Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juni 2000 - XII ZB 157/99
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Der Kläger hat sich in einem Prozeßvergleich verpflichtet, monatlich an die Beklagte 1.103 DM nachehelichen Unterhalt und zu Händen der Beklagten 480 DM Kindesunterhalt zu zahlen. Im vorliegenden Verfahren hat er unter anderem beantragt, im Wege der Abänderung den nachehelichen Unterhalt auf 870,01 DM herabzusetzen. Das Familiengericht hat im Tenor seines Urteils die Klage abgewiesen und die Kosten dem Kläger auferlegt. Abweichend davon hat es in den Entscheidungsgründen ausgeführt, bezüglich des Ehegattenun-terhalts sei die Abänderungsklage in vollem Umfang begründet. An sich müsse der Kläger nur 837 DM monatlich zahlen, eine Herabsetzung auf diesen Betrag komme aber nicht in Betracht, weil nur dem vom Kläger gestellten Antrag entsprochen werden könne. In dieser Form wurde das Urteil der Beklagten am 22. März 1999 zugestellt. Mit Beschluß vom 26. April 1999 hat das Familiengericht im Wege der Berichtigung den Tenor den Entscheidungsgründen angepaßt. Der Berichtigungsbeschluß wurde der Beklagten am 28. April 1999 zugestellt. Am 12. Mai 1999 hat sie Berufung eingelegt. Durch den angefochtenen Beschluß hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen mit der Begründung, die Berufungsfrist sei schon durch die Zustellung des nicht berichtigten Urteils in Lauf gesetzt worden und deshalb sei die am 12. Mai 1999 eingegangene Berufung verspätet. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten, für deren Durchführung sie Prozeßkostenhilfe beantragt hat.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Deshalb konnte dem Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe auch nicht stattgegeben werden (§ 114 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht und mit zutreffender Begründung als unzulässig verworfen. Die Annahme des Berufungsgerichts , die Berufungsfrist sei trotz des später berichtigten Tenorie-rungsfehlers schon durch die Zustellung des nicht berichtigten Urteils in Lauf gesetzt worden, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , an der festzuhalten ist. Die Berichtigung eines Urteils wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 319 ZPO hat grundsätzlich keinen Einfluß auf Beginn und Lauf von Rechtsmittelfristen (BGHZ 113, 228). Das gilt auch, wenn aufgrund eines Tenorierungsfehlers bei Betrachtung allein des Tenors der äußere Eindruck entstehen könnte, eine Partei sei durch das Urteil nicht beschwert (Senatsurteil vom 28. März 1990 - XII ZR 68/89 - FamRZ 1990, 988). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur in Betracht, wenn das Urteil insgesamt - also einschließlich der Entscheidungsgründe - nicht hinreichend geeignet ist als Grundlage für das weitere Handeln der Parteien und gegebenenfalls für eine Entscheidung des Rechtsmittelsgerichts (Senatsurteile vom 28. März 1990 aaO; vom 9. November 1994 - XII ZR 184/93 - FamRZ 1995, 155 = NJW 1995, 1033, jeweils m.N.). Eine solche Ausnahme ist dagegen nicht gerechtfertigt, wenn sich aus den Entscheidungsgründen unmißverständlich und auf Anhieb - ohne daß eine längere Prüfung erforderlich ist - ergibt, wie das Gericht entscheiden wollte und daß ihm lediglich beim Tenorieren ein Versehen passiert ist, das mit Sicherheit berichtigt werden würde. Aus der Entscheidung des VII. Zivilsenates des Bundesgerichtshofs vom 5. November 1998 (VII ZB 24/98 - NJW 1999, 646 = BGHR ZPO § 516 Fristbeginn 13), auf die sich die sofortige Beschwerde bezieht, ergibt sich nichts anderes. Schon im Leitsatz dieser Entscheidung heißt es, "ausnahmsweise" beginne die Rechtsmittelfrist mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses, wenn erst die berichtigte Fassung des Urteils "zweifelsfrei" erkennen lasse, daß die nach dem Tenor des unberichtigten Urteils obsiegende Partei ebenfalls be-
schwert sei. Auch diese Entscheidung stellt darauf ab, ob den Entscheidungsgründen unmißverständlich und auf Anhieb zu entnehmen ist, daß dem Gericht bei der Tenorierung ein zu berichtigendes Versehen unterlaufen war. Im vorliegenden Fall konnte die anwaltlich vertretene Beklagte den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils schon bei flüchtiger Lektüre unmißverständlich und ohne jede Möglichkeit eines Irrtums entnehmen, daß das Gericht der Abänderungsklage bezüglich des Ehegattenunterhalts uneingeschränkt stattgeben wollte. Die Diskrepanz zwischen dem Tenor und den Entscheidungsgründen drängte sich geradezu auf, und es war klar, daß der Fehler bei der Formulierung des Urteilstenors unterlaufen war und daß deshalb der Tenor berichtigt werden müsse. Die Möglichkeit der Beklagten, rechtzeitig Berufung einzulegen, ist deshalb durch den Tenorierungsfehler nicht in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt worden. Blumenröhr Krohn Hahne Gerber Wagenitz
Annotations
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.
(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.
(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.
(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.
(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.