Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juli 2018 - 5 StR 547/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:180718U5STR547.17.0
bei uns veröffentlicht am18.07.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 547/17
vom
18. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:180718U5STR547.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Juli 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Dr. Berger, Köhler
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin als Gruppenleiterin
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 11. Juli 2017 hinsichtlich der Tat II.1.6 der Urteilsgründe sowie der Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das genannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen, ausgenommen denjenigen zu den Verkaufsakten hinsichtlich der Taten II.1.1 bis 5 der Urteilsgründe, aufgehoben.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen unerlaubten Handeltrei-
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bens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen, davon in einem Fall mit Betäu- bungsmitteln in nicht geringer Menge“, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt; darüber hinaus hat es Einziehungsent- scheidungen getroffen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Der Angeklagte beanstandet zudem das Verfahren. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat überwiegend, die vom Generalbundesanwalt vertretene , auf die Tat 6 beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft insgesamt Erfolg.

I.


1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getrof2 fen:
Der Angeklagte nutzte zwischen Mai 2015 und dem 12. August 2015 ein
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vom Zeugen S. angemietetes Ein-Zimmer-Appartement im Hochparterre eines Mehrparteienhauses zum gewinnbringenden Verkauf von Betäubungsmitteln. Zu der Wohnung hatte auch der gesondert verfolgte J. Zugang, der ebenfalls von dort aus Betäubungsmittel – jedenfalls Haschisch und Marihuana – veräußerte. Das nur mit zwei Sofas und einem Tisch möblierte Appartement diente keinen Wohnzwecken, sondern ausschließlich der Abwicklung von Betäubungsmittelgeschäften.
In den Fällen 1 und 2 verkaufte der Angeklagte dem gesondert verfolgten
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K. zwischen Anfang Mai 2015 und Mitte Juni 2015 jeweils ein Gramm Marihuana zum Preis von je 10 Euro. Die Geschäfte wurden an der Wohnungstür des Appartements abgewickelt, indem der Käufer bei dem die Tür nur einen Spalt breit öffnenden Angeklagten einen „Zehner“ bestellte und der Angeklagte daraufhin gegen Aushändigung von 10 Euro eine bereits abgepackte Konsumeinheit von einem Gramm Marihuana übergab.
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In den Fällen 3 bis 5 verkaufte der Angeklagte dem gesondert verfolgten Ö. „zwischen Anfang und Mitte August 2015“ jeweils ein Gramm Marihuana zum Preis von je 10 Euro. Diese Verkäufe erfolgten in der Wohnung, da er dem Angeklagten persönlich bekannt war.
Am 12. August 2015 wurde in dem Appartement eine Durchsuchung
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durchgeführt. Gegen 20:15 Uhr hatte sich die Zeugin Si. , die ihren Namen zunächst nicht nannte, telefonisch an die Polizei gewandt und mitgeteilt, dass sie in dem von ihr bewohnten Haus Beobachtungen gemacht habe, die auf einen dort betriebenen Drogenhandel hindeuteten. Daraufhin begaben sich Beamte der örtlichen Polizeiinspektion zu dem Haus, machten die ZeuginSi. als Bewohnerin einer Wohnung im Kellergeschoss ausfindig und befragten sie zum Sachverhalt. Die Zeugin teilte mit, dass eine Wohnung im Erdgeschoss vermehrt von Personen aufgesucht werde, die sich dort regelmäßig nur wenige Minuten aufhielten und aus der starker Marihuanageruch dringe. Als sich die Polizeibeamten der von der Zeugin bezeichneten Wohnung näherten, nahmen sie ebenfalls starken Marihuanageruch und die Stimmen mehrerer Personen wahr. Da sie aufgrund dessen und der Angaben der Zeugin Si. davon ausgingen , dass in der Wohnung mit Betäubungsmitteln Handel getrieben werde, beschlossen sie, diese wegen drohenden Beweismittelverlustes umgehend zu durchsuchen. Auf ihr Klopfen öffnete der Angeklagte die Tür einen Spalt breit und entgegnete in dem Bemühen, die Wohnungstür sofort wieder zu schließen, auf die Frage der Beamten, ob sie die Wohnung betreten dürften, dass dies „gerade schlecht sei“. Nachdem sich die Polizeibeamtendurch einen kräftigen Stoß gegen die Tür und das Einstellen eines Fußes in den Türrahmen Zutritt zur Wohnung verschafft hatten, ergab eine erste Umschau, dass kleine Griptütchen mit Marihuana auf dem Couchtisch, den beiden Sitzgelegenheiten und auf dem Fußboden verstreut lagen. Außerdem befand sich auf dem Tisch und auf dem Fußboden jeweils eine Feinwaage. Neben Letzterer waren zwei Plastiktüten mit offensichtlich größeren Mengen Marihuana erkennbar. Daraufhin wurden gegen 20:45 Uhr Beamte des Kriminaldauerdienstes sowie des Rauschgiftdezernats hinzugezogen, die an der weiteren Durchsuchung mitwirkten.
Der Angeklagte hielt sich zum Durchsuchungszeitpunkt in der Wohnung
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mit den Zeugen Ö. und B. auf. In dem Appartement befanden sich insgesamt 250,49 Gramm Marihuanablüten mit einem Wirkstoffgehalt von 14,4 Prozent , 107,5 Gramm Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 3,19 Prozent sowie 30,17 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 85,9 Prozent (Fall 6), die „zum gewinnbringenden Absatz durch den Angeklagten bestimmt“ waren. Außerdem wurden insgesamt fünf Feinwaagen und „diverse Verpackungsmate- rialien (größere Kunststofftüten und Aluminiumfolien mit Marihuanaanhaftun- gen, zahlreiche Griptütchen, ein schwarzer Metallkoffer)“ aufgefunden und ebenso wie 550 Euro in „szenetypischer Stückelung“ sichergestellt. Ferner war ein Baseballschläger aus Holz rechts neben der Wohnungstür abgestellt. Feststellungen zu den Eigentums- und Besitzverhältnissen und zu den Umständen der Platzierung des Baseballschlägers in der Wohnung vermochte die Strafkammer nicht zu treffen.
2. Die Strafkammer hat beweiswürdigend ausgeführt, „keinen Zweifel da-
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ran“ zu haben, „dass es sich bei den aufgefundenen Betäubungsmitteln um ei- nen Vorrat handelt, den der Angeklagte zum gewinnbringenden Verkauf vorrätig gehalten“ habe. Wie sich aus den Aussagen verschiedener Zeugen ergebe, habe der Angeklagte „möglicherweise zusammen oder zumindest parallel mit dem gesondert Verfolgten J. “ (UA S. 20) jedenfalls seit Mai 2015 aus der Wohnung heraus regelmäßig Betäubungsmittel an Endabnehmer veräußert.
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An einer Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG hat sich das Landgericht gehindert gesehen, da nicht hinreichend sicher festzustellen gewesen sei, dass der in der Wohnung vorhandene hölzerne Baseballschläger „mit dem Betäubungsmittelhandel des Angeklagten dergestalt in Verbindung“ stehe, dass „dieser ihn zum Einsatz gegen Personen bestimmt“ habe (UA S. 22). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei offengeblieben, wem der Schläger gehöre und wie und wann er in die Wohnung und an den konkreten Aufbewahrungsort gelangt sei. Möglicherweise sei er durch einen der zahlreichen Besucher oder von einem der häufig wechselnden Vormieter zurückgelassen worden. Die bloße Kenntnis des Angeklagten von dessen Vorhandensein , auf die aus der offenen Aufbewahrung geschlossen werden könne, genüge nicht für die Annahme einer Zweckbestimmung zu Angriffs- und/oder Verteidigungszwecken, zumal es sich bei einem Baseballschläger originär um ein Sportgerät handele.

II.


Das Rechtsmittel des Angeklagten hat mit der Sachrüge weitgehend Er10 folg; im Übrigen ist es unbegründet.
1. Soweit der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
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in sechs Fällen – im Fall 6 in nicht geringer Menge – verurteilt worden ist, begegnet die Annahme von sechs rechtlich selbständigen Handlungen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sind nach ständiger Recht12 sprechung des Bundesgerichtshofs sämtliche Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in einem Akt erworbenen Betäubungsmittel beziehen, als
eine Tat in Bezug auf die Gesamtmenge anzusehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. September 2012 – 4 StR 345/12, NStZ-RR 2013, 46; vom 29. November 1996 – 4 StR 561/96, NStZ 1997, 192, 193; vom 27. Mai 1997 – 4StR 194/97, StV 1997, 471). Die Beurteilung, ob selbständige Rauschgiftgeschäfte zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen sind, ist zwar in erster Linie Sache des Tatgerichts, dessen Wertung vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler hin zu überprüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 1997 – 3 StR 586/96; Beschluss vom 10. April 1997 – 4 StR 138/97, StV 1997, 470). Dabei ist es nicht geboten, festgestellte Einzelverkäufe zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen, nur weil die nicht näher konkretisierte Möglichkeit besteht, dass sie ganz oder teilweise aus einem Verkaufsvorrat stammen (BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2012 – 4 StR 67/12, NStZ-RR 2012, 279, 280; vom 27. Mai 1997 – 4 StR 194/97, aaO). Liegen aber nach den Feststellungen konkrete Anhaltspunkte für eine Bewertungseinheit vor, darf das Tatgericht darüber ohne Erörterung nicht hinweggehen (BGH, Beschluss vom 9. Mai 2012 – 4 StR 67/12, aaO; Urteil vom 24. Juli 1997 – 4 StR 222/97).

b) So verhält es sich hier. Denn das Landgericht hat bei der im Urteil
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nicht erörterten Frage der konkurrenzrechtlichen Beurteilung der Taten ersichtlich allein auf die festgestellten Verkaufsakte abgestellt und Umstände außer Betracht gelassen, die darauf hinweisen, dass diese sich auf den Vertrieb einer Gesamtmenge beziehen.
Dies gilt zunächst für die Taten 3 bis 6. Denn diese Verkäufe von jeweils
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einem Gramm Marihuana fanden zu nicht näher feststellbaren Zeitpunkten zwischen Anfang August und der Durchsuchung am 12. August 2015 statt, nicht ausschließbar also in enger zeitlicher Abfolge kurz vor der Durchsuchung. Angesichts der in der Wohnung sichergestellten Marihuanamengen hätte die Strafkammer in Betracht ziehen müssen, dass die in den Fällen 3 bis 5 erfolgten Verkäufe aus einem Vorrat herrührten, dessen Rest schließlich sichergestellt wurde. Hierauf deuten auch die typischerweise für die Portionierung verwendeten , bei der Durchsuchung ebenfalls sichergestellten Feinwaagen sowie das Verpackungsmaterial hin. Auch das beim Angeklagten aufgefundene Bar- geld in „szenetypischer Stückelung“ spricht dafür, dass der Angeklagte im Zeit- raum vor der Durchsuchung mehrfach kleine Konsumeinheiten – naheliegend nicht aus einzelnen Ankäufen, sondern aus einer größeren Menge – veräußert hat.
Auch in den Fällen 1 und 2 veräußerte der Angeklagte jeweils ein
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Gramm Marihuana, wobei die genauen Tatzeitpunkte im Zeitraum zwischen Anfang Mai und Mitte Juni 2015 nicht feststellbar waren. Bei nicht ausschließbar in kurzem zeitlichem Abstand aufeinanderfolgenden Betäubungsmittelgeschäften läge auch insoweit die Annahme einer Bewertungseinheit aufgrund einer einheitlichen Einkaufsmenge nahe.

c) Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Schuldsprüche und der Ein16 zelstrafen hinsichtlich der Taten 1 bis 5 und entzieht der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten die Grundlage. Der Aufhebung der Feststellungen zu den Verkaufsakten hinsichtlich dieser Taten bedarf es nicht; sie wurden rechtsfehlerfrei getroffen. Ergänzende Feststellungen, etwa hinsichtlich der Tatzeiten, sind möglich, sofern sie den nicht aufgehobenen Feststellungen nicht widersprechen.
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäu17 bungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall 6 hält rechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.
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a) Zwar muss das Revisionsgericht die Überzeugung des Tatgerichts vom Vorliegen eines Sachverhalts grundsätzlich hinnehmen. Zu prüfen ist aber, ob die tatrichterliche Überzeugung in den Feststellungen und in den sie tragenden Beweiserwägungen eine ausreichende Grundlage findet. Deshalb müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen , verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruhen und die vom Tatgericht gezogenen Schlussfolgerungen nicht nur eine Vermutung darstellen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 2015 – 2 StR 29/15, StV 2015, 740; vom 22. August 2013 – 1 StR 378/13, StV 2014, 610; vom 12. Dezember 2001 – 5 StR 520/01, StV 2002, 235).

b) Ausgehend hiervon hat das Landgericht seine Überzeugung, dass es
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sich bei allen in der Wohnung aufgefundenen Betäubungsmitteln um einen Vorrat des Angeklagten handelte, nicht tragfähig begründet.
Nach den Feststellungen der Strafkammer nutzten sowohl J. als
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auch der Angeklagte die durch einen Dritten angemietete Wohnung im Tatzeitraum (ausschließlich) zur Abwicklung von Betäubungsmittelgeschäften. Hierbei handelte der Angeklagte „möglicherweise zusammen oder zumindest parallel mit dem gesondert verfolgten J. “ (UA S. 20). Mit dieser einerseits für Mittä- terschaft an den gesamten Betäubungsmitteln, andererseits für eine neben der des J. angenommenen Alleintäterschaft des Angeklagten sprechenden Bewertung des Beweisergebnisses durch das Landgericht steht dessen Annahme , bei den in der Wohnung befindlichen Betäubungsmitteln habe es sich insgesamt um einen Vorrat des Angeklagten gehandelt, aber nur bei dessen Allein- oder Mittäterschaft in Einklang. Die Überzeugung, dass der Angeklagte allein- oder mittäterschaftlich mit J. handelte und damit der gesamte in der Wohnung aufgefundene Vorrat jedenfalls nach § 25 Abs. 2 StGB dem Ange- klagten zuzurechnen wäre, hat sich die Strafkammer aber – wie obige Ausführungen belegen – gerade nicht gebildet. Auch die Darlegungen im Urteil zur rechtlichen Würdigung des Verhaltens des Angeklagten erörtern die Frage der Täterschaft nicht. Dem Senat ist eine solche Bewertung - mag sie im Ergebnis auch nicht fernliegen – verwehrt, zumal sich aus dem Urteil außer der Auffindesituation keine Hinweise darauf ergeben, dass der Angeklagte auch in den Handel mit (dem sichergestellten) Kokain verstrickt war, den das Landgericht ihm aber ebenfalls anlastet.
3. Die durch die Strafkammer getroffene Verfall- und Einziehungsent21 scheidung erweist sich ebenfalls als rechtsfehlerhaft.
Soweit das Landgericht gegen den Angeklagten den erweiterten Verfall
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in Höhe von 550 Euro gemäß §§ 73, 73d StGB aF angeordnet hat, hat es unberücksichtigt gelassen, dass seit ihrem Inkrafttreten am 1. Juli 2017 die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) unter Berücksichtigung von Art. 316h EGStGB maßgebend sind.
Zudem begegnet die Einziehungsentscheidung durchgreifenden rechtli23 chen Bedenken. Denn das Landgericht hat die im Tenor unter III. Satz 2 genannten einzuziehenden Gegenstände nicht ausreichend konkret bezeichnet. Nach ständiger Rechtsprechung müssen diese aber im Urteilstenor so genau angegeben werden, dass bei allen Beteiligten und den Vollstreckungsorganen Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. November 2016 – 1 StR 453/16, NStZ 2017, 88; vom 10. Mai 2017 – 2 StR 117/17; vom 20. Juni 2007 – 1 StR 251/07, wistra 2007, 427, 428). Die- sen Anforderungen wird die Einziehungsentscheidung nicht gerecht.
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4. Auf die vom Angeklagten erhobene, auf eine Verletzung des § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO gestützte Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte sich gegen die Verwertung von Beweismitteln wendet, die im Zusammenhang mit der polizeilichen Durchsuchung der Wohnung am 12. August 2015 erlangt wurden (Tat 6), kommt es angesichts der zu dieser Tat erfolgreichen Sachrüge des Angeklagten nicht an.
Der Senat verweist insofern jedoch darauf, dass die Annahme von Ge25 fahr im Verzug angesichts der Urteilsausführungen und der von der Revision vorgetragenen Umstände auf der Hand liegt. Entgegen der Auffassung der Revision liegt auch keine relevante Zäsur darin, dass nach dem Betreten der Wohnung durch Beamte der örtlichen Polizeiinspektion weitere Beamte des Kriminaldauerdienstes und des Rauschgiftdezernats zugezogen wurden, die die Durchsuchungsmaßnahme fortsetzten. Die Beamten waren nicht verpflichtet, hinsichtlich einer rechtmäßig auf Gefahr in Verzug gestützten und noch laufenden Durchsuchung eine richterliche Genehmigung zu erwirken (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2017 – 2 StR 23/16, NStZ 2017, 713).

III.


Die Revision der Staatsanwaltschaft ist rechtswirksam auf den Schuld26 und Strafausspruch zu Fall 6 der Urteilsgründe beschränkt. Sie hat Erfolg, womit der Einziehungsentscheidung auch auf das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft die Grundlage entzogen wird. Denn die Beweiswürdigung erweist sich, soweit das Landgericht eine Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG
verneint hat, auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186; vom 13. Juli 2016 – 1 StR 128/16, NStZ 2016, 670, 671; vom 22. November 2016 – 1 StR 194/16) als rechtsfehlerhaft.
1. Das Tatgericht ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsa27 chen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen , wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Dabei muss sich aus den Urteilsgründen auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 12. September 2001 – 2 StR 172/01, NStZ 2002, 48; vom 30. März 2004 – 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238, 239 mwN).
2. Diesen Anforderungen wird das angegriffene Urteil nicht gerecht.
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a) Eine Bestrafung gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt voraus, dass
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der Täter bei der Tat eine Schusswaffe oder einen Gegenstand mit sich führt, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist. Diese Zweckbestimmung, die von dem Bewusstsein, den Gegenstand gebrauchsbereit mit sich zu führen, zu unterscheiden ist, braucht nicht im Hinblick auf die konkret beabsichtigte Straftat getroffen worden zu sein, da § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG insoweit keine Verwendungsabsicht erfordert. Ausreichend ist vielmehr , dass die Zweckbestimmung zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Tatbegehung erfolgt ist (BGH, Beschlüsse vom 25. Mai 2010 – 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98, 99; vom 9. Oktober 1997 – 3 StR 465/97, BGHSt 43, 266, 270; SostScheible , NStZ 1997, 396).
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Vielfach ergibt sich die Zweckbestimmung ohne weiteres aus den äußeren Umständen; hierzu kann die Beschaffenheit des Gegenstandes ebenso zählen wie seine sonstigen Verwendungsmöglichkeiten oder der Ort seiner Aufbewahrung (BGH, Beschluss vom 25. Mai 2010 – 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98, 99). Kommt bei einem Gebrauchsgegenstand die konkrete Möglichkeit in Betracht, dass ihn der Täter aus anderen Gründen mit sich führt, so ist die Annahme zu begründen, er habe ihn zur Verletzung von Menschen bestimmt (BGH, Beschlüsse vom 25. Mai 2010 – 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98, 99; vom 8. Januar 2014 – 5 StR 542/13, NStZ 2014, 466, 467). Fehlt dagegen nach den Umständen des Falles ein nachvollziehbarer Grund dafür, dass der Täter einen objektiv gefährlichen Gegenstand griffbereit mit sich führt, liegt die Annahme einer Zweckbestimmung im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG regelmäßig nahe (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Mai 2010 – 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98, 99).

b) Dies ist hier der Fall.
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Das Landgericht hat – im Ausgangspunkt zutreffend – darauf hingewie32 sen, dass es sich bei dem Baseballschläger originär um ein Sportgerät und damit um einen Gebrauchsgegenstand handelt. Im Rahmen der weiteren Würdigung hat es den konkreten Aufbewahrungsort des Schlägers jedoch nicht in die Gesamtabwägung zur Zweckbestimmung einbezogen. Danach lag die Möglichkeit nicht nahe, dass der Baseballschläger aus anderen Gründen als zum Einsatz bei den – in der Regel nur an der Wohnungstür – abgewickelten Betäubungsmittelgeschäften dort griffbereit abgestellt war. Denn nach den Feststellungen diente das spärlich möblierte Appartement nicht dem Wohnen und der damit regelmäßig verbundenen Aufbewahrung von persönlichen Gebrauchsgegenständen , sondern ausschließlich dem Handel mit Betäubungsmitteln.
Bedenklich ist ferner, dass die Strafkammer das Eigentum an dem Base33 ballschläger (vgl. dazu BGH, Urteil vom 8. Dezember 2016 – 4 StR 246/16) und die Frage, wie und wann er zurückgelassen wurde, in den Vordergrund ihrer Erwägungen stellt. Womöglich hat sie dabei verkannt, dass § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG schon dann erfüllt ist, wenn die Waffe bzw. der Gegenstand lediglich bei einem Teilakt des Handeltreibens – hier etwa bei Verkaufsgesprächen mit dem bei der Durchsuchung anwesenden Ö. , dessen Besuch nach seiner von der Strafkammer als glaubhaft erachteten polizeilichen Aussage dem Ankauf von Marihuana diente – mitgeführt wurde (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 5. April 2016 – 1 StR 38/16).
Mutzbauer Schneider König
Berger Köhler

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafgesetzbuch - StGB | § 73 Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern


(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an. (2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einzieh

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande han

Strafgesetzbuch - StGB | § 73d Bestimmung des Wertes des Erlangten; Schätzung


(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden is

Strafprozeßordnung - StPO | § 105 Verfahren bei der Durchsuchung


(1) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 ordnet der Richter

Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch - StGBEG | Art 316h Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung


Wird über die Anordnung der Einziehung des Tatertrages oder des Wertes des Tatertrages wegen einer Tat, die vor dem 1. Juli 2017 begangen worden ist, nach diesem Zeitpunkt entschieden, sind abweichend von § 2 Absatz 5 des Strafgesetzbuches die §§ 73

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Referenzen

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 345/12
vom
26. September 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu Ziff. 1. unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
zu Ziff. 2. unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 26. September 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten D. wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 3. Mai 2012, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen. 3. Die Revision des Angeklagten B. gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. Der Angeklagte B. hat die Kosten seinesRechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen und wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten, den Angeklagten D. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 17 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verur- teilt. Ferner hat es bezüglich des Angeklagten B. den Verfall von Wertersatz in Höhe eines Betrages von 41.450 €, bezüglich des Angeklagten D. in Höhe eines Betrages von 2.010 € angeordnet. Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Während die Revision des Angeklagten B. keinen Erfolg hat, führt das Rechtsmittel des Angeklagten D. zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

I.


2
Die Revision des Angeklagten B. ist unbegründet. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

II.


3
Hingegen hat das Rechtsmittel des Angeklagten D. Erfolg. Die Annahme des Landgerichts von 17 Bewertungseinheiten mittäterschaftlich begangenen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 29 Abs. 1, 3 Nr. 1 BtMG hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine einheitliche Tat des unerlaubten Handeltreibens anzunehmen, wenn ein und derselbe Güterumsatz Gegenstand der strafrechtlichen Bewertung ist (BGH, Beschluss vom 7. Januar 1981 – 2 StR 618/80, BGHSt 30, 28, 31; Senatsurteil vom 23. März 1995 – 4 StR 746/94, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 4; BGH, Beschluss vom 5. März 2002 – 3 StR 491/01, NJW 2002, 1810). Alle Be- tätigungen, die sich auf den Vertrieb desselben, in einem Akt erworbenen Betäubungsmittels richten, sind als eine Tat des unerlaubten Handeltreibens anzusehen, weil der Erwerb und der Besitz von Betäubungsmitteln, die zum Zwecke gewinnbringender Weiterveräußerung bereitgehalten werden, bereits den Tatbestand des Handeltreibens in Bezug auf die Gesamtmenge erfüllen (BGH, jeweils aaO).
5
2. Gemessen daran hat die Strafkammer zwar, im Ansatz zutreffend, die Bildung von Bewertungseinheiten für die vom Angeklagten durchgeführten Einzelverkäufe in Betracht gezogen, soweit die gehandelten Betäubungsmittel einer einheitlichen, größeren Erwerbsmenge entstammten; die Bildung von 17 Bewertungseinheiten beruht indes auf widersprüchlichen und damit rechtsfehlerhaften Erwägungen.
6
a) Das Landgericht hat seine Feststellungen zu den von dem Angeklagten D. durchgeführten Einzelverkäufen auf dessen "vollumfängliche geständige Einlassung" gestützt. Danach erhielt der Angeklagte von dem Mitangeklagten B. jeweils eine Gesamtmenge von bis zu 50 Bubbles in Größen von 0,1 bis 0,3 Gramm Kokain zum gewinnbringenden Weiterverkauf und wurde für diese Tätigkeit von B. mit 50 bis 60 € pro Tag entlohnt. Eine neue, ähnlich große Teilmenge Kokain erhielt der Angeklagte erst, wenn er die zuvor in Empfang genommene Menge verkauft hatte. Im Regelfall suchte D. den B. zu diesem Zweck täglich auf, die einer Teilmenge zugehörigen Bubbles reichten indes in einigen Fällen auch mehrere Tage aus, weshalb der Angeklagte in seiner Wohnung ein Lager mit einem kleinen Kokainvorrat unterhielt. Dementsprechend trafen sich die beiden Angeklagten zwar in der Regel täglich, mitunter aber auch erst nach zwei bis drei Tagen, um die Verkäufe abzurechnen. Bei der rechtlichen Würdigung ist die Strafkammer hingegen für den Tatzeitraum vom 11. bis zum 27. September 2011 von insgesamt 17, jeweils an einem Tag verkauften Teilmengen ausgegangen. Der Angeklagte D. sei nach seiner eigenen geständigen Einlassung jeweils an vielen Tagen "vollständig ausverkauft" gewesen. Die Bildung mehrere Tage umfassender Bewertungseinheiten sei nicht in Betracht gekommen, da keine Feststellungen zu den Zeitpunkten und dem Umfang der Betäubungsmittel-Auffüllungen mit kleinen Mengen über einen längeren Zeitraum hinaus hätten getroffen werden können, die eine sichere Grundlage für die Bildung von anderen Handlungsabschnitten hätten ergeben können (UA 52).
7
b) Mit dieser Begründung durfte das Landgericht die Bildung von Bewertungseinheiten , welche die Verkäufe des Angeklagten an mehr als einem Tag umfassten, nicht ablehnen. Zwar gebietet es der Zweifelssatz nicht, von einer Tat im Sinne einer Bewertungseinheit auszugehen, wenn lediglich eine nicht näher konkretisierte Möglichkeit besteht, dass mehrere veräußerte Kleinmengen aus einer einheitlich erworbenen Gesamtmenge herrühren; auch eine willkürliche Zusammenfassung kommt nicht in Betracht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 5. März 2002 aaO). Vor dem Hintergrund der ausdrücklich als glaubhaft bewerteten geständigen Einlassung des Angeklagten D. , die das Landgericht seinen Feststellungen in vollem Umfang zugrunde gelegt hat, bestanden im vorliegenden Fall jedoch konkrete Anhaltspunkte, die Anlass boten, der Frage nachzugehen, ob in einigen der festgestellten Fälle das vom Angeklagten an mehreren Tagen gewinnbringend weiterveräußerte Kokain aus einer vom Mitangeklagten B. angelieferten Gesamtmenge stammte. Lassen sich, wie die Urteilsgründe im vorliegenden Fall nahe legen, insoweit genauere Feststellungen mit angemessenem Aufklärungsaufwand nicht treffen, hat der Tatrichter nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine an den Umständen des Falles orientierte Schätzung vorzunehmen. Die von der Recht- sprechung insoweit für die vergleichbare Konstellation von Serientaten entwickelten Grundsätze müssen auch bei der hier gegebenen Situation Anwendung finden, bei der der Gesamtschuldumfang durch die Zahl und die jeweilige Menge der Einzelverkäufe innerhalb eines bestimmten Zeitraums feststeht, ferner konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Einzelverkäufe jeweils größeren Einkaufsmengen entstammen und deshalb aus Rechtsgründen zu Bewertungseinheiten zusammengefasst werden müssen, die genaue Zuordnung bestimmter Verkäufe zu bestimmten Erwerbsmengen jedoch Schwierigkeiten bereitet (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 5. März 2002 aaO mwN). Die vom Landgericht in diesem Zusammenhang in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 24. März 1999 – 3 StR 636/98, NStZRR 1999, 218) besagt nichts anderes: Im damaligen Fall war der Tatrichter jedoch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Angeklagte jeweils täglich nur die Mengen verkaufte, die er auf Grund einer vorherigen Absprache mit seinem Mittäter von diesem als Gesamtmenge zum Zwecke des Weiterverkaufs an diesem Tag erhalten hatte. So liegt der Fall jedoch hier, wie ausgeführt, gerade nicht.
8
3. Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei Annahme einer geringeren Zahl von Bewertungseinheiten eine niedrigere Gesamtstrafe verhängt worden wäre.

III.


9
Der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter wird nicht nur die erforderliche Schätzung vor dem Hintergrund der geständigen Angaben des Angeklagten vornehmen, sondern auch über die Frage der Anordnung von Wertersatzverfall neu befinden müssen.
Mutzbauer Cierniak Franke
Quentin Reiter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 67/12
vom
9. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 9. Mai 2012 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 3. November 2011 mit den Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen II. 96, II. 98 bis II. 100 der Urteilsgründe,
b) in den Fällen II. 101 bis II. 130 der Urteilsgründe in den Aussprüchen über die Einzelstrafen und
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 6.239,50 Euro. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 130 Fällen und wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz durch unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Schusswaffe nebst Munition und verbotener Gegenstände (vier Wurfsterne) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 6.239,50 Euro angeordnet. Die Revision, mit der der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Soweit der Angeklagte in den Fällen II. 1 bis II. 95 sowie II. 97 der Urteilsgründe jeweils wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt worden ist, hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler nicht ergeben.
3
1. Insbesondere hat die Strafkammer entgegen der Auffassung der Revision die Voraussetzungen gewerbsmäßigen Handelns des Angeklagten hinreichend dargetan. Zwar kann die Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG, die sich auch auf die Erzielung bloßer Nebeneinnahmen beziehen kann, dann einer eingehenden Begründung bedürfen, wenn in Anbetracht der Abgabemengen und der Tatfrequenz nur von einem geringen Gewinn auszugehen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 20. März 2008 – 4 StR 63/08, NStZ-RR 2008, 212). So liegt der Fall hier aber nicht. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte in Gewinnerzielungsabsicht vom 1. Januar 2009 bis zum 31. August 2010 in mindestens 80 Fällen jeweils 1 Gramm Marihuana für 10 Euro an den gesondert verfolgten M. K. und in mindestens 15 Fällen jeweils 1 Gramm Marihuana für 7,50 Euro sowie jeweils 1 Gramm Amphetamin für 10 Euro an die gesondert verfolgteA. K. und zusätzlich an einem nicht näher bestimmbaren Tag Anfang Januar 2010 in einem Fall 1 Gramm Marihuana für 7,50 Euro an diese verkauft hat. Die die Annahme von Gewerbsmäßigkeit rechtfertigende Nachhaltigkeit der Absicht, sich eine dauerhafte Einnahmequelle von einigem Gewicht zu verschaffen, ist damit auf Grund der Vielzahl der Taten und der zeitlichen Abfolge ausreichend belegt, zumal das abgeurteilte Tatgeschehen lediglich einen Ausschnitt der festgestellten Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz betrifft und bei dem hochverschuldeten Angeklagten, der Sozialleistungen bezog, ein Geldbetrag in Höhe von 6.239,50 Euro sichergestellt wurde.
4
2. Dass die Strafkammer jeweils von einem Mindeststrafrahmen von sechs Monaten als Regelstrafrahmen des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB ausgegangen ist, beschwert den Angeklagten nicht.

II.


5
Hingegen kann die Verurteilung in den Fällen II. 96 sowie II. 98 bis II. 100 der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben. Ferner hält die Bemessung der Einzelstrafen in den Fällen II. 101 bis II. 130 rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
1. Nach den Feststellungen kam es im Zeitraum von September 2010 bis Februar 2011 in mindestens 30 Fällen zur Belieferung des Angeklagten mit Betäubungsmitteln durch den gesondert verfolgten F. , wobei die jeweiligen Einzellieferungen unterschiedliche Betäubungsmittelarten, nämlich Haschisch, Amphetamin, Marihuana, Kokain und Crystal in unterschiedlichen, im Einzelnen nicht mehr feststellbaren Mengen umfassten. Diese Betäubungsmittel verkaufte der Angeklagte gewinnbringend an seine Abnehmer, die ihn zu diesem Zweck an seinem Wohnort aufsuchten. Im Einzelnen handelte es sich von September 2010 bis kurz vor Weihnachten 2010 um 15 Fälle, in denen der Angeklagte jeweils mindestens 200 g verschiedener Betäubungsmittel zum gewinnbringenden Weiterverkauf erwarb. Von kurz vor Weihnachten 2010 bis Februar 2011 erfolgten ebenfalls mindestens 15 Lieferungen an den Angeklagten, wobei in diesen Fällen jeweils mindestens 1 kg unterschiedlicher, im Einzelnen ebenfalls nicht mehr feststellbarer Betäubungsmittel geliefert wurde; jede Lieferung enthielt einen Anteil von 100 bis 300 g Amphetamin. Die meisten dieser Lieferungen beinhalteten daneben Haschisch und Marihuana, Crystal und Kokain wurden nur gelegentlich mitgeliefert. Ferner verkaufte der Angeklagte im Zeitraum vom 24. September bis zum 23. Oktober 2010 über die gesondert verfolgte A. K. , die den Transport der Betäubungsmittel und den Geldeinzug übernahm , an einem nicht näher bestimmbaren Tag 0,4 Gramm Crystal und an zwei weiteren nicht näher bestimmbaren Tagen jeweils 0,3 Gramm Crystal gewinnbringend entweder an den gesondert verfolgten M. D. oder an den gesondert verfolgten S. E. .
7
2. Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II. 96 sowie II. 98 bis II. 100 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insoweit liegt nach den Feststellungen die Annahme einer Bewertungseinheit nahe.
8
Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in einem Akt erworbenen Betäubungsmittel beziehen, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als eine Tat des unerlaubten Handeltreibens anzusehen, weil bereits ihr Erwerb und Besitz zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs den Tatbestand des Handeltreibens in Bezug auf die Gesamtmenge erfüllen; die späteren, diese Betäubungsmittel betreffenden Veräußerungsge- schäfte gehören als unselbständige Teilakte zu dieser Tat (vgl. nur Senatsurteil vom 24. Juli 1997 – 4 StR 222/97, NStZ 1998, 89; Senatsbeschluss vom 8. Mai 2001 – 4 StR 114/01). Zwar ist es nicht geboten, festgestellte Einzelverkäufe zu Bewertungseinheiten zusammenzufassen, weil nur die nicht näher konkretisierte Möglichkeit einer solchen Bewertungseinheit besteht; liegen konkrete Anhaltspunkte für eine Bewertungseinheit vor, darf der Tatrichter darüber nicht ohne Erörterung hinweggehen (Senatsurteil aaO). So liegt es hier.
9
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte seit Anfang September 2010 ein- bis zweimal wöchentlich durch den gesondert verfolgten F. mit Haschisch, Amphetamin, Marihuana, Kokain und Crystal beliefert wurde. Der Weiterverkauf von Marihuana und Amphetamin an die gesondert verfolgte A. K. erfolgte am 4. September 2010, die Verkäufe von Crystal an den gesondert verfolgten M. D. oder den gesondert verfolgten S. E. zwischen dem 24. September und dem 23. Oktober 2010. Danach liegt es nahe, dass die vom Angeklagten weiterverkauften Portionen aus den Lieferungen des gesondert verfolgten F. stammten und somit eine Bewertungseinheit vorliegt.
10
3. a) In den Fällen II. 101 bis II. 130 der Urteilsgründe ist der Schuldspruch frei von Rechtsfehlern. Dass der Angeklagte mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 1 Abs. 1 BtMG in Verbindung mit den Anlagen I bis III zum BtMG Handel getrieben hat, vermag der Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe eben noch ausreichend deutlich zu entnehmen. Zwar wird im angefochtenen Urteil mehrfach ohne nähere Spezifizierung ausgeführt, der Angeklagte habe von dem gesondert verfolgten F. „Drogen“ zum gewinnbringenden Weiterverkauf erworben. Das Landgericht hat indes an anderer Stelle auch festgestellt, es habe sich um unterschiedliche Mengen Haschisch, Amphe- tamin, Marihuana, Kokain und Crystal gehandelt; bei Durchsuchungen in den Wohnräumen des Angeklagten wurden verschiedene Mengen unterschiedlicher Betäubungsmittel sichergestellt. Ferner hat sich der Angeklagte auch zu diesen Fällen im Wesentlichen geständig eingelassen; eine Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) ist nicht erfolgt.
11
b) Hingegen halten die Einzelstrafaussprüche in den Fällen II. 101 bis II. 130 der Urteilsgründe rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
12
Der Schuldumfang der einzelnen Taten ist nicht hinreichend bestimmt. Zwar hat das Landgericht insoweit die Gesamtmenge der vom Angeklagten für den Weiterverkauf erworbenen Betäubungsmittel (jeweils 200 Gramm bis Weihnachten, danach jeweils mindestens 1 kg) festgestellt. Nähere Feststellungen zu Qualität und Wirkstoffmenge der einzelnen Betäubungsmittelarten fehlen jedoch. Damit wird ein für die Bestimmung des Schuldumfangs wesentlicher Umstand (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2005 – 5 StR 439/05, StV 2006, 184) außer Betracht gelassen, ohne dessen Darlegung das Revisionsgericht nicht zu prüfen vermag, ob die Einzelstrafen rechtsfehlerfrei bemessen worden sind. Auf nähere Feststellungen zum Wirkstoffgehalt durfte hier umso weniger verzichtet werden, als verschiedene Betäubungsmittelarten beim Angeklagten sichergestellt werden konnten. Für die nicht sichergestellten Mengen hat der neue Tatrichter neben dem bislang geständigen Angeklagten alle zur Verfügung stehenden weiteren Aufklärungsmöglichkeiten auszuschöpfen und wird sodann unter Beachtung des Zweifelsgrundsatzes von Mindestfeststellungen ausgehen müssen (BGH aaO; vgl. Weber, BtMG, 3. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 810 ff.).
13
4. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs sowie der Anordnung über den Verfall von Wertersatz. Im Hinblick auf den betreffenden, bei dem Angeklagten sichergestellten Geldbetrag wird der neue Tatrichter vorrangig die Voraussetzungen des § 73d StGB zu prüfen haben.
Ernemann Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 2 9 / 1 5
vom
16. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 16. Juni 2015 gemäß §§ 349 Abs. 4,
357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten F. und N. wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 1. Oktober 2014, soweit sie verurteilt wurden, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, im Fall II.3. der Urteilsgründe auch, soweit es den Angeklagten A. betrifft. 2. Das Verfahren gegen den Angeklagten N. in den Fällen II.6. bis II.8. der Urteilsgründe wird eingestellt; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten N. der Staatskasse zur Last. 3. Im weiteren Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten F. unter Freisprechung im
1
Übrigen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Den Angeklagten N. hat es unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, ferner wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug und Urkundenfälschung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 7.000 Euro angeordnet. Sichergestelltes Methamphetamin hat das Landgericht eingezogen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten F. und N. mit der Sachrüge, das Rechtsmittel des Angeklagten N. auch mit Verfahrensbeanstandungen. Die Revisionen haben Erfolg. Die Urteilsaufhebung ist gemäß § 357 StPO im Fall II.3. der Urteilsgründe auch auf den Angeklagten A. zu erstrecken, der keine Revision eingelegt hat.

I.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
2

a) Die Angeklagten N. und F. vereinbarten Ende Mai oder
3
Anfang Juni 2012 die Einfuhr von Methamphetamin aus T. zum gewinnbringenden Verkauf im Inland. Zur Umgehung von Entdeckungsrisiken beim Transport im Inland sollten die Betäubungsmittel nach der Einfuhr mit einem Postpaket von dem grenznahen J. an eine Adresse in einem unbewohnten Haus in No. verschickt werden, wo sie von einem der Täter in Empfang genommen werden sollten. Die Angeklagten N. und F. erwarben in T.
4
194,77 g Methamphetamin. Ob sie die Betäubungsmittel selbst einführten oder die Verbringung über die Grenze durch den Verkäufer oder einen Boten erfolgte , konnte die Jugendkammer nicht feststellen. Sie ging aber davon aus, dass die Angeklagten zumindest den Transportweg mit dem Lieferanten vereinbart hatten. Der Angeklagte F. verpackte das Methamphetamin unter Verwen5 dung einer zuvor in No. kostenlos verteilten Zeitung in ein Postpaket, das er von J. an die angebliche Anschrift der Zeugin E. in einem tatsächlich unbewohnten, ihm gehörenden Haus in No. zur Übergabe an " P. " versandte. Der Angeklagte N. verfügte über einen gefälschten Reisepass auf diesen Namen, mit dessen Hilfe er die Aushändigung des Pakets erwirken sollte. Der Name " P. " wurde auch am Briefkasten des Hauses auf einer Klebefolie angegeben. Später wurden die Namen " F. " und " E. " hinzugefügt. Die Paketzustellung an dem sonst unbewohnten Haus unterblieb auf6 grund einer allgemeinen Vorsorgemaßnahme der Post im Hinblick auf Warenkreditbetrügereien. Verschiedene Versuche unbekannt gebliebener Personen, das im Postrücklauf befindliche Paket zu erlangen, schlugen fehl; es wurde schließlich sichergestellt (Fall II.1. der Urteilsgründe).
b) Ende Januar oder Anfang Februar 2012 erwarb der Angeklagte N.
7
mindestens 100 g Methamphetamin von einem unbekannten Verkäufer in T. . Wie die Betäubungsmittel nach Deutschland kamen, blieb ungeklärt. Wiederum wurden sie aber in ein Postpaket verpackt und an dieselbe Zu- stelladresse in No. verschickt, wobei das Landgericht nicht feststellen konnte, wer dies bewirkt hatte. Der Angeklagte N. nahm das Paket unter Verwendung des gefälschten Reisepasses entgegen. Die Jugendkammer ging davon aus, dass die Betäubungsmittel danach
8
in den Verkehr gelangten und der Angeklagte N. daraus "einen Verkaufserlös erzielt hat" (Fall II.2. der Urteilsgründe).
c) Am 17. April 2012 fuhren die Angeklagten N. und A.
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mit einem Pkw nach J. . Der Angeklagte N. schaltete sein Mobiltelefon aus. Er parkte in unmittelbarer Nähe zur Grenze und überquerte diese zusammen mit dem Angeklagten A. zu Fuß. In T. erwarb er mindestens 400 g Methamphetamin von einem unbekannten Verkäufer, nahm die Betäubungsmittel aber nicht sogleich mit. Bei seiner Rückkehr über die Grenze wurde er einer Zollkontrolle unterzogen, die nicht zum Auffinden von Betäubungsmitteln oder größeren Bargeldbeträgen führte. Kurz darauf ging der Angeklagte N. erneut zu Fuß über die Grenze und kam mit dort erworbenem Kaffee zurück. Die Jugendkammer nahm an, das Betäubungsmittelgeschäft sei von
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dem Angeklagten N. wegen der Zollkontrolle storniert worden (Fall II.3. der Urteilsgründe).
d) Der Angeklagte N. meldete sich mit dem gefälschten Reise11 pass auf den Namen " P. " bei der Stadtverwaltung M. an (Fall II.6. der Urteilsgründe). Er verwendete diesen Reisepass auch beim Abschluss zweier Mobilfunkverträge, deren monatliche Raten er, wie von vornherein beabsichtigt, nicht bezahlte (Fälle II.7. und II.8. der Urteilsgründe).
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2. a) Das Landgericht hat zu Fall II.1. der Urteilsgründe im Wesentlichen aus den Umständen der Versendung des sichergestellten Postpakets mit den Betäubungsmitteln an die Adresse eines leerstehenden Hauses im Eigentum des Angeklagten F. , aus der Adressierung des Pakets zur Übergabe an " P. ", der auch im gefälschten Reisepass des Angeklagten N. genannt war, und aus dem Auffinden von DNA-Spuren des Angeklagten F. am Verpackungsmaterial in dem Paket darauf geschlossen, dass die Angeklagten N. und F. an dem Versand des sichergestellten Methamphetamin beteiligt waren. Für den Ankauf der Betäubungsmittel in T. und deren Einfuhr
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konnte das Landgericht nicht auf konkrete Beweismittel zurückgreifen, nahm aber mit Hinweis darauf, dass kein Fall bekannt geworden sei, "in dem ein Zwischenhändler auf deutscher Seite Crystal angeboten hätte", an, dass es von den Angeklagten als Mittäter in T. erworben worden war. Für die Annahme eines Erwerbs im Inland gebe "es keinen Grund, wenn man das Crystal relativ unproblematisch in T. erwerben und selbst einführen kann". Der Angeklagte N. habe die Postzustellerin auf das Paket an14 gesprochen. Diese habe sich zwar nicht an die Person erinnert, die sie angesprochen hatte. Sie habe aber eine dunkle Limousine Marke BMW gesehen, und der Angeklagte N. habe zur fraglichen Zeit einen grauen Pkw BMW gefahren.
b) Zu Fall II.2. der Urteilsgründe hat sich das Landgericht allein auf In15 formationen über eine weitere Postsendung auf demselben Weg gestützt. Es gebe zwar keinen direkten Hinweis darauf, dass der Angeklagte N. Methamphetamin erworben und dieses in das Postpaket verpackt und nach No. versandt habe. Aus der Tatsache, dass ein weiteres Paket mit gleicher Versandstrecke auf den Weg gebracht wurde, ergebe sich aber, dass es sich erneut um eine Drogensendung gehandelt habe. Der identische Vorgang deute auch darauf hin, dass es sich nach Art und Menge der Betäubungsmittel um eine ähnliche Menge Methamphetamin gehandelt habe, wie sie im Fall II.1. der Urteilsgründe sichergestellt wurde.
c) Die Feststellungen zu Fall II.3. der Urteilsgründe hat das Landgericht
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darauf gestützt, dass der Angeklagte N. vor der Fahrt nach J. in zunehmender Frequenz im Internet Wetterrecherchen für diese Gemarkung durchgeführt und über Webcams die Örtlichkeiten beobachtet, vor Ort sein Mobiltelefon ausgeschaltet und ein später leer vorgefundenes Geldkuvert mitgeführt habe. Ferner hat sie angenommen, die Angabe des Angeklagten N. , er habe ein Gebrauchtfahrzeug gesucht, sei nicht glaubhaft. Schließlich sei der wiederholte Grenzübertritt zu Fuß auffällig. Die Art der Drogen hat das Landgericht aus der im Fall II.1. der Urteils17 gründe erfolgten Sicherstellung gefolgert. Die Drogenmenge hat es anhand der nach seiner Auffassung mit Blick auf ein im Internet recherchiertes Fahrzeugangebot mitgeführten Geldmenge geschätzt.

II.

Hinsichtlich der Vorwürfe zu den Fällen II.6. bis II.8. der Urteilsgründe
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gegen den Angeklagten N. besteht ein Verfahrenshindernis, weil die Jugendkammer eine Eröffnung des Hauptverfahrens versäumt hat. 1. Mit Anklageschrift vom 8. Mai 2014 (820 Js 81/14) erhob die Staats19 anwaltschaft Gera gegen den Angeklagten N. insoweit Anklage. Die Jugendkammer übernahm durch Beschluss vom 20. Mai 2014 das Verfahren und verband es zu dem bisher dort anhängigen Verfahren (820 Js 12758/13 3 KLs jug.) hinzu. Danach verfügte der Vorsitzende die Zustellung der Anklageschrift an den Angeklagten N. und gab ihm Gelegenheit zur Erklärung, ob er Beweisanträge stellen oder Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens erheben wolle. Ein Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens wurde danach nicht getroffen. In dienstlichen Erklärungen, die der Generalbundesanwalt eingeholt
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hat, haben die Berufsrichter der Jugendkammer ausgeführt, sie hätten bereits am 20. Mai 2014 zugleich mit der Übernahme des Verfahrens und dessen Verbindung mit dem bereits rechtshängigen Verfahren auch über die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich der weiteren Anklagevorwürfe beraten. 2. Der Übernahme- und Verbindungsbeschluss enthält keine wirksame
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Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu den Vorwürfen aus der Anklageschrift vom 8. Mai 2014. Das folgt nicht nur aus dem alleine auf die Übernahme der Sache und die Verbindung mit dem bereits rechtshängigen Verfahren bezogenen Beschlusstext, sondern auch aus der Verfügung des Vorsitzenden , mit der dem Angeklagten N. anschließend das rechtliche Gehör zur Frage der Eröffnung des Hauptverfahrens gewährt wurde. Soweit der Generalbundesanwalt dem Text der Verfügung keine Be22 deutung beimessen will, weil diese auf einem Formular niedergelegt wurde, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der Prozessverlauf und der Urkundeninhalt sprechen einzeln und in der Gesamtschau gegen eine konkludente Eröffnung des Hauptverfahrens noch vor der Anhörung des Angeklagten N. . Wenn die Richter der Jugendkammer bei der Beschlussfassung vom 20. Mai 2014 auch die Eröffnung des Hauptverfahrens vorberaten haben, ändert dies nichts daran, dass ein wirksamer Eröffnungsbeschluss danach weder gefasst noch dokumentiert wurde.
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Zwar enthält die Strafprozessordnung keine spezielle Formvorschrift für den Eröffnungsbeschluss; dennoch bedarf es im Hinblick auf seine Bedeutung als Grundlage des Hauptverfahrens und mit Rücksicht auf die Feststellbarkeit der Beschlussfassung regelmäßig einer schriftlichen Niederlegung der Entscheidung. Erforderlich ist aus Gründen der Rechtsklarheit, dass die Urkunde aus sich heraus oder in Verbindung mit sonstigen Urkunden mit Sicherheit erkennen lässt, dass die zuständigen Richter die Eröffnung des Hauptverfahrens tatsächlich beschlossen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 - 3 StR 484/10, BGHR StPO § 207 Beschluss 1). Daran fehlt es hier; denn nach der Anhörung des Angeschuldigten wäre - unbeschadet der durchgeführten Vorberatung - eine abschließende Beschlussfassung der Jugendkammer erforderlich gewesen, die auch nach den dienstlichen Erklärungen der Mitglieder der Jugendkammer nicht erfolgt ist. Das Fehlen eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses führt zu einem
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Verfahrenshindernis hinsichtlich der Fälle II.6. bis II.8. der Urteilsgründe. Insoweit ist das Verfahren mit der Kostenfolge gemäß § 467 Abs. 1 StPO einzustellen (§ 206a StPO).

III.

Die Verurteilung der Angeklagten F. und N. in den Fällen
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II.1. bis II.3. hat aufgrund ihrer Sachbeschwerden keinen Bestand. Im Fall II.3. der Urteilsgründe ist die Urteilsaufhebung gemäß § 357 StPO auf den Angeklagten A. zu erstrecken, der keine Revision eingelegt hat. 1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchreifenden
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rechtlichen Bedenken. Zwar muss das Revisionsgericht die Überzeugung des Tatgerichts vom Vorliegen eines Sachverhalts grundsätzlich hinnehmen. Ebenso ist es ihm verwehrt, seine eigene Überzeugung an die Stelle der tatgerichtli- chen Überzeugung zu setzen. Allerdings muss überprüft werden, ob die Überzeugung des Tatgerichts in den Feststellungen und der ihnen zugrunde liegenden Beweiswürdigung eine ausreichende Grundlage findet. Diese müssen den Schluss erlauben, dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Deshalb müssen die Urteilsgründe des Tatgerichts erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatrichter gezogene Schlussfolgerung nicht nur eine bloße Vermutung darstellt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 22. August 2013 - 1 StR 378/13, NStZ-RR 2013, 387, 388). 2. Nach diesem Maßstab ist die Beweiswürdigung des Landgerichts zu
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den Fällen II.1. bis II.3. der Urteilsgründe nicht tragfähig.
a) Zu Fall II.1. der Urteilsgründe hat sich das Landgericht bei seiner
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Feststellung einer Einfuhr der Betäubungsmittel durch die Angeklagten auf einen Erfahrungssatz gestützt, den es nicht gibt. Es hat sich auf die Annahme gestützt, dass ein Fall des Erwerbs von Crystal im Inland anstelle einer Einfuhr aus T. im Grenzgebiet durch einen Zwischenhändler bisher nicht bekannt geworden sei. Dies sagt aber nichts darüber aus, ob die Angeklagten solche Betäubungsmittel aus T. eingeführt haben. Zudem ist der behauptete Erfahrungssatz weder belegt noch erläutert worden. Allein die Ungewöhnlichkeit eines hypothetisch möglichen Vorkommnisses schließt einen solchen Vorgang nicht aus. Die Tatsache, dass die Jugendkammer kein konkretes Indiz für die Annahme einer Einfuhr der Betäubungsmittel durch die Angeklagten feststellen konnte, kann nicht durch eine vage Behauptung einer allgemeinen Erfahrung überwunden werden.
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Ähnliches gilt für die Begründung der Mittäterschaft der Angeklagten F. und N. , bei der sich das Landgericht auf den Eindruck von der Persönlichkeit des Angeklagten F. gestützt hat, der "unorganisiert und unselbständig" erscheine und deshalb nicht in der Lage gewesen sei, alleine zur Durchführung des Drogengeschäfts aus Th. nach J. zu reisen. Deshalb sei sicher davon auszugehen, dass beide Angeklagten gemeinsam "die Tat wie festgestellt begangen haben". Das trägt nicht. Das Persönlichkeitsbild eines Angeklagten reicht nicht aus, um konkrete Schlüsse auf die Art seiner Beteiligung an einem komplexen Handlungsablauf zu ziehen. Hat das Gericht somit zur Frage der Einfuhr der Betäubungsmittel durch
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die Angeklagten einen falschen Maßstab angelegt, ist weiter zu besorgen, dass die zur Grundlage der Verurteilung wegen Handeltreibens gemachte Feststellung einer Postversendung der Betäubungsmittel durch den Angeklagten F. in J. mit der Abrede, dass der Angeklagte N. sie in No. in Empfang nehmen solle, auf einer unzureichenden Beweisgrundlage beruht. Allerdings sind mit der Feststellung des Besitzes eines gefälschten Rei31 sepasses bei dem Angeklagten N. und der DNA-Spur des Angeklagten F. auf dem Verpackungsmaterial im Postpaket Indizien vorhanden, die auf ihre Beteiligung am Postversand der Drogen schließen lassen. Andererseits wirkt die Bewertung zusätzlicher Indizien durch die Jugendkammer erneut spekulativ , so dass zumindest einige Elemente der Gesamtwürdigung durchgreifend in Frage gestellt sind. So ist die Person, welche die Postzustellerin in No. angespro32 chen hat, um das Paket zu erlangen, nicht identifiziert worden. Das Landgericht hat aus der vagen Beschreibung des von ihr geführten Fahrzeugs möglicher- weise zuweit gehend auf die Identität dieser Person mit dem Angeklagten N. geschlossen. Das Landgericht hat ergänzt: "Schließlich macht ein gefälschter Pass auch nur dann Sinn, wenn die Person, die auf dem Lichtbild abgebildet ist, den Pass auch später benutzt". Damit wird nichts darüber ausgesagt , dass der gefälschte Pass gerade zur Annahme einer Postsendung mit Methamphetamin eingesetzt werden sollte. Die Überlegung der Jugendkammer lässt besorgen, dass sie ihre Würdigung von Umständen mit beschränkter Aussagekraft zu sehr am erwarteten Beweisergebnis orientiert und den begrenzten Beweiswert der Indizien überbewertet hat.
b) Sind die Feststellungen zur ersten Tat der Angeklagten F. und
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N. nicht tragfähig begründet, kann die Verurteilung wegen der zweiten Tat, die ohne konkrete Hinweise auf den Erwerb von Betäubungsmitteln, ihren grenzüberschreitenden Transport und die Weiterversendung auf dem Postweg alleine wegen der Ähnlichkeit des Verlaufs einer Postsendung festgestellt wurde , mit der mitgeteilten Begründung nicht aufrecht erhalten bleiben. Sie enthält nicht mehr als einen Verdacht.
c) Im Kern dasselbe gilt für die Feststellungen zur dritten Tat des Ange34 klagten N. , die er mit Unterstützung durch den Angeklagten A. begangen haben soll. Hierfür hat das Landgericht sich auf intensive Wetterrecherchen des
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Angeklagten N. im konkreten Grenzgebiet, die Fragwürdigkeit der Suche nach einem Fahrzeug aus Kaufinteresse, das Mitführen eines Fahrrads, das Ausschalten des Mobiltelefons, das Auffinden eines leeren Geldkuverts und die Umstände des zweifachen Grenzübertritts durch den Angeklagten N. zu Fuß gestützt. Daraus hat es die "nahe liegende Möglichkeit" entnommen, dass die Angeklagten eine Drogeneinfuhr geplant hatten, bei der die Betäu- bungsmittel vom Verkäufer "entlang der grünen Grenze übergeben oder abgelegt und von dort mit dem Fahrrad abtransportiert werden sollten". Nach der ersten Zollkontrolle sei der Angeklagte N. nach T. zurückgekehrt , weil er "offensichtlich etwas ganz Dringliches und Wichtiges in der T. zu klären hatte". Diese Überlegungen lassen erneut besorgen, dass das Landgericht
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aufgrund jeweils für sich genommen wenig aussagekräftiger Umstände konkrete Schlüsse auf das erwartete Beweisergebnis gezogen hat, ohne die geringe Aussagekraft der Einzelindizien genügend zu beachten. Auch eine Summe von Beweisanzeichen, die jeweils geringe Aussagekraft haben und keinen zwingenden Schluss zulassen, der alle in Frage kommenden Alternativhypothesen ausschließt , gestattet im Einzelfall nicht mehr als die Annahme eines Verdachts. Diesen hat die Jugendkammer überbewertet, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass sie zu der Überzeugung gelangt ist, "dass allein der Angeklagte N. die Tat plante und das Tatgeschehen lenkte", während der Angeklagte A. , zu dessen Mitwirkung sie keine Feststellungen treffen konnte, nur eine untergeordnete Rolle spielte. 3. Die Urteilsaufhebung ist im Fall II.3. der Urteilsgründe auf den Ange37 klagten A. zu erstrecken, der nach Ansicht des Landgerichts bereits "durch seine Anwesenheit und die Begleitung nach T. " den Angeklagten N. in dessen Tatentschluss und bei der Tatausführung unterstützt und damit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geleistet habe. Der sachlich-rechtliche Fehler bei der Feststellung der Haupttat erstreckt sich insoweit auf die Feststellung der Beihilfehandlung. Die Verurteilung des Angeklagten A. in den Fällen II.4. und II.5. der Urteilsgründe bleibt dagegen unberührt. Fischer Krehl Eschelbach Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 378/13
vom
22. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. August 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4, § 357 Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 16. April 2013
a) unter Erstreckung auf den Mitangeklagten P. dahingehend abgeändert, dass die Angeklagten der bewaffneten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen eines verbotenen Gegenstandes schuldig sind,
b) aufgehoben, aa) soweit es den Angeklagten S. betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu getroffenen Feststellungen, bb) bezüglich des Angeklagten P. mit den Feststellungen im Strafausspruch und im Ausspruch über den Vorwegvollzug. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten und den nicht revidierenden Angeklagten P. jeweils wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Besitz eines verbotenen Gegenstandes in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen eines verbotenen Gegenstandes verurteilt. Den Angeklagten hat es deswegen mit einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten belegt. Gegen den Mitangeklagten hat es eine solche von sieben Jahren verhängt sowie dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) bei Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten angeordnet.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.

II.


3
1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 17. Juli 2013 ohne Erfolg.
4
2. Das Urteil hat allerdings keinen Bestand, soweit der Angeklagte wegen bewaffneten Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist. Insoweit entbehrt der Schuldspruch einer ihn tragenden rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
5
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts kam der Angeklagte mit dem Mitangeklagten P. überein, mit dem Pkw des Angeklagten von Erfurt aus nach Cheb (Tschechien) zu fahren, um dort Methamphetamin für den gewinnbringenden Weiterverkauf im Inland zu erwerben. In Umsetzung dieses Plans erstand P. dort 38,38 g Methamphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 15,66 g Methamphetaminbase. Er füllte die Drogen in die Kunststoffverpackungen von drei Überraschungseiern, zog darüber jeweils Kondome und führte sich die Verpackungen rektal selbst sein. Dieses Vorgehen von P. war dem Angeklagten bekannt. Bei der Wiedereinreise wurden die Angeklagten kontrolliert und die Drogen entdeckt. Auf dem Asia-Markt hatten beide Angeklagte zudem jeweils einen Schlagring erworben. Die Ringe verwahrten sie während der Rückfahrt im Fahrzeuginneren in einer an der Rückseite des Beifahrersitzes angebrachten Tasche.
6
b) Seine in den Feststellungen zum Ausdruck kommende Überzeugung, der Angeklagte habe gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten P. Methamphetamin erworben und in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt, um damit gewinnbringend Handel zu treiben, stützt das Tatgericht einerseits auf die desolate wirtschaftliche Situation beider Angeklagter sowie andererseits auf die Preisspanne zwischen dem jeweils näher festgestellten Einkaufspreis des Methamphetamins in Tschechien und dem in Erfurt erzielbaren Verkaufspreis sowie der aus dieser Differenz folgenden Gewinnspanne (UA S. 15 f.). Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend aufgezeigt hat, bieten diese vom Landgericht herangezogenen Indizien keine ausreichende Grundlage für die Feststellung, der Erwerb der Drogen in Tschechien habe für den Angeklagten dem gewinnbringenden Weiterverkauf und damit dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gedient.
7
Zwar muss das Revisionsgericht die subjektive Überzeugung des Tatrichters von dem Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts grundsätzlich hinnehmen (Sander in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 177 mwN). Ebenso ist es ihm verwehrt, seine eigene Überzeugung an die Stelle der tatgerichtlichen Überzeugung zu setzen (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 20. Juni 2007 - 2 StR 161/07). Allerdings kann und muss vom Revisionsgericht überprüft werden, ob die Überzeugung des Tatrichters in den getroffenen Feststellungen und der ihnen zugrunde liegenden Beweiswürdigung eine ausreichende objektive Grundlage findet (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar2008 - 3 StR 486/07). Die entsprechenden Grundlagen müssen den Schluss erlauben , dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Deshalb müssen die Urteilsgründe des Tatgerichts erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatrichter gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2001 - 5 StR 520/01, StV 2002, 235 mwN; siehe auch KMR/Stuckenberg, StPO, § 261 Rn. 26 und 166 jeweils mit zahlr. Nachw.).
8
Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Tatgerichts im Hinblick auf die für das Vorliegen der Voraussetzungen des Handeltreibens erforderlichen Feststellungen nicht gerecht. Zwar können an sich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Täters im Zusammenspiel mit der möglichen Gewinnspanne des Vertriebs von Betäubungsmitteln eine tragfähige Grundlage für die Annahme der Bestimmung erworbener Drogen für den gewinnbringenden Weiterverbrauch sein. Vorliegend trägt der vom Tatgericht gezogene Schluss angesichts der sonstigen vom ihm festgestellten Indizien als von einer „verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage“ aus gezogen aber nicht. Denn das Tatgericht hat festgestellt, der Mitangeklagte P. konsumiere täglich selbst zwischen 1 bis 1 ½ g Methamphetamin. Dementsprechend hatte P. sich eingelassen, bei der transportierten Drogenmenge von etwas mehr als 38 g Methamphetamin handele es sich um den Monatsbedarf seines Eigenkonsums. Das Urteil ist, wie der Generalbundesanwalt ausgeführt hat, in sich widersprüchlich, wenn einerseits die genannte Tageskonsummenge festgestellt wird, andererseits aber die Einlassung des Mitangeklagten, es handele sich um Drogen für den Eigenkonsum, obwohl die Gesamtmenge gerade der monatlich benötigten Menge entspricht, für nicht glaubhaft gehalten wird (UA S. 16). Dass P. sich die monatlich für den Eigenbedarf benötigten Drogen anderweitig als durch die verfahrensgegenständliche Tat beschafft hat, wurde vom Tatrichter nicht festgestellt.
9
Vor diesem Hintergrund bildet allein die Differenz zwischen Einkaufsund Verkaufspreis keine tragfähige Grundlage für den Schuldspruch wegen durch den Angeklagten mittäterschaftlich betriebenen Handels mit Betäubungsmitteln. Weitere Beweisanzeichen, die allein oder im Zusammenhang mit anderen tatsächlichen Umständen als objektive Grundlage aus rationalen Gründen den Schluss auf Handeltreiben zulassen würden, finden sich nicht. Die in den Urteilsgründen wiedergegebene Einlassung des Mitangeklagten P. („Wir haben uns drüben eingedeckt“) trägt zwar den Schluss des Tatgerichts auf die Kenntnis des Angeklagten von dem Ankauf und dem Transport der Drogen durch den Mitangeklagten, gibt aber für die Merkmale des Handeltreibens nichts her.
10
Zudem fehlt es, wie der Generalbundesanwalt ebenfalls zutreffend aufgezeigt hat, an Feststellungen, aus denen tragfähig auf den für das Handeltreiben erforderlichen Eigennutz des Angeklagten geschlossen werden kann.
11
3. Die im Übrigen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen über die Kenntnis des Angeklagten von dem Vorhaben des Mitangeklagten P. , Methamphetamin in Cheb zu erwerben und in die Bundesrepublik einzuführen, tragen allerdings einen Schuldspruch wegen (gemeinschaftlicher) bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Der Senat vermag auszuschließen, dass durch einen neuen Tatrichter noch Feststellungen getroffen werden können, die die Voraussetzungen des Handeltreibens tragen könnten. Er stellt den Schuldspruch daher auf bewaffnete Einfuhr mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge um. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich nicht anders als geschehen verteidigen können.
12
4. Im Hinblick auf die Verurteilung wegen tateinheitlichen Führens und Besitzes eines verbotenen Gegenstandes hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: „Der Schuldspruch ist auch hinsichtlich der tateinheitlich verwirklichten Waffendelikte zu korrigieren. Zwar steht das Führen mit Besitz regelmäßig in Tateinheit (vgl. nur Pauckstadt-Maihold in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 180. ErgLfg, WaffG § 52, Rn. 95 m.w.N.). Wird die tatsächliche Gewalt über einen verbotenen Gegenstand aber wie hier nur außerhalb der eigenen Wohnung ausgeübt, kommt nur eine Verurteilung wegen Führens in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2009 – 3 StR 226/09, BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 2). Die tateinheitliche Verurteilung wegen Besitzes eines verbotenen Gegenstandes muss daher entfallen.“
13
Dem stimmt der Senat zu.
14
5. Die vorgenommenen Änderungen im Schuldspruch ziehen die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs nach sich. Dies bedingt hier gleichfalls die Aufhebung der Feststellungen, die von dem Mangel beeinflusst sind.
15
6. Die weitergehende Revision des Angeklagten hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.

III.


16
Die Umstellung des Schuldspruchs ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auch auf den nicht revidierenden Mitangeklagten P. zu erstrecken.
17
1. Die vorstehend unter II.2. dargelegten rechtlichen Erwägungen, die zu der Schuldspruchänderung und der Aufhebung im Rechtsfolgenausspruch in Bezug auf den Angeklagten geführt haben, müssen auch bei dem Mitangeklagten zu der entsprechenden Änderung des Schuldspruchs führen (zu diesem Maßstab Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 357 Rn. 17; SK-StPO/ Wohlers, 38. Lfg., Stand: 2004, § 357 Rn. 34 jeweils mwN). Da ersichtlich auch gegen den Mitangeklagten keine anderweitigen Erkenntnismöglichkeiten vorhanden sind, beruht die Annahme von Handeltreiben auf keiner hinreichend sicheren Tatsachengrundlage.
18
Die ansonsten rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen aber auch hier die Verurteilung des Mitangeklagten wegen (gemeinschaftlicher) bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Führens eines verbotenen Gegenstandes.
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2. Dies bedingt gleichfalls die Aufhebung des Strafausspruchs mit den Feststellungen.
20
Die Anordnung der Unterbringung des Mitangeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB weist dagegen keinen Rechtsfehler auf. Diese bleibt daher bestehen. Um dem neuen Tatrichter eine auf die neu festzulegende Strafe abgestimmte Anwendung von § 67 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 StGB zu ermöglichen, bedarf es allerdings der Aufhebung der bisherigen Entscheidung über die Dauer des Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe vor dem Vollzug der Maßregel gemäß § 64 StGB.
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3. Einer Erstreckung gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den Mitangeklagten P. , in Bezug auf den die Gründe des angefochtenen Urteils gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürzt sind, steht die Rechtsprechung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs nicht entgegen. Dieser hat zwar in seinem Beschluss vom 25. Juni 2013 (5 StR 276/13) die Auffassung vertreten, eine Erstreckung auf einen nicht revidierenden Angeklagten komme nicht in Betracht, wenn ihn betreffend gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürzte Urteilsgründe verfasst worden sind. Dem lag aber eine andere Sachverhaltskonstellation zugrunde. Abgesehen davon, dass abgekürzte Urteilsgründe bei einem nicht revidierenden Angeklagten gemäß § 267 Abs. 4 StPO stets rechtlich zulässig sind und schon deshalb einer Anwendung von § 357 StPO nicht grundsätzlich entgegenstehen können, weil anderenfalls die Vorschrift in ihrem Anwendungsbereich unangemessen eingeschränkt wäre, ist es ausgeschlossen, dass bezüglich des nicht revidierenden Mitangeklagten Gesichtspunkte denkbar sind, die den Schuldspruch stützen könnten.

IV.


22
Für die neue Hauptverhandlung gibt der Senat zu bedenken, dass angesichts der vom ersten Tatrichter getroffenen Feststellungen über den eigenen Betäubungsmittelkonsum des Angeklagten eine nähere Beschäftigung mit den Voraussetzungen der Unterbringung gemäß § 64 StGB in Betracht kommen dürfte. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zu Recht ausgeführt hat, lässt sich der vom Tatgericht angenommene, lediglich sporadische Konsum des Angeklagten von THC und Amphetamin nicht ohne Weiteres mit den im Urteil mitgeteilten Ergebnissen der Haaranalyse des Angeklagten in Einklang bringen. Vor diesem Hintergrund hat der Senat auch die zum Rechtsfolgenausspruch getroffenen Feststellungen aufgehoben, um dem neuen Tatrichter die Möglichkeit zu geben, über den Rechtsfolgenausspruch vollständig neu und ohne Bindung an die bisherigen - partiell widersprüchlichen - Feststellungen zu entscheiden.
Raum Wahl Jäger
Radtke Mosbacher
5 StR 520/01

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 12. Dezember 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Dezember 2001

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 20. Juni 2001 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt sowie sichergestellte Betäubungsmittel und drei Waagen eingezogen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte den unerlaubten Betäubungsmittelhandel seines Onkels unter anderem dadurch gefördert , daß er Kokain in seiner Wohnung lagern ließ und transportierte. Be- sitz an dem gelagerten Kokain hatte er, weil er in Abwesenheit seines Onkels die alleinige Verfügungsgewalt über die Drogen hatte.
Der Angeklagte ist geständig, er habe seit Dezember 2000 gebilligt, daû eine Menge von etwa 100 g Kokain in seiner Wohnung gelagert wurde. Er bestreitet aber, Kenntnis von der Lagerung weiterer etwa fünf kg Kokain gehabt und am 4. Januar 2001 eine Menge von etwa 100 g Kokain transportiert zu haben.
1. Das Landgericht stützt seine Überzeugung, daû der Angeklagte Kenntnis von der Lagerung weiterer fünf kg Kokain hatte, auf folgende Indizien : Weil bei der polizeilichen Wohnungsdurchsuchung am 4. Januar 2001 die etwa fünf kg Kokain im Küchenschrank an derselben Stelle gefunden wurden, an der der Angeklagte nach seiner Einlassung im Dezember 2000 zwei Beutel mit insgesamt 100 g Kokain gesehen hatte, müsse er auch die übrigen Taschen und Beutel mit Kokain gesehen haben. Daû das Rauschgift erst zu einem späteren Zeitpunkt in die Wohnung gebracht und dort gelagert worden sei, schlieût das Landgericht mit der Erwägung aus, es sei “nicht nachvollziehbar, daû der Onkel, der sich ja bereit erklärt hatte, die Kokainmenge von 100 g zu verkaufen und der sich im Dezember nicht mehr in der Wohnung aufgehalten haben soll – zumindest hat ihn der Angeklagte dort nach eigenen Angaben nicht angetroffen – am 4. Januar 2001 oder kurz zuvor eine erheblich gröûere Kokainmenge erneut in die Wohnung verbracht haben soll”.
Diese Indizien sind nicht aussagekräftig und bilden keine tragfähige Grundlage für die Widerlegung der Einlassung des Angeklagten.
Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewiûheit des Richters setzt objektive Grundlagen voraus. Diese müssen aus rationalen Gründen den Schluû erlauben, daû das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Das ist der Nachprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich. Deshalb müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, daû die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen , verstandesmäûig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schluûfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloûe Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (BGH NJW 1982, 2882, 2883 m.w.Nachw.; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 7 und 26; BGHR StPO § 261 Identifizierung 6; BGHR StPO § 261 Vermutung 11; BGH, Beschl. vom 24.03.2000 ± 3 StR 585/99; Schäfer StV 1995, 147, 149).
Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Die Widerlegung der Einlassung des Angeklagten erschöpft sich insoweit in bloûen Vermutungen und in der Schilderung einer Verdachtssituation. Die im Urteil mitgeteilten Indizien lassen auch die Möglichkeit einer Einlagerung der etwa fünf kg Heroin erst im Januar 2001 zu. Die Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes der etwa fünf kg Kokain kann deshalb keinen Bestand haben.
2. Dagegen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts insoweit nicht zu beanstanden, als dem Angeklagten zur Last gelegt wird, 100 g Kokain unerlaubt besessen und Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben auch hinsichtlich der weiteren etwa fünf kg Kokain geleistet zu haben. Der Angeklagte hatte keine Vorkehrungen (etwa durch Auswechseln des Türschlosses ) gegen einen weiteren, auch umfangreicheren Handel mit Betäubungsmitteln getroffen und zumindest billigend in Kauf genommen, daû sein Onkel bei einer Rückkehr neue Betäubungsmittel mitbringt.
3. Der Senat schlieût aus, daû zum Schuldumfang weitere Festste llungen möglich wären und läût den Schuldspruch bestehen.
Dagegen hat der Strafausspruch wegen des beträchtlich geringeren Schuldumfangs hinsichtlich des nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB strafrahmenbestimmenden Verbrechens des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge keinen Bestand. Der Aufhebung von Feststellungen zur Strafe bedarf es nicht. Der neue Tatrichter hat lediglich eine neue Bewertung vorzunehmen. Ergänzende, nicht widersprechende Feststellungen zur Strafe sind möglich.
Harms Basdorf Gerhardt Brause Schaal

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.

(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.

Wird über die Anordnung der Einziehung des Tatertrages oder des Wertes des Tatertrages wegen einer Tat, die vor dem 1. Juli 2017 begangen worden ist, nach diesem Zeitpunkt entschieden, sind abweichend von § 2 Absatz 5 des Strafgesetzbuches die §§ 73 bis 73c, 75 Absatz 1 und 3 sowie die §§ 73d, 73e, 76, 76a, 76b und 78 Absatz 1 Satz 2 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) anzuwenden. Die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) sind nicht in Verfahren anzuwenden, in denen bis zum 1. Juli 2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 453/16
vom
10. November 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten schweren Bandendiebstahls
hier: Revision des Angeklagten T.
ECLI:DE:BGH:2016:101116B1STR453.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 10. November 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten T. wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe (Auswärtige Strafkammer Pforzheim) vom 11. April 2016 – auch hinsichtlich des nicht revidierenden Mitangeklagten M. – im Ausspruch über die Einziehung mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten T. und den nichtrevidierenden Mitangeklagten M. jeweils wegen versuchten schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen, M. zudem in einem Fall in Tateinheit mit der Störung von Telekommunikationsanlagen, zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt. Zudem hat das Landgericht bestimmt, dass eine Vielzahl von Asservaten gemäß in Bezug genommener mehrseitiger Auflistungen eingezogen wird. Die mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge begründete Revision erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift näher ausgeführt hat, im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
2
Die Einziehungsentscheidung kann nicht bestehen bleiben, denn das Landgericht hat die einzuziehenden Gegenstände nicht ausreichend konkret bezeichnet. Nach ständiger Rechtsprechung müssen einzuziehende Gegenstände so genau angegeben werden, dass bei allen Beteiligten und den Vollstreckungsorganen Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht. Dies kann bei umfangreichem Material in einer besonderen Anlage zum Urteilstenor geschehen, die Bezugnahme auf ein Asservatenverzeichnis genügt hingegen nicht (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 14. Mai 2014 – 3 StR 398/13, NStZ-RR 2015, 16 und vom 25. August 2009 – 3 StR 291/09, je mwN). Der Senat kann mangels hinreichender Feststellungen auch nicht in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO die Bezeichnung der einzuziehenden Gegenstände nachholen (vgl. hierzu BGH aaO), zumal nach den Urteilsgründen unklar bleibt, ob im hiesigen Verfahren Gegenstände eingezogen werden, die einem gesondert verfolgten Mittäter gehören (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1997 – 4 StR 442/97; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 74 Rn. 21 mwN).
3
Um dem neuen Tatgericht einheitliche, in sich widerspruchsfreie Feststellungen zu etwaigen Einziehungsgegenständen zu ermöglichen, hebt der Senat die zugehörigen Feststellungen insgesamt auf.
4
Die Entscheidung ist entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts nach § 357 Satz 1 StPO auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten M. zu erstrecken, weil dieser von dem genannten materiell-rechtlichen Rechtsfehler ebenfalls betroffen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 2016 – 1 StR 72/16 und vom 14. Mai 2014 – 3 StR 398/13, NStZ-RR 2015, 16). Graf Radtke Mosbacher Fischer Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 117/17
vom
10. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge
zu 2.: unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:100517B2STR117.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 16. Dezember 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit dem Angeklagten die Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist,
b) im Ausspruch über die Einziehung, auch soweit es den Mitangeklagten H. betrifft. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten P. unter Freisprechung im Übrigen wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und sichergestellte Betäubungsmittel eingezogen. Dagegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
3
2. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Schuldspruch und hinsichtlich der verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
4
3. Die Versagung der Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung hat hingegen keinen Bestand. Die Begründung des Landgerichts, mit welcher besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB verneint wurden, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat maßgeblich darauf abgestellt, dass gegen den Angeklagten, der sich zu den Tatvorwürfen nicht geäußert hat, unmittelbar vor Beginn des letzten Hauptverhandlungstages ein Haftbefehl des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) verkündet worden sei. Dem Haftbefehl liege unter anderem zugrunde, dass der Angeklagte dringend verdächtig sei, am 24. Dezember 2015 in L. einen Wohnungseinbruchsdiebstahl mit einem Schaden in Höhe von rund 135.000 Euro begangen zu haben. Eigene Feststellungen zu den im Haftbefehl aufgeführten Taten hat das Landgericht nicht getroffen.
5
Diese Erwägung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Vorwürfe aus einem schwebenden Verfahren, in dem ein Urteil noch aussteht, dürfen bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung nicht zum Nachteil des Angeklagten verwertet werden, wenn das Gericht zur Richtigkeit dieser Beschuldigungen keine eigenen, prozessordnungsgemäßen Feststellungen getroffen hat (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 24. Februar 1987 - 4 StR 56/87, BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 3; Beschluss vom 19. Juni 2012 - 4 StR 139/12 [insoweit in NStZ 2013, 36 nicht abgedruckt]). Der bloße Verdacht einer weiteren Straftat darf aufgrund der Unschuldsvermutung nicht zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt werden; dies gilt selbst dann, wenn in dem anderen Verfahren aufgrund eines dringenden Tatverdachts bereits Untersuchungshaft angeordnet worden ist (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Juni 1993 - 5 StR 350/93, StV 1993, 458, 459).
6
4. Die Einziehungsanordnung hält rechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt: „DerAusspruch über die Anordnung einer Einziehung hat die einzuziehenden Gegenstände so genau zu kennzeichnen, dass bei allen Beteiligten und der Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht; im Falle von Betäubungsmitteln gehört dazu die Angabe von Art und Menge des einzuziehenden Rauschgifts, die sich aus dem Urteilstenor ergeben muss (vgl. Senat, Beschluss vom 5. November 2014 - 2 StR 418/14 […]).
Zwar enthält der Einziehungsausspruch solche Angaben. Aufgrund des zugleich erfolgenden Verweises auf Asservatenverzeichnisse ist jedoch unklar, ob diese Angaben vollständig sind. Zudem widersprechen sie teilweise den in den Urteilsgründen bezeichneten Mengen. […] So ist das am 22. Dezember 2015 sichergestellte Marihuana […], auf das sich die Einziehung nach den Urteilsgründen erstrecken soll […], im Tenor nicht ausdrücklich aufgeführt. Dagegen lassen sich die beiden dort genannten Mengen […] den Urteilsgründen nicht zuordnen. […] Aufgrund dieser Unklarheiten, die auch eine Konkretisierung des Einziehungsausspruchs durch den Senat ausschließen, ist dieser insgesamt aufzuheben.“
7
Dem tritt der Senat bei.
8
Die Aufhebung der Einziehungsanordnung war gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten H. zu erstrecken (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 1966 - 1 StR 592/65, BGHSt 21, 66, 69). Da es sich nach den Feststellungen um Einziehungsgegenstände beider Angeklagter handelt , betrifft der Rechtsfehler auch den wegen derselben Tat verurteilten Mitangeklagten.
Appl Krehl Eschelbach
Zeng Grube

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 251/07
vom
20. Juni 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juni 2007 gemäß §§ 349
Abs. 2 und 4, 354 Abs. 1, 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten Dr. B. und D. V. wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 30. November 2006 - auch soweit es den Mitangeklagten Da. B. betrifft - im Ausspruch über die Einziehung von bei den Angeklagten sichergestellten Gegenständen dahin ergänzt und neu gefasst, dass 145,06 g Kokain, 4.603 g Streckmittel, die bei dem Angeklagten Dr. B. sichergestellten Mobiltelefone der Marken Samsung SGH-E 810, Nokia 2600, Motorola und Sagem, die bei dem Angeklagten D. V. sichergestellten Mobiltelefone der Marken Motorola E 1000, Panasonic EBGD 87, Nokia 7650 und Sony, die bei dem Angeklagten Da. B. sichergestellten Mobiltelefone der Marken Nokia 3100, Samsung SGH-X 48, Samsung E 700 IMEI, Nokia 8310, Motorola, Siemens C 60, Samsung SGH-A 800 sowie die bei dem Angeklagten Dr. B. sichergestellte Handgranate, Typ M75, eingezogen werden. 2. Im Übrigen werden die Revisionen der Angeklagten Dr. B. und D. V. verworfen. 3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten Dr. B. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen , davon in einem Fall bandenmäßig, sowie wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten D. V. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen, davon in zwei Fällen bandenmäßig, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren sowie den nicht revidierenden Angeklagten Da. B. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen unter Einbeziehung einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Des Weiteren hat es den Verfall von Wertersatz sowie die Einziehung der „sichergestellten Betäubungsmittel und Streckmittel“, der „sichergestellten Mobiltelefone der Angeklagten “sowie der sichergestellten Handgranate“ angeordnet.
2
Der Angeklagte V. erhebt eine Verfahrensrüge. Zudem wenden sich beide Angeklagte mit der Sachrüge gegen das Urteil. Die Rechtsmittel haben im Wesentlichen keinen Erfolg.
3
I. Der Angeklagte V. macht in den Fällen II. 5 (Fall 3, 5. Unterfall der Anklageschrift vom 11. April 2006) und II. 7 (Fall 4, 2. Unterfall der Anklage) der Urteilsgründe ein Beweisverwertungsverbot geltend. Das Landgericht habe Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem unzulässigen Einsatz eines „vermeintlich Verdeckten Ermittlers“ zu seinen Lasten verwertet.
4
Die Rüge bleibt erfolglos. Nach den Urteilsgründen hat das Landgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten V. in diesen beiden Fällen - ebenso wie in den anderen, in denen der Angeklagte V. verurteilt wurde - nicht auf Erkenntnisse des von den deutschen Behörden eingesetzten , verdeckt ermittelnden Beamten eines ausländischen Polizeidienstes gestützt. Vielmehr hat es seine Überzeugungsbildung in beiden Fällen in erster Linie auf die Angaben des Zeugen Vu. sowie im Fall II. 7 zusätzlich auf die des observierenden Zeugen L. gestützt (UA S. 49 f. und S. 54 ff.). Soweit in die Beweiswürdigung im Fall II. 7 des Urteils SMS und Wortprotokolle von Telefonüberwachungsmaßnahmen eingeführt wurden, handelt es sich ausschließlich um solche, an denen der von den deutschen Behörden eingesetzte ausländische „Verdeckte Ermittler“ nicht beteiligt war. Die Taten, an denen der in Deutschland eingesetzte ausländische Polizeibeamte beteiligt war und die Gegenstand der Hauptverhandlung waren, betrafen Fälle 5, 3. Unterfall und 7, 1. und 2. Unterfall der Anklageschrift vom 11. April 2006, mithin die Fälle II. 12, 14 und 15 der Urteilsgründe, in denen der Anklagte V. nicht verurteilt wurde. Den in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnissen im Zusammenhang mit dem von den deutschen Behörden eingesetzten ausländischen Polizeibeamten kam somit für die Verurteilung des Angeklagten V. - anders als für die des nicht revidierenden Da. B. - keine Bedeutung zu.
5
Unabhängig davon hätte kein Beweisverwertungsverbot vorgelegen. Es beschwert den Angeklagten nicht, dass die Staatsanwaltschaft beim Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Konstanz die Zustimmung zum Einsatz von bis zu drei Verdeckten Ermittlern, unter denen auch bis zu zwei ausländische Polizeibeamte sein durften, eingeholt hat. Ohne Rechtsfehler hat es das Landgericht in seinem Beschluss vom 15. Oktober 2006 dahingestellt sein lassen, ob ein ausländischer Polizeibeamter überhaupt als Verdeckter Ermittler nach § 110a StPO eingesetzt werden konnte. Verdeckte Ermittler sind gemäß § 110a Abs. 2 StPO nur Beamte im Sinne der §§ 2, 35 ff. BRRG (vgl. Schäfer in Löwe/ Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 110a Rdn. 12; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 110a Rdn. 3). Dies verlangen nicht nur die besondere Ermittlungstätigkeit und die damit einhergehende Gefährdung, sondern auch die erforderliche straffe Führung sowie die wirksame, auch disziplinarrechtliche Dienstaufsicht über den Verdeckten Ermittler (vgl. BTDrucks. 12/989 S. 42). Solange es keine gesetzliche Regelung gibt, die Polizeibeamte einer ausländischen Behörde ausdrücklich Beamten im Sinne der §§ 2, 35 ff. BRRG gleichstellt, richtet sich deren verdeckter Einsatz nicht nach den Vorschriften der §§ 110a ff. StPO (vgl. Nack in KK 5. Aufl. § 110a Rdn. 5). Die hier erteilte richterliche Zustimmung zum Einsatz als „Verdeckter Ermittler“ war somit nicht erforderlich. Verdeckt ermittelnde Beamte des ausländischen Polizeidienstes sind deshalb zu behandeln wie von der Polizei eingesetzte Vertrauenspersonen. Wurde für ihren Einsatz dennoch eine richterliche Zustimmung - wie vorliegend - eingeholt, so kann die Verwertbarkeit der Angaben der Vertrauensperson oder sonstiger daraus resultierender Beweismittel nicht durch einen möglichen Fehler des Zustimmungsbeschlusses des Ermittlungsrichters beeinträchtigt sein.
6
II. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge der beiden Angeklagten hat weder im Schuldspruch noch im Strafausspruch einen die Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben.
7
III. Der Senat vermag dem Antrag des Generalbundesanwalts nicht zu folgen, im Wege der Berichtigung des Tenors einen höheren Verfall von Wertersatz anzuordnen, weil sich aus den Urteilsgründen möglicherweise ein Rechenfehler ergibt. Es muss bei der aus dem Urteilstenor ersichtlichen und verkündeten Höhe verbleiben (vgl. BGH, Beschl. vom 17. Dezember 1999 - 1 StR 630/99). http://127.0.0.1:50001/Xaver/start.xav?SID=&startbk=heymanns_bgh_ed_bghst&bk=heymanns_bgh_ed_bghst&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghst-26-258'%5D&anchor=el [Link] http://127.0.0.1:50001/Xaver/start.xav?SID=&startbk=heymanns_bgh_ed_bghst&bk=heymanns_bgh_ed_bghst&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghst-26-266'%5D&anchor=el - 6 -
8
IV. Über die Einziehung der im Tenor des angefochtenen Urteils nicht ausreichend bezeichneten Gegenstände hatte der Senat - wie im Einzelnen aus dem Tenor ersichtlich - neu zu entscheiden. Sind Gegenstände einzuziehen, ist es grundsätzlich tunlich, die Gegenstände in der Urteilsformel oder, sofern es sich um eine Vielzahl von Gegenständen handelt, jedenfalls in einer Anlage hierzu (vgl. BGHSt 9, 88, 90) so konkret zu bezeichnen, dass für die Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung geschaffen ist. Bei der Einziehung von Betäubungsmitteln gehört dazu auch die Angabe von Art und Menge des einzuziehenden Rauschgifts, die sich aus dem Urteilstenor ergeben muss. Diesen Anforderungen wird die Kennzeichnung der einzuziehenden Gegenstände in der Urteilsformel nicht vollständig gerecht. Dem Antrag des Generalbundesanwalts, das Urteil deshalb im Ausspruch über die Einziehung aufzuheben, brauchte der Senat jedoch nicht zu folgen. Der Senat kann gemäß § 354 Abs. 1 StPO die Entscheidung selbst treffen, wenn die Urteilsgründe die erforderlichen Angaben enthalten (vgl. BGHSt 26, 258, 266; BGH, Beschl. vom 5. Dezember 1991 - 1 StR 719/91; BGH, Beschl. vom 13. Februar 2004 - 3 StR 501/03; BGH, Beschl. vom 28. November 2006 - 4 StR 404/06; BGH, Beschl. vom 25. April 2007 - 2 StR 86/07). Soweit die Einziehung der „sichergestellten Betäubungsmittel“ angeordnet worden ist, die das Landgericht zutreffend auf § 33 Abs. 2 BtMG gestützt hat, enthalten die Urteilsgründe die bei Betäubungsmitteln erforderlichen Angaben über deren Art und Menge, so dass der Senat die konkrete Bezeichnung der einzuziehenden Gegenstände insoweit nachholen kann. Gleiches gilt für die nach den insoweit getroffenen Feststellungen ebenfalls rechtlich nicht zu beanstandende Einziehung der bei dem Angeklagten Dr. B. sichergestellten Handgranate gemäß § 24 Abs. 1 Kriegswaffenkontrollgesetz.
9
Auch in Bezug auf die Anordnung der Einziehung der "sichergestellten Streckmittel und der zu den Taten benutzten sichergestellten Mobiltelefone der Angeklagten“ enthalten die Urteilsgründe unter Berücksichtigung der Verzeichnisse der Beweisstücke noch die erforderlichen Angaben, damit der Senat selbst Klarheit über den Umfang der Einziehung schaffen kann. Hinsichtlich der Streckmittel konnte die Einziehung unabhängig von der Eigentümerstellung erfolgen , da die konkrete Gefahr besteht, dass sie der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden, § 74 Abs. 1 und 2 Nr. 2 StGB.
10
Die Einziehungsentscheidung war gemäß § 357 StPO auch auf den nicht revidierenden Angeklagten Da. B. zu erstrecken. Nack Wahl Boetticher Kolz Graf

(1) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 ordnet der Richter an; die Staatsanwaltschaft ist hierzu befugt, wenn Gefahr im Verzug ist.

(2) Wenn eine Durchsuchung der Wohnung, der Geschäftsräume oder des befriedeten Besitztums ohne Beisein des Richters oder des Staatsanwalts stattfindet, so sind, wenn möglich, ein Gemeindebeamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in deren Bezirk die Durchsuchung erfolgt, zuzuziehen. Die als Gemeindemitglieder zugezogenen Personen dürfen nicht Polizeibeamte oder Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sein.

(3) Wird eine Durchsuchung in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Durchsuchung von Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.

Tenor

1. Die Revisionen der Angeklagten M.   und J.   A.    gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juni 2015 werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass jeweils ein Monat der verhängten Freiheits- bzw. Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gilt.

2. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten M.   A.    wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten und den Angeklagten J.   A.   wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es Einziehungs- und Verfallsentscheidungen getroffen.

I.

2

Nach den Feststellungen des Landgerichts fand am 1. September 2014 in R.    ein Treffen zwischen dem Angeklagten J.   A.    und     Ah.   , einem mutmaßlich in Belgien lebenden Betäubungsmittelhändler, statt. Dabei vereinbarten sie eine Rauschgiftlieferung von elf Kilogramm Heroinzubereitung, von denen drei Kilogramm für den Angeklagten selbst und weitere zwei Kilogramm für dessen mitangeklagten Bruder M.   bestimmt waren. Beide Angeklagte wollten das Heroin gewinnbringend weiterverkaufen. Die restlichen sechs Kilogramm sollte der Angeklagte J.   A.    aus dem Kurierfahrzeug entnehmen, mit dem das Rauschgift nach Deutschland gebracht werden sollte. Anschließend sollte er es aufbewahren und im weiteren Verlauf an weitere Abnehmer übergeben. J.   A.   erhielt einen Fahrzeugschlüssel für das Kurierfahrzeug, um dieses öffnen zu können, ohne mit dem Kurierfahrer, dem nicht revidierenden Mitangeklagten   Ar. , in Kontakt zu treten.    Ah.   veranlasste die Verladung von 13 kleineren, mit schwarzer Folie und Klebeband umwickelter Pakete mit insgesamt 11.120,8 Gramm Heroinzubereitung in ein in das Fahrzeug eingebautes Schmuggelversteck. Danach übernahm   Ar.  den PKW von   Ah.   und fuhr am 2. September 2014 nach H.   , wo er das Fahrzeug auf dessen Weisung in der V.            abstellte. Ar.  informierte darüber    Ah.   , der seinerseits den Angeklagten J.   A.   davon in Kenntnis setzte. Während Ar.  am F.    H.   ein Zimmer nahm, verständigte J.   A.   seinen Bruder M.   . Gemeinsam fuhren sie am nächsten Morgen zu dem abgestellten Kurierfahrzeug, das sie gegen 6.00 Uhr bestiegen. Als sie losfahren wollten, erfolgte ihre Festnahme. Parallel dazu wurde   Ar.  gegen 6.20 Uhr in seinem Hotelzimmer festgenommen. Das Kurierfahrzeug wurde zugleich ins Polizeipräsidium verbracht und dort zunächst mit negativem Ergebnis durchsucht. Als ein Rauschgifthund anschlug, wurde eine für das Auffinden von Schmuggelverstecken spezialisierte Tatortgruppe angefordert, die gegen 10.50 Uhr das Versteck entdeckte.

3

In der persönlichen Habe des Angeklagten J.   A.   befanden sich u.a. ein funkgesteuerter Fahrzeugschlüssel für einen PKW der Marke Mini und ein Haus- und Wohnungsschlüssel. In den umliegenden Nebenstraßen wurde ein PKW Mini ausfindig gemacht, zu dem der bei dem Angeklagten gefundene Schlüssel passte. Eine auf Anordnung von  G.  erfolgte Durchsuchung des auf die Zeugin E. A.  zugelassenen Fahrzeugs führte zur Sicherstellung von 2.800 €.

4

Gegen 10.20 Uhr informierte   G.  die Staatsanwaltschaft über den bislang ermittelten Sachverhalt, woraufhin diese die Durchsuchung der zwischenzeitlich ermittelten Wohnräume des Angeklagten M.  A.   wegen Gefahr im Verzug anordnete. Zugleich wurde vereinbart, dass mit dem bei J.   A.   aufgefundenen Haus- und Wohnungsschlüssel das Haus aufgesucht werden sollte, vor dem das durchsuchte Fahrzeug abgestellt war. Durch probeweise Schließvorgänge sollte die zu dem Schlüssel passende Wohnung lokalisiert und sodann ebenfalls wegen Gefahr im Verzug durchsucht werden.

5

In der Wohnung des Angeklagten M.   A.   wurden 277,54 Gramm Cannabisharz sowie eine Feinwaage und Verpackungsmaterial aufgefunden. In dem zur Wohnung gehörenden Briefkasten fanden die Durchsuchungskräfte 136,51 Gramm Heroinzubereitung mit einem Wirkstoffgehalt von 8,46 Gramm.

6

Die bei J.   A.   aufgefundenen Wohnungsschlüssel führten zur Wohnung der Zeugin E.  A. , in der die Beamten einen Geldbetrag in Höhe von 2.470 € sicherstellten. Außerdem stießen sie auf zwei optisch einem Fahrzeugschlüssel ähnelnde Sendeeinheiten sowie Kaufverträge und Fahrzeugbriefe für zwei PKW der Marke Opel Astra. Diese auf unbekannte Halter zugelassenen Fahrzeuge konnten in der Nähe des Festnahmeorts aufgefunden werden. Sie wurden noch am 3. September 2014 auf das Sicherstellungsgelände der Polizei verbracht. Am 5. September 2014 ordnete   G.  ohne weitere Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft die Durchsuchung der Fahrzeuge an, da in diesen Betäubungsmittel vermutet wurden. Im Rahmen dieser Durchsuchung wurden baugleiche Schmuggelverstecke entdeckt, in denen sich zum einen 2.999,9 Gramm Heroingemisch mit einem Wirkstoffanteil von 421,9 Gramm Heroinhydrochlorid, 1.629,7 Gramm Cannabisharz mit einen Wirkstoffanteil von 36,42 Gramm THC und 51,45 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffanteil von 40,8 Gramm Kokainhydrochlorid und zum anderen 13,3 Gramm Kokainbase mit einem Wirkstoffgehalt von 5,92 Gramm befanden. Die Betäubungsmittel hatte der Angeklagte J.   A.   dort - zum gewinnbringenden Verkauf vorgesehen - gebunkert.

II.

7

Der Revision des Angeklagten M.  A.   bleibt der Erfolg weitgehend versagt.

8

1. Die mit Schreiben des Angeklagten vom 10. März 2017 erklärte Rücknahme der Revision entfaltet keine Wirkung. Sie ist erst am 16. März 2017 und damit nach Verkündung der Entscheidung durch den Senat beim Bundesgerichtshof eingegangen.

9

2. Der Schuldspruch ist frei von Rechtsfehlern; er beruht entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auf einer tragfähigen und rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.

10

3. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.

11

Das Landgericht hat zugunsten dieses Angeklagten berücksichtigt, dass er im Rahmen eines Haftprüfungstermins sowie im Verkündungstermin hinsichtlich eines erweiterten Haftbefehls zur Tataufklärung beigetragen hat, indem er die zunächst unter den Personalien    B.   angeklagte Person mehrfach glaubhaft als seinen Bruder bezeichnet und damit die Feststellungen der Ermittlungsbehörden zur tatsächlichen Identität des Angeklagten J.   A.   zumindest bestätigt hat. Einer Erörterung, ob diese vor Eröffnung des Hauptverfahrens liegende Aufklärungshilfe die Anwendung des § 31 BtMG rechtfertigt, bedurfte es auch angesichts ihres geringen Gewichts für die Aufdeckung der Tat nicht. Die Einwendungen des Beschwerdeführers im Übrigen zeigen keine Rechtsfehler auf. Sie beschränken sich auf eine eigene Würdigung der vom Landgericht in den Blick genommenen und vertretbar gewichteten Umstände der polizeilichen Überwachung und Sicherstellung der Betäubungsmittel.

12

4. Zur Kompensation der langen Dauer des Revisionsverfahrens ist anzuordnen, dass ein Monat der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gilt. Das Revisionsverfahren hat aus Gründen, die der Angeklagte mit Blick auf Erkrankungen und urlaubsbedingte Abwesenheiten von beteiligten Richtern nicht zu vertreten hat, dreizehn Monate und damit auch unter Berücksichtigung des Umfangs der Sache zu lange gedauert.

III.

13

Auch die Revision des Angeklagten J.   A.   bleibt ohne Erfolg.

14

1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch; dies gilt auch, soweit die Revision der Verwertung der durch die Durchsuchung des Kurierfahrzeugs aufgefundenen Beweismittel widersprochen hat. Die Durchsuchung des ins Polizeipräsidium verbrachten VW Passat nach der Festnahme der beiden Angeklagten war, nachdem   G.  erfolglos versucht hatte, einen Staatsanwalt zur Herbeiführung einer richterlichen Genehmigung zu erreichen, trotz mangelhafter Dokumentation durch die Annahme von Gefahr in Verzug gedeckt. Diese Durchsuchung dauerte noch an, als einige Zeit später um 10.50 Uhr eine spezialisierte Tatortgruppe die Rauschgiftverstecke ausfindig machte. Eine relevante Zäsur ist nicht dadurch eingetreten, dass die erste Nachschau erfolglos geblieben war. Denn nachdem ein Rauschgifthund angeschlagen hatte, war es nunmehr nicht vor Ort befindlichen Spezialisten überlassen, nach dem Rauschgiftversteck zu suchen. Ohne Bedeutung ist es insoweit im Übrigen, dass   G.  zwischenzeitlich den ermittelnden Staatsanwalt erreicht hatte, ohne mit ihm über die Durchsuchung des Kraftfahrzeugs zu sprechen. Eine Pflicht, hinsichtlich einer rechtmäßig auf Gefahr in Verzug gestützten und noch laufenden Durchsuchung eine richterliche Genehmigung zu erwirken, bestand für die Ermittler nicht.

15

2. Der Schuldspruch hält auch auf die Sachrüge hin rechtlicher Nachprüfung stand. Die Feststellungen belegen auch die Begehung einer täterschaftlichen Einfuhr durch den Angeklagten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es nicht erforderlich, dass der Täter der Einfuhr die Betäubungsmittel eigenhändig ins Inland verbringt, vielmehr kann auch derjenige, der die Betäubungsmittel nicht selbst nach Deutschland transportiert, (Mit-)Täter der Einfuhr des unmittelbar handelnden Täters sein. Voraussetzung ist aber, dass er dabei einen Tatbeitrag erbringt, der sich bei wertender Betrachtung nicht bloß als Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der zur Tatbestandsverwirklichung führenden Tätigkeit aller Mitwirkenden darstellt, und die Tathandlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen lässt. Wesentliche in eine wertende Gesamtbetrachtung einzubeziehende Anhaltspunkte für die Täterschaft sind dabei der Grad seines Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft und der Wille dazu. Entscheidender Bezugspunkt bei allen diesen Merkmalen ist der Einfuhrvorgang selbst (BGH, Beschluss vom 2. Juni 2015 - 4 StR 144/15; Beschluss vom 25. Februar 2015 - 4 StR 16/15, NStZ 2015, 346; Beschluss vom 31. März 2015 - 3 StR 630/14, StraFo 2015, 259, 260; Beschluss vom 27. Mai 2014 - 3 StR 137/14; Beschluss vom 11. Juli 1991 - 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 33 mwN). Auch der im Inland aufhältige Empfänger von Betäubungsmitteln aus dem Ausland kann wegen täterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln strafbar sein, wenn er sie durch Dritte über die Grenze bringen lässt und dabei mit Täterwillen die Tatbestandsverwirklichung fördernde Beiträge leistet. Hat der Empfänger hingegen keinen Einfluss auf den Einfuhrvorgang und wartet nur darauf, dass der Lieferant ihm die eingeführten Betäubungsmittel bringt, kann er sich zwar im Hinblick auf die Bestellung des Rauschgifts wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln strafbar machen; die bloße Bereitschaft zur Entgegennahme der eingeführten Betäubungsmittel begründet aber weder die Stellung als Mittäter noch als Gehilfe der Einfuhr (BGH, Beschluss vom 30. Juni 2016 - 3 StR 221/16; siehe auch BGH, Urteil vom 19. April 1989 - 2 StR 688/88, NStZ 1989, 436).

16

Gemessen hieran ist die Annahme einer täterschaftlichen Einfuhr (noch) nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hatte zwar keinen unmittelbaren Einfluss auf den Transportweg und stand während der Fahrt auch nicht mit dem Kurierfahrer in Kontakt, der von dem Verkäufer   Ah.  den PKW mit dem verbauten Rauschgift übernommen hatte. Er war aber in die vorangegangene Organisation der Einfuhrfahrt maßgeblich eingebunden und hatte somit Einfluss auf wesentliche Modalitäten bei der Überführung der Betäubungsmittel nach Deutschland. Der PKW diente nach den Feststellungen des Landgerichts dem Mitangeklagten Ar.  bereits zuvor als Fahrzeug für die Zusammenkunft mit J.   A.  . Hinsichtlich des abgeurteilten Rauschgiftgeschäfts initiierte der Angeklagte am 31. August 2014 die Abholung des bis dahin in F.  stehenden Kurierfahrzeugs, das - nach der Vereinbarung über die Lieferung der 11 Kilogramm vom 1. September 2014 - einen Tag später für den Transport nach Deutschland vorgesehen war. Dabei war J.  A.  das Schmuggelversteck, welches das Risiko einer Entdeckung beim Grenzübertritt minimieren sollte, bekannt; er wusste, wo das Fahrzeug abgestellt werden sollte (und wurde) und besaß einen Schlüssel, um es selbständig und allein öffnen zu können.

17

3. Auch der Strafausspruch begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

18

a) Dies gilt auch, soweit das Landgericht seiner Strafzumessung konkrete Wirkstoffmengen hinsichtlich der in den beiden PKW Opel Astra aufgefundenen Betäubungsmittelmengen zugrunde gelegt hat, obwohl es insoweit von der Rechtswidrigkeit der Fahrzeugdurchsuchung und von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen ist. Es ist hier nicht davon auszugehen, dass sich die rechtswidrige Verwertung der Erkenntnisse aus den zu den Wirkstoffmengen erstellten Gutachten des hessischen Landeskriminalamts zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt hat. Denn der Senat schließt auch mit Blick auf die Wirkstoffgehalte der übrigen sichergestellten Wirkstoffmengen aus, dass - hätte die Strafkammer insoweit eine Schätzung vorgenommen - dies zu für den Angeklagten günstigeren Werten geführt hätte.

19

b) Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts im Übrigen sind entgegen der Ansicht der Revision nicht zu beanstanden. Die Strafkammer hat zugunsten des Angeklagten sein Geständnis und darüber hinaus die Aufklärungshilfe zur Person des   Ah.  strafmildernd berücksichtigt. Mehr war, auch soweit der Angeklagte darüber hinaus die Mitangeklagten Ar.  und seinen Bruder belastet hat, aus Rechtsgründen nicht vonnöten.

20

4. Auch hinsichtlich dieses Angeklagten war aus den schon genannten Gründen anzuordnen, dass ein Monat der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt gilt.

Appl     

       

Krehl     

       

Eschelbach

       

Zeng     

       

Bartel     

       

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 128/16
vom
13. Juli 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
ECLI:DE:BGH:2016:130716U1STR128.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Juli 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum
und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke, Prof. Dr. Mosbacher,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27. Juli 2015 werden verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt worden.
2
Die Revision des Angeklagten und das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Der Angeklagte hielt sich mit seiner damaligen Lebensgefährtin in einem Lokal auf. Dort trafen sie auf den Nebenkläger, der ihnen bereits bekannt war und mit dem sie sich eigentlich gut verstanden. Im Verlaufe des nächtlichen Aufenthalts in der Gaststätte kam es jedoch zu einem Stimmungsumschwung. Nach einer zunächst verbalen Auseinandersetzung zwischen dem erheblich alkoholisierten Nebenkläger (etwa 3,0 Promille BAK) und dem mit 2,21 Promille BAK etwas geringer unter Alkoholeinfluss stehenden Angeklagten erhielt dieser durch den Nebenkläger unvermittelt einen Faustschlag in das Gesicht. Der Wirt sowie ein Gast konnten die Kontrahenten trennen; beide wurden des Lokals verwiesen, wobei zunächst der Angeklagte die Gaststätte verließ und der Wirt den Nebenkläger bewusst erst einige Minuten später aus dem Lokal ließ, um ein erneutes Aufeinandertreffen zu verhindern.
5
Dennoch begegneten sich beide auf der Straße vor der Lokalität. Der Nebenkläger lief von hinten an den Angeklagten heran und versetzte ihm einen Faustschlag gegen den Hinterkopf. Dadurch ging der Angeklagte zu Boden und zog sich eine Schürfwunde zu. Nachdem er wieder auf die Beine gekommen war, entwickelte sich erneut eine verbale Auseinandersetzung. In deren Verlauf beleidigte der Nebenkläger den Angeklagten und dessen Familie.
6
Der aufgrund des Vorgeschehens wütende Angeklagte schlug den Nebenkläger zunächst mehrfach mit der Faust in das Gesicht. Ausweich- und Abwehrbewegungen des Nebenklägers blieben, auch wegen seiner Alkoholisierung , erfolglos. Durch die Schläge ging der Nebenkläger nun seinerseits zu Boden. Als der Angeklagte sich daraufhin zum Gehen wandte, rief der noch am Boden liegende Nebenkläger ihm in kroatischer Sprache, beide Kontrahenten sind kroatischer Herkunft, hinterher: „Ich ficke Deine tote Mutter.“
7
Dadurch fühlte sich der Angeklagte in seiner Ehre angegriffen, kehrte zurück , kniete sich neben den Nebenkläger hin und schlug diesem erneut mehrfach mit der Faust in das Gesicht. Als eine auf das Geschehen aufmerksam gewordene Zeugin mit ihrem Pkw an den beiden vorbeifuhr und die Hupe betätigte , blickte der Angeklagte kurz auf, setzte aber die Schläge anschließend zunächst weiter fort. Einige Zeit später ließ er jedoch vom Nebenkläger ab und entfernte sich einige Meter.
8
Daraufhin rief der Nebenkläger – wiederum in kroatischer Sprache: „Ich ficke alle Deine weiblichen Verwandten“. Der Angeklagte fühlte sich erneut schwer beleidigt, kehrte wieder zu dem immer noch am Boden liegenden Nebenkläger zurück und trat diesem mit schweren Stiefeln an den Füßen mindestens drei Mal heftig in das Gesicht. Erst als er wahrnahm, dass Blut floss, wandte er sich von dem Nebenkläger ab und floh. Um den schwer verletzten Nebenkläger kümmerte er sich nicht, nahm aber wahr, dass dies ein herbeigeeilter Zeuge tat. Der Nebenkläger erlitt mehrere Brüche im Gesichtsbereich, u.a. eine Orbitabodenfraktur sowie solche des Nasen- und des Jochbeins. Zur Stabilisierung wurden ihm mehrere Metallplatten eingesetzt. Seine linke Gesichtshälfte ist noch taub. Er kann ein Auge nicht mehr richtig schließen. Konkrete Lebensgefahr für den Nebenkläger bestand durch die Gewalttätigkeiten des Angeklagten nicht.
9
2. Das Landgericht hat das festgestellte Verhalten des Angeklagten als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB gewertet. Einen bedingten Tötungsvorsatz hat es nicht angenommen. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung hat es sich nicht mit hinreichender Sicherheit von dem volun- tativen Element dieser Vorsatzform überzeugen können. Dabei hat die Strafkammer u.a. den Zustand affektiver Erregung des Angeklagten, seine nicht unerhebliche Enthemmung aufgrund des Alkoholkonsums sowie die Spontanität der Tatausführung aufgrund der vorangegangenen Provokationen des Nebenklägers berücksichtigt.

II.

10
Die Revision des Angeklagten, die angesichts des umfassenden Aufhebungsantrags trotz der allein auf die Ablehnung verminderter Schuldfähigkeit gerichteten Ausführungen nicht als auf den Strafausspruch beschränkt angesehen werden kann, bleibt ohne Erfolg.
11
1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB.
12
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht das mehrfache Vorgehen des Angeklagten gegen den Nebenkläger als einheitliche Körperverletzungstat gewertet hat. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen sind die Voraussetzungen einer natürlichen Handlungseinheit gegeben. Eine solche setzt voraus, dass zwischen mehreren strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen, die von einem einheitlichen Willen getragen werden, ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht und das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen „objektiven“ Drit- ten als ein einheitliches Tun erscheint (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteile vom 28. Februar 2012 – 1 StR 427/11, NStZ-RR 2012, 241, 242 f.; vom 30. Januar 1991 – 2 StR 321/90, BGHR StGB § 1 Entschluss, einheitlicher 4 und vom 25. September 1997 – 1 StR 481/97, NStZ-RR 1998, 68, 69). Bei – wie hier – wiederholter (iterativer) Verwirklichung des gleichen Tatbestandes und damit einhergehender Steigerung der Intensität der Rechtsgutsverletzung liegt eine natürliche Handlungseinheit auch dann vor, wenn die verschiedenen Handlungen im natürlichen Sinne auf die Verwirklichung desselben Tatbestandstypus, also unter Einschluss von Qualifikationen, gerichtet sind (v. Heintschel-Heinegg in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 52 Rn. 56 mwN). Die Verwirklichung des Qualifikationsmerkmals aus § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erst durch die Tritte gegen den Kopf des am Boden liegenden Nebenklägers steht der Verurteilung wegen einer einheitlichen Tat der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB damit nicht entgegen.
13
2. Die Feststellung des sachverständig beratenen Landgerichts, die Schuldfähigkeit des Angeklagten sei trotz einer zur Tatzeit maximalen Blutalkoholkonzentration von 2,21 Promille nicht erheblich eingeschränkt gewesen, beruht auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung und lässt auch im Übrigen Rechtsfehler nicht erkennen.
14
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gibt es keinen gesicherten medizinischen Erfahrungssatz darüber, dass ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden muss (näher BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 – 1 StR 59/12, BGHSt 57, 247, 250 Rn. 19; BGH, Urteil vom 14. Oktober 2015 – 2 StR 115/15, NStZ-RR 2016, 103 f. mwN; siehe auch BGH, Beschluss vom 2. Juli 2015 – 2 StR 146/15, NJW 2015, 3525 f.). Für die Beurteilung der Schuldfähigkeit maßgeblich ist eine Gesamtschau aller wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände, die sich auf das Erscheinungsbild des Täters vor, während und nach der Tat beziehen (BGH, Urteil vom 29. April 1997 – 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66 ff.; BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 – 1 StR 59/12, BGHSt 57, 247, 252 Rn. 22, siehe auch BGH, Beschluss vom 5. April 2000 – 3 StR 114/00, NStZ-RR 2000, 265; BGH, Urteil vom 22. Januar 1997 – 3 StR 516/96, NStZ-RR 1997, 162 aber auch BGH, Beschluss vom 2. Juli 2015 – 2 StR 146/15, NJW 2015, 3525 f.). Dabei kann die – regelmäßig deshalb zu bestimmende (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. März 2012 – 5 StR 49/12 und vom 8. Oktober 1997 – 2 StR 478/97, NStZ-RR 1998, 68) – Blutalkoholkonzentration ein je nach den Umständen des Einzelfalls sogar gewichtiges, aber keinesfalls allein maßgebliches Beweisanzeichen (Indiz) sein (vgl. BGH, Urteile vom 22. Oktober 2004 – 1 StR 248/04, NStZ 2005, 329; vom 6. Juni 2002 – 1 StR 14/02, NStZ 2002, 532 und vom 3. Dezember 2002 – 1 StR 378/02, NStZ-RR 2003, 71; BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 – 1 StR 59/12, BGHSt 57, 247, 252 Rn. 22; vgl. auch BGH, Urteile vom 11. September 2003 – 4 StR 139/03, NStZ 2004, 690 und vom 22. April 1998 – 3 StR 15/98, NJW 1998, 3427).
15
b) Von diesen Grundsätzen ist das Landgericht bei der Beurteilung der Rechtsfrage, ob die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund des konsumierten Alkohols erheblich eingeschränkt war, ausgegangen. In die gebotene Gesamtwürdigung der relevanten Beweisanzeichen hat es neben dem Grad der Alkoholisierung auch das festgestellte und mit sachverständiger Hilfe bewertete Leistungsverhalten des Angeklagten eingestellt. Entgegen der Auffassung der Revision durfte das Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen auch eine „gewisse Alkoholgewöhnung“ bei der Beurteilung der Erheblichkeit einer alkoholbedingten Einschränkung der Steuerungsfähigkeit berücksichtigen. Es hat bedacht, dass der Angeklagte regelmäßig, aber in längeren Abständen Alkohol zu sich nimmt, dann aber in größeren Mengen.
16
c) Erhebliche Einschränkungen der Schuldfähigkeit des Angeklagten hat das Landgericht auch unter dem Aspekt einer durch einen Affekt bedingten tiefgreifenden Bewusstseinsstörung im Sinne von §§ 20, 21 StGB ohne Rechtsfehler verneint. Die auch diesbezüglich sachverständig beratene Strafkammer hat sich bei der Beurteilung des Vorliegens eines eventuell zur Einschränkung der Schuldfähigkeit führenden Affekts erkennbar an den sog. Saß-Kriterien (dazu Theune NStZ 1999, 273, 274; siehe auch BGH, Urteil vom 28. September 2004 – 1 StR 317/04, NStZ 2005, 149 f.) orientiert. Deren Heranziehung und Anwen- dung auf die konkret festgestellten Umstände zur Person des Angeklagten in der Tatsituation und zur mehraktigen Tatausführung lassen keine Rechtsfehler erkennen. Die Angriffe der Revision erschöpfen sich insoweit in dem revisionsrechtlich unbeachtlichen Versuch einer eigenen Beweiswürdigung.
17
d) Die Strafkammer hat bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit auch das Zusammenwirken von Alkoholisierung und affektiver Aufladung der Situation durch das Verhalten des Nebenklägers in Gestalt von Schlägen gegen den Angeklagten und erheblichen Beleidigungen berücksichtigt (UA S. 16).
18
3. Sonstige, dem Angeklagten nachteilige Rechtsfehler zum Strafausspruch enthält das angefochtene Urteil ebenfalls nicht.

III.

19
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt sowohl zum Schuld- als auch zum Strafausspruch ohne Erfolg.
20
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, mit der es einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten und damit eine Verurteilung wegen versuch- ten Totschlags in Tateinheit mit der ausgeurteilten gefährlichen Körperverletzung verneint hat, hält revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.
21
a) Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind (siehe nur BGH, Beschlüsse vom 7. August 2014 – 3 StR 224/14 Rn. 5 [in NStZ-RR 2014, 349 nur redaktioneller Leitsatz] und vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 80 nur redaktioneller Leitsatz]). Der Beur- teilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 136/14 Rn. 20 mwN und vom 15. Dezember 2015 – 1StR 236/15 Rn. 18; BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 80 nur redaktioneller Leitsatz]). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87 und vom 15. Dezember 2015 – 1 StR 236/15 Rn. 18; siehe auch BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – 4 StR 569/15 Rn. 26; Sander in LR-StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 182 mwN).
22
Die schriftlichen Urteilsgründe müssen dabei so sorgfältig und strukturiert abgefasst sein, dass die tatgerichtliche Entscheidung nachvollziehbar und einer revisionsrechtlichen Überprüfung anhand dieses Maßstabes zugänglich ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. August 2014 – 3 StR 224/14 Rn. 5 mwN; BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 180 nur redaktioneller Leitsatz]).
23
b) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteile vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 mwN und vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 26). Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und – weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5 StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588; BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 26). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 f. Rn. 26) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements ). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f.; vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11, NStZ-RR 2012, 105 und vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 f. Rn. 26 mwN) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94,StV 1994, 654; vgl. näher BGH,Urteile vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443 und vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 187 Rn. 26 jeweils mwN).
24
c) An diesen Maßstäben gemessen hält die Beweiswürdigung des Landgerichts zum bedingten Tötungsvorsatz rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Sie erweist sich weder als widersprüchlich noch in einer Weise als lückenhaft , die den Bestand des Urteils insoweit in Frage stellt.
25
aa) Die Strafkammer ist für die Beurteilung des bedingten Tötungsvorsatzes von der gebotenen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände der Tat und des Täters ausgegangen (UA S. 17). Im Rahmen dieser Gesamtschau hat sie die objektiv hochgradige Gefährlichkeit der mit schweren Stiefeln ausgeführten Tritte gegen den Kopf des Nebenklägers berücksichtigt und daraus den Schluss auf das Vorliegen des Wissenselements des (bedingten ) Tötungsvorsatzes gezogen.
26
bb) Dass sich das Landgericht nicht von dem Vorliegen des Willenselements des Tötungsvorsatzes hat überzeugen können, ist angesichts des für die revisionsgerichtliche Prüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung geltenden Maßstabs (Rn. 24) vom Senat hinzunehmen.
27
Es ist der Revision zwar zuzugeben, dass das tatrichterliche Urteil insoweit widersprüchlich ist, als einerseits im Rahmen der Gesamtschau zum bedingten Tötungsvorsatz auf das Fehlen eines Tatmotivs des Angeklagten abge- stellt, andererseits aber das Vorgehen gegen den Nebenkläger mit der Wut auf diesen wegen der vorangegangenen Schläge und Beleidigungen seitens des Nebenklägers erklärt wird (vgl. UA S. 6). Dies führt aber unter Berücksichtigung der übrigen Erwägungen der Strafkammer zum fehlenden Willenselement nicht zu einem durchgreifenden Rechtsfehler in der Beweiswürdigung. Die Strafkammer hat im Rahmen der Gesamtschau maßgeblich auf die Tatbegehung im Zustand affektiver Erregung, die durch Alkoholkonsum bewirkte nicht unerhebliche Enthemmung und die durch die erheblichen Provokationen des Nebenklägers ausgelöste spontane Ausführung der Gewalthandlungen des Angeklagten (vor allem in Gestalt der Fußtritte) abgestellt.
28
Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass bei spontanen, unüberlegten und in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen aus dem Wissen um den möglichen Todeseintritt nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten auf das selbstständig neben dem Wissenselement stehende Willenselement des Vorsatzes geschlossen werden kann (siehe nur BGH, Urteile vom 14. August 2014 – 4 StR 163/14, NStZ 2015, 266, 267 f. und vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 387/15, StraFo 2016, 110 f.). Die Einordnung und Würdigung eines spontanen oder in affektiver Erregung erfolgenden Handelns obliegt dabei dem Tatrichter (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 387/15, StraFo 2016, 110 f.).
29
Da die genannten besonderen Umstände in der Tatbegehung ihrerseits ausreichend beweiswürdigend belegt sind, hat das Tatgericht tragfähige Anhaltspunkte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 30) dafür benannt, warum bei dem Angeklagten trotz der erkannten Möglichkeit des Todeseintritts die Willenskomponente des bedingten Tötungsvorsatzes nicht gegeben ist. Angesichts des rechtsfehlerfrei festgestell- ten zeitlich gestreckten Geschehensablaufs sieht der Senat auch keinen Rechtsfehler in der Beweiswürdigung darin, dass das Tatgericht bezüglich des Ob und der Art der Beleidigungen des am Boden liegenden Nebenklägers ohne weiteres der Einlassung des Angeklagten gefolgt ist. Dessen zweimalige Rückkehr nach jeweiligem vorherigem Abwenden und Entfernen lässt sich zwanglos mit erneuten Beleidigungen durch den Nebenkläger erklären. Das gilt erst recht angesichts des von mehreren Zeugen geschilderten sehr provokanten Verhaltens des Nebenklägers unter Alkoholeinfluss.
30
2. Auch der Strafausspruch erweist sich im Ergebnis als rechtsfehlerfrei.
31
a) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht einen minder schweren Fall der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB angenommen hat.
32
Die Strafbemessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, in die das Revisionsgericht nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers eingreifen darf. Ein solcher kann etwa dann gegeben sein, wenn die Begründung für die verhängte Strafe dem Revisionsgericht die ihm obliegende sachlich-rechtliche Nachprüfung nicht ermöglicht, die Erwägungen des Tatrichters in sich fehlerhaft sind oder die Strafe sich von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nach oben oder unten löst (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 2. August 2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337 und vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240). Das gilt auch, soweit die tatrichterliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falles zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Juli 2006 – 1 StR 150/06, NStZ-RR 2006, 339, 340; vom 31. Juli 2014 – 4 StR 216/14, juris Rn. 4 und vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240).
33
Die Strafkammer hat in die gebotene Gesamtwürdigung die Schwere der Verletzungen des Nebenklägers und die Verwirklichung von zwei Qualifikationsmerkmalen aus § 224 StGB eingestellt. Dass das Tatgericht das konkrete Tatbild mit einer gewissen Nähe zum bedingten Tötungsvorsatz nicht ausreichend berücksichtigt habe, wie der Generalbundesanwalt meint, führt nicht zu einem durchgreifenden Rechtsfehler. Denn ungeachtet der zum Tatgericht in der gebotenen Weise zugunsten des Angeklagten berücksichtigten Umstände, lag ein minder schwerer Fall der gefährlichen Körperverletzung hier bereits deshalb nicht fern, weil nach den Feststellungen die – zu berücksichtigenden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2012 – 3 StR 206/12, NStZ-RR 2012, 308; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 224 Rn. 15 mwN) – Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB gegeben sind (zu diesen näher BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – 1 StR 574/14, NStZ 2015, 582 f.). Angesichts dessen stellt auch die rechtsfeh- lerhafte Berücksichtigung des zeitweiligen Vollzugs von Untersuchungshaft die Entscheidung der Strafkammer zur Strafrahmenwahl nicht in Frage.
34
b) Auch die Milderung des Strafrahmens aus § 224 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB über § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB hält rechtlicher Prüfung stand.
35
Die Revision weist zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend darauf hin, dass für einen Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB sich das Verhalten des Täters als Ausdruck der Übernahme von Verantwortung erweisen muss (Fischer aaO § 46a Rn. 10a mit zahlr. Nachw.). Daran fehlt es regelmäßig , wenn der Täter seine Tat als Notwehrhandlung darstellt und damit bereits die Opferrolle des Geschädigten in Frage stellt (BGH, Urteil vom 23. Mai 2013 – 4 StR 109/13 mwN [in NStZ-RR 2013, 240 nur Leitsätze]). So verhält es sich vorliegend aber nicht. Der Angeklagte hat die Tatbegehung als solche eingeräumt und sich bei dem Geschädigten entschuldigt, der diese auch angenommen hat. Soweit er sich eingelassen hat, der Nebenkläger habe ihn noch am Boden liegend mit der Faust geschlagen, wird damit eine Notwehrsituation nicht behauptet. Auch die beschönigende Darstellung der als solche eingestandenen Tritte gegen das Gesicht steht der Übernahme von Verantwortung und insbesondere die Anerkennung der Opferrolle des geschädigten Nebenklägers nicht entgegen.
36
Das Vorliegen eines kommunikativen Prozesses zwischen dem Nebenkläger und dem Angeklagten ist auch im Übrigen durch die Feststellungen des Landgerichts ausreichend belegt.
37
c) Die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zur Bewährung gemäß § 56 Abs. 1 und 2 StGB ist angesichts des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs rechtsfehlerfrei.
38
Bei der Entscheidung über die Strafaussetzung ist dem Tatrichter ein weiterer Beurteilungsspielraum zuerkannt, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat (BGH, Urteil vom 13. Februar 2001 – 1 StR 519/00, NStZ 2001, 366; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2016 – 4 StR 25/16 Rn. 3). Hat das Tatgericht die für und gegen die Aussetzung sprechenden Umstände gesehen und gewürdigt und ist dessen Entscheidung auch dann hinzunehmen, wenn eine andere Bewertung denkbar gewesen wäre (BGH aaO).
39
Diesen Anforderungen ist die Strafkammer gerecht geworden. Sie hat im Rahmen der Prognose (§ 56 Abs. 1 StGB) insbesondere auf die günstigen sozio -ökonomischen Lebensbedingungen des Angeklagten sowie dessen bisherige Unbestraftheit abgestellt sowie hinsichtlich § 56 Abs. 2 StGB mit den erheblichen Provokationen des Nebenklägers und dem Täter-Opfer-Ausgleich besondere Umstände benannt.

IV.

40
Die Entscheidungen zu den Kosten und Auslagen beruhen auf § 473 Abs. 1 und 2 StPO. RiBGH Prof. Dr. Jäger ist im Urlaub und deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum Graf Raum Radtke Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 194/16
vom
22. November 2016
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2016:221116U1STR194.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. November 2016, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender,
die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke, Prof. Dr. Mosbacher und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer,
Staatsanwältin – in der Verhandlung –, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung – als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 19. Januar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere als Schwurgerichtskammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. 4. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Dagegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren jeweils auf materiell-rechtliche Beanstandungen gestützten Revisionen. Das zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, das sich vor allem gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts wendet, hat Erfolg. Die Revision des Angeklagten bleibt dagegen erfolglos.

I.

2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte und der später geschädigte Nebenkläger waren am Tattag jeweils als Kraftfahrzeugführer mit ihren Pkws unterwegs. Als der Angeklagte wegen eines vor ihm nach links abbiegenden Fahrzeugs anhalten musste , machte der mit seinem Pkw hinter ihm zum Halten gekommene Nebenkläger mit der Lichthupe auf sich aufmerksam. Dieser glaubte, es sei dem Angeklagten möglich, rechts an dem wegen des geplanten Abbiegevorgangs haltenden Fahrzeug vorbeizufahren. Nach der Betätigung der Lichthupe gestikulierten beide in ihren Fahrzeugen. Aus diesem Grund bemerkte der Angeklagte zunächst nicht, dass das bislang vor ihm stehende Fahrzeug mittlerweile abgebogen und die Fahrbahn damit frei war.
4
Der Nebenkläger fuhr daraufhin an dem noch stehenden Pkw des Angeklagten vorbei und setzte seine Fahrt rasch fort. Es entstand ein erheblicher Abstand zwischen beiden Fahrzeugen. Der Angeklagte war entschlossen, den Nebenkläger zur Rede zu stellen und beschleunigte seinen Wagen, um den Nebenkläger einzuholen. Als ihm dies nach rund einem Kilometer Fahrstrecke gelungen war, veranlasste er den Nebenkläger durch Handzeichen zum Anhalten.
5
Der Angeklagte erwartete im Folgenden eine Auseinandersetzung mit dem Nebenkläger. Nachdem dieser aus seinem Fahrzeug ausgestiegen war, erkannte der Angeklagte angesichts der Statur des Nebenklägers, dassdieser ihm bei einer körperlichen Auseinandersetzung überlegen sein werde. Daraufhin nahm der Angeklagte ein im Wagen mitgeführtes Taschenmesser mit einer Klingenlänge von gut 6,3 cm an sich, bevor er aus seinemFahrzeug ausstieg.
Das Messer hielt er in seiner geschlossenen rechten Hand. Es kam zunächst zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen beiden, in deren Verlauf der Angeklagte – weiterhin vom Nebenkläger unbemerkt – das Taschenmesser aufklappte. Als der Nebenkläger im Verlauf des Geschehens den Angeklagten im Bereich des Hemdkragens anfasste, stach dieser unvermittelt mit dem Taschenmesser in einer bogenförmigen Bewegung von schräg unten auf Höhe der Brustwarze in den Thoraxbereich des Nebenklägers. Dieser erlitt durch den Stich eine 10 bis 15 cm tiefe, lebensbedrohliche Wunde im Bereich des linken Thorax, die später notfallmäßig operativ versorgt werden musste und eine dreitägige stationäre Behandlung nach sich zog.
6
Der Nebenkläger bemerkte unmittelbar nach dem Stich die stark blutende Verletzung, wich zurück und lief vom Ort des Geschehens weg. Der Angeklagte setzte ihm zunächst nach. Als er erkannte, den Nebenkläger nicht einholen zu können, kehrte er um, begab sich zu seinem Fahrzeug und fuhr davon.
7
2. Das Landgericht hat einen (wenigstens) bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten verneint und ihn wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB) verurteilt. Der Messerstich gegen den Nebenkläger sei unabhängig von der Frage, ob überhaupt eine Notwehrlage bestanden habe, jedenfalls wegen des aufgrund vorangegangener vorwerfbarer Provokation des Angeklagten eingeschränkten Notwehrrechts nicht geboten gewesen.

II.

Revision der Staatsanwaltschaft
8
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die der Ablehnung bedingten Tötungsvorsatzes zugrunde liegende Beweiswürdigung des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
9
1. Das Landgericht hat die Ablehnung bedingten Tötungsvorsatzes beim Angeklagten auf mehrere Erwägungen gestützt, denen es indizielle Bedeutung gegen ein billigendes Inkaufnehmen des Todes des Nebenklägers trotz der er- kannten „abstrakten Gefahr“ (UA S. 17) des ausgeführten Messerstichs bei- misst. So handele es sich um eine spontane Tat des sich in einer emotional aufgeladenen Stimmungslage befindlichen Angeklagten. Aufgrund des Vorgeschehens sei er in einem affektiven Erregungszustand gewesen, in dem er das Risiko der Verwirklichung des Totschlags falsch beurteilt habe.
10
2. Diese Beweiserwägungen erweisen sich – auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (etwa BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 25 mwN und vom 13. Juli 2016 – 1 StR 128/16 Rn. 20 f.) – als rechtsfehlerhaft. Die Begründung, mit der das Landgericht darlegt, sich keine Überzeugung zumindest vom bedingten Tötungsvorsatz verschaffen zu können, legen bereits einen nicht in jeder Hinsicht rechtsfehlerfreien Maßstab zugrunde. Zudem sind sie teils lückenhaft, teils stehen sie in Widerspruch zu sonstigen getroffenen Feststellungen.
11
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 mwN; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 26 und vom 13. Juli 2016 – 1 StR 128/16 Rn. 23). Bezogen auf bedingten Tötungsvorsatz liegt bei äußerst gefähr- lichen Gewalthandlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und – weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5 StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588; Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 26 und vom 13. Juli 2016 – 1StR 128/16 Rn. 23). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter , obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 f. Rn. 26 und vom 13. Juli 2016 – 1 StR 128/16 Rn. 23) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f.; vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11, NStZ-RR 2012, 105 und vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 f. Rn. 26 mwN) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; vgl. näher BGH, Urteile vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 187 Rn. 26 und vom 13. Juli 2016 – 1 StR 128/16 Rn. 23 jeweils mwN).

12
Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen der gebotenen Gesamtschau auf eine „für Tötungsdelikte deutlich höhere Hemmschwelle“ abgestellt worden ist (Nachw. in BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 189 Rn. 32), erschöpft sich dies in einem Hin- weis auf die Bedeutung des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) bezüglich der Überzeugungsbildung vom Vorliegen eines (wenigstens) bedingten Tötungsvorsatzes (BGH aaO BGHSt 57, 183, 191 Rn. 34). Der Bundesgerichtshof hat immer wieder hervorgehoben, dass durch den Aspekt der „Hemmschwelle“ die Wertung der hohen und offensichtlichen Lebensgefährlichkeit von Gewalthandlungen als ein gewichtiges, auf Tötungsvorsatz hinweisendes Beweisanzeichen nicht in Frage gestellt oder auch nur relativiert werden solle (BGH aaO BGHSt 57, 183, 191 Rn. 34 mwN).
13
b) Das Landgericht ist bereits diesen Maßstäben für die inhaltlichen Anforderungen an den bedingten Tötungsvorsatz und dessen Nachweis im Strafprozess nicht in jeder Hinsicht gerecht geworden. Zwar hat es im rechtlichen Ausgangspunkt insoweit noch zutreffend zwischen auf das Rechtsgut Leben bezogenem Gefährdungsvorsatz und bedingtem Tötungsvorsatz unterschieden. Soweit es die Unterscheidung ausdrücklich auch mit der „viel höhere(n) Hemmschwelle“ begründet, die vor einem Tötungsvorsatz stehe (UA S. 17),weist es dem Aspekt der Hemmschwelle jedoch eine Bedeutung für die Bewertung des Vorliegens oder Nichtvorliegens bedingten Tötungsvorsatzes zu, die ihr nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zukommt. Das Tatgericht hat den von dem Angeklagten geführten Messerstich als sehr gefährliche Gewalthandlung bewertet. Angesichts dessen hätte es tragfähiger Anhaltspunkte in der Beweiswürdigung dafür bedurft, auf die entweder die Einschätzung gestützt werden kann, der Angeklagte habe den Grad der Lebensgefährlichkeit seines Vorgehens nicht erkannt und sei sich deshalb der konkreten Möglichkeit der Tötung des Nebenklägers nicht bewusst gewesen oder er habe trotz Kenntnis von der konkreten Möglichkeit des Todes ernsthaft auf dessen Ausbleiben vertraut. Weder das eine noch das andere wird durch die Beweiswürdigung des Tatgerichts in einer rechtsfehlerfreien Weise belegt.
14
c) Zwar unterliegt die dem Tatrichter vorbehaltene Beweiswürdigung der Beurteilung durch das Revisionsgericht lediglich dahingehend, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 136/14 Rn. 20 mwN; vom 15. Dezember 2015 – 1 StR 236/15 Rn. 18 und vom 13. Juli 2016 – 1 StR 128/16 Rn. 21; Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 180 nur redaktioneller Leitsatz]). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87 und vom 15. Dezember 2015 – 1 StR 236/15 Rn. 18; siehe auch BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – 4 StR 569/15 Rn. 26; Sander in LR-StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 182 mwN). Für eine Beweiswürdigung zum bedingten Tötungsvorsatz bedarf es bei objektiv hochgradig lebensgefährlichem Vorgehen des Täters zur Verneinung des voluntativen Vorsatzelements jedoch einzelfallbezogener tragfähiger Anhaltspunkte dafür , dass der Täter dennoch ernsthaft auf das Ausbleiben des Todeserfolgs vertraut hat (BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 191 Rn. 34 mwN). Anderenfalls erweist sich die Beweiswürdigung als rechtsfehlerhaft.
15
Solche Rechtsfehler enthält die Beweiswürdigung des Tatgerichts zum bedingten Tötungsvorsatz.
16
aa) Soweit das Landgericht von einer „spontanen Tat“ und einer „emotio- nal aufgeladenen Spannungslage“ ausgeht, lässt sich dem Urteil bereits nicht entnehmen, ob dem indizielle Bedeutung gegen das Wissens- oder das Wollenselement des bedingten Tötungsvorsatzes beigemessen wird. Unabhängig davon finden aber beide herangezogenen Aspekte keine tragfähige Stütze in den übrigen Feststellungen. Der Angeklagte hatte nach dem wechselseitigen Gestikulieren während des verkehrsbedingten Haltens beider Fahrzeuge den Nebenkläger zielgerichtet verfolgt, um ihn zur Rede zu stellen. Nachdem er diesen zum Anhalten veranlasst hatte, begab sich der Angeklagte bewusst in eine Situation, in der er eine Auseinandersetzung erwartete (UA S. 7). Trotz der Sorge um eine körperliche Unterlegenheit suchte er weiterhin die Auseinandersetzung und bewaffnete sich nach den Feststellungen, um die angenommene Unterlegenheit auszugleichen. Das aus seinem Fahrzeug mitgenommene Messer verbarg er in der geschlossenen rechten Hand und klappte dieses vom Nebenkläger unbemerkt auf. Ausweislich der Feststellungen erfolgte dieses Aufklappen bereits bevor der Nebenkläger den Angeklagten im Bereich des Hemdkragens anfasste (UA S. 7). Aus welchen tatsächlichen Umständen das Landgericht die Spontaneität der Tatbegehung ableiten will, lässt sich angesichts dessen nicht erkennen. Erweist sich die Annahme einer Spontantat nicht als tragfähig begründet, kann dem keine indizielle Bedeutung gegen bedingten Tötungsvorsatz zukommen.
17
bb) Entsprechendes gilt für den vom Landgericht angenommenen „affek- tiven Erregungszustand“ des Angeklagten, in dem er das „Risiko der Verwirkli- chung des Tatbestandes des § 212 StGB falsch beurteilt habe“ (UA S. 17). Der vagen Formulierung mag noch entnommen werden können, dass das Tatgericht dem Zustand indizielle Bedeutung gegen das Wissenselement des bedingten Tötungsvorsatzes zumessen will. Der als Beweisanzeichen herangezogene affektive Erregungszustand findet jedoch selbst wiederum keine ausreichende Grundlage in der Beweiswürdigung und lässt sich zudem aus den im vorstehenden Absatz dargelegten Gründen mit den sonstigen Feststellungen zum Tatvorgeschehen und zur Tatausführung selbst nicht vereinbaren.
18
cc) Das Landgericht hat aus dem Nachtatverhalten des Angeklagten Schlüsse gegen einen bei ihm vorhandenen Tötungsvorsatz gezogen (UA S. 17 f.), was grundsätzlich im Rahmen der gebotenen Gesamtschau möglich ist. Auch diesen Schlüssen mangelt es aber vor dem Hintergrund der sonstigen Feststellungen an einer tragfähigen Grundlage. Soweit das Tatgericht zugrunde legt, der Angeklagte sei von seinem eigenen Tun schockiert und erschrocken gewesen, bedurfte es für eine lückenlose Beweiswürdigung zum Tötungsvorsatz einer Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass der Angeklagte dem nun zurückweichenden Nebenkläger nach der Ausführung des Stichs folgte und von der Verfolgung des Nebenklägers im Laufschritt erst absah, als er erkannte, diesen nicht einholen zu können (UA S. 7).
19
3. Auf der rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung beruht der Schuldspruch hinsichtlich der zum Nachteil des Nebenklägers begangenen Tat. Nach den vom Tatgericht bisher getroffenen Feststellungen kommt ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten vom versuchten Tötungsdelikt nicht ernsthaft in Betracht.
20
Die Rechtsfehler in der Beweiswürdigung bedingen auch die Aufhebung der insgesamt getroffenen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO).

III.

Revision des Angeklagten
21
Die auf die Revision des Angeklagten veranlasste Überprüfung des angefochtenen Urteils hat keine durchgreifenden Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.
22
1. Der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB) wird von den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen.
23
Das Landgericht hat im Ergebnis ebenfalls ohne Rechtsfehler eine Rechtfertigung des Angeklagten aufgrund Notwehr (§ 32 Abs. 1 StGB) verneint.
24
Auch sind Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte die Intensität des vom Landgericht unter Anwendung des Zweifelssatzes angenommenen gegenwärtigen Angriffs des Nebenklägers aufgrund fehlerhafter Wahrnehmung der tatsächlichen Umstände falsch einschätzte und sich deshalb zum sofortigen , nicht angedrohten Einsatz des Messers berechtigt wähnte, nicht ersichtlich.
25
2. Der Strafausspruch enthält keinen durchgreifenden Rechtsfehler.
26
Wie vom Generalbundesanwalt zutreffend aufgezeigt, hat das Landgericht zwar die rechtlich gebotene Vorgehensweise bei der Prüfung eines minder schweren Falls – hier gemäß § 224 Abs. 1 letzter Halbs. StGB – nicht in jeder Hinsicht beachtet. Er wäre zu erörtern gewesen, ob der angenommene vertypte Strafmilderungsgrund aus § 46a Nr. 1 StGB, durch dessen Heranziehung der Angeklagte jedenfalls nicht beschwert ist, im Zusammenwirken mit den berück- sichtigten allgemeinen Strafmilderungsgründen zur Annahme eines minder schweren Falls hätte führen können. Erst wenn das Landgericht auch mit Blick hierauf weiterhin die Bejahung eines minder schweren Falls nicht für angemessen gehalten hätte, hätte es seiner Strafzumessung den gemäß § 46a, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 224 Abs. 1 Halbs. 1 StGB zugrunde legen dürfen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 18. März 2015 – 3 StR 7/15 Rn. 2 mwN). Angesichts der konkret verhängten Strafe und der bei der Vorgehensweise des Landgerichts niedrigeren Mindeststrafe als bei der des minder schweren Falls des § 224 Abs. 1 StGB kann der Senat aber ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht. Graf Cirener Radtke Mosbacher Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 420/14
vom
12. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Februar
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –,
Richterin am Landgericht – bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Pflichtverteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 24. März 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs und fahrlässigen unerlaubten Besitzes eines nach dem Waffengesetz verbotenen Gegenstandes zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Vom Vorwurf, einen (besonders) schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie einen Diebstahl begangen zu haben, hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den hinsichtlich der Raubtat ergangenen Teilfreispruch.
2
Ausweislich der Ausführungen in der Revisionsrechtfertigung, mit denen die Beschwerdeführerin ausschließlich den Freispruch vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung als sachlich-rechtlich fehlerhaft beanstandet, ist das Rechtsmittel ungeachtet des in der Revisionsbegründung abschließend formulierten umfassenden Aufhebungsantrags auf diesen Teilfreispruch beschränkt (vgl. BGH, Urteile vom 12. April 1989 – 3 StR453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14 Rn. 7 mwN; Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 7).
3
Die wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.


4
Zu dem in der zugelassenen Anklage gegen den Angeklagten erhobenen Vorwurf, gemeinsam mit einem bislang unbekannten Täter einen schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben, hat die Strafkammer folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
In den frühen Morgenstunden des 10. Juli 2013 gegen 2.00/2.30 Uhr klingelte es an der Wohnungstür des Geschädigten. Unbedarft öffnete er die Wohnungstür und erblickte zwei schwarz gekleidete und mit Sturmhauben maskierte männliche Personen, welche ihn unvermittelt zurück in seine Wohnung drängten und zu Boden zwangen. Einer der beiden Männer hielt einen schwarzen, etwa 50 bis 80 cm langen Schlagstock in der Hand und fuchtelte mit diesem herum, wobei er den Geschädigten auch am linken Unterarm traf. Während einer der beiden maskierten Männer den Geschädigten mit dem Fuß auf dem Brustkorb am Boden hielt, trug der andere verschiedene elektronische Geräte in der Wohnung zusammen. Er holte einen Rucksack aus dem Schlafzimmer und verstaute darin einen Laptop Sony Vaio, eine Playstation 3 sowie eine Toshiba Festplatte. Ferner stellte er ein Mischpult Traktor Kontrol S2, welches sich in einem Karton befand, zur Mitnahme bereit. Anschließend forderten die Täter den Geschädigten auf, sowohl seine Geldbörse als auch sein Mobiltelefon , ein Apple iPhone 4-8 GB, herauszugeben. Aus Angst und unter dem Eindruck des Überfalls stehend übergab der Geschädigte die geforderten Gegenstände. In der Geldbörse befanden sich u.a. der Personalausweis, der Führerschein und die Krankenkassenkarte des Geschädigten. Unter Mitnahme der genannten Gegenstände verließen die Täter sodann die Wohnung.
6
Das Mobiltelefon des Geschädigten verkaufte der Angeklagte am 22. Juli 2013 für 130 € an den Bruder seiner ehemaligen Freundin, nachdem er es in der Zeit vom 12. Juli 2013 bis zum Verkauf selbst genutzt hatte. Das entwendete Laptop nutzte der Angeklagte vom 12. Juli bis 15. Juli 2013 und veräußerte es anschließend für 100 € an seine ehemalige Freundin. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten konnten am 22. Juli 2013 das Mischpult des Geschädigten sowie dessen Führerschein und Krankenkassenkarte aufgefunden werden.
7
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Beteiligung an dem Raubüberfall zum Nachteil des Geschädigten freigesprochen, weil nicht habe festgestellt werden können, wie der Angeklagte an die Gegenstände aus der Tatbeute gelangt sei. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine wahldeutige Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei hat es verneint.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die dem Teilfreispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
9
1. Das Revisionsgericht hat es regelmäßig hinzunehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302; vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78 aaO). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180). Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110, 111). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (vgl. BGH, Urteile vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97 aaO; vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juli 2014 – 4 StR 129/14 Rn. 7; vom 18. August 2009 – 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85, 86; vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, 91).
10
2. Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht in jeder Hinsicht gerecht.
11
a) Die Strafkammer hat die Einlassung des Angeklagten, er sei, nachdem er am Tattag bis gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr bei seiner Schwester gewesen sei, von dort an die Schwimmhalle in Bitterfeld gefahren worden, wo er seinen Bekannten K. O. getroffen habe, der ihm „schöne Dinge“ angeboten und gefragt habe, ob er daran Interesse habe, als unglaubhaft bewertet. Dabei hat sie sich u.a. auf die Zeugenaussage der Schwester des Angeklagten gestützt, die bekundet hat, den Angeklagten gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr gemeinsam mit einer Freundin von ihr zur Haustür begleitet, ihn anschließend aber nicht zur Schwimmhalle gefahren zu haben. Wenn das Landgericht dieses Beweisergebnis dahingehend bewertet, dass dem Angeklagten für die Tatzeit ein Alibi fehlt (UA S. 22), liegt dem ersichtlich die Annahme zugrunde, dass es dem Angeklagten nach den zeitlichen und räumlichen Gegebenheiten möglich war, nach dem Verlassen der Wohnung der Schwester um 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr die wenig später um 2.00/2.30 Uhr verübte Raubtat zu begehen. Die objektiv belegte Gelegenheit zur Tatausführung, die daraus resultiert, dass der Angeklagte maximal 1 ½ Stunden vor der Tat in der eine Tatausführung ermöglichenden Nähe zum Tatort unterwegs war, stellt aber ein den Angeklagten belastendes Indiz dar, das in seinem Beweiswert durch den bloßen Hinweis auf das fehlende Alibi zur Tatzeit nicht erschöpfend erfasst wird und daher in die tatrichterlichen Überlegungen hätte einbezogen werden müssen.
12
b) Im Rahmen der Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse wäre zudem zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte nicht nur über ohne weiteres selbst zu nutzende oder wirtschaftlich verwertbare Gegenstände aus der Beute verfügte , sondern mit dem Führerschein und der Krankenkassenkarte des Geschädigten auch solche Beutestücke in Besitz hatte, denen kein unmittelbarer Vermögenswert zukommt und für deren Überlassung durch einen Raubtäter kein nachvollziehbarer Anlass erkennbar ist.
13
c) Mit seiner der Ablehnung einer wahldeutigen Verurteilung zugrunde liegenden Annahme, der Erwerb der Gegenstände aus der Beute könne auch auf einem dritten Weg erfolgt sein, der in seiner konkreten Gestalt nicht näher bekannt sei, hat die Strafkammer schließlich eine Sachverhaltsvariante für möglich erachtet, für welche sich aus dem Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben. Soweit die Strafkammer in der Unglaubhaftigkeit der Schilderung des Angeklagten über den (hehlerischen) Erwerb der Gegenstände von seinem Bekannten K. O. einen Anhalt für ihre Annahme gesehen hat, hat sie verkannt, dass der widerlegten Einlassung des Angeklagten keine Beweisbedeutung zukommt, die gegen eine anderweitige hehlerische Erlangung der Beutestücke durch den Angeklagten spricht. Das Landgericht hat es insoweit versäumt, eine umfassende Würdigung aller Beweisumstände vorzunehmen und auf dieser Grundlage zu prüfen und zu entscheiden, ob die Beweisergebnisse die Überzeugung zu tragen vermögen, dass der Angeklagte die Gegenstände aus der Tatbeute entweder durch die Raubtat oder im Wege der Hehlerei erlangt hat.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 354/03
vom
30. März 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. März
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 14. März 2003 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Freiburg zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten erneut vom Vorwurf der Vergewaltigung zum Nachteil der Nebenklägerin S. freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Nebenklägerin. Diese beanstandet die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


1. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 29. September 1998 - 1 StR 416/98 - das erste in dieser Sache ergangene Urteil des Landgerichts vom 28. November 1997 auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin hin aufgehoben, soweit der Angeklagte von dem jetzt noch in Rede stehenden Tatvorwurf freigesprochen worden war. In der ersten Hauptverhandlung hatte sich das Landgericht nicht davon überzeugt, daß der Angeklagte gemeinsam mit einem unbekannten Mittäter namens J. die Zeugin
S. am 19. August 1996 gegen 20.30 Uhr in der Parkanlage hinter dem Sch. -Gymnasium in Bad Sä. überfallen habe, wobei beide Täter abwechselnd jeweils den Oral- und Vaginalverkehr erzwungen hätten (Anklage vom 13. April 1997). In einer mit diesem Verfahren verbundenen weiteren Anklage war dem Angeklagten darüber hinaus vorgeworfen worden, an einem nicht näher feststellbaren Tag in der zweiten Augusthälfte 1996 wiederum mit einem unbekannten Mittäter namens J. und ebenfalls im Sch. park in Bad Sä. eine weitere, allerdings unbekannt gebliebene Frau zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Diese hatte sich später anonym bei einer Frauenberatungsstelle gemeldet, war danach aber nicht mehr in Erscheinung getreten. Auch von diesem Tatvorwurf hat das Landgericht den Angeklagten mit seinem ersten Urteil vom 28. November 1997 freigesprochen. Insoweit ist jenes Urteil rechtskräftig.
Hinsichtlich des Vorwurfs der Vergewaltigung zum Nachteil der Zeugin S. konnte das Landgericht seinerzeit Zweifel nicht überwinden, ob der Angeklagte bei seinem früheren, später widerrufenen Geständnis diejenige Tat geschildert habe, welche der Zeugin widerfahren sei. Auch die Identifizierung des Angeklagten durch die Zeugin sei nicht verläßlich genug, um Unstimmigkeiten zwischen den Tatschilderungen der Zeugin und des Angeklagten in seiner früheren geständigen Einlassung vernachlässigen zu können.
2. Das Landgericht hat sich auch in der erneuten Hauptverhandlung nicht davon zu überzeugen vermocht, daß es der Angeklagte war, der die Zeugin S. mit einem unbekannten Mittäter vergewaltigt hat. Zwar sei die Zeugin S. , wie von ihr geschildert, Opfer einer Vergewaltigung geworden ; es lasse sich jedoch nicht feststellen, daß der Angeklagte die Tat be-
gangen habe. Das später widerrufene Geständnis des Angeklagten im Ermittlungsverfahren beziehe sich zwar wahrscheinlich auf eine tatsächlich verübte Tat, obwohl dies nicht als völlig zwingend erscheine. Es bestünden aber erhebliche Zweifel an der Identität der von dem Angeklagten einerseits und der Zeugin andererseits jeweils geschilderten Tatabläufe. Unterschiede hätten sich bei den Angaben hinsichtlich des Ausgangspunkts der Tat und der Gehrichtung des Opfers, dessen Kleidung und Haarfarbe, der Kleidung der Täter, des Tattags und der Ausübung von Oralverkehr ergeben. Diese Abweichungen könnten auch nicht mit der Überlegung relativiert werden, daß die Begehung zweier vergleichbarer Vergewaltigungstaten durch jeweils zwei (andere) Täter in Bad Sä. in kurzem zeitlichem Abstand wenig wahrscheinlich sei. Die Strafkammer konnte sich von der Täterschaft des Angeklagten auch nicht aufgrund seiner Identifizierung als Täter durch dieZeugin S. überzeugen. Die Identifizierung bei der Wahllichtbildvorlage sei aufgrund von Unsicherheiten bei der Beschreibung der Barttracht des Angeklagten nicht sicher gewesen. Auch in der Hauptverhandlung hätten sich Unsicherheiten in bezug auf die Barttracht und die Lage der Narbe im Gesicht des Angeklagten ergeben.

II.


Das freisprechende Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es weist im wesentlichen die gleichen rechtlichen Fehler bei der Beweiswürdigung auf wie das seinerzeit aufgehobene erste landgerichtliche Urteil. Die Beweiswürdigung leidet wiederum unter Erörterungsmängeln, beachtet nicht in jeder Hinsicht die für sie geltenden Maßgaben und überspannt die an die tatrichterliche Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen.
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; kann er die erforderliche Gewißheit nicht gewinnen und zieht er die hiernach gebotene Konsequenz und spricht frei, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Revisionsgericht die Beweisergebnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Ein Urteil kann indes dann keinen Bestand haben, wenn die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft ist. Dies ist etwa der Fall, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht berücksichtigt oder naheliegende Schlußfolgerungen nicht erörtert , wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 1999, 338, 339; NJW 2002, 2188, 2189).
Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen , wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen. Eine Beweiswürdigung, die über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht, ist rechtsfehlerhaft (BGH NStZ 2002, 656, 657). Liegen mehrere Beweisanzeichen vor, so genügt es nicht, sie jeweils einzeln abzuhandeln. Auf solche einzelnen Indizien ist der Grundsatz "in dubio pro reo" nicht isoliert anzuwenden. Das einzelne Beweisanzeichen ist vielmehr mit allen anderen Indizien in eine Gesamtwürdigung einzustellen. Erst die Würdigung des gesamten Beweisstoffes entscheidet letztlich darüber, ob der Richter die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen gewinnt. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglich-
keit, daß sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (BGH NStZ-RR 2000, 45).
2. Die Strafkammer mußte ihrer Beweiswürdigung die Aussage der Zeugin S. zugrunde legen und prüfen, ob diese glaubhaft ist und ob die Zeugin den Angeklagten überzeugungskräftig als Täter identifiziert hat. Dabei hat die Kammer jedoch nicht hinreichend bedacht, daß der Zweifelssatz nicht schon auf das einzelne Indiz, sondern erst bei der abschließenden Überzeugungsbildung aufgrund der gesamten Beweislage anzuwenden ist. Bereits vor der Gesamtschau aller Beweise hat das Landgericht hier wesentliche Beweisanzeichen für die Täteridentifikation - wie die Lage der Narbe, die Barttracht, den Geruch und weitere Identifizierungsmerkmale - jeweils einzeln unter Zugrundelegung des Zweifelssatzes als „nicht völlig zwingend“ und deshalb nicht überzeugend erachtet. Das läßt besorgen, daß es bei der Gesamtwürdigung solche Indizien nicht hinreichend einbezogen hat, denen es für sich gesehen keinen „zwingenden“ Beweiswert beigemessen hat. Darüber hinaus hat es einzelne Beweisanzeichen und naheliegende Möglichkeiten nicht erschöpfend oder überhaupt nicht erörtert.

a) Die Strafkammer hat sich zur Identifizierung des Angeklagten durch die Zeugin S. mit dem Beweisanzeichen der Narbe befaßt, dabei aber die Angaben der Zeugin zur Lage der Narbe im Gesicht eines der Täter und das tatsächliche Vorhandensein einer Narbe unter dem linken Auge des Angeklagten nicht erschöpfend gewürdigt.
Das Landgericht sieht in dem Umstand, daß ein Tatopfer einen Täter an einer Narbe wieder erkennt, grundsätzlich ein starkes Indiz für die Richtigkeit
der Identifizierung; das gelte unabhängig von etwaigen Abweichungen hinsichtlich deren genauer Lage. Es hält den Wert der Wiedererkennung hier aber deshalb für gemindert, weil die Zeugin auch nach der Gegenüberstellung mit dem Angeklagten bei der fehlerhaften Beschreibung der Lage der Narbe geblieben ist und darauf beharrt hat, diese habe sich über dem linken Auge befunden. In diesem Zusammenhang läßt es allerdings unberücksichtigt, daß die Zeugin den Angeklagten in der Hauptverhandlung "zu 100 %" identifiziert hat. Zudem erörtert es nicht, welche Bedeutung der Aussage der Zeugin zur Lage der Narbe gerade vor dem Hintergrund zukommt, daß diese bei ihrer Beschreibung insoweit auch später blieb, obwohl sie spätestens nach der ersten Gegenüberstellung in der Hauptverhandlung im November 1997 naheliegenderweise die tatsächliche Lage der Narbe unter dem linken Auge gekannt haben müßte. Wenn die Zeugin dennoch den Täter mit einer über dem Auge liegenden Narbe beschrieben hat, liegt die Erklärung nahe, daß sie diese aus ihrer Erinnerung beschrieben hat, die jedoch nicht in jeder Hinsicht verläßlich war. Dabei war zu bedenken, daß die beiden Täter die liegende Zeugin auch kopfseitig von oben festgehalten haben. Wie dem Senat aus der Befassung mit dem ersten, aufgehobenen Urteil des Landgerichts bekannt ist, war dort festgestellt , daß sich die Zeugin inzwischen (damals, in jener Hauptverhandlung) nicht mehr sicher war, wo am Auge des Täters sich die Narbe genau befunden habe. Diese Besonderheiten hätte die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer in ihre Bewertung einbeziehen müssen.

b) Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist auch hinsichtlich des Beweisanzeichens der Barttracht unvollständig und wird den Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung nicht vollends gerecht.
Die ZeuginS. hat auch in der erneuten Beweisaufnahme gleichbleibend bestätigt, daß einer der Täter - ihres Erachtens der Angeklagte - keinen Bart getragen habe. Daneben hat sie aber den unbekannten Mittäter mit einem leicht an den Mundwinkeln herabwachsenden Schnurrbart beschrieben. Der Angeklagte hatte im Rahmen seines (später widerrufenen) Geständnisses angegeben, daß er zur Tatzeit zumindest einen Oberlippenbart getragen habe, welcher sicher an den Seiten etwas länger ausgeprägt gewesen sei. Danach hat die Zeugin einem der Täter einen Bart zugeordnet, der nach der Form der Barttracht des Angeklagten zur Tatzeit entsprechen konnte. Die Möglichkeit, daß die Zeugin den von ihr tatsächlich erwähnten Bart versehentlich dem falschen Täter zugeordnet haben könnte, wird vom Landgericht als spekulativ bezeichnet, ohne die besondere Anspannung der Zeugin in der Tatsituation und den Umstand zu würdigen, daß sie aus der Erinnerung zwei Täter zu beschreiben hatte, denen sie bestimmte Merkmale zuordnen mußte.

c) Darüber hinaus setzt sich das Landgericht wie im ersten Urteil mit dem besonderen Merkmal der Stimme des Angeklagten nicht hinreichend auseinander , obwohl die Zeugin die Stimme des entsprechenden Täters als näselnd beschrieben hat. Auch fehlt eine Erörterung der Sprache des Angeklagten im Hinblick auf den von der Zeugin beschriebenen „fehlenden Dialekt“. Gerade diese Umstände können nicht aufgrund einer nach Ansicht des Landgerichts methodisch unzulänglichen früheren Wahllichtbildvorlage wiedererkannt werden. Dies gilt auch für den von der Zeugin erstmals als Wiedererkennungsmerkmal erwähnten Geruch des Angeklagten. Das Urteil enthält keine Angaben zu den konkreten Abständen zwischen dem Angeklagten und der Zeugin in der jetzigen Hauptverhandlung und damit den Geruchswahrnehmungsmöglichkeiten. Weiter fehlt eine Würdigung im Hinblick auf Alter, Größe
und Haarfarbe des Angeklagten. Schließlich wird nicht darauf eingegangen, inwieweit die Zeugin den Angeklagten anhand der Augen wiedererkannt haben will. In dem ersten, aufgehobenen Urteil ist von einem hängenden Augenlid die Rede, einem Merkmal, mit dem sich das Tatgericht damals fehlerhaft nicht auseinandergesetzt hatte. Nunmehr wird dieser Umstand vom Landgericht ebenso wie die Gesichtsform nicht einmal mehr erwähnt. Das Urteil läßt schließlich eine Auseinandersetzung mit der beschriebenen erheblichen Alkoholisierung des Täters vermissen, während im ersten Urteil immerhin noch die insoweit übereinstimmenden Angaben von Angeklagtem und Zeugin festgestellt worden waren. Auch dies wäre als Indiz im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen gewesen.

d) Überdies ist die Annahme des Landgerichts nicht tragfähig, die Identifizierungsleistung der Zeugin verliere deswegen an Wert, weil sich der Angeklagte seinerzeit aufgrund der von der Zeugin gegebenen, in der Zeitung abgedruckten Täterbeschreibung nach deren Lektüre gestellt habe. Es liegt nahe, daß ein Zeuge eine Person als Täter identifiziert, die er zuvor beschrieben hat und die der Beschreibung entspricht, und zwar unabhängig davon, ob diese sich selbst gestellt hat oder nicht. Dies kann sogar ein Hinweis auf die Verläßlichkeit der Identifizierung sein. Sollte die Strafkammer hingegen gemeint haben , ein etwaiges Wissen des Identifizierungszeugen um die Selbstgestellung könne die Identifizierungsleistung beeinflussen, hätte dies klar zum Ausdruck gebracht und begründet werden müssen.
3. Auch die Würdigung der Einlassung des Angeklagten leidet unter Erörterungsmängeln und ist deshalb nicht tragfähig.

a) Der Senat hatte beanstandet, daß das Motiv des Angeklagten für den Widerruf seines bei mehreren Vernehmungen wiederholten Geständnisses nicht genügend gewürdigt worden sei. Die Schilderung der zeitlichen Abläufe und näheren Umstände des Widerrufs hat er als nicht ausreichend erachtet. Im ersten Urteil hatte das Landgericht als Grund für den Widerruf erwähnt, der Angeklagte habe mit einer Freiheitsstrafe von etwa drei Jahren gerechnet. Nachdem sein Anwalt ihm dann aber gesagt habe, daß ihn eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren erwarte, sei ihm das doch zuviel gewesen. Das jetzige Urteil erwähnt diese Umstände nicht mehr. Die Strafkammer führt aus, es sei nicht völlig unwahrscheinlich, daß sich der Angeklagte aufgrund seiner traumatischen sexuellen Erfahrungen mit seinem Vater in eine Opferrolle hineingesteigert haben könnte, aufgrund deren er dann ein solches Geständnis unabhängig von seinem tatsächlichen Wahrheitsgehalt abgelegt haben könnte, um - wie er erklärt hat - seinem Vater „eins auszuwischen“.
Diese Erklärung des Angeklagten für sein widerrufenes Geständnis, dem "Vater eins auszuwischen", mag, auch wenn das eher fern liegt, möglicherweise geeignet sein, das - dann falsche - Geständnis gegenüber der Polizei zu erklären, nicht ohne weiteres jedoch das zuvor nach Lektüre des Presseartikels gegenüber der Zeugin St. abgegebene. Das hätte der Erörterung bedurft.

b) Das Landgericht würdigt bei der Prüfung des Wahrheitsgehalts der früheren geständigen Einlassung des Angeklagten nicht ausreichend deren Aussagequalität.
Auch ein frei erfundenes Geständnis, um dem Vater „eins auszuwischen“ , birgt die Gefahr der fehlenden Konstanz insbesondere dann, wenn das
Tatgeschehen so genau wie hier beschrieben worden ist. Eine Erklärung dafür, warum das widerrufene Geständnis des Angeklagten durch Beständigkeit und Detailtreue auch in Nebensächlichkeiten gekennzeichnet ist, führt die Strafkammer nicht an. Sie geht daran vorbei, daß sich der Angeklagte das Geständnis sehr spontan überlegt haben muß, wenn er nach dem Lesen des Zeitungsartikels mit der Täterbeschreibung noch am selben Tag zunächst gegenüber der Zeugin St. die Tat eingestanden und sich in der Nacht der Polizei gestellt hat. Dies hätte der näheren Bewertung bedurft.
c) Die Beweiswürdigung zum Aufenthalt des Angeklagten zum Tatzeitpunkt ist nicht tragfähig. Zwar nimmt das Landgericht nicht an, der Angeklagte habe ein Alibi nachweisen können, weil er am Spätnachmittag des 19. August 1996 persönlich bei seinem Arbeitgeber gekündigt habe. Das Landgericht hält es aber "für sehr unwahrscheinlich", daß sich der Angeklagte danach noch nach Bad Sä. begeben und dort die Vergewaltigung begangen habe (UA S. 19). Es konnte jedoch keine Feststellungen dazu treffen, wann genau und wo der ZeugeL. den Angeklagten nach dem Besuch des Arbeitgebers mit dem Fahrzeug abgesetzt hat. Dieser hat sich nur noch daran erinnert, daß die Fahrt zum Arbeitgeber zwischen 17.00 Uhr und 20.00 Uhr stattgefunden und der Angeklagte sich dort ca. ein- bis eineinhalb Stunden aufgehalten habe. Da die Tat gegen 20.30 Uhr geschehen sein soll, konnte aus diesen Angaben keine tragfähige Folgerung auf die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit einer anschließenden Vergewaltigung in Bad Sä. gezogen werden.

d) Indem das Landgericht es als nicht "völlig zwingend" erachtet, daß das Geständnis der Wahrheit entspreche und der Angeklagte auch an der Tat zum Nachteil der Zeugin S. beteiligt gewesen sei, hat es den Grundsatz der freien Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft angewandt: Für die Beantwortung
der Schuldfrage kommt es allein darauf an, ob der Tatrichter die Überzeugung von einem bestimmten Sachverhalt erlangen kann oder nicht. Der Begriff der Überzeugung schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Sachverhalts nicht aus; vielmehr gehört es gerade zu ihrem Wesen, daß sie sehr häufig objektiv möglichen Zweifel ausgesetzt bleibt. Der Tatrichter ist aber nicht gehindert, an sich mögliche, wenn auch nicht zwingende Folgerungen aus bestimmten Tatsachen zu ziehen. Sie müssen allerdings tragfähig sein (BGHSt 10, 208, 209 f.; 41, 376, 380; BGH, Urt. v. 4. September 2003 - 3 StR 224/03). Da das Landgericht auch im Blick auf andere Beweisumstände an sich mögliche Schlüsse als „nicht völlig zwingend“ bewertet oder Beweisanzeichen als „kein zwingendes Indiz“ charakterisiert (etwa UA S. 19), steht angesichts der hier vorliegenden besonderen Umstände zu besorgen, daß es die Anforderungen an die Überzeugungsbildung überspannt haben könnte.
4. Das Landgericht hat eine naheliegende Möglichkeit nicht ausdrücklich gewürdigt, die sich aus der Zusammenschau des widerrufenen Geständnisses des Angeklagten und der Aussage der Zeugin S. ergibt. Diese erklärt möglicherweise die von der Strafkammer hervorgehobenen Differenzen zwischen den beiden Tatschilderungen und kann ihnen den beweismindernden Wert hinsichtlich der Bekundungen der Zeugin weitgehend nehmen.
Die Strafkammer hat offen gelassen, ob dem später widerrufenen Geständnis des Angeklagten ein wirkliches Ereignis zugrunde liegt. Einerseits hält sie es für wahrscheinlich, daß das Geständnis wegen der Detailliertheit und Konstanz der Angaben über einen längeren Zeitraum und mehrere Vernehmungen hinweg der Wahrheit entspreche. Sachverständig beraten führt sie andererseits aus, es sei nicht völlig unwahrscheinlich, daß der Angeklagte ein
solches Geständnis „unabhängig von seinem Wahrheitsgehalt abgelegt“ haben könnte. Wie bereits im ersten, aufgehobenen Urteil ist die Strafkammer davon ausgegangen, daß das widerrufene Geständnis des Angeklagten deshalb fragwürdig sei, weil es in wesentlichen Punkten von den Angaben der Geschädigten abweiche. Insbesondere habe der Angeklagte den Ausgangspunkt, von dem aus und die Gehrichtung, in welcher er und sein Mittäter das Opfer verfolgten , anders als die Zeugin beschrieben. Differenzen bestünden darüber hinaus hinsichtlich der Schilderung der Kleidung des Opfers und der Täter sowie des Tathergangs in seinen Einzelheiten.
Das Geständnis des Angeklagten wäre jedoch nur dann ohne jeden Beweiswert , wenn davon auszugehen wäre, daß es erfunden war. Liegt ihm hingegen ein wahrer, wenn auch nicht der angeklagte Sachverhalt zugrunde, bestünde zwischen den Angaben der Zeugin hinsichtlich des Tathergangs und der geständigen Einlassung des Angeklagten möglicherweise kein wirklicher Widerspruch, weil beide dann verschiedene, aber reale Geschehensabläufe beschrieben haben könnten. Die vom Landgericht hervorgehobenen Differenzen hinsichtlich der Schilderungen etwa zur Kleidung des Opfers (Hose oder Rock, roter Slip) verlören dann weitgehend ihre Bedeutung für die Würdigung der Aussage der Zeugin S. und deren Wiedererkennung des Angeklagten. Das Landgericht hätte sich deshalb die Frage vorlegen müssen, ob das später widerrufene, aber detailreiche und von Konstanz gekennzeichnete Geständnis des Angeklagten zwar eine andere Tat betraf, er aber dennoch auch die - von ihm dann nicht gestandene - Tat zum Nachteil der Zeugin S. begangen hat. Es hätte in Betracht ziehen müssen, ob der Angeklagte aufgrund der veröffentlichten Täterbeschreibung nach Begehung einer zweiten Tat zunächst nach seiner Gestellung nur Anlaß sehen konnte, lediglich eine der
Taten zu gestehen. Auf diese Möglichkeit könnte hindeuten, daß innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums an demselben Ort zwei Vergewaltigungen mit derselben Vorgehensweise von jeweils zwei Tätern begangen worden sein könnten. Dabei hätte jeweils einer der Täter nach den insoweit übereinstimmenden Angaben sowohl der Zeugin als auch des Angeklagten eine Tätowierung mit dem Motiv einer Spinne aufgewiesen. Der zweite Täter, der die Tat zum Nachteil der Zeugin S. mit begangen hat, hätte dann ebenso wie der Angeklagte , der die Tat zum Nachteil des unbekannten Opfers gestanden und beschrieben hätte, eine Narbe am Auge. Würde das Landgericht also beide Schilderungen - das frühere Geständnis des Angeklagten, aber auch die Tatschilderung der Zeugin S. - unter diesen Umständen für nicht widersprüchlich und für glaubhaft halten, müßte es sich fragen, ob es sich auf solcher Grundlage davon überzeugen kann, daß der Angeklagte auch die von ihm nicht gestandene Tat zum Nachteil der Nebenklägerin begangen hat. Die Abweichungen in den Tatschilderungen könnten dann nicht mehr gegen eine solche Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten im Fall zum Nachteil der Nebenklägerin ins Feld geführt werden. Der Identifizierungsleistung der Zeugin käme dann für die Wiedererkennung in der Hauptverhandlung und auch in bezug auf die Wahllichtbildvorlage möglicherweise ein höherer Beweiswert zu.
Daß der Angeklagte von dem Vorwurf der zweiten Vergewaltigung zum Nachteil des unbekannten Opfers rechtskräftig freigesprochen ist, hindert nicht dessen Erörterung und etwaige indizielle Bewertung im Blick auf den noch in Rede stehenden Anklagevorwurf. Der rechtskräftige Freispruch verbraucht die Strafklage und steht fortan einer Sanktionierung wegen der nämlichen Tat ent-
gegen. Eine Tatsachenbindung gehört aber nicht zum Wesen der Rechtskraft (vgl. BGHSt 43, 106, 108 f.; Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. Einl. Rdn. 170, 188).

III.


Auf diesen sachlich-rechtlich erheblichen Beweiswürdigungsmängeln kann das Urteil beruhen. Es ist nicht auszuschließen, daß das Landgericht bei ihrer Vermeidung die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gewonnen hätte.

IV.


Die Sache muß somit neu verhandelt und entschieden werden. Der Senat verweist sie an ein anderes Landgericht zurück (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO; vgl. im übrigen Bd. III Bl. 713 ff. der Strafakten).
Nack Boetticher Schluckebier Herr Richer am BGH Hebenstreit Elf ist erkrankt und deshalb an der Unterschrift verhindert. Nack

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 59/10
vom
25. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Mai 2010 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 2. November 2009 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Die Strafkammer hat folgendes festgestellt:
2
Der Angeklagte verkaufte aus einem Vorrat von etwas mehr als einem Kilogramm Haschisch, den er, wie er angibt, von einem inzwischen verstorbenen und aus „Pietätsgründen“ nicht benannten Lieferanten erhalten hatte, an B. zwischen Ende November und kurz vor Weihnachten 2008 zweimal je 100 Gramm Haschisch und einmal 200 Gramm Haschisch. Bei der dritten Lieferung erklärte er, er könne erst wieder im Januar liefern. Am 13. Februar 2009 wollte er dann vereinbarungsgemäß 300 Gramm Haschisch liefern, wurde aber vor der Übergabe festgenommen. Er hatte drei Haschischplatten mit einem Gewicht von zusammen 291,3 Gramm dabei, außerdem in seiner Hosentasche ein Springmesser. Bei diesem springt die Klinge seitlich aus dem Griff heraus, der aus dem Griff herausragende Klingenteil ist nicht länger als 8,5 cm. Es ist nicht zweiseitig geschliffen, aus „starkem“ Material und spitz zulaufend. Der Angeklagte erklärte hierzu, er habe das Messer nicht einsetzen wollen, sondern es wegen seiner Tätigkeit als Hausmeister in der Hosentasche gehabt. In seiner Wohnung wurden vier Haschischplatten mit einem Gesamtgewicht von 387,50 Gramm ge- funden. Diese hatten etwa den gleichen Wirkstoffgehalt wie das bei der Festnahme sichergestellte Rauschgift.
3
Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in drei Fällen sowie bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) zu vier Jahren und sechs Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, ein Geldbetrag wurde für verfallen erklärt. Für das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wurden zweimal je ein Jahr und sechs Monate und einmal zwei Jahre Freiheitsstrafe verhängt; das bewaffnete Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wurde als minder schwerer Fall (§ 30a Abs. 3 BtMG) bewertet, die Strafe von drei Jahren und drei Monaten jedoch dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG entnommen.
4
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, wobei eine Gesamtschau der Revisionsbegründungen vom 2. und 11. Dezember 2009 ergibt, dass auch der Schuldspruch angefochten sein soll.
5
Das Rechtsmittel hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
6
Möglicherweise sind sämtliche Taten im Blick auf eine Bewertungseinheit tateinheitlich verbunden (1.a), eine entsprechende Änderung des Schuldspruchs durch den Senat ist jedoch nicht möglich (1.b). Außerdem ist die für eine Verurteilung gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erforderliche Feststellung, dass das Messer zur Verletzung von Personen bestimmt war, bisher nicht rechtsfehlerfrei getroffen (2.). Auf der Grundlage der Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 30a Abs. 3 BtMG ist die Strafkammer von einer unzutreffenden Höchststrafe ausgegangen (3.). Sollte von einer Bewertungseinheit auszugehen sein, hätte die Bewertung eines Teilaktes des Geschehens als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Einfluss auf den Schuldspruch insgesamt, die Bewertung als minder schwerer Fall Einfluss auf den insgesamt anzuwendenden Strafrahmen (4.).
7
1. Mehrere Rauschgiftgeschäfte sind dann im Sinne von Tateinheit in einer Bewertungseinheit verbunden, wenn sie in ein und demselben Güterumsatz in einem Handlungsteil, etwa bei Erwerb, Lieferung oder Bezahlung des Kaufpreises in einer Gesamtmenge oder in einem Geldbetrag zusammentreffen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. vom 14. Januar 2010 - 1 StR 587/09; Körner BtMG 6. Aufl. § 29 Rdn. 846 f. m.w.N.). Die Strafkammer hat diesen hier möglicherweise einschlägigen Gesichtspunkt nicht erörtert.
8
a) Die Menge von verkauftem und sichergestelltem Rauschgift entspricht der von dem Unbekannten gelieferten Menge. Zudem hatte sowohl das bei der Festnahme als auch das in der Wohnung sichergestellte Rauschgift etwa den gleichen Wirkstoffgehalt. Daher ergeben die Urteilsgründe die Auffassung der Strafkammer, der Angeklagte habe sämtliches Rauschgift, mit dem er Handel getrieben hat, in einer Lieferung bezogen.
9
b) Dennoch kann der Senat nicht, wie beantragt, den Schuldspruch (entsprechend § 354 Abs. 1 StPO) auf Tateinheit umstellen. Dies setzte - abgesehen von der nach Maßgabe des Einzelfalles zu beurteilenden Frage nach der Vereinbarkeit mit § 265 StPO - klare, erschöpfende und eindeutige Feststellungen voraus; es ist dagegen nicht möglich, wenn eine neue Hauptverhandlung andere oder ergänzende Feststellungen erwarten lässt, oder wenn eine dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung der Feststellungen erforderlich ist (vgl. BVerfG NStZ 2001, 187, 188; BGH, Urt. vom 8. Dezember 2009 - 1 StR 277/09 ; BGH NStZ 2008, 213; NJW 1973, 1511, 1512; Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 354 Rdn. 18; Temming in HK-StPO 4. Aufl. § 354 Rdn. 12 jew. m.w.N.). Hier sagte der Angeklagte im Dezember 2008 zu B. , er könne erst im Januar 2009 wieder liefern. Dies spricht dagegen, dass er zum Zeitpunkt der Äußerung weiteres Rauschgift besaß.
10
Einige Feststellungen sprechen also für eine Bewertungseinheit, andere dagegen. Eine zusammenfassende Würdigung dieser Erkenntnisse (§ 261 StPO) ist nicht vorgenommen, da die Strafkammer die Möglichkeit einer Bewertungseinheit nicht erwogen hat. Auf dieser Grundlage kommt eine Schuldspruchänderung durch den Senat nicht in Betracht. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass im Hinblick auf den Zweifelssatz getroffene Feststellungen keine tragfähige Grundlage für die Annahme einer Bewertungseinheit sein können (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschl. vom 14. Januar 2010 - 1 StR 587/09; zusammenfassend Körner aaO § 29 Rdn. 855 m.w.N.).
11
2. Während alle sonstigen Voraussetzungen von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ohne den Angeklagten benachteiligende Rechtsfehler bejaht sind, geht die Strafkammer ohne weiteres davon aus, die Bestimmung des geschilderten Messers zur Verletzung von Personen folge aus seiner Beschaffenheit. Dies trifft so nicht zu.
12
a) Eine Bestrafung gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt voraus, dass der Täter bei der Tat eine Schusswaffe - hier nicht einschlägig - oder einen Gegenstand mit sich führt, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist. Daran, dass das in Rede stehende Messer seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet ist, besteht kein Zweifel. Hinzukommen muss eine subjektive Zweckbestimmung durch denjenigen, der den Gewahrsam an dem Gegenstand hat, hier also den Angeklagten. Diese Zweckbestimmung, die von dem Bewusstsein, den Gegenstand gebrauchsbereit mit sich zu führen, zu unterscheiden ist, braucht nicht im Hinblick auf die konkret beabsichtigte Straftat getroffen worden zu sein, da § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG insoweit keine Verwendungsabsicht erfordert; es reicht aus, wenn die genannte Zweckbestimmung zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Tatbegehung erfolgt ist (st. Rspr.; vgl. zusammenfassend Franke/Wienroeder BtMG 3. Aufl. § 30a Rdn. 16 m.w.N.).
13
b) Vielfach ergibt sich diese Zweckbestimmung ohne weiteres aus den äußeren Umständen; hierzu können etwa die Beschaffenheit des Gegenstandes ebenso zählen, wie seine sonstigen Verwendungsmöglichkeiten oder Ort und Art seiner Aufbewahrung (vgl. zusammenfassend Weber BtMG 3. Aufl. § 30a Rdn. 116 m.w.N.). Fehlt ein nachvollziehbarer Grund dafür, dass der Täter einen objektiv gefährlichen Gegenstand griffbereit mit sich führt, ohne dass er ihn je zur Verletzung von Menschen bestimmt hätte, bedarf die Annahme einer entsprechenden Zweckbestimmung durch ihn regelmäßig keiner besonderen Begründung (vgl. BGHSt 43, 266, 269; BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Gegenstand 5; Körner aaO § 30a Rdn. 57, 58; Weber aaO Rdn. 117, 124 jew. m.w.N.). Kommt dagegen bei einem gängigen Gebrauchsgegenstand (vgl. die Beispiele bei Weber aaO Rdn. 118) nach den Umständen des Falles die Möglichkeit in Betracht, dass ihn der Täter aus sonstigen Gründen mit sich führte, so ist die Annahme, er habe ihn zur Verletzung von Menschen bestimmt, konkret zu begründen; der Hinweis, dass dieser Gegenstand nach seiner objektiven Beschaffenheit zur Verletzung von Menschen geeignet sei, genügt dann nicht (st. Rspr.; vgl. d. N. bei Weber aaO Rdn. 118).
14
c) So verhält es sich hier. Der Angeklagte war zur Tatzeit als Hausmeister tätig. Er hat erklärt, er habe das Messer - keinen unter § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG fallenden verbotenen Gegenstand (vgl. Anlage 2 zum WaffG Abschnitt 1 Unterpunkt 1. 4. 1, Satz 2) - deswegen bei sich gehabt. Die Unrichtigkeit dieser Einlassung versteht sich weder von selbst, noch hat die Strafkammer hierzu Aus- führungen gemacht. Es fehlt daher an einer tragfähigen Grundlage für die Annahme , der Angeklagte habe das Messer (auch) zur Verletzung von Menschen bestimmt.
15
3. Die Strafkammer nimmt mit eingehender Begründung einen minder schweren Fall des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge an, § 30a Abs. 3 BtMG.
16
a) Zutreffend führt sie unter Hinweis auf BGH NJW 2003, 1679, 1680 aus, der zugleich erfüllte § 29a Abs. 1 BtMG trete zwar hinter § 30a BtMG zurück, entfalte aber im Falle des § 30a Abs. 3 BtMG hinsichtlich der Mindeststrafe eine Sperrwirkung. Darüber hinaus ist die Strafkammer der Auffassung, hier sei insgesamt der Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG anzuwenden, sodass die Mindeststrafe ein Jahr, die Höchststrafe 15 Jahre betrage. Die Bejahung eines minder schweren Falles gemäß § 30a Abs. 3 BtMG dürfe (auch hinsichtlich der Höchststrafe) nicht dazu führen, dass dem bewaffneten Täter eine geringere Strafe drohe, als dem unbewaffneten Täter.
17
b) Diese Auffassung entspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2003, 1679, 1680; vgl. auch BGHSt 30, 166, 167 f.). Danach gilt vielmehr in derartigen Fällen die Höchststrafe der für den Schuldspruch maßgeblichen Bestimmung, mag dies auch (wie, nach der Bejahung eines minder schweren Falles, hier) „als systemwidrig und unbefriedigend empfunden“ (BGH NJW 2003, 1679, 1680) werden, was „auf die wenig geglückte Harmonie der Strafrahmen des Betäubungsmittelstrafrechts zurückzuführen“ ist (BGH aaO). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Im Übrigen wurde inzwischen die Höchststrafe des § 30a Abs. 3 BtMG von fünf Jahren auf zehn Jahre erhöht (Art. 5 Nr. 7 AMGuaÄndG vom 17. Juli 2009, BGBl. I 1990, 2010). Dies ist in den Gesetzesmaterialien damit begründet, dass der vom Bundesgerichtshof (aaO) aufgezeigte Wertungswiderspruch beseitigt werden soll (BT-Drucks. 16/ 12256 S. 61; BR-Drucks. 171/09 S. 102 f.). Die verschärfte Neufassung von § 30a Abs. 3 BtMG ist allerdings hier nicht anwendbar, weil sie zur Tatzeit noch nicht galt, § 2 Abs. 1 und 3 StGB.
18
4. Sollte die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer insgesamt von einer Bewertungseinheit ausgehen (vgl. oben 1.) und das Geschehen vom 13. Februar 2009 als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ansehen (vgl. oben 2), würde diese Bewertung eines Teilaktes eines im Rechtssinne einheitlichen Geschehens (vgl. Franke/Wienroeder aaO § 29 Rdn. 68) dazu führen, dass es sich bei der Tat insgesamt um bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge handeln würde (vgl. Körner aaO § 30a BtMG Rdn. 73 m.w.N.). Würde die Strafkammer insgesamt von einem minder schweren Fall ausgehen, wäre die Strafe dem aufgezeigten , zur Tatzeit geltenden Strafrahmen zu entnehmen (vgl. oben 3.), wobei die im aufgehobenen Urteil gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO) nicht überschritten werden dürfte. Hinsichtlich der Strafhöhe würde entsprechendes gelten, wenn ein minder schwerer Fall verneint würde, sodass die an sich in § 30a Abs.1 BtMG vorgesehene Mindeststrafe von fünf Jahren unterschritten werden müsste. Nack Wahl Graf Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 542/13
vom
8. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Januar 2014 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. Juli 2013 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist, und
b) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine dagegen gerichtete Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen verwahrte der Angeklagte in seiner Wohnung 99,7 g Kokaingemisch auf einem Wohnzimmerschrank und 145,5 g Cannabisharz in seinem Kleiderschrank im Schlafzimmer. Zudem hatte er in seiner Jacke an der Flurgarderobe 0,47 g Kokaingemisch und 0,24 g Cannabisharz. Sämtliche Drogen waren zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Im Wohnzimmer befand sich in dem aufklappbaren Sitzteil einer etwa drei Meter vom Wohnzimmerschrank entfernten Couch neben und unter anderen Gegenständen , die in Plastiktüten verpackt waren, griffbereit ein Fahrtenmesser mit einer 14,5 cm langen Klinge und abgebrochener Spitze in einer abgenutzten Lederscheide. Dies war dem Angeklagten bewusst. Bei einer Durchsuchung der Wohnung am 21. November 2011, bei der die Betäubungsmittel aufgefunden und sichergestellt wurden, wurde das nur mit nicht unerheblichem Kraftaufwand aufzuklappende Sitzteil der Wohnzimmercouch erstmals nach einem Jahr wieder geöffnet – wie das Landgericht als Wahrunterstellung seinen Feststellungen zugrunde gelegt hat.
3
2. Diese Feststellungen belegen zwar, dass der Angeklagte mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben hat. Sie tragen jedoch nicht den Schuldspruch wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG).
4
Insoweit entbehren die Feststellungen schon einer tragfähigen Beweiswürdigung. Wie das Landgericht im Ausgangspunkt nicht verkannt hat, setzt der Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG voraus, dass der Täter den gefährlichen Gegenstand bei der Tatbegehung bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann. Die Annahme eines Bewusstseins des Angeklagten von einer jederzeitigen Gebrauchsbereitschaft des Fahrtenmessers wird in der Beweiswürdigung des Landgerichts jedoch nicht mehr aufgegriffen und versteht sich auch nicht als eine Schlussfolgerung aus den übrigen festgestellten Tatsachen von selbst. So bleibt ungeklärt, ob dem Angeklagten oder einem anderen Mitglied seiner Familie das Fahrtenmesser gehörte und von wem es mindestens ein Jahr vor der Wohnungsdurchsuchung an seinem Verwahrort in der Couch abgelegt wurde.
5
Zudem fehlt es an einer Feststellung, dass es sich bei dem Messer um einen zur Verletzung von Personen bestimmten Gegenstand im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. BtMG gehandelt hat. Aus seiner Beschreibung als Fahrtenmesser mit einer abgebrochenen Klinge ergibt sich lediglich, dass das Messer objektiv zur Verletzung von Personen geeignet war. Dies reicht allerdings noch nicht aus, um auch die zur Verwirklichung des Qualifikationstatbestands notwendige subjektive Zweckbestimmung des Gegenstands durch den Täter zu belegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Oktober 1997 – 3 StR 465/97, BGHSt 43, 266, 267, vom 25. Mai 2010 – 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98, und vom 6. November 2012 – 2 StR 394/12, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Gegenstand 6; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 30a Rn. 87 f.; Weber, BtMG, 3. Aufl., § 30a Rn. 117 f.), zu der sich die Urteilsgründe überhaupt nicht verhalten. Das beschriebene Messer ist weder eine Waffe im technischen Sinne , noch unterfällt es – wie sich aus der fehlenden Erwähnung dieses Messertyps in der Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 2.1 zu § 1 Abs. 4 WaffG ergibt – der Kategorie der sogenannten gekorenen Waffen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b WaffG, bei denen die subjektive Zweckbestimmung zur Verletzung von Personen regelmäßig auf der Hand liegt. Vielmehr handelt es sich hier um einen werkzeugartig auch zu handwerklichen Zwecken nutzbaren Gebrauchsgegenstand , bei dem die Annahme, dass der Täter ihn (auch) zur Verletzung von Menschen bestimmt habe, der ausdrücklichen Feststellung und Begründung bedarf.
6
3. Ein Schuldspruch wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge scheidet danach aus. Da nicht zu erwarten ist, dass in neuer Hauptverhandlung insoweit weitergehende Feststellungen als bisher getroffen werden könnten, hat der Senat den Schuldspruch entsprechend geändert. Dies führt zur Aufhebung des Strafausspruchs.
Basdorf Dölp König
Berger Bellay

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 59/10
vom
25. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Mai 2010 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 2. November 2009 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Die Strafkammer hat folgendes festgestellt:
2
Der Angeklagte verkaufte aus einem Vorrat von etwas mehr als einem Kilogramm Haschisch, den er, wie er angibt, von einem inzwischen verstorbenen und aus „Pietätsgründen“ nicht benannten Lieferanten erhalten hatte, an B. zwischen Ende November und kurz vor Weihnachten 2008 zweimal je 100 Gramm Haschisch und einmal 200 Gramm Haschisch. Bei der dritten Lieferung erklärte er, er könne erst wieder im Januar liefern. Am 13. Februar 2009 wollte er dann vereinbarungsgemäß 300 Gramm Haschisch liefern, wurde aber vor der Übergabe festgenommen. Er hatte drei Haschischplatten mit einem Gewicht von zusammen 291,3 Gramm dabei, außerdem in seiner Hosentasche ein Springmesser. Bei diesem springt die Klinge seitlich aus dem Griff heraus, der aus dem Griff herausragende Klingenteil ist nicht länger als 8,5 cm. Es ist nicht zweiseitig geschliffen, aus „starkem“ Material und spitz zulaufend. Der Angeklagte erklärte hierzu, er habe das Messer nicht einsetzen wollen, sondern es wegen seiner Tätigkeit als Hausmeister in der Hosentasche gehabt. In seiner Wohnung wurden vier Haschischplatten mit einem Gesamtgewicht von 387,50 Gramm ge- funden. Diese hatten etwa den gleichen Wirkstoffgehalt wie das bei der Festnahme sichergestellte Rauschgift.
3
Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in drei Fällen sowie bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) zu vier Jahren und sechs Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, ein Geldbetrag wurde für verfallen erklärt. Für das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wurden zweimal je ein Jahr und sechs Monate und einmal zwei Jahre Freiheitsstrafe verhängt; das bewaffnete Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wurde als minder schwerer Fall (§ 30a Abs. 3 BtMG) bewertet, die Strafe von drei Jahren und drei Monaten jedoch dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG entnommen.
4
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, wobei eine Gesamtschau der Revisionsbegründungen vom 2. und 11. Dezember 2009 ergibt, dass auch der Schuldspruch angefochten sein soll.
5
Das Rechtsmittel hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
6
Möglicherweise sind sämtliche Taten im Blick auf eine Bewertungseinheit tateinheitlich verbunden (1.a), eine entsprechende Änderung des Schuldspruchs durch den Senat ist jedoch nicht möglich (1.b). Außerdem ist die für eine Verurteilung gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erforderliche Feststellung, dass das Messer zur Verletzung von Personen bestimmt war, bisher nicht rechtsfehlerfrei getroffen (2.). Auf der Grundlage der Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 30a Abs. 3 BtMG ist die Strafkammer von einer unzutreffenden Höchststrafe ausgegangen (3.). Sollte von einer Bewertungseinheit auszugehen sein, hätte die Bewertung eines Teilaktes des Geschehens als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Einfluss auf den Schuldspruch insgesamt, die Bewertung als minder schwerer Fall Einfluss auf den insgesamt anzuwendenden Strafrahmen (4.).
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1. Mehrere Rauschgiftgeschäfte sind dann im Sinne von Tateinheit in einer Bewertungseinheit verbunden, wenn sie in ein und demselben Güterumsatz in einem Handlungsteil, etwa bei Erwerb, Lieferung oder Bezahlung des Kaufpreises in einer Gesamtmenge oder in einem Geldbetrag zusammentreffen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. vom 14. Januar 2010 - 1 StR 587/09; Körner BtMG 6. Aufl. § 29 Rdn. 846 f. m.w.N.). Die Strafkammer hat diesen hier möglicherweise einschlägigen Gesichtspunkt nicht erörtert.
8
a) Die Menge von verkauftem und sichergestelltem Rauschgift entspricht der von dem Unbekannten gelieferten Menge. Zudem hatte sowohl das bei der Festnahme als auch das in der Wohnung sichergestellte Rauschgift etwa den gleichen Wirkstoffgehalt. Daher ergeben die Urteilsgründe die Auffassung der Strafkammer, der Angeklagte habe sämtliches Rauschgift, mit dem er Handel getrieben hat, in einer Lieferung bezogen.
9
b) Dennoch kann der Senat nicht, wie beantragt, den Schuldspruch (entsprechend § 354 Abs. 1 StPO) auf Tateinheit umstellen. Dies setzte - abgesehen von der nach Maßgabe des Einzelfalles zu beurteilenden Frage nach der Vereinbarkeit mit § 265 StPO - klare, erschöpfende und eindeutige Feststellungen voraus; es ist dagegen nicht möglich, wenn eine neue Hauptverhandlung andere oder ergänzende Feststellungen erwarten lässt, oder wenn eine dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung der Feststellungen erforderlich ist (vgl. BVerfG NStZ 2001, 187, 188; BGH, Urt. vom 8. Dezember 2009 - 1 StR 277/09 ; BGH NStZ 2008, 213; NJW 1973, 1511, 1512; Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 354 Rdn. 18; Temming in HK-StPO 4. Aufl. § 354 Rdn. 12 jew. m.w.N.). Hier sagte der Angeklagte im Dezember 2008 zu B. , er könne erst im Januar 2009 wieder liefern. Dies spricht dagegen, dass er zum Zeitpunkt der Äußerung weiteres Rauschgift besaß.
10
Einige Feststellungen sprechen also für eine Bewertungseinheit, andere dagegen. Eine zusammenfassende Würdigung dieser Erkenntnisse (§ 261 StPO) ist nicht vorgenommen, da die Strafkammer die Möglichkeit einer Bewertungseinheit nicht erwogen hat. Auf dieser Grundlage kommt eine Schuldspruchänderung durch den Senat nicht in Betracht. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass im Hinblick auf den Zweifelssatz getroffene Feststellungen keine tragfähige Grundlage für die Annahme einer Bewertungseinheit sein können (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschl. vom 14. Januar 2010 - 1 StR 587/09; zusammenfassend Körner aaO § 29 Rdn. 855 m.w.N.).
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2. Während alle sonstigen Voraussetzungen von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ohne den Angeklagten benachteiligende Rechtsfehler bejaht sind, geht die Strafkammer ohne weiteres davon aus, die Bestimmung des geschilderten Messers zur Verletzung von Personen folge aus seiner Beschaffenheit. Dies trifft so nicht zu.
12
a) Eine Bestrafung gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt voraus, dass der Täter bei der Tat eine Schusswaffe - hier nicht einschlägig - oder einen Gegenstand mit sich führt, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist. Daran, dass das in Rede stehende Messer seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet ist, besteht kein Zweifel. Hinzukommen muss eine subjektive Zweckbestimmung durch denjenigen, der den Gewahrsam an dem Gegenstand hat, hier also den Angeklagten. Diese Zweckbestimmung, die von dem Bewusstsein, den Gegenstand gebrauchsbereit mit sich zu führen, zu unterscheiden ist, braucht nicht im Hinblick auf die konkret beabsichtigte Straftat getroffen worden zu sein, da § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG insoweit keine Verwendungsabsicht erfordert; es reicht aus, wenn die genannte Zweckbestimmung zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Tatbegehung erfolgt ist (st. Rspr.; vgl. zusammenfassend Franke/Wienroeder BtMG 3. Aufl. § 30a Rdn. 16 m.w.N.).
13
b) Vielfach ergibt sich diese Zweckbestimmung ohne weiteres aus den äußeren Umständen; hierzu können etwa die Beschaffenheit des Gegenstandes ebenso zählen, wie seine sonstigen Verwendungsmöglichkeiten oder Ort und Art seiner Aufbewahrung (vgl. zusammenfassend Weber BtMG 3. Aufl. § 30a Rdn. 116 m.w.N.). Fehlt ein nachvollziehbarer Grund dafür, dass der Täter einen objektiv gefährlichen Gegenstand griffbereit mit sich führt, ohne dass er ihn je zur Verletzung von Menschen bestimmt hätte, bedarf die Annahme einer entsprechenden Zweckbestimmung durch ihn regelmäßig keiner besonderen Begründung (vgl. BGHSt 43, 266, 269; BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Gegenstand 5; Körner aaO § 30a Rdn. 57, 58; Weber aaO Rdn. 117, 124 jew. m.w.N.). Kommt dagegen bei einem gängigen Gebrauchsgegenstand (vgl. die Beispiele bei Weber aaO Rdn. 118) nach den Umständen des Falles die Möglichkeit in Betracht, dass ihn der Täter aus sonstigen Gründen mit sich führte, so ist die Annahme, er habe ihn zur Verletzung von Menschen bestimmt, konkret zu begründen; der Hinweis, dass dieser Gegenstand nach seiner objektiven Beschaffenheit zur Verletzung von Menschen geeignet sei, genügt dann nicht (st. Rspr.; vgl. d. N. bei Weber aaO Rdn. 118).
14
c) So verhält es sich hier. Der Angeklagte war zur Tatzeit als Hausmeister tätig. Er hat erklärt, er habe das Messer - keinen unter § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG fallenden verbotenen Gegenstand (vgl. Anlage 2 zum WaffG Abschnitt 1 Unterpunkt 1. 4. 1, Satz 2) - deswegen bei sich gehabt. Die Unrichtigkeit dieser Einlassung versteht sich weder von selbst, noch hat die Strafkammer hierzu Aus- führungen gemacht. Es fehlt daher an einer tragfähigen Grundlage für die Annahme , der Angeklagte habe das Messer (auch) zur Verletzung von Menschen bestimmt.
15
3. Die Strafkammer nimmt mit eingehender Begründung einen minder schweren Fall des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge an, § 30a Abs. 3 BtMG.
16
a) Zutreffend führt sie unter Hinweis auf BGH NJW 2003, 1679, 1680 aus, der zugleich erfüllte § 29a Abs. 1 BtMG trete zwar hinter § 30a BtMG zurück, entfalte aber im Falle des § 30a Abs. 3 BtMG hinsichtlich der Mindeststrafe eine Sperrwirkung. Darüber hinaus ist die Strafkammer der Auffassung, hier sei insgesamt der Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG anzuwenden, sodass die Mindeststrafe ein Jahr, die Höchststrafe 15 Jahre betrage. Die Bejahung eines minder schweren Falles gemäß § 30a Abs. 3 BtMG dürfe (auch hinsichtlich der Höchststrafe) nicht dazu führen, dass dem bewaffneten Täter eine geringere Strafe drohe, als dem unbewaffneten Täter.
17
b) Diese Auffassung entspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2003, 1679, 1680; vgl. auch BGHSt 30, 166, 167 f.). Danach gilt vielmehr in derartigen Fällen die Höchststrafe der für den Schuldspruch maßgeblichen Bestimmung, mag dies auch (wie, nach der Bejahung eines minder schweren Falles, hier) „als systemwidrig und unbefriedigend empfunden“ (BGH NJW 2003, 1679, 1680) werden, was „auf die wenig geglückte Harmonie der Strafrahmen des Betäubungsmittelstrafrechts zurückzuführen“ ist (BGH aaO). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Im Übrigen wurde inzwischen die Höchststrafe des § 30a Abs. 3 BtMG von fünf Jahren auf zehn Jahre erhöht (Art. 5 Nr. 7 AMGuaÄndG vom 17. Juli 2009, BGBl. I 1990, 2010). Dies ist in den Gesetzesmaterialien damit begründet, dass der vom Bundesgerichtshof (aaO) aufgezeigte Wertungswiderspruch beseitigt werden soll (BT-Drucks. 16/ 12256 S. 61; BR-Drucks. 171/09 S. 102 f.). Die verschärfte Neufassung von § 30a Abs. 3 BtMG ist allerdings hier nicht anwendbar, weil sie zur Tatzeit noch nicht galt, § 2 Abs. 1 und 3 StGB.
18
4. Sollte die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer insgesamt von einer Bewertungseinheit ausgehen (vgl. oben 1.) und das Geschehen vom 13. Februar 2009 als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ansehen (vgl. oben 2), würde diese Bewertung eines Teilaktes eines im Rechtssinne einheitlichen Geschehens (vgl. Franke/Wienroeder aaO § 29 Rdn. 68) dazu führen, dass es sich bei der Tat insgesamt um bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge handeln würde (vgl. Körner aaO § 30a BtMG Rdn. 73 m.w.N.). Würde die Strafkammer insgesamt von einem minder schweren Fall ausgehen, wäre die Strafe dem aufgezeigten , zur Tatzeit geltenden Strafrahmen zu entnehmen (vgl. oben 3.), wobei die im aufgehobenen Urteil gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO) nicht überschritten werden dürfte. Hinsichtlich der Strafhöhe würde entsprechendes gelten, wenn ein minder schwerer Fall verneint würde, sodass die an sich in § 30a Abs.1 BtMG vorgesehene Mindeststrafe von fünf Jahren unterschritten werden müsste. Nack Wahl Graf Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 246/16
vom
8. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:081216U4STR246.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Dezember 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Paul als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 17. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) im Fall II. 6 der Urteilsgründe,
b) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen II. 1 bis 5 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrem auf die Sachrüge gestützten, vom Generalbundesanwalt teilweise vertretenen Rechtsmittel, mit dem sie den Schuldspruch im Fall II. 6 der Urteilsgründe sowie sämtliche Strafaussprüche angreift. In diesem Umfang hat die Revision Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Der Angeklagte verkaufte – jeweils um Gewinn zu erzielen – im Jahr 2014 an R. in zwei Fällen 3 g Heroin für 90 € (Fälle II. 2 und 3 der Urteilsgründe). Ferner verkaufte er ihm Ende August 2014 100 g Marihuana für 650 € (Fall II. 1 der Urteilsgründe) und Mitte September 2014 200 g Marihuana und 4 g Heroin für insgesamt 1.420 € (Fall II. 4 der Urteilsgründe).
4
Im Oktober 2014 übergab der Angeklagte R. 1.000 €, damit dieser für ihn in H. Amphetamin mit einem Nassgewicht von 1 kg für 1.000 € einkauft, das der Angeklagte mit Gewinn weiterveräußern wollte. Dem kam R. am 7./8. November 2014 nach; er erwarb für den Angeklagten Amphetamin mit einem Nassgewicht von 955 g, das nach der Trocknung noch ein Gewicht von 295,5 g und einen Wirkstoffanteil von mindestens ca. 160 g Amphetaminbase aufwies. Noch vor der Übergabe des Amphetamins an den Angeklagten konnte R. festgenommen und das Amphetamin sichergestellt werden (Fall II. 5 der Urteilsgründe).
5
Bei der am 29. April 2015 erfolgten Durchsuchung des Reihenhauses des Angeklagten wurden insgesamt 103,095 g Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von über 14 g THC sichergestellt, das vom Angeklagten für den gewinnbringenden Verkauf bestimmt war. Bei dem Reihenhaus handelt es sich um ein zweistöckiges, über vier Zimmer verfügendes Gebäude, in dem der Angeklagte wohnte und seine beiden Söhne jeweils eigene Zimmer und „eigene Bereiche“ hatten, aber keine „strikte Trennung“ der Wohnbereiche bestand. Von dem Marihuana befanden sich knapp 4 g im Kühlschrank der Küche im unteren Stockwerk. Weitere 99,2 g verwahrte der Angeklagte in einem Eimer auf dem vom Wohnzimmer aus zu betretenden Balkon im oberen Stockwerk. In einem Schrank im Wohnzimmer, „gut“ fünf Meter vom Balkon entfernt, wurden ferner zwei Butterflymesser aufgefunden; neben der Balkontür befand sich in einem Fach im „Barbereich“ zudem eine Feinwaage (Fall II. 6 der Urteilsgründe).
6
2. Die Strafkammer bewertet das Verhalten des Angeklagten in den Fällen II. 1 bis 4 der Urteilsgründe jeweils als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) und entnimmt die Strafe dem Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG. § 29 Abs. 3 BtMG erörtert sie in keinem dieser Fälle. Bei den Fällen II. 5 und 6 der Urteilsgründe nimmt sie unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge an. Ein bewaffnetes Handeltreiben im Fall II. 6 sei nicht erwiesen, weil nicht festgestellt werden konnte, „ob sich die Butterflymesser tatsächlich während eines Teilakts des Handeltreibens griffbereit in räumlicher Nähe befanden“ (UA S. 8); vielmehr sei möglich, dass die Aktivitäten des Angeklagten seit dem Bezug der Wohnung über ein schlichtes Deponieren des Marihuanas nicht hinausgegangen seien. Letztlich könne dies jedoch dahinstehen, da jedenfalls „die subjektive Tatseite nicht zweifelsfrei“ festgestellt werden könne, da „die oftmals gleichzeitige ge- meinsame Nutzung der Wohnung durch den Angeklagten und dessen Söhne Spielraum für Interpretationen und Spekulationen hinsichtlich der Zugehörigkeit der Messer“ lasse „und somit auch hinsichtlich eines präsenten, aktuellen Be- wusstseins im Sinne einer jederzeitigen Zugriffsmöglichkeit durch den Ange- klagten“ (UA S. 9).
7
3. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit der von ihr erhobenen Sachrüge im Fall II. 6 der Urteilsgründe unter anderem, dass die Strafkammer rechtsfehlerhaft den Besitz des Angeklagten an den Messern verneint habe; zudem sei bereits das Lagern der Betäubungsmittel ein Teilakt des Handeltreibens. In den Fällen II. 1 bis 4 der Urteilsgründe vermisst sie die Prüfung von § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG (gewerbsmäßiges Handeln). Ferner beanstandet sie die Bemessung der Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe und die Aussetzung zur Bewährung.

II.


8
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist wirksam beschränkt auf den Schuldspruch im Fall II. 6 der Urteilsgründe sowie sämtliche Strafaussprüche.
9
Zwar hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung die (uneingeschränkte ) Aufhebung des Urteils beantragt und zugleich die Verletzung sachlichen Rechts gerügt. Gegenstand der Begründung ist neben Angriffen gegen die Strafaussprüche allerdings nur der Schuldspruch im Fall II. 6 der Urteilsgründe. Somit widersprechen sich Revisionsantrag und Revisionsbegründung. Dieser ist jedoch unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV zu entnehmen, dass die Schuldsprüche in den Fällen II. 1 bis 5 der Urteilsgründe sowie das Unterbleiben einer Verfallsentscheidung und einer Entscheidung über eine Unterbringung nach § 64 StGB nicht angegriffen werden sollen.

III.


10
In diesem Umfang hat das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Erfolg.
11
1. Der Schuldspruch im Fall II. 6 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
12
a) Denn die Strafkammer geht bei der Prüfung des objektiven Tatbestandes des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG von einem unzutreffenden Maßstab aus.
13
aa) Das für die Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG notwendige Mitsichführen von Gegenständen, die zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind, liegt dann vor, wenn der Täter gefährliche Gegenstände bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich ihrer jederzeit bedienen kann. Hierfür genügt, dass die gefährlichen Gegenstände dem Täter in irgendeinem Stadium des Tathergangs zur Verfügung stehen, d.h. sich so in seiner räumlichen Nähe befinden, dass er sich ihrer jederzeit, also ohne nennenswerten Zeitaufwand, und ohne besondere Schwierigkeiten bedienen kann. Setzt sich die Tat aus mehreren Einzelakten zusammen , so reicht es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Tatbestandserfüllung aus, wenn der qualifizierende Umstand des Mitsichführens eines gefährlichen Gegenstands nur bei einem Einzelakt verwirklicht ist (st. Rspr.; vgl. die Nachweise bei Weber, BtMG, 4. Aufl., § 30a Rn. 145). Demgemäß sind die Voraussetzungen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG als erfüllt angesehen worden in Fällen, in denen dem Handel treibenden Täter eine Waffe oder ein gefährlicher Gegenstand bei Drogenverkaufsfahrten, in seinem Vorratslager oder beim Strecken oder Portionieren griffbereit zur Verfügung stand, selbst wenn er die Drogen, ohne die Waffe oder den Gegenstand bei sich zu haben, außerhalb der Wohnung übergibt (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Juni 2015 – 1 StR 211/15, NStZ 2016, 613 f.; vom 5. April 2016 – 1 StR 38/16, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 13 mwN).
14
bb) Dies zugrunde gelegt hätte die Strafkammer prüfen müssen, ob der Angeklagte die Butterflymesser jedenfalls während des Vorrätighaltens des Betäubungsmittels mitführte (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Juli 2012 – 2 StR 205/12 mwN).
15
Zwar stellt der bloße Aufenthalt in einer Wohnung selbst noch keinen Teilakt des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln dar (BGH, Beschluss vom 24. September 2015 – 2 StR 126/15, NStZ 2016, 123, 124). Es reicht aber aus, dass der Täter zugleich Betäubungsmittel und Waffe bzw. gefährlichen Gegenstand dergestalt in Verwahrung hält, dass ihm der gleichzeitige Zugriff hierauf möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2014 – 3 StR 503/14, StV 2015, 641 mwN). Dies hätte im Hinblick auf die vom Landgericht getroffenen Feststellungen zu den auf dem Balkon aufbewahrten Betäubungsmitteln und den im Wohnzimmerschrank befindlichen Butterflymessern der Prüfung bedurft.
16
b) Auch die Ausführungen der Strafkammer zur subjektiven Tatseite des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
17
Zwar erfordert die Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG – wie ausgeführt –, dass der Täter die Waffe oder den gefährlichen Gegenstand bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich der Waffe bzw. des gefährlichen Gegenstandes jederzeit bedienen kann. Dies liegt aber bei der vom Angeklagten erst im April 2015 (UA S. 3) und im Zeitpunkt der polizeilichen Durchsuchung „frisch bezogenen“ Wohnung (UA S. 7), den vorangegangenen Taten im unmittelbaren Umfeld seiner früheren Wohnung (UA S. 9) sowie der in der Nähe der verwahrten Betäubungsmittel und der Butterflymesser aufgefundenen Feinwaage nahe, ohne dass es auf die Eigentumsverhältnisse an den Messern ankommt. Jedenfalls hätten diese Um- stände der Erörterung im Rahmen der Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite bedurft. Dass die Butterflymesser zur Verletzung von Menschen bestimmt waren, bedurfte keiner näheren Begründung; denn bei ihnen handelt es sich um sogenannte gekorene Waffen i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 2b WaffG („tragbare Gegen- stände“), bei denen die erforderliche Zweckbestimmung zur Verletzung von Personen ohne weitere Feststellungen regelmäßig auf der Hand liegt (BGH, Beschluss vom 5. April 2016 – 1 StR 38/16 aaO).
18
2. Auch die Strafaussprüche haben keinen Bestand.
19
a) Dies folgt hinsichtlich Fall II. 6 der Urteilsgründe und der Gesamtstrafe bereits aus der Aufhebung des Schuldspruchs in diesem Fall.
20
b) In den Fällen II. 1 bis 4 beanstandet die Staatsanwaltschaft zu Recht, dass die Strafkammer es unterlassen hat, jeweils ein gewerbsmäßiges Handeln des Angeklagten zu prüfen. Anlass hierfür bestand – wie der Generalbundesanwalt zu Recht dargelegt hat – schon angesichts der Handelsmengen im 2. Halbjahr 2014 und der hierbei vom Angeklagten erzielten Gewinne, wobei der Senat die Feststellung, dass der Angeklagte „die Betäubungsmittel“ in den Fällen II. 1 bis 4 und 6 der Urteilsgründe für 3 €/Gramm erworben und er bei den Verkäufen einen Preis von 6,50 €/Gramm erzielt habe, nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe auf den Erwerb und die Veräußerung von Marihuana bezieht.
21
Auch im Fall II. 5 hält die Bemessung der Einzelstrafe der Überprüfung nicht stand, da das Landgericht dem Angeklagten (auch) bei dieser Tat ohne nähere Erläuterung und ohne erkennbare Relevanz für die Strafbemessung zugutehält, dass „nach den Finanzermittlungen bei dem Angeklagten keine großen Gelder festgestellt werden“ konnten (UA S. 10).
22
3. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass der Feststellung der (genauen) Wirkstoffgehalte der Betäubungsmittel in den Fällen II. 1 bis 4 der Urteilsgründe weder die Teilrechtskraft des Schuldspruchs noch die Bindungswirkung infolge nicht aufgehobener Feststellungen entgegensteht.
23
4. Das Urteil weist keine durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 301 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Paul

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 38/16
vom
5. April 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Diebstahls
zu 2.: unerlaubter bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:050416B1STR38.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. April 2016 nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts – zu 1. auf seinen Antrag – gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten S. gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 15. Oktober 2015 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. 2. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das vorgenannte Urteil, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten seines Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten B. wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Vom Vorwurf näher bezeichneter Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz ist der Angeklagte freigesprochen worden. Der Angeklagte B. ist wegen unerlaubter bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Zudem hat das Landgericht seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) sowie einen Teilvollzug der Freiheitsstrafe vor dem Maßregelvollzug angeordnet.

I.

2
Die auf eine Verfahrensbeanstandung und die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten S. erweist sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen genügt die Verfahrensrüge, mit der eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung geltend gemacht wird, nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Anders als die Revision meint, ergibt sich der Gang des Verfahrens, nachdem dieses gemäß § 3 StPO gegen beide Angeklagte und einen freigesprochenen (früheren) Mitangeklagten gemeinsam sowie gegen den Angeklagten B. wegen mehrerer Taten geführt worden ist, nicht aus den Gründen des angefochtenen Urteils. Um dem Senat die Beurteilung zu ermöglichen, ob das Strafverfahren insgesamt angemessen zügig geführt wurde (zum Maßstab und der erforderlichen Gesamtwürdigung BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2012 – 1 StR 531/12, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 43 – Gründe), hätte die Revision insgesamt zum Ablauf des Strafverfahrens vortragen müssen.

II.

3
Die Revision des Angeklagten B. , von der die Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) wirksam ausgenommen worden ist (vgl. nur Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 64 Rn. 29 mwN), hat lediglich zum Strafausspruch Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
4
1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit bewaffnetem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG). Der Senat sieht davon ab, bei der Verurteilung aus § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG jeweils den Zusatz „in nicht geringer Menge“ entfallen zu lassen (dazu BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 – 3 StR 632/14, NStZ-RR 2015, 144 [Leitsatz 2]).
5
a) Das für die Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes (BGH, Urteil vom 28. Februar 1997 – 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8, 10) notwendige Mitsichführen von Gegenständen, die zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind, liegt dann vor, wenn der Täter gefährliche Gegenstände bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich ihrer jederzeit bedienen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Juni 2015 – 1 StR 211/15, Rn. 6; vom 28. November 2013 – 5 StR 576/13, Rn. 4, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Nr. 2 Gegenstand 1 und vom 14. November 1996 – 1 StR 609/96, NStZ 1997,137; Urteil vom 20. September 1996 – 2 StR 300/96, NStZ-RR 1997, 16). Hierfür genügt, dass die gefährlichen Gegenstände dem Täter in irgendeinem Stadium des Tathergangs zur Verfügung stehen, d.h. sich so in seiner räumlichen Nähe befinden, dass er sich ihrer jederzeit, also ohne nennenswerten Zeitaufwand, und ohne besondere Schwierigkeiten bedienen kann (vgl. BGH, Urteile vom 15. November 2007 – 4 StR 435/07, BGHSt 52, 89, 93 und vom 21. März 2000 – 1 StR 441/99, NStZ 2000, 433; Beschluss vom 10. Juni 2015 – 1 StR 211/15, Rn. 6; Patzak in Körner/Patzak/ Volkmer, BtMG, 8. Aufl. 2016, § 30a Rn. 78 mwN). Setzt sich die Tat aus mehreren Einzelakten zusammen, so reicht es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Tatbestandserfüllung aus, wenn der qualifizierende Umstand des Mitsichführens eines gefährlichen Gegenstands nur bei einem Einzelakt verwirklicht ist.
6
b) Diese Voraussetzungen sind sowohl für das Handeltreiben mit als auch für die Einfuhr von mindestens 50 g Methamphetamin aus Tschechien durch die Feststellungen belegt. Der Angeklagte, der die in zwei Päckchen verpackten Drogen geschluckt und daher in seinem Körper transportiert hatte, konnte als Beifahrer des für die Rückfahrt nach Deutschland genutzten Fahrzeugs jederzeit ungehindert auf das in der Mittelkonsole neben ihm liegende Butterflymesser mit einer Klingenlänge von 9,5 cm zugreifen. Dieses war von ihm kurz zuvor ebenfalls in Tschechien erworben worden.
7
Die Feststellung, dass das Messer seitens des Angeklagten zur Verletzung von Menschen bestimmt war (UA S. 14), bedurfte hier keiner näheren Begründung (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2014 – 1 StR 78/14, NStZ 2015, 226, 227). Denn bei dem Butterflymesser handelt es sich um eine sogenannte gekorene Waffe i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 2b WaffG („tragbare Gegenstän- de“); bei derartigen Waffen liegt die erforderliche Zweckbestimmung zur Verlet- zung von Personen ohne weitere Feststellungen regelmäßig auf der Hand (BGH, Beschlüsse vom 8. Januar 2014 – 5 StR 542/13, NStZ 2014, 466 und vom 21. Oktober 2014 – 1 StR 78/14, NStZ 2015, 226, 227).
8
c) Etwas anderes ergibt sich für den konkreten Einzelfall auch nicht aus dem Umstand, dass bei der Kontrolle des Fahrzeugs in Grenznähe zunächst lediglich das Messer entdeckt, der Transport des Rauschgifts aber unbemerkt blieb.
9
Der Gesetzgeber verfolgt mit der durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3186) eingeführten Qualifikation des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG den Zweck, im Betäubungsmittelstrafrecht Strafrahmen vorzusehen, mit denen u.a. auch der großen Gefährlichkeit solcher Taten entsprochen werden kann (vgl. BT-Drucks. 12/6853 S. 41 linke Spalte). In Bezug auf die Betäubungsmittelstraftaten, bei denen die Täter Schusswaffen oder sonst zur Verletzung von Menschen geeignete und bestimmte Gegenstände mit sich führen, besteht die Gefährlichkeit gerade darin, dass die Täter rücksichtslos ihre Interessen beim unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln durchsetzen und dabei die Schusswaffe oder die sonstigen von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erfassten Gegenstände einsetzen (BT-Drucks. 12/6853 S. 41 rechte Spalte; BGH, Urteil vom 10. April 1996 – 3 StR 5/96, BGHSt 42, 123, 126). Der gegenüber den erfassten Grunddelikten erhöhte Unrechtsgehalt des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG liegt daher in der generell erheblichen Gefährlichkeit der Begehung von Betäubungsmitteldelikten unter Beisichführen von Waffen sowohl hinsichtlich des Rechtsguts der Volksgesundheit (BGH, Urteil vom 28. Februar 1997 – 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8, 11 f.; siehe auch BGH, Urteil vom 10. April 1996 – 3 StR 5/96, BGHSt 42, 123, 126) als auch hinsichtlich der Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit von Personen, die in Kontakt mit den Tätern von Betäubungsmittelstraftaten geraten.
10
Die jederzeitige Verfügbarkeit von Waffen erleichtert dem Täter den unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln, weil ihm Schusswaffen und sonstige zur Verletzung von Menschen geeignete und bestimmte Gegenstände regelmäßig ein Bewusstsein von Sicherheit und Überlegenheit vermitteln (BGH aaO, BGHSt 43, 8, 13; vgl. auch Patzak aaO, § 30a Rn. 89 mwN). Die generelle Ge- fährlichkeit der Zugriffsmöglichkeit des Täters auf von § 30a Abs. 2 Nr. 2 StGB erfasste Waffen ist jedenfalls stets dann gegeben, wenn der Täter Waffe und Betäubungsmittel zugleich verfügungsbereit hat (BGH aaO, BGHSt 43, 8, 13). Der der Qualifikation zugrunde liegenden generell erhöhten Rechtsgutsgefährlichkeit trägt die Rechtsprechung auch dadurch Rechnung, dass sie bereits ein Beisichführen der erfassten Waffen bzw. Gegenstände in irgendeinem Stadium des Tathergangs für ausreichend erachtet (vgl. Patzak aaO, § 30a Rn. 79; siehe auch BGH, Beschluss vom 24. September 2015 – 2 StR 126/15, NStZ 2016, 123, 124).
11
Eine erhöhte Rechtsgutsgefährlichkeit besteht in Situationen einer Kontrolle des bewaffneten Täters durch Angehörige von Strafverfolgungsbehörden auch dann, wenn diesen der Umstand eines unerlaubten Umgangs des Kontrollierten mit Betäubungsmitteln (zunächst) unbekannt bleibt. Denn auch in diesen Konstellationen besteht regelmäßig ein Anreiz für den Täter sich der Kontrolle, die – für ihn zu diesem Zeitpunkt nicht ausschließbar – zu einer Entdeckung der Betäubungsmittel führen kann, unter Einsatz der Waffe zu entziehen. Im Hinblick auf den Schutzzweck von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist es daher für die vorliegende Fallgestaltung nicht veranlasst, strengere Anforderungen an die subjektive Zweckbestimmung zur Verletzung von Personen bei Mitführen von gekorenen Waffen zu stellen. Eine allgemeine Einschränkung des Qualifikationstatbestandes in Konstellationen, in denen die von Gesetz angenommene (generelle) Gefährlichkeit sich konkret nicht verwirklicht hat, kommt erst recht nicht in Betracht (BGH aaO, BGHSt 43, 8, 12 f.).
12
d) Die tateinheitliche Verurteilung wegen bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln und bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln weist ebenfalls keinen Rechtsfehler auf.
13
Zwar ist grundsätzlich neben dem bewaffneten unerlaubten Handeltreiben eine Verurteilung wegen bewaffneter unerlaubter Einfuhr nicht möglich. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG: "wer... ohne Handel zu treiben, einführt ..." (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 – 3 StR 349/02; Beschluss vom 5. März 2013 – 1 StR 35/13, NStZ 2013, 662, 663). Die Einfuhr in nicht geringer Menge ist regelmäßig lediglich unselbständiger Teilakt des bewaffneten Handeltreibens, denn als Qualifikationstatbestand geht § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG dem allgemeineren Tatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG vor (BGH, Beschlüsse vom 17. August 1999 – 1 StR 222/99, NStZ-RR 2000, 91 und vom 5. März 2013 – 1 StR 35/13, NStZ 2013, 662, 663).
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Die Einfuhr erweist sich aber dann nicht als unselbständiger Teilakt des Handeltreibens, wenn – wie hier – die durch einen einheitlichen Vorgang erworbene Menge des Betäubungsmittels teils für den gewinnbringenden Weiterverkauf und teils für den Eigenkonsum bestimmt ist (vgl. bereits BGH, Beschluss vom 1. März 2007 – 3 StR 55/07, NStZ 2007, 529 bzgl. § 29 BtMG; siehe auch BGH, Urteil vom 3. April 2008 – 3 StR 60/08, NStZ 2008, 471 bzgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1 und § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG). Dem steht das Urteil des 3. Strafsenats vom 10. April 1996 (3 StR 5/96, BGHSt 42, 123 ff.) nicht entgegen. Dort war über eine Fallgestaltung zu entscheiden, in der das Tatgericht nicht zu klären vermocht hatte, welcher Anteil einer unter Beisichführen von Schusswaffen eingeführten Gesamtmenge von 2,57 g Heroinhydrochlorid für den Eigenkonsum und welcher für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war (BGH aaO, BGHSt 42, 123, 124 f.). Die Verurteilung beider dort Angeklagten wegen bewaffneter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erwies sich als rechtsfehlerfrei, weil der 3. Strafsenat für die Feststellung der nicht geringen Mengen im Rahmen von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG in der Variante der Einfuhr aus systematischen und teleologischen Gründen auf die Gesamtstoffmenge der eingeführten Betäubungsmittel abgestellt hat (BGH aaO, BGHSt 42, 123, 125 f.). Zum Konkurrenzverhältnis in der hier vorliegenden Fallgestaltung, bei der sowohl der für das Handeltreiben als auch der für den Eigenkonsum bestimmte Anteil an der Gesamtmenge den Grenzwert der nicht geringen Menge überschreitet, verhält sich die Entscheidung nicht.
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2. Der Strafausspruch erweist sich dagegen als rechtfehlerhaft. Auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs hält die Begründung der Ablehnung eines minder schweren Falls gemäß § 30a Abs. 3 BtMG rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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a) Das Landgericht hat zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend der Prüfung des minder schweren Falls eine Gesamtbetrachtung entlastender und belastender Umstände, gleich ob sie der Tat selbst innewohnen, ihr vorausgehen oder nachfolgen, vorgenommen (zum Maßstab BGH, Beschluss vom 22. Dezember 2011 – 4 StR 581/11, StV 2012, 289). Allerdings hat es im Rahmen der Gesamtwürdigung nicht erkennbar bedacht, dass die Tatbegehung innerhalb des vom Qualifikationstatbestand erfassten Spektrums der Gefährlichkeit des Beisichführens einer Schusswaffe bzw. eines sonstigen zur Verletzungen von Menschen geeigneten und bestimmten Gegenstandes eher im unteren Bereich angesiedelt ist. Angesichts der im Körper verborgenen und bei der Kontrolle auch nicht entdeckten Drogen erweist sich konkret die Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes des Butterflymessers gegen die kontrollierenden Beamten als vergleichsweise gering. Da allenfalls mit Ausnahme von weiteren Personen in dem vom Angeklagten genutzten Fahrzeug kaum jemand Kenntnis der im Körper transportierten Betäubungsmittel hatte, war auch insoweit kaum mit einer Eskalation durch Verwendung des Messers zu rechnen. Hätte der Tatrichter diese Umstände mit in die Gesamtwürdigung einbezogen, lässt sich nicht sicher ausschließen, dass er zusammen mit den berücksichtigten mil- dernden Umständen trotz gewichtiger belastender Aspekte zur Annahme eines minder schweren Falls gelangt wäre.
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b) Da das Landgericht auf eine nicht am unteren Rand des Strafrahmens von § 30a Abs. 2 BtMG liegende Strafe erkannt hat, hätte es nicht ausschließbar innerhalb des milderen Strafrahmens des § 30a Abs. 3 BtMG eine niedrigere Strafe als die jetzt ausgesprochene verhängt. Das gilt selbst unter Berücksichtigung des dem Landgericht zugunsten des Angeklagten unterlaufenen Rechenfehlers bei der Durchführung des vorgenommenen Härteausgleichs.
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c) Bei dem aufgezeigten Rechtsfehler handelt es sich lediglich um einen Wertungsmangel. Die Feststellungen bleiben daher aufrechterhalten.
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Dem neuen Tatgericht ist es nicht verwehrt, weitere, zu den bislang getroffenen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen zu treffen. Dabei wird es entsprechend den zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts in den Blick nehmen, ob es – wie im angefochtenen Urteil erfolgt – eines Härteausgleichs im Hinblick auf die bereits vollstreckten Strafen aus der Entscheidung des Amtsgerichts Mühldorf am Inn vom 6. November 2013 bedarf oder ob den Entscheidungen desselben Gerichts vom 24. April 2013 und vom 3. Juni 2013 Zäsurwirkung zukommt. Auch wenn die Voraussetzungen für einen Härteausgleich sich nicht feststellen lassen sollten, kann eine höhere Strafe als die im angefochtenen Urteil verhängte nicht festgesetzt werden (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO). Raum Graf Jäger Radtke Fischer