vorgehend
Landgericht Berlin, 37 O 302/10, 23.05.2011
Kammergericht, 7 U 145/11, 16.03.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 85/12 Verkündet am:
12. Juli 2013
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Das Gericht darf die in einem anderen Verfahren protokollierten Aussagen der benannten
Zeugen im Wege des Urkundenbeweises verwerten. Es muss die Zeugen
aber selbst vernehmen, wenn eine Partei das beantragt.

a) Die Begrünung einer Teilfläche eines privaten Hinterhofs kann eine Inanspruchnahme
für eine Verwaltungsaufgabe sein, wenn die zuständigen staatlichen Stellen
vor dem 3. Oktober 1990 die Sachherrschaft über den begrünten Teil eines
solchen Hinterhofs ausgeübt und diesen für einen Außenstehenden erkennbar
dem öffentlichen Verkehr geöffnet haben, dieser tatsächlich als solcher wahrgenommen
worden ist und dieser Zustand heute noch besteht.

b) Ein Ankaufsanspruch des öffentlichen Nutzers besteht bei einer öffentlichen Nutzung
in einem privaten Hinterhof in entsprechender Anwendung von § 1 Abs. 1
Satz 5 VerkFlBerG nur, wenn die öffentliche Nutzung die private am 3. Oktober
1990 überwog und nach wie vor überwiegt.
BGH, Urteil vom 12. Juli 2013 - V ZR 85/12 - KG Berlin
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Juli 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann und die
Richter Dr. Lemke, Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, Dr. Czub und Dr. Kazele

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Kammergerichts vom 16. März 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Das klagende Land (Kläger) verlangt die Feststellung, zum Ankauf einer etwa 350 m² großen Fläche im Hinterhof des Grundstücks der Beklagten im Bezirk Pankow von Berlin nach Maßgabe des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes (VerkFlBerG) zu dem danach für Verkehrsflächen vorgesehenen Ankaufspreis berechtigt zu sein. Diese Fläche gehört zu einer begrünten Anlage. Darin befinden sich neben Gartenanlagen und Wegen ein Kinderspielplatz, eine Tischtennisplatte und eine Hirschskulptur, nach der die Anlage Hirschhof genannt wird. Der Innenhof ist von 1982 an unter zwischen den Beteiligten streitigen Umständen in Abstimmung mit den Bewohnern, Eigentümern und der Stadtbezirksverwaltung gestaltet und begrünt worden. Er war zumindest über einen langen Zeitraum öffentlich zugänglich. Verhandlungen über den Ab- schluss eines Nutzungsvertrags scheiterten, weil sich der Kläger nicht zum Abschluss der von ihm selbst vorgeschlagenen Vereinbarung entschließen konnte. Am 22. März 2007 beantragte der Kläger die Einleitung eines notariellen Vermittlungsverfahrens , das wegen des Widerstands der Beklagten keinen Erfolg hatte. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat ihr stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision möchten die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage erreichen. Der Kläger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I.

2
Das Berufungsgericht hält den Kläger für berechtigt, die Fläche nach Maßgabe des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes zu dem für Verkehrsflächen vorgesehenen Preis anzukaufen. Der Hirschhof werde öffentlich genutzt. Er sei auf Initiative und mit Mitteln der früheren Stadtbezirksverwaltung errichtet worden. Davon sei es auf Grund der urkundenbeweislich verwerteten Aussagen von Zeugen in einem Parallelverfahren gegen die Eigentümer des benachbarten Hinterhofs und auf Grund des Urteils des OVG Berlin-Brandenburg vom 29. September 2011 (OVG 11 B 31.10, juris) in einem Rechtstreit über die Frage , ob es sich bei dem Hinterhof um eine Grünanlage im Sinn des Berliner Grünanlagengesetzes handelt, überzeugt. Die Begrünung des Hinterhofs sei auch nicht nur den Bewohnern der anliegenden Häuser zugutegekommen, sondern der Öffentlichkeit. Es handele sich um eine öffentliche Grünanlage, die als Verkehrsanlage gelte, und nicht um eine anders öffentlich genutzte Fläche. Die öffentliche Nutzung des Hinterhofs sei schließlich nicht anderweitig rechtlich abgesichert.

II.

3
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
4
1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Der Kläger kann von den Beklagten nach § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 2 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 VerkFlBerG den Verkauf der begrünten Teilfläche auf dem Grundstück der Beklagten zu dem ermäßigten Preis für Verkehrsflächen nur verlangen, wenn diese Teilfläche vor dem 3. Oktober 1990 für eine Verwaltungsaufgabe tatsächlich in Anspruch genommen worden ist und dieser Verwaltungsaufgabe immer noch dient. Das hat das Berufungsgericht festgestellt.
5
2. Diese Feststellung vermag das Urteil aber nicht zu tragen, weil sie verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist.
6
a) Das Berufungsgericht hat gegen den in § 355 Abs. 1 Satz 1 ZPO bestimmten Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen, indem es nur die in einem anderen Verfahren protokollierten Aussagen der von dem Kläger benannten Zeugen urkundenbeweislich verwertet, die Zeugen aber nicht selbst vernommen hat.
7
aa) Die Verwertung der Niederschrift einer Zeugenaussage aus einem anderen Verfahren im Wege des Urkundenbeweises ist zwar grundsätzlich zulässig (BGH, Urteile vom 14. Juli 1952 - IV ZR 25/52, BGHZ 7, 116, 121 f. und vom 9. Juni 1992 - VI ZR 215/91, NJW-RR 1992, 1214, 1215; Senat, Beschluss vom 17. November 2005 - V ZR 68/05, juris). Sie setzt die Zustimmung der Parteien nicht voraus (BGH, Urteil vom 19. April 1983 - VI ZR 253/81, VersR 1983, 667, 668). Auch der Widerspruch einer Partei gegen die Verwertung einer protokollierten Aussage steht deren Auswertung im Wege des Urkundenbeweises nicht entgegen (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1969 - VI ZR 128/68, VersR 1970, 322, 323).
8
bb) Unzulässig wird die Verwertung der früheren Aussagen der benannten Zeugen im Wege des Urkundenbeweises anstelle von deren Vernehmung im anhängigen Verfahren aber dann, wenn eine Partei zum Zwecke des unmittelbaren Beweises die Vernehmung dieses Zeugen beantragt (BGH, Urteile vom 14. Juli 1952 - IV ZR 25/52, BGHZ 7, 116, 122, vom 9. Juni 1992 - VI ZR 215/91, NJW-RR 1992, 1214, 1215, vom 13. Juni 1995 - VI ZR 233/94, VersR 1995, 1370, 1371 und vom 30. November 1999 - VI ZR 207/98, NJW 2000, 1420, 1421 f.; Senat, Beschluss vom 17. November 2005 - V ZR 68/05, juris). Einen solchen Antrag haben die Beklagten gestellt. Diesen Antrag durfte das Berufungsgericht nicht als verspätet zurückweisen. Er betraf kein neues Angriffs - oder Verteidigungsmittel der Beklagten, sondern die Verwertung der Aussagen der von dem beweispflichtigen Kläger rechtzeitig benannten Zeugen. Deren Vernehmung durch das Berufungsgericht hatten die Beklagten auch nicht erst in der mündlichen Verhandlung beantragt, sondern schon in der Berufungserwiderung. Darin hatten sie sich gegen die Verwertung der in dem anderen Verfahren protokollierten Aussagen der Zeugen mit der Begründung gewandt , sie widerspreche dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme ; außerdem könne das Berufungsgericht ohne „Ansehung der Zeugen“ deren Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage nicht bewerten. Das ist in der Sache ein Antrag auf Vernehmung der Zeugen durch das Berufungsgericht , der als solcher auch klar zu erkennen war. Wollte das Berufungsgericht das anders sehen, musste es die Beklagten darauf hinweisen (vgl. Senat , Beschluss vom 17. November 2005 - V ZR 68/05, juris), was vor der mündlichen Verhandlung nicht geschehen ist. Anders als das Berufungsgericht meint, mussten die Beklagten nicht darlegen, dass und weshalb den protokollierten Aussagen der Zeugen nicht gefolgt werden kann. Die Parteien haben nach §§ 355, 373 ZPO einen gesetzlichen Anspruch auf eine mit den Garantien des Zeugenbeweises ausgestattete Vernehmung (BGH, Urteil vom 14. Juli 1952 - IV ZR 25/52, BGHZ 7, 116, 122). Diesen Anspruch macht das Gesetz wegen der offenkundigen Schwächen der urkundenbeweislichen Verwertung von Zeugenaussagen - fehlender persönlicher Eindruck von den Zeugen, fehlende Möglichkeit , Fragen zu stellen und Vorhalte zu machen, fehlende Möglichkeit der Gegenüberstellung (BGH, Urteil vom 30. November 1999 - IV ZR 207/98, NJW 2000, 1420, 1421) - nicht von der näheren Darlegung von Gründen abhängig.
9
b) Von der Vernehmung der Zeugen durfte das Berufungsgericht auch nicht im Hinblick auf die Beweiskraft des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. September 2011 (OVG 11 B 31.10, juris) absehen.
10
aa) Dieses Urteil - das sich zudem nicht mit den Voraussetzungen eines Ankaufsrechts nach dem Verkehrsflächenbereinigungsgesetz, sondern mit der Anwendbarkeit des Berliner Grünflächengesetzes (vom 24. November 1997, GVBl. Bln 1997 S. 612 - GrünAnlG) befasst - ist zwar eine öffentliche Urkunde, die eine Entscheidung enthält. Sie erbringt nach § 417 ZPO auch vollen Beweis ihres Inhalts. Die Beweiskraft des Urteils beschränkt sich aber auf den Urteilsausspruch und erfasst weder den Tatbestand noch die Entscheidungsgründe. Beide enthalten nicht die Entscheidung, um deren Beweis es in der Vorschrift des § 417 ZPO geht, sondern die Begründung der Entscheidung. Auf diese erstreckt sich die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde über eine Entscheidung weder bei einem Urteil noch bei einer anderen Entscheidung einer öffentlichen Stelle (BGH, Urteil vom 27. August 1963 - 5 StR 260/63, BGHSt 19, 87, 88; OLG Neustadt/Weinstraße, NJW 1964, 2162, 2163; OLG Frankfurt/Main, NStZ 1996, 234, 235; OLG Brandenburg, Urteil vom 21. Juli 2006 - 7 U 40/06, juris Rn. 9; MünchKomm-ZPO/Schreiber, 4. Aufl., § 417 Rn. 6).
11
bb) Die Beweiskraft ergibt sich auch nicht aus § 418 ZPO. Zwar kann der Tatbestand eines Gerichtsurteils nach dieser Vorschrift Beweiskraft entfalten (MünchKomm-ZPO/Schreiber, 4. Aufl., § 418 Rn. 6); beispielsweise wird durch die Aufnahme von Zeugenaussagen in den Tatbestand ein vollgültiges Zeugnis des Gerichts über die vor ihm erstatteten Aussagen hergestellt (RGZ 149, 312, 316). Einer Verwertung der in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts enthaltenen Aussagen stünde im Hinblick auf den Antrag der Beklagten, die maßgeblichen Zeugen vor dem Prozessgericht zu hören, aber wiederum der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 355 ZPO) entgegen. Zudem stützt sich das Berufungsgericht nicht auf Tatbestandselemente des Urteils, sondern auf die Entscheidungsgründe, d.h. auf die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das Gericht. Dieser kommt jedoch keine Beweiskraft nach § 418 ZPO zu.
12
c) Das Berufungsurteil beruht auf dem Verfahrensfehler bei der Vernehmung der Zeugen und auf der Verkennung der Beweiskraft des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einem anderen Beweisergebnis gelangt wäre, hätte es die fehlende Beweiskraft des Urteils erkannt und die Zeugen selbst vernommen. Das Urteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).

III.

13
Eine eigene Entscheidung ist dem Senat mangels verwertbarer Feststellungen nicht möglich. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
14
1. Die Begrünung der Teilfläche eines privaten Hinterhofs kann eine tatsächliche Inanspruchnahme für eine Verwaltungsaufgabe im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkFlBerG sein.
15
a) Die Schaffung von Grünflächen zur Erholung und Entspannung gehört als eine mögliche Form der Daseinsvorsorge zu den Verwaltungsaufgaben jedenfalls der Kommunen und der ihnen entsprechenden Verwaltungsgliederungen der Stadtstaaten.
16
b) Anders als die Beklagten meinen, kommt es weder für die Frage, ob die Innenhoffläche vor dem 3. Oktober 1990 als Verkehrsfläche in der Form einer öffentlichen Grünanlage im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VerkFlBerG tatsächlich in Anspruch genommen worden ist, noch für die Frage, ob die Hoffläche diesem Zweck weiterhin dient, auf eine förmliche Widmung als Grünanlage oder für einen anderen öffentlichen Zweck an.
17
aa) Auf eine förmliche Widmung gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GrünAnlG kann es für die tatsächliche Inanspruchnahme der Hoffläche schon deshalb nicht ankommen , weil diese vor dem 3. Oktober 1990 durch die Dienststellen der DDR erfolgt sein muss, für die dieses Gesetz seinerzeit nicht galt. Eine solche förmliche Widmung ist aber auch für die Frage ohne Bedeutung, ob die Hoffläche einem öffentlichen Zweck, dem sie damals möglicherweise zugeführt worden ist, noch dient. Die Widmung einer Grünfläche als Grünanlage gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GrünAnlG, die das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 29. September 2011 (11 B 31.10, juris) für die Grünfläche im Hirschhof verneint hat, ist nur dafür erheblich, ob die Bezirke von Berlin hierfür Schutz- und Pflegepläne aufzustellen haben (§ 4 GrünAnlG), ob das Land Berlin die Verkehrssicherungspflicht hat (§ 5 GrünAnlG) und ob die Verhaltensvorschriften des § 6 GrünAnlG gelten, deren Nichteinhaltung nach § 7 GrünAnlG einen Ordnungswidrigkeitentatbestand verwirklicht. Die Anwendung des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes hängt davon nicht ab.
18
bb) Auch auf eine förmliche Widmung zu einem anderen öffentlichen Zweck kommt es nicht an. Den Beklagten ist allerdings zuzugeben, dass das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz in § 2 Abs. 2 Nr. 1 für Straßen, Wege und Plätze auf die förmliche Widmung abstellt und damit bewusst auch auf die Anforderungen an eine solche Widmung verweist, die die Straßengesetze der Bundesländer dafür bestimmen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks 14/6204 S. 15). Einen ähnlichen Präzisierungsgrad hat die Verweisung auf § 1 Abs. 1 BWaStrG in § 2 Abs. 2 Nr. 2 VerkFlBerG, der die maßgeblichen Bundeswasserstraßen in einer Anlage 1 zu dem Gesetz abschließend aufführt. Für die anderen Verkehrsflächen und insbesondere für Grünanlagen schreibt § 2 Abs. 2 Nr. 5 VerkFlBerG Vergleichbares dagegen nicht vor. Das beruht auf dem Zweck der Vorschrift. Sie soll nicht die Anforderungen an eine tatsächliche Inanspruchnahme für eine Verwaltungsaufgabe vor dem 3. Oktober 1990 im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkFlBerG festlegen. Sie soll vielmehr bestimmen, welche dieser Flächen einer solchen Verwaltungsaufgabe im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkFlBerG heute noch dienen. Dafür sollen bei Straßen, Wegen und Plätze sowie den Wasserstraßen und Eisenbahnlinien die allgemein geltenden Regelungen zur Anwendung kommen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 14/6204 S. 15). Wo es dagegen solche allgemeinen Regelungen nicht gibt, verzichtet der Gesetzgeber auf Förmlichkeiten. So liegt es bei Grünanlagen.
19
c) Für eine tatsächliche Inanspruchnahme der begrünten Fläche im Hinterhof der Beklagten für eine Verwaltungsaufgabe im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkFlBerG genügt allerdings ein, wie es das Berufungsgericht formuliert , „öffentlicher Zugang, mag er auch nicht leicht auffindbar gewesen sein“, nicht. Eine solche Inanspruchnahme setzt vielmehr voraus, dass die zuständi- gen staatlichen Stellen vor dem 3. Oktober 1990 die Sachherrschaft über den begrünten Teil eines solchen Hinterhofs ausgeübt und diesen für einen Außenstehenden erkennbar dem öffentlichen Verkehr geöffnet haben, dass dieser tatsächlich als solcher wahrgenommen worden ist und dass dieser Zustand heute noch besteht.
20
aa) Die Begrünung eines privaten Hinterhofs kommt, auch wenn sie mit öffentlichen Mitteln finanziert worden ist, gewöhnlich weder der Öffentlichkeit insgesamt noch Teilen derselben, sondern allein den Bewohnern der Gebäude zugute, von denen aus der Hinterhof erreicht werden kann. Denn ein solcher Hinterhof ist anderen Interessierten normalerweise nicht zugänglich. Daran änderte es im Grundsatz nichts, wenn die Haustüren oder Hofeinfahrten der angrenzenden Häuser (tagsüber) offen stünden und der Hinterhof deshalb auch von anderen als den Bewohnern dieser Häuser betreten werden könnte. Denn er würde auch dann von jedem Außenstehenden als privates befriedetes Besitztum erkannt, zu dessen Betreten nicht jeder eingeladen ist. Das wäre im Kern nicht anders, wenn die Eigentümer der die Hoffläche umgebenden Häuser den Bewohnern dieser Häuser die Benutzung aller Teile des Innenhofs ohne Rücksicht auf deren Zuordnung zu den Grundstücken gestattet hätten. Denn zur Benutzung eines in diesem Sinne „bewohneröffentlichen“ Innenhofs ist ebenfalls nicht jeder zugelassen, sondern nur, wer zu dem Kreis der Bewohner zählt.
21
bb) Zu einer im Sinne des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes öffentlichen Fläche würde der Innenhof schließlich auch dann nicht, wenn er auf Veranlassung der privaten Eigentümer nicht nur den Nutzern der umgebenden Häuser, sondern ganz allgemein der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden wäre. Er hätte dann zwar einen Nutzen für die Allgemeinheit gewonnen, wäre aber eine private Fläche geblieben. Die Sachherrschaft der privaten Eigentümer hätte unverändert fortbestanden. Es hätte weiterhin allein in ihrem Belieben gestanden , welchen Teilen der Öffentlichkeit sie zu welchen Bedingungen die Hoffläche seinerzeit öffneten und künftig öffnen wollen. Einer solchen privatöffentlichen Nutzung fehlt das entscheidende Element, welcher die öffentliche Nutzung eines privaten Grundstücks zu einer Inanspruchnahme des Grundstücks für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VerkFlBerG werden lässt, die wiederum Voraussetzung für die Anwendung des Gesetzes ist: die öffentliche Sachherrschaft.
22
cc) Es kommt deshalb entscheidend darauf an, ob der Hinterhof vor dem 3. Oktober 1990 nicht notwendig ständig, aber doch in nennenswertem zeitlichem Umfang für die Öffentlichkeit zugänglich war. Ferner musste damals erkennbar sein, dass der Hinterhof kein gewöhnliches befriedetes Besitztum, sondern - etwa im Sinne einer „Stadtoase“ - der Öffentlichkeit allgemein und nicht nur den Bewohnern der umgebenden Häuser zugänglich sein sollte. Er muss weiter seinerzeit tatsächlich in nennenswertem Umfang von der Öffentlichkeit als Erholungs- und Entspannungsort angenommen worden sein. Die Entscheidung darüber, ob und unter welchen Bedingungen der begrünte Teil des Hinterhofs der Öffentlichkeit zugänglich ist, musste schließlich vor dem 3. Oktober 1990 den privaten Grundstückseigentümern aus der Hand genommen worden und dauerhaft auf die zuständigen staatlichen Stellen übergegangen sein. Dieser Zustand muss heute noch bestehen. Andernfalls wäre der Hinterhof damals ein privates Refugium geblieben oder wieder ein solches Refugium geworden, für das ein Ankaufsrecht öffentlicher Nutzer nicht vorgesehen ist und auch nicht gerechtfertigt wäre. Feststellungen dazu fehlen bislang.
23
2. In entsprechender Anwendung von § 1 Abs. 1 Satz 5 VerkFlBerG kommt ein Ankaufsrecht des Klägers ferner nur in Betracht, wenn die öffentliche Nutzung der begrünten Teilfläche des Hinterhofs auf dem Grundstück der Be- klagten am 3. Oktober 1990 die private Nutzung durch die Bewohner der angrenzenden Gebäude überwog.
24
a) Nach § 1 Abs. 1 Satz 5 VerkFlBerG findet das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz nur im Fall überwiegender öffentlicher Nutzung Anwendung, wenn das von dem öffentlichen Nutzer in Anspruch genommene Gebäude oder die bauliche Anlage auch anderen als öffentlichen Zwecken dient. Hier geht es weder um die Nutzung eines Gebäudes noch um die Nutzung einer baulichen Anlage, sondern um die gemischte Nutzung einer privaten Hinterhoffläche. Sie wird vom Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst.
25
b) Auf diese Fallgestaltung ist die Vorschrift aber entsprechend anzuwenden.
26
aa) Die Vorschrift weist eine planwidrige Lücke auf. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass die Inanspruchnahme privater Grundstücke durch öffentliche Nutzer nicht immer zu einer Verdrängung der bestehenden privaten Nutzung auf dem ganzen Grundstück oder auf bestimmten Teilen davon führt. Das Ankaufsrecht soll dann nur bestehen, wenn die öffentliche Nutzung bei wertender Betrachtung überwiegt (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 14/6204 S. 14 zu Satz 3). Nicht erkannt hat der Gesetzgeber indessen, dass es eine solche Mischnutzung nicht nur bei der Inanspruchnahme von Gebäuden und baulichen Anlagen durch den öffentlichen Nutzer geben kann, sondern auch bei der Inanspruchnahme von Flächen. Die Inanspruchnahme einer Fläche durch einen öffentlichen Nutzer wird zwar in der Mehrzahl der Fälle zur Verdrängung der privaten Nutzung führen. Das ist aber gerade dann anders, wenn der öffentliche Nutzer eine Fläche in Anspruch nimmt, die inmitten eines befriedeten privaten Besitztums liegt, und diese der Öffentlichkeit zugänglich macht. Dann besteht die private Nutzung des befriedeten Besitztums unverändert fort; hinzu tritt die - hier allerdings erst noch festzustellende - staatlich veranlasste Nutzung durch die Allgemeinheit.
27
bb) Hätte der Gesetzgeber diese Fallgruppe erkannt, hätte er sie in die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 5 VerkFlBerG aufgenommen oder für sie eine inhaltsgleiche Regelung geschaffen. Das ergibt sich zwingend aus der Begründung , die der Gesetzgeber für diese Regelung gegeben hat. Auf das Überwiegen der öffentlichen Nutzung sollte es wegen der für das Erwerbsrecht der öffentlichen Hand vorgesehenen, „gerade an die öffentliche Nutzung anknüpfenden Preisgestaltung“ ankommen (BT-Drucks. 14/6204 S. 14). Das Besondere dieser Preisgestaltung besteht darin, dass der Ankaufspreis, anders als nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz, nicht die Hälfte, sondern - wegen des Vorwegabzugs von einem Drittel des Bodenwerts gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 VerkFlBerG - im Ergebnis nur ein Drittel des Bodenwerts beträgt (§ 6 VerkFlBerG), und vor allem darin, dass der Ankaufspreis für alle Verkehrsflächen nach § 5 Abs. 1 VerkFlBerG nur ein Fünftel des Bodenwerts beträgt und zudem auf einen von der Gemeindegröße abhängigen Betrag von zwischen 5 €/m² und 15 €/m² begrenzt ist. Zu diesen aus seiner Sicht extrem niedrigen Preisen soll der private Eigentümer sein Land dem öffentlichen Nutzer nur verkaufen müssen, wenn dessen Nutzung überwiegt. Diese Preisgestaltung rechtfertigt sich verfassungsrechtlich mit den Belastungen (Unterhaltungskosten, mangelnder Ertrag) der öffentlichen Hand durch solche Flächen (dazu Senat, Urteil vom 20. Juni 2008 - V ZR 149/07, NJW-RR 2008, 1548, 1550 f. Rn. 16 ff.). Eine entsprechende Belastung kann bei einer gemischten privaten und öffentlichen Nutzung nur angenommen werden, wenn die öffentliche Nutzung überwiegt. In dieser Hinsicht ergeben sich zwischen der gemischten Nutzung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage einerseits und einer begrünten Fläche andererseits keine Unterschiede. Der Gesetzgeber hätte deshalb das Regelungsprinzip des § 1 Abs. 1 Satz 5 VerkFlBerG unterschiedslos auch auf diese Fallgruppe angewandt, hätte er diese als Regelungsproblem erkannt.
28
cc) Für die Beantwortung der Frage nach einem Überwiegen der öffentlichen Nutzung kommt es nicht auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Ankaufsverlangens , sondern auf die Verhältnisse am 3. Oktober 1990 an (Senat, Urteil vom 6. Oktober 2006 - V ZR 138/05, LKV 2007, 190 Rn. 8). Diese überwiegende öffentliche Nutzung muss auch heute noch gegeben sein. Andernfalls diente das Grundstück nicht mehr im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkFlBerG der Verwaltungsaufgabe. Zu beidem hat das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - bislang keine Feststellungen getroffen. Sie werden nachzuholen sein.
29
3. In der neuen Verhandlung wird auch die rechtliche Einordnung der begrünten Fläche als öffentliche Grünanlage im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 5 VerkFlBerG oder als andere begrünte Fläche zu überprüfen sein. Richtig ist zwar, dass die eine öffentliche Parkfläche oder Grünanlage prägende Funktion, soweit hier relevant, darin besteht, gärtnerisch gestaltete Natur für die Erholung der Bevölkerung zu erschließen, und dass es für die Einordnung darauf ankommt , ob die Anlage ihrem Gesamtcharakter nach eine Gartenanlage oder, was hier auch in Betracht kommt, ein Kinderspielplatz ist (Senat, Urteil vom 20. Januar 2006 - V ZR 122/05 NJW-RR 2006, 805, 807 Rn. 17, 19). Dabei darf aber die begrünte Fläche des Hinterhofs nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr muss in die Wertung auch der Umstand einbezogen werden, dass die Fläche in einem Innenhof liegt. Sollte dieser der Anlage ihr Gepräge geben, handelte es sich nicht um eine öffentliche Grünanlage in einem Innenhof, für die der begrenzte Ankaufspreis nach § 5 Abs. 1 VerkFlBerG gilt, sondern um einen begrünten Innenhof. Der aber stellte eine sonstige Fläche dar, für die der Ankaufspreis nach § 6 VerkFlBerG maßgeblich ist. Auch insoweit kommt es auf die Verhältnisse am 3. Oktober 1990 und darauf an, ob der damalige Zustand heute noch besteht. Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch Czub Kazele
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 23.05.2011 - 37 O 302/10 -
KG Berlin, Entscheidung vom 16.03.2012 - 7 U 145/11 -

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Referenzen

(1) Die Beweisaufnahme erfolgt vor dem Prozessgericht. Sie ist nur in den durch dieses Gesetz bestimmten Fällen einem Mitglied des Prozessgerichts oder einem anderen Gericht zu übertragen.

(2) Eine Anfechtung des Beschlusses, durch den die eine oder die andere Art der Beweisaufnahme angeordnet wird, findet nicht statt.

(1) Dieses Gesetz gilt für in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet belegene Grundstücke privater Eigentümer, sofern sie frühestens seit dem 9. Mai 1945 und vor dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe tatsächlich in Anspruch genommen wurden, einer Verwaltungsaufgabe noch dienen und

1.
Verkehrsflächen im Sinne dieses Gesetzes sind oder
2.
vor dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung einer sonstigen Verwaltungsaufgabe mit einem Gebäude oder einer sonstigen baulichen Anlage bebaut worden sind.
Der Bebauung mit einem Gebäude steht es gleich, wenn das Grundstück oder Gebäude mit erheblichem baulichen Aufwand für die öffentliche Nutzung verändert worden ist. Der Begriff der baulichen Anlage bestimmt sich nach § 12 Abs. 3 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes. Als bauliche Anlage gelten auch Absetzteiche und vergleichbare Anlagen der Abwasserentsorgung sowie Deponien. Dient das Gebäude oder die bauliche Anlage auch anderen als öffentlichen Zwecken, findet dieses Gesetz nur im Fall überwiegender öffentlicher Nutzung Anwendung. Bebauten Grundstücken nach Satz 1 Nr. 2 gleichgestellt sind unbebaute Grundstücke innerhalb militärischer Liegenschaften.

(2) Das Gesetz findet keine Anwendung, wenn

1.
der Fortbestand der öffentlichen Nutzung auf Grund eines nach dem 3. Oktober 1990 begründeten dinglichen Rechts gesichert ist,
2.
das Grundstück nach einem der öffentlichen Nutzung zugrunde liegenden Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsvertrag dem öffentlichen Zweck nur vorübergehend, insbesondere für eine im Vertrag bestimmte Zeit dienen soll, oder
3.
vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse an dem Grundstück ein anderer Vertrag abgeschlossen oder ein rechtskräftiges Urteil oder ein bestandskräftiger Verwaltungsakt ergangen ist.
Eine nur vorübergehende Nutzung im Sinne der Nummer 2 liegt nicht vor, wenn nach dem Inhalt des Vertrages oder den Umständen seines Abschlusses die vertragliche Nutzung nur bis zu einer dem öffentlichen Zweck entsprechenden Regelung der Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück fortdauern sollte.

(1) Verwaltungsaufgabe im Sinne von § 1 Abs. 1 ist auch eine Aufgabe, die bis zum 3. Oktober 1990 die Deutsche Post oder deren Teilunternehmen oder die Deutsche Reichsbahn wahrzunehmen hatten. Die den Körperschaften des öffentlichen Rechts obliegende Abwasserbeseitigungspflicht bleibt Verwaltungsaufgabe im Sinne von § 1 Abs. 1 auch, wenn sie auf Grund landesrechtlicher Vorschriften auf Dritte übertragen ist.

(2) Verkehrsflächen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
dem öffentlichen Verkehr gewidmete oder kraft Gesetzes als öffentlich oder gewidmet geltende Straßen, Wege und Plätze einschließlich Zubehör und Nebenanlagen;
2.
die Bundeswasserstraßen nach § 1 Absatz 1 und 6 des Bundeswasserstraßengesetzes, Betten sonstiger oberirdischer Gewässer, Stauanlagen, Anlagen des Hochwasserschutzes und des Küstenschutzes sowie Hafenanlagen;
3.
Flächen mit Eisenbahninfrastruktur im Sinne des § 2 Abs. 3 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes oder mit Bahnanlagen im Sinne des § 4 Abs. 1 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, befestigte Haltestellen des Kraftomnibusverkehrs sowie die Betriebsanlagen nach § 1 Abs. 7 der Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen für Straßenbahnen und Obusse im Sinne von § 4 Abs. 1 bis 3 des Personenbeförderungsgesetzes;
4.
militärische und zivile Flugplätze;
5.
öffentliche Parkflächen und Grünanlagen.

(3) Öffentlicher Nutzer im Sinne dieses Gesetzes ist die juristische Person des öffentlichen Rechts, die für die Verkehrsfläche unterhaltungspflichtig ist oder das Gebäude oder die bauliche Anlage für die Erfüllung der Verwaltungsaufgabe nutzt. Bei Gewässerbetten und Hochwasserschutzanlagen ist öffentlicher Nutzer im Sinne dieses Gesetzes die Körperschaft des öffentlichen Rechts, der die Unterhaltungspflicht obliegt. Wird die Unterhaltungspflicht durch einen Wasser- und Bodenverband wahrgenommen, so ist öffentlicher Nutzer die Gemeinde. Öffentlicher Nutzer ist auch eine juristische Person des Privatrechts, wenn die Mehrheit der Kapitalanteile oder der Stimmrechte juristischen Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar zusteht. Für juristische Personen des Privatrechts, die eine Verwaltungsaufgabe nach Absatz 1 Satz 1 wahrnehmen, kommt es auf die Beteiligungsverhältnisse oder die Verteilung der Stimmrechte nicht an.

(1) Dieses Gesetz gilt für in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet belegene Grundstücke privater Eigentümer, sofern sie frühestens seit dem 9. Mai 1945 und vor dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe tatsächlich in Anspruch genommen wurden, einer Verwaltungsaufgabe noch dienen und

1.
Verkehrsflächen im Sinne dieses Gesetzes sind oder
2.
vor dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung einer sonstigen Verwaltungsaufgabe mit einem Gebäude oder einer sonstigen baulichen Anlage bebaut worden sind.
Der Bebauung mit einem Gebäude steht es gleich, wenn das Grundstück oder Gebäude mit erheblichem baulichen Aufwand für die öffentliche Nutzung verändert worden ist. Der Begriff der baulichen Anlage bestimmt sich nach § 12 Abs. 3 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes. Als bauliche Anlage gelten auch Absetzteiche und vergleichbare Anlagen der Abwasserentsorgung sowie Deponien. Dient das Gebäude oder die bauliche Anlage auch anderen als öffentlichen Zwecken, findet dieses Gesetz nur im Fall überwiegender öffentlicher Nutzung Anwendung. Bebauten Grundstücken nach Satz 1 Nr. 2 gleichgestellt sind unbebaute Grundstücke innerhalb militärischer Liegenschaften.

(2) Das Gesetz findet keine Anwendung, wenn

1.
der Fortbestand der öffentlichen Nutzung auf Grund eines nach dem 3. Oktober 1990 begründeten dinglichen Rechts gesichert ist,
2.
das Grundstück nach einem der öffentlichen Nutzung zugrunde liegenden Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsvertrag dem öffentlichen Zweck nur vorübergehend, insbesondere für eine im Vertrag bestimmte Zeit dienen soll, oder
3.
vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse an dem Grundstück ein anderer Vertrag abgeschlossen oder ein rechtskräftiges Urteil oder ein bestandskräftiger Verwaltungsakt ergangen ist.
Eine nur vorübergehende Nutzung im Sinne der Nummer 2 liegt nicht vor, wenn nach dem Inhalt des Vertrages oder den Umständen seines Abschlusses die vertragliche Nutzung nur bis zu einer dem öffentlichen Zweck entsprechenden Regelung der Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück fortdauern sollte.

(1) Verwaltungsaufgabe im Sinne von § 1 Abs. 1 ist auch eine Aufgabe, die bis zum 3. Oktober 1990 die Deutsche Post oder deren Teilunternehmen oder die Deutsche Reichsbahn wahrzunehmen hatten. Die den Körperschaften des öffentlichen Rechts obliegende Abwasserbeseitigungspflicht bleibt Verwaltungsaufgabe im Sinne von § 1 Abs. 1 auch, wenn sie auf Grund landesrechtlicher Vorschriften auf Dritte übertragen ist.

(2) Verkehrsflächen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
dem öffentlichen Verkehr gewidmete oder kraft Gesetzes als öffentlich oder gewidmet geltende Straßen, Wege und Plätze einschließlich Zubehör und Nebenanlagen;
2.
die Bundeswasserstraßen nach § 1 Absatz 1 und 6 des Bundeswasserstraßengesetzes, Betten sonstiger oberirdischer Gewässer, Stauanlagen, Anlagen des Hochwasserschutzes und des Küstenschutzes sowie Hafenanlagen;
3.
Flächen mit Eisenbahninfrastruktur im Sinne des § 2 Abs. 3 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes oder mit Bahnanlagen im Sinne des § 4 Abs. 1 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, befestigte Haltestellen des Kraftomnibusverkehrs sowie die Betriebsanlagen nach § 1 Abs. 7 der Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen für Straßenbahnen und Obusse im Sinne von § 4 Abs. 1 bis 3 des Personenbeförderungsgesetzes;
4.
militärische und zivile Flugplätze;
5.
öffentliche Parkflächen und Grünanlagen.

(3) Öffentlicher Nutzer im Sinne dieses Gesetzes ist die juristische Person des öffentlichen Rechts, die für die Verkehrsfläche unterhaltungspflichtig ist oder das Gebäude oder die bauliche Anlage für die Erfüllung der Verwaltungsaufgabe nutzt. Bei Gewässerbetten und Hochwasserschutzanlagen ist öffentlicher Nutzer im Sinne dieses Gesetzes die Körperschaft des öffentlichen Rechts, der die Unterhaltungspflicht obliegt. Wird die Unterhaltungspflicht durch einen Wasser- und Bodenverband wahrgenommen, so ist öffentlicher Nutzer die Gemeinde. Öffentlicher Nutzer ist auch eine juristische Person des Privatrechts, wenn die Mehrheit der Kapitalanteile oder der Stimmrechte juristischen Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar zusteht. Für juristische Personen des Privatrechts, die eine Verwaltungsaufgabe nach Absatz 1 Satz 1 wahrnehmen, kommt es auf die Beteiligungsverhältnisse oder die Verteilung der Stimmrechte nicht an.

(1) Die Beweisaufnahme erfolgt vor dem Prozessgericht. Sie ist nur in den durch dieses Gesetz bestimmten Fällen einem Mitglied des Prozessgerichts oder einem anderen Gericht zu übertragen.

(2) Eine Anfechtung des Beschlusses, durch den die eine oder die andere Art der Beweisaufnahme angeordnet wird, findet nicht statt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 68/05
vom
17. November 2005
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 17. November 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24. Februar 2005 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren beträgt 25.000 EUR.

Gründe:


I.

1
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in P. . Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Bewilligung einer Grunddienstbarkeit für ein Wege- und Fahrrecht über deren Grundstück.
2
Es kam zu einem ersten Rechtsstreit zwischen den Parteien, den die im Grundbuch eingetragenen drei Gesellschafter als Kläger führten. Er endete mit der Verurteilung der Beklagten zur Bewilligung einer Grunddienstbarkeit nach § 116 SachenRBerG. Daraufhin wurde die auf Grund der Bewilligung aus dem Jahre 1994 eingetragene Grunddienstbarkeit gelöscht und als Folge des Urteils eine neue Grunddienstbarkeit eingetragen.
3
Gegen dieses Urteil erhob die Beklagte Restitutionsklage, mit der sie geltend machte, dass einer der Kläger bereits längere Zeit vor der Erhebung der Klage im Vorprozess verstorben sei. Aufgrund dessen wurde das erste Urteil für wirkungslos erklärt.
4
In diesem Rechtsstreit verlangt die Klägerin als Gesellschaft bürgerlichen Rechts von der Beklagten die Bewilligung der Grunddienstbarkeit nach dem Gestattungsvertrag vom 1. August 1994, hilfsweise aus § 116 Abs. 1 SachenRBerG, sowie den Rückbau des die Zufahrt zu ihrem Grundstück versperrenden Zaunes.
5
Die Klage hat in erster Instanz Erfolg gehabt. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben.

II.


6
Das angefochtene Urteil ist wegen eines den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzenden Verfahrensfehlers des Berufungsgerichts aufzuheben.
7
1. Das Berufungsgericht hätte, nachdem es selbst einen Verstoß des Landgerichts gegen die Hinweispflicht aus § 139 Abs. 1 ZPO festgestellt hatte, den von der Beklagten in der Berufungsbegründung gestellten Beweisanträgen nachgehen müssen und sich nicht mehr mit der Heranziehung der Niederschrift der Vernehmung dieser Zeugen in dem früheren Rechtsstreit begnügen dürfen.
8
a) Die tatsächlichen Feststellungen in der Entscheidung des Landgerichts beruhten auf einem Verfahrensmangel.
9
Das Landgericht hatte zwar nicht gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 355 Abs. 1 Satz 1 ZPO) verstoßen. Die Verwertung der Niederschrift einer Zeugenaussage aus einem anderen Verfahren im Wege des Urkundenbeweises ist zulässig (RGZ 106, 219, 221; BGHZ 7, 116, 120; Urteil vom 9. Juni 1992, VI ZR 215/91, NJW-RR 1992, 1214, 1215) und setzt nicht die Zustimmung beider Parteien voraus (BGH, Urt. v. 19. April 1983, VI ZR 253/81, VersR 1983, 667, 668). Auch der Widerspruch einer Partei gegen die Verwertung einer protokollierten Aussage steht deren Auswertung im Wege des Urkundenbeweises nicht entgegen (BGH, Urt v. 19. Dez. 1969, VI ZR 128/68, VersR 1970, 322, 323). Der Zeuge muss in solchen Fällen jedoch dann angehört werden, wenn eine Partei dessen Vernehmung unmittelbar durch das Prozessgericht beantragt (RGZ 106, 219, 221; BGHZ 7, 116, 121; BGH, Urt. v. 9. Juni 1992, VI ZR 215/91, NJW-RR 1992, 1214, 1215 std. Rspr.). Vor dem Landgericht hatte die Beklagte den für eine Zeugenvernehmung unverzichtbaren Antrag nach § 373 ZPO indes nicht gestellt.
10
Der Entscheidung des Landgerichts liegt dennoch ein Verfahrensmangel zugrunde, den das Berufungsgericht auch festgestellt hat. Angesichts der Erklärung der Beklagten, mit der Verwertung des Protokolls über die frühere Vernehmung nicht einverstanden zu sein, war das Gericht zu einem Hinweis nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf den für einen Zeugenbeweis erforderlichen Beweisantritt nach § 373 ZPO verpflichtet (vgl. OLG Köln, VersR 1993, 1366, 1367). Ein solcher Hinweis ist geboten, wenn eine Partei den Zeugenbeweis möglicherweise antreten kann und will, aber infolge eines Versehens den dafür erforderlichen Antrag nach § 373 ZPO nicht stellt (vgl. BGH, Urt. v. 3. Juni 1997, VI ZR 133/96, NJW 1998, 155, 156).
11
b) Zu Recht rügt die Nichtzulassungsbeschwerde, dass das Berufungsgericht jedenfalls auf das Beweisangebot in der Berufungsbegründung nach § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Zeugen hätte vernehmen müssen. Nach dieser Vorschrift ist neues Vorbringen zuzulassen, wenn das Eingangsgericht die nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO gebotenen Hinweise unterlassen hat (Senat, BGHZ 158, 295, 302). Ein solcher Verfahrensfehler hat zur Folge, dass die Beschränkungen für die Zulassung neuen Vorbringens im Berufungsrechtszug nicht gelten und der Partei insoweit die zweite Tatsacheninstanz eröffnet ist.
12
Nach dem Wortlaut des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO ist allerdings erforderlich, dass das neue Vorbringen infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden ist, was im Einzelfall auch die Feststellung zu tragen vermag, dass der Verfahrensmangel für das Unterlassen des Vorbringens in erster Instanz nicht ursächlich war. Eine Zurückweisung des Beweisantrags aus dieser Erwägung kommt hier jedoch nicht in Betracht.
13
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann nach dem Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung nicht festgestellt werden, dass das Ausbleiben des Beweisantrags in erster Instanz nicht auf einer Fehlvorstellung der Beklagten, die durch den richterlichen Hinweis zu korrigieren gewesen wäre, sondern auf einer davon unabhängigen Entscheidung der Beklagten beruhte. Diese hat ausgeführt, dass sie wegen des Beweisantrags der Kläger auf Vernehmung der Zeugen davon ausgegangen sei, nicht auch ihrerseits einen solchen Antrag stellen zu müssen. Das ist ein Indiz dafür, dass die Beklagte bereits in erster Instanz den Beweisantrag gestellt hätte, wenn sie durch einen richterlichen Hinweis auf dessen Erforderlichkeit für eine Zeugenvernehmung aufmerksam gemacht worden wäre.
14
Dem steht auch nicht das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsbegründung entgegen, dass sie keine Veranlassung gehabt habe, von sich aus die Zeugen zu benennen, die im vorangegangenen Rechtsstreit für sie ungünstig ausgesagt hätten. Dies ist zwar als eine Erklärung für ihr Verhalten in der ersten Instanz zu verstehen. Dieser Vortrag vermag jedoch nicht den Schluss des Berufungsgerichts zu tragen, dass die Beklagte selbst auf den gebotenen richterlichen Hinweis in der ersten Instanz nicht den Beweisantrag gestellt hätte, den sie im Berufungsverfahren gestellt hat.
15
2. Die Zurückweisung des Beweisantritts zu einer Vernehmung der Zeugen durch das Prozessgericht verletzt den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Gericht ist danach verpflichtet, den gesamten Vortrag der Partei zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen (BVerfGE 60, 247, 248; 70, 288, 293). Das Berufungsgericht hatte daher auch den Vortrag der Beklagten in seine Erwägung einzubeziehen, das Ausbleiben des Beweisantritts habe auf der Fehlvorstellung beruht, dass ein Beweisantritt nicht nötig gewesen sei.
16
Nach diesem Vortrag war das Berufungsgericht aus Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, dem Beweisantritt nachzugehen, weil eine unzulängliche Verfahrensleitung durch das Landgericht dessen Ausbleiben in der Eingangsinstanz mitverursacht hatte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 1999, 2 BvR 1292/96, NJW 2000, 945, 946). Die Zurückweisung des Beweisantrages durch das Berufungsgericht unter Herausgreifen eines Teils des Vorbringens der Beklagten in der Berufungsbegründung dazu, warum sie einen eigenen Beweisantrag für nicht erforderlich gehalten hat, kommt einer Verhinderung des zulässigen Antrages auf Vernehmung der Zeugen durch das Prozessgericht gleich.
17
3.a) Die Beweisfrage betrifft einen für den zuerkannten Anspruch aus § 116 SachenRBerG entscheidungserheblichen Punkt. Die von der Beklagten bestrittene Mitbenutzung vor dem 3. Oktober 1990 ist eine Voraussetzung des Anspruchs. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht nach einer Anhörung der Zeugen zu einem anderen Beweisergebnis gelangen wird.
18
b) Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus einem anderen Grunde als richtig dar (§ 561 ZPO). Nach den Vereinbarungen zwischen der Stadt P. und der Beklagten vom August 1994 ist ein dingliches Recht der Klägerin nicht entstanden. § 328 Abs. 1 BGB ist auf die dingliche Einigung nach § 873 Abs. 1 BGB nicht anzuwenden (Senat, BGHZ 41, 95, 96; BGH, Urt. v. 8. Juli 1993, IX ZR 222/92, NJW 1993, 2617, 2618, insoweit in BGHZ 123, 178 ff. nicht abgedruckt). Die Begründung eines Anspruchs des jeweiligen Eigentümers des Nachbargrundstücks aus § 328 Abs. 1 BGB, von der Beklagten die Bestellung einer Grunddienstbarkeit verlangen zu können, ist nach den getroffenen Feststellungen auszuschließen.

III.


19
Der Senat hat von der Möglichkeit der Aufhebung und Zurückverweisung durch Beschluss nach § 544 Abs. 7 ZPO Gebrauch gemacht.
20
Die Entscheidung über den Streitwert der Nichtzulassungsbeschwerde folgt aus § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 02.04.2004 - 1 O 461/03 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 24.02.2005 - 5 U 42/04 -

(1) Die Beweisaufnahme erfolgt vor dem Prozessgericht. Sie ist nur in den durch dieses Gesetz bestimmten Fällen einem Mitglied des Prozessgerichts oder einem anderen Gericht zu übertragen.

(2) Eine Anfechtung des Beschlusses, durch den die eine oder die andere Art der Beweisaufnahme angeordnet wird, findet nicht statt.

Der Zeugenbeweis wird durch die Benennung der Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll, angetreten.

Die von einer Behörde ausgestellten, eine amtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung enthaltenden öffentlichen Urkunden begründen vollen Beweis ihres Inhalts.

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

(1) Die Beweisaufnahme erfolgt vor dem Prozessgericht. Sie ist nur in den durch dieses Gesetz bestimmten Fällen einem Mitglied des Prozessgerichts oder einem anderen Gericht zu übertragen.

(2) Eine Anfechtung des Beschlusses, durch den die eine oder die andere Art der Beweisaufnahme angeordnet wird, findet nicht statt.

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

(1) Dieses Gesetz gilt für in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet belegene Grundstücke privater Eigentümer, sofern sie frühestens seit dem 9. Mai 1945 und vor dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe tatsächlich in Anspruch genommen wurden, einer Verwaltungsaufgabe noch dienen und

1.
Verkehrsflächen im Sinne dieses Gesetzes sind oder
2.
vor dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung einer sonstigen Verwaltungsaufgabe mit einem Gebäude oder einer sonstigen baulichen Anlage bebaut worden sind.
Der Bebauung mit einem Gebäude steht es gleich, wenn das Grundstück oder Gebäude mit erheblichem baulichen Aufwand für die öffentliche Nutzung verändert worden ist. Der Begriff der baulichen Anlage bestimmt sich nach § 12 Abs. 3 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes. Als bauliche Anlage gelten auch Absetzteiche und vergleichbare Anlagen der Abwasserentsorgung sowie Deponien. Dient das Gebäude oder die bauliche Anlage auch anderen als öffentlichen Zwecken, findet dieses Gesetz nur im Fall überwiegender öffentlicher Nutzung Anwendung. Bebauten Grundstücken nach Satz 1 Nr. 2 gleichgestellt sind unbebaute Grundstücke innerhalb militärischer Liegenschaften.

(2) Das Gesetz findet keine Anwendung, wenn

1.
der Fortbestand der öffentlichen Nutzung auf Grund eines nach dem 3. Oktober 1990 begründeten dinglichen Rechts gesichert ist,
2.
das Grundstück nach einem der öffentlichen Nutzung zugrunde liegenden Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsvertrag dem öffentlichen Zweck nur vorübergehend, insbesondere für eine im Vertrag bestimmte Zeit dienen soll, oder
3.
vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse an dem Grundstück ein anderer Vertrag abgeschlossen oder ein rechtskräftiges Urteil oder ein bestandskräftiger Verwaltungsakt ergangen ist.
Eine nur vorübergehende Nutzung im Sinne der Nummer 2 liegt nicht vor, wenn nach dem Inhalt des Vertrages oder den Umständen seines Abschlusses die vertragliche Nutzung nur bis zu einer dem öffentlichen Zweck entsprechenden Regelung der Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück fortdauern sollte.

(1) Verwaltungsaufgabe im Sinne von § 1 Abs. 1 ist auch eine Aufgabe, die bis zum 3. Oktober 1990 die Deutsche Post oder deren Teilunternehmen oder die Deutsche Reichsbahn wahrzunehmen hatten. Die den Körperschaften des öffentlichen Rechts obliegende Abwasserbeseitigungspflicht bleibt Verwaltungsaufgabe im Sinne von § 1 Abs. 1 auch, wenn sie auf Grund landesrechtlicher Vorschriften auf Dritte übertragen ist.

(2) Verkehrsflächen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
dem öffentlichen Verkehr gewidmete oder kraft Gesetzes als öffentlich oder gewidmet geltende Straßen, Wege und Plätze einschließlich Zubehör und Nebenanlagen;
2.
die Bundeswasserstraßen nach § 1 Absatz 1 und 6 des Bundeswasserstraßengesetzes, Betten sonstiger oberirdischer Gewässer, Stauanlagen, Anlagen des Hochwasserschutzes und des Küstenschutzes sowie Hafenanlagen;
3.
Flächen mit Eisenbahninfrastruktur im Sinne des § 2 Abs. 3 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes oder mit Bahnanlagen im Sinne des § 4 Abs. 1 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, befestigte Haltestellen des Kraftomnibusverkehrs sowie die Betriebsanlagen nach § 1 Abs. 7 der Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen für Straßenbahnen und Obusse im Sinne von § 4 Abs. 1 bis 3 des Personenbeförderungsgesetzes;
4.
militärische und zivile Flugplätze;
5.
öffentliche Parkflächen und Grünanlagen.

(3) Öffentlicher Nutzer im Sinne dieses Gesetzes ist die juristische Person des öffentlichen Rechts, die für die Verkehrsfläche unterhaltungspflichtig ist oder das Gebäude oder die bauliche Anlage für die Erfüllung der Verwaltungsaufgabe nutzt. Bei Gewässerbetten und Hochwasserschutzanlagen ist öffentlicher Nutzer im Sinne dieses Gesetzes die Körperschaft des öffentlichen Rechts, der die Unterhaltungspflicht obliegt. Wird die Unterhaltungspflicht durch einen Wasser- und Bodenverband wahrgenommen, so ist öffentlicher Nutzer die Gemeinde. Öffentlicher Nutzer ist auch eine juristische Person des Privatrechts, wenn die Mehrheit der Kapitalanteile oder der Stimmrechte juristischen Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar zusteht. Für juristische Personen des Privatrechts, die eine Verwaltungsaufgabe nach Absatz 1 Satz 1 wahrnehmen, kommt es auf die Beteiligungsverhältnisse oder die Verteilung der Stimmrechte nicht an.

(1) Dieses Gesetz gilt für in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet belegene Grundstücke privater Eigentümer, sofern sie frühestens seit dem 9. Mai 1945 und vor dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe tatsächlich in Anspruch genommen wurden, einer Verwaltungsaufgabe noch dienen und

1.
Verkehrsflächen im Sinne dieses Gesetzes sind oder
2.
vor dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung einer sonstigen Verwaltungsaufgabe mit einem Gebäude oder einer sonstigen baulichen Anlage bebaut worden sind.
Der Bebauung mit einem Gebäude steht es gleich, wenn das Grundstück oder Gebäude mit erheblichem baulichen Aufwand für die öffentliche Nutzung verändert worden ist. Der Begriff der baulichen Anlage bestimmt sich nach § 12 Abs. 3 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes. Als bauliche Anlage gelten auch Absetzteiche und vergleichbare Anlagen der Abwasserentsorgung sowie Deponien. Dient das Gebäude oder die bauliche Anlage auch anderen als öffentlichen Zwecken, findet dieses Gesetz nur im Fall überwiegender öffentlicher Nutzung Anwendung. Bebauten Grundstücken nach Satz 1 Nr. 2 gleichgestellt sind unbebaute Grundstücke innerhalb militärischer Liegenschaften.

(2) Das Gesetz findet keine Anwendung, wenn

1.
der Fortbestand der öffentlichen Nutzung auf Grund eines nach dem 3. Oktober 1990 begründeten dinglichen Rechts gesichert ist,
2.
das Grundstück nach einem der öffentlichen Nutzung zugrunde liegenden Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsvertrag dem öffentlichen Zweck nur vorübergehend, insbesondere für eine im Vertrag bestimmte Zeit dienen soll, oder
3.
vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse an dem Grundstück ein anderer Vertrag abgeschlossen oder ein rechtskräftiges Urteil oder ein bestandskräftiger Verwaltungsakt ergangen ist.
Eine nur vorübergehende Nutzung im Sinne der Nummer 2 liegt nicht vor, wenn nach dem Inhalt des Vertrages oder den Umständen seines Abschlusses die vertragliche Nutzung nur bis zu einer dem öffentlichen Zweck entsprechenden Regelung der Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück fortdauern sollte.

(1) Der Kaufpreis für nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 6 genutzte Grundstücke beträgt die Hälfte des Bodenwertes im Zeitpunkt der Ausübung des Rechts nach § 3 Abs. 1 oder § 8 Abs. 2, mindestens jedoch 0,10 Euro je Quadratmeter. Der Restwert eines Gebäudes und der Grundstückseinrichtungen, die im Zeitpunkt der Begründung der öffentlichen Nutzung auf dem Grundstück bereits vorhanden waren, ist anzurechnen. § 74 Abs. 1 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes gilt entsprechend.

(2) Der Bodenwert für nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 genutzte Grundstücke ist in der Weise zu bestimmen, dass von dem nach § 19 Abs. 2 Satz 2 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes ermittelten Wert des baureifen Grundstücks ein Betrag von einem Drittel abzuziehen ist. § 19 Abs. 5 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes ist anzuwenden. Für unbebaute Grundstücke nach § 1 Abs. 1 Satz 6 ist der Bodenwert in der Weise zu bestimmen, dass von dem Wert eines in gleicher Lage belegenen Grundstücks ein Betrag von einem Drittel abzuziehen ist. Bei der Wertermittlung ist derjenige Zustand des Grundstücks (§ 3 Abs. 2 der Wertermittlungsverordnung) zugrunde zu legen, den dieses vor der tatsächlichen Inanspruchnahme zum Zwecke der Nutzung nach § 1 Abs. 1 Satz 6 hatte; § 5 Abs. 2 ist anzuwenden.

(1) Bei Verkehrsflächen beträgt der Kaufpreis 20 Prozent des Bodenwertes eines in gleicher Lage belegenen unbebauten Grundstücks im Zeitpunkt der Ausübung des Rechts nach § 3 Abs. 1 oder § 8 Abs. 2, mindestens jedoch 0,10 Euro je Quadratmeter und höchstens 5 Euro je Quadratmeter in Gemeinden bis zu 10000 Einwohnern, höchstens 10 Euro je Quadratmeter in Gemeinden mit mehr als 10.000 bis zu 100.000 Einwohnern und höchstens 15 Euro je Quadratmeter in Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern. Maßgebend ist die Zahl der Einwohner am 31. Dezember des Jahres, das der Ausübung des Rechts aus § 3 Abs. 1 oder § 8 Abs. 2 vorausgeht. Bei der Wertermittlung ist derjenige Zustand des Grundstücks (§ 3 Abs. 2 der Wertermittlungsverordnung) zugrunde zu legen, den dieses vor der tatsächlichen Inanspruchnahme als Verkehrsfläche hatte.

(2) Soweit Bodenrichtwerte nach § 196 des Baugesetzbuches vorliegen, soll der Wert des Grundstücks hiernach bestimmt werden. Für Ackerflächen und Grünflächen soll der Wert nach den regionalen Wertansätzen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 der Flächenerwerbsverordnung vom 20. Dezember 1995 (BGBl. I S. 2072), die zuletzt durch Artikel 3 § 61 des Gesetzes vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266) geändert worden ist, bestimmt werden, wenn Bodenrichtwerte nicht ermittelt worden sind. Jeder Beteiligte kann eine von Satz 1 oder 2 abweichende Bestimmung verlangen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Bodenrichtwerte oder die regionalen Wertansätze auf Grund untypischer Lage oder Beschaffenheit des Grundstücks als Ermittlungsgrundlage ungeeignet sind.

(3) Im Fall der Bestellung einer Dienstbarkeit nach § 3 Abs. 3 kann der Eigentümer ein einmaliges Entgelt, wie es für die Begründung solcher Belastungen üblich ist, verlangen. Dabei ist als Wert der belasteten Fläche der sich aus den Absätzen 1 und 2 ergebende Kaufpreis zugrunde zu legen.

16
(2) Das dem öffentlichen Nutzer eingeräumte Ankaufsrecht führt im Ergebnis zu einem angemessenen, auch die Belange des Grundstückseigentümers hinreichend berücksichtigenden Interessenausgleich.

(1) Dieses Gesetz gilt für in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet belegene Grundstücke privater Eigentümer, sofern sie frühestens seit dem 9. Mai 1945 und vor dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe tatsächlich in Anspruch genommen wurden, einer Verwaltungsaufgabe noch dienen und

1.
Verkehrsflächen im Sinne dieses Gesetzes sind oder
2.
vor dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung einer sonstigen Verwaltungsaufgabe mit einem Gebäude oder einer sonstigen baulichen Anlage bebaut worden sind.
Der Bebauung mit einem Gebäude steht es gleich, wenn das Grundstück oder Gebäude mit erheblichem baulichen Aufwand für die öffentliche Nutzung verändert worden ist. Der Begriff der baulichen Anlage bestimmt sich nach § 12 Abs. 3 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes. Als bauliche Anlage gelten auch Absetzteiche und vergleichbare Anlagen der Abwasserentsorgung sowie Deponien. Dient das Gebäude oder die bauliche Anlage auch anderen als öffentlichen Zwecken, findet dieses Gesetz nur im Fall überwiegender öffentlicher Nutzung Anwendung. Bebauten Grundstücken nach Satz 1 Nr. 2 gleichgestellt sind unbebaute Grundstücke innerhalb militärischer Liegenschaften.

(2) Das Gesetz findet keine Anwendung, wenn

1.
der Fortbestand der öffentlichen Nutzung auf Grund eines nach dem 3. Oktober 1990 begründeten dinglichen Rechts gesichert ist,
2.
das Grundstück nach einem der öffentlichen Nutzung zugrunde liegenden Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsvertrag dem öffentlichen Zweck nur vorübergehend, insbesondere für eine im Vertrag bestimmte Zeit dienen soll, oder
3.
vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse an dem Grundstück ein anderer Vertrag abgeschlossen oder ein rechtskräftiges Urteil oder ein bestandskräftiger Verwaltungsakt ergangen ist.
Eine nur vorübergehende Nutzung im Sinne der Nummer 2 liegt nicht vor, wenn nach dem Inhalt des Vertrages oder den Umständen seines Abschlusses die vertragliche Nutzung nur bis zu einer dem öffentlichen Zweck entsprechenden Regelung der Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück fortdauern sollte.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 138/05 Verkündet am:
6. Oktober 2006
Weschenfelder,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei einer sowohl öffentlichen als auch anderen Zwecken dienenden Nutzung eines
im Beitrittsgebiet belegenen Gebäudes ist das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz
nur anwendbar, wenn die Nutzung zu öffentlichen Zwecken bereits vor dem 3. Oktober
1990 überwog.
BGH, Urt. v. 6. Oktober 2006 - V ZR 138/05 - OLG Rostock
LGSchwerin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter
Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter
Dr. Czub

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 9. Juni 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufhoben, als über die auf Herausgabe des Grundstücks und auf Zahlung weiterer 6.600 € Nutzungsentschädigung für die Zeit vom 1. Oktober 2001 bis zum 31. Dezember 2002 nebst anteiligen Zinsen gerichtete Klage entschieden worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks in Mecklenburg-Vorpommern. 1972 wurde auf diesem und auf dem benachbarten Grundstück ein für den Rat der Gemeinde P. bestimmtes Mehrzweckgebäude mit einer Konsumverkaufs- stelle errichtet. Die Mittel für den Bau stammten nicht von der Gemeinde. In der Folgezeit wurde das Gebäude zumindest teilweise für Verwaltungsaufgaben der Gemeinde genutzt; seit dem 1. Oktober 2001 überwiegt die Nutzung zu öffentlichen Zwecken.
2
Der Kläger verlangt von der beklagten Gemeinde die Herausgabe seines Grundstücks nebst aufstehendem Gebäude sowie eine (weitere) Nutzungsentschädigung für die Zeit von Februar 1991 bis Dezember 2002. Seine Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.
3
Mit der von dem Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Herausgabeanspruch und den Anspruch auf Nutzungsentschädigung für die Zeit vom 1. Oktober 2001 bis zum 31. Dezember 2002 weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hält einen Herausgabeanspruch des Klägers für nicht gegeben, da die Beklagte nach dem Verkehrsflächenbereinigungsgesetz (VerkFlBerG) zum Besitz des Grundstücks berechtigt sei. Die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 5 VerkFlBerG, wonach das Gesetz bei einer Mischnutzung nur im Fall überwiegender öffentlicher Nutzung Anwendung finde, stehe dem nicht entgegen. Ausreichend sei, dass das auf dem Grundstück befindliche Gebäude von seiner Errichtung bis heute zumindest auch gemeindlichen Aufgaben gedient habe und jedenfalls bei Inkrafttreten des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes am 1. Oktober 2001 überwiegend öffentlich genutzt worden sei. Für das Besitzrecht der Beklagten sei unerheblich, dass die frühere Gemeinde P. die Errichtung des Gebäudes nicht finanziert habe. Es genüge, dass diese Initiatorin des Bau- vorhabens, Bauherrin und Hauptnutznießerin gewesen sei. Da das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz Anwendung finde, könne der Kläger auch keine über die erhaltenen Zahlungen hinausgehende Nutzungsentschädigung verlangen.

II.

5
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
Nicht zu beanstanden ist zwar der Ausgangspunkt des angefochtenen Urteils , wonach die Beklagte dem auf § 985 BGB gestützten Herausgabeanspruch des Klägers ein Recht zum Besitz gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 VerkFlBerG entgegen halten kann und keine weitergehende Nutzungsentschädigung für die Zeit vom 1. Oktober 2001 bis zum 31. Dezember 2002 zahlen muss, wenn eine von dem Verkehrsflächenbereinigungsgesetz erfasste Bereinigungslage vorliegt. Die Voraussetzungen einer solchen Bereinigungslage hat das Berufungsgericht jedoch verkannt. Seine Annahme, das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz finde im Fall der Mischnutzung eines Gebäudes - also der Nutzung sowohl für öffentliche als auch für gewerbliche oder sonstige Zwecke (vgl. § 7 Abs. 1 SachenRBerG) - Anwendung , wenn sich feststellen lasse, dass das Gebäude jedenfalls seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Oktober 2001 überwiegend öffentlich genutzt werde , ist unzutreffend.
7
Mit dem Verkehrsflächenbereinigungsgesetz sollen die Rechtsverhältnisse an Grundstücken bereinigt werden, welche in der DDR für öffentliche Zwecke in Benutzung genommen wurden, ohne dass eine förmliche Enteignung oder eine sonstige Überführung in Volkseigentum stattgefunden hatte. In zeitlicher Hinsicht knüpft das Gesetz deshalb an Nutzungen an, die nach der Schaffung sozialistischer Bodenrechtsverhältnisse im Gebiet der (späteren) DDR und vor deren Ende begründet worden sind. Die Inanspruchnahme eines Grundstücks zu öffentlichen Zwecken vor und nach den in § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkFlBerG genannten Stichtagen (9. Mai 1945 und 3. Oktober 1990) fällt demgegenüber nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes (vgl. Senat, Urt. v. 11. Juli 2003, V ZR 83/02, WM 2004, 192 mwN).
8
Diese zeitliche Begrenzung gilt auch, soweit auf privaten Grundstücken errichtete Gebäude oder bauliche Anlagen nicht ausschließlich öffentlichen Zwecken dienen. Das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz kommt in diesen Fällen nur bei überwiegender öffentlicher Nutzung zur Anwendung (§ 1 Abs. 1 Satz 5 VerkFlBerG). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist diese Voraussetzung nicht schon dann erfüllt, wenn eine zu DDR-Zeiten untergeordnete Nutzung eines Gebäudes für Verwaltungsaufgaben nach dem 3. Oktober 1990 zu einer überwiegenden öffentlichen Nutzung ausgedehnt wurde. Eine Mischnutzung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 5 VerkFlBerG, die vor oder nach den in § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkFlBerG genannten Stichtagen begründet wurde, ist nicht geeignet, den Anwendungsbereich des Gesetzes zu eröffnen (ebenso Kimme/Matthiessen, Offene Vermögensfragen [Stand März 2006], § 1 VerkFlBerG Rdn. 9 aE; Eickmann /Purps, Sachenrechtsbereinigung [Stand April 2006], § 1 VerkFlBerG Rdn. 11). Andernfalls würden der öffentlichen Hand das Erwerbsrecht gemäß § 3 Abs. 1 VerkFlBerG und das Besitzrecht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 VerkFlBerG aufgrund einer Nutzungssituation zustehen, die nicht schon in der DDR begründet, sondern erst unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffen worden ist. Das widerspräche der Intention des Gesetzgebers. Das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz dient nicht dazu, der öffentlichen Hand ein Ankaufsrecht für am 1. Oktober 2001 zu (überwiegend) öffentlichen Zwecken genutzte Privatgrundstücke unabhängig von deren Nutzung zu DDR-Zeiten zu verschaffen; insbesondere will es nicht öffentliche Nutzer privilegieren, die die Inanspruchnahme fremden Eigentums nach dem 3. Oktober 1990 noch ausgeweitet haben. Es hat ausschließlich den Zweck, die während der Geltung der sozialistischen Bodenordnung durch die Inanspruchnahme privater Grundstücke entstandenen besonderen Situationen zu bereinigen (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs für ein Grundstücksbereinigungsgesetz in BT-Drucks. 14/6204 S. 10; Senat, Urt. v. 18. Januar 2002, V ZR 104/01, WM 2002, 768, 771).
9
Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht daraus, dass der Anwendungsbereich des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes mit demjenigen des am 30. September 2001 ausgelaufenen Moratoriums in Art. 233 § 2a Abs. 9 EGBGB demnach nicht deckungsgleich ist. Das Besitzrecht nach § 9 Abs. 1 Satz 4 VerkFlBerG ist zwar einerseits als Verlängerung des Besitzmoratoriums angelegt (vgl. Senat, Urt. v. 18. Januar 2002, V ZR 104/01, WM 2002, 768, 771). Andererseits erfasste das Besitzmoratorium - seinem vorläufigen Charakter entsprechend - auch Fälle, die vom Anwendungsbereich des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes bewusst ausgenommen worden sind (vgl. Senat, Urt. v. 11. Juli 2003, V ZR 83/02, WM 2004, 192, 193; Kimme/Matthiessen, Offene Vermögensfragen [Stand März 2006], § 1 VerkFlBerG Rdn. 12). So genügte für die Anwendung des Besitzmoratoriums die bloße Nutzung eines bebauten Grundstücks zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, während das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz in einem solchen Fall nur anwendbar ist, wenn auf dem Grundstück vor dem 3. Oktober 1990 ein Verwaltungszwecken dienendes Gebäude errichtet oder ein vorhandenes Gebäude mit erheblichem baulichen Aufwand für die öffentliche Nutzung verändert worden ist. Demgemäß gibt es zahlreiche Fälle, in denen das durch das Moratorium geschaffene Recht zum Besitz trotz fortdauernder öffentlicher Nutzung mit dem 30. September 2001 beendet worden ist (zu einem solchen Sachverhalt vgl. Senat, Urt. v. 11. März 2005, V ZR 160/04, NJW-RR 2005, 965).

III.

10
Das angefochtene Urteil kann demnach keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , damit es die fehlende Feststellung nachholen kann, ob das Mehrzweckgebäude bereits vor dem 3. Oktober 1990 überwiegend für öffentliche Zwecke genutzt worden ist (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
11
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
12
1. Ist das über die Grundstücksgrenze gebaute Gebäude, welches nach den im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen etwa zur Hälfte auf dem Grundstück des Klägers und zur Hälfte auf dem Nachbargrundstück steht, als eine wirtschaftliche Einheit anzusehen, kommt es für die Feststellung, ob das Gebäude vor dem 3. Oktober 1990 überwiegend zu öffentlichen Zwecken genutzt worden ist, nicht nur auf die Nutzung des auf dem Grundstück des Klägers befindlichen Gebäudeteils , sondern auf die Nutzung des gesamten Gebäudes an.
13
Das Ankaufsrecht nach § 3 Abs. 1 VerkFlBerG knüpft im Fall einer Mischnutzung an die überwiegende öffentliche Nutzung des Bauwerks (nicht des Grundstücks) an und soll dem Nutzer den Erwerb der dazugehörigen Flächen ermöglichen (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 VerkFlBerG). Diese Anknüpfung muss auch dann maßgeblich sein, wenn sich das Gebäude über mehrere Grundstücke erstreckt (vgl. Senat, Urt. v. 20. Januar 2006, V ZR 122/05, NJW-RR 2006, 805, 807 [19]). Andernfalls könnte einer der Grundstückseigentümer den Verkauf unter Hinweis darauf verhindern, dass der auf seinem Grundstück befindliche Gebäudeteil überwiegend zu anderen als öffentlichen Zwecken genutzt worden sei, und so den Nutzer - obwohl das Gebäude in seiner Gesamtheit vor dem 3. Oktober 1990 überwiegend öffentlichen Zwecken gedient hatte und heute weiterhin dient - daran hindern, alle zum Erwerb des Gebäudes notwendigen Flächen anzukaufen. Dem Sinn des Ankaufsrechts nach § 3 Abs. 1 VerkFlBerG widerspräche auch der umgekehrte Fall, dass ein öffentlicher Nutzer berechtigt wäre, ein Grundstück mit einem darauf befindlichen Gebäudeteil nur deshalb anzukaufen, weil (nur) dieser Gebäudeteil überwiegend für öffentliche Zwecke genutzt worden ist, während das Gebäude in seiner Gesamtheit im maßgeblichen Zeitraum überwiegend anderen Zwecken gedient hat.
14
2. Entgegen der Auffassung der Revision steht die Feststellung, dass das Gebäude nicht mit Mitteln des früheren Rats der Gemeinde P. errichtet worden ist, der Anwendung des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes nicht entgegen. Bei der Neuerrichtung eines Verwaltungszwecken dienenden Gebäudes auf einem Privatgrundstück kommt es im Interesse einer Sicherung baulicher Investitionen seitens der öffentlichen Hand (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs für ein Grundstücksbereinigungsgesetz in BT-Drucks. 14/6204 S. 13) nicht darauf an, aus welchen Mitteln der Bau finanziert worden ist. Es reicht vielmehr aus, dass eine staatliche Stelle Auftraggeber des Bauvorhabens war. Anders liegt es nur bei einer Mischnutzung. Hier ist die Frage der Finanzierung ausnahmsweise von Bedeutung , wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Genossenschaft oder andere Wirtschaftseinheit, materiell betrachtet, Investitionsauftraggeberin gewesen und deshalb hinsichtlich des Gebäudes nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz anspruchsberechtigt sein könnte (vgl. § 9 Abs. 2 Nr. 3 SachenRBerG). Eine solche verdeckte Investition hat der Senat für möglich gehalten , wenn eine Genossenschaft nur deswegen nicht selbst als Auftraggeberin aufgetreten ist, weil nur der Rat der Gemeinde über die für die Verwirklichung des Bauprojekts planungsrechtlich notwendigen Investitions- oder materiellen Kennziffern verfügte (Senat, Urt. v. 30. Mai 2003, V ZR 370/02, WM 2003, 1973, 1974). Allerdings genügt der Umstand, dass eine Genossenschaft die Kosten der Baumaßnahme getragen hat, allein nicht, um sie als Investitionsauftraggeberin anzusehen. Erforderlich ist darüber hinaus, dass sie das Projekt auch im Übrigen wirt- schaftlich in den Händen hielt und ihr nach der Bauausführung die Nutzung des Objekts ohne die Einschränkungen der Anordnung für die Übertragung volkseigener unbeweglicher Grundmittel an sozialistische Genossenschaften vom 1. Oktober 1974 übertragen wurde (vgl. Senat, aaO, sowie Urt. v. 16. Juli 2004, V ZR 228/03, VIZ 2004, 499, 500).
15
Die bloße Möglichkeit, dass es sich bei dem Bau des Mehrzweckgebäudes in P. um die verdeckte Investition einer Konsumgenossenschaft handelt, muss die - für die Anwendbarkeit des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes darlegungs - und beweispflichtige - Beklagte allerdings nicht ausräumen, wenn sich erweisen sollte, dass das Gebäude vor dem 3. Oktober 1990 überwiegend zu öffentlichen Zwecken genutzt worden ist. Da eine solche Nutzung gegen ein Ausein- anderfallen von formellem (öffentlichen) und materiellem Investitionsauftraggeber spricht, genügt dann die Feststellung, dass der Rat der Gemeinde P. Initiator und Auftraggeber des Bauvorhabens war, um den Neubau als eine Investition der öffentlichen Hand anzusehen. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Schwerin, Entscheidung vom 16.07.2003 - 3 O 97/02 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 09.06.2005 - 7 U 139/03 -

(1) Dieses Gesetz gilt für in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet belegene Grundstücke privater Eigentümer, sofern sie frühestens seit dem 9. Mai 1945 und vor dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe tatsächlich in Anspruch genommen wurden, einer Verwaltungsaufgabe noch dienen und

1.
Verkehrsflächen im Sinne dieses Gesetzes sind oder
2.
vor dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung einer sonstigen Verwaltungsaufgabe mit einem Gebäude oder einer sonstigen baulichen Anlage bebaut worden sind.
Der Bebauung mit einem Gebäude steht es gleich, wenn das Grundstück oder Gebäude mit erheblichem baulichen Aufwand für die öffentliche Nutzung verändert worden ist. Der Begriff der baulichen Anlage bestimmt sich nach § 12 Abs. 3 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes. Als bauliche Anlage gelten auch Absetzteiche und vergleichbare Anlagen der Abwasserentsorgung sowie Deponien. Dient das Gebäude oder die bauliche Anlage auch anderen als öffentlichen Zwecken, findet dieses Gesetz nur im Fall überwiegender öffentlicher Nutzung Anwendung. Bebauten Grundstücken nach Satz 1 Nr. 2 gleichgestellt sind unbebaute Grundstücke innerhalb militärischer Liegenschaften.

(2) Das Gesetz findet keine Anwendung, wenn

1.
der Fortbestand der öffentlichen Nutzung auf Grund eines nach dem 3. Oktober 1990 begründeten dinglichen Rechts gesichert ist,
2.
das Grundstück nach einem der öffentlichen Nutzung zugrunde liegenden Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsvertrag dem öffentlichen Zweck nur vorübergehend, insbesondere für eine im Vertrag bestimmte Zeit dienen soll, oder
3.
vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse an dem Grundstück ein anderer Vertrag abgeschlossen oder ein rechtskräftiges Urteil oder ein bestandskräftiger Verwaltungsakt ergangen ist.
Eine nur vorübergehende Nutzung im Sinne der Nummer 2 liegt nicht vor, wenn nach dem Inhalt des Vertrages oder den Umständen seines Abschlusses die vertragliche Nutzung nur bis zu einer dem öffentlichen Zweck entsprechenden Regelung der Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück fortdauern sollte.

(1) Verwaltungsaufgabe im Sinne von § 1 Abs. 1 ist auch eine Aufgabe, die bis zum 3. Oktober 1990 die Deutsche Post oder deren Teilunternehmen oder die Deutsche Reichsbahn wahrzunehmen hatten. Die den Körperschaften des öffentlichen Rechts obliegende Abwasserbeseitigungspflicht bleibt Verwaltungsaufgabe im Sinne von § 1 Abs. 1 auch, wenn sie auf Grund landesrechtlicher Vorschriften auf Dritte übertragen ist.

(2) Verkehrsflächen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
dem öffentlichen Verkehr gewidmete oder kraft Gesetzes als öffentlich oder gewidmet geltende Straßen, Wege und Plätze einschließlich Zubehör und Nebenanlagen;
2.
die Bundeswasserstraßen nach § 1 Absatz 1 und 6 des Bundeswasserstraßengesetzes, Betten sonstiger oberirdischer Gewässer, Stauanlagen, Anlagen des Hochwasserschutzes und des Küstenschutzes sowie Hafenanlagen;
3.
Flächen mit Eisenbahninfrastruktur im Sinne des § 2 Abs. 3 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes oder mit Bahnanlagen im Sinne des § 4 Abs. 1 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, befestigte Haltestellen des Kraftomnibusverkehrs sowie die Betriebsanlagen nach § 1 Abs. 7 der Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen für Straßenbahnen und Obusse im Sinne von § 4 Abs. 1 bis 3 des Personenbeförderungsgesetzes;
4.
militärische und zivile Flugplätze;
5.
öffentliche Parkflächen und Grünanlagen.

(3) Öffentlicher Nutzer im Sinne dieses Gesetzes ist die juristische Person des öffentlichen Rechts, die für die Verkehrsfläche unterhaltungspflichtig ist oder das Gebäude oder die bauliche Anlage für die Erfüllung der Verwaltungsaufgabe nutzt. Bei Gewässerbetten und Hochwasserschutzanlagen ist öffentlicher Nutzer im Sinne dieses Gesetzes die Körperschaft des öffentlichen Rechts, der die Unterhaltungspflicht obliegt. Wird die Unterhaltungspflicht durch einen Wasser- und Bodenverband wahrgenommen, so ist öffentlicher Nutzer die Gemeinde. Öffentlicher Nutzer ist auch eine juristische Person des Privatrechts, wenn die Mehrheit der Kapitalanteile oder der Stimmrechte juristischen Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar zusteht. Für juristische Personen des Privatrechts, die eine Verwaltungsaufgabe nach Absatz 1 Satz 1 wahrnehmen, kommt es auf die Beteiligungsverhältnisse oder die Verteilung der Stimmrechte nicht an.

(1) Bei Verkehrsflächen beträgt der Kaufpreis 20 Prozent des Bodenwertes eines in gleicher Lage belegenen unbebauten Grundstücks im Zeitpunkt der Ausübung des Rechts nach § 3 Abs. 1 oder § 8 Abs. 2, mindestens jedoch 0,10 Euro je Quadratmeter und höchstens 5 Euro je Quadratmeter in Gemeinden bis zu 10000 Einwohnern, höchstens 10 Euro je Quadratmeter in Gemeinden mit mehr als 10.000 bis zu 100.000 Einwohnern und höchstens 15 Euro je Quadratmeter in Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern. Maßgebend ist die Zahl der Einwohner am 31. Dezember des Jahres, das der Ausübung des Rechts aus § 3 Abs. 1 oder § 8 Abs. 2 vorausgeht. Bei der Wertermittlung ist derjenige Zustand des Grundstücks (§ 3 Abs. 2 der Wertermittlungsverordnung) zugrunde zu legen, den dieses vor der tatsächlichen Inanspruchnahme als Verkehrsfläche hatte.

(2) Soweit Bodenrichtwerte nach § 196 des Baugesetzbuches vorliegen, soll der Wert des Grundstücks hiernach bestimmt werden. Für Ackerflächen und Grünflächen soll der Wert nach den regionalen Wertansätzen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 der Flächenerwerbsverordnung vom 20. Dezember 1995 (BGBl. I S. 2072), die zuletzt durch Artikel 3 § 61 des Gesetzes vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266) geändert worden ist, bestimmt werden, wenn Bodenrichtwerte nicht ermittelt worden sind. Jeder Beteiligte kann eine von Satz 1 oder 2 abweichende Bestimmung verlangen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Bodenrichtwerte oder die regionalen Wertansätze auf Grund untypischer Lage oder Beschaffenheit des Grundstücks als Ermittlungsgrundlage ungeeignet sind.

(3) Im Fall der Bestellung einer Dienstbarkeit nach § 3 Abs. 3 kann der Eigentümer ein einmaliges Entgelt, wie es für die Begründung solcher Belastungen üblich ist, verlangen. Dabei ist als Wert der belasteten Fläche der sich aus den Absätzen 1 und 2 ergebende Kaufpreis zugrunde zu legen.

(1) Der Kaufpreis für nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 6 genutzte Grundstücke beträgt die Hälfte des Bodenwertes im Zeitpunkt der Ausübung des Rechts nach § 3 Abs. 1 oder § 8 Abs. 2, mindestens jedoch 0,10 Euro je Quadratmeter. Der Restwert eines Gebäudes und der Grundstückseinrichtungen, die im Zeitpunkt der Begründung der öffentlichen Nutzung auf dem Grundstück bereits vorhanden waren, ist anzurechnen. § 74 Abs. 1 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes gilt entsprechend.

(2) Der Bodenwert für nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 genutzte Grundstücke ist in der Weise zu bestimmen, dass von dem nach § 19 Abs. 2 Satz 2 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes ermittelten Wert des baureifen Grundstücks ein Betrag von einem Drittel abzuziehen ist. § 19 Abs. 5 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes ist anzuwenden. Für unbebaute Grundstücke nach § 1 Abs. 1 Satz 6 ist der Bodenwert in der Weise zu bestimmen, dass von dem Wert eines in gleicher Lage belegenen Grundstücks ein Betrag von einem Drittel abzuziehen ist. Bei der Wertermittlung ist derjenige Zustand des Grundstücks (§ 3 Abs. 2 der Wertermittlungsverordnung) zugrunde zu legen, den dieses vor der tatsächlichen Inanspruchnahme zum Zwecke der Nutzung nach § 1 Abs. 1 Satz 6 hatte; § 5 Abs. 2 ist anzuwenden.