich erforderlich gewesen wäre (vgl. BGHZ 132, 328, 336), zum Gegenstand von Verhandlungen über ihre künftig zu erwartende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gemacht worden sind.
dd) An der krassen finanziellen Überforderung der Beklagten ändert schlieûlich auch die von ihrem Ehemann bestellte Grundschuld über 1,07 Millionen DM nichts. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind anderweitige Sicherheitsleistungen des Kreditnehmers - vor allem dingliche Sicherheiten - grundsätzlich nur dann zu berücksichtigen , wenn sie das Mithaftungsrisiko des Betroffenen in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares Maû beschränken (vgl. etwa BGHZ 136, 347, 352 f.; Senat BGHZ 146, 37, 44 m.w.Nachw.). Diese engen Voraussetzungen erfüllt die Grundschuld, die - insoweit rechtlich unbedenklich - nicht nur das Darlehen über 800.000 DM, sondern auch
alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen der Klägerin gegen den Ehemann der Beklagten sichern sollte, nicht (vgl. Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 10).

c) Nach der zitierten ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (siehe z.B. Senat BGHZ 146, 37, 45; Urteil vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, aaO S. 225) lag es demnach bei der Klägerin, im einzelnen darzulegen und notfalls zu beweisen, daû die Beklagte die ruinöse Mithaftung entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung nicht aus emotionaler Bindung an ihren Ehemann, sondern aufgrund eines im wesentlichen autonomen und eigenverantwortlichen Entschlusses übernommen hat. Dafür ist jedoch nichts vorgetragen oder den Umständen zu entnehmen.

III.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.) und die Klage gegen die Beklagte abweisen, soweit sie sich auf Rückzahlung des restlichen Darlehens richtet.
Nobbe Siol Müller
Joeres Mayen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 82/02 Verkündet am:
10. Dezember 2002
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zur Wirksamkeit ruinöser
Gesellschafterbürgschaften gelten in der Regel auch für Minderheitsgesellschafter
der kreditsuchenden GmbH, und zwar auch dann, wenn der
Betroffene nicht mit der Geschäftsführung betraut ist. Nur bei unbedeutenden
Bagatell- und Splitterbeteiligungen kann nach dem Schutzgedanken
des § 138 Abs. 1 BGB eine andere rechtliche Beurteilung in Betracht kommen.
BGH, Urteil vom 10. Dezember 2002 - XI ZR 82/02 - OLG Karlsruhe
LG Baden-Baden
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 10. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe, die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die
Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 18. Januar 2002 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts BadenBaden vom 3. April 2001 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Kläger.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Bürgschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Autohaus B. GmbH (nachfolgend: B. GmbH) nahm im Jahre 1992 bei der beklagten Bank einen Geschäftskredit auf. Zur Sicherung
ihrer Ansprüche übernahmen der Kläger und beide Mitgesellschafter eine Höchstbetragsbürgschaft über 350.000 DM und erhöhten die Haftungssumme im nächsten Jahr auf 400.000 DM. Als die Kreditlinie nochmals erweitert wurde, schlossen die Beteiligten am 4. Mai 1995 einen Bürgschaftsvertrag bis zum Höchstbetrag von 469.000 DM.
Der Kläger hatte im November 1992 an der B. GmbH, deren Stammkapital 50.000 DM betrug, einen nominellen Geschäftsanteil von 5.000 DM für 50.000 DM gekauft und war damals bei ihr als Kfz-Meister beschäftigt. Geschäftsführer war der Mehrheitsgesellschafter H.. Außer der Gesellschaftsbeteiligung besitzt der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau ein Hausgrundstück.
Der Kläger, der den Bürgschaftsvertrag vom 4. Mai 1995 wegen krasser finanzieller Überforderung für sittenwidrig erachtet und mit der Klage dessen Unwirksamkeit festgestellt haben will, hat u.a. vorgetragen : Das ihm und seiner Ehefrau jeweils zur Hälfte gehörende Hausgrundstück sei zum damaligen Zeitpunkt erheblich belastet und höchstens 390.000 DM wert gewesen. Mit dem von der B. GmbH bezogenen Gehalt habe er keinen erheblichen Beitrag zur Erfüllung der Bürgschaftsverpflichtung leisten können. Zur Unterzeichnung der Bürgschaft sei er durch den geschäftsführenden Mitgesellschafter H. gedrängt und durch verharmlosende Erklärungen veranlaßt worden.
Das Landgericht hat die Feststellungsklage des Klägers abgewiesen , das Berufungsgericht ihr stattgegeben. Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Abweisung der Klage.

I.


Das Berufungsgericht hat die Höchstbetragsbürgschaft des Klägers über 469.000 DM für sittenwidrig erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Der Bürgschaftsvertrag vom 4. Mai 1995 überfordere den Kläger finanziell in krasser Weise. Nach seinen Gehaltsbescheinigungen für das Jahr 1995 habe er bei der B. GmbH im Monat durchschnittlich 3.483,60 DM netto verdient und infolgedessen die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte monatliche Zinslast von 3.419,79 DM nicht allein auf Dauer tragen können. Die ihm gehörende Haushälfte sei unter Berücksichtigung der nachgewiesenen dinglichen Belastungen nicht so wertvoll, daß ein Verkaufserlös ihn dazu vermutlich in die Lage versetzen würde.
Außer der krassen finanziellen Überforderung lägen auch zusätzliche erschwerende und der Beklagten zurechenbare Umstände vor. Nach der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, daß sie die Kreditlinie der B. GmbH ohne die Bürgschaftserklärungen aller Gesellschafter nicht er-
weitert hätte. Der Kläger habe daher keine andere Wahl gehabt, als entweder die Vertragsurkunde auf Drängen des geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafters H. zu unterzeichnen oder den Verlust seiner Arbeitsstelle in Kauf zu nehmen. Diese Zwangslage habe die Beklagte bewußt ausgenutzt.
Daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Kreditinstitut regelmäßig ein berechtigtes Interesse an einer Mithaftung aller maßgeblich beteiligten Gesellschafter habe, entlaste die Beklagte nicht. Der Kläger sei an der B. GmbH weder maßgeblich beteiligt noch für die entstehenden Forderungen der Beklagten rechtlich und wirtschaftlich verantwortlich gewesen. Ein besonderes Interesse des Klägers am Fortbestehen der Gesellschaft sei nicht festzustellen, zumal er keine Gewinnausschüttung erhalten habe.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstößt der Bürgschaftsvertrag der Parteien vom 4. Mai 1995 nicht gegen die guten Sitten.
1. Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. Zivilsenats und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge regelmäßig entscheidend vom Grad des Mißverhältnisses zwischen dem
Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; Senatsurteile vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224; vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, WM 2002, 1347, 1348, für BGHZ vorgesehen; vom 14. Mai 2002 - XI ZR 81/01, WM 2002, 1350, 1351 und vom 28. Mai 2002 - XI ZR 199/01, WM 2002, 1647, 1648 sowie XI ZR 205/01, WM 2002, 1649, 1651).
2. Diese Grundsätze gelten jedoch abgesehen davon, daß es hier an einem persönlichen Näheverhältnis des Klägers zu einem Mitgesellschafter fehlt, grundsätzlich nicht für Bürgschaftserklärungen von GmbHGesellschaftern für Verbindlichkeiten der GmbH.

a) Nach der Rechtsprechung des vormals für das Bürgschaftsrecht zuständigen IX. Zivilsenats (BGHZ 137, 329, 336 ff.; BGH, Urteile vom 11. Dezember 1997 - IX ZR 274/96, WM 1998, 235, 236, insoweit in BGHZ 137, 292 ff. nicht abgedruckt, und vom 18. September 2001 - IX ZR 183/00, WM 2001, 2156, 2157; BGH, Beschluß vom 28. Februar 2002 - IX ZR 153/00, WM 2002, 923; BGH, Urteil vom 1. Oktober 2002 - IX ZR 443/00, WM 2002, 2278 f.) und des erkennenden Senats (Urteile vom 15. Januar 2002 - XI ZR 98/01, WM 2002, 436; vom 28. Mai 2002 - XI ZR 199/01, aaO S. 1648 und vom 17. September 2002 - XI ZR 306/01, Umdr. S. 11 f.) hat - wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat - ein Kreditinstitut, das einer GmbH oder KG ein Darlehen gewährt , grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der persönlichen Haftung ihrer Gesellschafter. Die gängige Bankpraxis, bei der Gewährung von Gesellschaftskrediten Bürgschaften der Gesellschafter zu verlangen,
ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden. Dabei kann die Bank im all- gemeinen davon ausgehen, daß die Beteiligung an der Gesellschaft aus eigenem finanziellen Interesse erfolgt und die Bürgschaft für den betreffenden Gesellschafter kein unzumutbares Risiko darstellt.

b) Zwar hat der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in dem vom Berufungsgericht herangezogenen Urteil vom 18. September 2001 (IX ZR 183/00, aaO S. 2157; vgl. ferner Urteil vom 11. Dezember 1997 - IX ZR 274/96, WM aaO S. 236) seine Rechtsprechung ohne nähere Begründung auf "maßgeblich" beteiligte GmbH-Gesellschafter beschränkt , überdies ist an gleicher Stelle von für die Gesellschaftsschulden "rechtlich und wirtschaftlich verantwortlichen" Personen die Rede. Dies ist aber nicht dahingehend zu verstehen, daß sich grundsätzlich nur Allein- bzw. Mehrheitsgesellschafter oder Geschäftsführer-Gesellschafter für ihre eigene finanzielle Leistungsfähigkeit weit übersteigende Betriebsmittelkredite wirksam verbürgen könnten. Wie seinem Urteil vom 16. Januar 1997 (IX ZR 250/97, WM 1997, 511, 513) zu entnehmen ist, ist dies auch bei einer Beteiligung in Höhe von 10% an der darlehensnehmenden GmbH möglich, ohne daß der betroffene Gesellschafter als Geschäftsführer für deren Kreditaufnahmeverhalten verantwortlich sein muß. In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der erkennende Senat in dem erst nach der angefochtenen Entscheidung veröffentlichten Urteil vom 15. Januar 2002 (XI ZR 98/01, aaO S. 436) die beklagte Bürgin, die bei Vertragsschluß 25% der Geschäftsanteile der Hauptschuldnerin (GmbH) hielt, ohne zur Geschäftsführung befugt zu sein, als "maßgeblich" beteiligt angesehen.

c) Im vorliegenden Streitfall gilt nichts anderes. Mit dem Begriff der "maßgeblichen Beteiligung" des Bürgen an der kreditsuchenden GmbH bzw. KG oder ähnlichen Formulierungen sollen lediglich unbedeutende Bagatell- oder Splitterbeteiligungen ausgeschieden werden. Nur bei ihnen kann es - namentlich bei ertragsschwachen und auch über kein ins Gewicht fallendes Eigenkapital verfügenden Gesellschaften - ausnahmsweise sachlich gerechtfertigt sein, den unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht nennenswert an der Kreditnehmerin beteiligten finanzschwachen Bürgen nach dem Schutzgedanken des § 138 Abs. 1 BGB im Ergebnis wie einen bloßen Strohmanngesellschafter ohne jedes Eigeninteresse an der treuhänderisch gehaltenen Beteiligung zu behandeln (zum Strohmanngesellschafter vgl. Senatsurteile vom 15. Januar 2002 - XI ZR 98/01, aaO S. 437; vom 28. Mai 2002 - XI ZR 199/01, aaO S. 1648 f. und vom 17. September 2002 - XI ZR 306/01, Umdr. S. 12 f. m.w.Nachw.). Ein solcher Ausnahmefall ist hier aber nicht gegeben.
Eine Beteiligung in Höhe von 10% an einer werbenden GmbH, wie sie der Kläger bei Abgabe der Bürgschaftserklärungen an der B. GmbH hielt, stellt gewöhnlich einen erheblichen Vermögenswert dar. Außerdem repräsentiert sie nach der allgemeinen Verkehrsanschauung einen nennenswerten Anteil am Gesellschaftskapital. Dies ist auch die Vorstellung des Gesetzgebers. § 50 GmbHG läßt einen Anteil von 10% am Stammkapital der Gesellschaft zur Ausübung der bedeutsamen Minderheitsrechte genügen. Daß sich ein solcher Minderheitsgesellschafter - ähnlich wie ein Strohmann ohne jedes eigene wirtschaftliche Interesse - von den Wünschen des ihm persönlich besonders nahe stehenden und die Geschäftspolitik bestimmenden Mehrheitsgesellschafters oder Dritten leiten läßt und weitgehend fremdbestimmte Bürgschaftserklärungen abgibt, ist
bei lebensnaher Betrachtung nicht zu erwarten. Die Beklagte durfte des- halb annehmen, dem Kläger sei es im Hinblick auf seine Beteiligung an der Hauptschuldnerin und nicht nur aus Sorge um seinen Arbeitsplatz persönlich wichtig, daß diese ihren Geschäftsbetrieb weiter führen konnte und nicht insolvent wurde. Es wäre daher verfehlt, wollte man der Beklagten vorwerfen, sich mit seiner finanziellen Leistungsfähigkeit nicht befaßt und von ihr die Kreditvergabe abhängig gemacht zu haben.
Eine andere Betrachtungsweise läge im übrigen auch nicht im Interesse der Gesellschafter, die das Bürgenrisiko im Innenverhältnis ohne Rücksicht auf die Größe des jeweiligen Anteilsbesitzes verteilen wollen. Überdies kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Anteilsbesitz auf zahlreiche Gesellschafter gleichmäßig verteilt ist und es wechselnde Mehrheiten gibt. Daß auch Gesellschaften mit derartigen Beteiligungsverhältnissen grundsätzlich in der Lage sein müssen, sich das zur Betriebsführung notwendige Fremdkapital mit Hilfe von Bürgschaften ihrer mehr oder weniger finanzkräftigen Gesellschafter zu verschaffen, liegt auf der Hand.
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird die Nichtigkeitssanktion des § 138 Abs. 1 BGB auch nicht durch den Kläger besonders belastende und der Beklagten zurechenbare Umstände oder Verhältnisse ausgelöst.
Die Tatsache, daß ein Gesellschafter der Hauptschuldnerin von der kreditgebenden Bank vor die Alternative gestellt wird, entweder eine ihn wirtschaftlich ruinierende Bürgschaft zu übernehmen oder aber die Nichtgewährung eines Geschäftskredits und die sich daraus ergebenden
rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteile hinzunehmen, stellt für sich genommen keine unzulässige Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit dar (vgl. Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 15). Daß der geschäftsführende Mehrheitsgesellschafter der B. GmbH, der Zeuge H., die Grenze des rechtlich Zulässigen überschritten und den Kläger zur Abgabe der streitgegenständlichen Bürgschaftserklärung widerrechtlich genötigt hat, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und ist auch dem Sachvortrag des Klägers nicht zu entnehmen. Sein weiterer Vorwurf, über die rechtliche Bedeutung und Tragweite der streitgegenständlichen Bürgschaft arglistig getäuscht worden zu sein, ist vor dem Hintergrund der vorher im Auftrag der Gesellschaft abgegebenen Bürgschaftserklärungen sowie der als Gesellschafter und Kfz-Meister gewonnenen geschäftlichen Erfahrungen ohne Substanz. Überdies ist nicht ersichtlich, daß H. als Vertreter oder Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) der Beklagten tätig geworden ist oder sie sich sein Handeln aus anderen Gründen zurechnen lassen müßte.

III.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die landgerichtliche Entscheidung wiederherstellen.
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 50/01 Verkündet am:
14. Mai 2002
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
_____________________
BGB §§ 138 Bb Abs. 1, 765
1. Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen
oder Mithaftenden sind die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf
seinem Grundbesitz ruhenden dinglichen Belastungen grundsätzlich
wertmindernd zu berücksichtigen.
2. Ein Interesse des Kreditgebers, sich durch einen an sich wirtschaftlich
sinnlosen Bürgschafts- oder Mithaftungsübernahmevertrag vor Vermögensverschiebungen
zwischen Eheleuten zu schützen, vermag die Sittenwidrigkeit
grundsätzlich nur bei einer ausdrücklichen Haftungsbeschränkung
zu vermeiden. Das gilt auch für eine vor dem 1. Januar 1999
übernommene Bürgschaft (Aufgabe von BGH WM 1998, 2327, 2329 f.).
BGH, Urteil vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01 - OLG Dresden
LG Leipzig
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 2) wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 21. Dezember 2000 in der berichtigten Fassung vom 24. April 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Bürgschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die klagende Sparkasse schloß am 13./14. April 1994 mit der R. Bau... GmbH (nachfolgend: R. GmbH), dem früheren Beklagten zu 1) und einem weiteren Gesellschafter der R. GmbH fünf Darlehensverträge, darunter einen Kontokorrentkreditvertrag über einen Höchstbetrag von 200.000 DM zu einem Zinssatz von 12,5% p.a.. Gleichzeitig übernahm die Beklagte zu 2) (nachfolgend: Beklagte), Ehefrau des früheren Beklagten zu 1), eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von 100.000 DM zur Sicherung für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten und befristeten Forderungen der Klägerin gegen die Darlehensnehmer. Zuvor hatte die B.bank GmbH eine Ausfallbürgschaft über 80% für die gewährten Kredite bestellt. Nachdem eine Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der R. GmbH am 31. Mai 1996 mangels Masse abgelehnt worden war, kündigte die Klägerin sämtliche Darlehensverträge fristlos.
In der Folgezeit zahlte die B.bank GmbH der Klägerin einen Betrag von 207.471,01 DM und ermächtigte sie zur gerichtlichen Geltendmachung der ihr als Ausfallbürgin zustehenden Forderungen gegen die Darlehensnehmer und die Beklagte als Mitbürgin. Nach Verwertung verschiedener Sicherheiten hat die Klägerin Zahlungsklage erhoben.
Die Beklagte, die den Bürgschaftsvertrag für sittenwidrig erachtet, hat u.a. vorgetragen: Ihr gehöre ein sanierungsbedürftiges Mehrfamilienhaus , das bei Übernahme der Bürgschaft mit einem mit rund 300.000 DM valutierenden Hypothekendarlehen wertausschöpfend belastet gewesen sei. Als teilzeitbeschäftigte Lehrerin und Mutter eines siebenjährigen Sohnes habe sie im März 1994 1.470 DM netto verdient so-
wie mit ihrer Immobilie Mieteinnahmen von 1.232,50 DM erzielt. Die monatliche Annuitätenrate für das Hypothekendarlehen habe 2.143 DM betragen.
Das Landgericht hat der Klage gegen den früheren Beklagten zu
1) teilweise und der gegen die Beklagte antragsgemäß in Höhe von 100.000 DM zuzüglich Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist weitgehend erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit zu ihrem Nachteil erkannt wurde.

I.


Das Berufungsgericht hat die Bürgschaftsübernahme der Beklagten für wirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt :
Der Bürgschaftsvertrag der Parteien verstoße entgegen der Ansicht der Beklagten nicht gegen die guten Sitten. Eine krasse finanzielle Überforderung bei Abgabe der Bürgschaftserklärung lasse sich nach
dem Vortrag der Beklagten nicht feststellen. Zwar seien die Mieteinkünfte aus ihrer Immobilie nur zu erzielen, wenn zugleich das auf ihr lastende Hypothekendarlehen ordnungsgemäû zurückgezahlt werde. Solange sie aber mit ihren gesamten Einnahmen und der Schuldentilgung eigenes Vermögen bilden könne, sei die Annahme einer krassen finanziellen Überforderung sachlich nicht gerechtfertigt.
Überdies komme nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs eine Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auch deswegen nicht in Betracht, weil das Interesse der Klägerin, sich vor Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, die Bürgschaft rechtfertige. Die vom XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs vertretene Gegenmeinung überzeuge nicht. Wie die Regeln über die Anfechtung von Rechtsgeschäften des Schuldners in der Zwangsvollstreckung und Insolvenz zeigten, seien Vermögensverschiebungen unter Eheleuten nicht nur eine abstrakte Möglichkeit, sondern eine von der Rechtsordnung wahrgenommene, ernsthaft bestehende Gefährdung der Gläubigerinteressen. Wenn ein Gläubiger nach den Grundsätzen der Privatautonomie diesem rechtlich anerkannten Interesse Rechnung trage und sich durch einen Bürgschaftsvertrag einen eigenständigen Zahlungsanspruch gegen den finanzschwachen Ehegatten des Hauptschuldners verschaffe, könne die Rechtsordnung diesem Handeln grundsätzlich nicht das Urteil der Sittenwidrigkeit entgegenhalten.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstöût der Bürgschaftsvertrag der Parteien nach dem streitigen Vorbringen der Beklagten , von dem für die Revisionsinstanz auszugehen ist, gegen die guten Sitten und ist infolgedessen nichtig.
1. Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge regelmäûig entscheidend vom Grad des Miûverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; Senatsurteile vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125 und vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224). Zwar reicht selbst der Umstand, daû der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft tragen kann, regelmäûig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten , daû er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kre-
ditgeber dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (st.Rspr., siehe Senatsurteile vom 13. November 2001 aaO S. 126 und vom 4. Dezember 2001 aaO).
2. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, war die Beklagte nach ihrem Vorbringen bei Übernahme der Bürgschaft voraussichtlich nicht in der Lage, die in den Kreditverträgen, welche Anlaû der Höchstbetragsbürgschaftserklärung über 100.000 DM waren, vereinbarten Zinsen aus eigenem pfändbaren Einkommen und/oder Vermögen dauerhaft allein zu tragen. Es spricht deshalb eine von der Klägerin zu widerlegende tatsächliche Vermutung dafür, daû sie die Bürgschaft nur aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen hat.

a) Nach ihren unwidersprochen gebliebenen Angaben verdiente die Beklagte bei Übernahme der Bürgschaft im März 1994 als teilzeitbeschäftigte Lehrerin lediglich 1.470 DM netto im Monat. Dieses Einkommen war unter Berücksichtigung ihrer Unterhaltspflicht gegenüber ihrem damals sieben Jahre alten Sohn unpfändbar (§ 850 c Abs. 1 ZPO). Ihren Einkünften aus der Vermietung eines Mehrfamilienhauses in Höhe von 1.232,50 DM monatlich standen nach ihrem streitigen Vorbringen Aufwendungen von 2.143 DM für Zinsen und Tilgung des angeblich mit rund 300.000 DM valutierenden Hypothekendarlehens gegenüber. Diese Aufwendungen waren, wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, notwendig , um die Mieteinnahmen erzielen zu können. Daû von den Aufwendungen weniger als 1.232,50 DM monatlich auf Zinsen entfielen, ist nicht festgestellt und angesichts der Höhe des Hypothekendarlehens auch nicht ersichtlich. Nach dem Vorbringen der Beklagten ist vielmehr
davon auszugehen, daû von ihren Mieteinnahmen nicht einmal ein Teil zur Bedienung der laufenden Zinsen aus der verbürgten Darlehenssumme von 100.000 DM zur Verfügung stand. Die Annahme des Berufungsgerichts , die Beklagte sei mit Hilfe ihres Arbeitseinkommens und ihrer Mieteinnahmen in der Lage, Vermögensbildung zu betreiben, entbehrt danach jeder Grundlage.

b) Auch über pfändbares Vermögen, das bei der Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen wäre, verfügt die Beklagte nach ihren Angaben nicht. Ihr Mehrfamilienhausgrundstück hat nach ihrem unter Beweis gestellten Vorbringen, dem das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, verfahrensfehlerhaft nicht nachgegangen ist, lediglich einen Verkehrswert von 300.000 DM und ist wertausschöpfend belastet. Diese Belastung ist bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Bürgen zu berücksichtigen. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei älteren Entscheidungen zwar die gegenteilige Ansicht vertreten (BGH, Urteile vom 7. März 1996 - IX ZR 43/95, WM 1996, 766, 768 und vom 13. November 1997 - IX ZR 289/96, WM 1998, 67, 69, insoweit in BGHZ 137, 153 ff. nicht abgedruckt). Diese Ansicht ist angesichts der jetzt auch vom IX. Zivilsenat geteilten Auffassung, daû sich die Wirksamkeit einer Bürgschaft nur nach der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen richtet (BGHZ 146, 37, 43 f.; BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 298/98, WM 2000, 410, 412), aber überholt. Nach dieser neuen Rechtsprechung ist es allein folgerichtig, das verbürgte Risiko nur um den im Einzelfall effektiv verfügbaren Sicherungswert des mitverhafteten dinglichen Vermögens zu mindern, also valutierende dingliche Belastungen vermögensmindernd zu berücksichti-
gen. Deren Nichtberücksichtigung widerspräche auch der banküblichen Praxis und würde insbesondere bei wertausschöpfenden dinglichen Belastungen dazu führen, daû ein Bürge als finanziell leistungsfähig behandelt werden müûte, obwohl er dies ersichtlich nicht ist (Nobbe /Kirchhof BKR 2001, 1, 9 f.). An der vorgenannten älteren Rechtsprechung des IX. Zivilsenats kann deshalb nicht festgehalten werden. Zu dieser Änderung der Rechtsprechung ist der erkennende Senat ohne Anrufung des Groûen Senats für Zivilsachen gemäû § 132 GVG in der Lage, da er nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs seit dem 1. Januar 2001 an Stelle des IX. Zivilsenats für Bürgschaftssachen zuständig ist.

c) Aus der maûgeblichen Sicht eines rational handelnden Kreditinstituts war bei Hereinnahme der Bürgschaft im März 1994 auch mit einer alsbaldigen wesentlichen und dauerhaften Verbesserung der Einkommens - und Vermögensverhältnisse der Beklagten nicht zu rechnen. Angesichts des Alters des von ihr betreuten Sohnes von sieben Jahren erschien eine ganztätige berufliche Tätigkeit der Beklagten in naher Zukunft vielmehr eher unwahrscheinlich. Daû sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse günstiger entwickelt hätten, als dies bei Übernahme der Bürgschaft zu erwarten war, ist weder substantiiert vorgetragen noch festgestellt, so daû sich die von der Revisionserwiderung erörterte Streitfrage, ob auch die finanzielle Situation des Bürgen bei Eintritt des Bürgschaftsfalles bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit Berücksichtigung finden muû, nicht stellt.
3. Anders als das Berufungsgericht unter Berufung auf die Rechtsprechung des vormals für das Bürgschaftsrecht zuständigen IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs angenommen hat, ändert auch ein Interesse des Gläubigers, sich vor Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, an der Sittenwidrigkeit einer den bürgenden Ehegatten finanziell kraû überfordernden Bürgschaft nichts. Überdies hat das Berufungsgericht übersehen, daû eine Klage gegen einen kraû finanziell überforderten bürgenden Ehegatten auch nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats - als derzeit unbegründet - abzuweisen ist, wenn eine Vermögensverschiebung - wie hier - nicht stattgefunden hat (BGHZ 128, 230, 235 f.; 134, 325, 328 ff.; BGH, Urteil vom 25. November 1999 - IX ZR 40/98, WM 2000, 23, 25).

a) Wie der erkennende Senat bereits in seinem Vorlagebeschluû vom 29. Juni 1999 an den Groûen Senat für Zivilsachen (XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558) ausgeführt hat, rechtfertigt allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen, ein unbeschränktes Mithaftungsbegehren nicht. Ohne besondere, vom Kreditgeber darzulegende und notfalls zu beweisende Anhaltspunkte kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daû eine kraû überfordernde Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme inhaltlich von vornherein nur eine erhebliche Vermögensverlagerung zwischen Hauptschuldner und Sicherungsgeber verhindern soll. Eine solche Vereinbarung, die der Personalsicherheit einen ganz besonderen Sinn verleiht, ist keineswegs üblich oder den auûerhalb der Vertragsurkunde liegenden Umständen zu entnehmen. Wer unter Berufung auf den wirklichen Willen verständiger Vertragsparteien eine solche einschränkende Auslegung der Bürgschaft
oder Mithaftungsabrede vornimmt, setzt sich daher über allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze hinweg und verstöût überdies gegen das Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion formularmäûiger Bürgschafts - oder Mithaftungsverträge. Nimmt der Kreditgeber den Betroffenen - wie hier - in Anspruch, ohne auch nur ansatzweise zu behaupten, daû und in welchem Umfang eine im Verhältnis zur Kreditsumme erhebliche Vermögensverschiebung stattgefunden hat, so zeigt auch dieses im Rahmen der Vertragsauslegung zu berücksichtigende nachvertragliche Verhalten (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 16. Oktober 1997 - IX ZR 164/96, WM 1997, 2305, 2306 m.w.Nachw.), daû die Annahme einer stillschweigend getroffenen Haftungsbeschränkung nicht gerechtfertigt ist.

b) Diese Auffassung wird inzwischen im Grundsatz auch vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs geteilt. Er sieht sich jedoch daran gehindert, die von ihm für die Zukunft anerkannten Grundsätze auch auf Bürgschaftsverträge aus der Zeit vor dem 1. Januar 1999 anzuwenden (Urteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2329 f.), weil für die Kreditinstitute nicht hinreichend klar gewesen sei, inwieweit sie ihr Interesse an einem möglichst wirksamen Schutz vor Vermögensverschiebungen über die bloûe Hereinnahme einer Bürgschaft hinaus durch geeignete vertragliche Regelungen absichern muûten. Dieser differenzierenden Betrachtungsweise vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschlieûen.
Dabei kann offenbleiben, ob und inwieweit das Vertrauen einer Prozeûpartei in den Fortbestand höchstrichterlicher Rechtsprechung
überhaupt schutzwürdig ist (siehe dazu Schimansky WM 2001, 1889 ff. m.w.Nachw.). Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es hier nicht entscheidend an, weil sich bei einem vernünftigen Gläubiger kein für einen etwaigen Dispositionsschutz unerläûliches Vertrauen bilden konnte. Der Gesichtspunkt der Verhinderung von Vermögensverschiebungen des Hauptschuldners als ein die Sittenwidrigkeit vermeidendes Moment ist erstmals als Reaktion auf die Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1993 (BVerfGE 89, 214, 229 ff.) und 5. August 1994 (BVerfG NJW 1994, 2749) vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs berücksichtigt worden (vgl. BGHZ 128, 230, 234 f.; 132, 328, 331; 134, 325, 327 f.). Er hat dabei ausdrücklich der abweichenden Rechtsprechung des XI. Zivilsenats (BGHZ 120, 272, 278 f. und Urteil vom 22. Januar 1991 - XI ZR 111/90, WM 1991, 313, 315) widersprochen. Der XI. Zivilsenat hat auch in der Folgezeit stets daran festgehalten , daû allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen , ein wirtschaftlich sinnloses Mithaftungsbegehren des Kreditgebers grundsätzlich nicht rechtfertigt (BGHZ 134, 42, 49; 135, 66, 69; Vorlagebeschluû vom 29. Juni 1999 - XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558). Von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Berücksichtigungsfähigkeit des Schutzinteresses des Gläubigers vor Vermögensverschiebungen ohne eine ausdrückliche Beschränkung von Bürgschaften auf diesen Zweck konnte daher keine Rede sein (Vorlagebeschluû des erkennenden Senats vom 29. Juni 1999 - XI ZR 10/98, aaO S. 1558 f.; siehe auch Schimansky aaO S. 1892).

III.



Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil insbesondere tatrichterliche Feststellungen zum Wert des Mehrfamilienhauses der Beklagten , der Valutierung des Hypothekendarlehens und zu den monatlichen Zins- und Tilgungslasten der Beklagten bei Abschluû des Bürg-
schaftsvertrages fehlen. Zur weiteren Sachaufklärung war die Sache deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 205/01 Verkündet am:
28. Mai 2002
Weber
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Zur Abgrenzung zwischen Mitdarlehensnehmerschaft und einseitig verpflichtender
Mithaftung eines einkommens- und vermögenslosen Ehepartners.
BGH, Urteil vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01 - OLG Düsseldorf
LG Wuppertal
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter Dr. Siol, Dr. Müller, Dr. Joeres und die Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 1) wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. Mai 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als das Versäumnisurteil vom 8. Dezember 2000 gegen die Beklagte zu 1) aufrechterhalten und ihre Berufung gegen das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 28. März 2000 zurückgewiesen worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 28. März 2000 im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als die Beklagte zu 1) zur Zahlung von 597.255,45 DM nebst 6% Zinsen aus 596.370,72 DM seit dem 16. Juni 1999 verurteilt worden ist.
Im Umfang der Abänderung wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten erster Instanz sind wie folgt zu verteilen: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen sie selbst 60%, die Beklagte zu 1) 1% und der Beklagte zu 2) 39%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu 99% und diejenigen des Beklagten zu 2) zu 22% zu erstatten. Ihre übrigen außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagten selbst.
Von den Kosten zweiter Instanz haben die Beklagten die durch ihre Säumnis veranlaßten Kosten als Gesamtschuldner vorab zu tragen. Für die übrigen entstandenen Kosten gilt: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen sie selbst 49%, die Beklagte zu 1) 2% und der Beklagte zu 2) 49%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu 98% zu erstatten. Ihre übrigen außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagten selbst.
Die im Revisionsverfahren entstandenen Kosten sind wie folgt zu verteilen: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen sie selbst 72% und der Beklagte zu 2) 28%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu erstatten. Der Be- klagte zu 2) trägt seine auûergerichtlichen Kosten selbst.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten vor allem noch über die Wirksamkeit einer Mitverpflichtung der Beklagten aus einem Darlehensvertrag. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 15. Juli 1994 gewährte die klagende Sparkasse dem Beklagten zu 2), einem Immobilienmakler, ein variabel verzinsliches Darlehen über 800.000 DM zu einem Zinssatz von zunächst 6,75% p.a., rückzahlbar in monatlichen Zins- und Tilgungsraten von anfänglich 5.170 DM. Der Vertrag wurde von der Beklagten zu 1) (nachfolgend: Beklagte), seiner Ehefrau , mitunterzeichnet. Nach dem Willen der Vertragsparteien sollte mit dem Kredit das von ihrem Ehemann am 19. April 1994 allein erworbene Hausgrundstück finanziert werden. Gesichert wurden das Darlehen sowie alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Klägerin gegen die Darlehensnehmer durch eine Grundschuld über 1,07 Millionen DM an dem vom Ehemann der Beklagten erworbenen Grundstück.
Nachdem mehrere Zins- und Tilgungsraten nicht geleistet worden waren, kündigte die Klägerin den Darlehensvertrag mit Schreiben vom
24. Mai 1996 fristlos. In der Folgezeit betrieb sie die Zwangsversteigerung der belasteten Immobilie und verrechnete den ihr zugeflossenen Erlös von 730.101,86 DM vorrangig mit anderen Forderungen gegen den Ehemann der Beklagten, so daû nur noch ein Betrag von 161.392,68 DM auf das ausgereichte Darlehen entfiel.
Die vermögenslose Beklagte, die nach ihren Angaben zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im sechsten Monat schwanger und deshalb nicht mehr in der Lage war, ihrer mit maximal 1.200 DM brutto monatlich vergüteten Halbtagstätigkeit im Büro ihres Ehemannes nachzugehen, ist der Auffassung: Die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages stelle eine sie finanziell kraû überfordernde und überdies wegen besonders belastender Umstände sittenwidrige Schuldmitübernahme dar.
Das Landgericht hat der Klage zum groûen Teil stattgegeben und die beklagten Eheleute wegen des geltend gemachten Darlehensrückzahlungsanspruchs als Gesamtschuldner zur Zahlung von 597.255,45 DM zuzüglich Zinsen verurteilt. Ihre Berufungen sind erfolglos geblieben. Von den beiden Revisionen ist nur die der Beklagten angenommen worden.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt bezüglich des ihr gegenüber geltend gemachten Darlehensrückzahlungsanspruchs zur Abweisung der Klage.

I.


Das Berufungsgericht hat die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages durch die Beklagte für eine wirksame Mithaftungserklärung gehalten und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die von der Beklagten übernommene Mithaftung überfordere sie trotz fehlenden eigenen Einkommens und Vermögens nicht in krasser Weise. Eine andere Betrachtungsweise lasse die Besonderheit auûer acht, daû das Darlehen nicht für lange Zeit habe aufgenommen werden müssen, sondern nur deshalb, weil der Kaufpreis von 3,3 Millionen DM für die von ihrem Ehemann veräuûerte Gesellschaftsbeteiligung noch nicht bezahlt worden sei. Daû die Kaufpreisforderung schon bei der Kreditaufnahme endgültig uneinbringlich gewesen sei, sei von der Beklagten nicht schlüssig vorgetragen. Vor allem stehe der Annahme einer krassen finanziellen Überforderung entgegen, daû sie aufgrund der mit ihrem Ehemann getroffenen Vereinbarungen über die Mithaftungsübernahme im Innenverhältnis einen gleich hohen Aufwendungserstattungs- oder Ausgleichsanspruch erworben habe. Diese Ansprüche seien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses durchaus realisierbar gewesen, weil die Eheleute damals noch die Kaufpreiszahlung für die veräuûerten Geschäftsanteile erwartet hätten. Auûerdem sei nicht schlüssig vorgetragen , daû die Beklagte nicht bereits bei Abgabe der Mithaftungserklärung mit der finanziellen Unterstützung ihrer Schwiegereltern habe rechnen können. Dagegen sprächen zumindest die erheblichen Geldbeträge über rund 800.000 DM, die diese ihr ab Dezember 1995, also schon vor der Inanspruchnahme durch die Klägerin hätten zukommen lassen. Den Be-
weis, daû die Mithaftungsübernahme nach einer verharmlosenden Erklärung der Klägerin nur "pro forma" habe erfolgen sollen oder von ihr erzwungen worden sei, sei die Beklagte schuldig geblieben.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
Die durch die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages über 800.000 DM übernommene Mithaftung der Beklagten verstöût, wie die Revision zutreffend rügt, gemäû § 138 Abs. 1 BGB gegen die guten Sitten und ist damit nichtig. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die einkommens - und vermögenslose Beklagte sei nicht finanziell kraû überfordert , ist unhaltbar.
1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts , daû die Beklagte durch die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages nach dem Willen aller Beteiligten keine gleichberechtigte Kreditnehmerin, sondern bloûe Mithaftende werden sollte.

a) Echter Mitdarlehensnehmer ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur, wer ein eigenes - sachliches und/oder persönliches - Interesse an der Kreditaufnahme hat und als im wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung sowie die Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf (BGHZ 146, 37, 41; Senatsurteile vom 6. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, WM 1998, 2366 f.
und vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224). Ob diese Voraussetzungen im konkreten Einzelfall erfüllt sind, beurteilt sich ausschlieûlich nach den für die finanzierende Bank erkennbaren Verhältnissen auf seiten der Mitdarlehensnehmer. Die kreditgebende Bank hat es daher nicht in der Hand, etwa durch eine im Darlehensvertrag gewählte Formulierung wie z.B. "Mitdarlehensnehmer", "Mitantragsteller", "Mitschuldner" oder dergleichen einen bloû Mithaftenden zu einem gleichberechtigten Mitdarlehensnehmer zu machen und dadurch den Nichtigkeitsfolgen des § 138 Abs. 1 BGB zu entgehen (st.Rspr., siehe z.B. Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, aaO S. 224 m.w.Nachw.). Danach durfte das Berufungsgericht die Willenserklärung der Beklagten bei wertender Betrachtung gemäû §§ 133, 157 BGB durchaus als Schuldmitübernahme deuten. Zwar hat es seine Auffassung nicht einmal ansatzweise begründet, sondern eine Mitgläubiger- und gleichgründige Gesamtschuldnerschaft der Eheleute offenbar erst gar nicht in Betracht gezogen. Da in dieser Frage weiterer Sachvortrag der Prozeûparteien nicht zu erwarten ist, kann der erkennende Senat aber die gebotene Vertragsauslegung selbst vornehmen (vgl. etwa BGHZ 124, 39, 45).

b) Nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragschlieûenden diente die Kreditaufnahme über 800.000 DM ausschlieûlich zur Finanzierung des Kaufpreises für das nur vom Ehemann der Beklagten bereits vor Abschluû des Darlehensvertrags erworbene Hausgrundstück. Dafür, daû die Beklagte gleichwohl über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta als im wesentlichen gleichberechtigte Vertragspartei mitbestimmen durfte und von einem solchen Recht ganz oder teilweise Gebrauch gemacht hat, ist nichts ersichtlich. Nach ihrer unwiderlegten
Darstellung ist vielmehr davon auszugehen, daû sie, die mit dem Kauf der "Jugendstilvilla" nicht einverstanden war, aufgrund der mit ihrem Ehemann getroffenen Vereinbarung lediglich die Mithaftung für das Darlehen übernehmen sollte. Der Umstand, daû die zu finanzierende Immobilie bis zur Zwangsversteigerung durch die Klägerin von der ganzen Familie der Beklagten bewohnt wurde, deutet entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung keineswegs darauf hin, daû die Beklagte gleichberechtigte Mitdarlehensnehmerin sein sollte, sondern lenkt nur den Blick auf einen regelmäûig nicht einmal zuverlässig feststellbaren und häufig nur flüchtigen mittelbaren Vorteil der Beklagten aus der Kreditaufnahme.
2. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, überforderte die Mithaftungsübernahme die Beklagte von Anfang an finanziell in krasser Weise, ohne daû sich für die Klägerin entlastende Momente finden lassen.

a) Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs liegt eine solche Überforderung des Bürgen oder Mitverpflichteten bei nicht ganz geringen Bankschulden grundsätzlich vor, wenn er voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens und Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalls dauerhaft tragen kann. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, daû der dem Hauptschuldner persönlich nahestehende Bürge oder Mithaftende die für ihn ruinöse Personalsicherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit
dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (BGHZ 136, 346, 351; 146, 37, 47; BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 411; Senatsurteile vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 126, vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224 und vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, Umdruck S. 6 und - XI ZR 81/01, Umdruck S. 6, beide zur Veröffentlichung vorgesehen).

b) So ist es hier. Nach dem unwidersprochenen Sachvortrag der Beklagten war sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im sechsten Monat schwanger, nicht mehr halbtags in dem Betrieb ihres Ehemannes als Bürokraft tätig und infolgedessen ohne eigenes Einkommen. Da eine ganztätige Berufsausübung mit einem erheblich höheren Monatsgehalt als die vorher bezogenen 1.200 DM brutto in absehbarer Zeit nicht realistisch erschien und ein eigenes nennenswertes Vermögen nicht vorhanden war, konnte sie aus der maûgebenden Sicht eines rational handelnden Kreditgebers voraussichtlich auch zukünftig nicht einmal die im Darlehensvertrag vereinbarten Zinsen von mehr als 4.000 DM monatlich allein aufbringen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen auch keine besonderen Umstände vor, die es rechtfertigen, eine krasse finanzielle Überforderung der Beklagten zu verneinen.
aa) Darauf, ob der gesamte Kredit nach dem Willen der Vertragsschlieûenden schon nach kurzer Zeit mit dem Erlös aus dem Verkauf der Gesellschaftsbeteiligung des Ehemannes der Beklagten wieder zurückgezahlt werden sollte, kommt es - wie die Revision zu Recht geltend macht - nicht entscheidend an. Wenn das Berufungsgericht von der Beklagten den Nachweis verlangt, daû die Kaufpreisforderung über
3,3 Millionen DM bereits bei Abgabe der sonst ruinösen Mithaftung endgültig uneinbringlich gewesen sei, verkennt es, daû bei der Beurteilung der finanziellen Überforderung allein auf die Leistungsfähigkeit des Mithaftenden abzustellen ist (BGHZ 146, 37, 43; BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 412) und die Mithaftungserklärung gerade dann zum Tragen kommen soll, wenn der Hauptschuldner (unvorhergesehen) seiner Verpflichtung nicht nachkommt. Im übrigen enthält der Darlehensvertrag, der die Zinsanpassung für einen Zeitraum von 10 Jahren regelt, keinerlei Hinweis darauf, daû es sich nach dem ursprünglichen Willen der Vertragsparteien nur um eine kurzfristige Zwischenfinanzierung handeln sollte.
bb) Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten habe als bloûe Mithaftende jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Innenverhältnis ein die krasse finanzielle Überforderung voll ausgleichender Aufwendungsersatz- oder Ausgleichsanspruch gegen ihren primär haftenden Ehemann zugestanden, trägt die getroffene Entscheidung nicht. Eine Bürgschaft oder Mithaftung wird, wie dargelegt , von dem Betroffenen regelmäûig für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners oder anderer vergleichbarer Leistungshindernisse übernommen. Nach gefestigter Rechtsprechung sowohl des IX. als auch des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (siehe z.B. Senat BGHZ 146, 37, 43 m.w. Nachw.) ist bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Personalsicherheit daher die bei Vertragsabschluû vielleicht noch vorhandene Finanzkraft des Darlehensnehmers grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, sondern nur das pfändbare Einkommen und Vermögen des Sicherungsgebers. Davon ausgehend ist von vornherein ausgeschlossen , daû schuldrechtliche Befreiungs- oder Regreûansprüche des
Bürgen oder Mithaftenden gegen den Hauptschuldner, zumal wenn sie - wie hier - völlig ungesichert sind, bei der Prüfung der Wirksamkeit der Bürgschaft oder Mithaftung eine Rolle spielen.
cc) Rechtsfehlerhaft ist auch die Berücksichtigung von Zuwendungen der Schwiegereltern bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Beklagten. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestand keine hinreichend gesicherte Aussicht der Beklagten auf eine gegenüber der Darlehenssumme ins Gewicht fallende finanzielle Unterstützung durch ihre Schwiegereltern. Denn abgesehen davon, daû die Gelder nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag erst ab Dezember 1995, also nach der bereits im Sommer 1994 abgegebenen Mithaftungserklärung geflossen sind, handelt es sich durchweg um Leistungen, auf die sie keinen Anspruch hatte und die auch nicht, wie es grundsätzlich erforderlich gewesen wäre (vgl. BGHZ 132, 328, 336), zum Gegenstand von Verhandlungen über ihre künftig zu erwartende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gemacht worden sind.
dd) An der krassen finanziellen Überforderung der Beklagten ändert schlieûlich auch die von ihrem Ehemann bestellte Grundschuld über 1,07 Millionen DM nichts. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind anderweitige Sicherheitsleistungen des Kreditnehmers - vor allem dingliche Sicherheiten - grundsätzlich nur dann zu berücksichtigen , wenn sie das Mithaftungsrisiko des Betroffenen in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares Maû beschränken (vgl. etwa BGHZ 136, 347, 352 f.; Senat BGHZ 146, 37, 44 m.w.Nachw.). Diese engen Voraussetzungen erfüllt die Grundschuld, die - insoweit rechtlich unbedenklich - nicht nur das Darlehen über 800.000 DM, sondern auch
alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen der Klägerin gegen den Ehemann der Beklagten sichern sollte, nicht (vgl. Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 10).

c) Nach der zitierten ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (siehe z.B. Senat BGHZ 146, 37, 45; Urteil vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, aaO S. 225) lag es demnach bei der Klägerin, im einzelnen darzulegen und notfalls zu beweisen, daû die Beklagte die ruinöse Mithaftung entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung nicht aus emotionaler Bindung an ihren Ehemann, sondern aufgrund eines im wesentlichen autonomen und eigenverantwortlichen Entschlusses übernommen hat. Dafür ist jedoch nichts vorgetragen oder den Umständen zu entnehmen.

III.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.) und die Klage gegen die Beklagte abweisen, soweit sie sich auf Rückzahlung des restlichen Darlehens richtet.
Nobbe Siol Müller
Joeres Mayen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 82/01 Verkündet am:
13. November 2001
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
BGB § 138 Bb Abs. 1
Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Mithaftungsübernahmen
naher Angehöriger entwickelten Grundsätze gelten nicht
nur für Kreditinstitute, sondern auch für andere gewerbliche oder berufliche
Kreditgeber im Sinne des Verbraucherkreditgesetzes.
BGH, Urteil vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01 - OLG Schleswig
LG Kiel
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe, die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die
Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 19. Januar 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben als es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 12. Mai 1999 zurückgewiesen hat. Auf die Berufung des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts abgeändert.
Die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus der Urkunde des Notarvertreters U. H. vom 29. Oktober 1996 - Urk.-Nr. ... des Notars P., Sch. - wird für unzulässig erklärt, soweit sie sich gegen den Kläger richtet.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Zwangsvollstrekkung aus einer notariellen Urkunde. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde :
Der Vater des Klägers verkaufte der beklagten GmbH, zu deren Unternehmensgegenstand u.a. die Vermittlung von Finanzierungen und Immobilien gehört, mit notariellem Vertrag vom 3. Mai 1996 sein in der Zwangsversteigerung befindliches Hausgrundstück. Nach dem Inhalt des Kaufvertrages war der Käuferin lastenfreies Eigentum zu verschaffen. Entgegen der Vorstellung der Vertragsparteien reichte dazu der vereinbarte Kaufpreis von 175.000 DM jedoch nicht aus. Um die Abwicklung des Kaufvertrages nicht zu gefährden, gewährte die Beklagte dem Vater des Klägers ein Darlehen über 35.000 DM, verlangte aber von seiner Ehefrau und dem Kläger eine vollstreckbare Mithaftungsübernahme.
In notarieller Urkunde vom 29. Oktober 1996 erkannten daraufhin der damals 18 Jahre alte Kläger und seine Eltern an, der Beklagten als Gesamtschuldner 35.000 DM zuzüglich 10% Zinsen zu schulden, verpflichteten sich zur Rückzahlung des Kredites spätestens am 1. Januar 1997 und unterwarfen sich wegen dieser Verpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.
Der Kläger, der nach seiner Darstellung bei Abgabe der notariellen Erklärungen noch die Realschule besuchte und nach zwischenzeitlicher Ableistung des Wehrdienstes arbeitslos ist, ist der Ansicht, der Schuld-
beitritt zur Darlehensschuld seines Vaters sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten und darüber hinaus auch nach § 6 Abs. 1 und § 10 Abs. 1, 2 VerbrKrG nichtig. Die Beklagte hält dem u.a. entgegen, der Kläger habe ihren Angestellten ausdrücklich versichert, das seinem Vater gewährte Darlehen aus eigenen Mitteln zurückzahlen zu können, weil er sich entweder selbständig machen oder als Berufs- bzw. Zeitsoldat verpflichten wolle.
Das Landgericht hat die gegen die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 29. Oktober 1996 gerichtete Klage abgewiesen. Unter Berücksichtigung übereinstimmender Teilerledigungserklärungen der Prozeßparteien und eines von der Beklagten beim Vater des Klägers beigetriebenen Betrages hat das Berufungsgericht die Zwangsvollstrekkung nur insoweit für unzulässig erklärt, als sie sich gegen den Kläger wegen eines über 20.653,07 DM hinausgehenden Teils der Hauptforderung richtet. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt er seinen Antrag, die Zwangsvollstreckung insgesamt für unzulässig zu erklären, weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Klägers ist begründet.

I.


Das Berufungsgericht hat das vom Kläger abgegebene Schuldanerkenntnis für wirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Zwar finde das Verbraucherkreditgesetz auf den vom Kläger in der notariellen Urkunde vom 29. Oktober 1996 erklärten kumulativen Schuldbeitritt zur Darlehensschuld seines Vaters entsprechende Anwendung. Daû die vertraglich festgelegte Laufzeit des Darlehens von weniger als drei Monaten einen die Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes ausschlieûenden Zahlungsaufschub im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 VerbrKrG darstelle, ändere daran nichts. Da weder die Eltern des Klägers noch er selbst den Kredit innerhalb dieser kurzen Frist hätten zurückzahlen können, sei diese Vereinbarung wegen Umgehung des Verbraucherkreditgesetzes nach § 18 Satz 2 VerbrKrG nichtig. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Mithaftungsabrede aber nicht wegen eines Formmangels unwirksam, weil § 4 VerbrKrG auf einen notariell beurkundeten Kreditvertrag nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 VerbrKrG keine Anwendung finde. Ebensowenig ergebe sich aus § 10 Abs. 1, 2 VerbrKrG ein Nichtigkeitsgrund. Nach seinem klaren Wortlaut verbiete das Gesetz nur den gänzlichen Verzicht des Verbrauchers auf Einwendungen oder deren Verlust durch die Auswirkungen der Verkehrsfähigkeit von Wechseln und Schecks. Dem sei der Fall einer erschwerten Durchsetzung von Einwendungen oder Einreden aufgrund der notariellen Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung nicht gleichzusetzen.
Der Schuldbeitritt des Klägers sei auch nicht sittenwidrig. Die Beklagte habe sich nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des 18 Jahre alten Klägers nicht näher erkundigen müssen. Sie habe
insoweit unwiderlegt vorgetragen, der Kläger habe vor Beurkundung des Schuldanerkenntnisses erklärt, er werde sich selbständig machen oder sich als Berufs- oder Zeitsoldat verpflichten und könne deshalb die übernommenen Verbindlichkeiten erfüllen.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Es liegt eine den Kläger besonders belastende und die Nichtigkeitsfolge des § 138 Abs. 1 BGB auslösende Störung der Vertragsparität vor. Mit seiner gegenteiligen Auffassung hat das Berufungsgericht im Rahmen der erforderlichen Zukunftsprognose einseitig auf die für erwiesen erachteten Angaben des Klägers zu seinen beruflichen Absichten abgestellt, ohne deren fehlenden Realitätsgehalt und die kurze Laufzeit des Darlehens zu berücksichtigen.

a) Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Banken mit privaten Sicherungsgebern geschlossenen Bürgschafts- und Mithaftungsverträgen entscheidend vom Grad des Miûverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; BGH, Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 337/98, WM 2001, 1330, 1331). Zwar reicht selbst der Umstand, daû der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die vertragliche Zinslast
aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens tragen kann, regelmäûig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung wird aber widerleglich vermutet, daû er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Kreditnehmer übernommen und die Bank dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (BGH, Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 337/98, aaO S. 1331 m.w.Nachw.). Nach diesen Grundsätzen ist der Schuldbeitritt des Klägers nichtig.

b) Der von der Beklagten erfolglos gepfändete vermögenslose Kläger ist arbeitslos und deshalb nicht in der Lage, die laufenden Zinsen des Darlehens aufzubringen. Etwas anderes war nach der erforderlichen Prognose im Zeitpunkt der Übergabe der Mithaftungserklärung auch nicht zu erwarten.
aa) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist bei der Prognose (vgl. BGHZ 146, 37, 43; Urteil vom 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1024) auf die vertraglich festgelegte Kreditlaufzeit abzustellen. Ist der Mithaftende innerhalb dieser Zeit voraussichtlich nicht in der Lage, wenigstens die laufenden Zinsen aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens aufzubringen, so liegt eine krasse finanzielle Überforderung vor.
Hier haben die Vertragsschlieûenden für das ausgereichte Darlehen über 35.000 DM lediglich eine Laufzeit von nicht einmal drei Monaten bis zum 1. Januar 1997 vereinbart. Dafür, daû der Kläger, der bei
Übernahme der Mithaftung am 29. Oktober 1996 nach seinem Vortrag noch die Realschule besuchte und auf die Unterhaltsleistungen seiner Eltern angewiesen war, innerhalb dieses kurzen Zeitraums einen nennenswerten Beitrag zur Tilgung des Kredits werde leisten oder zumindest die vertragliche Zinslast von 10% p.a. werde tragen können, ist nichts dargetan oder ersichtlich. Zugunsten des Klägers greift deshalb die widerlegliche Vermutung ein, daû die Beklagte bei ihrem Mithaftungsverlangen seine emotionale Verbundenheit mit seinen Eltern in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat.
bb) Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus , daû das Berufungsgericht die Vertragsklausel über die kurze Laufzeit des Darlehens für eine nach § 18 Satz 2 VerbrKrG nichtige Umgehung des Verbraucherkreditgesetzes erachtet hat und daû die Beklagte auf die alsbaldige Verwirklichung der beruflichen Pläne des Klägers vertraut haben will.
Dabei kann offenbleiben, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, die vereinbarte Laufzeit des Kredits von weniger als drei Monaten stelle einen Zahlungsaufschub dar, der die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes gemäû § 3 Abs. 1 Nr. 3 VerbrKrG ausschlieûe, und ob insoweit ein Verstoû gegen das Umgehungsverbot des § 18 Satz 2 VerbrKrG vorliegt. Darauf kommt es schon deshalb nicht entscheidend an, weil die Beklagte, wie vor allem ihre unmittelbar nach dem 1. Januar 1997 eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaûnahmen deutlich zeigen, von einer Wirksamkeit der vertraglichen Regelung ausgegangen
ist und eine zur Nichtigkeit führende Gesetzesumgehung sie im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB nicht entlasten kann.
Der Äuûerung des Klägers, er wolle sich entweder selbständig machen oder als Berufs- bzw. Zeitsoldat verpflichten, kommt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine wesentliche Bedeutung zu. Vielmehr handelt es sich - worauf die Revision zu Recht hinweist - nur um einen allgemeinen Zukunftswunsch eines gerade erst volljährig gewordenen Jugendlichen ohne jede Berufsausbildung. Offenbar wuûte der Kläger zum damaligen Zeitpunkt nicht einmal, in welchem Berufsfeld er eine selbständige Tätigkeit ausüben wollte. Ebenso waren konkrete Hinweise darauf, daû er die von der Bundeswehr für Zeit- oder Berufssoldaten verlangten Einstellungsvoraussetzungen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erfüllen würde, nicht vorhanden. Daû solche vagen und substanzlosen Angaben nicht zur Grundlage einer seriösen und vernünftigen Zukunftsprognose gemacht werden können, liegt auf der Hand.
2. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten muû sie sich bei der Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB ebenso behandeln lassen wie ein Kreditinstitut.
aa) Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 89, 214, 231 f.; BVerfG WM 1994, 1837, 1839) gebietet die grundrechtlich gewährleistete Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie
das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) bei typisierbaren Fallgestaltungen, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen lassen, eine Korrektur geschlossener Verträge, wenn die Vertragsfolgen für den unterlegenen Teil ungewöhnlich belastend sind. Je gravierender die Vertragsfreiheit im konkreten Einzelfall gestört ist und die Folgen für den strukturell unterlegenen Vertragspartner sind, umso dringender ist eine Korrektur geschlossener Verträge mit Hilfe der Generalklauseln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Nobbe /Kirchhof BKR 2001, 5, 6).
Nach der Lebenserfahrung ist die Unterlegenheit des Bürgen oder Mithaftenden bei Forderungen von Kreditinstituten nach Übernahme ruinöser Bürgschaften oder Mithaftungen finanziell kraû überforderter Ehegatten oder naher Angehöriger in aller Regel besonders groû. Eine ähnliche wirtschaftliche Überlegenheit kommt aber auch bei anderen Kreditgebern in Betracht, insbesondere wenn sie ihre laufenden Einkünfte ganz oder teilweise aus Geldgeschäften beziehen und als Unternehmer im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG anzusehen sind. So liegen die Dinge auch hier.
bb) Bei der Beklagten handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft, die sich gewerbsmäûig neben dem Versicherungs- und Maklergeschäft auch mit der Vermittlung von Finanzierungen und Bausparverträgen befaût. Sie betreibt daher - wenn auch nur im weiteren Sinne - Geldgeschäfte. Das Berufungsgericht hat sie deshalb in anderem Zusammenhang zu Recht als Kreditgeberin im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG angesehen.

Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers ist ferner davon auszugehen, daû sein Vater wegen seiner damals schlechten finanziellen Verhältnisse von einer Bank oder Sparkasse kein Darlehen mehr bekommen hätte und der Kaufvertrag über das in der Zwangsversteigerung befindliche Hausgrundstück ohne das Kreditengagement der Beklagten nicht durchgeführt worden wäre. Wenn sie ihm in dieser ausweglosen wirtschaftlichen Lage unter der nicht verhandelbaren Bedingung einer unbeschränkten Mithaftung der Familienmitglieder ein auf dem freien Kapitalmarkt nicht mehr zu erhaltendes Darlehen zur Erfüllung der kaufvertraglichen Verpflichtungen anbot, so geschah dies aus einer wirtschaftlichen Machtstellung heraus, die durchaus mit der eines Kreditinstituts zu vergleichen ist. Nichts spricht daher dafür, an die Wirksamkeit des Schuldbeitritts des völlig mittellosen Klägers weniger strenge Anforderungen zu stellen. Die Beklagte muû sich daher genauso behandeln lassen wie ein Kreditinstitut.

b) Auch stehen einer Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB keine anderen Hinderungsgründe entgegen.
Liegen eine krasse finanzielle Überforderung des Bürgen oder Mithaftenden und ein persönliches Näheverhältnis der vorgenannten Art objektiv vor, so ist es grundsätzlich Sache des Kreditgebers, die tatsächliche Vermutung zu widerlegen, daû der Sicherungsgeber sich nicht von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos, sondern von seiner emotionalen Bindung an den Hauptschuldner hat leiten lassen und der Kreditgeber diese Situation in sittlich anstöûiger Weise
ausgenutzt hat (st.Rspr., siehe etwa BGHZ 146, 37, 45). Dafür ist hier jedoch nichts dargetan oder ersichtlich. Daû der Kläger nach dem Vortrag der Beklagten die Vertragsverhandlungen für seinen fast tauben Vater geführt haben soll, deutet für sich genommen nicht auf eine unbeeinfluûte autonome Willensentscheidung hin. Selbst erfahrene und geschäftsgewandte Personen, die für den ihnen persönlich nahestehenden Kreditnehmer die Kreditgespräche führen, können dabei aus emotionaler Verbundenheit Verbindlichkeiten eingehen, die sie finanziell kraû überfordern und die sie im geschäftlichen Bereich vermutlich niemals eingegangen wären (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 413).

III.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und der Klage in vollem Umfang stattgeben.
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 198/98 Verkündet am:
27. Januar 2000
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Ob der Bürge durch eine Bürgschaft finanziell kraß überfordert wird, ist allein
aufgrund seiner eigenen Vermögensverhältnisse, nicht auch derjenigen des
Hauptschuldners zu beurteilen (Abweichung vom Senatsurt. v. 18. Januar 1996
- IX ZR 171/95, WM 1996, 519, 521). Eine solche Überforderung liegt jedenfalls
vor, wenn der Bürge voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen der
Hauptschuld aufzubringen vermag. Anderweitige Sicherheiten des Gläubigers
sind nur zu berücksichtigen, soweit sie das Haftungsrisiko des Bürgen verringern.

b) Wird der Bürge durch eine Bürgschaft, die er aus emotionaler Verbundenheit
zum Hauptschuldner übernommen hat, kraß überfordert, und ist der Vertrag wirt-
schaftlich sinnlos, steht es der Sittenwidrigkeit der Verpflichtung weder entgegen
, daû der - nicht geschäftsungewandte - Bürge Vertragsverhandlungen im
Namen der Hauptschuldnerin geführt hat, noch daû die Hauptschuld dazu dient,
den Bau eines gemeinsam zu bewohnenden Hauses auf einem Grundstück der
Hauptschuldnerin zu finanzieren, noch daû der Bürge zusätzliche Sicherheiten
aus eigenem Vermögen stellt.

c) Das Vermeiden von Vermögensverschiebungen durch den Hauptschuldner auf
den Bürgen schlieût die Sittenwidrigkeit einer diesen kraû überfordernden Bürgschaft
insgesamt nicht aus, wenn die Höhe der Bürgschaft das berechtigte Sicherungsinteresse
des Gläubigers offenkundig weit übersteigt.
BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die
Richter Kirchhof, Dr. Fischer, Dr. Zugehör und Dr. Ganter

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. Mai 1998 aufgehoben und dasjenige der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 1997 abgeändert, soweit es zum Nachteil des Klägers ergangen ist.
Es wird festgestellt, daû die Beklagte aus der vom Kläger am 21. Februar 1992 unterzeichneten Bürgschaftsurkunde keine Rechte gegen den Kläger herleiten kann.
Die Anschluûberufung der Beklagten gegen das bezeichnete Urteil des Landgerichts wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger übernahm am 21. Februar 1992 eine Höchstbetragsbürgschaft von 1,65 Mio. DM gegenüber der Beklagten zur Sicherung ihrer Darlehensansprüche in gleicher Höhe gegen Frau B., die Lebensgefährtin des Klägers. Mit dem Darlehen wollten der Kläger und Frau B. auf einem dieser allein gehörenden Grundstück ein Wohnhaus bauen. Der Beklagten standen vereinbarungsgemäû weitere Sicherheiten zu. Das Darlehen wurde im Dezember 1992 auf 1,35 Mio. DM zurückgeführt, später aber notleidend und im April 1994 gekündigt. Nach Verwertung von Sicherheiten hat die Beklagte gemäû ihrer Behauptung noch eine Restforderung von 386.685,55 DM zuzüglich Zinsen; als Sicherheit dient ihr weiterhin eine Grundschuld auf einem Grundstück der Mutter des Klägers.
Anfang 1995 trat Frau B. die Ansprüche aus ihrer Witwenrente sowie aus einer Unfallversicherungsrente an den Kläger ab.
Der Kläger beantragt die Feststellung, daû die Beklagte aus der Bürgschaftsurkunde vom 21. Februar 1992 keine Rechte herleiten kann. Das Landgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage festgestellt, daû die Beklagte derzeit gegen den Kläger keine derartigen Rechte herleiten kann. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen; auf die Anschluûberufung der Beklagten hat es die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel führt zur Verurteilung der Beklagten gemäû dem Klageantrag.

I.


Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die zulässige Feststellungsklage sei unbegründet. Die Bürgschaft sei nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig.
Es sei schon zweifelhaft, ob der 1959 geborene Kläger nicht in der Lage gewesen sei, die Bürgschaftsforderung zu begleichen. Zwar habe die Beklagte ihre Behauptung, der Kläger habe vom Unternehmen seiner Lebensgefährtin ein monatliches Einkommen von 4.000 DM erhalten, nicht bewiesen. Der Kläger sei aber Mitinhaber von Anteilen an einem ausländischen Wertpapierfonds gewesen, deren Verkauf im März 1993 einen Erlös von 429.000 DM erbrachte; daû diese Wertpapiere möglicherweise im Innenverhältnis der Hauptschuldnerin allein zustanden, habe der Kläger jedenfalls nicht der Beklagten offenbart. Bis Dezember 1992 habe er von seiner Mutter auch ein Grundstück erlangt, das nunmehr mit einer Grundschuld von 350.000 DM zugunsten der Beklagten belastet sei. Ferner hätten dem Kläger Ansprüche aus einer Lebensversicherung zugestanden, die er zur Sicherung des Darlehens an die Beklagte abgetreten habe. Andererseits seien die von der Hauptschuldnerin gewährten, zusätzlichen umfangreichen Sicherheiten nicht zu berücksichtigen, weil nach
Nr. 6 der Bürgschaftsurkunde die Beklagte gegenüber dem Kläger frei sei, diese Sicherheiten aufzugeben.
Jedenfalls habe die Beklagte ein rechtlich vertretbares Interesse an der Verpflichtung des Klägers gehabt. Denn es habe die Gefahr bestanden, daû die Hauptschuldnerin ihr Vermögen auf den Kläger übertragen würde. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers sei die Möglichkeit einer Vermögensverschiebung Inhalt der Gespräche der Parteien anläûlich der Bürgschaftserklärung gewesen. Daû die Gefahr nicht ferngelegen habe, werde durch die Übertragung der Rentenansprüche im Februar 1995 bestätigt.
Die Umstände des Falles sprächen gegen die Vermutung, daû der Kläger seine Bürgschaftserklärung allein aufgrund einer emotionalen Bindung an seine Lebenspartnerin bei gleichzeitiger Geschäftsungewandtheit abgegeben habe. Vielmehr habe der Kläger ein hohes eigenes Interesse an der Erstellung des Einfamilienhauses auf dem Grundstück der Hauptschuldnerin gehabt, weil er es habe bewohnen wollen, weshalb er zu diesem Zweck auch selbst Ausbauten vorgenommen habe. An allen das Darlehen betreffenden Gesprächen habe er nicht nur persönlich mitgewirkt, sondern auch die Verhandlung aktiver als seine Lebensgefährtin geführt. Indem er sich selbst als Mitantragsteller in einem Darlehensantrag aufgeführt habe, habe er den Hausbau und damit die Darlehensgewährung zur eigenen Angelegenheit gemacht und bereits hierdurch seinen Willen zur eigenen vollen Haftung zum Ausdruck gebracht. Zudem habe er aus seinem Vermögen Sicherheiten für das Darlehen gestellt. Er sei nicht geschäftsungewandt gewesen, nachdem er persönlich in früherer Zeit ein Fuhrgeschäft geleitet habe.

II.


Demgegenüber rügt die Revision: Die Bürgschaft sei sittenwidrig. Ein Sicherungsinteresse der Beklagten habe jedenfalls nicht in Höhe von 1,65 Mio. DM oder auch nur von 1,35 Mio. DM bestanden, weil das Ausfallrisiko durch andere Sicherheiten wesentlich herabgesetzt gewesen sei. Der Kläger werde durch die Bürgschaft, wie der Beklagten von Anfang an bekannt gewesen sei, kraû überfordert. Eigenes Einkommen habe er im Zeitpunkt der Verbürgung nicht gehabt. Die Anteile am ausländischen Wertpapierfonds hätten ausschlieûlich der Hauptschuldnerin zugestanden und seien zudem auch als Sicherheit an die Beklagte verpfändet gewesen. Das von der Mutter des Klägers auf diesen übertragene Grundstück habe für die hohe Schuldsumme nicht annähernd ausgereicht, zumal die Mutter sich ein lebenslängliches Wohnrecht vorbehalten habe. Die gerade erst abgeschlossenen Lebensversicherungen hätten nur einen Rückkaufswert von rund 60.000 DM gehabt und seien der Beklagten ebenfalls sicherungshalber übertragen gewesen.
Der Kläger habe ferner die Bürgschaftserklärung allein aufgrund einer emotionalen Bindung an seine Lebenspartnerin bei gleichzeitiger Geschäftsunerfahrenheit abgegeben. Sein Interesse, in dem Einfamilienhaus auf dem Grundstück der Hauptschuldnerin zu wohnen, stelle nur einen mittelbaren Vermögensvorteil dar, welcher die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB nicht ausschlieûe.

III.


Die vom Kläger am 21. Februar 1992 eingegangene Bürgschaft ist sittenwidrig. Gemäû § 138 Abs. 1 BGB ist eine Bürgschaft insbesondere dann nichtig, wenn der aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner handelnde Bürge finanziell kraû überfordert wird und die Bürgschaft sich auch aus Sicht eines vernünftig denkenden Gläubigers als wirtschaftlich sinnlos erweist. Davon ist hier auf der Grundlage des eigenen Vorbringens der Beklagten auszugehen.
1. Der Kläger wird durch die Bürgschaft kraû überfordert. Da die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts aufgrund der bei Vertragsschluû vorliegenden Umstände und erkennbaren Entwicklungen zu beurteilen ist, ist der Verbürgung im vorliegenden Fall eine Hauptschuld von 1,65 Mio. DM zugrunde zu legen; eine Absenkung um 300.000 DM wurde erst später vereinbart (s.u. IV).

a) Der Bürge ist kraû überfordert, wenn die Verbindlichkeit, für die er einstehen soll, so hoch ist, daû bereits bei Vertragsschluû nicht zu erwarten ist, er werde - wenn sich das Risiko verwirklicht - die Forderung des Gläubigers wenigstens zu wesentlichen Teilen tilgen können (vgl. BGHZ 125, 206, 211; vgl. Senatsurt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327 f). Davon ist bei nicht ganz geringfügigen Hauptschulden jedenfalls dann auszugehen, wenn der Bürge voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen der Hauptschuld aufzubringen vermag. Im Rahmen der Prüfung, ob die Geschäftsgrundlage einer Bürgschaft weggefallen ist, hat der Senat zwar darauf abgestellt, ob der Bürge innerhalb von fünf Jahren nicht einmal ein Viertel der Hauptsumme auf-
zubringen vermag (BGHZ 132, 328, 338; 134, 325, 332). Aufgrund dieses Maûstabes hat er jedoch nie die Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft für eine verzinsliche Hauptschuld bejaht. Soweit den Urteilen in BGHZ 136, 347, 351 f sowie BGHZ 137, 329, 337 f eine Anwendbarkeit des letztgenannten Maûstabes auch im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB entnommen werden könnte, wird das Gegenteil ausdrücklich klargestellt.
Die Bürgschaftssumme von 1,65 Mio. DM überfordert den Kläger kraû. Das Darlehen war mit jährlich 9 %, also monatlich 12.375 DM zu verzinsen. Einen solchen Betrag konnte der Kläger nicht annähernd erwirtschaften. Als gelernter Glaser hatte er ein eigenes Fuhrgeschäft schon vor der hier maûgeblichen Zeit aufgegeben. Eine Erwerbstätigkeit in dem erlernten Beruf oder als Kraftfahrer verschafft erfahrungsgemäû keine Einkünfte in der hier nötigen Gröûenordnung. Für die gegenteilige Ansicht der Revisionserwiderung fehlt jede tatsächliche Grundlage. Insbesondere ist in der Selbstauskunft der Frau B. vom 3. Dezember 1991 für den Kläger als Mitantragsteller kein "monatliches Nettoeinkommen" aufgeführt.
Nach der Behauptung der Beklagten bezog der Kläger zur Zeit der Bürgschaftsübernahme monatlich 4.000 DM von Frau B. für die Führung ihres Speditionsgeschäftes. Das Berufungsgericht hat dies aufgrund der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme für nicht bewiesen gehalten. Sogar wenn man dem - insoweit beweisbelasteten - Kläger ein derartiges Einkommen zurechnet, reicht es nicht annähernd aus, um die monatlich anfallenden Zinslasten abzudecken. Es kommt somit nicht mehr entscheidend darauf an, daû der Kläger zusätzlich die laufenden Prämien für die Lebensversicherung über
250.000 DM aufzubringen hatte, die für das Finanzierungskonzept der Hauptschuldnerin und des Klägers nötig war.

b) In die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers sind nur seine eigenen Vermögensverhältnisse, nicht aber auch diejenigen der Hauptschuldnerin einzubeziehen. Zwar hat der Senat mehrmals entschieden, daû bei der Beurteilung einer krassen Überforderung auch die voraussichtliche Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners zu berücksichtigen ist (Urt. v. 18. Januar 1996 - IX ZR 171/95, WM 1996, 519, 521 f; v. 7. März 1996 - IX ZR 43/95, WM 1996, 766, 767; v. 15. April 1997 - IX ZR 112/96, WM 1997, 1045, 1046). Auf dessen Leistungsfähigkeit hat der Senat später jedoch nicht mehr abgestellt (vgl. BGHZ 134, 325, 327; 136, 347, 351 f; Urt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327 f). Denn der Bürgschaftsfall tritt regelmäûig erst ein, wenn der Hauptschuldner selbst nicht mehr leistungsfähig ist. Das ist sogar der gesetzliche Zweck der Bürgschaft (vgl. § 771 BGB). Dann aber hilft dem Bürgen früher etwa vorhandenes Vermögen des Hauptschuldners nichts. Statt dessen obliegt es dem Gläubiger, sich von vornherein über die individuelle Leistungsfähigkeit etwaiger Bürgen und Mitverpflichteter zu unterrichten und nur jene bei der Höhe ihrer jeweiligen Mitverpflichtung zu berücksichtigen.

c) Das vom Kläger verbürgte Risiko wurde nicht durch sonstige Umstände voll ausgeglichen oder entscheidend herabgemindert.
Bei der Frage der Überforderung sind anderweitige Sicherheiten des Gläubigers nur zu berücksichtigen, soweit sie das Haftungsrisiko des Bürgen vermindern (vgl. BGHZ 136, 347, 352 f; Senatsurteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, aaO).

Daû die Mutter des Klägers ihm im September 1992 ein jedenfalls in Höhe von 350.000 DM belastbares Grundstück übertrug, hat im vorliegenden Zusammenhang auûer Betracht zu bleiben (s.u. IV). Denn keine Partei behauptet , daû dies schon im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme im Februar 1992 vorausgesehen oder Verhandlungsgegenstand gewesen sei. Einseitige Hilfeleistungen von Angehörigen des Bürgen zeitlich nach dessen Verbürgung beeinflussen nicht die Beurteilung ihrer Sittenwidrigkeit.
Bei der Beurteilung des Risikos, welches der Bürge eingeht, ist vom vollen Nennwert der Bürgschaft auszugehen, wenn der Gläubiger zwar weitere Sicherheiten erhalten hat, jedoch nicht sichergestellt ist, daû er nur in einem wesentlich geringeren Umfang als der vertraglich festgelegten Haftungssumme in Anspruch genommen wird (BGHZ 136, 347, 352; Senatsurt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, aaO). Im vorliegenden Falle hat der Beklagte unter Nr. 6 seiner Bürgschaftserklärung anerkannt, daû alle Maûnahmen und Vereinbarungen , welche die Bank hinsichtlich ihrer Ansprüche oder bei der Verwertung anderweitiger Sicherheiten für zweckmäûig erachtet, den Umfang der Bürgschaftsverpflichtung nicht berühren. Darüber hinaus stand es der Beklagten frei, den Erlös aus anderweitig bestellten Sicherheiten zunächst auf solche Ansprüche anzurechnen, die durch die Bürgschaft des Klägers nicht gedeckt sind.

d) Die Beklagte muû die sich danach ergebende finanzielle Leistungsunfähigkeit des Klägers als bekannt gegen sich gelten lassen. Denn nach banküblichen Gepflogenheiten überprüfen Kreditinstitute die geforderten Sicherheiten vor der Hereinnahme grundsätzlich auf ihre Werthaltigkeit. Dementsprechend müssen sie von sich aus Ermittlungen über die Vermögens- und
Einkommensverhältnisse solcher Personen anstellen, die mithaften sollen. Sieht eine Bank von derartigen Nachforschungen ab, befragt sie also insbesondere den Beteiligten nicht nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit, muû sie sich in aller Regel die objektiven Tatsachen als bekannt entgegenhalten lassen (Senatsurt. v. 2. November 1995 - IX ZR 222/94, WM 1996, 53, 54; v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, aaO S. 2329 m.w.N.).
Im vorliegenden Falle hat der Kläger in vollem Umfange Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse erteilt und der Beklagten sogar alle von ihm angegebenen Vermögenswerte verpfändet. Er hat ihr nicht etwa vorgespiegelt, mehr Einkommen oder Vermögen zu haben als tatsächlich der Fall war. Die Beklagte selbst geht davon aus, daû Kläger und Hauptschuldnerin die monatliche Belastung für Zins- und Lebensversicherungsbeiträge nur aufbringen konnten, wenn der Erwerber der früheren Spedition der Hauptschuldnerin seinen Zahlungsverpflichtungen nachkam. Die Beklagte hat jedoch nicht beachtet, daû der Umfang der Mitverpflichtung des Klägers seine erkennbar beschränkte Leistungsfähigkeit weit überstieg.
2. Die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften finanziell kraû überforderter Ehegatten, die aus emotionaler Verbundenheit zum Hauptschuldner gehandelt haben, findet in der Regel auch Anwendung, wenn Hauptschuldner und Bürge durch eine eheähnliche Lebensgemeinschaft verbunden sind (Senatsurt. v. 23. Januar 1997 - IX ZR 55/96, WM 1997, 465; vgl. auch BGHZ 136, 347, 350). Der Kläger lebte unstreitig in eheähnlicher Gemeinschaft mit der Hauptschuldnerin. Ein solches Lebensverhältnis ist erfahrungsgemäû als ein Beweggrund für einen der Partner geeignet, sich für den anderen in einer Weise zu verpflichten, welche die eigene Leistungsfähigkeit kraû überfor-
dert. Die persönliche Beziehung war der Beklagten aus den Darlehensverhandlungen bekannt.
Das Berufungsgericht hat sich gleichwohl nicht davon überzeugen können , daû der Kläger die überhöhte Bürgschaft aus emotionaler Verbundenheit zu Frau B. übernommen hat. Die Auslegung des Berufungsgerichts bewertet aber lediglich mittelbare Vorteile, die sich der Kläger aus dem Erfolg des finanzierten Bauvorhabens versprochen haben mag, rechtsfehlerhaft als entgegenstehende Umstände. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat stets nur eigene geldwerte Vorteile des kraû überforderten Bürgen aus dem verbürgten Geschäft selbst als einen Umstand angesehen, der ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit auszugleichen vermag (vgl. Senatsurt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, aaO S. 2328 f). Der vom Berufungsgericht als wesentlich herausgestellte Umstand, daû der Kläger das auf dem Grundstück der Frau B. zu errichtende Haus mitbewohnen sollte, genügt danach nicht. Miteigentümer sollte der Kläger, soweit dargetan, nicht werden. Das bloûe Mitbewohnen einer aufwendig ausgebauten Villa begründet allenfalls eine Erhöhung des allgemeinen Lebensstandards und stellt somit keinen Vorteil dar, der vernünftigerweise eine hoffnungslose Überschuldung auszugleichen vermöchte. Ein solches Interesse läût sich durch geeignete Anmietungen billiger befriedigen. Dem steht nicht das von der Beklagten zitierte Senatsurteil vom 23. Januar 1997 (IX ZR 55/96, NJW 1997, 1005 f = WM 1997, 465, 466) entgegen : In diesem Fall ging es angesichts der begrenzten Bürgschaftshöhe zwar um eine erhebliche Belastung, nicht aber um eine krasse Überforderung der Bürgin. Statt dessen stand dort allein das Vorliegen einer anders gearteten Fallgruppe der Sittenwidrigkeit zur Entscheidung, nämlich eine unzulässige Einwirkung der Gläubigerin selbst auf die Entschlieûung des Bürgen; nur bei
Prüfung gerade der Verwerflichkeit des Gläubigerhandelns hat der Senat im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung erkennbar ausgleichende Umstände auf Seiten der Bürgin berücksichtigt.
Zum anderen hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, daû der Kläger bei den Kreditbesprechungen mit der Beklagten als Verhandlungsführer für die Hauptschuldnerin aufgetreten ist. Insoweit hat er aber in jedem Falle als Vertreter in fremden Namen gehandelt. Allein aus einem derartigen Betreiben fremder Geschäfte folgt nicht ein inhaltliches Eigeninteresse an dem Geschäft. Obwohl der Kläger Verhandlungen für Frau B. geführt hat, hat er der Beklagten nie ein eigenes Sachinteresse am Bau selbst vorgespiegelt. Sie hat den Kläger letztlich auch nicht als Mitantragsteller für das Darlehen behandelt, und es ist nicht dargetan, daû er über dessen Verwendung frei mitbestimmen durfte.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung liegt ein Eigeninteresse des Klägers ferner nicht darin, daû er sich in die Zwischenfinanzierung des Bauvorhabens mit einem eigenen Lebensversicherungsvertrag hat einbinden lassen. Der Umstand allein, daû ein Bürge für das Bauvorhaben seines Lebenspartners auf dessen Grundstück zusätzliche Leistungen erbringt, spricht zunächst nur für die emotionale Beteiligung des Bürgen; er bedeutet kein geldwertes Eigeninteresse des Bürgen unmittelbar am Bauvorhaben selbst.
Daû der Kläger möglicherweise nicht geschäftsungewandt war, fällt in diesem Zusammenhang als Beweisanzeichen - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht ins Gewicht: Auch geschäftsgewandte Personen können aus emotionaler Verbundenheit zu einem Lebenspartner Verbindlichkeiten eingehen, die sie kraû überfordern.

Sogar wenn der Kläger - gemäû der unbewiesenen Behauptung der Beklagten - für die Führung der Geschäfte der Frau B. monatlich eine Vergütung von 4.000 DM erhalten hätte, galt eine solche allein seinen persönlichen Einsatz ab; sie begründete keinen Gegenwert für eine Höchstbetragsbürgschaft von 1,65 Mio. DM. Dasselbe trifft, anders als die Revisionserwiderung meint, für die Mitwirkung des Klägers an der Verpfändung der Anteile am Wertpapierfonds zu: Wenn der eine Teil einer Lebenspartnerschaft schon eigene Sachsicherheiten opfert, rechtfertigt dies nicht seine zusätzliche, persönliche Verpflichtung als Bürge in voller Höhe der Hauptschuld. Somit kommt es nicht entscheidend auf die Behauptung des Klägers an, er sei hinsichtlich der Anteile nur Treuhänder für Frau B. gewesen, dieser hätten wirtschaftlich alle Anteile zugestanden.
3. Das Berufungsgericht hat ein rechtlich vertretbares Interesse der Beklagten an der Verpflichtung des Klägers auch in der Gefahr gesehen, daû die Hauptschuldnerin ihr Vermögen auf den Kläger übertragen würde. Es stellt als unstreitig fest, daû eine solche Gefahr Inhalt der Gespräche der Parteien anläûlich der Bürgschaftserklärung war.

a) Das Berufungsgericht hat darin Recht, daû Vermögensverlagerungen gerade zwischen einander emotional verbundenen Personen in dem Fall, daû einer von ihnen die Insolvenz droht, erfahrungsgemäû oft vorgenommen werden. Die Vermeidung solcher Verschiebungen durch den wirtschaftlich zunächst leistungsstärkeren Hauptschuldner kann ein berechtigter Grund sein, von einer ihm nahestehenden Person eine Bürgschaft zu verlangen (BGHZ
128, 230, 234; 134, 325; Senatsurt. v. 23. Januar 1997 - IX ZR 55/96 aaO S. 466; v. 25. November 1999 - IX ZR 40/98, WM 2000, 23, 24 f).

b) Hier durfte die Beklagte jedoch unter diesem Gesichtspunkt keine Bürgschaft in Höhe von 1,65 Mio. DM verlangen. Sie war von Anfang wenigstens in der Lage, sich ganz überwiegend aus anderweitigen Sicherheiten zu befriedigen. Die verpfändeten Wertpapiere (Templeton Growth Fund) und Festgelder deckten anfangs 1.229.000 DM der verbürgten Hauptsumme ab. Für den Rest diente das zunächst unbebaute Grundstück der Hauptschuldnerin als Sicherheit. Sogar wenn dessen Schätzwert von 1 Mio. DM bei realistischer Vorausschau nicht voll zu verwirklichen sein würde, blieb - unter Berücksichtigung auflaufender Zinsen - eine Deckungslücke allenfalls in einer Gröûenordnung von bis zu 400.000 DM. Allein in diesem Umfang konnte die Beklagte durch Vermögensverschiebungen seitens der Hauptschuldnerin gefährdet werden. Der weitere, letztlich unvollendet gebliebene Ausbau des Wohnhauses auf dem Grundstück vergröûerte die Deckungslücke jedenfalls nicht.
Die Entgegennahme einer Bürgschaft durch den Gläubiger ist im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB als Einheit zu werten. Läût er sich eine Bürgschaft stellen, die der Höhe nach sein berechtigtes Interesse offenkundig weit übersteigt , vermag es eine krasse Überforderung des Bürgen nicht einmal teilweise zu rechtfertigen.

IV.


Am 10. Dezember 1992 hat der Kläger im Rahmen der Umschuldungsverhandlungen den Antrag der Frau B. mit unterschrieben, das vereinbarte Darlehen von 1,65 Mio. DM auf 1,35 Mio. DM zu senken. In dem Antrag heiût es auszugsweise [Bl. 28 GA]:
"Folgende bereits vorhandene Sicherheiten haften auch für diesen Kredit : ... Unbefristete, selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft über DM 1.650.000,00 - H. G. -, vom 21.02.1992 ..." Eine rechtswirksame Bestätigung dieser früheren Bürgschaft liegt darin nicht. Denn ein nichtiger Vertrag wird nicht durch Bestätigung rückwirkend wirksam; er kann nur für die Zukunft neu abgeschlossen werden. Es kommt allerdings in Betracht, die vom Kläger unterzeichnete Erklärung als eine neue, selbständige Verbürgung seinerseits in der Form des § 766 BGB auszulegen. Eine solche, erneute Verbürgung für das nunmehr auf 1,35 Mio. DM festgesetzte Darlehen ist jedoch nicht Gegenstand des genau umschriebenen Feststellungsantrags.
Es kommt deshalb nicht entscheidend darauf an, daû auch die verringerte Bürgschaftssumme die Leistungsfähigkeit des Klägers noch weit überstieg und sich das Risiko seiner Inanspruchnahme wegen des ausgleichenden Wegfalls bisheriger Sicherheiten keinesfalls verringerte.

V.


Das danach rechtsfehlerhafte Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO). Der Senat kann selbst in der Sache abschlieûend entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Klage ist begründet.
Paulusch Kirchhof Fischer Zugehör Ganter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 50/01 Verkündet am:
14. Mai 2002
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
_____________________
BGB §§ 138 Bb Abs. 1, 765
1. Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen
oder Mithaftenden sind die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf
seinem Grundbesitz ruhenden dinglichen Belastungen grundsätzlich
wertmindernd zu berücksichtigen.
2. Ein Interesse des Kreditgebers, sich durch einen an sich wirtschaftlich
sinnlosen Bürgschafts- oder Mithaftungsübernahmevertrag vor Vermögensverschiebungen
zwischen Eheleuten zu schützen, vermag die Sittenwidrigkeit
grundsätzlich nur bei einer ausdrücklichen Haftungsbeschränkung
zu vermeiden. Das gilt auch für eine vor dem 1. Januar 1999
übernommene Bürgschaft (Aufgabe von BGH WM 1998, 2327, 2329 f.).
BGH, Urteil vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01 - OLG Dresden
LG Leipzig
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 2) wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 21. Dezember 2000 in der berichtigten Fassung vom 24. April 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Bürgschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die klagende Sparkasse schloß am 13./14. April 1994 mit der R. Bau... GmbH (nachfolgend: R. GmbH), dem früheren Beklagten zu 1) und einem weiteren Gesellschafter der R. GmbH fünf Darlehensverträge, darunter einen Kontokorrentkreditvertrag über einen Höchstbetrag von 200.000 DM zu einem Zinssatz von 12,5% p.a.. Gleichzeitig übernahm die Beklagte zu 2) (nachfolgend: Beklagte), Ehefrau des früheren Beklagten zu 1), eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von 100.000 DM zur Sicherung für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten und befristeten Forderungen der Klägerin gegen die Darlehensnehmer. Zuvor hatte die B.bank GmbH eine Ausfallbürgschaft über 80% für die gewährten Kredite bestellt. Nachdem eine Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der R. GmbH am 31. Mai 1996 mangels Masse abgelehnt worden war, kündigte die Klägerin sämtliche Darlehensverträge fristlos.
In der Folgezeit zahlte die B.bank GmbH der Klägerin einen Betrag von 207.471,01 DM und ermächtigte sie zur gerichtlichen Geltendmachung der ihr als Ausfallbürgin zustehenden Forderungen gegen die Darlehensnehmer und die Beklagte als Mitbürgin. Nach Verwertung verschiedener Sicherheiten hat die Klägerin Zahlungsklage erhoben.
Die Beklagte, die den Bürgschaftsvertrag für sittenwidrig erachtet, hat u.a. vorgetragen: Ihr gehöre ein sanierungsbedürftiges Mehrfamilienhaus , das bei Übernahme der Bürgschaft mit einem mit rund 300.000 DM valutierenden Hypothekendarlehen wertausschöpfend belastet gewesen sei. Als teilzeitbeschäftigte Lehrerin und Mutter eines siebenjährigen Sohnes habe sie im März 1994 1.470 DM netto verdient so-
wie mit ihrer Immobilie Mieteinnahmen von 1.232,50 DM erzielt. Die monatliche Annuitätenrate für das Hypothekendarlehen habe 2.143 DM betragen.
Das Landgericht hat der Klage gegen den früheren Beklagten zu
1) teilweise und der gegen die Beklagte antragsgemäß in Höhe von 100.000 DM zuzüglich Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist weitgehend erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit zu ihrem Nachteil erkannt wurde.

I.


Das Berufungsgericht hat die Bürgschaftsübernahme der Beklagten für wirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt :
Der Bürgschaftsvertrag der Parteien verstoße entgegen der Ansicht der Beklagten nicht gegen die guten Sitten. Eine krasse finanzielle Überforderung bei Abgabe der Bürgschaftserklärung lasse sich nach
dem Vortrag der Beklagten nicht feststellen. Zwar seien die Mieteinkünfte aus ihrer Immobilie nur zu erzielen, wenn zugleich das auf ihr lastende Hypothekendarlehen ordnungsgemäû zurückgezahlt werde. Solange sie aber mit ihren gesamten Einnahmen und der Schuldentilgung eigenes Vermögen bilden könne, sei die Annahme einer krassen finanziellen Überforderung sachlich nicht gerechtfertigt.
Überdies komme nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs eine Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auch deswegen nicht in Betracht, weil das Interesse der Klägerin, sich vor Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, die Bürgschaft rechtfertige. Die vom XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs vertretene Gegenmeinung überzeuge nicht. Wie die Regeln über die Anfechtung von Rechtsgeschäften des Schuldners in der Zwangsvollstreckung und Insolvenz zeigten, seien Vermögensverschiebungen unter Eheleuten nicht nur eine abstrakte Möglichkeit, sondern eine von der Rechtsordnung wahrgenommene, ernsthaft bestehende Gefährdung der Gläubigerinteressen. Wenn ein Gläubiger nach den Grundsätzen der Privatautonomie diesem rechtlich anerkannten Interesse Rechnung trage und sich durch einen Bürgschaftsvertrag einen eigenständigen Zahlungsanspruch gegen den finanzschwachen Ehegatten des Hauptschuldners verschaffe, könne die Rechtsordnung diesem Handeln grundsätzlich nicht das Urteil der Sittenwidrigkeit entgegenhalten.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstöût der Bürgschaftsvertrag der Parteien nach dem streitigen Vorbringen der Beklagten , von dem für die Revisionsinstanz auszugehen ist, gegen die guten Sitten und ist infolgedessen nichtig.
1. Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge regelmäûig entscheidend vom Grad des Miûverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; Senatsurteile vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125 und vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224). Zwar reicht selbst der Umstand, daû der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft tragen kann, regelmäûig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten , daû er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kre-
ditgeber dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (st.Rspr., siehe Senatsurteile vom 13. November 2001 aaO S. 126 und vom 4. Dezember 2001 aaO).
2. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, war die Beklagte nach ihrem Vorbringen bei Übernahme der Bürgschaft voraussichtlich nicht in der Lage, die in den Kreditverträgen, welche Anlaû der Höchstbetragsbürgschaftserklärung über 100.000 DM waren, vereinbarten Zinsen aus eigenem pfändbaren Einkommen und/oder Vermögen dauerhaft allein zu tragen. Es spricht deshalb eine von der Klägerin zu widerlegende tatsächliche Vermutung dafür, daû sie die Bürgschaft nur aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen hat.

a) Nach ihren unwidersprochen gebliebenen Angaben verdiente die Beklagte bei Übernahme der Bürgschaft im März 1994 als teilzeitbeschäftigte Lehrerin lediglich 1.470 DM netto im Monat. Dieses Einkommen war unter Berücksichtigung ihrer Unterhaltspflicht gegenüber ihrem damals sieben Jahre alten Sohn unpfändbar (§ 850 c Abs. 1 ZPO). Ihren Einkünften aus der Vermietung eines Mehrfamilienhauses in Höhe von 1.232,50 DM monatlich standen nach ihrem streitigen Vorbringen Aufwendungen von 2.143 DM für Zinsen und Tilgung des angeblich mit rund 300.000 DM valutierenden Hypothekendarlehens gegenüber. Diese Aufwendungen waren, wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, notwendig , um die Mieteinnahmen erzielen zu können. Daû von den Aufwendungen weniger als 1.232,50 DM monatlich auf Zinsen entfielen, ist nicht festgestellt und angesichts der Höhe des Hypothekendarlehens auch nicht ersichtlich. Nach dem Vorbringen der Beklagten ist vielmehr
davon auszugehen, daû von ihren Mieteinnahmen nicht einmal ein Teil zur Bedienung der laufenden Zinsen aus der verbürgten Darlehenssumme von 100.000 DM zur Verfügung stand. Die Annahme des Berufungsgerichts , die Beklagte sei mit Hilfe ihres Arbeitseinkommens und ihrer Mieteinnahmen in der Lage, Vermögensbildung zu betreiben, entbehrt danach jeder Grundlage.

b) Auch über pfändbares Vermögen, das bei der Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen wäre, verfügt die Beklagte nach ihren Angaben nicht. Ihr Mehrfamilienhausgrundstück hat nach ihrem unter Beweis gestellten Vorbringen, dem das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, verfahrensfehlerhaft nicht nachgegangen ist, lediglich einen Verkehrswert von 300.000 DM und ist wertausschöpfend belastet. Diese Belastung ist bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Bürgen zu berücksichtigen. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei älteren Entscheidungen zwar die gegenteilige Ansicht vertreten (BGH, Urteile vom 7. März 1996 - IX ZR 43/95, WM 1996, 766, 768 und vom 13. November 1997 - IX ZR 289/96, WM 1998, 67, 69, insoweit in BGHZ 137, 153 ff. nicht abgedruckt). Diese Ansicht ist angesichts der jetzt auch vom IX. Zivilsenat geteilten Auffassung, daû sich die Wirksamkeit einer Bürgschaft nur nach der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen richtet (BGHZ 146, 37, 43 f.; BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 298/98, WM 2000, 410, 412), aber überholt. Nach dieser neuen Rechtsprechung ist es allein folgerichtig, das verbürgte Risiko nur um den im Einzelfall effektiv verfügbaren Sicherungswert des mitverhafteten dinglichen Vermögens zu mindern, also valutierende dingliche Belastungen vermögensmindernd zu berücksichti-
gen. Deren Nichtberücksichtigung widerspräche auch der banküblichen Praxis und würde insbesondere bei wertausschöpfenden dinglichen Belastungen dazu führen, daû ein Bürge als finanziell leistungsfähig behandelt werden müûte, obwohl er dies ersichtlich nicht ist (Nobbe /Kirchhof BKR 2001, 1, 9 f.). An der vorgenannten älteren Rechtsprechung des IX. Zivilsenats kann deshalb nicht festgehalten werden. Zu dieser Änderung der Rechtsprechung ist der erkennende Senat ohne Anrufung des Groûen Senats für Zivilsachen gemäû § 132 GVG in der Lage, da er nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs seit dem 1. Januar 2001 an Stelle des IX. Zivilsenats für Bürgschaftssachen zuständig ist.

c) Aus der maûgeblichen Sicht eines rational handelnden Kreditinstituts war bei Hereinnahme der Bürgschaft im März 1994 auch mit einer alsbaldigen wesentlichen und dauerhaften Verbesserung der Einkommens - und Vermögensverhältnisse der Beklagten nicht zu rechnen. Angesichts des Alters des von ihr betreuten Sohnes von sieben Jahren erschien eine ganztätige berufliche Tätigkeit der Beklagten in naher Zukunft vielmehr eher unwahrscheinlich. Daû sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse günstiger entwickelt hätten, als dies bei Übernahme der Bürgschaft zu erwarten war, ist weder substantiiert vorgetragen noch festgestellt, so daû sich die von der Revisionserwiderung erörterte Streitfrage, ob auch die finanzielle Situation des Bürgen bei Eintritt des Bürgschaftsfalles bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit Berücksichtigung finden muû, nicht stellt.
3. Anders als das Berufungsgericht unter Berufung auf die Rechtsprechung des vormals für das Bürgschaftsrecht zuständigen IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs angenommen hat, ändert auch ein Interesse des Gläubigers, sich vor Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, an der Sittenwidrigkeit einer den bürgenden Ehegatten finanziell kraû überfordernden Bürgschaft nichts. Überdies hat das Berufungsgericht übersehen, daû eine Klage gegen einen kraû finanziell überforderten bürgenden Ehegatten auch nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats - als derzeit unbegründet - abzuweisen ist, wenn eine Vermögensverschiebung - wie hier - nicht stattgefunden hat (BGHZ 128, 230, 235 f.; 134, 325, 328 ff.; BGH, Urteil vom 25. November 1999 - IX ZR 40/98, WM 2000, 23, 25).

a) Wie der erkennende Senat bereits in seinem Vorlagebeschluû vom 29. Juni 1999 an den Groûen Senat für Zivilsachen (XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558) ausgeführt hat, rechtfertigt allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen, ein unbeschränktes Mithaftungsbegehren nicht. Ohne besondere, vom Kreditgeber darzulegende und notfalls zu beweisende Anhaltspunkte kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daû eine kraû überfordernde Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme inhaltlich von vornherein nur eine erhebliche Vermögensverlagerung zwischen Hauptschuldner und Sicherungsgeber verhindern soll. Eine solche Vereinbarung, die der Personalsicherheit einen ganz besonderen Sinn verleiht, ist keineswegs üblich oder den auûerhalb der Vertragsurkunde liegenden Umständen zu entnehmen. Wer unter Berufung auf den wirklichen Willen verständiger Vertragsparteien eine solche einschränkende Auslegung der Bürgschaft
oder Mithaftungsabrede vornimmt, setzt sich daher über allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze hinweg und verstöût überdies gegen das Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion formularmäûiger Bürgschafts - oder Mithaftungsverträge. Nimmt der Kreditgeber den Betroffenen - wie hier - in Anspruch, ohne auch nur ansatzweise zu behaupten, daû und in welchem Umfang eine im Verhältnis zur Kreditsumme erhebliche Vermögensverschiebung stattgefunden hat, so zeigt auch dieses im Rahmen der Vertragsauslegung zu berücksichtigende nachvertragliche Verhalten (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 16. Oktober 1997 - IX ZR 164/96, WM 1997, 2305, 2306 m.w.Nachw.), daû die Annahme einer stillschweigend getroffenen Haftungsbeschränkung nicht gerechtfertigt ist.

b) Diese Auffassung wird inzwischen im Grundsatz auch vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs geteilt. Er sieht sich jedoch daran gehindert, die von ihm für die Zukunft anerkannten Grundsätze auch auf Bürgschaftsverträge aus der Zeit vor dem 1. Januar 1999 anzuwenden (Urteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2329 f.), weil für die Kreditinstitute nicht hinreichend klar gewesen sei, inwieweit sie ihr Interesse an einem möglichst wirksamen Schutz vor Vermögensverschiebungen über die bloûe Hereinnahme einer Bürgschaft hinaus durch geeignete vertragliche Regelungen absichern muûten. Dieser differenzierenden Betrachtungsweise vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschlieûen.
Dabei kann offenbleiben, ob und inwieweit das Vertrauen einer Prozeûpartei in den Fortbestand höchstrichterlicher Rechtsprechung
überhaupt schutzwürdig ist (siehe dazu Schimansky WM 2001, 1889 ff. m.w.Nachw.). Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es hier nicht entscheidend an, weil sich bei einem vernünftigen Gläubiger kein für einen etwaigen Dispositionsschutz unerläûliches Vertrauen bilden konnte. Der Gesichtspunkt der Verhinderung von Vermögensverschiebungen des Hauptschuldners als ein die Sittenwidrigkeit vermeidendes Moment ist erstmals als Reaktion auf die Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1993 (BVerfGE 89, 214, 229 ff.) und 5. August 1994 (BVerfG NJW 1994, 2749) vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs berücksichtigt worden (vgl. BGHZ 128, 230, 234 f.; 132, 328, 331; 134, 325, 327 f.). Er hat dabei ausdrücklich der abweichenden Rechtsprechung des XI. Zivilsenats (BGHZ 120, 272, 278 f. und Urteil vom 22. Januar 1991 - XI ZR 111/90, WM 1991, 313, 315) widersprochen. Der XI. Zivilsenat hat auch in der Folgezeit stets daran festgehalten , daû allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen , ein wirtschaftlich sinnloses Mithaftungsbegehren des Kreditgebers grundsätzlich nicht rechtfertigt (BGHZ 134, 42, 49; 135, 66, 69; Vorlagebeschluû vom 29. Juni 1999 - XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558). Von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Berücksichtigungsfähigkeit des Schutzinteresses des Gläubigers vor Vermögensverschiebungen ohne eine ausdrückliche Beschränkung von Bürgschaften auf diesen Zweck konnte daher keine Rede sein (Vorlagebeschluû des erkennenden Senats vom 29. Juni 1999 - XI ZR 10/98, aaO S. 1558 f.; siehe auch Schimansky aaO S. 1892).

III.



Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil insbesondere tatrichterliche Feststellungen zum Wert des Mehrfamilienhauses der Beklagten , der Valutierung des Hypothekendarlehens und zu den monatlichen Zins- und Tilgungslasten der Beklagten bei Abschluû des Bürg-
schaftsvertrages fehlen. Zur weiteren Sachaufklärung war die Sache deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 81/01 Verkündet am:
14. Mai 2002
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Ein Interesse des Kreditgebers, sich durch einen an sich wirtschaftlich sinnlosen
Bürgschafts- oder Mithaftungsübernahmevertrag vor Vermögensverschiebungen
zwischen Eheleuten zu schützen, vermag die Sittenwidrigkeit
grundsätzlich nur bei einer ausdrücklichen Haftungsbeschränkung zu vermeiden.
Das gilt auch für eine vor dem 1. Januar 1999 übernommene Bürgschaft
(Aufgabe von BGH WM 1998, 2327, 2329 f.).
BGH, Urteil vom 14. Mai 2002 - XI ZR 81/01 - OLG Dresden
LG Dresden
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und
die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Müller und Dr. Wassermann

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Januar 2001 aufgehoben und das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 24. April 1998 abgeändert.
Die Klage wird uneingeschränkt abgewiesen.
Die Anschlußrevision der Klägerin wird nicht angenommen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Bürgschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Vertrag vom 25. Juli 1995 verbürgte sich die Beklagte - Mutter von zwei Kindern und von Beruf Architektin - gegenüber der klagenden Sparkasse bis zum Höchstbetrag von 9,86 Millionen DM. Hauptschuldnerin war die K. GmbH & Co. KG. Deren einziger Kommanditist und alleiniger Gesellschafter der Komplementärin war der Ehemann der Beklagten.
Die Beklagte war früher kaufmännische Angestellte bei der Hauptschuldnerin und bezog von Januar bis mindestens Ende August 1995 als Geschäftsführerin der K. GmbH ein monatliches Bruttogehalt von 6.500 DM. Bei Abgabe der Bürgschaftserklärung war sie Miteigentümerin eines mit Grundschulden in Höhe von 800.000 DM belasteten Grundstücks zu ein halb und zusammen mit ihrem Ehemann Mitinhaberin eines Bankguthabens über rund 20.000 DM. Außerdem besaß sie eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von ca. 8.000 DM.
Am 1. September 1996 wurde über das Vermögen der KG das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Im selben Monat kündigte die Klägerin daraufhin die ausgereichten Geschäftskredite über insgesamt 18.276.968,55 DM fristlos und nahm die Beklagte aus dem Bürgschaftsvertrag in Anspruch. Mit der vorliegenden Klage macht sie einen Teilbetrag von 500.000 DM geltend. Die Beklagte hält dem entgegen, die Bürgschaft überfordere ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit kraß und sei daher sittenwidrig.
Das Landgericht hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Die Berufungen beider Parteien sind erfolglos geblieben. Mit der Revision der Beklagten und der unselbständigen Anschluûrevision der Klägerin verfolgen die Parteien ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur uneingeschränkten Abweisung der Klage.
1. Das Berufungsgericht hat den Bürgschaftsvertrag für wirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die Bürgschaft der Beklagten verstoûe nicht gegen die guten Sitten. Allerdings sei sie durch die Haftung bis zum Höchstbetrag von 9,86 Millionen DM von Anfang an finanziell in krasser Weise überfordert worden. Mit der Teilinhaberschaft an dem Bankguthaben über rund 20.000 DM und ihrer Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von ca. 8.000 DM habe ihr Gesamtvermögen nicht mehr als rund 18.000 DM betragen. Der Miteigentumsanteil der Beklagten an einem Grundstück ändere daran nichts, da er wertausschöpfend belastet gewesen sei. Das monatliche Bruttoeinkommen von 6.500 DM als Geschäftsführerin der K. GmbH habe nicht einmal zur vertragsgemäûen Zahlung der laufenden Zinsen der verbürgten Verbindlichkeiten ausgereicht. Die bei einer kras-
sen finanziellen Überforderung bestehende tatsächliche Vermutung, daû die Beklagte die Bürgschaft nur aus persönlicher Verbundenheit zu ihrem Ehemann, dem wirtschaftlichen Eigentümer der Hauptschuldnerin, übernommen habe, habe die Klägerin nicht entkräftet.
Gleichwohl sei der Bürgschaftsvertrag bei Würdigung aller Umstände nicht als sittenwidrig einzustufen. Da die Klägerin die Beklagte weder überrumpelt noch Aufklärungspflichten verletzt habe, rechtfertige das Interesse des Gläubigers, sich vor Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, auch die Hereinnahme einer im übrigen wirtschaftlich sinnlosen Personalsicherheit. Daû sich die Hauptschuldnerin schon seit mehreren Jahren in der Gesamtvollstreckung befinde, ändere nichts, weil weiterhin die - wenngleich vorläufig nicht naheliegende - Gefahr bestehe, daû der Ehemann der Beklagten als weiterer Bürge der Klägerin Vermögensverlagerungen vornehme. Da es dazu bislang nicht gekommen sei, sei die Klägerin jedoch an der Durchsetzung ihrer Ansprüche aus dem Bürgschaftsvertrag gegen die Beklagte rechtlich gehindert , so daû das Landgericht die Klage zu Recht als derzeit unbegründet abgewiesen habe.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
Die von der Beklagten übernommene Höchstbetragsbürgschaft verstöût in besonders auffälliger Weise gegen die guten Sitten und ist infolgedessen nichtig. Mit seiner gegenteiligen Auffassung hat das Berufungsgericht verkannt, daû ein Interesse des Kreditgebers, sich vor
etwaigen Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, die Sittenwidrigkeit in aller Regel nur dann vermeiden kann, wenn dieser beschränkte Zweck durch eindeutige Erklärungen zum Inhalt der den unterlegenen Vertragsteil sonst kraû überfordernden Bürgschaft oder Mithaftungsabrede gemacht worden ist.

a) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Ansicht des Berufungsgerichts , die Beklagte werde durch die Übernahme einer Höchstbetragsbürgschaft von 9,86 Millionen DM finanziell kraû überfordert.
aa) Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs liegt eine solche Überforderung des Bürgen oder Mitverpflichteten bei nicht ganz geringen Bankschulden grundsätzlich vor, wenn er voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens und Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalls dauerhaft tragen kann. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ohne Hinzutreten weiterer Umstände - widerleglich zu vermuten, daû der dem Hauptschuldner persönlich nahestehende Bürge oder Mithaftende die für ihn ruinöse Personalsicherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (BGHZ 136, 346, 351; 146, 37, 42; BGH, Urteile vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 411; vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 126 und vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224).

bb) Die Beklagte war nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts bei Abgabe der Bürgschaftserklärung im Juli 1995 ersichtlich nicht einmal annähernd in der Lage, die laufenden Zinsen für die verbürgte Hauptschuld über 9,86 Millionen DM aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens und Vermögens zu tragen. Ihr Gehalt als Geschäftsführerin der K. GmbH von monatlich 6.500 DM brutto reichte dazu bei weitem nicht aus. Eigenes verwertbares Vermögen war nur in Höhe von rund 18.000 DM vorhanden. Das wertausschöpfend belastete Grundeigentum der Beklagten hat das Berufungsgericht zu Recht nicht berücksichtigt (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tage - XI ZR 50/01).
cc) Die danach bestehende Vermutung, daû sich die Beklagte bei Übernahme der ruinösen Bürgschaft von ihrer emotionalen Bindung an ihren Ehemann, den wirtschaftlichen Alleineigentümer der Hauptschuldnerin , hat leiten lassen, hat das Berufungsgericht zu Recht nicht als entkräftet angesehen. Daû die Beklagte zunächst bei der Hauptschuldnerin angestellt, geschäftlich nicht unerfahren war und als Vertreterin ihres Ehemannes an Gesprächen zur Sanierung der Hauptschuldnerin teilgenommen hat, fällt entgegen der Ansicht der Klägerin als Beweisanzeichen nicht entscheidend ins Gewicht. Auch erfahrene und geschäftsgewandte Personen können aus emotionaler Verbundenheit zu ihrem Ehegatten Verbindlichkeiten eingehen, die sie finanziell kraû überfordern (BGH, Urteile vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 413 und vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 127).

b) Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht aber, soweit es unter Berufung auf die Rechtsprechung des vormals für das Bürgschaftsrecht zuständigen IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ein Interesse der kreditgebenden Bank, sich vor Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, angenommen und mit Rücksicht darauf die Sittenwidrigkeit der die Beklagte kraû überfordernden Bürgschaft verneint hat.
aa) Wie der erkennende Senat bereits in seinem Vorlagebeschluû vom 29. Juni 1999 an den Groûen Senat für Zivilsachen (XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558) ausgeführt hat, rechtfertigt allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen, ein unbeschränktes Mithaftungsbegehren nicht. Ohne besondere, vom Kreditgeber im einzelnen darzulegende und notfalls zu beweisende Anhaltspunkte kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daû eine kraû überfordernde Bürgschafts- oder Mithaftungsübernahme inhaltlich von vornherein nur eine erhebliche Vermögensverlagerung zwischen Hauptschuldner und Sicherungsgeber verhindern soll. Eine solche Vereinbarung, die der Personalsicherheit einen ganz besonderen Sinn verleiht, ist keineswegs üblich oder den auûerhalb der Vertragsurkunde liegenden Umständen zu entnehmen. Wer unter Berufung auf den wirklichen Willen verständiger Vertragsparteien eine solche einschränkende Auslegung der Bürgschaft oder Mithaftungsabrede vornimmt, setzt sich daher über allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze hinweg und verstöût überdies gegen das Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion formularmäûiger Bürgschafts - oder Mithaftungsverträge. Nimmt der Kreditgeber den Betroffenen - wie hier - in Anspruch, ohne auch nur ansatzweise zu behaupten,
daû und in welchem Umfang eine im Verhältnis zur Kreditsumme erhebliche Vermögensverschiebung stattgefunden hat, so zeigt auch dieses im Rahmen der Vertragsauslegung zu berücksichtigende nachvertragliche Verhalten (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 16. Oktober 1997 - IX ZR 164/96, WM 1997, 2305, 2306 m.w.Nachw.), daû die Annahme einer stillschweigend getroffenen Haftungsbegrenzung nicht gerechtfertigt ist.
bb) Diese Auffassung wird inzwischen im Grundsatz auch vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs geteilt. Er sieht sich jedoch daran gehindert, die von ihm für die Zukunft anerkannten Grundsätze auch auf Bürgschaftsverträge aus der Zeit vor dem 1. Januar 1999 anzuwenden (BGH, Urteil, vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2329 f.), weil für die Kreditinstitute nicht hinreichend klar gewesen sei, inwieweit sie ihr Interesse an einem möglichst wirksamen Schutz vor Vermögensverschiebungen über die bloûe Hereinnahme einer Bürgschaft hinaus durch geeignete vertragliche Regelungen absichern muûten. Dieser differenzierenden Betrachtungsweise vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschlieûen.
Dabei kann offenbleiben, ob und inwieweit das Vertrauen einer Prozeûpartei in den Fortbestand höchstrichterlicher Rechtsprechung überhaupt schutzwürdig ist (siehe dazu Schimansky WM 2001, 1889 ff. m.w.Nachw.). Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es hier nicht entscheidend an, weil sich bei einem vernünftigen Gläubiger kein für einen etwaigen Dispositionsschutz unerläûliches Vertrauen bilden konnte. Der Gesichtspunkt der Verhinderung von Vermögensverschiebungen des Hauptschuldners als ein die Sittenwidrigkeit vermeidendes Moment ist
erstmals als Reaktion auf die Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1993 (BVerfGE 89, 214, 229 ff.) und 5. August 1994 (BVerfG NJW 1994, 2749 f.) vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs berücksichtigt worden (vgl. BGHZ 128, 230, 234 f.; 132, 328, 331; 134, 325, 327 f.). Er hat dabei ausdrücklich der abweichenden Rechtsprechung des XI. Zivilsenats (BGHZ 120, 272, 278 f. und Urteil vom 22. Januar 1991 - XI ZR 111/90, WM 1991, 313, 315) widersprochen. Der XI. Zivilsenat hat auch in der Folgezeit stets daran festgehalten , daû allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen , ein wirtschaftlich sinnloses Mithaftungsbegehren des Kreditgebers grundsätzlich nicht rechtfertigt (BGHZ 134, 42, 49; 135, 66, 69; Vorlagebeschluû vom 29. Juni 1999 - XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558). Von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Berücksichtigungsfähigkeit des Interesses des Gläubigers, sich vor Vermögensverschiebungen zu schützen, ohne eine ausdrückliche Beschränkung von Bürgschaften auf diesen Zweck konnte daher keine Rede sein (Vorlagebeschluû des erkennenden Senats vom 29. Juni 1999 - XI ZR 10/98, aaO S. 1558 f.; siehe auch Schimansky aaO S. 1892).
Die Beurteilung der Sittenwidrigkeit der von der Beklagten im Juli 1995 übernommenen Bürgschaft hat danach nach denselben Kriterien zu erfolgen wie die eines nach dem 1. Januar 1999 abgeschlossenen Bürgschaftsvertrages. An der abweichenden Rechtsprechung des IX. Zivilsenats kann deshalb nicht festgehalten werden. Zu dieser Änderung der Rechtsprechung ist der erkennende Senat ohne Anrufung des Groûen Senats für Zivilsachen gemäû § 132 GVG in der Lage, da er nach dem
Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs seit dem 1. Januar 2001 an Stelle des IX. Zivilsenats für Bürgschaftssachen zuständig ist.

c) Auf die Revision der Beklagten war das Berufungsurteil daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.) und die Klage uneingeschränkt abzuweisen.

II.


Die Annahme der unselbständigen Anschluûrevision der Klägerin war abzulehnen. Sie hat weder Aussicht auf Erfolg noch grundsätzliche Bedeutung (§ 554 b ZPO a.F.). Prozeûrechtliche Bedenken gegen die Ablehnung der Annahme der Anschluûrevision durch Urteil nach mündlicher Verhandlung bestehen nicht (Senatsurteile vom 29. September 1992 - XI ZR 265/91, NJW 1992, 3225, 3227 und vom 14. März 2000 - XI ZR 14/99, WM 2000, 1057, 1058). Die Entscheidung muû nicht in einem vorgeschalteten Beschluûverfahren getroffen werden.
Nobbe Siol Bungeroth
Müller Wassermann

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 50/01 Verkündet am:
14. Mai 2002
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
_____________________
BGB §§ 138 Bb Abs. 1, 765
1. Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen
oder Mithaftenden sind die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf
seinem Grundbesitz ruhenden dinglichen Belastungen grundsätzlich
wertmindernd zu berücksichtigen.
2. Ein Interesse des Kreditgebers, sich durch einen an sich wirtschaftlich
sinnlosen Bürgschafts- oder Mithaftungsübernahmevertrag vor Vermögensverschiebungen
zwischen Eheleuten zu schützen, vermag die Sittenwidrigkeit
grundsätzlich nur bei einer ausdrücklichen Haftungsbeschränkung
zu vermeiden. Das gilt auch für eine vor dem 1. Januar 1999
übernommene Bürgschaft (Aufgabe von BGH WM 1998, 2327, 2329 f.).
BGH, Urteil vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01 - OLG Dresden
LG Leipzig
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 2) wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 21. Dezember 2000 in der berichtigten Fassung vom 24. April 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Bürgschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die klagende Sparkasse schloß am 13./14. April 1994 mit der R. Bau... GmbH (nachfolgend: R. GmbH), dem früheren Beklagten zu 1) und einem weiteren Gesellschafter der R. GmbH fünf Darlehensverträge, darunter einen Kontokorrentkreditvertrag über einen Höchstbetrag von 200.000 DM zu einem Zinssatz von 12,5% p.a.. Gleichzeitig übernahm die Beklagte zu 2) (nachfolgend: Beklagte), Ehefrau des früheren Beklagten zu 1), eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von 100.000 DM zur Sicherung für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten und befristeten Forderungen der Klägerin gegen die Darlehensnehmer. Zuvor hatte die B.bank GmbH eine Ausfallbürgschaft über 80% für die gewährten Kredite bestellt. Nachdem eine Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der R. GmbH am 31. Mai 1996 mangels Masse abgelehnt worden war, kündigte die Klägerin sämtliche Darlehensverträge fristlos.
In der Folgezeit zahlte die B.bank GmbH der Klägerin einen Betrag von 207.471,01 DM und ermächtigte sie zur gerichtlichen Geltendmachung der ihr als Ausfallbürgin zustehenden Forderungen gegen die Darlehensnehmer und die Beklagte als Mitbürgin. Nach Verwertung verschiedener Sicherheiten hat die Klägerin Zahlungsklage erhoben.
Die Beklagte, die den Bürgschaftsvertrag für sittenwidrig erachtet, hat u.a. vorgetragen: Ihr gehöre ein sanierungsbedürftiges Mehrfamilienhaus , das bei Übernahme der Bürgschaft mit einem mit rund 300.000 DM valutierenden Hypothekendarlehen wertausschöpfend belastet gewesen sei. Als teilzeitbeschäftigte Lehrerin und Mutter eines siebenjährigen Sohnes habe sie im März 1994 1.470 DM netto verdient so-
wie mit ihrer Immobilie Mieteinnahmen von 1.232,50 DM erzielt. Die monatliche Annuitätenrate für das Hypothekendarlehen habe 2.143 DM betragen.
Das Landgericht hat der Klage gegen den früheren Beklagten zu
1) teilweise und der gegen die Beklagte antragsgemäß in Höhe von 100.000 DM zuzüglich Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist weitgehend erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit zu ihrem Nachteil erkannt wurde.

I.


Das Berufungsgericht hat die Bürgschaftsübernahme der Beklagten für wirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt :
Der Bürgschaftsvertrag der Parteien verstoße entgegen der Ansicht der Beklagten nicht gegen die guten Sitten. Eine krasse finanzielle Überforderung bei Abgabe der Bürgschaftserklärung lasse sich nach
dem Vortrag der Beklagten nicht feststellen. Zwar seien die Mieteinkünfte aus ihrer Immobilie nur zu erzielen, wenn zugleich das auf ihr lastende Hypothekendarlehen ordnungsgemäû zurückgezahlt werde. Solange sie aber mit ihren gesamten Einnahmen und der Schuldentilgung eigenes Vermögen bilden könne, sei die Annahme einer krassen finanziellen Überforderung sachlich nicht gerechtfertigt.
Überdies komme nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs eine Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auch deswegen nicht in Betracht, weil das Interesse der Klägerin, sich vor Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, die Bürgschaft rechtfertige. Die vom XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs vertretene Gegenmeinung überzeuge nicht. Wie die Regeln über die Anfechtung von Rechtsgeschäften des Schuldners in der Zwangsvollstreckung und Insolvenz zeigten, seien Vermögensverschiebungen unter Eheleuten nicht nur eine abstrakte Möglichkeit, sondern eine von der Rechtsordnung wahrgenommene, ernsthaft bestehende Gefährdung der Gläubigerinteressen. Wenn ein Gläubiger nach den Grundsätzen der Privatautonomie diesem rechtlich anerkannten Interesse Rechnung trage und sich durch einen Bürgschaftsvertrag einen eigenständigen Zahlungsanspruch gegen den finanzschwachen Ehegatten des Hauptschuldners verschaffe, könne die Rechtsordnung diesem Handeln grundsätzlich nicht das Urteil der Sittenwidrigkeit entgegenhalten.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstöût der Bürgschaftsvertrag der Parteien nach dem streitigen Vorbringen der Beklagten , von dem für die Revisionsinstanz auszugehen ist, gegen die guten Sitten und ist infolgedessen nichtig.
1. Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge regelmäûig entscheidend vom Grad des Miûverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; Senatsurteile vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125 und vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224). Zwar reicht selbst der Umstand, daû der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft tragen kann, regelmäûig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten , daû er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kre-
ditgeber dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (st.Rspr., siehe Senatsurteile vom 13. November 2001 aaO S. 126 und vom 4. Dezember 2001 aaO).
2. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, war die Beklagte nach ihrem Vorbringen bei Übernahme der Bürgschaft voraussichtlich nicht in der Lage, die in den Kreditverträgen, welche Anlaû der Höchstbetragsbürgschaftserklärung über 100.000 DM waren, vereinbarten Zinsen aus eigenem pfändbaren Einkommen und/oder Vermögen dauerhaft allein zu tragen. Es spricht deshalb eine von der Klägerin zu widerlegende tatsächliche Vermutung dafür, daû sie die Bürgschaft nur aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen hat.

a) Nach ihren unwidersprochen gebliebenen Angaben verdiente die Beklagte bei Übernahme der Bürgschaft im März 1994 als teilzeitbeschäftigte Lehrerin lediglich 1.470 DM netto im Monat. Dieses Einkommen war unter Berücksichtigung ihrer Unterhaltspflicht gegenüber ihrem damals sieben Jahre alten Sohn unpfändbar (§ 850 c Abs. 1 ZPO). Ihren Einkünften aus der Vermietung eines Mehrfamilienhauses in Höhe von 1.232,50 DM monatlich standen nach ihrem streitigen Vorbringen Aufwendungen von 2.143 DM für Zinsen und Tilgung des angeblich mit rund 300.000 DM valutierenden Hypothekendarlehens gegenüber. Diese Aufwendungen waren, wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, notwendig , um die Mieteinnahmen erzielen zu können. Daû von den Aufwendungen weniger als 1.232,50 DM monatlich auf Zinsen entfielen, ist nicht festgestellt und angesichts der Höhe des Hypothekendarlehens auch nicht ersichtlich. Nach dem Vorbringen der Beklagten ist vielmehr
davon auszugehen, daû von ihren Mieteinnahmen nicht einmal ein Teil zur Bedienung der laufenden Zinsen aus der verbürgten Darlehenssumme von 100.000 DM zur Verfügung stand. Die Annahme des Berufungsgerichts , die Beklagte sei mit Hilfe ihres Arbeitseinkommens und ihrer Mieteinnahmen in der Lage, Vermögensbildung zu betreiben, entbehrt danach jeder Grundlage.

b) Auch über pfändbares Vermögen, das bei der Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen wäre, verfügt die Beklagte nach ihren Angaben nicht. Ihr Mehrfamilienhausgrundstück hat nach ihrem unter Beweis gestellten Vorbringen, dem das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, verfahrensfehlerhaft nicht nachgegangen ist, lediglich einen Verkehrswert von 300.000 DM und ist wertausschöpfend belastet. Diese Belastung ist bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Bürgen zu berücksichtigen. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei älteren Entscheidungen zwar die gegenteilige Ansicht vertreten (BGH, Urteile vom 7. März 1996 - IX ZR 43/95, WM 1996, 766, 768 und vom 13. November 1997 - IX ZR 289/96, WM 1998, 67, 69, insoweit in BGHZ 137, 153 ff. nicht abgedruckt). Diese Ansicht ist angesichts der jetzt auch vom IX. Zivilsenat geteilten Auffassung, daû sich die Wirksamkeit einer Bürgschaft nur nach der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen richtet (BGHZ 146, 37, 43 f.; BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 298/98, WM 2000, 410, 412), aber überholt. Nach dieser neuen Rechtsprechung ist es allein folgerichtig, das verbürgte Risiko nur um den im Einzelfall effektiv verfügbaren Sicherungswert des mitverhafteten dinglichen Vermögens zu mindern, also valutierende dingliche Belastungen vermögensmindernd zu berücksichti-
gen. Deren Nichtberücksichtigung widerspräche auch der banküblichen Praxis und würde insbesondere bei wertausschöpfenden dinglichen Belastungen dazu führen, daû ein Bürge als finanziell leistungsfähig behandelt werden müûte, obwohl er dies ersichtlich nicht ist (Nobbe /Kirchhof BKR 2001, 1, 9 f.). An der vorgenannten älteren Rechtsprechung des IX. Zivilsenats kann deshalb nicht festgehalten werden. Zu dieser Änderung der Rechtsprechung ist der erkennende Senat ohne Anrufung des Groûen Senats für Zivilsachen gemäû § 132 GVG in der Lage, da er nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs seit dem 1. Januar 2001 an Stelle des IX. Zivilsenats für Bürgschaftssachen zuständig ist.

c) Aus der maûgeblichen Sicht eines rational handelnden Kreditinstituts war bei Hereinnahme der Bürgschaft im März 1994 auch mit einer alsbaldigen wesentlichen und dauerhaften Verbesserung der Einkommens - und Vermögensverhältnisse der Beklagten nicht zu rechnen. Angesichts des Alters des von ihr betreuten Sohnes von sieben Jahren erschien eine ganztätige berufliche Tätigkeit der Beklagten in naher Zukunft vielmehr eher unwahrscheinlich. Daû sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse günstiger entwickelt hätten, als dies bei Übernahme der Bürgschaft zu erwarten war, ist weder substantiiert vorgetragen noch festgestellt, so daû sich die von der Revisionserwiderung erörterte Streitfrage, ob auch die finanzielle Situation des Bürgen bei Eintritt des Bürgschaftsfalles bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit Berücksichtigung finden muû, nicht stellt.
3. Anders als das Berufungsgericht unter Berufung auf die Rechtsprechung des vormals für das Bürgschaftsrecht zuständigen IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs angenommen hat, ändert auch ein Interesse des Gläubigers, sich vor Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, an der Sittenwidrigkeit einer den bürgenden Ehegatten finanziell kraû überfordernden Bürgschaft nichts. Überdies hat das Berufungsgericht übersehen, daû eine Klage gegen einen kraû finanziell überforderten bürgenden Ehegatten auch nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats - als derzeit unbegründet - abzuweisen ist, wenn eine Vermögensverschiebung - wie hier - nicht stattgefunden hat (BGHZ 128, 230, 235 f.; 134, 325, 328 ff.; BGH, Urteil vom 25. November 1999 - IX ZR 40/98, WM 2000, 23, 25).

a) Wie der erkennende Senat bereits in seinem Vorlagebeschluû vom 29. Juni 1999 an den Groûen Senat für Zivilsachen (XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558) ausgeführt hat, rechtfertigt allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen, ein unbeschränktes Mithaftungsbegehren nicht. Ohne besondere, vom Kreditgeber darzulegende und notfalls zu beweisende Anhaltspunkte kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daû eine kraû überfordernde Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme inhaltlich von vornherein nur eine erhebliche Vermögensverlagerung zwischen Hauptschuldner und Sicherungsgeber verhindern soll. Eine solche Vereinbarung, die der Personalsicherheit einen ganz besonderen Sinn verleiht, ist keineswegs üblich oder den auûerhalb der Vertragsurkunde liegenden Umständen zu entnehmen. Wer unter Berufung auf den wirklichen Willen verständiger Vertragsparteien eine solche einschränkende Auslegung der Bürgschaft
oder Mithaftungsabrede vornimmt, setzt sich daher über allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze hinweg und verstöût überdies gegen das Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion formularmäûiger Bürgschafts - oder Mithaftungsverträge. Nimmt der Kreditgeber den Betroffenen - wie hier - in Anspruch, ohne auch nur ansatzweise zu behaupten, daû und in welchem Umfang eine im Verhältnis zur Kreditsumme erhebliche Vermögensverschiebung stattgefunden hat, so zeigt auch dieses im Rahmen der Vertragsauslegung zu berücksichtigende nachvertragliche Verhalten (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 16. Oktober 1997 - IX ZR 164/96, WM 1997, 2305, 2306 m.w.Nachw.), daû die Annahme einer stillschweigend getroffenen Haftungsbeschränkung nicht gerechtfertigt ist.

b) Diese Auffassung wird inzwischen im Grundsatz auch vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs geteilt. Er sieht sich jedoch daran gehindert, die von ihm für die Zukunft anerkannten Grundsätze auch auf Bürgschaftsverträge aus der Zeit vor dem 1. Januar 1999 anzuwenden (Urteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2329 f.), weil für die Kreditinstitute nicht hinreichend klar gewesen sei, inwieweit sie ihr Interesse an einem möglichst wirksamen Schutz vor Vermögensverschiebungen über die bloûe Hereinnahme einer Bürgschaft hinaus durch geeignete vertragliche Regelungen absichern muûten. Dieser differenzierenden Betrachtungsweise vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschlieûen.
Dabei kann offenbleiben, ob und inwieweit das Vertrauen einer Prozeûpartei in den Fortbestand höchstrichterlicher Rechtsprechung
überhaupt schutzwürdig ist (siehe dazu Schimansky WM 2001, 1889 ff. m.w.Nachw.). Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es hier nicht entscheidend an, weil sich bei einem vernünftigen Gläubiger kein für einen etwaigen Dispositionsschutz unerläûliches Vertrauen bilden konnte. Der Gesichtspunkt der Verhinderung von Vermögensverschiebungen des Hauptschuldners als ein die Sittenwidrigkeit vermeidendes Moment ist erstmals als Reaktion auf die Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1993 (BVerfGE 89, 214, 229 ff.) und 5. August 1994 (BVerfG NJW 1994, 2749) vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs berücksichtigt worden (vgl. BGHZ 128, 230, 234 f.; 132, 328, 331; 134, 325, 327 f.). Er hat dabei ausdrücklich der abweichenden Rechtsprechung des XI. Zivilsenats (BGHZ 120, 272, 278 f. und Urteil vom 22. Januar 1991 - XI ZR 111/90, WM 1991, 313, 315) widersprochen. Der XI. Zivilsenat hat auch in der Folgezeit stets daran festgehalten , daû allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen , ein wirtschaftlich sinnloses Mithaftungsbegehren des Kreditgebers grundsätzlich nicht rechtfertigt (BGHZ 134, 42, 49; 135, 66, 69; Vorlagebeschluû vom 29. Juni 1999 - XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558). Von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Berücksichtigungsfähigkeit des Schutzinteresses des Gläubigers vor Vermögensverschiebungen ohne eine ausdrückliche Beschränkung von Bürgschaften auf diesen Zweck konnte daher keine Rede sein (Vorlagebeschluû des erkennenden Senats vom 29. Juni 1999 - XI ZR 10/98, aaO S. 1558 f.; siehe auch Schimansky aaO S. 1892).

III.



Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil insbesondere tatrichterliche Feststellungen zum Wert des Mehrfamilienhauses der Beklagten , der Valutierung des Hypothekendarlehens und zu den monatlichen Zins- und Tilgungslasten der Beklagten bei Abschluû des Bürg-
schaftsvertrages fehlen. Zur weiteren Sachaufklärung war die Sache deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 81/01 Verkündet am:
14. Mai 2002
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
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Ein Interesse des Kreditgebers, sich durch einen an sich wirtschaftlich sinnlosen
Bürgschafts- oder Mithaftungsübernahmevertrag vor Vermögensverschiebungen
zwischen Eheleuten zu schützen, vermag die Sittenwidrigkeit
grundsätzlich nur bei einer ausdrücklichen Haftungsbeschränkung zu vermeiden.
Das gilt auch für eine vor dem 1. Januar 1999 übernommene Bürgschaft
(Aufgabe von BGH WM 1998, 2327, 2329 f.).
BGH, Urteil vom 14. Mai 2002 - XI ZR 81/01 - OLG Dresden
LG Dresden
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und
die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Müller und Dr. Wassermann

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Januar 2001 aufgehoben und das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 24. April 1998 abgeändert.
Die Klage wird uneingeschränkt abgewiesen.
Die Anschlußrevision der Klägerin wird nicht angenommen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Bürgschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Vertrag vom 25. Juli 1995 verbürgte sich die Beklagte - Mutter von zwei Kindern und von Beruf Architektin - gegenüber der klagenden Sparkasse bis zum Höchstbetrag von 9,86 Millionen DM. Hauptschuldnerin war die K. GmbH & Co. KG. Deren einziger Kommanditist und alleiniger Gesellschafter der Komplementärin war der Ehemann der Beklagten.
Die Beklagte war früher kaufmännische Angestellte bei der Hauptschuldnerin und bezog von Januar bis mindestens Ende August 1995 als Geschäftsführerin der K. GmbH ein monatliches Bruttogehalt von 6.500 DM. Bei Abgabe der Bürgschaftserklärung war sie Miteigentümerin eines mit Grundschulden in Höhe von 800.000 DM belasteten Grundstücks zu ein halb und zusammen mit ihrem Ehemann Mitinhaberin eines Bankguthabens über rund 20.000 DM. Außerdem besaß sie eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von ca. 8.000 DM.
Am 1. September 1996 wurde über das Vermögen der KG das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Im selben Monat kündigte die Klägerin daraufhin die ausgereichten Geschäftskredite über insgesamt 18.276.968,55 DM fristlos und nahm die Beklagte aus dem Bürgschaftsvertrag in Anspruch. Mit der vorliegenden Klage macht sie einen Teilbetrag von 500.000 DM geltend. Die Beklagte hält dem entgegen, die Bürgschaft überfordere ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit kraß und sei daher sittenwidrig.
Das Landgericht hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Die Berufungen beider Parteien sind erfolglos geblieben. Mit der Revision der Beklagten und der unselbständigen Anschluûrevision der Klägerin verfolgen die Parteien ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur uneingeschränkten Abweisung der Klage.
1. Das Berufungsgericht hat den Bürgschaftsvertrag für wirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die Bürgschaft der Beklagten verstoûe nicht gegen die guten Sitten. Allerdings sei sie durch die Haftung bis zum Höchstbetrag von 9,86 Millionen DM von Anfang an finanziell in krasser Weise überfordert worden. Mit der Teilinhaberschaft an dem Bankguthaben über rund 20.000 DM und ihrer Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von ca. 8.000 DM habe ihr Gesamtvermögen nicht mehr als rund 18.000 DM betragen. Der Miteigentumsanteil der Beklagten an einem Grundstück ändere daran nichts, da er wertausschöpfend belastet gewesen sei. Das monatliche Bruttoeinkommen von 6.500 DM als Geschäftsführerin der K. GmbH habe nicht einmal zur vertragsgemäûen Zahlung der laufenden Zinsen der verbürgten Verbindlichkeiten ausgereicht. Die bei einer kras-
sen finanziellen Überforderung bestehende tatsächliche Vermutung, daû die Beklagte die Bürgschaft nur aus persönlicher Verbundenheit zu ihrem Ehemann, dem wirtschaftlichen Eigentümer der Hauptschuldnerin, übernommen habe, habe die Klägerin nicht entkräftet.
Gleichwohl sei der Bürgschaftsvertrag bei Würdigung aller Umstände nicht als sittenwidrig einzustufen. Da die Klägerin die Beklagte weder überrumpelt noch Aufklärungspflichten verletzt habe, rechtfertige das Interesse des Gläubigers, sich vor Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, auch die Hereinnahme einer im übrigen wirtschaftlich sinnlosen Personalsicherheit. Daû sich die Hauptschuldnerin schon seit mehreren Jahren in der Gesamtvollstreckung befinde, ändere nichts, weil weiterhin die - wenngleich vorläufig nicht naheliegende - Gefahr bestehe, daû der Ehemann der Beklagten als weiterer Bürge der Klägerin Vermögensverlagerungen vornehme. Da es dazu bislang nicht gekommen sei, sei die Klägerin jedoch an der Durchsetzung ihrer Ansprüche aus dem Bürgschaftsvertrag gegen die Beklagte rechtlich gehindert , so daû das Landgericht die Klage zu Recht als derzeit unbegründet abgewiesen habe.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
Die von der Beklagten übernommene Höchstbetragsbürgschaft verstöût in besonders auffälliger Weise gegen die guten Sitten und ist infolgedessen nichtig. Mit seiner gegenteiligen Auffassung hat das Berufungsgericht verkannt, daû ein Interesse des Kreditgebers, sich vor
etwaigen Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, die Sittenwidrigkeit in aller Regel nur dann vermeiden kann, wenn dieser beschränkte Zweck durch eindeutige Erklärungen zum Inhalt der den unterlegenen Vertragsteil sonst kraû überfordernden Bürgschaft oder Mithaftungsabrede gemacht worden ist.

a) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Ansicht des Berufungsgerichts , die Beklagte werde durch die Übernahme einer Höchstbetragsbürgschaft von 9,86 Millionen DM finanziell kraû überfordert.
aa) Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs liegt eine solche Überforderung des Bürgen oder Mitverpflichteten bei nicht ganz geringen Bankschulden grundsätzlich vor, wenn er voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens und Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalls dauerhaft tragen kann. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ohne Hinzutreten weiterer Umstände - widerleglich zu vermuten, daû der dem Hauptschuldner persönlich nahestehende Bürge oder Mithaftende die für ihn ruinöse Personalsicherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (BGHZ 136, 346, 351; 146, 37, 42; BGH, Urteile vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 411; vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 126 und vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224).

bb) Die Beklagte war nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts bei Abgabe der Bürgschaftserklärung im Juli 1995 ersichtlich nicht einmal annähernd in der Lage, die laufenden Zinsen für die verbürgte Hauptschuld über 9,86 Millionen DM aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens und Vermögens zu tragen. Ihr Gehalt als Geschäftsführerin der K. GmbH von monatlich 6.500 DM brutto reichte dazu bei weitem nicht aus. Eigenes verwertbares Vermögen war nur in Höhe von rund 18.000 DM vorhanden. Das wertausschöpfend belastete Grundeigentum der Beklagten hat das Berufungsgericht zu Recht nicht berücksichtigt (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tage - XI ZR 50/01).
cc) Die danach bestehende Vermutung, daû sich die Beklagte bei Übernahme der ruinösen Bürgschaft von ihrer emotionalen Bindung an ihren Ehemann, den wirtschaftlichen Alleineigentümer der Hauptschuldnerin , hat leiten lassen, hat das Berufungsgericht zu Recht nicht als entkräftet angesehen. Daû die Beklagte zunächst bei der Hauptschuldnerin angestellt, geschäftlich nicht unerfahren war und als Vertreterin ihres Ehemannes an Gesprächen zur Sanierung der Hauptschuldnerin teilgenommen hat, fällt entgegen der Ansicht der Klägerin als Beweisanzeichen nicht entscheidend ins Gewicht. Auch erfahrene und geschäftsgewandte Personen können aus emotionaler Verbundenheit zu ihrem Ehegatten Verbindlichkeiten eingehen, die sie finanziell kraû überfordern (BGH, Urteile vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 413 und vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 127).

b) Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht aber, soweit es unter Berufung auf die Rechtsprechung des vormals für das Bürgschaftsrecht zuständigen IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ein Interesse der kreditgebenden Bank, sich vor Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, angenommen und mit Rücksicht darauf die Sittenwidrigkeit der die Beklagte kraû überfordernden Bürgschaft verneint hat.
aa) Wie der erkennende Senat bereits in seinem Vorlagebeschluû vom 29. Juni 1999 an den Groûen Senat für Zivilsachen (XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558) ausgeführt hat, rechtfertigt allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen, ein unbeschränktes Mithaftungsbegehren nicht. Ohne besondere, vom Kreditgeber im einzelnen darzulegende und notfalls zu beweisende Anhaltspunkte kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daû eine kraû überfordernde Bürgschafts- oder Mithaftungsübernahme inhaltlich von vornherein nur eine erhebliche Vermögensverlagerung zwischen Hauptschuldner und Sicherungsgeber verhindern soll. Eine solche Vereinbarung, die der Personalsicherheit einen ganz besonderen Sinn verleiht, ist keineswegs üblich oder den auûerhalb der Vertragsurkunde liegenden Umständen zu entnehmen. Wer unter Berufung auf den wirklichen Willen verständiger Vertragsparteien eine solche einschränkende Auslegung der Bürgschaft oder Mithaftungsabrede vornimmt, setzt sich daher über allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze hinweg und verstöût überdies gegen das Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion formularmäûiger Bürgschafts - oder Mithaftungsverträge. Nimmt der Kreditgeber den Betroffenen - wie hier - in Anspruch, ohne auch nur ansatzweise zu behaupten,
daû und in welchem Umfang eine im Verhältnis zur Kreditsumme erhebliche Vermögensverschiebung stattgefunden hat, so zeigt auch dieses im Rahmen der Vertragsauslegung zu berücksichtigende nachvertragliche Verhalten (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 16. Oktober 1997 - IX ZR 164/96, WM 1997, 2305, 2306 m.w.Nachw.), daû die Annahme einer stillschweigend getroffenen Haftungsbegrenzung nicht gerechtfertigt ist.
bb) Diese Auffassung wird inzwischen im Grundsatz auch vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs geteilt. Er sieht sich jedoch daran gehindert, die von ihm für die Zukunft anerkannten Grundsätze auch auf Bürgschaftsverträge aus der Zeit vor dem 1. Januar 1999 anzuwenden (BGH, Urteil, vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2329 f.), weil für die Kreditinstitute nicht hinreichend klar gewesen sei, inwieweit sie ihr Interesse an einem möglichst wirksamen Schutz vor Vermögensverschiebungen über die bloûe Hereinnahme einer Bürgschaft hinaus durch geeignete vertragliche Regelungen absichern muûten. Dieser differenzierenden Betrachtungsweise vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschlieûen.
Dabei kann offenbleiben, ob und inwieweit das Vertrauen einer Prozeûpartei in den Fortbestand höchstrichterlicher Rechtsprechung überhaupt schutzwürdig ist (siehe dazu Schimansky WM 2001, 1889 ff. m.w.Nachw.). Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es hier nicht entscheidend an, weil sich bei einem vernünftigen Gläubiger kein für einen etwaigen Dispositionsschutz unerläûliches Vertrauen bilden konnte. Der Gesichtspunkt der Verhinderung von Vermögensverschiebungen des Hauptschuldners als ein die Sittenwidrigkeit vermeidendes Moment ist
erstmals als Reaktion auf die Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1993 (BVerfGE 89, 214, 229 ff.) und 5. August 1994 (BVerfG NJW 1994, 2749 f.) vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs berücksichtigt worden (vgl. BGHZ 128, 230, 234 f.; 132, 328, 331; 134, 325, 327 f.). Er hat dabei ausdrücklich der abweichenden Rechtsprechung des XI. Zivilsenats (BGHZ 120, 272, 278 f. und Urteil vom 22. Januar 1991 - XI ZR 111/90, WM 1991, 313, 315) widersprochen. Der XI. Zivilsenat hat auch in der Folgezeit stets daran festgehalten , daû allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen , ein wirtschaftlich sinnloses Mithaftungsbegehren des Kreditgebers grundsätzlich nicht rechtfertigt (BGHZ 134, 42, 49; 135, 66, 69; Vorlagebeschluû vom 29. Juni 1999 - XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558). Von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Berücksichtigungsfähigkeit des Interesses des Gläubigers, sich vor Vermögensverschiebungen zu schützen, ohne eine ausdrückliche Beschränkung von Bürgschaften auf diesen Zweck konnte daher keine Rede sein (Vorlagebeschluû des erkennenden Senats vom 29. Juni 1999 - XI ZR 10/98, aaO S. 1558 f.; siehe auch Schimansky aaO S. 1892).
Die Beurteilung der Sittenwidrigkeit der von der Beklagten im Juli 1995 übernommenen Bürgschaft hat danach nach denselben Kriterien zu erfolgen wie die eines nach dem 1. Januar 1999 abgeschlossenen Bürgschaftsvertrages. An der abweichenden Rechtsprechung des IX. Zivilsenats kann deshalb nicht festgehalten werden. Zu dieser Änderung der Rechtsprechung ist der erkennende Senat ohne Anrufung des Groûen Senats für Zivilsachen gemäû § 132 GVG in der Lage, da er nach dem
Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs seit dem 1. Januar 2001 an Stelle des IX. Zivilsenats für Bürgschaftssachen zuständig ist.

c) Auf die Revision der Beklagten war das Berufungsurteil daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.) und die Klage uneingeschränkt abzuweisen.

II.


Die Annahme der unselbständigen Anschluûrevision der Klägerin war abzulehnen. Sie hat weder Aussicht auf Erfolg noch grundsätzliche Bedeutung (§ 554 b ZPO a.F.). Prozeûrechtliche Bedenken gegen die Ablehnung der Annahme der Anschluûrevision durch Urteil nach mündlicher Verhandlung bestehen nicht (Senatsurteile vom 29. September 1992 - XI ZR 265/91, NJW 1992, 3225, 3227 und vom 14. März 2000 - XI ZR 14/99, WM 2000, 1057, 1058). Die Entscheidung muû nicht in einem vorgeschalteten Beschluûverfahren getroffen werden.
Nobbe Siol Bungeroth
Müller Wassermann

Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.