Bundesgerichtshof Urteil, 23. Mai 2013 - 4 StR 109/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels , die insoweit durch den Adhäsionsantrag entstandenen besonderen Kosten sowie die den jeweiligen Neben- und Adhäsionsklägern im Rechtsmittelverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten T. G. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten F. G. wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Das Gericht hat ferner Adhäsionsentscheidungen getroffen; unter anderem hat es die beiden Angeklagten und die nicht revidierende Mitangeklagte Y. als Gesamtschuldner verurteilt, an den Nebenkläger A. B. ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000 € zu zahlen.
- 2
- Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben keinen Erfolg.
I.
- 3
- Nach den Feststellungen des Landgerichts entschlossen sich die Angeklagten und die Mitangeklagte Y. , den Nebenkläger A. B. tät- lich anzugreifen. Er sollte für seine „ursprüngliche Absicht“,dem Angeklagten F. G. , der kurz zuvor einen Verwandten B. s (Nebenkläger Y. K. ) durch Schläge erheblich verletzt hatte, „etwas zu tun“, im Nachhinein bestraft werden. Die Angreifer liefen hinter dem Nebenkläger her, der sich auf dem Heimweg befand und einen Holzstock zu Verteidigungszwecken bei sich trug, und stellten ihn vor der Front eines Hauses. Die beiden Angeklagten entrissen ihm zunächst trotz Gegenwehr den Schlagstock, wobei der Angeklagte F. G. bei dem Gerangel einen Stockschlag auf den Hinterkopf erhielt. Der Nebenkläger wurde sodann gegen die Hauswand gedrückt und der Angeklagte T. G. versetzte ihm nunmehr mindestens zwei wuchtige Messerstiche in den Oberkörper, wobei ihm bewusst oder mindestens gleichgültig war, dass das Opfer zu Tode kommen könnte. Dabei fügte sich der Angeklagte – entweder auf Grund einer Abwehrbewegung des Geschädigten oder infolge zu großen Schwungs beim Zustechen – selbst eine etwa 2 cm tiefe Stichwunde am rechten Oberschenkel zu. Der Nebenkläger, der schwere innere Verletzungen erlitt, ging zu Boden. Die drei Angreifer versetzten ihm daraufhin Tritte gegen den Oberkörper und den Kopf. Schließlich ließen sie von ihrem Opfer ab und entfernten sich.
- 4
- In der Hauptverhandlung vor dem Landgericht hat sich der Angeklagte F. G. dahin eingelassen, der Nebenkläger und drei oder vier weitere Personen seien auf ihn zugekommen. Ihm sei mit einem Knüppel auf den Kopf geschlagen worden. Auf Grund von Schlägen und Tritten habe er schließlich das Bewusstsein verloren.
- 5
- Der Angeklagte T. G. hat angegeben, er sei angegriffen und mit einem Messer am Bein verletzt worden. Er habe das auf den Boden gefallene Messer aufgehoben und, „als der andere auf ihn zugekommen sei, ein- bis zweimal in seine Richtung geschwungen“ (UA S. 35). Er habe den Mann nicht verletzen wollen.
- 6
- Im Verlauf der Beweisaufnahme haben die Angeklagten F. und T. G. den im Adhäsionsverfahren geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch des Nebenklägers A. B. dem Grunde nach anerkannt. Beide Angeklagten haben sich bei dem Geschädigten entschuldigt.
- 7
- Das Landgericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, dass zwischen den Familien der Angeklagten und des Nebenklägers weiterhin ein wechselseitiges Vergeltungsbedürfnis bestehe und es „vor dem Gericht“ zu verbalen Auseinandersetzungen und dem Ansatz von Handgreiflichkeiten gekommen sei (UA S. 43).
II.
- 8
- Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet.
- 9
- 1. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der An- geklagten ergeben. Insbesondere begegnet die Nichterörterung des § 46a Nr. 1 StGB keinen rechtlichen Bedenken.
- 10
- a) Das Landgericht hat bei der Bemessung der Strafe zu Gunsten der Angeklagten berücksichtigt, dass sie sich ausdrücklich bei dem Nebenkläger entschuldigt, den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch dem Grunde nach anerkannt und in ihrem letzten Wort ihr Bedauern über die Tat zum Ausdruck gebracht haben. Dass das Landgericht von der weiter gehenden Prüfung abgesehen hat, ob aus diesen Gründen der anzuwendende Strafrahmen nach § 46a Nr. 1 StGB zu mildern ist, stellt keinen Rechtsfehler dar, denn die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen ersichtlich nicht vor.
- 11
- b) Die Bestimmung des § 46a Nr. 1 StGB verlangt, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil“ wiedergutgemacht hat, wobei es aber auch aus- reichend sein kann, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Das Bemühen des Täters setzt grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Aus- gleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt und „Ausdruck der Übernahme von Verantwortung“sein muss (BGH, Urteile vom 19. Dezember 2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 139, 141; vom 12. Januar 2012 – 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439; vom 8. August 2012 – 2 StR 526/11, NStZ 2013, 33, 34). Daran fehlt es hier. Denn die Angeklagten haben die ihnen zur Last gelegte gravierende Gewalttat als Verteidigungshandlung gegen einen rechtswidrigen Angriff des Tatopfers hingestellt und somit schon die Opfer-Rolle des Geschädigten bestritten. Eine Übernahme von Verantwortung kann hierin nicht gesehen werden (BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 – 2 StR 217/08, NStZ-RR 2008, 304; Urteil vom 10. Februar 2010 – 2 StR 391/09, NStZ-RR 2010, 175; Urteil vom 25. Februar 2010 – 4 StR 575/09, NStZ-RR 2010, 176).
- 12
- Die Urteilsgründe belegen darüber hinaus, dass ein kommunikativer „friedensstiftender“ Prozess zwischen den Angeklagten und dem Nebenkläger nicht einmal ansatzweise stattgefunden hat. Die Angeklagten haben hinsichtlich des geltend gemachten Schmerzensgeldanspruchs lediglich ein prozessuales Anerkenntnis „dem Grunde nach“ gegenüber dem Gericht erklärt. Vom Neben- kläger als friedensstiftenden Ausgleich akzeptierte Leistungen haben sie nicht erbracht (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Januar 2012 – 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439, 440). Angesichts der Schwere der begangenen Tat und der erheblichen Verletzungsfolgen bei dem Nebenkläger war eine bloße Entschuldigung völlig unzureichend, zumal weiterhin erhebliche Spannungen zwischen den Familien der Angeklagten und dem Tatopfer bestehen (vgl. BGH, Urteile vom 28. Februar 2013 – 4 StR 430/12, Rn. 14, und vom 27. März 2013 – 2 StR 384/12, Rn. 10).
- 13
- 2. Ob die Adhäsionsentscheidung des Landgerichts im Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit (§ 406 Abs. 3 Satz 2 StPO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO) einen Rechtsfehler aufweist, kann dahinstehen. Da die Rechtsmittel der Angeklagten keinen Erfolg haben, ist das Urteil des Landgerichts rechtskräftig und damit endgültig vollstreckbar (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 708 Rn. 1).
Franke Reiter
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Annotations
Hat der Täter
- 1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder - 2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.
(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.
(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.
(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.
(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.