Bundesgerichtshof Urteil, 13. Juli 2016 - 1 StR 128/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:130716U1STR128.16.0
13.07.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 128/16
vom
13. Juli 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
ECLI:DE:BGH:2016:130716U1STR128.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Juli 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum
und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke, Prof. Dr. Mosbacher,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27. Juli 2015 werden verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt worden.
2
Die Revision des Angeklagten und das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Der Angeklagte hielt sich mit seiner damaligen Lebensgefährtin in einem Lokal auf. Dort trafen sie auf den Nebenkläger, der ihnen bereits bekannt war und mit dem sie sich eigentlich gut verstanden. Im Verlaufe des nächtlichen Aufenthalts in der Gaststätte kam es jedoch zu einem Stimmungsumschwung. Nach einer zunächst verbalen Auseinandersetzung zwischen dem erheblich alkoholisierten Nebenkläger (etwa 3,0 Promille BAK) und dem mit 2,21 Promille BAK etwas geringer unter Alkoholeinfluss stehenden Angeklagten erhielt dieser durch den Nebenkläger unvermittelt einen Faustschlag in das Gesicht. Der Wirt sowie ein Gast konnten die Kontrahenten trennen; beide wurden des Lokals verwiesen, wobei zunächst der Angeklagte die Gaststätte verließ und der Wirt den Nebenkläger bewusst erst einige Minuten später aus dem Lokal ließ, um ein erneutes Aufeinandertreffen zu verhindern.
5
Dennoch begegneten sich beide auf der Straße vor der Lokalität. Der Nebenkläger lief von hinten an den Angeklagten heran und versetzte ihm einen Faustschlag gegen den Hinterkopf. Dadurch ging der Angeklagte zu Boden und zog sich eine Schürfwunde zu. Nachdem er wieder auf die Beine gekommen war, entwickelte sich erneut eine verbale Auseinandersetzung. In deren Verlauf beleidigte der Nebenkläger den Angeklagten und dessen Familie.
6
Der aufgrund des Vorgeschehens wütende Angeklagte schlug den Nebenkläger zunächst mehrfach mit der Faust in das Gesicht. Ausweich- und Abwehrbewegungen des Nebenklägers blieben, auch wegen seiner Alkoholisierung , erfolglos. Durch die Schläge ging der Nebenkläger nun seinerseits zu Boden. Als der Angeklagte sich daraufhin zum Gehen wandte, rief der noch am Boden liegende Nebenkläger ihm in kroatischer Sprache, beide Kontrahenten sind kroatischer Herkunft, hinterher: „Ich ficke Deine tote Mutter.“
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Dadurch fühlte sich der Angeklagte in seiner Ehre angegriffen, kehrte zurück , kniete sich neben den Nebenkläger hin und schlug diesem erneut mehrfach mit der Faust in das Gesicht. Als eine auf das Geschehen aufmerksam gewordene Zeugin mit ihrem Pkw an den beiden vorbeifuhr und die Hupe betätigte , blickte der Angeklagte kurz auf, setzte aber die Schläge anschließend zunächst weiter fort. Einige Zeit später ließ er jedoch vom Nebenkläger ab und entfernte sich einige Meter.
8
Daraufhin rief der Nebenkläger – wiederum in kroatischer Sprache: „Ich ficke alle Deine weiblichen Verwandten“. Der Angeklagte fühlte sich erneut schwer beleidigt, kehrte wieder zu dem immer noch am Boden liegenden Nebenkläger zurück und trat diesem mit schweren Stiefeln an den Füßen mindestens drei Mal heftig in das Gesicht. Erst als er wahrnahm, dass Blut floss, wandte er sich von dem Nebenkläger ab und floh. Um den schwer verletzten Nebenkläger kümmerte er sich nicht, nahm aber wahr, dass dies ein herbeigeeilter Zeuge tat. Der Nebenkläger erlitt mehrere Brüche im Gesichtsbereich, u.a. eine Orbitabodenfraktur sowie solche des Nasen- und des Jochbeins. Zur Stabilisierung wurden ihm mehrere Metallplatten eingesetzt. Seine linke Gesichtshälfte ist noch taub. Er kann ein Auge nicht mehr richtig schließen. Konkrete Lebensgefahr für den Nebenkläger bestand durch die Gewalttätigkeiten des Angeklagten nicht.
9
2. Das Landgericht hat das festgestellte Verhalten des Angeklagten als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB gewertet. Einen bedingten Tötungsvorsatz hat es nicht angenommen. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung hat es sich nicht mit hinreichender Sicherheit von dem volun- tativen Element dieser Vorsatzform überzeugen können. Dabei hat die Strafkammer u.a. den Zustand affektiver Erregung des Angeklagten, seine nicht unerhebliche Enthemmung aufgrund des Alkoholkonsums sowie die Spontanität der Tatausführung aufgrund der vorangegangenen Provokationen des Nebenklägers berücksichtigt.

II.

10
Die Revision des Angeklagten, die angesichts des umfassenden Aufhebungsantrags trotz der allein auf die Ablehnung verminderter Schuldfähigkeit gerichteten Ausführungen nicht als auf den Strafausspruch beschränkt angesehen werden kann, bleibt ohne Erfolg.
11
1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB.
12
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht das mehrfache Vorgehen des Angeklagten gegen den Nebenkläger als einheitliche Körperverletzungstat gewertet hat. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen sind die Voraussetzungen einer natürlichen Handlungseinheit gegeben. Eine solche setzt voraus, dass zwischen mehreren strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen, die von einem einheitlichen Willen getragen werden, ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht und das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen „objektiven“ Drit- ten als ein einheitliches Tun erscheint (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteile vom 28. Februar 2012 – 1 StR 427/11, NStZ-RR 2012, 241, 242 f.; vom 30. Januar 1991 – 2 StR 321/90, BGHR StGB § 1 Entschluss, einheitlicher 4 und vom 25. September 1997 – 1 StR 481/97, NStZ-RR 1998, 68, 69). Bei – wie hier – wiederholter (iterativer) Verwirklichung des gleichen Tatbestandes und damit einhergehender Steigerung der Intensität der Rechtsgutsverletzung liegt eine natürliche Handlungseinheit auch dann vor, wenn die verschiedenen Handlungen im natürlichen Sinne auf die Verwirklichung desselben Tatbestandstypus, also unter Einschluss von Qualifikationen, gerichtet sind (v. Heintschel-Heinegg in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 52 Rn. 56 mwN). Die Verwirklichung des Qualifikationsmerkmals aus § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erst durch die Tritte gegen den Kopf des am Boden liegenden Nebenklägers steht der Verurteilung wegen einer einheitlichen Tat der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB damit nicht entgegen.
13
2. Die Feststellung des sachverständig beratenen Landgerichts, die Schuldfähigkeit des Angeklagten sei trotz einer zur Tatzeit maximalen Blutalkoholkonzentration von 2,21 Promille nicht erheblich eingeschränkt gewesen, beruht auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung und lässt auch im Übrigen Rechtsfehler nicht erkennen.
14
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gibt es keinen gesicherten medizinischen Erfahrungssatz darüber, dass ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden muss (näher BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 – 1 StR 59/12, BGHSt 57, 247, 250 Rn. 19; BGH, Urteil vom 14. Oktober 2015 – 2 StR 115/15, NStZ-RR 2016, 103 f. mwN; siehe auch BGH, Beschluss vom 2. Juli 2015 – 2 StR 146/15, NJW 2015, 3525 f.). Für die Beurteilung der Schuldfähigkeit maßgeblich ist eine Gesamtschau aller wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände, die sich auf das Erscheinungsbild des Täters vor, während und nach der Tat beziehen (BGH, Urteil vom 29. April 1997 – 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66 ff.; BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 – 1 StR 59/12, BGHSt 57, 247, 252 Rn. 22, siehe auch BGH, Beschluss vom 5. April 2000 – 3 StR 114/00, NStZ-RR 2000, 265; BGH, Urteil vom 22. Januar 1997 – 3 StR 516/96, NStZ-RR 1997, 162 aber auch BGH, Beschluss vom 2. Juli 2015 – 2 StR 146/15, NJW 2015, 3525 f.). Dabei kann die – regelmäßig deshalb zu bestimmende (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. März 2012 – 5 StR 49/12 und vom 8. Oktober 1997 – 2 StR 478/97, NStZ-RR 1998, 68) – Blutalkoholkonzentration ein je nach den Umständen des Einzelfalls sogar gewichtiges, aber keinesfalls allein maßgebliches Beweisanzeichen (Indiz) sein (vgl. BGH, Urteile vom 22. Oktober 2004 – 1 StR 248/04, NStZ 2005, 329; vom 6. Juni 2002 – 1 StR 14/02, NStZ 2002, 532 und vom 3. Dezember 2002 – 1 StR 378/02, NStZ-RR 2003, 71; BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 – 1 StR 59/12, BGHSt 57, 247, 252 Rn. 22; vgl. auch BGH, Urteile vom 11. September 2003 – 4 StR 139/03, NStZ 2004, 690 und vom 22. April 1998 – 3 StR 15/98, NJW 1998, 3427).
15
b) Von diesen Grundsätzen ist das Landgericht bei der Beurteilung der Rechtsfrage, ob die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund des konsumierten Alkohols erheblich eingeschränkt war, ausgegangen. In die gebotene Gesamtwürdigung der relevanten Beweisanzeichen hat es neben dem Grad der Alkoholisierung auch das festgestellte und mit sachverständiger Hilfe bewertete Leistungsverhalten des Angeklagten eingestellt. Entgegen der Auffassung der Revision durfte das Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen auch eine „gewisse Alkoholgewöhnung“ bei der Beurteilung der Erheblichkeit einer alkoholbedingten Einschränkung der Steuerungsfähigkeit berücksichtigen. Es hat bedacht, dass der Angeklagte regelmäßig, aber in längeren Abständen Alkohol zu sich nimmt, dann aber in größeren Mengen.
16
c) Erhebliche Einschränkungen der Schuldfähigkeit des Angeklagten hat das Landgericht auch unter dem Aspekt einer durch einen Affekt bedingten tiefgreifenden Bewusstseinsstörung im Sinne von §§ 20, 21 StGB ohne Rechtsfehler verneint. Die auch diesbezüglich sachverständig beratene Strafkammer hat sich bei der Beurteilung des Vorliegens eines eventuell zur Einschränkung der Schuldfähigkeit führenden Affekts erkennbar an den sog. Saß-Kriterien (dazu Theune NStZ 1999, 273, 274; siehe auch BGH, Urteil vom 28. September 2004 – 1 StR 317/04, NStZ 2005, 149 f.) orientiert. Deren Heranziehung und Anwen- dung auf die konkret festgestellten Umstände zur Person des Angeklagten in der Tatsituation und zur mehraktigen Tatausführung lassen keine Rechtsfehler erkennen. Die Angriffe der Revision erschöpfen sich insoweit in dem revisionsrechtlich unbeachtlichen Versuch einer eigenen Beweiswürdigung.
17
d) Die Strafkammer hat bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit auch das Zusammenwirken von Alkoholisierung und affektiver Aufladung der Situation durch das Verhalten des Nebenklägers in Gestalt von Schlägen gegen den Angeklagten und erheblichen Beleidigungen berücksichtigt (UA S. 16).
18
3. Sonstige, dem Angeklagten nachteilige Rechtsfehler zum Strafausspruch enthält das angefochtene Urteil ebenfalls nicht.

III.

19
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt sowohl zum Schuld- als auch zum Strafausspruch ohne Erfolg.
20
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, mit der es einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten und damit eine Verurteilung wegen versuch- ten Totschlags in Tateinheit mit der ausgeurteilten gefährlichen Körperverletzung verneint hat, hält revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.
21
a) Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind (siehe nur BGH, Beschlüsse vom 7. August 2014 – 3 StR 224/14 Rn. 5 [in NStZ-RR 2014, 349 nur redaktioneller Leitsatz] und vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 80 nur redaktioneller Leitsatz]). Der Beur- teilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 136/14 Rn. 20 mwN und vom 15. Dezember 2015 – 1StR 236/15 Rn. 18; BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 80 nur redaktioneller Leitsatz]). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87 und vom 15. Dezember 2015 – 1 StR 236/15 Rn. 18; siehe auch BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – 4 StR 569/15 Rn. 26; Sander in LR-StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 182 mwN).
22
Die schriftlichen Urteilsgründe müssen dabei so sorgfältig und strukturiert abgefasst sein, dass die tatgerichtliche Entscheidung nachvollziehbar und einer revisionsrechtlichen Überprüfung anhand dieses Maßstabes zugänglich ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. August 2014 – 3 StR 224/14 Rn. 5 mwN; BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 180 nur redaktioneller Leitsatz]).
23
b) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteile vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 mwN und vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 26). Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und – weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5 StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588; BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 26). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 f. Rn. 26) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements ). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f.; vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11, NStZ-RR 2012, 105 und vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 f. Rn. 26 mwN) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94,StV 1994, 654; vgl. näher BGH,Urteile vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443 und vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 187 Rn. 26 jeweils mwN).
24
c) An diesen Maßstäben gemessen hält die Beweiswürdigung des Landgerichts zum bedingten Tötungsvorsatz rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Sie erweist sich weder als widersprüchlich noch in einer Weise als lückenhaft , die den Bestand des Urteils insoweit in Frage stellt.
25
aa) Die Strafkammer ist für die Beurteilung des bedingten Tötungsvorsatzes von der gebotenen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände der Tat und des Täters ausgegangen (UA S. 17). Im Rahmen dieser Gesamtschau hat sie die objektiv hochgradige Gefährlichkeit der mit schweren Stiefeln ausgeführten Tritte gegen den Kopf des Nebenklägers berücksichtigt und daraus den Schluss auf das Vorliegen des Wissenselements des (bedingten ) Tötungsvorsatzes gezogen.
26
bb) Dass sich das Landgericht nicht von dem Vorliegen des Willenselements des Tötungsvorsatzes hat überzeugen können, ist angesichts des für die revisionsgerichtliche Prüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung geltenden Maßstabs (Rn. 24) vom Senat hinzunehmen.
27
Es ist der Revision zwar zuzugeben, dass das tatrichterliche Urteil insoweit widersprüchlich ist, als einerseits im Rahmen der Gesamtschau zum bedingten Tötungsvorsatz auf das Fehlen eines Tatmotivs des Angeklagten abge- stellt, andererseits aber das Vorgehen gegen den Nebenkläger mit der Wut auf diesen wegen der vorangegangenen Schläge und Beleidigungen seitens des Nebenklägers erklärt wird (vgl. UA S. 6). Dies führt aber unter Berücksichtigung der übrigen Erwägungen der Strafkammer zum fehlenden Willenselement nicht zu einem durchgreifenden Rechtsfehler in der Beweiswürdigung. Die Strafkammer hat im Rahmen der Gesamtschau maßgeblich auf die Tatbegehung im Zustand affektiver Erregung, die durch Alkoholkonsum bewirkte nicht unerhebliche Enthemmung und die durch die erheblichen Provokationen des Nebenklägers ausgelöste spontane Ausführung der Gewalthandlungen des Angeklagten (vor allem in Gestalt der Fußtritte) abgestellt.
28
Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass bei spontanen, unüberlegten und in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen aus dem Wissen um den möglichen Todeseintritt nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten auf das selbstständig neben dem Wissenselement stehende Willenselement des Vorsatzes geschlossen werden kann (siehe nur BGH, Urteile vom 14. August 2014 – 4 StR 163/14, NStZ 2015, 266, 267 f. und vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 387/15, StraFo 2016, 110 f.). Die Einordnung und Würdigung eines spontanen oder in affektiver Erregung erfolgenden Handelns obliegt dabei dem Tatrichter (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 387/15, StraFo 2016, 110 f.).
29
Da die genannten besonderen Umstände in der Tatbegehung ihrerseits ausreichend beweiswürdigend belegt sind, hat das Tatgericht tragfähige Anhaltspunkte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 30) dafür benannt, warum bei dem Angeklagten trotz der erkannten Möglichkeit des Todeseintritts die Willenskomponente des bedingten Tötungsvorsatzes nicht gegeben ist. Angesichts des rechtsfehlerfrei festgestell- ten zeitlich gestreckten Geschehensablaufs sieht der Senat auch keinen Rechtsfehler in der Beweiswürdigung darin, dass das Tatgericht bezüglich des Ob und der Art der Beleidigungen des am Boden liegenden Nebenklägers ohne weiteres der Einlassung des Angeklagten gefolgt ist. Dessen zweimalige Rückkehr nach jeweiligem vorherigem Abwenden und Entfernen lässt sich zwanglos mit erneuten Beleidigungen durch den Nebenkläger erklären. Das gilt erst recht angesichts des von mehreren Zeugen geschilderten sehr provokanten Verhaltens des Nebenklägers unter Alkoholeinfluss.
30
2. Auch der Strafausspruch erweist sich im Ergebnis als rechtsfehlerfrei.
31
a) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht einen minder schweren Fall der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB angenommen hat.
32
Die Strafbemessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, in die das Revisionsgericht nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers eingreifen darf. Ein solcher kann etwa dann gegeben sein, wenn die Begründung für die verhängte Strafe dem Revisionsgericht die ihm obliegende sachlich-rechtliche Nachprüfung nicht ermöglicht, die Erwägungen des Tatrichters in sich fehlerhaft sind oder die Strafe sich von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nach oben oder unten löst (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 2. August 2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337 und vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240). Das gilt auch, soweit die tatrichterliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falles zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Juli 2006 – 1 StR 150/06, NStZ-RR 2006, 339, 340; vom 31. Juli 2014 – 4 StR 216/14, juris Rn. 4 und vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240).
33
Die Strafkammer hat in die gebotene Gesamtwürdigung die Schwere der Verletzungen des Nebenklägers und die Verwirklichung von zwei Qualifikationsmerkmalen aus § 224 StGB eingestellt. Dass das Tatgericht das konkrete Tatbild mit einer gewissen Nähe zum bedingten Tötungsvorsatz nicht ausreichend berücksichtigt habe, wie der Generalbundesanwalt meint, führt nicht zu einem durchgreifenden Rechtsfehler. Denn ungeachtet der zum Tatgericht in der gebotenen Weise zugunsten des Angeklagten berücksichtigten Umstände, lag ein minder schwerer Fall der gefährlichen Körperverletzung hier bereits deshalb nicht fern, weil nach den Feststellungen die – zu berücksichtigenden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2012 – 3 StR 206/12, NStZ-RR 2012, 308; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 224 Rn. 15 mwN) – Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB gegeben sind (zu diesen näher BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – 1 StR 574/14, NStZ 2015, 582 f.). Angesichts dessen stellt auch die rechtsfeh- lerhafte Berücksichtigung des zeitweiligen Vollzugs von Untersuchungshaft die Entscheidung der Strafkammer zur Strafrahmenwahl nicht in Frage.
34
b) Auch die Milderung des Strafrahmens aus § 224 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB über § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB hält rechtlicher Prüfung stand.
35
Die Revision weist zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend darauf hin, dass für einen Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB sich das Verhalten des Täters als Ausdruck der Übernahme von Verantwortung erweisen muss (Fischer aaO § 46a Rn. 10a mit zahlr. Nachw.). Daran fehlt es regelmäßig , wenn der Täter seine Tat als Notwehrhandlung darstellt und damit bereits die Opferrolle des Geschädigten in Frage stellt (BGH, Urteil vom 23. Mai 2013 – 4 StR 109/13 mwN [in NStZ-RR 2013, 240 nur Leitsätze]). So verhält es sich vorliegend aber nicht. Der Angeklagte hat die Tatbegehung als solche eingeräumt und sich bei dem Geschädigten entschuldigt, der diese auch angenommen hat. Soweit er sich eingelassen hat, der Nebenkläger habe ihn noch am Boden liegend mit der Faust geschlagen, wird damit eine Notwehrsituation nicht behauptet. Auch die beschönigende Darstellung der als solche eingestandenen Tritte gegen das Gesicht steht der Übernahme von Verantwortung und insbesondere die Anerkennung der Opferrolle des geschädigten Nebenklägers nicht entgegen.
36
Das Vorliegen eines kommunikativen Prozesses zwischen dem Nebenkläger und dem Angeklagten ist auch im Übrigen durch die Feststellungen des Landgerichts ausreichend belegt.
37
c) Die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zur Bewährung gemäß § 56 Abs. 1 und 2 StGB ist angesichts des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs rechtsfehlerfrei.
38
Bei der Entscheidung über die Strafaussetzung ist dem Tatrichter ein weiterer Beurteilungsspielraum zuerkannt, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat (BGH, Urteil vom 13. Februar 2001 – 1 StR 519/00, NStZ 2001, 366; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2016 – 4 StR 25/16 Rn. 3). Hat das Tatgericht die für und gegen die Aussetzung sprechenden Umstände gesehen und gewürdigt und ist dessen Entscheidung auch dann hinzunehmen, wenn eine andere Bewertung denkbar gewesen wäre (BGH aaO).
39
Diesen Anforderungen ist die Strafkammer gerecht geworden. Sie hat im Rahmen der Prognose (§ 56 Abs. 1 StGB) insbesondere auf die günstigen sozio -ökonomischen Lebensbedingungen des Angeklagten sowie dessen bisherige Unbestraftheit abgestellt sowie hinsichtlich § 56 Abs. 2 StGB mit den erheblichen Provokationen des Nebenklägers und dem Täter-Opfer-Ausgleich besondere Umstände benannt.

IV.

40
Die Entscheidungen zu den Kosten und Auslagen beruhen auf § 473 Abs. 1 und 2 StPO. RiBGH Prof. Dr. Jäger ist im Urlaub und deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum Graf Raum Radtke Mosbacher

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Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafgesetzbuch - StGB | § 56 Strafaussetzung


(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig au

Strafgesetzbuch - StGB | § 46a Täter-Opfer-Ausgleich, Schadenswiedergutmachung


Hat der Täter 1. in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder2. in einem Fall, in welchem die

Strafgesetzbuch - StGB | § 1 Keine Strafe ohne Gesetz


Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

Strafgesetzbuch - StGB | § 15 Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln


Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.

Referenzen - Urteile

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 115/15 vom 14. Oktober 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. ECLI:DE:BGH:2015:141015U2STR115.15.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sit

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Apr. 2015 - 3 StR 638/14

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 S t R 6 3 8 / 1 4 vom 16. April 2015 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. April 2015, an der teilgenommen haben: Vorsitzender R

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Feb. 2015 - 1 StR 574/14

bei uns veröffentlicht am 26.02.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 S t R 5 7 4 / 1 4 vom 26. Februar 2015 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Februar 2015, an der teilgenommen haben: Richter a

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Feb. 2015 - 4 StR 39/15

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR39/15 vom 25. Februar 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Diebstahls u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 25. Febru

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Dez. 2014 - 5 StR 136/14

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR136/14 vom 10. Dezember 2014 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Verdachts des Betruges u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Dezember 2014 aufgrund der Haup

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 163/14 vom 14. August 2014 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen versuchten Totschlags u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. August 2014, an der teilgenommen h

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Aug. 2014 - 3 StR 224/14

bei uns veröffentlicht am 07.08.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 224/14 vom 7. August 2014 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. August 2014

Bundesgerichtshof Urteil, 31. Juli 2014 - 4 StR 216/14

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR216/14 vom 31. Juli 2014 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 31. Juli 2014, an der teilgenommen haben: Vorsit
9 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 13. Juli 2016 - 1 StR 128/16.

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Nov. 2016 - 1 StR 194/16

bei uns veröffentlicht am 22.11.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 194/16 vom 22. November 2016 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung ECLI:DE:BGH:2016:221116U1STR194.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22.

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juli 2018 - 5 StR 547/17

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 547/17 vom 18. Juli 2018 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2018:180718U5STR547.17.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerich

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Apr. 2018 - 3 StR 13/18

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 13/18 vom 5. April 2018 Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja –––––––––––––––––––––––––– StGB § 306a Abs. 1 Nr. 1 Zerstören im Sinne des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt bei

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Sept. 2017 - 1 StR 64/17

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BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja –––––––––––––––––––––––––– BtMG § 1 Abs. 1, § 29 Abs. 4, Abs. 1 Nr. 1 1. Fahrlässig i.S.v. § 29 Abs. 4 BtMG treibt derjenige mit Betäubungsmitteln Handel, der bei fehlende

Referenzen

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

19
Seither ist gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass es keinen Rechts- oder Erfahrungssatz gibt, der es gebietet, ohne Rücksicht auf die im konkreten Fall feststellbaren psychodiagnostischen Kriterien ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration regelmäßig von zumindest „bei Begehung der Tat“ erheblichverminderter Schuldfähigkeit auszugehen (grund- legend Senatsentscheidung vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66 ff.; vgl. weiter u.a. auch Beschluss vom 29. November 2005 - 5 StR 358/05; BGH, Urteil vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 248/04; BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 1 StR 233/04; BGH, Beschluss vom 3. Dezember2002 - 1 StR 378/02; BGH, Beschluss vom 5. April 2000 - 3 StR 114/00; BGH, Beschluss vom 3. Dezember 1999 - 3 StR 481/99).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 115/15
vom
14. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:141015U2STR115.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Oktober 2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Dr. Bartel,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Staatsanwalt bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten S. , Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten Se. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten S. und Se. wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 16. Oktober 2014, soweit es sie betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten Se. hat es wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Sachrüge. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wohnten der Mitangeklagte W. , der Angeklagte Se. und der Geschädigte N. in einer Obdachlosenunterkunft in R. . Der Angeklagte S. hatte eine eigene Wohnung. Nachdem sich die vier Männer in der Nähe eines Einkaufsmarkts getroffen hatten, schlug der Angeklagte S. vor, den Abend in seiner Wohnung zu verbringen. Dort sollte der am Folgetag bevorstehende Geburtstag des Angeklagten W. in der Nacht gefeiert werden. Der Angeklagte S. kaufte einen Kasten Bier und alle begaben sich in seine Wohnung, die aus einem Wohnzimmer mit Küchenzeile, Bad, Flur und Balkon bestand. Sie tranken das mitgebrachte Bier. Zwischenzeitlich erschien ein Bekannter des Angeklagten S. , der Zeuge F. , der stark angetrunken war und alsbald einschlief.
3
In der Nacht kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten S. und dem Geschädigten N. . Der Angeklagte S. versetzte dem Geschädigten einen Faustschlag ins Gesicht. Dadurch entstand eine Blutblase, die der Geschädigte im Bad öffnete, wodurch das Bad verschmutzt wurde. Er wollte die Wohnung verlassen, wurde aber von dem Angeklagten S. daran gehindert, indem dieser ihn anschrie und dazu anwies, sich in eine Ecke des Wohnzimmers zu setzen und nicht wegzubewegen. Aus Angst vor weiteren Misshandlungen kam der Geschädigte dieser Aufforderung nach. In der Folgezeit versetzte der Angeklagte S. dem Geschädigten immer wieder Schläge gegen Kopf und Körper und trat ihn mit Füßen. Als das mitgebrachte Bier ausgetrunken war, verließ der Angeklagte W. , der sich an den Misshandlungen nicht beteiligt hatte, die Wohnung des AngeklagtenS. auf dessen Geheiß, um Bier zu kaufen. S. öffnete mit seinem Wohnungsschlüssel die Tür, ließ W. hinaus und schloss die Tür hinter ihm wieder ab. Nachdem die von dem Angeklagten W. besorgten Bierflaschen geleert wa- ren, wiederholte sich der Vorgang, bei dem der Angeklagte W. erneut für etwa eine halbe Stunde die Wohnung verließ, um weiteres Bier zu kaufen. Inzwischen misshandelte der Angeklagte S. den Geschädigten weiter, um sich an ihm abzureagieren und ihn zu erniedrigen. Er versetzte dem Geschädigten Schläge und Tritte. Dazu wechselte er auch das Schuhwerk und zog feste Arbeitsschuhe an, mit denen er den Geschädigten gegen Kopf und Oberkörper trat. Dabei zerbrach die Zahnbrücke des Geschädigten. Im Verlauf des Geschehens wickelte der Angeklagte S. dem Geschädigten den Gürtel eines Bademantels um den Hals und zog kräftig zu, sodass es zweimal knackte und der Geschädigte keine Luft mehr bekam. Auch holte der Angeklagte S. eine Schere herbei und hielt sie dem Geschädigten drohend vor das Gesicht. Weil der Geschädigte blutete, forderte ihn der Angeklagte S. auf, ins Bad zu gehen, einen Lappen zu holen und das Blut vom Boden aufzuwischen. Der Angeklagte Se. begleitete den Geschädigten und bemerkte, man könne ihn in die Badewanne legen und dort „ausbluten“ lassen. Darauf verließ der Geschädigte völlig verängstigt das Bad. Der Angeklagte Se. versetzte ihm einen kräftigen Faustschlag ins Gesicht. In seiner Verzweiflung nahm der Geschädigte ein Küchenmesser, hielt es sich an den Hals und erklärte: „Die Sache könnt ihr dann ja den Bullen erklären“. Der Angeklagte Se. machte den Angeklagten S. darauf aufmerksam, welcher dem Geschädigten das Messer wegnahm.
4
Der Angeklagte S. verlangte dann ohne rechtlichen Grund von dem Geschädigten die Zahlung von 500 Euro und unterstrich sein Verlangen durch Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht. Als der Geschädigte erklärte, dass er nicht über so viel Geld verfüge, verlangte der Angeklagte S. eine Ratenzahlung. Nachdem der Geschädigte bemerkte, dass er auch dazu nicht in der Lage sei, holte der Angeklagte S. einen Notizblock, schrieb auf die erste Seite: „200 € am 31.03.14“ und forderte den Geschädigten dazu auf, dies zu unterschreiben. Der Geschädigte unterschrieb mit seinem Spitznamen „M. “, worauf ihm S. erneut einen Schlag ins Gesicht versetzte und ihn anschrie, er solle mit seinem richtigen Namen unterschreiben. Dem folgte der Geschädigte aus Angst vor weiteren Misshandlungen. Der Angeklagte S. legte dann den Notizblock auf den Wohnzimmertisch und beruhigte sich.
5
Gegen 6.00 Uhr am Morgen des 20. März 2014 erwachte der Zeuge F. und erklärte, er müsse zur Arbeit gehen. Der Angeklagte S. händigte ihm einen zweiten Wohnungsschlüssel aus und schloss mit seinem Schlüssel die Wohnungstür auf, um F. hinauszulassen. Diese Ablenkung nutzte der Geschädigte, um auf den Balkon zu fliehen. Von dort ließ er sich aus einer Höhe von zwölf Metern am Regenrohr herunterrutschen, wobei er Brandverletzungen an den Händen davontrug.
6
2. Das Landgericht hat ausgeführt, die „Unrechtseinsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit“ des Angeklagten S. und die „Einsichts- oder Steuerungsfä- higkeit“ des AngeklagtenSe. seien bei der Begehung der Tat, die im Zeitraum von etwa 21.00 Uhr am 19. März 2014 bis etwa 6.00 Uhr am 20. März 2014 stattgefunden habe, trotz des Alkoholkonsums weder aufgehoben noch erheblich vermindert gewesen.
7
Bei der jeweiligen Blutprobe, die den Angeklagten um 16.34 Uhr beziehungsweise um 16.36 Uhr am 20. März 2014 entnommen wurde, habe der Angeklagte S. einen Blutalkoholgehalt von 1,54 Promille, der Angeklagte Se. einen Blutalkoholgehalt von 1,58 Promille aufgewiesen. Der gerichtliche Sachverständige habe ausgeführt, eine Rückrechnung der Blutalkoholkonzentration über einen Zeitraum von mehr als zehn Stunden hinaus sei sinnlos. Unter Berücksichtigung eines Nachtrunks von jeweils zwei Flaschen Bier sei für einen Zeitpunkt, der zehn Stunden vor der Blutentnahme liege, von einer höchstmöglichen Blutalkoholkonzentration von 3,16 Promille bei dem Angeklagten S. um 6.34 Uhr und von 3,78 Promille bei dem Angeklagten Se. gegen 6.36 Uhr auszugehen; zu dieser Zeit seien aber alle Tathandlungen bereits beendet gewesen. Nach den Trinkmengenangaben des Angeklagten S. errechne sich für den Tatzeitraum eine höchstmögliche Blutalkoholkonzentration von 5,52 Promille, die nach der Aussage des medizinischen Sachverständigen „mit dem Leben unvereinbar“ erscheine. Für Se. , der keine Trinkmengenangaben gemacht habe, sei eine solche Berechnung nicht möglich.
8
Das Landgericht hat die Annahme des Sachverständigen gebilligt, dass eine Rückrechnung des Blutalkoholgehalts über einen längeren Zeitraum als zehn Stunden nicht vorzunehmen sei. Bei der Berechnungsmethode des Sachverständigen handele es sich um aufgrund des Zweifelssatzes zustande gekommene Maximalwerte, die zugunsten des Angeklagten S. eine hohe Fehlerquote enthielten. Je weiter der Zeitpunkt der Blutentnahme von der Tatzeit entfernt sei, desto geringer werde die Aussagekraft der errechneten Blutalkoholkonzentration und desto mehr gewönnen andere Beweisanzeichen für die Beurteilung der Schuldfähigkeit an Bedeutung. Für seine Feststellung, die Unrechtseinsichts- oder Steuerungsfähigkeit der Angeklagten sei zur Tatzeit nicht durch Alkoholisierung aufgehoben oder erheblich beeinträchtigt gewesen, hat das Landgericht auf deren Leistungsverhalten abgestellt.
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Der Angeklagte S. sei bei Eintreffen des Zeugen F. in der Lage gewesen, diesem ein Bett zu bereiten. Dem Angeklagten W. habe er den Weg zur Tankstelle erklärt, sein Fahrrad angeboten und dessen Abstellort im Keller beschrieben. Bei den Schlägen und Tritten gegen den Geschädigten sei es nicht zu unkontrollierten Gewaltexzessen gekommen, sondern zu dosierten Verletzungshandlungen. Bei der Geldforderung gegenüber dem Geschädigten habe der Angeklagte S. situationsgerecht gehandelt und auf die Ausweichversuche des Geschädigten folgerichtig reagiert. Am Morgen nach der Tat habe S. umsichtig gehandelt, als er dem Zeugen F. seinen Zweitschlüssel zur Wohnung ausgehändigt habe. Auf seinem späteren Weg zum Supermarkt habe der Angeklagte S. zwar „geschwankt“, sei aber nicht hingefallen und habe problemlos bezahlen können.
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Der Angeklagte Se. habe einen Erinnerungsverlust für die Tatzeit behauptet, der medizinisch nicht erklärbar sei. Weder die Angeklagten S. und W. noch der Zeuge N. hätten Ausfallerscheinungen beim Angeklagten Se. geschildert. Dieser habe S. auf die Selbstgefährdung des Geschädigten mit dem Messer aufmerksam gemacht und auf die Flucht des Geschädigten durch dessen Verfolgung und den Versuch ihnfestzuhalten reagiert. Auch bei ihm habe der Mitangeklagte W. am nächsten Morgen nur „leichte Probleme beim Gang zum Einkaufsmarkt“ beschrieben.
11
Insgesamt sei zwar von einer erheblichen Alkoholisierung der Angeklagten S. und Se. zur Tatzeit auszugehen, nicht aber von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit.

II.

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Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richten. Sie haben aber hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg. Die Begründung der Ablehnung einer alkoholbedingten erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit der Angeklagten zur Tatzeit gemäß § 21 StGB trägt nicht.
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1. Eine Blutalkoholkonzentration von mehr als drei Promille, die hier bei beiden Angeklagten durch den Rückrechnungsansatz des Sachverständigen in Betracht kommt, legt die Annahme einer erheblichen Herabsetzung des Hemmungsvermögens zur Tatzeit nahe. Auch wenn davon auszugehen ist, dass es keinen gesicherten medizinisch-statistischen Erfahrungssatz darüber gibt, dass ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien allein wegen ei- ner bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden muss (BGH, Urteil vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 72 ff.; Beschluss vom 29. Mai 2012 – 1 StR 59/12, BGHSt 57, 247, 250), ist der im Einzelfall festzustellende Wert doch immerhin ein gewichtiges Beweisanzeichen für eine erhebliche alkoholische Beeinflussung. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, dass die Wirkungen einer Alkoholaufnahme individuell verschieden sind (Wendt/Kröber in Körber/Dölling/Leygraf/Saß [Hrsg.], Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 2, 2010, S. 240, 249). Der Blutalkoholgehalt zeigt nämlich immerhin die wirksam aufgenommene Alkoholmenge an. Je höher dieser Wert ist, umso näher liegt die Annahme einer zumindest erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit. Bei einer starken Alkoholisierung lässt sich eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit nur ausschließen , wenn gewichtige Anzeichen dafür sprechen, dass das Hemmungsvermögen des Täters zur Tatzeit erhalten geblieben war (Senat, Beschluss vom 2. Juli 2015 – 2 StR 146/15, NJW 2015, 3525, 3526).
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2. Dem tragen die Erwägungen der Strafkammer nicht ausreichend Rechnung.
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a) Die Urteilsgründe lassen zunächst zu Unrecht offen, welcher Blutalkoholgehalt bei den Angeklagten zur Tatzeit vorgelegen hat. Der Blutalkoholgehalt ist zwar kein allein maßgebliches, aber doch im Einzelfall gewichtiges Beweisanzeichen (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 – 1 StR 59/12, BGHSt 57, 247, 252). Es darf deshalb, soweit Feststellungen möglich sind, nicht offen gelassen werden. Die vom Landgericht gebilligte Vornahme einer Rückrechnung des Blutalkoholgehalts durch den Sachverständigen vom Zeitpunkt der Blutprobenentnahme nur bis zu einem Zeitpunkt, der zehn Stunden davor liegt, aber nach dem Ende des Tatzeitraums, verstößt gegen das Gebot, den Blutalkoholgehalt regelmäßig festzustellen.
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Bedenken des Landgerichts gegen die Aussagekraft einer Rückrechnung mit Maximalwerten über einen langen Rückrechnungszeitraum (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 1988 – 1 StR 231/88, BGHSt 35, 308, 314) hätten zumindest durch Kontrollrechnungen mit Minimal- und Mindestwerten relativiert werden können, sodass der höchstmögliche, der wahrscheinliche und der zumindest in Betracht zu ziehende Blutalkoholwert zu ermitteln gewesen wären (vgl. Graw/Thieme in Dreßing/Habermeyer [Hrsg.], Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl. 2015, S. 213, 217). Solche Kontrollrechnungen hat das Landgericht nicht in Betracht gezogen.
17
Hat die Strafkammer den – nicht abschließend festgestellten – Blutalkoholgehalt der Angeklagten zur Tatzeit letztlich bei seiner Beweiswürdigung außer Betracht gelassen, so hat sie eines der relevanten Indizien, die für und gegen eine alkoholbedingte erhebliche Verminderung des Hemmungsvermögens sprechen können, zu Unrecht unberücksichtigt gelassen.
18
b) Erforderlich ist stets eine Gesamtwürdigung der feststellbaren Alkoholaufnahme einerseits und der psychodiagnostischen Kriterien andererseits (Senat, Beschluss vom 30. April 2015 – 2 StR 444/14, NStZ 2015, 634). Dabei sind allerdings nur solche Umstände zu berücksichtigen, die aussagekräftige Hinweise darauf geben können, ob das Hemmungsvermögen des Täters bei der Begehung der Tat erhalten geblieben ist oder nicht (zu Kriterien, die gegen und für eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit sprechen, Wendt/Kröber aaO S. 256 f.).
19
Die Tatsache, dass sich besonders trinkgewohnte Personen trotz erheblicher Alkoholisierung äußerlich unauffällig verhalten können, deutet an, dass manche Umstände aus dem äußeren Geschehensablauf ohne Aussagekraft dafür sind, ob das Hemmungsvermögen des Täters bei der Begehung der Tat erheblich eingeschränkt war oder nicht (Senat, Beschluss vom 2. Juli 2015 – 2 StR 146/15, NJW 2015, 3525, 3526).

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Zumindest einem Teil der vom Landgericht herangezogenen Umstände kommt eine gegen die Herabsetzung der Steuerungsfähigkeit gerichtete Beweisbedeutung , von der das Gericht ausgegangen ist, tatsächlich nicht zu. Deshalb erweist sich auch die Beweiswürdigung des Landgerichts zum Leistungsverhalten der Angeklagten rechtsfehlerhaft, auch wenn nicht zu verkennen ist, dass manche Umstände für eine erhalten gebliebene Steuerungsfähigkeit sprechen können.
21
Die Annahme des Landgerichts, bei den Schlägen und Tritten gegen den Geschädigten sei es nicht zu unkontrollierten Gewaltexzessen gekommen, sondern zu dosierten Verletzungshandlungen, ist für sich genommen ohne Aussagekraft. Von einem bedeutsamen, geordneten und an äußeren Gegebenheiten orientierten Verhalten, das für eine unbeeinträchtigte Steuerungsfähigkeit sprechen würde (Wendt/Kröber aaO S. 256), kann dabei keine Rede sein. Eine besondere Zurückhaltung der Angeklagten oder bewusst begrenzte Dosierung der Gewalthandlungen, die für ein erhalten gebliebenes Hemmungsvermögen sprechen könnte, ist daraus nicht zu entnehmen.
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Die Hervorhebung der Tatsache, dass die Angeklagten am anderen Morgen auf dem Weg zum Supermarkt nur leichte Gangunsicherheiten gezeigt hätten, deutet gleichfalls einen Wertungsfehler des Landgerichts an. Bei trinkgewohnten Personen, wie den Angeklagten, ist im Fall einer leichten oder mittleren Alkoholisierung überhaupt nicht notwendig mit äußerlich erkennbaren Ausfallerscheinungen zu rechnen (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 – 1 StR 59/12, BGHSt 57, 247, 253). Die Tatsache, dass die Angeklagten nach der Tat immerhin Probleme beim Gehen gezeigt haben, spricht in der Zusammenschau mit einer erheblichen Alkoholaufnahme wiederum eher für als gegen eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit.

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Demgegenüber kommt den Umständen, die das Landgericht im Ansatz als Anzeichen für eine erhalten gebliebene Steuerungsfähigkeit gewertet hat, nur begrenzte Aussagekraft zu.
24
Die Tatsache, dass der Angeklagte S. vor Beginn der Gewalthandlungen noch in der Lage war, für den Zeugen F. ein Klappbett aufzustellen und mit einem Spannbettbezug zu versehen, besagt wenig gegen die Annahme , seine Fähigkeit zur Hemmung gegenüber den nachfolgenden Gewalthandlungen gegenüber dem Geschädigten und dem Erpressungsversuch sei erheblich beeinträchtigt gewesen.
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Ebenfalls ist es nicht von besonderer Beweisbedeutung, dass der Angeklagte Se. im Verlauf des Geschehens realisiert hat, dass der Geschädigte sich selbst ein Messer an den Hals hielt und schließlich die Flucht über den Balkon antrat, worauf der Angeklagte Se. den Angeklagten S. aufmerksam machte. Erhalten gebliebene kognitive Fähigkeiten betreffen eher die Fähigkeit zu Unrechtseinsicht, weniger den Aspekt der Steuerungsfähigkeit. Fischer Krehl Eschelbach Ott Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 1 4 6 / 1 5
vom
2. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten M. wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 25. November 2014 aufgehoben
a) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen, soweit es ihn und den Angeklagten K. betrifft,
b) im Adhäsionsausspruch, soweit es ihn betrifft. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendkammer tätige Strafkammer zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen Raubes in Tatein1 heit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, den Angeklagten K. wegen desselben Tatvorwurfs unter Einbeziehung weiterer Urteile zu einer zur Bewährung ausgesetzten Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten M. hat zum Strafausspruch und zur Adhäsionsentscheidung Erfolg ; hinsichtlich des Strafausspruchs war sie auf den nichtrevidierenden Angeklagten K. zu erstrecken.
2
Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Hingegen weisen der Strafausspruch und die Adhäsionsentscheidung Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten M. auf. 1. Der Strafausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken,
3
weil die Strafkammer eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hat.
a) Das sachverständig beratene Landgericht hat unter Rückrechnung
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einer etwa 7 ½ Stunden nach der Tat entnommenen Blutprobe mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,14 Promille festgestellt, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt eine "Blutalkoholkonzentration von maximal 3,9 Promille" aufgewiesen habe. Auf der Grundlage der Trinkmengenangaben des Angeklagten ist es unter Anwendung der Widmark-Formel zu einer maximalen Blutalkoholkonzentration von 3,03 Promille gekommen. Ausgehend von einer Alkoholisierung von maximal 3,9 Promille hätten gleichwohl die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht vorgelegen. Zwar sei bei einer rechnerisch derart hohen Blutalkoholkonzentration regelmäßig die Prüfung einer Aufhebung der Schuldfähigkeit gemäß § 20 StGB veranlasst und noch sorgfältiger zu prüfen, ob eine Anwendung des § 21 StGB in Betracht komme. Es gebe aber keinen gesicherten medizinisch -statistischen Erfahrungssatz darüber, dass ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt verminderten oder gänzlich aufgehobenen Steuerungsfähigkeit auszugehen sei. Danach ließen die vorliegenden psychodiagnostischen Beweisanzeichen den Schluss zu, dass das körperliche und geistige Leistungsvermögen des alkoholgewöhnten Angeklagten M. bei Tatbegehung trotz des angenommenen hohen Blutalkoholwerts von 3,9 Promille nicht wesentlich beeinträchtigt gewesen sei. Zwar könne Alkohol zu einer Verstärkung der Nebenwir- kungen der Medikamente führen, die der Angeklagte M. habe einnehmen müssen, was sich in Schläfrigkeit und Bewegungsstörungen äußere. So habe die Zeugin P. auch ein Anstoßen am Tisch und leichten Atemalkohol bemerkt. Gegen eine erhebliche Beeinträchtigung von Einsichts- und Steuerungsfähigkeit spreche aber der Umstand, dass der Angeklagte detailreiche Erinnerungen habe, nach Angaben der Zeugin Ma. und des Mitangeklagten K. längere Wegstrecken problemlos und ohne alkoholbedingte Einschränkungen habe zurücklegen können und auch der Abtransport eines Fernsehers ihm keine Schwierigkeiten bereitet habe. Zudem sei er in der Lage gewesen, gezielt nach Wertgegenständen zu suchen und dem Mitangeklagten beim Einpacken des Fernsehers zu helfen. Motorische Ausfälle habe es nicht gegeben. Nach der Aussage der Zeugin P. habe er genau gewusst, was er tue und sei laut und aggressiv gewesen. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte M. trinkgewohnt gewesen sei. Danach würden die gegen eine Einschränkung der Schuldfähigkeit sprechenden Umstände überwiegen, zumal der Mitangeklagte K. keinerlei alkoholbedingte Auffälligkeiten beim Angeklagten M. bemerkt habe und dieser auch nur angegeben habe, angetrunken und nicht betrunken gewesen zu sein.
b) Diese Begründung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht
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stand. Eine Blutalkoholkonzentration von maximal 3,9 Promille legt die Annahme einer erheblichen Herabsetzung der Hemmungsfähigkeit sehr nahe, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon ab einer Blutalkoholkonzentration von 2,0 Promille in Betracht zu ziehen ist (BGH, Urteil vom 22. November 1990- 4 StR 117/90, BGHSt 37, 231, 235; Urteil vom 12. Januar 1994 - 3 StR 633/93, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 27; Beschluss vom 25. Februar 1998 - 2 StR 16/98, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 34; BGH, Beschluss vom 26. November 1997 - 2 StR 553/97, NStZ-RR 1998, 107; BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 5 StR 545/11, NStZ 2012, 261). Auch wenn davon auszugehen ist, dass es keinen gesicherten medizinisch -statistischen Erfahrungssatz darüber gibt, dass ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden muss, ist der festgestellte Wert ein gewichtiges Beweisanzeichen für die Stärke der alkoholischen Beeinflussung. Je höher dieser Wert ist, um so näher liegt die Annahme einer zumindest erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit. Maßgeblich für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 21 StGB gegeben sind, ist dementsprechend eine Gesamtwürdigung, in die sowohl die Höhe der Blutalkoholkonzentration als auch psychodiagnostische Kriterien einzustellen sind. Bei einer starken Alkoholisierung lässt sich erheblich verminderte Schuldfähigkeit nur ausschließen, wenn gewichtige Anzeichen für den Erhalt der Hemmungsfähigkeit sprechen (BGH, Beschluss vom 26. November 1997 - 2 StR 553/97, NStZ-RR 1998, 107). aa) Die Erwägungen der Strafkammer genügen diesen Anforderungen
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nicht. Sie lassen zum einen besorgen, dass sie ihrer Entscheidung bereits einen fehlerhaften Maßstab zugrunde gelegt hat, indem sie - bei lediglich formelhafter Erwähnung der beim Angeklagten M. festgestellten Blutalkoholkonzentration - lediglich eine Würdigung der so genannten psychodiagnostischen Beweisanzeichen vorgenommen hat, ohne dabei die sehr hohe und deshalb für die Annahme von erheblich eingeschränkter Schuldfähigkeit streitende Blutalkoholkonzentration zu berücksichtigen. Dafür spricht maßgeblich, dass sie auch hinsichtlich des Mitangeklagten K. eine sehr hohe Blutalkoholkonzentration von 4,35 Promille festgestellt und bei der sich anschließenden Würdigung lediglich die aus ihrer Sicht gegen die Annahme erheblich eingeschränkter Schuldfähigkeit sprechenden Umstände in den Blick genommen hat, ohne sich mit der hochgradigen Alkoholisierung auseinander zu setzen. Dies lässt die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderliche Gesamtwürdigung von festgestellter Alkoholisierung einerseits und gegen die Herabsetzung der Steuerungsfähigkeit sprechender psychodiagnostischer Kriterien andererseits vermissen. bb) Zum anderen erweist sich die vom Landgericht vorgenommene
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Würdigung als nicht tragfähig. Als gegen die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit sprechende psychodiagnostische Beurteilungskriterien kommen dabei nur solche Umstände in Betracht, die verlässliche Hinweise darauf geben können, ob das Steuerungsvermögen des Täters trotz der erheblichen Alkoholisierung voll erhalten geblieben ist (BGH, Beschluss vom 30. Juli 1997 - 3 StR 144/97, NStZ 1997, 592). Wesentlichen vom Landgericht herangezogenen Umständen kommt eine solche Bedeutung nicht oder nur in eingeschränktem Umfang zu. Dass der Angeklagte zielgerichtet nach Wertgegenständen gesucht und dem Mitangeklagten K. beim Einpacken des Fernsehers geholfen hat, stellt sich lediglich als bloße Verwirklichung des Tatvorsatzes dar, Wertgegenstände aus der Wohnung zu entwenden; daraus lassen sich regelmäßig keine tragfähigen Schlüsse in bezug auf die Steuerungsfähigkeit des Täters gewinnen (Fischer, StGB, 62. Aufl., § 20 Rn. 25). Insoweit ist auch der vom Landgericht erwähnte Umstand, der Angeklagte M. habe genau gewusst, was er getan habe, ebenso ohne jede Aussagekraft wie die Einschätzung, er sei "laut" und "aggressiv" gewesen (was eher noch ein Umstand für eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit sein könnte). Das Fehlen von Ausfallerscheinungen oder alkoholbedingten Einschränkungen, das die Strafkammer in verschiedener Weise heranzieht, kann zwar grundsätzlich gegen eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit sprechen; doch ist bei - wie hier - alkoholgewöhnten Tätern zu berücksichtigen, dass äußeres Leistungsverhalten und innere Steuerungsfähigkeit durchaus weit auseinander fallen können (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2007 - 4 StR 187/07, NStZ 2007, 696; Beschluss vom 30. April 2015 - 2 StR 444/14) und sich gerade bei Alkoholikern oft eine durch "Übung" erworbene erstaunliche Kompensationsfähigkeit im Bereich grobmotorischer Auffälligkeiten zeigt (Fischer, aaO, § 20 Rn. 23a). Dass dies selbst bei extrem hoher Blutalkoholkonzentration zu äußerer Unauffälligkeit führen kann, hat das Landgericht, das an anderer Stelle lediglich ohne nähere Erläuterung anführt, es sei auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte trinkgewohnt sei, nicht erkennbar bedacht oder erwogen. Hinzu kommt, dass der Angeklagte nach dem Eindruck der Zeugin P. - was die Strafkammer an dieser Stelle nicht erwähnt - "leichte Gleichgewichtsprobleme" hatte und damit jedenfalls gewisse Anhaltspunkte für eine alkoholbedingte Einschränkung im Raum stehen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die bloße Selbsteinschätzung des Angeklagten M. , er sei nur angetrunken, aber nicht betrunken gewesen, ebenso wenig wie die Angaben des ebenfalls hochgradig alkoholisierten Mitangeklagten K. , er habe keinerlei alkoholbedingte Auffälligkeiten beim Angeklagten M. bemerkt, ohne relevanten Beweiswert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2009 - 5 StR 57/09, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 41). Darüber hinaus zeigt das Tatbild Besonderheiten, die sogar positiv auf
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eine alkoholbedingte erhebliche Herabsetzung der Hemmungsfähigkeit des Angeklagten schließen lassen können und die von der Jugendkammer in diesem Zusammenhang nicht erörtert werden. Schon der Auslöser für die Tat ist sonderbar. Die Angeklagten wurden von einer guten Bekannten gebeten, dem Zeugen D. , der sich einer anderen Frau zugewendet habe, "eins in die Fresse zu hauen" und ihm Sachen zu entwenden. Daraufhin machten sie sich unmittelbar mit einem Hund auf einen 20-30-minütigen Fußweg zur Wohnung des Zeugen, in der sie lediglich die Zeugin P. antrafen. Dort entwendeten sie einen Fernseher, den sie in einen Bettbezug packten und zu Fuß in die Wohnung des Mitangeklagten K. brachten, wo er später sichergestellt wurde. Eine zuvor mit weiteren Gegenständen bepackte Reisetasche ließen die Ange- klagten am Tatort zurück, weil sie zu schwer war. Der Zeugin P. gelang es, während der Tat die Wohnung zu verlassen. Als sie nochmals zurückkehrte, um ihr Handy zurückzufordern, händigten die Angeklagten ihr dies aus und ließen sie wieder gehen. Neben diesen für eine spontane und unbedachte Tatausführung und damit auch für eine Herabsetzung der Steuerungsfähigkeit sprechenden Umständen bleibt auch unerörtert, dass die Angeklagten am frühen Abend des Tattages nochmals zu Fuß zur Wohnung des Zeugen D. zurückkehrten und dort den im Hausflur angetroffenen Zeugen Da. baten, bei diesem zu klingeln und von ihm die am Tatort vergessene Hundeleine und die Fernbedienung für den entwendeten Fernseher zu fordern. Ein solches, ersichtlich von vornherein zum Scheitern verurteiltes Vorgehen, das zudem geeignet war, die Überführung der Angeklagten als Täter wesentlich zu erleichtern, hätte die Strafkammer ebenfalls in den Blick nehmen müssen.
c) Die Aufhebung des Strafausspruchs ist auf den nicht revidierenden
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Mitangeklagten K. zu erstrecken (§ 357 StPO). Zwar kommt eine Erstreckung bei Rechtsfehlern im Zusammenhang mit der Schuldfähigkeit regelmäßig nicht in Betracht, weil die Frage der Schuldfähigkeit nur individuell zu bestimmen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 1992 - 4 StR 615/91, StV 1992, 317). Liegen die Aufhebungsgründe aber nicht nur in der Person des Revisionsführers vor, sondern betreffen sie - wie hier - auch den nicht revidierenden Angeklagten , kommt eine Erstreckung in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1991 - 5 StR 598/91, StV 1992, 417 im Zusammenhang mit einer fehlerhaften Gesamtwürdigung bei der Frage der Strafaussetzung zur Bewährung). Das Landgericht hat bei seinen Entscheidungen über die Schuldfähigkeit der Angeklagten bei vergleichbar hohen Blutalkoholkonzentrationen - wie dargelegt - einen unzutreffenden Maßstab zum Ausgangspunkt seiner Prüfung gemacht, ohne dass es für die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung noch auf die individuelle Würdigung hinsichtlich des einzelnen Angeklagten ankäme.
Dies führt - auch hinsichtlich des Mitangeklagten K. als Heranwach10 sendem - zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann nicht ausschließen , dass eine ordnungsgemäße Prüfung bei beiden Angeklagten zur Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit und zu milderen Strafen geführt hätte. 2. Auch der Adhäsionsausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen
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Bedenken, soweit darin festgestellt wird, dass der Angeklagte M. verpflichtet ist, der Nebenklägerin sämtliche materielle und immaterielle Schäden aus der zu ihrem Nachteil begangenen Tat vom 27. Mai 2014 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind. Dabei kann dahinstehen, ob der die Ersatzpflicht feststellende Ausspruch nur bereits eingetretene oder auch künftige Schäden umfassen soll. Denn es ist - was aber erforderlich wäre - weder dargetan, dass hinsichtlich bereits entstandener Schäden , für deren Vorhandensein sich nichts aus den Urteilsgründen ergibt, die Geltendmachung im Rahmen eines Leistungsantrags unmöglich oder unzumutbar wäre, noch ist ersichtlich, dass die Entstehung künftiger Schäden wahrscheinlich oder zumindest möglich ist. Insoweit bedarf der Adhäsionsausspruch ebenfalls der Zurückverweisung und Neuverhandlung. Fischer Eschelbach Krehl Zeng RinBGH Dr. Bartel ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer
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Seither ist gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass es keinen Rechts- oder Erfahrungssatz gibt, der es gebietet, ohne Rücksicht auf die im konkreten Fall feststellbaren psychodiagnostischen Kriterien ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration regelmäßig von zumindest „bei Begehung der Tat“ erheblichverminderter Schuldfähigkeit auszugehen (grund- legend Senatsentscheidung vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66 ff.; vgl. weiter u.a. auch Beschluss vom 29. November 2005 - 5 StR 358/05; BGH, Urteil vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 248/04; BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 1 StR 233/04; BGH, Beschluss vom 3. Dezember2002 - 1 StR 378/02; BGH, Beschluss vom 5. April 2000 - 3 StR 114/00; BGH, Beschluss vom 3. Dezember 1999 - 3 StR 481/99).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 1 4 6 / 1 5
vom
2. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten M. wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 25. November 2014 aufgehoben
a) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen, soweit es ihn und den Angeklagten K. betrifft,
b) im Adhäsionsausspruch, soweit es ihn betrifft. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendkammer tätige Strafkammer zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen Raubes in Tatein1 heit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, den Angeklagten K. wegen desselben Tatvorwurfs unter Einbeziehung weiterer Urteile zu einer zur Bewährung ausgesetzten Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten M. hat zum Strafausspruch und zur Adhäsionsentscheidung Erfolg ; hinsichtlich des Strafausspruchs war sie auf den nichtrevidierenden Angeklagten K. zu erstrecken.
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Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Hingegen weisen der Strafausspruch und die Adhäsionsentscheidung Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten M. auf. 1. Der Strafausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken,
3
weil die Strafkammer eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hat.
a) Das sachverständig beratene Landgericht hat unter Rückrechnung
4
einer etwa 7 ½ Stunden nach der Tat entnommenen Blutprobe mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,14 Promille festgestellt, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt eine "Blutalkoholkonzentration von maximal 3,9 Promille" aufgewiesen habe. Auf der Grundlage der Trinkmengenangaben des Angeklagten ist es unter Anwendung der Widmark-Formel zu einer maximalen Blutalkoholkonzentration von 3,03 Promille gekommen. Ausgehend von einer Alkoholisierung von maximal 3,9 Promille hätten gleichwohl die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht vorgelegen. Zwar sei bei einer rechnerisch derart hohen Blutalkoholkonzentration regelmäßig die Prüfung einer Aufhebung der Schuldfähigkeit gemäß § 20 StGB veranlasst und noch sorgfältiger zu prüfen, ob eine Anwendung des § 21 StGB in Betracht komme. Es gebe aber keinen gesicherten medizinisch -statistischen Erfahrungssatz darüber, dass ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt verminderten oder gänzlich aufgehobenen Steuerungsfähigkeit auszugehen sei. Danach ließen die vorliegenden psychodiagnostischen Beweisanzeichen den Schluss zu, dass das körperliche und geistige Leistungsvermögen des alkoholgewöhnten Angeklagten M. bei Tatbegehung trotz des angenommenen hohen Blutalkoholwerts von 3,9 Promille nicht wesentlich beeinträchtigt gewesen sei. Zwar könne Alkohol zu einer Verstärkung der Nebenwir- kungen der Medikamente führen, die der Angeklagte M. habe einnehmen müssen, was sich in Schläfrigkeit und Bewegungsstörungen äußere. So habe die Zeugin P. auch ein Anstoßen am Tisch und leichten Atemalkohol bemerkt. Gegen eine erhebliche Beeinträchtigung von Einsichts- und Steuerungsfähigkeit spreche aber der Umstand, dass der Angeklagte detailreiche Erinnerungen habe, nach Angaben der Zeugin Ma. und des Mitangeklagten K. längere Wegstrecken problemlos und ohne alkoholbedingte Einschränkungen habe zurücklegen können und auch der Abtransport eines Fernsehers ihm keine Schwierigkeiten bereitet habe. Zudem sei er in der Lage gewesen, gezielt nach Wertgegenständen zu suchen und dem Mitangeklagten beim Einpacken des Fernsehers zu helfen. Motorische Ausfälle habe es nicht gegeben. Nach der Aussage der Zeugin P. habe er genau gewusst, was er tue und sei laut und aggressiv gewesen. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte M. trinkgewohnt gewesen sei. Danach würden die gegen eine Einschränkung der Schuldfähigkeit sprechenden Umstände überwiegen, zumal der Mitangeklagte K. keinerlei alkoholbedingte Auffälligkeiten beim Angeklagten M. bemerkt habe und dieser auch nur angegeben habe, angetrunken und nicht betrunken gewesen zu sein.
b) Diese Begründung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht
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stand. Eine Blutalkoholkonzentration von maximal 3,9 Promille legt die Annahme einer erheblichen Herabsetzung der Hemmungsfähigkeit sehr nahe, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon ab einer Blutalkoholkonzentration von 2,0 Promille in Betracht zu ziehen ist (BGH, Urteil vom 22. November 1990- 4 StR 117/90, BGHSt 37, 231, 235; Urteil vom 12. Januar 1994 - 3 StR 633/93, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 27; Beschluss vom 25. Februar 1998 - 2 StR 16/98, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 34; BGH, Beschluss vom 26. November 1997 - 2 StR 553/97, NStZ-RR 1998, 107; BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 5 StR 545/11, NStZ 2012, 261). Auch wenn davon auszugehen ist, dass es keinen gesicherten medizinisch -statistischen Erfahrungssatz darüber gibt, dass ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden muss, ist der festgestellte Wert ein gewichtiges Beweisanzeichen für die Stärke der alkoholischen Beeinflussung. Je höher dieser Wert ist, um so näher liegt die Annahme einer zumindest erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit. Maßgeblich für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 21 StGB gegeben sind, ist dementsprechend eine Gesamtwürdigung, in die sowohl die Höhe der Blutalkoholkonzentration als auch psychodiagnostische Kriterien einzustellen sind. Bei einer starken Alkoholisierung lässt sich erheblich verminderte Schuldfähigkeit nur ausschließen, wenn gewichtige Anzeichen für den Erhalt der Hemmungsfähigkeit sprechen (BGH, Beschluss vom 26. November 1997 - 2 StR 553/97, NStZ-RR 1998, 107). aa) Die Erwägungen der Strafkammer genügen diesen Anforderungen
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nicht. Sie lassen zum einen besorgen, dass sie ihrer Entscheidung bereits einen fehlerhaften Maßstab zugrunde gelegt hat, indem sie - bei lediglich formelhafter Erwähnung der beim Angeklagten M. festgestellten Blutalkoholkonzentration - lediglich eine Würdigung der so genannten psychodiagnostischen Beweisanzeichen vorgenommen hat, ohne dabei die sehr hohe und deshalb für die Annahme von erheblich eingeschränkter Schuldfähigkeit streitende Blutalkoholkonzentration zu berücksichtigen. Dafür spricht maßgeblich, dass sie auch hinsichtlich des Mitangeklagten K. eine sehr hohe Blutalkoholkonzentration von 4,35 Promille festgestellt und bei der sich anschließenden Würdigung lediglich die aus ihrer Sicht gegen die Annahme erheblich eingeschränkter Schuldfähigkeit sprechenden Umstände in den Blick genommen hat, ohne sich mit der hochgradigen Alkoholisierung auseinander zu setzen. Dies lässt die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderliche Gesamtwürdigung von festgestellter Alkoholisierung einerseits und gegen die Herabsetzung der Steuerungsfähigkeit sprechender psychodiagnostischer Kriterien andererseits vermissen. bb) Zum anderen erweist sich die vom Landgericht vorgenommene
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Würdigung als nicht tragfähig. Als gegen die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit sprechende psychodiagnostische Beurteilungskriterien kommen dabei nur solche Umstände in Betracht, die verlässliche Hinweise darauf geben können, ob das Steuerungsvermögen des Täters trotz der erheblichen Alkoholisierung voll erhalten geblieben ist (BGH, Beschluss vom 30. Juli 1997 - 3 StR 144/97, NStZ 1997, 592). Wesentlichen vom Landgericht herangezogenen Umständen kommt eine solche Bedeutung nicht oder nur in eingeschränktem Umfang zu. Dass der Angeklagte zielgerichtet nach Wertgegenständen gesucht und dem Mitangeklagten K. beim Einpacken des Fernsehers geholfen hat, stellt sich lediglich als bloße Verwirklichung des Tatvorsatzes dar, Wertgegenstände aus der Wohnung zu entwenden; daraus lassen sich regelmäßig keine tragfähigen Schlüsse in bezug auf die Steuerungsfähigkeit des Täters gewinnen (Fischer, StGB, 62. Aufl., § 20 Rn. 25). Insoweit ist auch der vom Landgericht erwähnte Umstand, der Angeklagte M. habe genau gewusst, was er getan habe, ebenso ohne jede Aussagekraft wie die Einschätzung, er sei "laut" und "aggressiv" gewesen (was eher noch ein Umstand für eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit sein könnte). Das Fehlen von Ausfallerscheinungen oder alkoholbedingten Einschränkungen, das die Strafkammer in verschiedener Weise heranzieht, kann zwar grundsätzlich gegen eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit sprechen; doch ist bei - wie hier - alkoholgewöhnten Tätern zu berücksichtigen, dass äußeres Leistungsverhalten und innere Steuerungsfähigkeit durchaus weit auseinander fallen können (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2007 - 4 StR 187/07, NStZ 2007, 696; Beschluss vom 30. April 2015 - 2 StR 444/14) und sich gerade bei Alkoholikern oft eine durch "Übung" erworbene erstaunliche Kompensationsfähigkeit im Bereich grobmotorischer Auffälligkeiten zeigt (Fischer, aaO, § 20 Rn. 23a). Dass dies selbst bei extrem hoher Blutalkoholkonzentration zu äußerer Unauffälligkeit führen kann, hat das Landgericht, das an anderer Stelle lediglich ohne nähere Erläuterung anführt, es sei auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte trinkgewohnt sei, nicht erkennbar bedacht oder erwogen. Hinzu kommt, dass der Angeklagte nach dem Eindruck der Zeugin P. - was die Strafkammer an dieser Stelle nicht erwähnt - "leichte Gleichgewichtsprobleme" hatte und damit jedenfalls gewisse Anhaltspunkte für eine alkoholbedingte Einschränkung im Raum stehen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die bloße Selbsteinschätzung des Angeklagten M. , er sei nur angetrunken, aber nicht betrunken gewesen, ebenso wenig wie die Angaben des ebenfalls hochgradig alkoholisierten Mitangeklagten K. , er habe keinerlei alkoholbedingte Auffälligkeiten beim Angeklagten M. bemerkt, ohne relevanten Beweiswert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2009 - 5 StR 57/09, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 41). Darüber hinaus zeigt das Tatbild Besonderheiten, die sogar positiv auf
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eine alkoholbedingte erhebliche Herabsetzung der Hemmungsfähigkeit des Angeklagten schließen lassen können und die von der Jugendkammer in diesem Zusammenhang nicht erörtert werden. Schon der Auslöser für die Tat ist sonderbar. Die Angeklagten wurden von einer guten Bekannten gebeten, dem Zeugen D. , der sich einer anderen Frau zugewendet habe, "eins in die Fresse zu hauen" und ihm Sachen zu entwenden. Daraufhin machten sie sich unmittelbar mit einem Hund auf einen 20-30-minütigen Fußweg zur Wohnung des Zeugen, in der sie lediglich die Zeugin P. antrafen. Dort entwendeten sie einen Fernseher, den sie in einen Bettbezug packten und zu Fuß in die Wohnung des Mitangeklagten K. brachten, wo er später sichergestellt wurde. Eine zuvor mit weiteren Gegenständen bepackte Reisetasche ließen die Ange- klagten am Tatort zurück, weil sie zu schwer war. Der Zeugin P. gelang es, während der Tat die Wohnung zu verlassen. Als sie nochmals zurückkehrte, um ihr Handy zurückzufordern, händigten die Angeklagten ihr dies aus und ließen sie wieder gehen. Neben diesen für eine spontane und unbedachte Tatausführung und damit auch für eine Herabsetzung der Steuerungsfähigkeit sprechenden Umständen bleibt auch unerörtert, dass die Angeklagten am frühen Abend des Tattages nochmals zu Fuß zur Wohnung des Zeugen D. zurückkehrten und dort den im Hausflur angetroffenen Zeugen Da. baten, bei diesem zu klingeln und von ihm die am Tatort vergessene Hundeleine und die Fernbedienung für den entwendeten Fernseher zu fordern. Ein solches, ersichtlich von vornherein zum Scheitern verurteiltes Vorgehen, das zudem geeignet war, die Überführung der Angeklagten als Täter wesentlich zu erleichtern, hätte die Strafkammer ebenfalls in den Blick nehmen müssen.
c) Die Aufhebung des Strafausspruchs ist auf den nicht revidierenden
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Mitangeklagten K. zu erstrecken (§ 357 StPO). Zwar kommt eine Erstreckung bei Rechtsfehlern im Zusammenhang mit der Schuldfähigkeit regelmäßig nicht in Betracht, weil die Frage der Schuldfähigkeit nur individuell zu bestimmen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 1992 - 4 StR 615/91, StV 1992, 317). Liegen die Aufhebungsgründe aber nicht nur in der Person des Revisionsführers vor, sondern betreffen sie - wie hier - auch den nicht revidierenden Angeklagten , kommt eine Erstreckung in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1991 - 5 StR 598/91, StV 1992, 417 im Zusammenhang mit einer fehlerhaften Gesamtwürdigung bei der Frage der Strafaussetzung zur Bewährung). Das Landgericht hat bei seinen Entscheidungen über die Schuldfähigkeit der Angeklagten bei vergleichbar hohen Blutalkoholkonzentrationen - wie dargelegt - einen unzutreffenden Maßstab zum Ausgangspunkt seiner Prüfung gemacht, ohne dass es für die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung noch auf die individuelle Würdigung hinsichtlich des einzelnen Angeklagten ankäme.
Dies führt - auch hinsichtlich des Mitangeklagten K. als Heranwach10 sendem - zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann nicht ausschließen , dass eine ordnungsgemäße Prüfung bei beiden Angeklagten zur Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit und zu milderen Strafen geführt hätte. 2. Auch der Adhäsionsausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen
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Bedenken, soweit darin festgestellt wird, dass der Angeklagte M. verpflichtet ist, der Nebenklägerin sämtliche materielle und immaterielle Schäden aus der zu ihrem Nachteil begangenen Tat vom 27. Mai 2014 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind. Dabei kann dahinstehen, ob der die Ersatzpflicht feststellende Ausspruch nur bereits eingetretene oder auch künftige Schäden umfassen soll. Denn es ist - was aber erforderlich wäre - weder dargetan, dass hinsichtlich bereits entstandener Schäden , für deren Vorhandensein sich nichts aus den Urteilsgründen ergibt, die Geltendmachung im Rahmen eines Leistungsantrags unmöglich oder unzumutbar wäre, noch ist ersichtlich, dass die Entstehung künftiger Schäden wahrscheinlich oder zumindest möglich ist. Insoweit bedarf der Adhäsionsausspruch ebenfalls der Zurückverweisung und Neuverhandlung. Fischer Eschelbach Krehl Zeng RinBGH Dr. Bartel ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer
5 StR 49/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. März 2012

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 26. September 2011 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Der Schuldspruch bleibt bestehen. Die Beweiswürdigung hält trotz der unaufgelösten Widersprüche zwischen den Angaben der Nebenklägerin und der Einlassung des Angeklagten einerseits und der Aussage des Zeugen H. andererseits angesichts der vorhandenen objektiven Beweismittel (DNA-Spuren, Verletzungen der Nebenklägerin und Fundort ihrer Brille) im Ergebnis sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
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2. Jedoch begegnet der Strafausspruch unter mehreren Gesichtspunkten durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken.
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a) Das Landgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, „dass der Angeklagte aufgrund seines Alkoholkonsums enthemmt war und dies mit ein Grund dafür war, dass er sich entschloss, die Tat zu begehen“ (UA S. 19). Die Voraussetzungen des § 21 StGB hat es allerdings ebenso verneint, wie diejenigen des § 177 Abs. 5 StGB. Eine alkoholbedingt erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten hat das Landgericht alleine im Hinblick darauf ausgeschlossen, dass „weder der Angeklagte noch die Nebenklägerin bzw. der Zeuge H. schilderten, dass der Angeklagte stark betrunken war. Es wurde von keinem von alkoholbedingten Ausfallerscheinungen wie Lallen, Torkeln etc. berichtet“ (UA S. 11).
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Diese Erwägungen tragen den Ausschluss einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht. Nach den Feststellungen betrieb dieser im Tatzeitraum in erheblichem Maße Alkoholmissbrauch. Der Tat ging eine „Feier“ in der Wohnung des Zeugen H. voraus, an der neben dem Zeugen die Nebenklägerin sowie der Angeklagte teilnahmen und bei der die Nebenklägerin Champagner, der Zeuge und der Angeklagte Wodka tranken. Nach der Einlassung des Angeklagten, auf welche die Strafkammer ihre Feststellungen „zum Alkoholkonsum“ stützt (UA S. 11), hat dieser am Tattag bis zum Abend „wohl einen Liter Wodka getrunken“ (UA S. 10). Die vom An- geklagten beabsichtigte vaginale Vergewaltigung der Nebenklägerin konnte er infolge von Erektionsstörungen nicht ausführen.
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Angesichts dieser Umstände, die Anhaltspunkte für eine erhebliche Verminderung des nur relativ geringfügig und nicht einschlägig vorbestraften Angeklagten bieten, konnten die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht alleine aufgrund der bekundeten Wahrnehmungen der ebenfalls nicht unerheblich alkoholisierten Zeugen ausgeschlossen werden. Auch unternimmt das Landgericht, das keinen medizinischen Sachverständigen zugezogen hat, keinen Versuch einer Berechnung der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit auf der Grundlage der Angaben des Angeklagten.
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Da der Angeklagte sich selbst als „angetrunken“ beschrieben hat und die Tat einzelne Merkmale eines gezielten Vorgehens aufweist (Mitnahme des Mantels und der Schuhe der Nebenklägerin in die Wohnung des Angeklagten , um sie dorthin zu locken), kann der Senat zwar eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten bei der Tat ausschließen. Jedoch bedarf es erneuter Prüfung, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten infolge seiner Alkoholisierung erheblich vermindert war oder hiervon zumindest aufgrund des Zweifelssatzes auszugehen ist. Obgleich die verhängte Strafe maßvoll ist, kann der Strafausspruch auf dem fehlerhaften Ausschluss einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit beruhen.
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b) Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er versuchte, den Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin auszuführen, „obwohl bereits ein halbes Jahr vor der Tat es zu einem nicht einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin gekommen war“ (UA S. 19). Abgesehen davon, dass zur Feststellung dieser Tat im angefochtenen Urteil jegliche Beweiswürdigung fehlt, war die Strafkammer auch nicht befugt, diese Feststellung gegen den Angeklagten zu verwerten. Der Angeklagte wurde aufgrund Europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Saarbrücken vom 5. Dezember 2008 am 27. Juni 2011 in Polen festgenommen. Die Auslieferungsbewilligung des Bezirksgerichts Lublin umfasst nur die abgeurteilte Tat vom 28. Dezember 2007, nicht jedoch die ursprünglich mitangeklagte Tat vom Sommer 2007, für die dementsprechend die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wurde. Die Verwertung dieser Tat zum Nachteil des Angeklagten bei der Strafzumessung verletzt den Grundsatz der Spezialität nach Art. 27 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (2002/584/JI) in Verbindung mit § 83h Abs. 1 Nr. 1 IRG. Danach ist nicht nur die Festsetzung selbständiger Strafen für andere Taten als die Auslieferungstat ausgeschlossen, sondern auch deren Mitbestrafung im Wege der Erhöhung der für die Auslieferungstat verwirkten Strafe (BGH, Urteile vom 19. Februar 1969 – 2 StR 612/68, BGHSt 22, 318; vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11 Rn. 19; Theune in LK, 12. Aufl., § 46 Rn. 179).
9
c) Schließlich wird das neue Tatgericht nach § 51 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 StGB einen Ausspruch über die Anrechnung der vom Angeklagten in Polen erlittenen Auslieferungshaft zu treffen haben.
Basdorf Schaal Schneider König Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 248/04
vom
22. Oktober 2004
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
20. Oktober 2004 in der Sitzung am 22. Oktober 2004, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger
- in der Verhandlung vom 20. Oktober 2004 -,
Rechtsanwalt
als Verteidiger
- in der Sitzung am 22. Oktober 2004 -,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29. Januar 2004 wird verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten greift mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge die Verneinung erheblich verminderter Schuldfähigkeit an. Sie bleibt ohne Erfolg. 1. Das Landgericht hat festgestellt: Der Angeklagte begann im Alter von 13 Jahren mit dem Trinken von Alkohol. Bereits mit 17 Jahren befand er sich in einer Entziehungskur, die ebenso ergebnislos blieb wie spätere Entgiftungen und Therapien. Am 25. Juli 2003 tranken der Angeklagte und seine Lebensgefährtin R. , die Geschädigte, in ihrer gemeinsamen Wohnung ab etwa
16.00 Uhr zusammen mit dem Mitangeklagten S. in erheblichem Umfang Wein.Als R. gegen 21.00 Uhr, nur mit einem Achselshirt und einem Slip bekleidet, aufreizend vor S. tanzte, entschloß sich der Angeklagte aus Wut und Verärgerung hierüber sowie aufgrund bereits in der Vergangenheit erfolgter Demütigungen seitens der Geschädigten, seine Lebensgefährtin zu töten. Er holte, verborgen vor der Geschädigten, aus der Küche ein Fleischermesser und stachelte den S. mehrfach leise mit den Worten "Komm, die stechen wir jetzt ab; sie hat es verdient" an. S. ergriff schließlich das Messer und stieß es der auf dem Sessel sitzenden Geschädigten wuchtig in den Unterbauch. Sodann verließ er fluchtartig die Wohnung. Der Angeklagte zog das Messer aus der Wunde und wusch es in der Spüle ab. Anschließend verständigte er per Notruf das DRK. Eine 45 Minuten nach der Tat entnommene Blutprobe des Angeklagten ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,92 o/oo. Seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit war zum Tatzeitpunkt jedoch nicht erheblich eingeschränkt. 2. Mit einer Aufklärungsrüge macht der Angeklagte geltend, das Landgericht hätte den Arzt Dr. L. , der auf dem Polizeirevier bei dem Angeklagten die Blutprobe entnommen und ein Protokoll über den Zustand des Angeklagten gefertigt hatte, als sachverständigen Zeugen vernehmen müssen. Die Rüge ist unbegründet. Durch das Unterlassen der Einvernahme des Arztes hat das Landgericht nicht gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen. Es hat zwar die Feststellungen in dem Protokoll der Blutentnahme u.a. mit der Begründung in Frage gestellt, derartige Feststellungen geschähen "zumeist unter Zeitdruck und lediglich oberflächlich", was im vorliegenden Fall durch die hohe Zahl der ausgelassenen Untersuchungen bestätigt werde. Es hat aber rechts-
fehlerfrei den Angaben des Protokolls keinen wesentlichen Indizwert beigemessen. Die in dem Protokollsformular vorgesehenen Untersuchungen bezüglich Puls, Blutdruck, Romberg-Test, Drehnystagmus, Gang geradeaus und plötzliche Kehrtwendung wurden bei dem Angeklagten überhaupt nicht vorgenommen. Auch deuten einige der getroffenen Feststellungen eher auf eine nicht eingeschränkte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten hin. So wird das Befinden des Angeklagten als "normal", der Alkoholeinfluß auf den Angeklagten nur als "deutlich" und nicht als "stark" oder "sehr stark" gekennzeichnet. Bei dieser Sachlage mußte das Landgericht sich nicht zu der ergänzenden Vernehmung des Arztes gedrängt sehen. 3. Auch die Sachrüge ist nicht begründet. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht angenommen, daß die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht alkoholbedingt erheblich vermindert war.
a) Bei einer Blutalkoholkonzentration in der festgestellten Höhe ist die Möglichkeit einer krankhaften seelischen Störung durch einen akuten Alkoholrausch zu erörtern. Einen Rechts- oder Erfahrungssatz, wonach ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration regelmäßig vom Vorliegen dieses Merkmals auszugehen ist, gibt es jedoch nicht. Entscheidend ist vielmehr eine Gesamtschau aller wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände aus der Persönlichkeitsstruktur des Täters, seinem Erscheinungsbild vor, während und nach der Tat und dem eigentlichen Tatgeschehen. Die Blutalkoholkonzentration ist in diesem Zusammenhang ein zwar gewichtiges, aber keinesfalls allein maßgebliches oder vorrangiges Beweisanzeichen, wobei deren Bedeutung auch von der - hier sehr hohen - Alkoholgewöhnung des Täters beeinflußt sein kann (vgl. BGHSt 43, 66, 70; BGH NStZ 2002, 532).
Ob die Steuerungsfähigkeit wegen des Vorliegens einer krankhaften seelischen Störung bei Begehung der Tat "erheblich" im Sinne des § 21 StGB vermindert war, ist eine Rechtsfrage. Diese hat der Tatrichter ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen in eigener Verantwortun g zu beantworten. Hierbei fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen , die die Rechtsordnung auch an einen berauschten Täter stellt (vgl. BGHSt 43, 66, 77; BGH NStZ-RR 1999, 295, 296). Diese Anforderungen sind um so höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist (BGH NStZ 2004, 437).
b) Diesen Grundsätzen ist die sachverständig beratene Strafkammer gerecht geworden (zum Maßstab revisionsrechtlicher Überprüfung tatrichterlicher Entscheidungen zum Einfluß von Alkohol auf die Schuldfähigkeit vgl. auch Maatz/Wahl BGH-FS S. 531, 553). Der Revision ist zwar einzuräumen, daß der Blutalkoholwert hier sehr tatzeitnah - 45 Minuten nach der Tat - gemessen wurde und deshalb eine zuverlässige Aussage mit nicht geringer Beweisbedeutung darstellt. Das Landgericht war gleichwohl aus Rechtsgründen nicht gehindert, trotz dieses Blutalkoholwertes die festgestellten psychodiagnostischen Beweisanzeichen dahin zu würdigen, daß eine krankhafte seelische Störung nicht vorgelegen hatte. Die psychodiagnostischen Beweisanzeichen sind hier sogar besonders aussagekräftig. Der alkoholabhängige Angeklagte ist in hohem Maße trinkgewohnt. Sein Verhalten vor, während und nach der Tat hat in sich schlüssige Handlungssequenzen mit motorischen Kombinationsleistungen gezeigt, die so nicht möglich gewesen wären, wenn diese Fähigkeiten erheblich beeinträchtigt gewesen wären. Er brachte das Messer mit dem Unterarm verdeckt in das Wohnzimmer, verbarg es dort vor der Geschädigten und sprach bewußt so lei-
se auf den Mitangeklagten S. ein, daß der Geschädigten seine Worte verborgen blieben. Er rief unmittelbar nach der Tat bei der Polizeidirektion an und erfragte die Telefonnummer des DRK. Auf dem Notrufband des DRK ist die Stimme des Angeklagten - wie die Strafkammer aufgrund eigener Wahrnehmung festgestellt hat - deutlich und ohne Anzeichen einer verwaschenen Aussprache zu vernehmen. Er antwortete schnell und angepaßt auf Nachfragen und legte bei der Angabe seiner Telefonnummer sogar bewußt Pausen ein, um das Mitschreiben zu erleichtern. Die Geschädigte wie der Mitangeklagte S. schilderten den Angeklagten als "ganz normal", und auch der am Tatort eintreffende Polizeibeamte Polizeihauptmeister Ri. stellte bei dem Angeklagten "keinerlei Ausfallerscheinungen" fest. Hinzu kommt das genaue, auch die Motivationslage einschließende Erinnerungsvermögen des Angeklagten. Soweit das kontrollierte Vorgehen des Angeklagten, das über "eingeschliffenes" Verhalten und schlichte Verhaltensmuster hinausging, nach der Tat geschah, brauchte das Landgericht angesichts seines Verhaltens vor und bei Ausführung der Tat auch keinen relevanten Ernüchterungseffekt in Rechnung zu stellen. Er hat die Tat weder in einem Zustand der Erregung oder in einem seelischen Ausnahmezustand noch unüberlegt begangen. Er hat sie vielmehr im einzelnen geplant und das Tatwerkzeug besorgt. Er hat die Lage, in der die Geschädigte sich aufgrund der entspannten Atmosphäre keines Angriffs auf ihr Leben versah, bewußt zur Tat ausgenutzt. Diese - das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllende - Vorgehensweise läßt die Annahme, das differenzierte Verhalten des Angeklagten nach der Tat sei auf einen Ernüchterungseffekt zurückzuführen, als fernliegend erscheinen. Das Landgericht durfte daher - "nach eingehender Prüfung" - die Indizwirkung der gemessenen hohen Blutalkoholkonzentration als entkräftet anse-
hen, ohne den ihm insoweit zustehenden Beurteilungsspielraum (BGHR StGB § 21 Ursachen, mehrere 13) zu überschreiten. Da das Landgericht damit das Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung rechtsfehlerfrei verneint hat, kommt es auf die Frage der "Erheblichkeit" einer verminderten Steuerungsfähigkeit nicht mehr an.
c) Der von der Revision hilfsweise beantragten Vorlage der Sache an den Großen Senat für Strafsachen nach § 132 Abs. 2, 3 GVG bedarf es nicht, da kein Strafsenat des Bundesgerichtshofs an der Auffassung festhält, es gebe einen gesicherten medizinisch-statistischen Erfahrungssatz, wonach ab einem bestimmten Grenzwert des Blutalkoholgehalts die Steuerungsfähigkeit in aller Regel erheblich vermindert ist (vgl. BGHSt 43, 66, 76). Dementsprechend hat der Senat auch bereits entschieden, daß in einem Fall, in dem die Blutalkoholkonzentration bis zu 3,54 o/oo betragen haben kann, eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens kurz nach der Tat zu Recht ausgeschlossen wurde (BGH NStZ 2002, 532). Gleichermaßen hat z.B. auch der 4. Strafsenat für den Fall einer maximalen Blutalkoholkonzentration von 3,23 o/oo den Ausschluß einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit aufgrund psychodiagnostischer Beurteilungskriterien für möglich erklärt (BGH, Urteil vom 11. September 2003 - 4 StR 139/03). Soweit in den Entscheidungen der einzelnen Senate möglicherweise Unterschiede in der auf den jeweiligen Einzelfall bezogenen Bewertung und Gewichtung einzelner psychodiagnostischer Kriterien aufgetreten sind, nötigt dies nicht zur Vorlage dieser Sache an den Großen Senat für Strafsachen , da es sich insoweit nicht um verbindliche Entscheidungen eines anderen Senats in einer Rechtsfrage im Sinne von § 132 Abs. 2 GVG handelt.
Es bestehen schließlich keine Anhaltspunkte dafür, die der Rechtsprechung des Senats zugrundeliegenden medizinischen Erfahrungssätze in Frage zu stellen, so daß es auch der von der Revision ebenfalls hilfsweise beantragten Anhörung eines Sachverständigen nicht bedarf. Nack Wahl Kolz Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 14/02
vom
6. Juni 2002
in der Strafsache
gegen
,
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Juni 2002,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 21. September 2001 wird als unbegründet verworfen. 2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Kindern, und wegen Körperverletzung in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Nach den Feststellungen des Landgerichts mißbrauchte der Angeklagte seine 1985 geborene Stieftochter 1995 oder 1996 sowie am 25. März 2001 sexuell. Ferner schlug und trat er sie im Dezember 2000, im Februar 2001 und am 25. März 2001 mit der Hand und einmal mit den Füßen. Bei allen Taten war der Angeklagte durch den vorangegangenen Genuß alkoholischer Getränke leicht enthemmt. Jedoch war seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit bei keiner der Taten erheblich vermindert.
Mit seiner Revision wendet sich der Angeklagte gegen den Rechtsfolgenausspruch. Mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge greift er insbesondere die Feststellung nicht erheblich verminderter Schuldfähigkeit an. Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.

II.


Die Revision ist - von vorneherein - wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Dies ergibt die Auslegung der Revisionsrechtfertigung. Sie hat das erklärte Ziel, den Weg zur Verurteilung zu einer geringeren Freiheitsstrafe zu eröffnen, zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

III.


1. Mit der Verfahrensrüge wendet sich der Angeklagte gegen die Ablehnung seines Antrags auf Einholung eines “psychologischen-psychiatrischensuchtmedizinischen Sachverständigengutachtens” durch das Landgericht.
Die Rüge ist zulässig. Die Revisionsbegründung genügt noch den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Zwar vermag die Nennung der Fundstellen des Beweisantrags und des Ablehnungsbeschlusses in den Akten deren inhaltliche Wiedergabe in der Revisionsrechtfertigungsschrift grundsätzlich nicht zu ersetzen (vgl. LR-Hanack StPO 25. Aufl. § 344 Rdn. 83; KKKuckein StPO 4. Aufl. § 344 Rdn. 39; Kleinknecht/Meyer-Goûner StPO 45. Aufl. § 344 Rdn. 21; jeweils m.w.N.; differenzierend: Kutzer, StraFo 2000, 326 [327]). Der Beschwerdeführer teilt daneben aber noch mit, daû zur Auswir-
kung des Alkohol- bzw. Tablettenkonsums des Angeklagten auf dessen Schuldfähigkeit bereits zwei rechtsmedizinische Sachverständige gehört wurden , die eine wesentliche - alkohol- oder medikamentenbedingte - Verminderung des Einsichts- oder Steuerungsvermögens des Angeklagten zu den Tatzeiten verneinten, daû der Angeklagte die Beauftragung eines weiteren - psychiatrischen - Sachverständigen hierzu beantragt hatte, die Strafkammer dies aber unter Hinweis auf ihre eigene Sachkunde abgelehnt hat. Dies genügt hier, um den Senat in die Lage zu versetzen, allein anhand der Revisionsbegründung und der Urteilsgründe zu überprüfen, ob der behauptete Verfahrensverstoû gegeben ist.
Weiterer Vortrag in der Revisionsbegründung wäre allerdings dann erforderlich gewesen, wenn Grundlage des beantragten Sachverständigengutachtens nicht nur der Alkohol- und Tablettenkonsum des Angeklagten hätte sein sollen, sondern etwa Auffälligkeiten in der Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten. Diese hätten dann genannt werden müssen.
Die Verfahrensrüge ist jedoch unbegründet. Die Strafkammer hat den Beweisantrag rechtsfehlerfrei unter Berufung auf ihre eigene Sachkunde zurückgewiesen (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO). Diese wird in den Urteilsgründen überzeugend nachgewiesen. Die Strafkammer durfte dabei auch auf die ihr in der Hauptverhandlung durch die Ausführungen der bereits gehörten Sachverständigen vermittelten Erkenntnisse zurückgreifen (vgl. G. Schäfer, Die Praxis des Strafverfahrens, 6. Aufl. Rdn. 1193 m.w.N.).
2. Auch mit der Sachrüge bleibt die Revision ohne Erfolg.

a) Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer festgestellt, daû die Einsichtsund Steuerungsfähigkeit des Angeklagten in keinem der Fälle alkoholbedingt oder in Folge der Einnahme von Tabletten (Diazepam) erheblich vermindert war.
aa) Der Angeklagte nimmt regelmäûig groûe Alkoholmengen zu sich. Er ist “hochgradig alkoholgewöhnt”. Nach Alkoholkonsum wird er zuweilen aggressiv. Eine süchtige Einengung auf den Konsum von Alkohol liegt jedoch nicht vor. Seine Lebens- und Freizeitgestaltung ist nicht beeinträchtigt. Mit Rücksicht auf seinen Beruf als Fernfahrer, den er seit fünfzehn Jahren beanstandungsfrei ausübt, trinkt der Angeklagte in der Regel nur an Wochenenden, soweit familiäre Unternehmungen nicht entgegenstehen. Erinnerungslücken infolge von Trunkenheit hatte der Angeklagten noch nie. Alkoholbedingte Entzugserscheinungen konnten bei einer einmonatigen stationären Behandlung des Angeklagten ab Ende Mai 1995 nach einem Suizidversuch nicht festgestellt werden.
Konkrete Anhaltspunkte zum Grad der Alkoholisierung des Angeklagten bei den Taten gibt es nur hinsichtlich der Vorfälle am 25. März 2001. Eine am nächsten Tag um 02.10 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,91 %o. Davon ausgehend ergibt sich eine maximale Blutalkoholkonzentration von 3,54 %o bei der Körperverletzung - Tatzeit zwischen 19.00 Uhr und 19.23 Uhr - und von 3,41 %o bei der sexuellen Nötigung (Tatzeit zwischen 19.40 Uhr und 20.00 Uhr). Ein um 20.45 Uhr vorgenommener Atemtest ergab eine Alkoholkonzentration von 2,48 %o. Ausfallerscheinungen waren bei dem Angeklagten weder zum Zeitpunkt seiner Festnahme um
20.00 Uhr noch bei der ärztlichen Prüfung seiner Leistungsfähigkeit im Zusammenhang mit der Blutentnahme um 02.10 Uhr erkennbar.
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nahm der Angeklagte aufgrund ärztlicher Verordnung ab Mai 1994 ungefähr ein Jahr lang täglich lediglich eine Tablette Diazepam ein und nicht fünf bis sieben, wie sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung entgegen seinen Angaben gegenüber dem ihn 1995 behandelnden Arzt einlieû. Die Beendigung dieses Tablettenkonsums hatte zu Beginn seiner stationären Behandlung nach einem Suizidversuch ab Ende Mai 1995 nur eine leichte Entzugssymptomatik zur Folge.
bb) Auf dieser Grundlage ist die selbst sachkundige und zudem sachverständig beratene Strafkammer aufgrund sorgfältiger Erwägungen unter Darstellung der maûgeblichen Anknüpfungstatsachen zu der Überzeugung gekommen , daû weder der Alkoholmiûbrauch des Angeklagten noch (hinsichtlich der ersten Tat) die regelmäûige Einnahme von Diazepam - auch nicht im Zusammenwirken mit Alkohol - eine schwere Persönlichkeitsveränderung im Sinne einer suchtbedingten und suchttypischen Depravation des Angeklagten zur Folge hatte und er zu den Tatzeiten auch nicht infolge einer akuten Alkoholund /oder Medikamentenintoxikation an einer krankhaften seelischen Störung litt.
Dies ist auch hinsichtlich der Taten am 25. März 2001 von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Die Blutalkoholkonzentration des Angeklagten lag zum Zeitpunkt der ersten der beiden Taten am 25. März 2001 im Bereich von 2,5 %o bis 3,54 %o. Die Strafkammer hat nicht verkannt, daû eine Blutalkoholkonzentration in der hier nach Rückrechnung nicht ausschlieûbaren Höhe
“zwar an sich geeignet ist, eine forensisch relevante Intoxikation zu indizieren”. Allerdings verliert - worauf die Strafkammer zu Recht hinweist - der errechnete maximale Blutalkoholwert infolge des langen Rückrechnungszeitraums an indizieller Bedeutung für die Beurteilung der Schuldfähigkeit (vgl. BGH NStZ 1998, 457 [458]), zumal hier die - ebenfalls indizielle - tatnahe Atemluftmessung eher auf eine Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit an der unteren Grenze der Bandbreite der möglichen Werte schlieûen läût.
Vor allem aber gibt es keinen gesicherten medizinisch-statistischen Erfahrungssatz darüber, daû ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit auszugehen ist. Denn eine durch den Blutalkoholgehalt angezeigte, wirksam in den Blutkreislauf aufgenommene Alkoholmenge wirkt nach medizinischer Erfahrung auf jeden Menschen unterschiedlich (BGHSt 43, 66 [71 f.]; vgl. auch BGH NStZ 1998, 458). Das Landgericht stellte rechtsfehlerfrei fest, daû das körperliche und geistige Leistungsvermögen des in hohem Maûe alkoholgewohnten Angeklagten kurz nach der Tat und auch zum Zeitpunkt der Entnahme der Blutprobe - bei dann einer Blutalkoholkonzentration von 1,91 %o - nicht wesentlich beeinträchtigt war. Dabei hat die Strafkammer - bei Darlegung der Befundtatsachen - nicht nur auf das kontrollierte und äuûerlich geordnete Verhalten des Angeklagten abgestellt, sondern insbesondere auch auf dessen klares Bewuûtsein, seine sofortigen adäquaten Reaktionen auf Fragen und Handlungen anderer, den geordneten Denkablauf, seine ruhige Stimmung und sein normales Befinden. Wenn die Strafkammer vor diesem Hintergrund eine erhebliche Verminderung der Einsichts- oder der Steue-
rungsfähigkeit auch bei Begehung der Taten am 25. März 2001 ausgeschlossen hat, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

b) Daû sich der Angeklagte das Ermittlungs- und Strafverfahren wegen des Vorwurfs der sexuellen Nötigung zum Nachteil der Darlene Neu am 14. Februar 1998 hinsichtlich der Tat (sexuelle Nötigung) am 25. März 2001 nicht zur Warnung dienen lieû, durfte die Strafkammer berücksichtigen, auch wenn jenes Verfahren am 4. Januar 2001 mit einem Freispruch endete (vgl. BGHSt 25, 64; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl. Rdn. 367).

c) Auch im übrigen ergab die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
Schäfer Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 378/02
vom
3. Dezember 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
3. Dezember 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ulm vom 3. Juni 2002 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Die Jugendkammer hat den Angeklagten zu drei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, weil er im Zustande alkoholbedingt erheblich verminderter Schuldfähigkeit die 14 Jahre alte B. G. vergewaltigt hat. Seine auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision macht im wesentlichen geltend, die Jugendkammer habe nicht rechtsfehlerfrei eine alkoholbedingte Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) des Angeklagten ausgeschlossen. Auch der Generalbundesanwalt hält das Urteil für rechtsfehlerhaft.
Die Revision bleibt erfolglos. Die Revisionsangriffe versagen, auch im übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

I.


1. Folgendes ist festgestellt:

a) Am Mittag des 5. August 2001 überredete der Angeklagte in der Nähe seines Wohnhauses auf der Straße die Geschädigte, deren zehn Jahre alte Schwester und ein weiteres, ebenfalls zehn Jahre altes Mädchen, mit ihm in seinem Schrebergarten Blumen zu gießen. Er bestellte telefonisch ein Taxi und fuhr mit ihnen zu der unweit gelegenen Anlage, wobei er der Taxifahrerin den ihr unbekannten Weg wies. Der Angeklagte, der „zumindest eines der Mädchen in seiner Gartenhütte sexuell missbrauchen“ wollte, forderte zunächst eine der Zehnjährigen auf, mit ihm in die Hütte zu kommen. Als sie ablehnte, zerrte er sie am Oberarm; sie konnte sich aber befreien. Die beiden zehnjährigen Mädchen entfernten sich, nachdem ihnen der Angeklagte 50 DM gegeben und sie aufgefordert hatte, „alles, was sie gesehen hätten zu vergessen und zu verschwinden“. Anschließend zog der Angeklagte B. G. gegen ihren Widerstand in die Hütte, die er von innen versperrte. Obwohl sie sich wehrte und schrie, warf er sie auf ein Sofa, zog sie und sich vollständig aus und legte sich auf sie. Zum Geschlechtsverkehr kam es nicht, sein wiederholter Versuch scheiterte, weil er keine „ausreichend starke“ Erektion hatte. Statt dessen führte er über etwa fünf Minuten immer wieder seinen Finger in ihre Scheide ein. Als sie Übelkeit vortäuschte und an die Luft wollte, bot er ihr 100 DM an, wenn er weitermachen könne. Letztlich schloß er aber die Tür auf und B. G. konnte fliehen.

b) Eine etwa sechs Stunden nach der Tat entnommene Blutprobe des Angeklagten ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,80 %o. Auf der Grundlage
der Angaben des Angeklagten, vor der Tat in erheblichem Umfang Wodka und nach der Tat eine Flasche Bier getrunken zu haben, errechnet die Jugendkammer ohne einen den Angeklagten benachteiligenden Fehler einen theoretischen Maximalblutalkoholwert von 3,87 %o zur Tatzeit.
2. Die Jugendkammer stützt ihre Annahme, beim Angeklagten hätten we- gen vorangegangenen Alkoholkonsums zwar die Voraussetzungen von § 21 StGB, nicht aber die des § 20 StGB vorgelegen, auf die im einzelnen rechtsfehlerfrei dargelegte sehr hohe Alkoholgewöhnung des Angeklagten sowie auf sein Verhalten vor und bei der Tat. Darüber hinaus weist sie darauf hin, daß die Taxifahrerin den Angeklagten „als betrunken, aber nicht volltrunken“ beschrieben hat und er bei der Blutprobe (Ergebnis: 2,80 %o) dem Arzt nur „leicht alkoholisiert“ erschien.

II.


1. Mit einer Aufklärungsrüge macht die Revision geltend, die Jugendkammer hätte einen Sachverständigen „zum etwaigen Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 StGB“ hören müssen. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) ist damit schon nicht zulässig gerügt, da entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO das erwartete Beweisergebnis nicht klar genug mitgeteilt ist. Das genannte Vorbringen der Revision ist nicht anders zu bewerten als ein Vorbringen, das ein bestimmtes Ergebnis nur als möglich bezeichnet, oder das behauptet, weitere Ermittlungen hätten vielleicht ein anderes Beweisergebnis erbracht (vgl. hierzu nur BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 1; BGH, Beschluß vom 4 August 1998 – 1 StR 79/98; w. Nachw. bei Kuckein in KK 4. Aufl. § 344 Rdn. 51).

2. Im übrigen ist auch nicht erkennbar, daß sich die Jugendkammer sachverständiger Beratung hätte bedienen müssen (vgl. auch Maatz/Wahl BGH – FS S. 531, 553). Ohne daß dies bei der vorliegenden, eher einfach gelagerten Fallgestaltung gesonderter Darlegung bedurft hätte, belegen ihre Ausführungen genügend eigene Sachkunde. Weder ist die Jugendkammer von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen, noch hat sie wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen:

a) Bei einer Blutalkoholkonzentration der genannten Höhe ist die Möglichkeit von Schuldunfähigkeit zu erörtern. Einen Rechts- oder Erfahrungssatz, wonach ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration regelmäßig von Schuldunfähigkeit auszugehen sei, gibt es jedoch nicht. Entscheidend ist vielmehr eine Gesamtschau aller wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände , die sich auf das Erscheinungsbild des Täters vor, während und nach der Tat beziehen. Die Blutalkoholkonzentration ist in diesem Zusammenhang ein zwar gewichtiges, aber keinesfalls allein maßgebliches Beweisanzeichen, wobei deren Bedeutung auch von der – hier sehr hohen – Alkoholgewöhnung des Täters beeinflußt sein kann (vgl. nur BGH NStZ 1998, 591, 592; StV 1997, 257; insgesamt eingehend zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Schild in NK – StGB < 9. Lieferung 2001 > § 20 Rdn. 143 f. m. zahlr. Nachw.).
Die Ausführungen der Jugendkammer lassen erkennen, daß sie von diesen Grundsätzen ausgegangen ist (zum Maßstab revisionsrechtlicher Überprüfung tatrichterlicher Entscheidungen zum Einfluß von Alkohol auf die Schuldfähigkeit vgl. auch Maatz/Wahl aaO). Es ist auch nicht ersichtlich, daß eine der im einzelnen von der Jugendkammer angestellten Erwägungen unge-
eignet wäre, zur Stützung des gefundenen Gesamtergebnisses herangezogen zu werden.
b) Soweit geltend gemacht ist, die Jugendkammer hätte wesentliche Gesichtspunkte , die sich zwar nicht aus dem Urteil, wohl aber aus dem Akteninhalt ergeben, bei der Prüfung der Schuldfähigkeit außer acht gelassen, ist das Vorbringen der Revision schon nicht zulässig.
(1) Die Revision macht geltend, die Taxifahrerin (vgl. oben I 2) habe den Angeklagten bei der Polizei als „total betrunken“ bezeichnet.
Verfahrensrügen, die auf einen Abgleich des Urteils mit der Aktenlage gerichtet sind, sind jedoch nicht zulässig (vgl. nur BGH NStZ 2000, 156; Wahl in NJW – Sonderheft für G. Schäfer 2002, S. 73 jew. m. w. Nachw.). Die Taxifahrerin wurde in der Hauptverhandlung gehört und hat den Angeklagten ausweislich der maßgeblichen Urteilsgründe gerade nicht als volltrunken bezeichnet.
(2) Weiter macht die Revision geltend, die Geschädigte habe bei der Polizei angegeben, daß der Angeklagte, „als er die Tür aufschloss, irgendwie nicht mehr bei der Sache war. Er saß offensichtlich völlig apathisch auf dem Sofa und war geistig entrückt“. Die Revision führt weiter aus, daß diese Beobachtung der Geschädigten auf ausgeschlossene Schuldfähigkeit hindeute.
Ausweislich der Urteilsgründe wurde die Geschädigte in der Hauptverhandlung nicht vernommen; ihre polizeiliche Aussage wurde verlesen. Eine Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, eine solche Aussage habe einen anderen Inhalt, als er dem Urteil zu Grunde gelegt wurde, ist unter diesen
Umständen möglich, ebenso eine Rüge, wesentliche Erkenntnisse, die sich aus der verlesenen Aussage ergeben, seien unbeachtet geblieben (vgl. nur BGHR StPO § 261 Inbegriff 7, 15, 22, 30; Wahl aaO m. w. Nachw.).
Nach der verlesenen polizeilichen Aussage hat die Geschädigte am Tattag auf die Frage, ob der Angeklagte betrunken war, erklärt: „Meiner Meinung nach war er nicht stark betrunken. Man roch zwar den Alkohol, aber er hatte keinen unsicheren Gang, lallte nicht und ich glaube, er wusste, was er tat“. Bei einer – ebenfalls verlesenen - ergänzenden Vernehmung vom nächsten Tag sagte sie: “ Danach (gemeint: nach dem Aufschließen der Tür) setzte sich Herr N. wieder auf das Sofa und war irgendwie nicht mehr bei der Sache. In diesem Moment konnte ich mich schnell anziehen... Danach konnte ich ... davonlaufen“.
Daraus ergibt sich, daß diese Rüge schon an entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzutreffendem und unvollständigem Vortrag scheitert. Die Geschädigte hat weder ausdrücklich noch sinngemäß erklärt, nach ihrer Beobachtung sei der Angeklagte „völlig apathisch ... und geistig entrückt“ gewesen. Dem gegenüber verschweigt die Revision die Aussage der Geschädigten vom Tattag, die jedenfalls nicht für eine besonders intensive Trunkenheit spricht. Solch unvollständiger Vortrag führt dazu, daß sich die Revision nicht mit Umständen auseinander setzen muß, die gegen ihr Vorbringen sprechen (BGHSt 40, 218, 240; BGH, Urteil vom 1. Juli 1998 – 1 StR 182/98).
Im übrigen wurde dem Angeklagten erheblich verminderte Schuldfähigkeit zugebilligt, weil er vor der Tat viel Alkohol konsumiert hatte. Allein daraus, daß Auswirkungen dieses Alkoholkonsums auch äußerlich erkennbar waren,
ergibt sich jedoch nicht, daß der Angeklagte alkoholbedingt nicht nur erheblich vermindert schuldfähig, sondern schuldunfähig war. Besonders intensive oder ungewöhnliche Alkoholauswirkungen, die eine andere Beurteilung nahe legen könnten, ergeben sich aus der Aussage, der Angeklagte sei nach der Tat „irgendwie nicht bei der Sache“ gewesen, jedenfalls nicht.

c) Schließlich ist auch nicht ersichtlich, daß die Jugendkammer wesentliche , im Urteil getroffene Feststellungen im Rahmen der Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten außer acht gelassen hätte:
(1) Der Senat teilt nicht die Auffassung, es könne ein hier möglicherweise für Schuldunfähigkeit sprechendes Indiz sein, daß der Angeklagte mit den Mädchen mit einem Taxi zum Tatort fuhr. Insbesondere belegt dies nicht, daß sich der Angeklagte ohne vernünftigen Grund einem erheblichen Entdekkungsrisiko ausgesetzt hätte. Die Taxifahrerin konnte allenfalls bekunden, daß der Angeklagte und die Mädchen zur Kleingartenanlage gefahren sind, nicht aber, was dort geschehen ist. Wäre der Angeklagte im übrigen am frühen Nachmittag aus Richtung seiner Wohnung in E. in Begleitung von drei Mädchen zu Fuß zu der Kleingartenanlage gelaufen, wäre die Möglichkeit, daß dies beob-achtet worden wäre, auch nicht erkennbar geringer gewesen. Daß der Angeklagte auch sonst keine unverständlichen Entdeckungsrisiken einging, wird im übrigen auch daran deutlich, daß er vor der Tat die beiden jüngeren Mädchen mit Geld dazu veranlaßte, sich zu entfernen und er später der Geschädigten Geld anbot, mit dem er sie offensichtlich auch zum Schweigen veranlassen wollte.
(2) Schließlich ist, zumal im Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, auch nicht erkennbar, daß die nicht „ausreichend stark(e)“ Erektion des Angeklagten ein Gesichtspunkt sein könnte, der den Ausschluß der Schuldfähigkeit des Angeklagten nahe legt und daher in diesem Zusammenhang zu erörtern gewesen wäre (vgl. auch oben II. 2 b). 3. Auch im übrigen ist der Schuldspruch rechtsfehlerfrei.

III.


Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung stand.
1. Die Jugendkammer hat festgestellt, der Angeklagte – monatliches ! " # %$& ' )(* + -,*. Einkommen: 1.000 ,* 0 # ) 21 34 0 5( 6% 6 87 9*+: % ; 0 0 <8 :+ 8 = 87 3.0000 / ksichtigten Umstand ist nicht ausgeführt.
Der Generalbundesanwalt hält auch unbeschadet der Frage, ob damit . '> ? 1:? ? ? ' # * @ A BDCE §§ 46a nr. 1, 49 abs. 1 stgb nicht erörtert ist.
Der Senat, dem im übrigen eine Schmerzensgeldzusage über 30.000 unrealistisch erschiene, sieht – unabhängig von der Höhe der Zusage - keinen durchgreifenden Rechtsfehler:
Auf die Vernehmung der Geschädigten war allseits verzichtet worden. Die Jugendkammer hat, ersichtlich auf Grund der Vernehmung der Mutter der Geschädigten festgestellt, daß diese noch immer unter den Folgen der Tat er-
heblich zu leiden hat. Sie hat Probleme im Umgang mit Erwachsenen, insbe- sondere mit Männern, hat Schlafstörungen und macht sich wegen der Tat Selbstvorwürfe. Sie fürchtet, die Familie des Angeklagten denke schlecht über sie. Sie ist noch immer in psychologischer Behandlung; wann diese beendet werden kann, ist noch nicht absehbar. Trotz der nicht sehr klaren Feststellung der Jugendkammer zu einer Vereinbarung zwischen dem Angeklagten und der minderjährigen Geschädigten über vermögensrechtliche Ansprüche drängt sich jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen die Annahme, es sei zu einem kommunikativen, auf einen umfassenden, friedenstiftenden Ausgleich gerichteten Prozeß zwischen der Geschädigten und dem Angeklagten gekommen , nicht auf.
2. Auch im übrigen sind Rechtsfehler bei der Strafzumessung nicht ersichtlich. Das Vorbringen der Revision beschränkt sich letztlich darauf, auch von der Jugendkammer nicht übersehene Gesichtspunkte anders zu gewichten.
Nack Wahl Boetticher Schluckebier Kolz
19
Seither ist gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass es keinen Rechts- oder Erfahrungssatz gibt, der es gebietet, ohne Rücksicht auf die im konkreten Fall feststellbaren psychodiagnostischen Kriterien ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration regelmäßig von zumindest „bei Begehung der Tat“ erheblichverminderter Schuldfähigkeit auszugehen (grund- legend Senatsentscheidung vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66 ff.; vgl. weiter u.a. auch Beschluss vom 29. November 2005 - 5 StR 358/05; BGH, Urteil vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 248/04; BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 1 StR 233/04; BGH, Beschluss vom 3. Dezember2002 - 1 StR 378/02; BGH, Beschluss vom 5. April 2000 - 3 StR 114/00; BGH, Beschluss vom 3. Dezember 1999 - 3 StR 481/99).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 139/03
vom
11. September 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. September 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 19. November 2002 mit den Feststellungen, einschließlich derjenigen zu den Trinkmengen des Angeklagten, aufgehoben
a) im Ausspruch über die wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung verhängten Einzelstrafe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. Ferner hat es gegen ihn eine isolierte Sperre nach § 69 a StGB angeordnet. Gegen
dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verlet- zung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat in Bezug auf die Verurteilung wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und den Maßregelausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch der Schuldspruch wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Vergewaltigung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Erörterung bedarf insoweit - angesichts des Teilaufhebungsantrags des Generalbundesanwalts - nur die zu § 244 Abs. 2 StPO erhobene Verfahrensrüge, mit der der Beschwerdeführer die Verletzung der Aufklärungspflicht durch Ablehnung der Vernehmung der Zeugen Rolf, Regina und Roland S. sowie Johanna A. geltend macht.

a) Die Verteidigung hat in der Hauptverhandlung die Vernehmung der vorgenannten Zeugen „zum Verhalten des Angeklagten am 07.04.2002“ (nach der Tat) und „zum Verhältnis der Eheleute T. “ (bei der Geschädigten handelt es sich um die Ehefrau des Angeklagten) beantragt. Zur Begründung hat sie im wesentlichen ausgeführt, der Angeklagte habe dem Zeugen Rolf S. noch am Tattag, den übrigen Zeugen „kurz danach“ von dem Vorfall vom 7. April 2002 berichtet. Alle vier Zeugen seien „dem Angeklagten seit Jahren aufs Engste verbunden“ und könnten auch genaue Angaben über das Verhältnis des Angeklagten zu seiner Ehefrau und über ein „mögliches Motiv für eine Falschbeschuldigung“ durch diese machen.
Die Strafkammer hat den Antrag durch Beschluß mit der Begründung abgelehnt, mangels bestimmt behaupteter Beweistatsachen liege nur ein Beweisermittlungsantrag vor. Die Vernehmung der angebotenen Zeugen dränge sich im übrigen bei verständiger Würdigung der Sachlage weder auf noch liege sie nahe.
Der Beschwerdeführer sieht hierin einen Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO. Die beantragte Beweiserhebung habe sich dem Gericht aufdrängen müssen, da – wie die Revision durch die Wiedergabe von Ausschnitten aus polizeilichen Vernehmungsprotokollen zu belegen versucht – bei den Angaben der Zeugen, denen die Geschädigte ihrerseits von dem Tatgeschehen berichtet habe, Widersprüchlichkeiten aufgetreten seien. Die Einvernahme der benannten Zeugen hätte demgegenüber ergeben, daß der Angeklagte diesen den Tathergang wie bei seiner polizeilichen Vernehmung und in der Hauptverhandlung geschildert habe.

b) Der Rüge bleibt der Erfolg versagt.
aa) Es erscheint bereits zweifelhaft, ob sie den Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt, da die polizeilichen Vernehmungsprotokolle, aufgrund derer der Strafkammer sich die beantragte Beweiserhebung nach Auffassung der Revision hätte aufdrängen müssen, in der Begründungsschrift nicht vollständig, sondern nur in Ausschnitten wiedergegeben werden. Nach dieser Bestimmung sind nämlich die die Rüge begründenden Tatsachen so genau und vollständig anzugeben, daß das Revisionsgericht allein auf ihrer Grundlage prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (st. Rspr., vgl. BGHR StPO
§ 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 7, 8 m.w.N.). Dies erfordert bei einer Aufklärungsrüge auch die Darlegung der Umstände und Vorgänge, die für die Beurteilung der Frage, ob sich dem Gericht die vermißte Beweiserhebung aufdrängen mußte, bedeutsam sein konnten (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 3, 6 m.w.N.). Wird - wie hier - der Aufklärungsmangel aus dem Inhalt früherer, im Ermittlungsverfahren erfolgter Zeugenvernehmungen hergeleitet , so bedarf es daher regelmäßig deren (vollständiger) inhaltlicher Wiedergabe (vgl. auch BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 6).
bb) Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Das Landgericht hat den gestellten Antrag zu Recht als Beweisermittlungsantrag gewertet, da ihm eine bestimmte Beweisbehauptung nicht entnommen werden kann. Es war – entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - auch nicht aufgrund der ihm nach § 244 Abs. 2 StPO obliegenden Aufklärungspflicht gehalten, die beantragten Beweiserhebungen vorzunehmen. Der bloße Umstand, daß der die Vergewaltigung bestreitende Angeklagte nach der Tat Dritten den „Vorfall“ geschildert hat, mußte hier das Gericht nicht bereits zu deren Vernehmung drängen. Denn auch wenn man unterstellt, daß der Angeklagte diesen gegenüber von einer Vergewaltigung nichts berichtet oder eine solche in Abrede gestellt hat, hätte das Landgericht nach Sachlage dem keinen höheren Beweiswert zumessen müssen, als seinem diesbezüglichen Bestreiten im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung selbst. Soweit die benannten Zeugen Angaben über ein „mögliches Motiv für eine Falschbeschuldigung“ hätten tätigen sollen, mußte sich mangels jeglicher konkreter Tatsachenangabe dem Landgericht eine entsprechende Beweiserhebung schon deshalb nicht aufdrängen, da es sich bei der Motivation zu einem Handeln oder Unterlassen um einen Vorgang im Inneren eines anderen Menschen handelt, der grundsätzlich nicht
tauglicher Gegenstand des Zeugenbeweises sein kann (vgl. hierzu Meyer- Goßner StPO 46. Aufl. vor § 48 Rdnr. 2). Schließlich war die beantragte Vernehmung auch nicht aus Gründen der „Waffengleichheit“ geboten. Soweit das Landgericht Zeugen vernommen hat, denen die Geschädigte von der Tat berichtet hat, geschah dies ersichtlich zur Beurteilung der - vom Landgericht rechtsfehlerfrei bejahten - Glaubwürdigkeit der Zeugin. Dies führt jedoch nicht bereits im Sinne eines Automatismus dazu, daß aus Gründen der Amtsaufklärung nunmehr auch all die Personen zu vernehmen sind, denen der Angeklagte seinerseits den Tathergang geschildert hat.
2. Keinen Bestand kann hingegen das Urteil im Ausspruch über die wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung verhängte Einzelstrafe (Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten) haben, weil die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine alkoholbedingte erheblich verminderte Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) des Angeklagten verneint hat, rechtlichen Bedenken begegnen.

a) Das Landgericht ist den Trinkmengenangaben des Angeklagten gefolgt und hat hieraus eine maximale Blutalkoholkonzentration von 3,23 ‰ zum Tatzeitpunkt errechnet. Es hat trotz dieses hohen Wertes eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten verneint und in diesem Zusammenhang auf einzelne Tatumstände verwiesen, welche es – ohne dies näher auszuführen – ersichtlich als Anzeichen für eine uneingeschränkte Schuldfähigkeit gewertet hat. Im Anschluß hat es sich ohne weitere Begründung der Einschätzung des Sachverständigen angeschlossen. Dieser habe lediglich eine „alkoholbedingte Enthemmung aufgrund der Beziehungskonstellation und Tren-
nungssituation“ bejaht, die jedoch nicht den Grad der erheblichen Minderung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erreicht habe.

b) Dies hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
aa) Schließt sich der Tatrichter dem angehörten Sachverständigen an, muß er sich in eigener Verantwortung mit dem Gutachteninhalt auseinandersetzen und dessen wesentlichen Grundlagen auf eine für das Revisionsgericht nachprüfbare Weise in den Urteilsgründen mitteilen (vgl. Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 20 Rdnr. 65 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Dem wird das angefochtene Urteil, das sich zu Einzelheiten des Sachverständigengutachtens nicht verhält, nicht gerecht.
bb) Darüber hinaus vermögen die vom Landgericht angeführten Tatumstände nicht den Ausschluß einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten zu rechtfertigen. Zwar kann die Indizwirkung einer hohen TatzeitBlutalkoholkonzentration (vgl. BGHSt 43, 66) durch Umstände entkräftet werden , die darauf hinweisen, daß das Steuerungsvermögen des Täters trotz der erheblichen Alkoholisierung voll erhalten geblieben ist (sog. psychodiagnostische Beurteilungskriterien; vgl. hierzu etwa BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 34 und 36). Dem Umstand, daß der Angeklagte „zielgerichtet mit Symbolcharakter in mehreren Etappen über eine Inbesitznahme der Geschädigten hin zu einer Erniedrigung“ (UA 27) gehandelt hat, kommt aber eine entsprechende Aussagekraft nicht ohne weiteres zu. Auch das Nachtatverhalten des Angeklagten, das teilweise eher von Ernüchterung und Reue getragen gewesen sein kann, gestattet keine diesbezüglichen sicheren Schlüsse.

c) Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung der betroffenen Einzelstrafe , da nicht ausgeschlossen werden kann, daß das Landgericht bei Annahme einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit von der Möglichkeit der Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht beziehungsweise - auch angesichts des Vorverhaltens der Geschädigten - den Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB zugrundegelegt und auf eine niedrigere Einzelstrafe erkannt hätte. Dies entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage. Einer Aufhebung des Schuldspruches bedarf es insoweit nicht, da der Senat eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten (§ 20 StGB) zur Tatzeit sicher ausschließen kann. Er hebt jedoch auch die Feststellungen zu den Trinkmengen auf, um dem neuen Tatrichter eine umfassende Prüfung der Voraussetzungen des § 21 StGB zu ermöglichen. Insoweit wird für die neue Hauptverhandlung zu berücksichtigen sein, daß Trinkmengenangaben des Angeklagten der Errechnung der Blutalkoholkonzentration nicht ungeprüft zugrunde gelegt werden müssen (vgl. hierzu im einzelnen Tröndle/Fischer aaO § 20 Rdnr. 15 m.N.).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 317/04
vom
28. September 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
28. September 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Coburg vom 15. März 2004 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Die Angeklagte wurde wegen Mordes, begangen im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit, zu zwölf Jahren und vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Mit ihrer Revision zum Nachteil der Angeklagten wendet sich die Staatsanwaltschaft allein gegen die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit. Das auch vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Folgendes ist festgestellt: Tatopfer ist der Ehemann der Angeklagten. Vorangegangen waren jahrelange Streitigkeiten um Geld. Die Angeklagte hatte sich - ursprünglich als Reaktion auf schlechte Behandlung durch ihren Ehemann - seit langem angewöhnt , deutlich mehr Geld auszugeben, als zur Verfügung stand. Trotz an sich gut auskömmlicher Verhältnisse (der letzte Monatsverdienst des Ehemannes betrug über 3.300 DM; die Familie wohnte mietfrei und hatte noch Mieteinnahmen ) führte dies zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten und damit verbundenen vielfältigen Komplikationen. Zuletzt war die Angeklagte dazu übergegangen, immer wieder heimlich die EC-Karte ihres Ehemanns an sich zu bringen und unberechtigt Geld von dessen Konto abzuheben. Häufigen heftigen Vorwürfen des Ehemanns setzte sie zwar nichts entgegen, sie war aber auch nicht bereit, "ihr gewohntes Geldausgabeverhalten zu ändern". Nachdem es wieder über mehrere Tage hin derartige Streitigkeiten gegeben hatte, beschloß die Angeklagte , wie sie dies auch schon früher erwogen hatte, ihren Ehemann zu töten, da sie ihn "nicht mehr ertragen konnte". Als er in der Mittagszeit des Tattages ahnungslos in einem Sessel saß, betrat sie das Zimmer und führte dabei einen im Haushalt vorhandenen gußeisernen Fleischklopfer mit sich, den sie entweder am Körper oder in einer Einkaufstasche verborgen hatte. Sie ging an ihrem Ehemann zunächst vorbei und schlug ihm dann von hinten den Fleischklopfer mindestens sechsmal wuchtig auf den Kopf, wodurch alsbald der Tod eintrat. Anschließend wickelte sie ihm ein Tischtuch um den Hinterkopf. Zur Tatzeit war sie allein mit dem Ehemann in der Wohnung. Der älteste Sohn war abwesend, die beiden jüngeren Söhne warteten vor dem Haus auf sie, um mit ihr zu einem für 14.00 Uhr vereinbarten Friseurtermin zu gehen.
Einer war schon aus der Wohnung vorausgegangen, der andere war zuvor unterwegs gewesen; diesen hatte sie aufgefordert, nicht mehr in die Wohnung zu kommen, sondern unten zu warten, als er nach seiner Rückkehr geklingelt hatte. Die Angeklagte nahm dann mit ihren Söhnen den Friseurtermin wahr und verhielt sich dabei unauffällig. Nach ihrer Rückkehr nach Hause spielte sie vor, unvermutet ihren Ehemann erschlagen vorzufinden. Es war ihr auch gelungen , den Fleischklopfer, der seither nicht wieder aufgetaucht ist, unbemerkt fortzuschaffen. 2. Zur Frage der Schuldfähigkeit der Angeklagten hat die Strafkammer einen Sachverständigen gehört, der - abstrakt - die für und gegen eine im Sinne des § 21 StGB bedeutsamen Affekt sprechenden Gesichtspunkte genannt hat. Bei diesen in den Urteilsgründen enthaltenen Aufzählungen handelt es sich um das Prüfschema nach Prof. Saß (sog. "Saß-Kriterien", im Wortlaut wiedergegeben z.B. bei Theune NStZ 1999, 273, 274 und bei Tondorf in Anwaltshandbuch Strafrecht Kap. D, Rz. 44), auf das die Rechtsprechung schon vielfach hingewiesen hat (vgl. z.B. BGH StV 1990, 439; BGHR StGB § 20 Affekt 3; BGH NStZ-RR 1997, 296 jew. m.w.Nachw.). Konkrete, auf die Angeklagte und die Tat bezogene Ausführungen des Sachverständigen ergeben die Urteilsgründe dagegen nicht. Die Strafkammer legt vielmehr im einzelnen dar, was nach ihrer Auffassung dafür und dagegen spricht, daß die Schuldfähigkeit der Angeklagten bei der Tat i.S.d. § 21 StGB beeinträchtigt war. Sie kommt letztlich zu dem Ergebnis, der Zweifelssatz ge-
biete die Annahme, daß affektbedingt bei der Tat eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit vorgelegen habe. 3. Im Grundsatz bestehen keine Bedenken, wenn - etwa mangels ungewöhnlicher Besonderheiten - der Richter im Rahmen der Schuldfähigkeitsprüfung auch die Vorfrage nach medizinisch-psychiatrischen Anknüpfungstatsachen auf Grund eigenen Wissens beantwortet (BGH StV 1999, 309, 310; vgl. auch Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 244 Rdn. 74b m.w.Nachw.). Zumindest ungewöhnlich ist es dann jedoch, wenn der Richter zugleich sachverständiger Beratung hinsichtlich der an sich geläufigen Frage bedarf, welche Gesichtspunkte generell bei der Prüfung eines schuldmindernden Affekts Gewicht gewinnen können (vgl. zusammenfassend z.B. Streng in Münch/Komm StGB § 20 Rdn. 75 ff.; Lenckner/Perron in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 20 Rdn. 15 jew. m.w.Nachw.). Zumal, da die Strafkammer mitteilt, der Sachverständige habe die Angeklagte eingehend untersucht, erscheint in diesem Zusammenhang auch eine Darlegungslücke - hierauf hebt die Beschwerdeführerin ab - nicht ausgeschlossen (vgl. Boetticher in NJW-Sonderheft für G. Schäfer 2002, 8, 10 m.w.Nachw.). 4. Der Senat braucht alledem aber unter keinem Aspekt näher nachzugehen , da die Erwägungen der Strafkammer schon aus anderen Gründen rechtlicher Überprüfung nicht standhalten:
a) Im Ansatz zutreffend geht die Strafkammer davon aus, daß Anzeichen für einen Affekt auch das Fehlen einer "Sicherheitstendenz" - also im Kern eine Tatbegehung ohne Vorkehrungen gegen eine Entdeckung - beim Täter sein kann.
Die Strafkammer führt aus, dies liege hier vor, wie sich aus der Art der Tatbegehung - sechs wuchtige Schläge auf den Kopf - ergebe. Dies ist nicht näher begründet und so nicht nachvollziehbar. Jedenfalls fehlt die Erörterung sich aufdrängender Gesichtspunkte, die eine gegenteilige Bewertung nahelegen. Die Angeklagte hat ihren Ehemann von hinten mit dem Fleischklopfer erschlagen , den sie zuvor vor ihm verborgen hatte. Dabei nutzte sie aus, daß die beiden Söhne nicht in der Wohnung waren, wenn sie nicht sogar selbst dafür gesorgt hat. Nach der Tat ging sie mit den Söhnen zum Friseur, ohne daß dabei irgend etwas aufgefallen wäre, um bei der Heimkehr dann so zu tun, als ob sie vom Tode ihres Mannes völlig überrascht sei. All dies spricht im hohen Maße für eine "Sicherheitstendenz", und auch sonst für wohlüberlegtes und nicht für affektbedingtes Verhalten. Ohne Erörterung dieser Gesichtspunkte kann die gegenteilige Annahme nicht Grundlage der Bewertung der Schuldfähigkeit sein.
b) Schon dies führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Unabhängig davon bemerkt der Senat, daß die ergänzende Erwägung der Strafkammer, es spreche ebenfalls für einen Affekt, daß die Angeklagte nach der Tat der Leiche ein Tuch um den Kopf wickelte, da dies auf Entschuldigung nach Affektabbau hindeute, ohne nähere Begründung ebenfalls nicht tragfähig erscheint, auch wenn sich die Strafkammer, wie sie ausführt, in dieser Bewertung durch die - nicht näher dargelegten - Ausführungen eines als "kriminalistischen" Sachverständigen gehörten Kriminalhauptkommissars "gestützt" sieht. 5. Ebenso wie die Feststellungen zu den sogenannten Eingangsmerkmalen von §§ 20, 21 StGB halten auch die sonstigen Ausführungen der Strafkammer zur Schuldfähigkeit rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Frage, ob eine Beeinträchtigung im Sinne von § 21 StGB "erheblich" ist, ist eine Rechtsfrage. Eine Rechtsfrage kann aber nicht, wie es die Strafkammer getan hat, auf der Grundlage des Zweifelssatzes beantwortet werden (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH, Beschluß vom 3. August 2004 - 1 StR 293/04; BGHR StGB § 21 in dubio pro reo 1 m.w.N.). Bei der Beurteilung der Erheblichkeit fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt. Diese sind um so höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH NStZ 2004, 437 f. m.w.N.), bei vorsätzlichen Tötungsdelikten also besonders hoch (vgl. BGH, Beschluß vom 3. August 2004 - 1 StR 293/04). 6. Der Strafausspruch war nach alledem aufzuheben. Anhaltspunkte dafür , daß die Angeklagte bei der Tat schuldunfähig gewesen sein könnte, sind dagegen nicht ersichtlich. Daher erweist sich hier die sich aus der maßgeblichen Revisionsbegründung ergebende Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch als wirksam. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Elf

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

5
1. Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 - 3 StR 154/14, juris Rn. 8, mwN). Die schriftlichen Urteilsgründe müssen daher so sorgfältig und strukturiert abgefasst sein, dass die tatgerichtliche Entscheidung nachvollziehbar und einer revisionsrechtlichen Überprüfung anhand dieses Maßstabes zugänglich ist (BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 364/12, NStZ-RR 2013, 78, 79). Es ist zwar anzuerkennen, dass die Abfassung der Urteilsgründe stets auch Ausdruck individueller richterlicher Gestaltung und Bewertung sowie der in Spruchkörpern gewachsenen Erfahrung und Übung ist (so auch schon BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - 2 StR 470/06, NStZ 2007, 720). Aufgabe des Tatgerichts ist es jedoch, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden. Das Abfassen unangemessen breiter Urteilsgründe ist weder durch § 267 StPO noch sachlichrechtlich geboten, da es, unabhängig von der vermeidbaren Bindung personeller Ressourcen beim Tatgericht, dazu geeignet sein kann, den Blick auf das Wesentliche zu verstellen und damit den Bestand des Urteils zu gefährden (BGH, Beschluss vom 3. Februar2009 - 1 StR 687/08, BGHR StPO § 267 Darstellung 2). Die schriftlichen Urteilsgrün- de dienen nicht der Nacherzählung des Ablaufs der Ermittlungen oder der Dokumentation des Gangs der Hauptverhandlung. Die Annahme, es sei notwendig , das Revisionsgericht im Detail darüber zu unterrichten, welche Ergebnisse die im Hauptverhandlungsprotokoll verzeichneten Beweiserhebungen erbracht haben, ist verfehlt (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - 2 StR 470/06, NStZ 2007, 720). So ist es regelmäßig nicht angebracht, Zeugenaussagen in umfänglicher Weise ohne Bezug zu Einzelheiten der Beweiswürdigung wiederzugeben ; denn die bloße Wiedergabe des Beweisergebnisses ersetzt nicht dessen Würdigung (BGH, Beschluss vom 20. September 2000 - 3 StR 287/00, bei Becker, NStZ-RR 2001, 257, 264). Entsprechendes gilt für die Ergebnisse von Überwachungsmaßnahmen im Bereich der Telekommunikation.
2
1. Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Die schriftlichen Urteilsgründe müssen daher so sorgfältig und strukturiert abgefasst sein, dass die tatgerichtliche Entscheidung nachvollziehbar und einer revisionsrechtlichen Überprüfung anhand dieses Maßstabes zugänglich ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. August 2014 – 3 StR 224/14 mwN).
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aa) Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters ist. Der Beur- teilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2008 – 5 StR 564/07, NStZ-RR 2008, 180, 181). Hieran gemessen weist die Beweiswürdigung des Landgerichts zum Vorstellungsbild der beiden Angeklagten, sie hätten die erworbenen Zytostatika lediglich als Ausgangsstoffe für die Herstellung einer Rezeptur angesehen und die zubereiteten ZytostatikaLösungen für zulassungsfreie Rezepturarzneimittel gehalten, die als solche auch abzurechnen gewesen seien, keine Rechtsfehler auf.
2
1. Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Die schriftlichen Urteilsgründe müssen daher so sorgfältig und strukturiert abgefasst sein, dass die tatgerichtliche Entscheidung nachvollziehbar und einer revisionsrechtlichen Überprüfung anhand dieses Maßstabes zugänglich ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. August 2014 – 3 StR 224/14 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 371/13
vom
5. Dezember 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Dezember
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 24. April 2013 wird verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten durch dieses entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklageschrift legt dem Angeklagten fünf tateinheitlich zusammentreffende Fälle des versuchten Mordes, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, zur Last, wobei es in einem Fall der gefährlichen Körperverletzung beim Versuch geblieben sei. Von diesem Vorwurf hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge, die sich ausschließlich gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts wendet und insbesondere deren Lückenhaftigkeit und Widersprüchlichkeit geltend macht. Das Rechtsmittel hat jedoch keinen Erfolg.

I.


2
Der nicht vorbestrafte Angeklagte war als ausgebildeter Chemiker bei der Fa. F. GmbH in L. in der Qualitätssicherung angestellt. Am Morgen des 29. März 2010, einem Montag, tranken vier Mitarbeiter des Un- ternehmens Kaffee, den einer von ihnen nach 6.40 Uhr in einem Büro in einer von mehreren Angestellten genutzten Kaffeemaschine zubereitet hatte. Eine fünfte Mitarbeiterin hatte sich zwar von dem Kaffee eine Tasse eingeschenkt, kam aber nicht mehr dazu, davon zu trinken. Kurze Zeit nach dem Konsum des Kaffees litten die vier Mitarbeiter, die von dem Kaffee getrunken hatten, unter anderem an Schwindelanfällen, wurden bewusstlos und mussten notärztlich und anschließend in einem Krankenhaus versorgt werden.
3
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen wurde in dem in den Tassen der fünf Mitarbeiter verbliebenen Kaffee sowie im Filterrückstand der Giftstoff Scopolamin festgestellt; auch im Blut und Urin der vier Geschädigten wurde Scopolamin gefunden.
4
Die zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage legt dem Angeklagten zur Last, am Morgen des 29. März 2010 in den Wasserbehälter der Kaffeemaschine mindestens 193 mg Scopolamin geschüttet zu haben.
5
Zur Täterschaft hat das Schwurgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen: - es ist "sehr wahrscheinlich", dass sich der Täter mit den Gegebenheiten in dem Unternehmen gut auskannte und deshalb aus dem Kreis dessen Mitarbeiter oder der dem Unternehmen nahe stehenden Personen kam; - der seit dem Jahr 2005 bei dem Unternehmen beschäftigte Angeklagte hatte ein Motiv dafür, den Mitarbeitern Schaden zuzufügen, denn er wurde unter anderem mit zwei Abmahnungen im Jahr 2009 massiv kritisiert und hegte einen "tiefen Groll" gegen den 2006 eingesetzten Geschäftsführer des Unternehmens; - der die Tatbegehung bestreitende Angeklagte hielt sich - was nicht ungewöhnlich war - am Tattag ab etwa 4.00 Uhr vorübergehend auf dem Betriebsgelände auf; zwei auf 5.50 und 5.53 Uhr dieses Tages datierte Messprotokolle aus dem Bereich der Qualitätssicherung, für die der Angeklagte zuständig ist, sind von ihm unterzeichnet; etwa ab 6.00 Uhr war er - anders als sonst - über mehrere Stunden hin telefonisch nicht mehr erreichbar; als sich eine Mitarbeiterin am späten Vormittag nach seinem Befinden erkundigte, benahm sich der Angeklagte aus deren Sicht ungewöhnlich (er habe "ironisch gelacht"); - in dem Büro, in dem die Kaffeemaschine stand, brannte etwa um 5.45 bzw. 5.50 Uhr Licht; kurze Zeit später war die Hoftür zu dem Büro abgeschlossen und es brannte in dem Büro kein Licht mehr; - der Angeklagte hatte Zugang zu dem Büro, in dem die Kaffeemaschine stand; - auf dem Wassertank an der Rückseite der Kaffeemaschine wurde ein Fingerabdruck des Angeklagten sichergestellt; - die Kaffeemaschine war von einer Reinigungskraft am Samstag, dem 27. März 2010, gereinigt worden, unter anderem hatte sie den Was- sertank feucht abgewischt; anschließend bereitete sich die Zeugin selbst Kaffee zu, ohne nach dessen Konsum zu erkranken; - auf der Festplatte des Computers eines in dem Unternehmen beschäftigten Praktikanten, den auch der Angeklagte benutzte, wurde ein am 18. September 2007 erstelltes "Browsercookie" aufgefunden, nach dem im Jahr 2007 unter dem Namen "k. " das Forum der Internetseite "www. .de" besucht wurde; in diesem Forum hatte ein (nicht ermittelter) Nutzer am 9. März 2007 nach der "Totalsynthese" , also der chemischen Zusammensetzung von Scopolamin gefragt; - an der Kaffeemaschine und der Kaffeekanne wurde DNA gesichert, die allerdings nicht für eine Typisierung ausreichte bzw. für die lediglich festgestellt werden konnte, dass sie von drei bzw. zwei Personen herrührt; - ein an einer anderen Stelle des Gehäuses der Kaffeemaschine gesicherter weiterer Fingerabdruck konnte keinem konkreten Verursacher zugeordnet werden; - in dem vom Angeklagten und seiner Ehefrau bewohnten Haus wurde eine Vielzahl chemischer Substanzen - aber kein Scopolamin - aufgefunden.
6
Aufgrund dieser Feststellungen vermochte sich das Landgericht nicht von der Täterschaft des Angeklagten zu überzeugen.

II.


7
Dies begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8
1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Zudem muss das Urteil erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet werden, sondern müssen in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt worden sein (st. Rspr.; vgl. die Nachweise bei Brause, NStZ-RR 2010, 329, 330 f.; MeyerGoßner , StPO, 56. Aufl., § 337 Rn. 26 ff.).
9
Schließlich unterliegt der revisionsgerichtlichen Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 - 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180 mwN). Jedoch ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Bundesgerichtshof als Maßstab seiner revisionsrechtlichen Kontrolle darauf abstellt, ob die vom Tatgericht gezogenen Schlussfolgerungen möglich sind (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2008 - 2 BvR 2067/07, Rn. 43). Das Revisionsgericht hat die tatrichterliche Überzeugungsbildung sogar dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise näher liegend gewesen wäre (BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89). Dies gilt unabhängig von der Bedeutung und dem Gewicht des strafrechtlichen Vorwurfs des jeweiligen Verfahrens; denn diese vermögen eine unterschiedliche Handhabung der Grundsätze revisionsgerichtlicher Rechtsprüfung nicht zu rechtfertigen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 - 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146).
10
2. Daran gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einer ausreichenden Gesamtschau der maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände.
11
a) Die Beweiswürdigung ist insbesondere nicht lückenhaft.
12
aa) Auch im Fall eines Freispruchs muss der Tatrichter die wesentlichen Gründe seiner Entscheidung in den schriftlichen Urteilsgründen darlegen (BGH, Urteile vom 2. April 2008 - 2 StR 19/08; vom 24. Januar 2006 - 5 StR 410/05). Indes kann eine Beweiswürdigung ihrer Natur nach nicht erschöpfend in dem Sinne sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten in den Urteilsgründen ausdrücklich abgehandelt werden. Dies ist von Rechts wegen auch nicht zu verlangen. Aus einzelnen Lücken kann daher nicht ohne Weiteres abgeleitet werden, der Tatrichter habe nach den sonstigen Urteilsfeststellungen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 285/10, NStZ-RR 2011, 50; ähnlich Urteil vom 14. Dezember 2005 - 2 StR 375/05, NStZ-RR 2006, 82, 83).
13
Lückenhaft ist eine Beweiswürdigung vielmehr namentlich dann, wenn sie wesentliche Feststellungen nicht erörtert (BGH, Urteil vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06). Bei der Prüfung, ob dies der Fall ist, ist es jedoch nicht Sache des Revisionsgerichts, Mutmaßungen darüber anzustellen, ob nicht naheliegend weitere Beweismittel zur Aufklärung der Tatvorwürfe zur Verfügung gestanden hätten oder weitere Beweise erhoben und im Urteil lediglich nicht gewürdigt worden sind. Schon gar nicht kann das Revisionsgericht aufgrund derartiger Mutmaßungen das Urteil auf die Sachrüge hin aufheben. Vielmehr ist es in solchen Fällen Sache der Staatsanwaltschaft, entweder durch Erhebung einer Aufklärungsrüge geltend zu machen, dass das Landgericht weitere mögliche Beweise zur Erforschung des Sachverhalts unter Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO nicht erhoben hat, oder zu beanstanden, dass es hierzu erhobene Beweise nicht in seine Würdigung einbezogen und daher zu seiner Überzeugungsbildung den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht ausgeschöpft hat (§ 261 StPO; vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 317/10, NStZ-RR 2011, 88 f.).
14
bb) Auf dieser Grundlage haben die Beanstandungen der Revisionsführerin und des Generalbundesanwalts zur Lückenhaftigkeit der tatrichterlichen Beweiswürdigung keinen Erfolg.
15
Sie erschöpfen sich zum einen in einer anderen Bewertung von Tatsachen , die das Landgericht in seine Würdigung einbezogen und ersichtlich bedacht hat, etwa dass der Angeklagte - insbesondere zeitlich und räumlich - Gelegenheit zur Tatbegehung hatte, er sich nach der Tat auffällig verhielt und keine konkreten Hinweise dafür vorliegen, welche andere Person Täter sein könnte. Es ist jedoch allein Sache des Tatrichters, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen Indizien zu bewerten; das Revisionsgericht kann nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen (BGH, Urteile vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89; vom 4. April 2013 - 3 StR 37/13; vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, StraFo 2013, 339).
16
Zum anderen sehen Revisionsführerin und Generalbundesanwalt Lücken in einer nicht hinreichenden Aufklärung etwa zu den finanziellen Verhältnissen des Angeklagten oder zu der Frage, ob andere Firmenangehörige mit chemischen Kenntnissen Zugang zu dem Büro und ein ebenso starkes Motiv für die Vergiftung hatten. Da Grundlage der materiell-rechtlichen Überprüfung durch das Revisionsgericht allein das tatrichterliche Urteil ist, liegt hierin angesichts der im Übrigen getroffenen Feststellungen kein auf die Sachrüge hin zu beachtender Rechtsfehler, sondern ein Mangel, der mit einer Aufklärungsrüge gerügt werden musste (vgl. BGH, Urteile vom 18. September 2008 - 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 403; vom 8. August 2001 - 5 StR 252/01; zur Erforderlichkeit von Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen in einer anders gearteten Konstellation auch BGH, Urteil vom 21. November 2013 - 4 StR 242/13).
17
b) Die Beweiswürdigung in dem landgerichtlichen Urteil enthält auch keine einen Rechtsfehler darstellende Widersprüche.
18
Ein solcher die Sachrüge begründender Widerspruch kann nicht allein darin liegen, dass einzelne Beweismittel miteinander Unvereinbares ergeben haben. Ebenso wenig kann ein Widerspruch darin gesehen werden, dass das Gericht einer Zeugenaussage folgt (hier z.B. zur - gründlichen - Reinigung der Kaffeemaschine am 27. März), aber hieraus nicht die von der Staatsanwaltschaft gezogene Schlussfolgerung ziehen will (dass dann der Fingerabdruck des Angeklagten nicht am Tag zuvor an die Kaffeemaschine gelangt sein kann).
Vielmehr ist bei ambivalenten Beweisanzeichen, die dem Tatrichter im Einzelfall rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen, eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber , welche indizielle Bedeutung ein solcher Umstand im konkreten Fall entfaltet , vom Revisionsgericht hinzunehmen (vgl. BGH, Urteile vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, StraFo 2013, 339; vom 4. April 2013 - 3 StR 37/13; vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89).
19
c) Auch die Würdigung der Einlassung des Angeklagten lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
20
Zwar ist der Tatrichter nicht verpflichtet, einer Einlassung zu folgen, nur weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt, mittels derer die Behauptung sicher widerlegt werden kann. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Sachverhalte zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte vorhanden sind (vgl. BGH, Urteile vom 2. September 2009 - 2 StR 229/09, NStZ 2010, 102; vom 18. September 2008 - 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 402; ferner BVerfG, NStZ-RR 2007, 381, 382).
21
Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Dass - wie der Generalbundesanwalt anführt - das Schwurgericht nach der im letzten Wort erfolgten Einlassung des bis dahin schweigenden Angeklagten weder Vorhalte gemacht noch Nachfragen gestellt oder erneut in die Beweisaufnahme eingetreten ist, ist auf die allein erhobene Sachrüge hin unbeachtlich.
22
d) Schließlich hat das Landgericht weder die gebotene Gesamtwürdigung der für und gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Umstän- de unterlassen oder rechtsfehlerhaft vorgenommen, noch hat es überspannte Anforderungen an die entsprechende Überzeugungsbildung gestellt.
23
Eine Gesamtwürdigung hat das Schwurgericht vielmehr ausdrücklich vorgenommen. Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzugeben, dass die Strafkammer dabei die für ihre Überzeugungsbildung maßgeblichen Beweisanzeichen weiter gehend oder noch detaillierter hätte erörtern können. Sie hat aber auch angesichts der von ihr nicht verkannten, den Angeklagten belastenden Umstände weder nahe liegende andere Deutungsmöglichkeiten außer Acht gelassen , noch bloße Schlussfolgerungen zur Begründung von Zweifeln an der Täterschaft des Angeklagten angeführt, für die es nach der Beweisaufnahme entweder keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt oder die als eher fernliegend zu betrachten sind. Auch die Gesamtwürdigung weist daher keinen Rechtsfehler auf.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin
18
1. Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatgerichts ist. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Ur- teil vom 10. Dezember 2014 - 5 StR 136/14 mwN). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87; Sander in LR-StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 182 mwN).
26
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denk- oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung stellt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugung auch dann hinzunehmen , wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder gar naheliegend gewesen wäre (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 387/15 mwN).
5
1. Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 - 3 StR 154/14, juris Rn. 8, mwN). Die schriftlichen Urteilsgründe müssen daher so sorgfältig und strukturiert abgefasst sein, dass die tatgerichtliche Entscheidung nachvollziehbar und einer revisionsrechtlichen Überprüfung anhand dieses Maßstabes zugänglich ist (BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 364/12, NStZ-RR 2013, 78, 79). Es ist zwar anzuerkennen, dass die Abfassung der Urteilsgründe stets auch Ausdruck individueller richterlicher Gestaltung und Bewertung sowie der in Spruchkörpern gewachsenen Erfahrung und Übung ist (so auch schon BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - 2 StR 470/06, NStZ 2007, 720). Aufgabe des Tatgerichts ist es jedoch, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden. Das Abfassen unangemessen breiter Urteilsgründe ist weder durch § 267 StPO noch sachlichrechtlich geboten, da es, unabhängig von der vermeidbaren Bindung personeller Ressourcen beim Tatgericht, dazu geeignet sein kann, den Blick auf das Wesentliche zu verstellen und damit den Bestand des Urteils zu gefährden (BGH, Beschluss vom 3. Februar2009 - 1 StR 687/08, BGHR StPO § 267 Darstellung 2). Die schriftlichen Urteilsgrün- de dienen nicht der Nacherzählung des Ablaufs der Ermittlungen oder der Dokumentation des Gangs der Hauptverhandlung. Die Annahme, es sei notwendig , das Revisionsgericht im Detail darüber zu unterrichten, welche Ergebnisse die im Hauptverhandlungsprotokoll verzeichneten Beweiserhebungen erbracht haben, ist verfehlt (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - 2 StR 470/06, NStZ 2007, 720). So ist es regelmäßig nicht angebracht, Zeugenaussagen in umfänglicher Weise ohne Bezug zu Einzelheiten der Beweiswürdigung wiederzugeben ; denn die bloße Wiedergabe des Beweisergebnisses ersetzt nicht dessen Würdigung (BGH, Beschluss vom 20. September 2000 - 3 StR 287/00, bei Becker, NStZ-RR 2001, 257, 264). Entsprechendes gilt für die Ergebnisse von Überwachungsmaßnahmen im Bereich der Telekommunikation.
2
1. Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Die schriftlichen Urteilsgründe müssen daher so sorgfältig und strukturiert abgefasst sein, dass die tatgerichtliche Entscheidung nachvollziehbar und einer revisionsrechtlichen Überprüfung anhand dieses Maßstabes zugänglich ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. August 2014 – 3 StR 224/14 mwN).

Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.

26
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 m.w.N.). Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; Schroth NStZ 1990, 324, 325) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f., vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10, WM 2012, 260, 262, und vom 21. Dezember 2011 – 1StR 400/11) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; vgl. zusammenfassend zuletzt BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11 m.w.N.).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 400/11
vom
21. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
21. Dezember 2011, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof ,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt , in der Verhandlung,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwältin
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 1. März 2011 werden verworfen. 2. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft trägt die Staatskasse. Die Kosten des Rechtsmittels des Nebenklägers trägt dieser selbst. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und der Nebenkläger je zur Hälfte. Die dem Angeklagten durch die Revisionen entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe:



1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung (mittels eines gefährlichen Werkzeugs und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung) in Tateinheit mit Beleidigung zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Weiter hat es festgestellt, dass der Angeklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, den materiellen und immateriellen Schaden des Nebenklägers, der diesem aus der vorliegend abgeurteilten Tat erwachsen ist und noch erwächst, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Versicherer übergegangen sind. Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger beanstanden mit ihrem Rechtsmittel die Verletzung materiellen Rechts, der Nebenkläger erhebt zudem eine Formalrüge. Beide erstreben letztlich die Verurteilung wegen eines versuchten Tötungsdelikts. Den Revisionen bleibt der Erfolg versagt.

I.


2
Seiner Entscheidung hat das Landgericht Folgendes zugrunde gelegt:
3
1. Zur Person des Angeklagten:
4
Der zur Tatzeit 24-jährige Angeklagte gehört der neonationalsozialistisch orientierten rechtsradikalen Szene an. Er bezeichnet sich selbst als Neonazi. Von 2004 bis 2008 war er aktives Mitglied der NPD. Dann schloss er sich dem „Freien Netzwerk Süd“ an.
5
Seit 2004 beobachtete die Polizei den Angeklagten, der „durchaus dem Führungsbereich zuzuordnen sei“, in mindestens 40 Fällen als Aktivisten der rechten Szene. Er wird von der Polizei als sehr gewaltbereit eingestuft.
6
Der Angeklagte ist begeisterter Kampfsportanhänger. Im Alter von 16 oder 17 Jahren hatte er mit dem Boxtraining begonnen. Besonders begeistert ihn das Kickboxen, das er seit 2007 in und außerhalb eines „Fight-Clubs“ be- treibt. Der Angeklagte trainiert nicht nur aus sportlichen Gründen. Als Zuhörer in der Hauptverhandlung in einem Strafverfahren gegen zwei andere Rechtsextremisten im Mai 2009 war er mit einem schwarzen Langarmshirt mit der weißen Aufschrift „Spezialist für Körperverletzungen“ bekleidet aufgefallen.
7
Wegen (gefährlicher) Körperverletzung ist der Angeklagte auch vorbestraft. Im Februar 2008 griffen er und ein Mittäter eine 18-jährige Teilnehmerin und einen 19-jährigen Teilnehmer einer Demonstration gegen eine Mahnwache der NPD zur Erinnerung an die Zerstörung Dresdens auf deren Rückweg zum Bahnhof unvermittelt mit Faustschlägen gegen den Kopf und mit Fußtritten an. Dies führte neben Prellungen zu Kopfschmerzen und Schwindel, die mehrere Tage anhielten, und bei der geschädigten Frau zudem zu einem dreiwöchigen Tinnitus an einem Ohr. Der Angeklagte wurde deshalb zu der Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung bis zum 19. März 2012 zur Bewährung ausgesetzt wurde.
8
2. Zum Tatgeschehen und dessen Folgen:
9
a) Der Angeklagte, seine Freundin L. und deren Arbeitskollegin bestiegen am 28. April 2010 am Hauptbahnhof in Nürnberg gegen 13.45 Uhr die U-Bahnlinie U2. L. trug eine Bauchtasche der Marke „Thor Steinar“, deren Kleidung von der rechtsextremen Szene getragen wird. Etwa 1 ½ Minuten danach stieg an der nächsten Haltestelle (Opernhaus) der 17-jährige B. zu, der spätere Verletzte. Er war seit ca. zwei Jahren in der „Antifa-Bewegung“ politisch aktiv. Sein Blick fiel auf die Bauchtasche der Freundin des Angeklagten. Er stellte sich breitbeinig vor L. auf, beugte sich mit dem Oberkörper nach vorne und warf dieser abfäl- lig die Worte „Thor Steinar“ entgegen. Dies hörte der Angeklagte und erkannte in B. einen politischen Gegner. Verärgert über dessen abfällige Bemerkung schlug der Angeklagte mit der Faust gegen dessen Kopf. Als sich B. daraufhin dem Angeklagten zuwandte, trat dieser ihm wuchtig mit dem gestreckten Bein gegen den Oberkörper, um ihn zu verletzen. B. stürzte zu Boden und riss den Angeklagten mit sich. Es kam etwa fünf Sekunden lang zu einem Gerangel mit wechselseitigen Schlägen. Dann wurden sie von einer zusteigenden Reinigungskraft der Verkehrsbetriebe getrennt. Der Angeklagte stand auf und trat beim Weggehen einmal wuchtig mit seinem Fuß, an dem er straßentaugliche Turnschuhe trug, von der Seite gegen das Gesicht des noch am Boden liegenden B. . Dieser erlitt dadurch eine blutende Verletzung an der Nase.
10
Der Angeklagte verließ die U-Bahn. Beim Aussteigen beschimpfte er B. , der ebenfalls aufgestanden und im Aussteigen begriffen war, noch mit dem Wort Fotze. Der Angeklagte fuhr die Rolltreppe nach oben. Dort traf er seine Begleiterinnen, die auf seine Aufforderung „Los raus hier“ ebenfalls den Zug verlassen hatten.
11
Wenige Sekunden nach dem Aussteigen erlitt B. einen Herzstillstand und brach auf dem Bahnsteig zusammen. Die Ursache dafür war entweder der Tritt des Angeklagten gegen den Oberkörper, bei dem der So- larplexus getroffen wurde, oder eine durch die Angriffe des Angeklagten hervorgerufene affektive Erregung.
12
Ein zufällig anwesender Krankenpfleger leitete sofort Wiederbelebungsversuche ein. Nach wenigen Minuten übernahmen dies über die Dauer von 45 Minuten der Notarzt und mit ihm eingetroffene Sanitäter. Der Notarzt defibrillierte währenddessen neunmal und setzte die maximale Dosis an herzanregenden Mitteln ein. Als die Sanitäter B. bereits aufgegeben hatten, führte der Notarzt die Herzdruckmassage noch zehn Minuten lang durch. Unmittelbar bevor auch er abbrechen wollte, begann das Herz von B. wieder zu schlagen. B. wurde bewusstlos in ein Krankenhaus eingeliefert und für fünf Tage in ein künstliches Koma versetzt. Er musste sich zweier Herzkatheteruntersuchungen unterziehen. Er erlitt zudem ein Kompartmentsyndrom im Bereich des rechten Unterschenkels. Deshalb musste er achtmal operiert werden. Die Strafkammer konnte nicht feststellen, ob das Kompartmentsyndrom unmittelbare Folge eines Angriffs des Angeklagten gegen das rechte Bein des Opfers oder die Folge eines Anstoßes bei der Pflege des Komapatienten war. B. leidet noch immer unter Schmerzen und an den psychischen Folgen der Tat. Er ist zu 40 % schwerbehindert.
13
Der Angeklagte hatte den Zusammenbruch seines Opfers nicht mehr gesehen. Als er von dem Fahndungsaufruf erfuhr, stellte er sich am 29. April 2011 (ein Tag nach dem Geschehen) der Polizei. Von den gravierenden Folgen seiner Tat war er sichtlich überrascht.
14
In der Hauptverhandlung entschuldigte sich der Angeklagte bei B. . Allerdings hatte er in den Tagen nach seiner Verhaftung noch versucht, seine Freundin und deren Arbeitskollegin dazu zu bewegen, bei der Polizei an- zugeben, B. habe sie angegriffen und beleidigt. Am 27. Juli 2010 schrieb er aus der Untersuchungshaft an einen Bekannten: „……. Frau futsch, Wohnung futsch, alles futsch. Warum? Weil ich getan habe, was Mann tun muss. Weil ich mich gerade gemacht habe …..“.
15
b) Die Strafkammer hat festgestellt, dass der Angeklagte mit Verletzungsvorsatz , aber nicht mit - auch nicht mit bedingtem - Tötungsvorsatz gehandelt hat.
16
Der Angeklagte hat es weit von sich gewiesen, dass er B. habe töten wollen. Er wisse zwar aufgrund seiner Kickboxerfahrung, dass bei einem Tritt gegen den Oberkörper immer was passieren könne, aber er habe nie damit gerechnet, dass sein Angriff tödliche Folgen haben könnte. Motiv seiner Tat sei gewesen, dass das spätere Opfer seine Freundin „dumm angeredet“ habe. Er habe sich über dessen politische Einstellung keine Gedanken gemacht; er habe nicht erkannt, dass B. links orientiert sei.
17
Letzteres ist nach den Feststellungen der Strafkammer widerlegt, zumal der Angeklagte sein Opfer unmittelbar nach der Tat als „Zecke“ bezeichnete. Die Strafkammer hat dazu ausgeführt: „Allein die Tatsache, dass der Angeklagte die politische Motivation seines Handelns bestreitet und er in der Vergangenheit bereit war, politischen Gegnern gewaltbereit entgegenzutreten, rechtfertigt es jedoch nicht, bei jeglichem körperlichem Angriff gegen einen Linken davon auszugehen, dass der Angeklagte einen möglichen Todeseintritt billigend in Kauf genommen hat. Hier müssen sämtliche tatrelevanten Gesichtspunkte in eine Gesamtwürdigung einbezogen werden.“
18
Die medizinisch-sachverständig beratene Strafkammer hat bei ihrer umfassenden Würdigung insbesondere auf folgende Punkte abgestellt: - Der Tritt gegen den Oberkörper, bei dem der Solarplexus getroffen wurde, war objektiv geeignet, den Tod von B. herbeizuführen. Allerdings tritt diese Folge bei einem einmaligen Tritt extrem selten ein.
- Ein wuchtiger Tritt mit dem beschuhten Fuß gegen den Kopf, stellt eine Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung dar. Der Angeklagte führte den Tritt jedoch seitlich gegen das Gesicht aus, sodass der Kopf des Opfers nach hinten bewegt wurde. Zu einer „Widerlagerverletzung“ konnte es so nicht kommen. Der Tritt hat deshalb auch außer einer Beschädigung der Nasenschleimhaut keine Verletzungen hervorgerufen. Als Ursache für den Herzstillstand scheidet er aus. - Bei der Auseinandersetzung handelte es sich um ein spontanes Geschehen. Es dauerte lediglich 14 Sekunden und wurde nicht von Drohungen des Angeklagten begleitet, die einen Rückschluss auf seine Motivation zugelassen hätten. - Der Angeklagte war von der Mitteilung der Folgen seiner Tat vollkommen überrascht und darüber erschrocken, wie nicht nur sein Umfeld, sondern auch der Polizeibeamte bestätigte, dem sich der Angeklagte stellte.
19
„Die Kammer ist daher überzeugt, dass der Angeklagte zwar um die be- sondere Gefährlichkeit eines Trittes gegen den Oberkörper und den Kopf wuss- te, den Tod des B. jedoch für völlig fernliegend erachtet und darauf vertraut hat, dass ein solcher auch nicht eintritt.“

II.


20
1. Die vom Nebenkläger erhobene Formalrüge - fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags als bedeutungslos aus tatsächlichen Gründen - ist, wie vom Generalbundesanwalt schon in seiner Antragsschrift vom 10. August 2011 zutreffend dargelegt, unbegründet.
21
2. Die sachlich-rechtliche Überprüfung aufgrund der von beiden Revisionsführern erhobenen Rüge der Verletzung materiellen Rechts gefährdet den Bestand des Urteils im Ergebnis nicht.
22
a) Ob das Landgericht den Tötungsvorsatz rechtsfehlerfrei verneint hat (dazu unten aa), kann letztlich dahinstehen, da der Angeklagte von einem Tötungsversuch jedenfalls freiwillig zurückgetreten ist (unten bb).
23
aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 1 StR 501/11 mwN).
24
Die Strafkammer kam nach Würdigung der von ihr getroffenen Feststellungen zu dem Ergebnis, der Angeklagte habe B. verletzen, aber nicht - auch nicht bedingt vorsätzlich - töten wollen.
25
Das Willenselement des bedingten Vorsatzes ist bei Tötungsdelikten dann gegeben, wenn der Täter den von ihm als möglich erkannten Eintritt des Todes billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen damit abfindet. Dabei genügt für eine vorsätzliche Tatbegehung, dass der Täter den konkreten Erfolgseintritt akzeptiert und er sich innerlich mit ihm abgefunden hat, mag er auch seinen Wünschen nicht entsprochen haben. Hatte der Täter dagegen begründeten Anlass darauf zu vertrauen und vertraute er darauf, es werde nicht zum Erfolgseintritt kommen, kann bedingter Vorsatz nicht angenommen werden (BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10 Rn. 34 mwN).
26
Bei der Prüfung, ob der Täter vorsätzlich gehandelt hat, muss sowohl das Wissens- als auch das Willenselement im Rahmen einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Dabei liegt zwar die Annahme einer Billigung des Todes des Opfers nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz erkannter Lebensgefährlichkeit durchführt. Allein aus dem Wissen um den möglichen Erfolgseintritt oder die Gefährlichkeit des Verhaltens kann aber nicht ohne Berücksichtigung etwaiger sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebender Besonderheiten geschlossen werden, dass auch das Willenselement des Vorsatzes gegeben ist (vgl. BGH aaO Rn. 35).
27
Den sich hieraus ergebenden Anforderungen wird das landgerichtliche Urteil zwar weitgehend gerecht. Die Strafkammer hat bei ihrer Gesamtbetrachtung insbesondere erwogen, dass dem Angeklagten - einem Kampfsportler (Kickboxer) - die Gefährlichkeit seiner Tritte gegen die Brust (Solarplexus) und gegen den Kopf des Geschädigten bewusst war. Das Landgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass allein aus der objektiven Gefährlichkeit nicht zwingend auf den - bedingten - Tötungsvorsatz geschlossen werden kann. Die Strafkammer gelangte dann - auch aufgrund des Nachtatverhaltens - zu der Überzeugung, dass der Angeklagte bei seiner Spontantat den Tod des B. für völlig fernliegend erachtet und darauf vertraut hat, dass ein solcher auch nicht eintritt.
28
Die Strafkammer hat allerdings bei der Bewertung der Tathandlungen im Hinblick auf das Willenselement eine etwas verkürzte Betrachtung angestellt. Sie bewertet die beiden Tritte insoweit jeweils für sich: „Auch der wuchtig geführte einmalige Tritt in das Gesicht des am Boden liegenden Opfers reicht für sich allein nicht aus von einem bedingten Tötungsvorsatz auszugehen.“ Das Landgericht hebt dann im Weiteren vor allem darauf ab, dass dieser Tritt - ex post betrachtet - zu keinen gravierenden Verletzungen führte und nicht die Ursache für den späteren Zusammenbruch B. s war. Damitkommt der maßgebliche Umstand etwas kurz, dass der Angeklagte in einer Angriffsfolge zwei - vom ersten Faustschlag ganz abgesehen - höchstlebensgefährliche Angriffe gegen sein Opfer führte. Deshalb spricht auch die Tatsache, dass die Auseinandersetzung insgesamt nur 14 Sekunden dauerte, nicht gegen einen - bedingten - Tötungsvorsatz.
29
Die fehlende - jedenfalls fehlende ausdrückliche - Bewertung der rasch aufeinanderfolgenden Verletzungshandlungen im Zusammenhang könnte eine Lücke und damit einen Rechtsfehler in der Beweiswürdigung darstellen. Ob dieser durchgreifend wäre, ob also auszuschließen ist, dass die Strafkammer bei deutlicher Gewichtung auch dieses Aspekts in der Beweiswürdigung zur Feststellung eines bedingten Tötungsvorsatzes gekommen wäre, kann jedoch dahinstehen.
30
bb) Denn hätte der Angeklagte bedingt vorsätzlich versucht, B. zu töten, so wäre er nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Strafkammer von diesem Tötungsversuch - freiwillig - strafbefreiend zurückgetreten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB).
31
Von einem unbeendeten Versuch kann der Täter durch bloßes Nichtweiterhandeln zurücktreten (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 228). Unbeendet ist der Versuch, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung nach seinem Kenntnisstand nicht mit dem Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs rechnet, und sei es auch nur in Verkennung der durch seine Handlung verursachten Gefährdung des Opfers, und die Vollendung aus seiner Sicht noch möglich ist (BGH aaO, 227).
32
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Zwar wurden die am Boden liegenden Kämpfenden, der Angeklagte und B. , von einer Reinigungskraft der Verkehrsbetriebe zunächst getrennt. Nach dem Aufstehen war der Angeklagte jedoch in der Lage, seinen Angriff sofort fortzusetzen und er tat dies auch mit einem wuchtigen Tritt in das Gesicht seines noch am Boden liegenden Opfers. An weiteren Fußtritten - in schneller Folge - war er nicht gehindert. Er entfernte sich jedoch. Davon, dass er B. bereits in extreme Lebensgefahr gebracht und damit im Grunde schon alles getan hatte, um ihn zu töten, wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nichts.
33
b) Die Strafzumessungserwägungen enthalten keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil oder zum Nachteil (§ 301 StPO) des Angeklagten.

34
Zwar darf der Vollzug der Untersuchungshaft an sich nicht mildernd berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2011 - 1 StR 407/11 Rn. 9). Die Strafkammer erwähnt dies aber allein in dem Zusammenhang, dass der Angeklagte „sich am Tag nach der Tat selbst bei der Polizei gestellt hat und sich seit diesem Tag in Untersuchungshaft befindet“. Das Landgericht hält ihm somit nur zugute, dass er sich freiwillig der Strafverfolgung stellte, mit vorhersehbar für ihn sofort einschneidenden Folgen (Untersuchungshaft). Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Wahl Rothfuß Hebenstreit Jäger Sander
26
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 m.w.N.). Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; Schroth NStZ 1990, 324, 325) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f., vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10, WM 2012, 260, 262, und vom 21. Dezember 2011 – 1StR 400/11) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; vgl. zusammenfassend zuletzt BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11 m.w.N.).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 608/11
vom
23. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23.Februar
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger,
die Nebenkläger V. und T. V. in Person,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 27. Juni 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung , begangen in den Varianten des § 224 Abs. 1 Nr. 2 (Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeuges) und Nr. 5 StGB (Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung) zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft und die Eltern des Geschädigten als Nebenkläger beanstanden mit ihren Rechtsmitteln die Verletzung materiellen Rechts. Die Revisionen führen zur Aufhebung des Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts.
2
1. Nach den Feststellungen hielt sich der Angeklagte am frühen Morgen des 12. Dezember 2010 gegen 03.45 Uhr mit drei Freunden auf dem Parkplatz einer Diskothek auf. Als es im Eingangsbereich zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit wechselseitigen Faustschlägen zwischen den Zeugen A. und C. kam, lief der Angeklagte in Richtung der Streitenden, um zu schlichten (UA 6/7). Etwa zum gleichen Zeitpunkt trat der ebenfalls um eine Streitschlichtung bemühte D. V. zwischen die Kontrahenten und wurde von dem Zeugen A. mit der Faust zu Boden geschlagen. Ob sich D. V. danach noch einmal zu erheben vermochte oder sofort regungslos liegenblieb, konnte das Landgericht nicht zweifelsfrei feststellen. Wenige Sekunden nachdem D. V. zu Boden gegangen war, trat ihm der Angeklagte ohne nachvollziehbaren Grund aus der Körperdrehung heraus mit seiner rechten Innenfußseite gegen die rechte Wange. Zu diesem Zeitpunkt lag D. V. auf der Seite oder auf dem Rücken, sodass sein Gesicht zur Seite oder nach oben ge- richtet war. Infolge des „mit nicht genau feststellbarer Intensität“ geführten Tritts wurde der Kopf des erheblich alkoholisierten Geschädigten nach hinten ge- schleudert und „im Radius von etwa 1/2 Meter in Trittrichtung gedreht. Die Fü- ße blieben am Ort liegen“. Dabei trug der Angeklagte geschnürte Sportschuhe, deren Innenseite so hart war, dass es dadurch bei Tritten zu erheblichen Verletzungen kommen konnte (UA 7).
3
Der Zeuge C. und andere Umstehende bemühten sich sofort um eine Erstversorgung des Geschädigten und alarmierten um 3.53 Uhr den Rettungsdienst. Der Angeklagte zeigte sich ebenfalls besorgt und überließ dem Zeugen C. seine Telefonnummer. Danach fuhr er mit seinen Freunden nach Hause.
4
Als der Rettungsdienst um 4.02 Uhr eintraf, war der Geschädigte bewusstlos und ohne eigene Atmung. Bei einem Intubationsversuch stellte der kurze Zeit später hinzu gekommene Notarzt fest, dass der Deckel der Luftröhre durch einen Kaugummi verlegt und deshalb keine Versorgung mit Sauerstoff über die Atemwege mehr möglich war. Nachdem er den Kaugummistreifen mit einem Spezialinstrument entfernt hatte, konnte der Tubus gelegt und eine maschinelle Beatmung eingeleitet werden. D. V. hatte daraufhin wieder ei- nen Spontankreislauf und einen stabilen Puls. Bis zu diesem Zeitpunkt war er etwa 15 Minuten ohne Bewusstsein. Nach dem Transport ins Krankenhaus wurde bei ihm eine bis dahin unbemerkt gebliebene massive Einblutung in die weiche Hirnhaut (Subarachnoidalblutung) festgestellt, die noch am 12. Dezember 2010 eine operative Entfernung knöcherner Schädelteile erforderlich machte (Entlastungscraniektomie). D. V. verstarb am 16. Dezember 2010 an einer irreversiblen Hirnschädigung in Folge einer akuten schwersten globalen Minderversorgung des Gehirns mit Blut und Sauerstoff.
5
Das medizinisch-sachverständig beratene Landgericht geht davon aus, dass der Geschädigte auf Grund des Faustschlages des Zeugen A. seinen Kaugummi in einer Weise verschluckt hat, dass dadurch sowohl der Kehlkopf als auch die Luftröhre verlegt wurden. In der Folge kam es zu einem reflektorischen Herz-Kreislauf-Stillstand (sog. Bolustod). Die Einblutung unter die weiche Hirnhaut ist nach Ansicht des Landgerichts „am ehesten durch den Sturz des Geschädigten ausgelöst worden und kann nicht zwangsläufig auf den Tritt des Angeklagten zurückgeführt werden“. Sie wurde zudem „wohl vom Bolustod überholt“ und ist „jedenfalls nicht mehr todesursächlich geworden“.
6
2. Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte billigend in Kauf nahm, dass durch seinen Tritt „das Leben des Geschädigten potentiell gefährdet würde“. Eshat deshalb einen bedingten Vorsatz in Bezug auf eine das Leben gefährdende Körperverletzungshandlung entsprechend § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB für gegeben erachtet (UA 24).
7
Einen bedingten Tötungsvorsatz hat das Landgericht verneint, weil die Feststellungen nicht belegen, dass der Angeklagte bei der Ausführung des Trittes den Tod des Geschädigten billigend in Kauf nahm. Dabei hat es auf die folgenden Punkte abgestellt (UA 26):
8
Die Intensität des Trittes konnte nicht ausreichend festgestellt werden und war deshalb ohne Aussagekraft. Das Fehlen knöcherner Schädelverlet- zungen spricht eher gegen „eine besonders starke Intensität“(UA 27).
9
Eine „deutliche Motivation“ für den Tritt ist nicht feststellbar, weil der An- geklagte an der vorausgegangenen Auseinandersetzung nicht beteiligt war. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte gegenüber dem ihm unbekannten Geschädigten eine „grundsätzlich feindliche Willensrichtung“ eingenommen hatte, bestehen nicht. Eine Solidarisierung mit dem Zeugen A. , die die Annahme rechtfertigen könnte, der Angeklagte habe ihn auch um den Preis des Todes eines Menschen unterstützen wollen, ist nicht anzunehmen. A. war dem Angeklagten nur flüchtig bekannt und wurde von D. V. zuvor nicht angegriffen.
10
Der Umstand, dass dem Angeklagten seine Tat sofort Leid tat und er sich in der Folgezeit mehrfach für das Befinden des Geschädigten interessierte, ist ein „weiteres Indiz“ gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes (UA 27).
11
3. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes abgelehnt hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
12
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, wenn sie möglich sind. Ein revisionsgerichtliches Eingreifen ist erst dann veranlasst , wenn dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11, Rn. 23; Urteil vom 14. Dezember 2011 – 1 StR 501/11; KK-StPO/Schoreit, 6. Aufl., § 261 Rn. 51 mwN).
13
Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699 Rn. 34 f. mwN.). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1999 – 1 StR 26/99, NJW 1999, 2533, 2534; NK-StGB/Neumann 3. Aufl., § 212 Rn. 12 f.; Mößner, Die Überprüfung des bedingten Tötungsvorsatzes in der Revision S. 6 ff., jew. mwN). Bei der Würdigung des Willenselements ist neben der konkreten Angriffsweise regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die Betrachtung einzubeziehen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2000 – 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51; Beschluss vom 1. Juni 2007 – 2 StR 133/07, NStZ-RR 2007, 267, 268; Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372 jew. mwN).
14
b) Diesen Anforderungen wird die landgerichtliche Entscheidung nicht gerecht.
15
Die Ausführungen des Landgerichts zur objektiven Gefährlichkeit des vom Angeklagten geführten Angriffs sind schon deshalb lückenhaft, weil sie sich nicht mit der von dem Angeklagten selbst geschilderten erheblichen Wirkung seines Tritts auf die Lage des Körpers des Geschädigten auseinanderset- zen (UA 7 und 14). Auch hätte an dieser Stelle nochmals erkennbar Berücksichtigung finden müssen, dass der Angeklagte die Trittwirkung gefährlich verstärkende Schuhe trug (UA 7) und auf den Geschädigten zu einem Zeitpunkt eintrat, als dieser – jedenfalls nach seiner Wahrnehmung (UA 13) – in Folge des Schlags des Zeugen A. regungslos am Boden lag. Bei seinen Erörterungen zum inneren Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB hat das Landgericht diese Umstände als Beleg dafür ausreichen lassen, dass der Angeklagte eine potentielle Gefährdung des Lebens seines Opfers in Kauf nahm (UA

24).


16
Die Annahme des Landgerichts, der Tritt des Angeklagten könne nicht von „besonders starker Intensität“ (UA 27) oder „nicht von übermäßiger Wucht“ (UA 19) gewesen sein, weil bei dem Geschädigten keine knöchernen Schädelverletzungen festzustellen waren, stellt einseitig auf die ex post feststellbaren Verletzungsfolgen ab (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11 Rn. 28) und lässt die generelle Gefährlichkeit derartiger Tritte außer Acht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2011 – 1 StR 179/11, Rn. 10). Sie ist zudem nicht mit der an anderer Stelle getroffenen Feststellung vereinbar, dass die Knochenbrücke zwischen den Knochendeckeln des Schädelknochens einen nicht unterbluteten Bruch aufwies (UA 11). Zwar liegt es nicht fern, dass dieser Bruch auf die später durchgeführte Entlastungscraniektomie zurückzuführen ist, doch hätte dies einer ausdrücklichen Erörterung bedurft.
17
Der Umstand, dass dem Angeklagten sein Tritt sofort Leid tat und er sich in der Folgezeit mehrfach für das Befinden des Geschädigten interessierte, durfte vom Landgericht nicht ohne weitere Darlegungen als Indiz gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes gewertet werden.
18
Nachträgliches Bedauern und Rettungsversuche sagen nur bedingt etwas über die innere Haltung des Täters im Tatzeitpunkt aus, da sie nicht selten auf einer spontanen Ernüchterung beruhen und mit Blick auf die Tatfolgen von der Sorge um das eigene Wohl geleitet sind (BGH, Urteil vom 8. August2001 – 2StR 166/01, NStZ-RR 2001, 369, 370; Urteil vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630). Der Angeklagte hat hierzu angegeben, nach dem Tritt „wach geworden“ zu sein. Dabei habe er begriffen, dass er etwas ge- tan habe, was nicht in Ordnung gewesen sei (UA 14). Der Angeklagte – dessen Einlassung das Landgericht im Übrigen gefolgt ist – hat damit selbst eingeräumt , dass sein Nachtatverhalten nicht mehr Ausdruck der ihn beherrschenden inneren Einstellung im Tatzeitpunkt gewesen ist, sondern auf einer veränderten Sicht der Dinge beruhte. Hieran durfte das Landgericht nicht vorübergehen.
19
Bedenken bestehen schließlich auch insoweit, als das Landgericht in dem Umstand, dass es „keine deutliche Motivation für den Tritt“ festzustellen vermochte, ein Indiz gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes gesehen hat.
20
Mit bedingten Tötungsvorsatz handelnde Täter haben kein Tötungsmotiv , sondern gehen einem anderen Handlungsantrieb nach (BGH, Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318). Allerdings kann sich aus der Art des jeweiligen Handlungsantriebs ein Rückschluss auf die Stärke des vom Täter empfundenen Tatanreizes und damit auch auf seine Bereitschaft zur Inkaufnahme schwerster Folgen ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1990 – 3 StR 311/90, BGHR StGB § 212 Abs.1 Vorsatz, bedingter 22; Urteil vom 30. November 2005 – 3 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317,

318).


21
Das Landgericht hat mit der Verneinung einer feindlichen Grundhaltung gegenüber dem Geschädigten einerseits und einer unbedingten Solidarität mit seinem Kontrahenten A. andererseits lediglich zwei mögliche starke Handlungsantriebe ausgeschlossen. Dies allein lässt jedoch noch nicht den Schluss zu, dass es dem Angeklagten deshalb an der Bereitschaft gefehlt hat, auch schwerste Tatfolgen in Kauf zu nehmen. Stattdessen wäre es an dieser Stelle erforderlich gewesen, näher auf die Persönlichkeit des Angeklagten, sein Verhältnis zur Anwendung körperlicher Gewalt und seine Fähigkeit zur Kontrolle aggressiver Impulse einzugehen. Wie das Landgericht im Rahmen seiner Erwägungen zu § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG zutreffend festgestellt hat, lässt die Art und Weise, wie sich der Angeklagte zu der Tat hinreißen ließ, auf einen starken Mangel an Ausgeglichenheit und Besonnenheit schließen (UA 29). Auch musste er in der Vergangenheit bereits zweimal wegen Körperverletzung geahndet werden, wobei er seinen Opfern jeweils knöcherne Verletzungen des Gesichtsschädels zufügte (UA 4 f.). Mangelnde Impulskontrolle, wie sie bei dem Angeklagten schon mehrfach zutage getreten ist, führt nicht selten dazu, dass es bereits bei geringsten Anlässen zu massiven Gewalthandlungen kommt, bei denen dem Täter die Konsequenzen seines Handelns gleichgültig sind und deshalb selbst tödliche Folgen in Kauf genommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08, Rn. 9).
22
4. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Ein Eingehen auf die von der Revision erhobenen Einwände gegen die unterbliebene Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge ist unter diesen Umständen ebenso wenig erforderlich wie die Erörterung einer Strafbarkeit nach § 231 Abs. 1 Alt. 2 StGB.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin
26
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 m.w.N.). Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; Schroth NStZ 1990, 324, 325) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f., vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10, WM 2012, 260, 262, und vom 21. Dezember 2011 – 1StR 400/11) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; vgl. zusammenfassend zuletzt BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11 m.w.N.).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 163/14
vom
14. August 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. August
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten A. G. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten B. G. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 17. Dezember 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von sechs Jahren und sechs Monaten (A. G. ) und vier Jahren (B. G. ) verurteilt. Außerdem hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung materiellen Rechts und wenden sich insbesondere gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und der Sachrüge begründeten Revisionen vor allem, dass diese nicht auch wegen schwerer Körperverletzung verurteilt wurden und ihnen verminderte Schuldfähigkeit zugebilligt wurde. Soweit die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung der Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung anstrebt, wird ihr Rechtsmittel vom Generalbundesanwalt nicht vertreten. Die Revisionen haben Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. Im Sommer 2011 ging die älteste Tochter der Angeklagten, die Zeugin M. G. , eine freundschaftliche Beziehung zu dem drei Jahre älteren Nebenkläger und späteren Tatopfer St. ein, aus der sich ein intimes Verhältnis entwickelte. Als die Angeklagten spätestens im Januar 2013 hiervon erfuhren, drängten sie auf ein Ende der Verbindung und erwirkten im März 2013 in Vertretung ihrer noch minderjährigen Tochter gegen St. eine einstweilige Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz. Als St. Ende April 2013 davon Kenntnis erlangte, dass gegen ihn nun auch ein Antrag auf Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen eines Verstoßes gegen die Gewaltschutzanordnung gestellt worden war, gab er die zunächst fortgesetzte Beziehung zu M. G. auf und mied weiteren Kontakt.
4
Anfang Juni 2013 wurden im Internet intime und teilweise pornographische Fotos von M. G. veröffentlicht. Die Angeklagten waren deswegen zutiefst beschämt und sahen darin eine Bloßstellung ihrer gesamten Familie. Sie schliefen wenig, nahmen kaum Nahrung zu sich und zogen sich von ihren Mitmenschen zurück. Sie wollten den Urheber der Bilder zur Verantwortung ziehen und hatten dabei - zu Unrecht - St. in Verdacht. Als die Angeklagten das Gerücht erreichte, dass auch noch die Veröffentlichung eines Sex-Videos bevorstünde, begannen sie intensiv nach Indizien zu suchen, die ihren Verdacht zu stützen vermochten. Am 13. Juni 2013 berichtete die Zeugin J. Br. der Angeklagten B. G. , sie habe gehört, St. habe die Bilder aus Enttäuschung in Umlauf gebracht. Für die Angeklagten stand danach außer Zweifel, dass St. für die Bildveröffentlichungen verantwortlich war.
5
Am 14. Juni 2013 bat der Angeklagte A. G. den Zeugen A. Br. ein vermeintlich zufälliges Treffen mit St. herbeizuführen. A. Br. veranlasste daraufhin den gutgläubigen St. dazu, um 15.45 Uhr zum Taxistand vor dem Bahnhof von H. zu kommen und setzte den Angeklagten A. G. hiervon in Kenntnis. Die Angeklagten hatten die Absicht, St. als vermeintlichen Urheber der Bilder zur Rede zu stellen. Dabei waren sie auch zur Anwendung von Gewalt bereit. Einen gemeinschaftlichen Plan ihn zu töten gab es jedoch nicht.
6
Am vereinbarten Treffpunkt kam es zunächst zu einem Gespräch zwischen St. und A. Br. . Währenddessen näherten sich die Angeklagten von der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Angeklagte B. G. verlor beim Anblick von St. „die Kontrolle über ihre Wut“. Sie rannte über die Straße auf St. zu und begann ihn laut schreiend mit ihren Fäusten zu misshandeln. St. schlug daraufhin zu seiner Verteidigung mit einer Glasflasche um sich, wobei er B. G. wenigstens einmal mit der bloßen Hand oder der Flasche im Gesicht traf. Als der noch auf der gegenüberliegenden Straßenseite zurückgebliebene A. G. sah, dass sich St. zu verteidigen begann, stürmte er „außer sich vor Wut“ seiner Ehefrau hinterher und zog ein schweres Taschenmesser mit Cutterklinge aus seiner Hosentasche. Als er den Nebenkläger und die Mitangeklagte erreichte , begann er sofort auf St. einzustechen und ihn mit schneidenden Bewegungen zu verletzen, wobei er in seinem Wunsch nach Vergel- tung „sogar dessen Tod billigte“. Vorzugsweise richtete A. G. das Messer gegen den Oberkörper, den Hals und den Kopf des Nebenklägers, wobei er ihm mehrere tiefe Schnittverletzungen beibrachte. Als B. G. sah, wie A. G. mit dem Messer auf St. einstach, war ihr klar, „dass es nun um Leben und Tod ging“. Sie billigte das Handeln ihres Ehemannes und er- kannte, dass die tiefen und kraftvollen Schnitte ernsthafte Verletzungen verursachten. Dabei fand auch sie sich mit einem möglichen Tod von St. ab und schlug weiter mit den Händen auf ihn ein. Einen Versuch des Zeugen A. Br. , A. G. am Arm zu packen, kommentierte B. G. mit dem Hinweis, er solle sich nicht einmischen, damit ihm nicht dasselbe passiere.
7
Als der Angeklagte A. G. realisierte, dass er in seiner Wut viel zu weit gegangen war und er St. möglicherweise tödlich verwundet hatte , ließ er von dem Geschädigten ab. Die Angeklagte B. G. unternahm noch kurzzeitig den Versuch, dem sich in Richtung eines Supermarkts davon schleppenden St. zu folgen, ehe ihr bewusst wurde, „dass der Kampf nun augenscheinlich zu Ende war“. Dabei ging auch sie davon aus, dass St. durch die Schnitte mit dem Messer möglicherweise bereits tödlich verletzt war. Der Zeuge A. Br. setzte sich in sein Fahrzeug und fuhr hinter St. her. Nachdem beide den Ort des Geschehens verlassen hatten, rief der Angeklagte A. G. mit seinem Mobiltelefon die Leitstelle der Polizei an und teilte mit, dass er gerade „jemanden zusammengeschlagen“ ha- be und dieser sterben werde. Die Polizei solle kommen und ihn festnehmen. Wo das Opfer sei, wisse er nicht. Auch solle man einen Krankenwagen vorbeischicken , weil auch er sich verletzt habe.
8
Als St. den mehrere Hundert Meter vom Tatort entfernten Supermarkt erreichte, brach er zusammen und verlor aufgrund des hohen Blutverlustes kurze Zeit später das Bewusstsein. Nachdem auch von dritter Seite mehrere Notrufe abgesetzt worden waren, trafen schon wenig später Rettungs- kräfte ein, die die Notfallversorgung des Nebenklägers einleiteten. St. überlebte, weil A. G. seine Hauptschlagader nur knapp verfehlt hatte. Er erlitt unter anderem eine 12 cm lange horizontal über die linke Wange bis auf die Ohrmuschel verlaufende Schnittverletzung, die eine deutlich sichtbare wenige Millimeter breite Narbe hinterlassen hat. Inwieweit eine kosmetischchirurgische Behandlung möglich ist, konnte nicht geklärt werden.
9
2. Das Landgericht hat den Sachverhalt bei beiden Angeklagten als versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in den Varianten des § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB bewertet.
10
Es ist der Auffassung, dass der Angeklagte A. G. nicht nach § 24 Abs. 2 StGB strafbefreiend vom Versuch des Totschlags zurückgetreten sei, weil er mit dem Tod von St. gerechnet habe und sein Notruf nicht als ernsthaftes Bemühen um eine Verhinderung der Tatvollendung anerkannt werden könne.
11
Eine schwere Körperverletzung im Sinne von § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB liege nicht vor, weil die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Entstellung nicht gegeben seien. Die Narbe auf der linken Wange sei zwar deutlich sichtbar und springe sofort ins Auge, doch fehle es an einer Beeinträchtigung des Gesamterscheinungsbildes. Auch habe die Dauerhaftigkeit der Beeinträchtigung nicht abschließend geklärt werden können.
12
Im Anschluss an den Sachverständigen Dr. S. ist das Landgericht hinsichtlich des Angeklagten A. G. davon ausgegangen, dass bei ihm im Zeitpunkt der Tatbegehung eine schwere andere seelische Abartigkeit in Form einer „Anpassungsstörung“ vorgelegen haben könne und deshalb zu seinen Gunsten von einer verminderten Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB auszugehen sei. Bei der Angeklagten B. G. sei das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB ebenfalls nicht auszuschließen, da auch sie im Tatzeitpunkt an einer „hinreichend schweren Anpassungsstörung“ gelitten habe.

II.


13
Die Rechtsmittel der Angeklagten haben Erfolg.
14
1. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht bei beiden Angeklagten einen (bedingten) Tötungsvorsatz begründet hat, weisen durchgreifende Erörterungsmängel auf. Ihre Verurteilung wegen versuchten Totschlags hat daher keinen Bestand.
15
a) Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche , nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen getrennt voneinander geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, Rn. 7; Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444; Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701 Rn. 34 f. mwN). In die Prüfung sind dabei neben der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung und der konkreten Angriffsweise des Täters auch seine psychische Verfassung bei Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen (BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, Rn. 7; Urteil vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581, 582 mwN).
16
b) Den sich daraus ergebenden Anforderungen werden die Darlegungen des Landgerichts zur inneren Tatseite bei beiden Angeklagten nicht gerecht.
17
aa) Das Landgericht hat seine Annahme, der Angeklagte A. G. habe um die objektive Lebensgefährlichkeit seines Tuns auch schon bei der Tatbegehung gewusst, aus den gezielt gegen Kopf, Hals und Nacken des Nebenklägers geführten Messerangriffen und seinen im Rahmen des Notrufes gemachten Äußerungen hergeleitet (UA 18). Damit ist jedoch nur das Wissenselement belegt. Dass bei ihm auch das voluntative Vorsatzelement gegeben ist, hat die Strafkammer dagegen nicht in ausreichender Weise begründet.
18
(1) Wird eine lebensgefährliche Gewalttat - wie hier - spontan, unüberlegt und in affektiver Erregung ausgeführt, kann aus dem Wissen um den möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten auf eine billigende Inkaufnahme des Erfolgseintritts geschlossen werden (BGH, Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 139/13, NStZ-RR 2013, 343; Urteil vom 16. August 2012 - 3 StR 237/12, NStZ-RR 2012, 369, 370; Urteil vom 25. November 2010 - 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338 f.; weitere Nachweise bei Fischer, StGB, 61. Aufl., § 212 Rn. 11).
19
(2) Danach hätte das Landgericht erkennbar in seine Erwägungen einbeziehen müssen, dass der Angeklagte von weiteren Tathandlungen absah, als er realisierte, „dass er in seiner Wut viel zu weit gegangen war und den Nebenklä- ger möglicherweise tödlich verwundet hatte“ (UA 11). Auch wäre an dieser Stelle der alsbald danach abgesetzte Notruf zu erörtern gewesen (zur Indizwirkung von Rettungsversuchen bei der Vorsatzfrage vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444; Urteil vom 18. Januar 2007 - 4 StR 489/06, NStZ 2007, 331 f. mwN). Schließlich durfte das Landgericht in diesem Zusammenhang auch die dem Angeklagten zugebilligte „Anpassungsstörung“ - unabhängig von deren Bewertung unter dem Gesichtspunkt des § 21 StGB - und seine affektive Erregung nicht unerwähnt lassen. Psychische Ausnahmesituationen oder Störungen können neben einer - hier fernliegenden - Beeinträchtigung der Erkenntnisfähigkeit dazu führen, dass der Täter die von seinem Handeln ausgehende Lebensgefahr für das Opfer unzutreffend beurteilt (zu den möglichen Schlüssen vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 139/13, NStZ-RR 2013, 343 mwN). Dies ist in den schriftlichen Urteilsgründen zu erörtern (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2005 - 3 StR 324/05, NStZ 2006, 169; Beschluss vom 6. März 2002 - 4 StR 30/02, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 54; Beschluss vom 15. Januar 1987 - 1 StR 704/86, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 7).
20
bb) Bei der Angeklagten B. G. hat das Landgericht dieAnnahme eines bedingten Tötungsvorsatzes allein mit der Erwägung begründet, dass sie das Vorgehen ihres Mannes gegen den Nebenkläger sah und durch ihre weitere „Unterstützung“ billigte (UA 11 und 19). Dass auch sie an einer „Anpas- sungsstörung“ litt und schon vor dem Eingreifenihres Ehemannes unter einer so hohen affektiven Anspannung stand, dass sie „die Kontrolle über ihre Wut verlor“, hat es nicht berücksichtigt. Beides hätte aus den bereits dargelegten Gründen auch bei ihr ausdrücklicher Erörterung bedurft.
21
2. Die Sache bedarf daher bei beiden Angeklagten neuer Verhandlung und Entscheidung. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils insgesamt, wenngleich die tateinheitliche Verurteilung beider Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB an sich rechtsfehlerfrei erfolgt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2011 - 4 StR 465/11, NStZ-RR 2012, 51, 52 mwN).

III.


22
Auch die zu Ungunsten beider Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg. Darauf, dass Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft auch zu Gunsten der Angeklagten wirken (§ 301 StPO), kommt es nach dem Erfolg der Revisionen der Angeklagten nicht mehr an (BGH, Urteil vom 28. September 2011 - 2 StR 93/11, Rn. 29; Urteil vom 15. Juli 2008 - 1 StR 144/08, Rn. 3).
23
1. Das Urteil hat bei beiden Angeklagten keinen Bestand, weil anhand der Urteilsgründe nicht überprüft werden kann, ob die Qualifikation des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB vom Landgericht zu Recht abgelehnt worden ist.
24
a) Ein Verletzter ist im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB in erheblicher Weise dauernd entstellt, wenn es durch die Tat zu einer Verunstaltung seiner Gesamterscheinung gekommen ist, die in ihren Auswirkungen dem Gewicht der geringsten Fälle des § 226 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB gleichkommt (BGH, Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 139/13, NStZ-RR 2013, 343; Urteil vom 20. April 2011 - 2 StR 29/11, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 3; Urteil vom 28. Juni 2007 - 3 StR 185/07, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 2 mwN). Dies kann grundsätzlich auch bei einzelnen besonders großen oder markanten Narben (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - 3 StR 185/07, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 2), ebenso wie bei einer Vielzahl von Narben in derselben Körperregion der Fall sein. Allein der Umstand, dass eine Narbe deutlich sichtbar ist, reicht dabei aber für die Annahme einer erheblichen Entstellung noch nicht aus.
Erst wenn im Einzelfall - etwa durch eine deutliche Verzerrung der Proportionen des Gesichts - ein Grad an Verunstaltung erreicht ist, der in einer Relation zu den anderen schweren Folgen im Sinne des § 226 Abs. 1 StGB steht, kommt die Annahme einer erheblichen Entstellung in Betracht (BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - 3 StR 185/07, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 2; Beschluss vom 2. Mai 2007 - 3 StR 126/07, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung

1).


25
b) Ob das äußere Erscheinungsbild des Nebenklägers durch die verbliebenen Narben eine Verunstaltung erfahren hat, die diesen Vorgaben entspricht, kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden. Das Landgericht teilt zwar ausführlich mit, welche Schnittverletzungen der Nebenkläger erlitten hat. Eine revisionsgerichtlicher Überprüfung zugängliche Beschreibung des verbliebenen Narbenbildes und seiner Auswirkungen auf die äußere Erscheinung des Nebenklägers fehlt jedoch. Den Urteilsgründen kann dazu lediglich entnommen werden, dass die Narbe auf der linken Wange lang ist und „sofort ins Auge springt“ (UA 25). Zu den anderen Narben und dem durch sie hervorgerufenen optischen Gesamteindruck verhält sich die Strafkammer dagegen nicht. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass sich ein Tatrichter die mitunter nicht einfache textliche Schilderung einer solchen verunstaltenden Wirkung durch eine nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zulässige Bezugnahme auf Lichtbilder erleichtern kann.
26
2. Darüber hinaus begegnet auch die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB bei beiden Angeklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Urteilsgründe belegen nicht, dass bei ihnen zur Tatzeit eine schwere andere seelische Abartigkeit vorgelegen hat. Auch fehlt es an der erforderlichen tatbezogenen Beurteilung der Verminderung der Schuldfähigkeit.
27
a) Bei einer nicht pathologisch bedingten Persönlichkeitsstörung liegt eine andere schwere seelische Abartigkeit nur dann vor, wenn sie in ihrem Gewicht einer krankhaften seelischen Störung gleichkommt und Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Täters vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2007 - 4 StR 7/07, NStZ-RR 2008, 274; Beschluss vom 21. September 2004 - 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326, 327 mwN). Auch müssen sich die defekten Muster im Denken, Fühlen oder Verhalten des Betroffenen als zeitstabil erwiesen haben (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 494/12, NStZ-RR 2013, 309, 310; Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f.).
28
Dass die von dem Sachverständigen bei beiden Angeklagten diagnostizierte Anpassungsstörung nach diesen Maßstäben zu einer schweren anderen seelischen Abartigkeit geführt hat, hat das Landgericht nicht dargetan. Bei den sog. Anpassungsstörungen (vgl. ICD-10 F 43.2) handelt es sich um eine Mischbzw. Sammelkategorie mit einer vielgestaltigen und unspezifischen Symptomatik , die zumeist nicht mit stärkeren psychopathologischen Auffälligkeiten einhergehen (Lau/Kröber in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der forensischen Psychiatrie, Bd. 2, S. 510). Ein die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit rechtfertigender Beeinträchtigungsgrad wird dabei nur in Ausnahmefällen erreicht (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2007 - 4 StR 7/07, NStZ-RR 2008, 274; Beschluss vom 4. November 2003 - 1 StR 384/03, NStZ-RR 2004, 70, 71). Dass die für beide Angeklagten beschriebenen - offenkundig passageren - Auffälligkeiten (gedankliche Einengung auf die Bilder im Internet, Schlaf- losigkeit, eingeschränkte Nahrungsaufnahme, sozialer Rückzug) ihr Leben ähnlich schwer belastet haben, wie die Folgen von anerkannten krankhaften seelischen Störungen, lässt sich den Gründen des angefochtenen Urteils nicht entnehmen und liegt eher fern. Die in diesem Zusammenhang gebrauchte Wendung , wonach die Angeklagten ihren Alltag nur noch „mehr schlecht als recht“ bewältigen konnten (UA 7), ist ohne Aussagekraft und kann die an dieser Stelle erforderliche umfassende wertende Betrachtung des Schweregrades der Störung und ihrer Tatrelevanz nicht ersetzen. Stattdessen ist zu besorgen, dass das Landgericht in rechtsfehlerhafter Weise davon ausgegangen ist, bereits die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung führe ohne weiteres zur Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB. Ob eine Störung den erforderlichen Schweregrad aufweist, ist eine Rechtsfrage, die der Tatrichter wertend zu entscheiden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014 - 5 StR 168/14, NStZ-RR 2014, 244, 245; Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 494/12, NStZ-RR 2013, 309, 310).
29
b) Auch die Frage, ob die Steuerungsfähigkeit bei der Tat infolge einer festgestellten schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert war, hat der Tatrichter ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen zu beantworten. Hierbei fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 494/12, NStZ-RR 2013, 309, 310; Beschluss vom 28. Oktober 2009 - 2 StR 383/09, NStZ-RR 2010, 73, 74; weitere Nachweise bei Fischer, StGB, 61. Aufl., § 21 Rn. 7b). Angesichts des zielgerichteten Handelns der Angeklagten bei der Herbeiführung des Zusammentreffens mit St. hätte das Landgericht im Einzelnen darlegen müssen, in welcher Weise und in welchem Umfang das als Anpassungsstörung bezeichnete Zustandsbild die Steuerungs- fähigkeit der Angeklagten in dem von § 21 StGB vorausgesetzten erheblichen Maß beeinträchtigt haben kann. Das angefochtene Urteil enthält hierzu keinerlei Ausführungen.
30
3. Abschließend weist der Senat darauf hin, dass in den Urteilsgründen die für erwiesen erachteten Tatsachen (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO) in sachlicher Form und mit möglichst eindeutigen Formulierungen dargestellt werden sollten. Der Umgangssprache entnommene Wendungen und Redensarten („mehr schlecht als recht“, „mit Vorwürfen bombardierend“, „kochte in ihr alles hoch“, „sodann war ihr alles egal“, „vergaß sich der Angeklagte komplett“) sind dabei - sofern nicht als Zitate unerlässlich - grundsätzlich zu vermeiden. Ihre Verwendung kann den Bestand des Urteils gefährden, wenn sie mehrdeutig sind oder Wertungen enthalten, die nicht durch Tatsachen belegt sind.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 387/15
vom
3. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Dezember
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 23. März 2015 werden mit der Maßgabe verworfen, dass auch das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 30. September 2010 einbezogen ist.
2. Die Staatskasse sowie der Nebenkläger haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren hierdurch jeweils entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen, das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 25. August 2011 einbezogen und die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die Revision des Nebenklägers haben keinen Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Der mehrfach – auch einschlägig – vorbestrafte, damals knapp 19 Jahre alte Angeklagte besuchte in der Nacht vom 7. zum 8. Juni 2014 mit seinem Bruder S. sowie Freunden und Bekannten eine Bar in F. , wo er den bereits zuvor begonnenen Alkoholkonsum fortsetzte. Etwa um 2 Uhr kam es vor der Bar zu einer Auseinandersetzung zwischen anderen Personen, bei der der erkennbar erheblich alkoholisierte D. – das spätere Tatopfer – versuchte, schlichtend auf die Beteiligten einzuwirken. In der Folge geriet er auf nicht geklärte Weise in eine verbale Auseinandersetzung mit dem Bruder des Angeklagten, den er schließlich von sich stieß, wodurch S. zu Boden ging. Der Angeklagte, der diese Auseinandersetzung mitbekommen hatte, eilte hinzu, drängte D. zurück und zog seinen Bruder fort, um ihm zu helfen und eine Eskalation der Auseinandersetzung zu vermeiden. D. entfernte sich sodann in der Annahme, die Auseinandersetzung sei beendet; der Angeklagte und sein Bruder wendeten sich zum Gehen in die entgegengesetzte Richtung.
4
Der Angeklagte, den mit seinem Bruder eine äußerst enge emotionale Beziehung verbindet und der sich für dessen Sicherheit und Befinden verantwortlich fühlt, geriet nunmehr aufgewühlt durch das vorangegangene Geschehen aufgrund seiner emotional instabilen Persönlichkeitsstörung impulsiven Typs derart in eine affektive Erregung, dass er sich entschloss, D. einen „Denkzettel zu verpassen“. Er drehte sich um und rannte dem bereits etwa 50 Meter entfernten Nebenkläger hinterher, holte ein Messer aus seiner Tasche und klappte dessen acht bis zehn Zentimeter lange Klinge auf, um D. damit zu verletzen. Etwa zehn Meter von D. entfernt forderte er diesen zum Stehenbleiben auf, was dieser tat und sich dem Angeklagten zuwandte. Daraufhin versetzte der Angeklagte dem Nebenkläger einen Stich in den Bauch, einen Stich in den rechten Oberarm und zwei Stiche in den Rücken. Bei den Stichen, bei denen der Angeklagte nicht ausschließbar mit Daumen und Zeigefinger auf die Klinge griff, um hierdurch deren „einsatz- fähigen Teil“ zu verkleinern, nahm er lebensgefährliche Verletzungen seines Opfers in Kauf, vertraute aber darauf, dass die Stiche nicht zum Tod des D. führen. Anschließend rannte der Angeklagte weg, obwohl ihm – wie er erkannte – weitere Stiche gegen das Opfer ohne weiteres möglich ge- wesen wären, wobei er befürchtete, sein Opfer tödlich verletzt zu haben.
5
D. befand sich aufgrund der Stiche zu keinem Zeitpunkt in konkreter Lebensgefahr. Der Stich in den Bauch (mittig links unterhalb der letz- ten Rippe) war zwei bis vier Zentimeter tief und „eher flach“, er durchtrennte das Bauchfell nicht und führte auch nicht zu Verletzungen lebenswichtiger Organe oder Gefäße; ein Stich in den Rücken (etwa drei bis fünf Zentimeter links neben der Wirbelsäule in mittlerer Rückenhöhe) war zwei bis drei Zentimeter tief; der weitere Stich in den Rücken (drei bis fünf Zentimeter oberhalb der linken Achsel ) hatte eine Tiefe von zwei bis zweieinhalb Zentimeter. Die Verletzung am Arm befand sich an einer Stelle, die „grundsätzlich nicht geeignet war, lebens- gefährliche Verletzungen zu verursachen“; die Tiefe dieses Stichs ließ sich nicht feststellen.
6
2. Das Landgericht hat dies als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB bewertet. Es ist aber trotz der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung aufgrund der konkreten Angriffsweise, der psychi- schen Verfassung des Angeklagten und seiner Motivationslage der Überzeugung gewesen, dass der Angeklagte nicht mit Tötungsvorsatz handelte.
7
3. Dies beanstanden die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger mit ihren Rechtsmitteln. Die Staatsanwaltschaft rügt zudem, dass das Landgericht § 5 Abs. 3 JGG falsch angewendet und zu Unrecht von der Verhängung einer Jugendstrafe neben der Unterbringungsanordnung abgesehen habe.

II.


8
Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
9
1. Insbesondere dringen die Angriffe der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts zum fehlenden Tötungsvorsatz nicht durch.
10
a) Vor Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement , umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen sind. Kann der Tatrichter auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung aller Umstände Zweifel am Vorliegen des bedingten Vorsatzes nicht überwinden , so hat das Revisionsgericht, sofern Rechtsfehler nicht vorliegen, dies auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näherliegend gewesen wäre. Gleichermaßen allein Sache des Tatrichters ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Ist diese Bewertung vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen. Dies gilt sogar dann, wenn der Tatrichter – anders als hier – im Rahmen der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes Gewalthandlungen des Täters festgestellt hat, die für das Opfer objektiv lebensbedrohlich gewesen sind. Zwar hat der Bundesgerichtshof die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung als wesentlichen Indikator sowohl für das Wissensals auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes angesehen und bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen das Vorliegen beider Elemente als naheliegend bezeichnet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Tatrichter der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung bei der Prüfung der subjektiven Tatseite von Rechts wegen immer die ausschlaggebende indizielle Bedeutung beizumessen hätte. Darin läge eine vom Einzelfall gelöste Festlegung des Beweiswerts und der Beweisrichtung eines im Zusammenhang mit derartigen Delikten immer wieder auftretenden Umstandes, die einer Beweisregel nahekäme und deshalb dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung widerspräche (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 16. März 2013 – 3 StR 45/13, NStZ-RR 2013, 242, 243 mwN; ferner auch Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13). Dies gilt auch für die revisionsgerichtliche Überprüfung im Fall der Nichtverurteilung wegen eines idealkonkurrierenden Delikts aus tatsächlichen Gründen (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 327/14, NStZ-RR 2015, 83, 85).
11
b) Daran gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einer bewertenden Gesamtschau aller maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles. Die von der Jugendkammer in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen sind weder lückenhaft, widersprüchlich oder unklar, noch verstoßen sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze.
12
aa) Die Beweiswürdigung ist insbesondere nicht lückenhaft.
13
Lückenhaft ist eine Beweiswürdigung namentlich dann, wenn sie wesentliche Feststellungen nicht erörtert (BGH, Urteile vom 22. Mai 2007 – 1 StR 582/06; vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13). Einen solchen Mangel des Urteils zeigen die Revisionsführer nicht auf, vielmehr erschöpfen sich ihre Angriffe im Wesentlichen in einer anderen Bewertung von Tatsachen, die das Landgericht in seine Würdigung einbezogen und ersichtlich bedacht hat. Ein zu einem Rechtsfehler führendes „Erörterungsdefizit“ liegt auch nicht darin, dass die Jugendkammer ein bewusstes Verkürzen der Klingenlänge sowie die „rationale Überlegung“ des Angeklagten, dem Opfer einen Denkzettelzu verpassen, bejaht hat, obwohl sie bei diesem von einer hochgradigen affektiven Erregung ausgegangen ist. Denn eine solche Erregung schließt ein bewusstes und ratio- nales Verhalten nicht von vorneherein aus. Auch zur „Hemmschwellentheorie“ bedurfte es keiner näheren Ausführungen (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 189 ff.). Soweit die Revisionsführer Feststel- lungen zur verbliebenen Länge der in den Körper des Geschädigten eindringenden Klinge oder dazu vermissen, wie weit der Angeklagte die Klinge hätte verkürzen müssen, damit die Stiche nicht lebensgefährlich sind, hätte es der Erhebung einer zulässigen Verfahrensrüge bedurft (vgl. auch BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13 mwN).
14
bb) Die Beweiswürdigung in dem landgerichtlichen Urteil enthält auch weder einen Rechtsfehler darstellende Widersprüche, noch Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze.
15
Insbesondere vermag der Senat einen Widerspruch nicht darin zu sehen, dass die Kammer einerseits davon ausgeht, bei der konkreten Art des Messereinsatzes (mit verkürzter Klingenlänge) handle es sich nicht um eine Verletzungshandlung von solch besonderer Gefährlichkeit, dass das Ausbleiben des Todeserfolges sich lediglich als Zufall darstelle, sie aber andererseits davon ausgeht, dass es auch dem Angeklagten bekanntes Allgemeinwissen sei, dass Messerstiche in den Oberkörper grundsätzlich lebensgefährlich seien. Soweit die Jugendkammer im Rahmen der Prüfung des Tötungsvorsatzes darauf verweist , dass gegen ein Billigen der Tötung auch spreche, dass der Angeklagte für diese keinen einsichtigen Beweggrund gehabt habe (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 26. März 2015 – 4 StR 442/14, NStZ-RR 2015, 172, 173 mwN), handelt es sich ersichtlich um eine – verkürzte – Bezugnahme auf das von ihr mehrfach angesprochene „Maßregelungsmotiv“, also das Vorhaben, dem Nebenkläger einen „Denkzettel zu verpassen“.
16
cc) Schließlich hat das Landgericht weder die gebotene Gesamtwürdigung unterlassen oder rechtsfehlerhaft vorgenommen, noch hat es überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt. Es hat auch angesichts der von ihm nicht verkannten, den Angeklagten belastenden Umstände weder naheliegende andere Deutungsmöglichkeiten außer Acht gelassen, noch bloße Schlussfolgerungen zur Begründung von Zweifeln am Tötungsvorsatz des Angeklagten angeführt, für die es nach der Beweisaufnahme entweder keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt oder die als eher fernliegend zu betrachten sind.
17
Soweit die Beschwerdeführer rügen, die Jugendkammer habe den Indizwert der Stiche insbesondere in Bauch und Rücken des Geschädigten und das äußere Tatgeschehen für das Vorliegen eines Tötungsvorsatzes zu gering bewertet , zeigen sie einen Rechtsfehler nicht auf. Die Gewichtung der objektiven Tatumstände und die Bewertung ihrer Bedeutung für den subjektiven Tatbestand sind allein dem Tatrichter vorbehalten. Dies gilt auch bei Stichen in den Oberkörper des Opfers, die nicht stets und gleichsam automatisch den Schluss auf das Vorliegen eines (bedingten) Tötungsvorsatzes begründen (vgl. etwa BGH, Urteile vom 16. August 2012 – 3 StR 237/12, NStZ-RR 2012, 369 f.; vom 17. Dezember 2009 – 4 StR 424/09, NStZ 2010, 571, 572; zu mehreren Messerstichen auch BGH, Urteil vom 28. Januar 2010 – 3 StR 533/09, NStZ-RR 2010, 144 f.).
18
Auch die Einordnung und Würdigung des Handelns in affektiver Erregung obliegt dem Tatrichter (BGH, Urteil vom 25. November 2010 – 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338 f. mwN). Zudem ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass insbesondere bei spontanen, unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen aus dem Wissen um den möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten darauf geschlossen werden kann, dass das – selbständig neben dem Wissenselement stehende – voluntative Vorsatzelement gegeben ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14. August 2014 – 4 StR 163/14, NStZ 2015, 266, 267 f.).
19
Die Würdigung der Einlassung des Angeklagten lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen. Zwar ist der Tatrichter nicht verpflichtet, einer Einlassung zu folgen, nur weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt, mittels derer die Behauptung sicher widerlegt werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 5. November 2014 – 1 StR 327/14, NStZ-RR 2015, 83, 85; vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13 mwN). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Denn die Einlassung des Angeklagten zum Verkürzen der Klingenlänge sieht die Jugendkammer rechtsfehlerfrei als belegt an durch die relativ geringe Stichtiefe sowie die Ausführungen des Sachverständigen, dass aus (rechts-)medizinischer Sicht ein weiteres Einführen des Messers in den Körper des Opfers ohne größeren Widerstand möglich gewesen wäre.
20
2. Auch soweit die Jugendkammer von der – zusätzlichen – Verhängung einer Jugendstrafe abgesehen hat, hält das Urteil der Überprüfung stand.
21
a) Wird aus Anlass der Straftat eines Jugendlichen oder Heranwachsenden dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, so wird gemäß § 5 Abs. 3 (i.V.m. § 105 Abs. 1) JGG von Jugendstrafe abgesehen , wenn die Maßregelanordnung die Ahndung durch Jugendstrafe entbehrlich macht. Diese spezifisch jugendstrafrechtliche Vorschrift ermöglicht es, dem Gedanken der Einspurigkeit freiheitsentziehender Maßnahmen im Jugendstrafrecht Rechnung zu tragen (BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2002 – 4 StR 529/01, NStZ-RR 2002, 182, 183; vom 26. Mai 2011 – 4 StR 159/11, StraFo 2011, 288). Erforderlich ist ein zusätzliches Bedürfnis für die Verhängung einer Jugendstrafe (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2009 – 2 StR 240/09).
22
b) Dieses hat die Jugendkammer rechtsfehlerfrei verneint. Die Grenzen des ihr bei dieser Entscheidung zustehenden Ermessens (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2013 – 1 StR 372/13, NStZ-RR 2014, 28) hat sie nicht überschritten; insbesondere hat sie auch den Gedanken des Schuldausgleichs hinreichend berücksichtigt.

III.


23
1. Die Überprüfung des Urteils hat auch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 301 StPO). Insbesondere begegnet die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus keinen rechtlichen Bedenken.
24
Insofern reicht zwar die Diagnose einer "emotional instabilen Persönlich- keitsstörung vom impulsiven Typ“ zur Begründung eines dauerhaften Zustan- des im Sinne des § 63 StGB nicht ohne weiteres aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Oktober 2006 – 2 StR 349/06, NStZ 2007, 29; vom 21. November 2012 – 4 StR 257/12; ferner Urteil vom 17. Juni 2015 – 2 StR 358/14), da eine auf eine Persönlichkeitsstörung zurückzuführende Disposition, in bestimmten Belastungssituationen wegen mangelnder Fähigkeit zur Impulskontrolle in den Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit zu geraten, nicht ohne weiteres einen dauernden Zustand im Sinne des § 63 StGB darstellt (BGH, Beschluss vom 29. Januar 2008 – 4 StR 595/07; vgl. ferner Beschluss vom 22. Februar 2006 – 3 StR 479/05).
25
Die Strafkammer belegt aber – unter anderem durch das Verhalten des Angeklagten in verschiedenen Einrichtungen der Jugendhilfe, seine Vorstrafen sowie die Gründe seiner Verlegung in die Untersuchungshaft für Erwachsene – hinreichend, dass die Auswirkungen seiner Persönlichkeitsstörung zu gravierenden Einschränkungen seines gesamten beruflichen und sozialen Handlungsvermögens geführt und seinen bisherigen Lebenslauf nachhaltig geprägt haben. Die von ihr festgestellten konkreten Auswirkungen auf das Leben des Angeklagten gehen damit über verbreitete Persönlichkeitsakzentuierungen hinaus und belegen nicht nur eine dauerhaft erheblich verminderte Schuldfähigkeit, sondern auch einen Zustand, der die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu rechtfertigen vermag; denn dieser liegt auch dann vor, wenn alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2012 – 4 StR 257/12; zum Zusammenwirken von Persönlichkeitsstörung und Alkoholeinfluss auch BGH, Urteil vom 29. September 2015 – 1 StR 287/15; Beschluss vom 1. April 2014 – 2 StR 602/13).
26
2. Jedoch ist der Entscheidungstenor – wie vom Generalbundesanwalt angeregt – dahin klarzustellen, dass das in dem einbezogenen Urteil seinerseits einbezogene frühere Urteil ebenfalls einbezogen ist (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 3. März 2015 – 3 StR 595/14).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin
26
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 m.w.N.). Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; Schroth NStZ 1990, 324, 325) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f., vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10, WM 2012, 260, 262, und vom 21. Dezember 2011 – 1StR 400/11) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; vgl. zusammenfassend zuletzt BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11 m.w.N.).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 132/12
vom
2. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
2. August 2012 an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stade vom 22. Dezember 2011 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zur Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
Das Landgericht hat einen minder schweren Fall des Totschlags gemäß § 213 Alt. 1 StGB angenommen und diesen Sonderstrafrahmen nochmals gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Dies ist frei von Rechtsfehlern zum Nachteil des Angeklagten. Entgegen der Ansicht der Revision und des Generalbundesanwalts lässt aber auch die Strafzumessung im engeren Sinne im Ergebnis einen durchgreifenden, den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler nicht erkennen. Das Landgericht hat insoweit zu Gunsten des Angeklag- ten berücksichtigt, dass er nicht vorbestraft, als Erstverbüßer und nicht Deutsch sprechender Ausländer besonders strafempfindlich sei und dass er sich bereits mehr als sechs Monate in Untersuchungshaft befinde. Mildernd habe sich zudem ausgewirkt, dass er sich geständig eingelassen habe und durch die Tat auch selbst körperlich und psychisch verletzt worden sei. Das Landgericht hat "besondere Umstände, die sich zu seinen Lasten ausgewirkt hätten, nicht festgestellt". Dass es dennoch innerhalb des von ihm zugrunde gelegten Strafrahmens von drei Monaten bis sieben Jahre und sechs Monaten Freiheitsstrafe eine solche von fünf Jahren zugemessen hat, hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
3
1. Die Strafbemessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, so dass das Revisionsgericht nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers eingreifen darf. Ein solcher kann etwa dann gegeben sein, wenn die Begründung für die verhängte Strafe dem Revisionsgericht die ihm obliegende sachlichrechtliche Nachprüfung nicht ermöglicht, die Erwägungen des Tatrichters in sich fehlerhaft sind oder sich die Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nach oben oder unten löst (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rn. 20 ff.; KKEngelhardt , 6. Aufl., § 267 Rn. 25 mwN). Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB hat das Gericht die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für und gegen den Täter sprechen. Dies bedeutet indes nicht, dass jeder derartige Umstand der ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen bedarf und dass die Nichterörterung stets einen Rechtsfehler begründet. Das Gericht ist vielmehr lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entschei- den (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1994 - 3 StR 311/94, NStE Nr. 42 zu § 267 StPO mwN; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 267 Rn. 18).
4
2. Nach diesen Maßstäben ist ein revisionsrechtlich bedeutsamer Fehler der Strafbemessung hier nicht ersichtlich.
5
a) Zunächst ist mit Blick auf den Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu besorgen, dass das Landgericht innerhalb des nach zweifacher Milderung gewählten Strafrahmens ausschließlich für den Angeklagten sprechende Gesichtspunkte erwogen und gleichwohl eine im oberen Bereich des Strafrahmens angesiedelte Strafe verhängt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 - 2 StR 463/02, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 23). Vielmehr hat das Landgericht auch gegen den Angeklagten sprechende Umstände festgestellt, diese aber ersichtlich lediglich nicht als bestimmend im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO angesehen und daher in den schriftlichen Urteilsgründen bei der Strafzumessung nicht angeführt. Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung, es habe besondere Umstände zu seinen Lasten nicht feststellen können. Hinzuweisen ist etwa auf folgende Gesichtspunkte, die im Sinne von § 46 Abs. 2 StGB gegen den Angeklagten sprechen: So nahm das Opfer den Angeklagten unmittelbar nach dessen Einreise aus Brasilien in seine Wohnung auf, gewährte ihm mehrere Wochen lang Unterkunft und führte mit ihm eine Liebesbeziehung. Nach einer tätlichen Auseinandersetzung mit dem Opfer stach der Angeklagte mehrfach auf dieses ein, brachte ihm dabei (mindestens ) drei Stichverletzungen in den Hals bei und fügte dem nunmehr am Boden Liegenden mit einem Zimmermannshammer fünfzehn Kopfverletzungen zu, die zu trümmerartigen Brüchen des Hirnschädels und zum Tode führten. Diese besonderen Tatmodalitäten zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen , begegnet hier keinen rechtlichen Bedenken, da auch der im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich ist, so dass für eine strafschärfende Verwertung der Handlungsintensität Raum bleibt, wenn auch nur nach dem Maß der geminderten Schuld (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 29. Juni 2000 - 1 StR 223/00, StV 2001, 615, 616).
6
b) Danach besteht entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kein Widerspruch zwischen der verhängten Freiheitsstrafe und der tatrichterlichen Bewertung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände. Namentlich kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden, dass Strafschärfungsgründe gänzlich fehlten (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar2003 - 2 StR 463/02, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 23) oder diese dem Landgericht bei der Strafzumessung völlig aus dem Blick geraten wären. Deshalb liegt auch eine rechtsfehlerhafte Lücke in der Begründung der Strafbemessung nicht vor. Die vom Generalbundesanwalt für seine gegenteilige Ansicht herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2009 - 5 StR 241/09, NStZ-RR 2009, 336) hatte die Verhängung einer Strafe zum Gegenstand, die innerhalb des Regelstrafrahmens des § 250 Abs. 2 StGB als "eine beträchtliche Übersetzung der erheblichen Mindeststrafe" unbegründet geblieben war. Hier ist dagegen die Strafe einem Strafrahmen entnommen, der sich infolge zweifacher Milderung des Regelstrafrahmens ergeben hatte. In diesen Fällen kann das Gewicht, das den Milderungsgründen zukommt, schon durch die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens so weit relativiert sein, dass es innerhalb dieses Strafrahmens kaum noch mildernde Wirkung zu entfalten vermag und die gegen den Täter sprechenden Umstände, insbesondere die Schwere der Tat, eine Strafe im oberen Bereich des gemilderten Strafrahmens rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1987 - 1 StR 77/87, BGHSt 34, 355, 359 ff.).
Becker Hubert Schäfer
Mayer Ri'in BGH Dr. Spaniol befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 6 3 8 / 1 4
vom
16. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. April
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 5. August 2014 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird.
2
Dem Rechtsmittel ist der Erfolg zu versagen. Dass das Landgericht einen minder schweren Fall des Totschlags gemäß § 213 Alt. 2 StGB angenommen und die Strafe diesem Sonderstrafrahmen entnommen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Revision lässt auch die Strafzumessung im engeren Sinne einen durchgreifenden Rechtsfehler nicht erkennen.
3
1. Die Strafbemessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, in die das Revisionsgericht nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers eingreifen darf. Ein solcher kann etwa dann gegeben sein, wenn die Begründung für die verhängte Strafe dem Revisionsgericht die ihm obliegende sachlichrechtliche Nachprüfung nicht ermöglicht, die Erwägungen des Tatrichters in sich fehlerhaft sind oder die Strafe sich von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nach oben oder unten löst (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337; KK-Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 267 Rn. 25 mwN). Das gilt auch, soweit die tatrichterliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falles zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Juli 2006 - 1 StR 150/06, NStZ-RR 2006, 339, 340; vom 31. Juli 2014 - 4 StR 216/14, juris Rn. 4).
4
Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB hat das Gericht die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für und gegen den Täter sprechen. Dies bedeutet indes nicht, dass jeder derartige Umstand der ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen bedarf und dass die Nichterörterung stets einen Rechtsfehler begründet. Das Gericht ist vielmehr lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337).
5
2. Daran gemessen ist weder die Annahme des Landgerichts, es liege ein sonst minder schwerer Fall im Sinne von § 213 Alt. 2 StGB vor, noch die Bemessung der Strafhöhe als rechtsfehlerhaft zu beanstanden.

6
Zur Begründung der Annahme eines minder schweren Falles hat das Landgericht eine Gesamtbewertung aller bedeutsamen Umstände vorgenommen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2008 - 3 StR 484/08, NStZ-RR 2009, 139; S/S-Eser/Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 213 Rn. 13 f. mwN). Bei seiner Würdigung hat es keine wesentlichen und bestimmenden Umstände unberücksichtigt gelassen. Es hat zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass er sich "im Wesentlichen" geständig eingelassen hat, die dauerhaft beeinträchtigende Ehesituation zu einer psychischen Labilisierung und möglicherweise sogar zu einem Drogenrückfall geführt hatte, der Tatentschluss nach Enttäuschung über die Nichtrückkehr seiner Ehefrau spontan gefasst worden war und der Angeklagte nach der Tat, wenn auch auf Aufforderung seiner Ehefrau, einen Notruf getätigt hatte. Zu seinen Lasten hat es lediglich angeführt, dass der Angeklagte, wenn auch nicht einschlägig mit Delikten gegen Leib und Leben, mehrfach vorverurteilt ist. Auf dieser Grundlage ist die Bejahung eines minder schweren Falles revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
7
Die genannten Umstände hat das Landgericht auch bei der konkreten Strafzumessung gegeneinander abgewogen. Dass es insoweit in den Urteilsgründen die Strafzumessungskriterien nicht nochmals wiederholt, sondern auf die vorangegangene Aufzählung verwiesen hat, stellt keinen Rechtsmangel dar.
Becker Hubert Schäfer Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 150/06
vom
26. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juli 2006,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 10. Januar 2006 wird verworfen. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.


1
1. Die Strafkammer hat festgestellt:
2
Der Angeklagte hatte am 2. Mai 2004 anlässlich einer Konfirmationsfeier im Familienkreis bei einem Spaziergang im Wald mit seiner Cousine, die für ihn erhebliche Sympathien empfand, Geschlechtsverkehr. Dabei hatte der damals 21 Jahre alte Angeklagte zwar den entgegenstehenden Willen der damals 13jährigen Geschädigten erkannt; davon, dass er, wie sie behauptet hat, Gewalt anwandte, hat sich die Strafkammer aber nicht überzeugen können. Die Geschädigte vertraute sich zunächst niemanden an, sondern wollte das Geschehen allein verarbeiten. Um kein familiäres Aufsehen zu erregen, rief sie ihn etwa ein Jahr später sogar an und fragte, ob er zu ihrer Konfirmationsfeier käme. Offenbar hierdurch ermutigt, schickte er ihr in der Folge SMS-Nachrichten mit zunehmend zweideutigem Inhalt. Unter dem Eindruck dieser Nachrichten war sie der Belastung, die Tat allein zu verarbeiten, nicht mehr gewachsen und vertraute sich einer Freundin an.
3
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 Abs. 1, § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB) zu zwei Jahren Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt. Dabei nahm die Strafkammer einen minder schweren Fall (§ 176a Abs. 4 StGB) an, da sie trotz einer Reihe belastender Umstände in der Persönlichkeit des Angeklagten , im Tathergang und im Nachtatverhalten von ihr näher dargelegte mildernde Gesichtspunkte sah.
4
3. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Angeklagten. Einen ausdrücklichen Revisionsantrag (zu dessen Funktion vgl. BGH NStZ-RR 2004, 118) hat die Staatsanwaltschaft entgegen § 344 Abs. 1 StPO nicht gestellt. Ausweislich der Begründung des Rechtsmittels ist es nicht gegen den Schuldspruch (etwa wegen der Verneinung von Gewalt) gerichtet, sondern allein gegen den Strafausspruch , insbesondere die Annahme eines minder schweren Falles und die Strafaussetzung zur Bewährung.

II.


5
Das auch vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel bleibt erfolglos.
6
1. Die Annahme eines minder schweren Falles ist rechtsfehlerfrei.
7
a) Die Staatsanwaltschaft verweist auf die Gesetzesmaterialien zu § 176a StGB: Dort, so trägt sie zutreffend vor, ist als Beispiel eines minder schweren Falles die Liebesbeziehung zwischen einem körperlich und seelisch weit über den altersgemäßen Zustand hinaus entwickelten fast 14 Jahre alten Mädchen und einem jungen Erwachsenen genannt (vgl. BTDrucks. 13/8587 S. 32). Da der vorliegende Fall offenkundig mit jenem Beispielsfall nicht zu vergleichen ist, so folgert die Staatsanwaltschaft, widerspräche es dem Willen des Gesetzgebers und überschreite daher die Grenze des Vertretbaren, hier einen minder schweren Fall anzunehmen.
8
b) Der Senat kann dem nicht folgen.
9
§§ 176, 176a StGB schützen die Möglichkeit zur ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern (vgl. BGHSt 45, 131, 132; Tröndle/ Fischer StGB 53. Aufl. § 176 Rdn. 2 jew. m.w.N.). Es erscheint nahe liegend, dass ein minder schwerer Fall gegeben sein kann, wenn das zu schützende Rechtsgut wegen Besonderheiten in der Person eines „weit über den altersgemäßen Zustand hinaus entwickelten“ Opfers weniger stark als üblich gefährdet erscheint. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Annahme eines minder schweren Falles nicht von Rechts wegen auf diese oder überhaupt eine bestimmte Art der Fallgestaltung beschränkt wäre. Vielmehr sind, wie die Strafkammer und auch die Staatsanwaltschaft selbst an anderer Stelle ihrer Revisionsbegründung ausführen , alle Umstände heranzuziehen, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (st. Rspr. seit BGHSt 26, 97, 98). Anhaltspunkte dafür, dass die genannte Stelle in den Gesetzesmaterialien darauf hindeuten könnte, dass hier etwas anderes gelten solle, sind nicht ersichtlich. Der Senat braucht daher hier nicht der Frage nachzugehen, welche Bedeutung Ausfüh- rungen in den Gesetzesmaterialien haben können, die im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden haben (vgl. hierzu BGHSt 42, 291, 293; 47, 243, 245).
10
c) Wie dies auch der Generalbundesanwalt in seinem Terminsantrag vom 9. Mai 2006 zutreffend ausgeführt und belegt hat, hält die von der Strafkammer vorgenommene Wertung der Tat als minder schwerer Fall auch sonst revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Die Erschwernisgründe und mildernden Gesichtspunkte im Rahmen der insoweit gebotenen Gesamtwürdigung gegeneinander abzuwägen, ist Sache des Tatrichters. Hält sich dessen Wertung rechtsfehlerfrei in den Grenzen des ihm dabei zustehenden Beurteilungsrahmens, ist sie vielmehr vom Revisionsgericht auch dann zu respektieren, wenn dieses selbst die angefallenen Erkenntnisse anders gewichtet hätte (vgl. hierzu zusammenfassend auch BGH, Urteil vom 10. März 1999 - 3 StR 15/99; Maatz/ Wahl, Festschrift 50 Jahre BGH S. 531, 551 f.). Die Strafkammer hat ihre Entscheidung für die Annahme eines minder schweren Falles auf Grund einer eingehenden Gesamtbetrachtung getroffen und auf die dafür bestimmenden Umstände (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) hingewiesen. Dass sie insgesamt die Grenzen möglicher tatrichterlicher Beurteilung überschritten hätte, ist nicht erkennbar.
11
Auch die hierauf bezogenen Darlegungen der Revision können nichts anderes belegen:
12
(1) Die Strafkammer hat auch erwogen, dass der Angeklagte den Geschlechtsverkehr mit dem Mädchen vollzog, „obwohl er wusste, dass es damit nicht einverstanden ist“. Das Vorbringen der Revision, dieser Gesichtspunkt sei „nur am Rande erwähnt“ und nur „untergeordnet gewürdigt“, es fehle eine „ausdrückliche Erörterung“, ist schon im Ansatz wenig klar. Unabhängig davon kann die Annahme der Staatsanwaltschaft, das Handeln des Angeklagten gegen den von ihm erkannten Willen der Geschädigten wäre als „entscheidendes Kriterium“ für die Ablehnung eines minder schweren Falles heranzuziehen gewesen, allerdings verdeutlichen, dass auch eine andere Bewertung als die von der Strafkammer vorgenommene möglich, vielleicht sogar nahe liegend gewesen wäre. Rechtsfehlerhaft ist die Bewertung durch die Strafkammer deshalb aber nicht.
13
(2) Wie dargelegt, hat sich die Geschädigte erst offenbart, nachdem sie vom Angeklagten zweideutige SMS-Nachrichten erhielt. Der zeitliche Zusammenhang zwischen SMS-Nachrichten und Offenbarung rechtfertigt ohne weiteres die Annahme, dass diese Nachrichten für sie in besonderem Maße belastend waren. Die Strafkammer spricht in diesem Zusammenhang von “erheblichen weiteren psychischen Nachteilen“. Die Staatsanwaltschaft meint dagegen, die schweren psychischen Belastungen resultierten „vornehmlich aus dem gegen den Willen des Kindes vollzogenen Geschlechtsverkehr selbst“. Der Senat braucht der Frage, wieso, wie die Staatsanwaltschaft meint, deshalb die Traumatisierungen der Geschädigten „nicht ausreichend ... gewürdigt“ sein sollen, aber nicht näher nachzugehen, weil sich dieser Teil des Vorbringens von den (rechtsfehlerfrei getroffenen) Urteilsfeststellungen entfernt und schon deshalb ins Leere geht.
14
2. Auch im Übrigen ist der Strafausspruch rechtsfehlerfrei.
15
a) Hinsichtlich der von der Staatsanwaltschaft auch nicht speziell angegriffenen Strafzumessung innerhalb des zuvor gefundenen Strafrahmens bedarf dies keiner weiteren Darlegung.
16
b) Auch die Strafaussetzung zur Bewährung hält rechtlicher Überprüfung stand.
17
(1) Die Ausführungen der Strafkammer zu § 56 Abs. 1 und § 56 Abs. 2 StGB sind sorgfältig begründet und überschreiten die bei der revisionsrechtlichen Überprüfung maßgebliche „Grenze des Vertretbaren“ (st. Rspr., vgl. die Nachw. bei Tröndle/Fischer aaO § 56 Rdn. 25) nicht. Die nicht näher ausgeführte nur pauschale Behauptung der Staatsanwaltschaft, die „angeführten Gründe (seien) auch in der Gesamtschau nicht geeignet, eine Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zu rechtfertigen“, vermag die Möglichkeit eines Rechtsfehlers nicht zu verdeutlichen.
18
(2) Zu § 56 Abs. 3 StGB hat der Generalbundesanwalt in seinem Terminsantrag vom 9. Mai 2006 ausgeführt:
19
„Entgegen der Auffassung der Revision liegen Umstände, wegen derer die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten wäre, nicht nahe. Eine ausdrückliche Erörterung von § 56 Abs. 3 StGB war daher nicht veranlasst. Das Tatgeschehen ist von Besonderheiten in der Person des zur Tatzeit erst 21 Jahre alten Täters sowie dem Umstand geprägt, dass sich die Tat auf dem Boden einer jahrelang bestehenden Freundschaft zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten entwickelt hat. Trotz der psychischen Beeinträchtigung beim Tatopfer, die allerdings nicht als außergewöhnliche Folgen sexuellen Missbrauchs zu werten sind, ist es für das allgemeine Rechtsempfinden nicht schlechthin unverständlich, dass bei einem erst 21jährigen reuigen Täter die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Dies gilt umso mehr, als sich der Angeklagte bereits für die Dauer von fünf Monaten in Untersuchungshaft befunden hatte.“
20
Dem stimmt der Senat zu. Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Elf
4
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist nur möglich, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Das gilt auch insoweit, als die tatrichterliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falles zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht (st. Rspr.; vgl.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 6 3 8 / 1 4
vom
16. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. April
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 5. August 2014 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird.
2
Dem Rechtsmittel ist der Erfolg zu versagen. Dass das Landgericht einen minder schweren Fall des Totschlags gemäß § 213 Alt. 2 StGB angenommen und die Strafe diesem Sonderstrafrahmen entnommen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Revision lässt auch die Strafzumessung im engeren Sinne einen durchgreifenden Rechtsfehler nicht erkennen.
3
1. Die Strafbemessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, in die das Revisionsgericht nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers eingreifen darf. Ein solcher kann etwa dann gegeben sein, wenn die Begründung für die verhängte Strafe dem Revisionsgericht die ihm obliegende sachlichrechtliche Nachprüfung nicht ermöglicht, die Erwägungen des Tatrichters in sich fehlerhaft sind oder die Strafe sich von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nach oben oder unten löst (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337; KK-Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 267 Rn. 25 mwN). Das gilt auch, soweit die tatrichterliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falles zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Juli 2006 - 1 StR 150/06, NStZ-RR 2006, 339, 340; vom 31. Juli 2014 - 4 StR 216/14, juris Rn. 4).
4
Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB hat das Gericht die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für und gegen den Täter sprechen. Dies bedeutet indes nicht, dass jeder derartige Umstand der ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen bedarf und dass die Nichterörterung stets einen Rechtsfehler begründet. Das Gericht ist vielmehr lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337).
5
2. Daran gemessen ist weder die Annahme des Landgerichts, es liege ein sonst minder schwerer Fall im Sinne von § 213 Alt. 2 StGB vor, noch die Bemessung der Strafhöhe als rechtsfehlerhaft zu beanstanden.

6
Zur Begründung der Annahme eines minder schweren Falles hat das Landgericht eine Gesamtbewertung aller bedeutsamen Umstände vorgenommen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2008 - 3 StR 484/08, NStZ-RR 2009, 139; S/S-Eser/Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 213 Rn. 13 f. mwN). Bei seiner Würdigung hat es keine wesentlichen und bestimmenden Umstände unberücksichtigt gelassen. Es hat zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass er sich "im Wesentlichen" geständig eingelassen hat, die dauerhaft beeinträchtigende Ehesituation zu einer psychischen Labilisierung und möglicherweise sogar zu einem Drogenrückfall geführt hatte, der Tatentschluss nach Enttäuschung über die Nichtrückkehr seiner Ehefrau spontan gefasst worden war und der Angeklagte nach der Tat, wenn auch auf Aufforderung seiner Ehefrau, einen Notruf getätigt hatte. Zu seinen Lasten hat es lediglich angeführt, dass der Angeklagte, wenn auch nicht einschlägig mit Delikten gegen Leib und Leben, mehrfach vorverurteilt ist. Auf dieser Grundlage ist die Bejahung eines minder schweren Falles revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
7
Die genannten Umstände hat das Landgericht auch bei der konkreten Strafzumessung gegeneinander abgewogen. Dass es insoweit in den Urteilsgründen die Strafzumessungskriterien nicht nochmals wiederholt, sondern auf die vorangegangene Aufzählung verwiesen hat, stellt keinen Rechtsmangel dar.
Becker Hubert Schäfer Mayer Spaniol

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 206/12
vom
19. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Juni 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 25. Januar 2012 im Strafausspruch - unter Aufrechterhaltung der Feststellungen - aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und mit "unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition" zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie eine Entscheidung im Adhäsionsverfahren getroffen. Die hiergegen gerichtete, auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Während der Schuldspruch und die Adhäsionsentscheidung rechtlicher Nachprüfung standhalten, kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt: "Die Strafkammer hat das Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 224 Abs. 1 letzter Hs. StGB nicht erörtert, obwohl hierzu Anlass bestand. Nach den Feststellungen (UA S. 5 f.) und der eigenen rechtlichen Würdigung der Strafkammer (UA S. 11) ist der Angeklagte vom Geschädigten zur Tat provoziert worden. Zwar trifft die Auffassung der Revision, dass beim Vorliegen der Voraussetzungen des für Totschlagsdelikte geltenden § 213 1. Alt. StGB bei Körperverletzungsdelikten zwingend ein minder schwerer Fall anzunehmen sei (RB S. 5 f.), nicht zu. Zu Unrecht beruft die Revision sich zum Beleg ihrer Auffassung auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus den 80er Jahren. Diese bezogen sich auf die damaligen Strafrahmen von Gewaltdelikten , die durch das 6. Strafrechtsreformgesetz einer grundlegenden Änderung unterzogen worden sind. Zudem hat der Bundesgerichtshof seit dem Urteil vom 24. September 1998 - 4 StR 272/98, BGHSt 44, 196) anerkannt, dass vollendete Körperverletzungsdelikte durch versuchte Tötungsdelikte nicht verdrängt werden. Nach zutreffender Ansicht ist daher die Tatprovokation bei Körperverletzungsdelikten als Strafmilderungsgrund zu berücksichtigen; sie kann zur Annahme eines minder schweren Falles führen, muss dies aber nicht (vgl. Fischer StGB 59. Aufl. § 224 Rdnr. 15 m. w. N.). Liegt allerdings eine Tatprovokation vor, wird die Annahme eines minder schweren Falles regelmäßig nicht derart fernliegen, dass eine Erörterung rechtlich entbehrlich würde (vgl. BGH Beschluss vom 10. August 2004 - 3 StR 263/04, StV 2004, 654). So war es hier, zumal die Kammer weitere Milderungsgründe für die Zumessung der Strafe als bestimmend angesehen hat, namentlich das Geständnis und die bisherige Straffreiheit des Angeklagten (UA S. 11). Angesichts dieser Umstände ist auch nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei Prüfung des minder schweren Falls zu einem milderen Strafrahmen und einer milderen Strafe gelangt wäre."
3
Dem schließt sich der Senat an.
Becker Pfister RiBGH Hubert befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 5 7 4 / 1 4
vom
26. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
26. Februar 2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Fischer,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung –
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. Juli 2014 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Seine dagegen gerichtete, auf den Strafausspruch beschränkte Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, bleibt ohne Erfolg.

I.

2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Spätestens ab Februar 2013 traten in der Ehe zwischen dem Angeklagten und seiner später getöteten Ehefrau erhebliche Spannungen auf, die regelmäßig in lautstark geführte verbale Auseinandersetzungen mündeten. Im Rahmen dieser Konflikte belegte die sehr wortgewaltige Ehefrau den Angeklagten mit ehrverletzenden Ausdrücken. Beginnend ab Oktober 2013 nahmen die Streitigkeiten an Heftigkeit zu. Im Hinblick auf eine mögliche Scheidung und damit verbundene Streitigkeiten um das Sorgerecht für die 2009 geborene Tochter und den 2012 geborenen Sohn zeichneten die Eheleute ab November 2013 die Wortgefechte mit ihren jeweiligen Mobiltelefonen auf.
4
Zu Tätlichkeiten kam es trotz der Heftigkeit der verbalen Streitigkeiten nur selten. Bei einem Tritt gegen das Schienbein des Angeklagten brach sich die Ehefrau mehrere Zehen. Als sie im Rahmen einer Auseinandersetzung im November 2013 auf den Angeklagten losging, konnte er sie durch Wegschubsen mühelos abwehren. Überhaupt war der Angeklagte seiner Ehefrau bei ihren wenigen körperlichen Attacken stets überlegen.
5
2. Am Abend des 29. November 2013 brachte der Angeklagte die beiden Kinder zu Bett. Da der Sohn nicht sogleich einschlafen konnte, legte sich der Angeklagte zu ihm ins Bett, schlief dabei aber selbst ein. Dies nahm seine Ehefrau , die ihn später weckte, zum Anlass, ihm vorzuwerfen, er schlafe, um nicht mit ihr über ihre gemeinsamen Eheprobleme reden zu müssen. Es entwickelte sich ein heftiger, zunächst mit Worten geführter Streit zwischen den Eheleuten. Dabei beschimpfte die Ehefrau den Angeklagten als „Schlappschwanz“ und „elendigen Hund“, außerdem sei seine ganze Familie „behindert“.
6
Da ein Versuch des Angeklagten, einen gemeinsamen Bekannten, der bereits bei früheren Auseinandersetzungen als Schlichter tätig geworden war, zu erreichen, scheiterte, wurde der Streit weiter fortgesetzt. Gegen 4.00 Uhr des Folgetages ging die Ehefrau schreiend auf den Angeklagten los und versuchte , diesen mit der Faust gegen den Oberkörper zu schlagen. Diesen Angriff konnte er, ebenso wie einen sich anschließenden durch Wegschubsen abwehren. Bei dem dritten Mal gelang es der Ehefrau, das T-Shirt des Angeklagten zu ergreifen und diesen an der Brust zu kratzen.
7
In diesem Moment verlor wegen des Kratzens der durch die wochenlangen Streitigkeiten und Beschimpfungen zermürbte sowie wegen des begleitenden Schlafmangels – die Streitigkeiten setzten häufig nach dem Ende der Spätschicht des Angeklagten ein – übermüdete Angeklagte die Fassung (UA S. 14). Bei ihm trat ein Affekt auf, der dazu führte, dass er seine Ehefrau nicht erneut wegschubste, sondern deren Hals mit seinen beiden Händen fest umfasste. Er drückte zu, so dass seine Ehefrau nach etwa 8 Sekunden bewusstlos wurde und in sich zusammensackte. Obwohl der Angeklagte wusste, dass er damit ihren Tod herbeiführen würde, ging er mit ihr zu Boden und drückte ihren Hals noch wenigstens drei Minuten lang zu, bis sie tot war. Durch die Einwirkung brach das rechte Zungenbein der Ehefrau. Ihr Tod trat durch Ersticken ein (UA S. 15).
8
Nachdem der Angeklagte den Tod seiner Ehefrau realisiert hatte, verbrachte er die Leiche in den Keller, um den eventuell aufwachenden Kindern den Anblick der toten Mutter zu ersparen. Im Verlaufe des Nachmittags offenbarte er zunächst seiner Schwester die Tötung der Ehefrau. Später stellte er sich der Polizei.
9
3. Das sachverständig beratene Landgericht hat einen sich als tiefgreifende Bewusstseinsstörung erweisenden affektiven Ausnahmezustand (UA S. 47) bei dem Angeklagten angenommen. Dieser Zustand wurde auch durch das bewusstlose Zusammensacken der Getöteten nicht aufgehoben. Aufgrund des Affekts war bei erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit die Fähigkeit des Angeklagten, sich entsprechend dieser Einsicht zu steuern, erheblich vermindert.
10
4. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht das Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 213 StGB geprüft, dessen Vorausset- zungen aber sowohl im Hinblick auf eine vorausgegangene Provokation gemäß § 213 Alt. 1 StGB als auch einen allgemeinen minder schweren Fall nach § 213 Alt. 2 StGB verneint. Geringfügige Verletzungen, wie sie dem Angeklagten hier von der Ehefrau zugefügt wurden, erreichten nicht die für eine „Misshandlung“ erforderliche Erheblichkeit. Gleiches gelte für eine in dem Verhalten der getöte- ten Ehefrau möglicherweise liegende „seelische Misshandlung“. Es hat zudem die während der verbalen Auseinandersetzung geäußerten Beleidigungen nicht als schwer im Sinne von § 213 Alt. 1 StGB bewertet. Maßgebend sei eine Beurteilung aufgrund einer Gesamtwürdigung nach objektivem Maßstab unter Berücksichtigung der Gesamtbeziehung von Täter und Opfer. In seiner Gesamtwürdigung hat das Tatgericht vor allem auf den Inhalt der in den zahlreichen vorausgegangenen Streitigkeiten erfolgten, den Angeklagten herabwürdigenden Äußerungen der Ehefrau abgestellt. Vor diesem Hintergrund verlören die in der Tatnacht getätigten, zudem im Streit geäußerten Beleidigungen an Gewicht.
11
Ein minder schwerer Fall gemäß § 213 Alt. 2 StGB ist vom Landgericht ebenfalls in Betracht gezogen worden. Auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes aus § 21 StGB hat es einen solchen verneint, den Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB jedoch gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert.

II.

12
Die nachträglich beschränkte Revision hat keinen Erfolg. Der Strafausspruch des angefochtenen Urteils hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
13
1. Die durch den dazu ausdrücklich ermächtigten (§ 302 Abs. 2 StPO) Wahlverteidiger in der Revisionshauptverhandlung erklärte, als Teilrücknahme zu wertende Beschränkung des Rechtsmittels auf den Strafausspruch, der die Vertreterin des Generalbundesanwalts zugestimmt hat (§ 303 Satz 1 StPO), ist wirksam. Die Beschränkung bezieht sich ungeachtet der Annahme einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten auf einen Beschwerdepunkt, der von dem nicht angefochtenen Schuldspruch unabhängig beurteilt werden kann. Das angefochtene Urteil enthält, was einer wirksamen Beschränkung entgegenstehen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2001 – 2 StR 500/00, BGHSt 46, 257, 259), keine Anhaltspunkte für eine Aufhebung der Schuldfähigkeit des Angeklagten.
14
2. Das Landgericht hat die Voraussetzungen eines minder schweren Falls des Totschlags hinsichtlich beider Varianten des § 213 StGB ohne Rechtsfehler verneint.
15
a) Die von der Revision beanstandete Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.), ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Urteile vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268; vom 29. Juni 1991 – 3 StR 145/91, BGHR StGB § 1, Gesamtwürdigung 7; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 146 mwN).
16
Das Revisionsgericht darf die der Entscheidung des Tatrichters über das Vorliegen eines minder schweren Falls zugrunde liegende Wertung nicht selbst vornehmen, sondern lediglich daraufhin überprüfen, ob dem Tatrichter ein Rechtsfehler unterlaufen ist (siehe BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.). Diese Grundsätze über den für das Revisionsgericht geltenden Prüfungsmaßstab gelten nicht nur für die tatrichterliche Beurteilung des unbenannten minder schweren Falls gemäß § 213 Alt. 2 StGB, sondern auch für die in § 213 Alt. 1 StGB benannten Konstellationen minder schwerer Fälle. Denn bei § 213 StGB insgesamt und nicht lediglich bei seiner zweiten Alternative handelt es sich um eine Strafzumessungsregel (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1966 – 2 StR 525/65, BGHSt 21, 14, 15; siehe auch Beschluss vom 12. Oktober 1977 – 2 StR 410/77, BGHSt 27, 287, 289; H. Schneider in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Band 4, § 213 Rn. 1 mwN).
17
b) Derartige der Revision zugänglichen Rechtsfehler bei der Anwendung von § 213 StGB weist das angefochtene Urteil nicht auf.
18
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können lediglich solche dem späteren Täter zugefügten Misshandlungen die Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 213 Alt. 1 StGB begründen, die nach ihrem Gewicht und den Umständen des Einzelfalls geeignet sind, die „Jähtat als verständliche Reaktion“ auf das provozierende Verhalten des Opfers der nachfol- genden Tötungstat erscheinen zu lassen (BGH, Beschluss vom 9. Februar 1995 – 4 StR 37/95, NJW 1995, 1910, 1911; BGH, Urteil vom 4. Mai 1995 – 5 StR 213/95, NStZ 1996, 33; vgl. auch BGH, Urteil vom 1. August 1996 – 5 StR 214/96,BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 5; aber auch Senat, Urteil vom 4. Dezember 1990 – 1 StR 577/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 3). Diese Voraussetzungen können selbst bei einer lediglich versuch- ten Körperverletzung gegeben sein (BGH, Beschluss vom 9. Februar 1995 – 4StR 37/95, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 4; Urteil vom 1. August 1996 – 5 StR 214/96, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 5). Da sich die Tötungstat jedoch als „verständliche Reaktion“ auf die vorausgegangene Miss- handlung durch das spätere Opfer erweisen muss, werden eingetretene oder drohende lediglich geringfügige Eingriffe in die körperliche oder seelische Unversehrtheit des Täters des Tötungsdelikts regelmäßig keine Misshandlung im Sinne von § 213 Alt. 1 StGB begründen können (Senat, Urteil vom 19. Februar

1991

1 StR 659/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 6 „nur erhebliche Beeinträchtigungen“ ; vgl. auch Jähnke in Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl., Band 5, § 213 Rn. 4; H. Schneider aaO § 213 Rn. 13 mwN).
19
Dem entsprechend hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass es der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts und die unter den Voraussetzungen von § 213 StGB mildere Beurteilung der Vernichtung des menschlichen Lebens gebieten, die Anforderungen an das der Tat vorausgehende Opferverhalten und auch an die auf die tatauslösende Situation zulaufende Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung nicht zu niedrig anzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 Rn. 10; Beschlüsse vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339 f.; vom 8. Juli 2014 – 3 StR228/14 Rn. 5). An diesem Gebot hat sich trotz der Verschärfung des Strafrahmens von § 213 StGB durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) nichts geändert (Senat, Beschluss vom 15. Januar 2002 – 1 StR 548/01, NStZ-RR 2002, 140 f.; siehe auch BGH, Urteil vom 9. Juli 1998 – 4 StR 136/98).
20
Ob nach den vorgenannten Grundsätzen eine Misshandlung gegeben ist, hat der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller dafür maßgebenden Umstände, namentlich unter Berücksichtigung der bisherigen Täter-Opfer-Beziehung und der damit verbundenen Motivationsgenese, zu beurteilen (siehe BGH, Urteil vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 Rn. 10 mwN).
21
(1) An diesen Maßstäben gemessen hält die Bewertung des Tatgerichts, es fehle an einer der Tötungstat vorausgehenden und diese auslösenden erheblichen Misshandlung seitens der später getöteten Ehefrau sachlichrechtlicher Prüfung stand. Das Landgericht hat mit einer Gesamtwürdigung bei objektivem Maßstab unter Einbeziehung der Gesamtbeziehung von Täter und Opfer den zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt gewählt. Dass es eine ge- wisse Erheblichkeit der „Misshandlung“, sowohl unter dem Aspekt der körperli- chen als auch der seelischen Beeinträchtigung, für erforderlich gehalten hat, ist ersichtlich nicht zu beanstanden.
22
(2) Der Senat besorgt auch nicht, dass das Tatgericht seiner Beurteilung des Vorliegens einer Misshandlung rechtsfehlerhaft lediglich die unmittelbar der Tötung vorausgehende Attacke der Ehefrau auf den Angeklagten zugrunde gelegt hat. Wie die Revision und der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hervorheben, kann § 213 Alt. 1 StGB auch dann zur Anwendung gelangen, wenn die tatauslösende Misshandlung für sich allein genom- men, zwar keine „schwere Unbill“ darstellt, sieaber gleichsam nur der Tropfen ist, der das Fass zum Überlaufen bringt (Senat, Urteil vom 4. Dezember 1990 – 1StR 577/90, StV 1991, 105 f. mwN; siehe auch bzgl. einer vorangegangenen Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339, 340 mwN; vom 8. Juli 2014 – 3 StR 228/14 Rn. 5). Nach dieser Rechtsprechung ist es daher geboten, in die ohnehin erforderliche Gesamtwürdigung auch in der Vergan- genheit liegende Vorgänge als mitwirkende Ursachen einzubeziehen (BGH, jeweils aaO).
23
Auch wenn das Landgericht sich bezüglich einer tatauslösenden Misshandlung nicht ausdrücklich auf die vorgenannten Anforderungen bezogen hat, vermag der Senat nach dem Gesamtzusammenhang des Urteils auszuschließen , dass dem Tatrichter die Berücksichtigung früherer Misshandlungen im Rahmen der Gesamtwürdigung aus dem Blick geraten ist. Es hat nicht nur die Entwicklung der Beziehung zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau einschließlich der jedenfalls im Jahr 2013 in der Intensität deutlich zunehmenden Spannungen und Streitigkeiten festgestellt. Vielmehr verhält sich das angefochtene Urteil auch zu den wenigen früheren Streitigkeiten der Eheleute, bei denen es über die verbale Auseinandersetzung hinaus zu Tätlichkeiten gekommen ist (UA S. 11 unten und S. 12). In diesem Zusammenhang werden die von Seiten der Ehefrau unternommenen seltenen und nicht intensiven körperlichen Angriffe ebenso beschrieben wie die Fähigkeit des Angeklagten, sich dieser Attacken mühelos zu erwehren. Da das Landgericht zudem rechtlich zutreffend von der Berücksichtigung der Gesamtbeziehung zwischen Täter und Opfer ausgeht, lässt sich nicht annehmen, es habe zunächst dazu umfassende Feststellungen getroffen, die dann im Rahmen der Strafzumessung bei der Frage der Anwendung von § 213 StGB unbeachtet geblieben seien.
24
bb) Aus entsprechenden Gründen halten auch die Erwägungen des Landgerichts zum Fehlen einer tatauslösenden schweren Beleidigung revisionsrechtlicher Prüfung stand.
25
(1) Die Revision und der Generalbundesanwalt zeigen im rechtlichen Ausgangspunkt übereinstimmend zutreffend auf, dass auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer „schweren Beleidigung“ im Sinne von § 213Alt. 1 StGB nicht allein auf die in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Tatgeschehen stehenden Vorgänge abzustellen ist. Nach der ständigen Rechtspre- chung des Bundesgerichtshofs ist vielmehr eine „Ganzheitsbetrachtung“ erforderlich , die in der Vergangenheit liegende Vorgänge als „mitwirkende Ursachen“ mit einbezieht. Die Voraussetzungen von § 213 Alt. 1 StGB können dem- nach auch dann erfüllt sein, wenn zwar das Verhalten des Tatopfers vor der Tat isoliert betrachtet „keine schwere Beleidigung darstellt, dennoch aber den Täter zum Zorn reizte und auf der Stelle zur Tat hinriss, weil es nach einer ganzen Reihe von Kränkungen gleichsam nur noch der Tropfen war, der das Faß zum Überlaufen brachte.“ (siehe nur Senat, Beschlüsse vom 11. Juni 1996 – 1 StR 300/96, StV 1998, 131; vom 21. Mai 2004 – 1 StR 170/04, NStZ 2004, 631 f.; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339, 340; Urteil vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 Rn. 10 jeweils mwN; Beschluss vom 8. Juli 2014 – 3 StR 228/14 Rn. 5; Fischer aaO § 213 Rn. 5 aE mit zahlr. Nachweisen). In die erforderliche Gesamtbewertung sind alle Umstände einzubeziehen, die dem konkreten Einzelfall unter dem Gesichtspunkt der Provokation durch das spätere Tatopfer sein Gepräge geben (Senat, Urteil vom 10. Oktober 1989 – 1 StR 239/89, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 5).
26
(2) Dem wird das angefochtene Urteil gerecht. Das Landgericht hat ausdrücklich eine objektive Bewertung der seitens der Ehefrau geäußerten Beleidi- gungen unter „Berücksichtigung der Gesamtbeziehung von Täter und Opfer“ (UA S. 54) zugrunde gelegt. Die Feststellungen zeichnen die Entwicklung des Verhältnisses zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau insgesamt ausführlich und sorgfältig nach (UA S. 7-12). Das umfasst vor allem die ab 2011 einsetzenden Streitigkeiten in der Ehe und deren zunehmende Eskalation seit Februar 2013. Zudem stellt das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung den Inhalt der Streitigkeiten ab November 2013 mittels der von den beiden Beteiligten jeweils gefertigten Aufzeichnungen per Mobiltelefon im Einzelnen dar (UA S. 33-37). Dazu gehören auch die von der Ehefrau in diesen verbalen Auseinandersetzungen geäußerten Beleidigungen gegenüber dem Angeklagten.
27
Den ausführlich dokumentierten Inhalt der früheren Streitigkeiten hat das Landgericht in die ihm obliegende Bewertung des Schweregrades der der Tötungstat unmittelbar vorausgegangenen Beleidigungen einbezogen. Da es sich ausdrücklich mit der Bedeutung der früheren Herabwürdigungen für die tatunmittelbaren Äußerungen befasst hat, vermag der Senat auch insoweit auszuschließen , dass das Tatgericht den Aspekt eines sich zu einer schweren Beleidigung aufsummierenden, sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Geschehens wiederholter Kränkungen aus dem Blick verloren haben könnte. Der rechtliche Ausgangspunkt des Tatgerichts, die Schwere der der Tat vorausgehenden Beleidigungen unter Berücksichtigung der früheren kränkenden Äußerungen zu beurteilen, ist als solcher ebenfalls rechtsfehlerfrei (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 1994 – 2 StR 382/94).
28
Hat aber der Tatrichter den für die Beurteilung des Vorliegens eines minder schweren Falls rechtlich zutreffenden Maßstab gewählt, unterliegt die Wertung als solche, ob sich die geäußerten Beleidigungen unter Berücksichtigung des Gesamtgeschehens als schwer im Sinne von § 213 Alt. 1 StGB erweisen , nicht der revisionsgerichtlichen Kontrolle (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 1991 – 1 StR 659/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 6 bzgl. der Bewertung eines Fußtritts als erhebliche Misshandlung). Teil dieser dem Tatrichter obliegenden Wertung ist es auch, die Bewertungsrichtung der festgestellten konkreten Umstände (unter Einschluss der dem eigentlichen Tötungsgeschehen vorausgehenden) zu bestimmen und auf dieser Grundlage das Vorliegen der benannten Milderungsgründe aus § 213 Alt. 1 StGB zu beur- teilen. Es ist dem Revisionsgericht verwehrt, seine eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen.
29
cc) Ob die Voraussetzungen von § 213 Alt. 1 StGB im Einzelfall aufgrund einer Kumulation von vorausgehender Misshandlung und schwerer Beleidigung verwirklicht werden können (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 1991 – 1 StR 659/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 6), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn nach den Feststellungen und der Beweiswürdigung des Tatgerichts , worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist, bildete der der Tötungstat vorausgehende körperliche Übergriff den unmittelbaren Auslösereiz für den affektiven Ausnahmezustand des Angeklagten (UA S. 14 und S. 48). Beruht nach diesen rechtsfehlerfreien Feststellungen der die Tötungstat auslösende Zorn des Angeklagten auf dem körperlichen Angriff durch die Ehefrau und nicht auf vorangegangenen Beleidigungen, hätte die Anwendung von § 213 Alt. 1 StGB weder auf das Vorliegen schwerer Beleidigungen als solcher noch auf das Zusammenwirken von solchen und Misshandlungen gestützt werden können. Maßgeblich sind nämlich nur diejenigen Motive des Täters, die in der Tatsituation einen beherrschenden Einfluss auf den Täter gehabt haben (vgl. Schneider aaO § 213 Rn. 31). War aber eine für § 213 Alt. 1 StGB nicht ausreichend erhebliche Misshandlung der eigentliche Auslösereiz des Affekts, kann nicht auf eine im Motivbündel nur untergeordnete Reizung durch eine (schwere) Beleidigung abgestellt werden (siehe insoweit BGH, Beschluss vom 22. April 2004 – 4 StR 48/04, NStZ 2004, 500 f. mwN).
30
dd) Die Verneinung eines sonst minder schweren Falls gemäß § 213 Alt. 2 StGB hält ebenfalls sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
31
(1) Das Landgericht ist von der gebotenen Gesamtbewertung aller relevanten Umstände (Fischer aaO § 213 Rn. 12; H. Schneider aaO § 213 Rn. 49 jeweils mwN) ausgegangen. In diese hat es zugunsten des Angeklagten die jeweils nicht die Schwelle von § 213 Alt. 1 StGB erreichenden Misshandlungen bzw. Beleidigungen durch die später getötete Ehefrau einbezogen und den minder schweren Fall zunächst ohne Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes aus § 21 StGB geprüft.
32
Die zu Lasten des Angeklagten wirkende Erwägung des Tatrichters, er habe „seinen zwei kleinen Kindern, die aufgrund ihres jungen Alters von nur ein und vier Jahren der mütterlichen Zuwendung in besonderem Maß bedürfen, durch die Tat die Mutter“ genommen (UA S. 54 f.), ist nicht rechtsfehlerhaft und verstößt insbesondere nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Das Tatgericht hat erkennbar nicht auf das mit nahezu jeder Tötung einhergehende Leid der Angehörigen und dem schmerzlichen Verlust einer Bezugsperson abgestellt. Vielmehr hat es in rechtlich fehlerfreier Weise das spezifische Alter von Sohn und Tochter der Getöteten in den Blick genommen und damit auf eine zulässige einzelfallbezogene Differenzierung nach der Bedeutung des Vorhandenseins der getöteten Bezugsperson für die konkreten Angehörigen abgestellt. Damit erschöpft sich die Erwägung gerade nicht in der Heranziehung einer typischen Tatfolge eines Tötungsdelikts.
33
(2) Gleiches gilt auch für die weitere Strafzumessungserwägung, die beiden Kinder litten erheblich unter dem Verlust der Mutter. Das Landgericht hat damit auf die im konkreten Fall bewirkten verschuldeten Auswirkungen der Tat (§ 46 Abs. 2 StGB) abgestellt, die bei beiden Kindern eingetreten sind. Deren Eintritt hat das Tatgericht mit der bei der Tochter weiterhin erfolgenden psychologischen Betreuung mit Feststellungen unterlegt. Dass es dabei die in der Beweiswürdigung ausdrücklich dargestellte zwischenzeitliche Besserung des Zustands der Tochter aus dem Blick verloren haben könnte, ist nicht zu besorgen.
34
Ohne Rechtsfehler hat das Tatgericht das Leiden der Kinder unter dem Verlust der Mutter als verschuldete Auswirkungen der Tat gewertet. Dem steht die Begehung der Tat im Zustand der durch einen Affekt bewirkten erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht entgegen. Da seine Einsichtsfähigkeit insgesamt erhalten geblieben ist und er – wie sich sowohl aus dem festgestellten allgemeinen Umgang mit den Kindern als auch aus seinem Nachtatverhalten (Verbringen der Leiche in den Keller, um ihnen den Anblick der toten Mutter zu ersparen) ergibt – um deren Wohl besonders bemüht war, waren die eingetretenen Tatfolgen für ihn vorhersehbar.
35
(3) Angesichts der rechtsfehlerfreien strafschärfenden Berücksichtigung der vorstehend erörterten Umstände bestehen auch keine rechtlichen Bedenken gegen die Verneinung eines sonstigen minder schweren Falls selbst unter zusätzlicher Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes gemäß § 21 StGB. Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters zwischen dem Strafrahmen aus § 213 StGB und dem über § 49 Abs. 1 StGB (hier in Verbindung mit § 21 StGB) gemilderten Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB zu wählen (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 2. November 1983 – 2 StR 492/83, NStZ 1984, 118; Fischer aaO § 213 Rn. 19 mwN). Hat das Tatgericht wie hier sein Ermessen ohne Rechtsfehler ausgeübt, hat das Revisionsgericht die Würdigung als solche hinzunehmen, mag auch eine andere ebenfalls in Betracht gekommen sein.
36
3. Die konkrete Strafzumessung weist keine den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Wie bereits ausgeführt [II.2.b)dd)] durfte das Landgericht die Auswirkungen der Tat auf die beiden Kinder strafschärfend berücksichtigen.
37
4. Unter den konkreten Umständen des Einzelfalls hätte sich im Übrigen selbst eine rechtsfehlerhafte Ablehnung von § 213 StGB nicht auf die Strafzumessung ausgewirkt. Da nach den Feststellungen hier zwischen den vorausgegangenen Kränkungen bzw. Tätlichkeiten und dem affektiven Ausnahmezustand eine enge Verbindung bestand, sie also auf dieselbe Wurzel zurückzuführen sind (siehe etwa BGH, Beschlüsse vom 30. April 1991 – 4 StR 140/91, NStE Nr. 24 zu § 213 StGB, vom 24. Oktober 2012 – 5 StR 472/12, NStZ 2013, 341 mwN), hätte eine weitere Milderung des Strafrahmens von § 213 StGB über §§ 21, 49 StGB nicht erfolgen können.

III.

38
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO, diejenige über die notwendigen Auslagen aus einer entsprechenden Anwendung von § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO. Rothfuß Graf Radtke RinBGH Dr. Fischer ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Mosbacher Rothfuß

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 109/13
vom
23. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Mai 2013,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Reiter
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten T. G. und F. G. gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 5. Juli 2012 werden verworfen.
2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels , die insoweit durch den Adhäsionsantrag entstandenen besonderen Kosten sowie die den jeweiligen Neben- und Adhäsionsklägern im Rechtsmittelverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten T. G. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten F. G. wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Das Gericht hat ferner Adhäsionsentscheidungen getroffen; unter anderem hat es die beiden Angeklagten und die nicht revidierende Mitangeklagte Y. als Gesamtschuldner verurteilt, an den Nebenkläger A. B. ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000 € zu zahlen.
2
Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben keinen Erfolg.

I.


3
Nach den Feststellungen des Landgerichts entschlossen sich die Angeklagten und die Mitangeklagte Y. , den Nebenkläger A. B. tät- lich anzugreifen. Er sollte für seine „ursprüngliche Absicht“,dem Angeklagten F. G. , der kurz zuvor einen Verwandten B. s (Nebenkläger Y. K. ) durch Schläge erheblich verletzt hatte, „etwas zu tun“, im Nachhinein bestraft werden. Die Angreifer liefen hinter dem Nebenkläger her, der sich auf dem Heimweg befand und einen Holzstock zu Verteidigungszwecken bei sich trug, und stellten ihn vor der Front eines Hauses. Die beiden Angeklagten entrissen ihm zunächst trotz Gegenwehr den Schlagstock, wobei der Angeklagte F. G. bei dem Gerangel einen Stockschlag auf den Hinterkopf erhielt. Der Nebenkläger wurde sodann gegen die Hauswand gedrückt und der Angeklagte T. G. versetzte ihm nunmehr mindestens zwei wuchtige Messerstiche in den Oberkörper, wobei ihm bewusst oder mindestens gleichgültig war, dass das Opfer zu Tode kommen könnte. Dabei fügte sich der Angeklagte – entweder auf Grund einer Abwehrbewegung des Geschädigten oder infolge zu großen Schwungs beim Zustechen – selbst eine etwa 2 cm tiefe Stichwunde am rechten Oberschenkel zu. Der Nebenkläger, der schwere innere Verletzungen erlitt, ging zu Boden. Die drei Angreifer versetzten ihm daraufhin Tritte gegen den Oberkörper und den Kopf. Schließlich ließen sie von ihrem Opfer ab und entfernten sich.
4
In der Hauptverhandlung vor dem Landgericht hat sich der Angeklagte F. G. dahin eingelassen, der Nebenkläger und drei oder vier weitere Personen seien auf ihn zugekommen. Ihm sei mit einem Knüppel auf den Kopf geschlagen worden. Auf Grund von Schlägen und Tritten habe er schließlich das Bewusstsein verloren.
5
Der Angeklagte T. G. hat angegeben, er sei angegriffen und mit einem Messer am Bein verletzt worden. Er habe das auf den Boden gefallene Messer aufgehoben und, „als der andere auf ihn zugekommen sei, ein- bis zweimal in seine Richtung geschwungen“ (UA S. 35). Er habe den Mann nicht verletzen wollen.
6
Im Verlauf der Beweisaufnahme haben die Angeklagten F. und T. G. den im Adhäsionsverfahren geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch des Nebenklägers A. B. dem Grunde nach anerkannt. Beide Angeklagten haben sich bei dem Geschädigten entschuldigt.
7
Das Landgericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, dass zwischen den Familien der Angeklagten und des Nebenklägers weiterhin ein wechselseitiges Vergeltungsbedürfnis bestehe und es „vor dem Gericht“ zu verbalen Auseinandersetzungen und dem Ansatz von Handgreiflichkeiten gekommen sei (UA S. 43).

II.


8
Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet.
9
1. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der An- geklagten ergeben. Insbesondere begegnet die Nichterörterung des § 46a Nr. 1 StGB keinen rechtlichen Bedenken.
10
a) Das Landgericht hat bei der Bemessung der Strafe zu Gunsten der Angeklagten berücksichtigt, dass sie sich ausdrücklich bei dem Nebenkläger entschuldigt, den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch dem Grunde nach anerkannt und in ihrem letzten Wort ihr Bedauern über die Tat zum Ausdruck gebracht haben. Dass das Landgericht von der weiter gehenden Prüfung abgesehen hat, ob aus diesen Gründen der anzuwendende Strafrahmen nach § 46a Nr. 1 StGB zu mildern ist, stellt keinen Rechtsfehler dar, denn die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen ersichtlich nicht vor.
11
b) Die Bestimmung des § 46a Nr. 1 StGB verlangt, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil“ wiedergutgemacht hat, wobei es aber auch aus- reichend sein kann, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Das Bemühen des Täters setzt grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Aus- gleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt und „Ausdruck der Übernahme von Verantwortung“sein muss (BGH, Urteile vom 19. Dezember 2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 139, 141; vom 12. Januar 2012 – 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439; vom 8. August 2012 – 2 StR 526/11, NStZ 2013, 33, 34). Daran fehlt es hier. Denn die Angeklagten haben die ihnen zur Last gelegte gravierende Gewalttat als Verteidigungshandlung gegen einen rechtswidrigen Angriff des Tatopfers hingestellt und somit schon die Opfer-Rolle des Geschädigten bestritten. Eine Übernahme von Verantwortung kann hierin nicht gesehen werden (BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 – 2 StR 217/08, NStZ-RR 2008, 304; Urteil vom 10. Februar 2010 – 2 StR 391/09, NStZ-RR 2010, 175; Urteil vom 25. Februar 2010 – 4 StR 575/09, NStZ-RR 2010, 176).
12
Die Urteilsgründe belegen darüber hinaus, dass ein kommunikativer „friedensstiftender“ Prozess zwischen den Angeklagten und dem Nebenkläger nicht einmal ansatzweise stattgefunden hat. Die Angeklagten haben hinsichtlich des geltend gemachten Schmerzensgeldanspruchs lediglich ein prozessuales Anerkenntnis „dem Grunde nach“ gegenüber dem Gericht erklärt. Vom Neben- kläger als friedensstiftenden Ausgleich akzeptierte Leistungen haben sie nicht erbracht (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Januar 2012 – 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439, 440). Angesichts der Schwere der begangenen Tat und der erheblichen Verletzungsfolgen bei dem Nebenkläger war eine bloße Entschuldigung völlig unzureichend, zumal weiterhin erhebliche Spannungen zwischen den Familien der Angeklagten und dem Tatopfer bestehen (vgl. BGH, Urteile vom 28. Februar 2013 – 4 StR 430/12, Rn. 14, und vom 27. März 2013 – 2 StR 384/12, Rn. 10).
13
2. Ob die Adhäsionsentscheidung des Landgerichts im Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit (§ 406 Abs. 3 Satz 2 StPO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO) einen Rechtsfehler aufweist, kann dahinstehen. Da die Rechtsmittel der Angeklagten keinen Erfolg haben, ist das Urteil des Landgerichts rechtskräftig und damit endgültig vollstreckbar (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 708 Rn. 1).
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Reiter

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 519/00
vom
13. Februar 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
13. Februar 2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Schaal,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 11. August 2000 aufgehoben, soweit dem Angeklagten Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist. Die weitergehende Revision wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht Tübingen zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten am 15. November 1999 wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Auf seine Revision hin hat der Senat jenes Urteil im Strafausspruch aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Diese hat gegen den Angeklagten nunmehr eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verhängt. Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit das Landgericht dem Angeklagten die Aussetzung der Strafe zur Bewährung versagt hat; im übrigen ist es unbegründet.

I.

1. Nach den insoweit rechtskräftigen Feststellungen des ersten tatrichterlichen Urteils ist der nicht vorbestrafte, zur Tatzeit 64jährige asthmakranke Angeklagte, der unter einer beginnenden organischen Persönlichkeitsstörung leidet, mit dem Tatopfer seit 1987 in zweiter Ehe verheiratet. Zwischen den Eheleuten war es immer wieder zu Streitigkeiten und massiven Auseinandersetzungen gekommen. Anlaß hierfür war der sehr häufige Wunsch des Angeklagten gewesen, mit seiner Ehefrau geschlechtlich zu verkehren. Dafür hatte diese ihm nach seiner Einstellung jederzeit zur Verfügung zu stehen. Infolgedessen hatte sich seine Frau bereits wiederholt zu einer Nachbarin geflüchtet und vorübergehend auch in einem Frauenhaus Unterkunft gefunden. Die Situation verschärfte sich schließlich aufgrund einer Blasenerkrankung der Ehefrau, die die Ausübung des ehelichen Verkehrs erschwerte und schließlich schmerzhaft machte. Sie litt zudem zur Tatzeit an einer Scheidenentzündung , nachdem ihr kurz zuvor ein Blasenkatheter entfernt worden war. Am Tattag bedrängte der Angeklagte seine Frau, die sich schließlich mit seinem Vorschlag einverstanden erklärte, sich unbekleidet auf das Bett zu legen und sich vom Angeklagten streicheln zu lassen. Dieser wollte sich dabei selbst befriedigen. Die Ausübung des Geschlechtsverkehrs wollte seine Frau - wie der Angeklagte wußte - auf keinen Fall. Während des weiteren Verlaufs faßte der sexuell erregte Angeklagte indessen den Entschluß, entgegen der getroffenen Absprache nun doch den Verkehr auszuüben. Er ignorierte die Aufforderung seiner Frau, dies zu unterlassen. Die Geschädigte begann sich zur Wehr zu setzen, indem sie versuchte, den Angeklagten wegzudrücken und ihm mit der rechten Hand gegen die Brust schlug. Es gelang ihr jedoch nicht, den auf ihr liegenden, körperlich überlegenen Angeklagten abzuwehren. Um ihren Wi-
derstand zu überwinden, hielt dieser sie an den Oberarmen fest und führte etwa 20 bis 30 Minuten den Geschlechtsverkehr durch. Dies war für das Opfer mit erheblichen Schmerzen verbunden. 2. Die nunmehr zuständige Strafkammer hat ergänzend u.a. festgestellt, daß der Angeklagte sich in dieser Sache etwa neun Monate in Untersuchungshaft befand und ihn seine Ehefrau nach der Haftentlassung wieder in die eheliche Wohnung aufgenommen hat. Die Eheleute haben auch wieder Intimkontakte. Der Angeklagte wünscht nach wie vor täglichen Geschlechtsverkehr mit der Geschädigten, obwohl er weiß, daß dies nicht deren Wunsch entspricht. Er ist jedoch unverändert der Auffassung, daß seine Ehefrau ihm täglich dazu bereitzustehen habe. Diese äußert zwar ihre Unlust hierüber, widersetzt sich jedoch dem Angeklagten nicht, sondern läßt den Geschlechtsverkehr über sich ergehen. Der Angeklagte hat sich deshalb bislang nicht wieder zur Anwendung von Gewalt gezwungen gesehen, um den von ihm gewünschten Geschlechtsverkehr durchzusetzen. Der Angeklagte leidet an beginnender Altersdemenz; infolgedessen vermag er nur ein geringes Maß an Selbstkontrolle aufzubringen, wenn er eine Diskrepanz zwischen seinen eigenen und den entgegenstehenden Wünschen anderer Personen aufkommen sieht. Das hat eine erhebliche Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit zur Folge. 3. Bei der Strafzumessung ist das Landgericht trotz Vorliegens des Regelbeispiels für den besonders schweren Fall nach § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB wegen zahlreicher Milderungsgründe vom Normalstrafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB ausgegangen, den es wegen der erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nochmals nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert hat. Die verhängte Freiheitsstrafe hat es nicht zur Bewährung ausgesetzt,
weil die Prognose für den Angeklagte nicht günstig sei. Dieser zeige auch jetzt keinerlei Verständnis für seine Frau, verlange vielmehr von ihr täglichen Geschlechtsverkehr , obwohl er genau wisse, daß dies nicht deren Wünschen entspreche , wenngleich sie sich hiergegen nicht zur Wehr setze. Deshalb sei die Kammer überzeugt, daß es zu einer neuerlichen Vergewaltigung käme, würde die Geschädigte sich dem Angeklagten verweigern; denn dieser verharre in der althergebrachten Anschauung, daß die Ehefrau dem Manne nach dessen Wunsch zum Geschlechtsverkehr zur Verfügung zu stehen habe. Aufgrund der schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen stehe fest, daß die beim Angeklagten vorliegende Altersdemenz weder medikamentös noch "psychoanalytisch" behandelt werden könne. Bei einem solchen Krankheitsbild kämen allenfalls noch "Lernprozesse" in Betracht. Mit seinem Nachtatverhalten habe der Angeklagte aber gerade gezeigt, daß ein solcher Lernprozeß bei ihm trotz neunmonatiger Untersuchungshaft nicht stattgefunden habe.

II.

Der allein noch zur Nachprüfung stehende Rechtsfolgenausspruch begegnet hinsichtlich der verhängten Freiheitsstrafe keinen rechtlichen Bedenken. Die Versagung der Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zur Bewährung kann hingegen von Rechts wegen nicht bestehen bleiben. 1. Die Revision meint, die Begründung des Landgerichts lasse eine Gesamtwürdigung zu der Frage vermissen, ob anstelle des Normalstrafrahmens (§ 177 Abs. 1 StGB) nicht ausnahmsweise sogar der Strafrahmen für den minder schweren Fall der sexuellen Nötigung zugrundezulegen sei (§ 177 Abs. 5 StGB). Damit zeigt sie einen Rechtsfehler nicht auf.
Die Anwendung des Strafrahmens für den minder schweren Fall trotz Vorliegens eines Regelbeispiels für den besonders schweren Fall der sexuellen Nötigung kann allenfalls dann in Betracht kommen, wenn schuldmindernde Umstände von ganz außergewöhnlichem Ausmaß gegeben sind (vgl. BGH NStZ 1999, 615; StV 2000, 306, 307; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 177 Rdn. 40). Dies hat das Landgericht nicht übersehen (vgl. UA S. 9), allerdings unter Hinweis auf eine vorgenommene Gesamtabwägung "aller genannten" Umstände hier verneint. Das genügte. 2. Die Begründung des Landgerichts zur Nichtaussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung leidet indessen an einem rechtlich erheblichen Erörterungsmangel. Zwar kommt dem Tatrichter für die Entscheidung über die Strafaussetzung ein weiter Bewertungsspielraum zu, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat (vgl. Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 56 Rdn. 9 i mit Rechtsprechungsnachweisen ). Hier aber ist die Würdigung des Landgerichts unvollständig und deshalb ermessensfehlerhaft; sie bezieht wesentliche, im Gesetz ausdrücklich abstrakt aufgeführte Gesichtspunkte nicht ein (§ 56 Abs. 1 Satz 2 StGB). Das gilt namentlich für die Frage, welche Wirkung für den Angeklagten von einer etwaigen Strafaussetzung ausginge; aber auch die Umstände der Tat und das Nachtatverhalten gegenüber der Ehefrau werden nicht umfassend in die Würdigung einbezogen. Die Strafkammer stellt darauf ab, daß der Angeklagte nach ihrer Überzeugung im Falle einer Gegenwehr der Ehefrau aufgrund seiner Einstellung und seiner verminderten Selbstbeherrschung wieder Gewalt zur Erzwingung des Geschlechtsverkehrs anwenden würde. Damit greift sie indessen zu kurz. Festgestellt ist, daß der Angeklagte jedenfalls nach seiner Entlassung aus der
Untersuchungshaft keine Gewalt mehr angewendet hat. Ob dies allein auf die duldende Haltung der Ehefrau zurückgeht oder möglicherweise die Hemmschwelle des Angeklagten vor dem Einsatz von Gewalt gegenüber seiner Frau durch das Erleben des Verfahrens und der Untersuchungshaft angehoben ist, hätte der Erörterung bedurft. Entscheidend ist insoweit nicht, daß der Angeklagte in seiner "althergebrachten Anschauung" verharrt, sondern ob er sich insoweit gleichwohl zu beherrschen und von gewaltsamer Durchsetzung seiner sexuellen Wünsche abzusehen vermag. Daß das nicht der Fall sein würde, versteht sich nicht von selbst. In diesem Zusammenhang wäre auch die Wirkung zu erwägen gewesen, die von einer Strafaussetzung auf den Angeklagten ausgeht, insbesondere ob er sich gerade durch den Druck eines gegebenenfalls zu gewärtigenden Widerrufs der Strafaussetzung in seinem Verhalten beeinflussen läßt. Dies ist im Zusammenhang mit den Umständen der begangenen Tat zu bewerten, bei der die Gewaltanwendung durch den Angeklagten erst nach einem zunächst einvernehmlichen sexuellen Kontakt und bei entsprechender Erregung des Angeklagten erfolgte. Diese Gesichtspunkte sind mit in Betracht zu ziehen bei der Prognose, welches Verhalten des Angeklagten zu erwarten wäre, wenn seine Ehefrau tatsächlich von vornherein den Geschlechtsverkehr ablehnen und sich entsprechend verhalten würde. Daß diese sich aus Furcht vor Gewalt auf den Geschlechtsverkehr einläßt, obgleich er nicht ihrem Wunsch entspricht, ist für die Bewertung ersichtlich wenig aussagekräftig. Es kommt darauf an, ob bei einer Ablehnung des sexuellen Kontakts durch die Ehefrau schon von vornherein der Angeklagte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Grenze zur strafbaren Nötigung nicht überschreiten würde.
Der Tatrichter wird deshalb über die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung erneut zu befinden haben und dabei namentlich auch die Wirkungen einer etwaigen Strafaussetzung auf das Verhalten des Angeklagten sowie den Umstand mitzuerwägen haben, daß die abgeurteilte Tat des Angeklagten im Zustand - zunächst einvernehmlich bewirkter - s exueller Erregung begangen wurde. Die insoweit zugrundeliegenden Feststellungen konnten bestehen bleiben , weil lediglich ein Wertungsfehler in Rede steht; ergänzende Feststellungen sind statthaft. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO). Schäfer Nack Wahl Schluckebier Schaal
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Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 4. Februar 2016 zur Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung ausgeführt: „a) Grundsätzlich gilt, dass - wie überhaupt bei der Rechtsfolgenbemes- sung - dem Tatrichter für die Entscheidung über die Strafaussetzung ein weiter Beurteilungsspielraum zuerkannt ist, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat (BGH, Urteil vom 13. Februar 2001, 1 StR 519/00 = NStZ 2001, 366). Hat das Gericht die für und gegen eine Aussetzung sprechenden Umstände gesehen und gewürdigt und ist - namentlich aufgrund seines in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks - zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens nicht größer ist als diejenige neuer Straftaten (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 1997, 2 StR 363/97 = NStZ 1997, 594), so ist dessen Entscheidung grundsätzlich auch dann hinzunehmen, wenn auch eine andere Bewertung denkbar gewesen wäre.
b) Erforderlich ist aber - wie der BGH in ständiger Rechtsprechung immer wieder betont hat (BGH, 1 StR 519/00, aaO; Beschluss vom 10. Januar 2007, 5 StR 542/06) -, dass das Gericht die für und gegen eine Aussetzung sprechenden Umstände vollständig erfasst und würdigt und dabei - was vorliegend angesichts der bisherigen Unbestraftheit von besonderer Bedeutung ist - auch und gerade die Wirkung einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe auf den Angeklagten in den Blick zu nehmen hat. Gerade weil die Kammer ihre negative Sozialprognose entscheidend auf die ungünstigen Lebensverhältnisse stützt, war es unabdingbar zu erörtern, ob eine Strafaussetzung zur Bewährung mit entsprechender Begleitung durch einen Bewährungshelfer und eventuelle weitere Weisungen (§ 56c StGB) nicht eine stabilisierende Wirkung auf das Leben des Angeklagten haben könnte. Da die Kammer dies nicht erkennbar berücksichtigt hat, ist ihre Würdigung unvollständig und deshalb ermessensfehlerhaft.
c) Zwar vermochte die Kammer auch keine ‚besonderen Umstände‘ im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB festzustellen. Es ist jedoch nicht ausge- schlossen, dass die Kammer auch insoweit ‚besondere Umstände‘ namentlich in der Person des Angeklagten festgestellt hätte, wenn sie die möglichen Auswirkungen einer unter strengen Auflagen zur Bewährung ausgesetzten Strafe bedacht hätte, zumal das Gericht seine negative Wertung insoweit ganz entscheidend auf die unveränderten Lebensumstände gestützt hat (UA S. 25). Es ist anerkannt, dass zu den nach § 56 Abs. 2 StGB zu berücksichtigenden Umständen auch solche gehören können, die schon für die Prognose nach Abs. 1 zu berücksichtigen waren (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2009, 2 StR 520/09 m.w.N.) und die Erwartung, der Angeklagte werde sich künftig straffrei führen, auch für die Beurteilung, ob ‚be- sondere Umstände‘ vorliegen, von Bedeutung ist (Senat, Beschluss vom 21. September 2006, 4 StR 323/06). Über eine eventuelle Aussetzung der verhängten Strafe zur Bewäh- rung ist daher neu zu befinden.“

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.