Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Dez. 2017 - V ZB 249/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:211217BVZB249.17.0
bei uns veröffentlicht am21.12.2017
vorgehend
Amtsgericht Bremen, 92b XIV 347/17, 16.11.2017
Landgericht Bremen, 10 T 614/17, 28.11.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 249/17
vom
21. Dezember 2017
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Im Hinblick auf die möglichen erheblichen Gefahren für Leib und Leben Dritter
oder für bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit kommt die Aussetzung
der Vollziehung einer Freiheitsentziehung in den Fällen des § 62 Abs. 3 Satz 1
Nr. 1a AufenthG regelmäßig nur in Betracht, wenn es aufgrund der gebotenen
summarischen Prüfung zumindest überwiegend wahrscheinlich ist, dass die
Rechtsbeschwerde des Betroffenen Erfolg haben wird.
BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2017 - V ZB 249/17 - LG Bremen
AG Bremen
ECLI:DE:BGH:2017:211217BVZB249.17.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Dezember 2017 durch die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Weinland und die Richter Dr. Kazele, Dr. Göbel und Dr. Hamdorf

beschlossen:
Der Antrag des Betroffenen, die Vollziehung der mit Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 28. November 2017 angeordneten Sicherungshaft auszusetzen, wird zurückgewiesen.

Gründe:


I.


1
Der Betroffene ist algerischer Staatsangehöriger. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte seinen Asylantrag mit bestandskräftigem Bescheid vom 25. September 2003 als offensichtlich unbegründet ab. Mit Verfügung vom 16. März 2017 ordnete der Senator für Inneres der Freien Hansestadt Bremen auf der Grundlage des § 58a AufenthG die Abschiebung des Betroffenen nach Algerien mit der Begründung an, von diesem gehe die Gefahr eines terroristischen Anschlags aus. Diese Verfügung wurde dem Betroffenen am 21. März 2017 ausgehändigt. Am selben Tag wurde gegen ihn Haft zur Sicherung der Abschiebung nach Algerien angeordnet. Die Haft wurde im weiteren Verlauf mehrfach verlängert.
2
Den Antrag des Betroffenen, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung des Senators anzuordnen, lehnte das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluss vom 31. Mai 2017 (1 VR 4.17, juris, Tenor in BeckRS 2017, 113651) mit der Maßgabe ab, dass der Betroffene „erst nach Erlangung einer Zusicherung einer algerischen Regierungsstelle abgeschoben werden darf, wonach dem [Betroffenen] in Algerien keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht (Art. 3 EMRK)“. Die Annahme der gegen diesen Beschluss gerichteten Verfassungsbeschwerde des Betroffenen lehnte das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 24. Juli 2017 (2 BvR 1487/17, InfAuslR 2017, 431 Rn. 50) ab, forderte jedoch zusätzlich die Klarstellung, dass die Bedingungen einer etwaigen Haft der Kontrolle zugänglich seien und dass der Zugang zu dem Betroffenen in einer etwaigen Haft, gleich ob eine Inhaftierung durch Polizei oder Geheimdienst erfolge, durch seinen Prozessbevollmächtigten sichergestellt sei.
3
Die Bemühungen des Auswärtigen Amtes um entsprechende Erklärungen der algerischen Regierung führten zu einer Verbalnote vom 30. Juli 2017, in welcher sich die algerische Regierung mit der Rückführung des Betroffenen einverstanden erklärte und dieses Einverständnis mit der Feststellung verband, dass der Betroffene in Algerien auf justizieller Ebene unbekannt und gegen ihn kein Strafverfahren anhängig sei. In Bezug auf die geforderten diplomatischen Zusicherungen zum Schutz des Betroffenen vor einer menschenrechtswidrigen Behandlung wird darin allgemein darauf verwiesen, dass in Algerien die unabhängige Justiz für die Wahrung aller in der Verfassung verankerten und durch die algerischen Gesetze sowie in internationalen Übereinkommen festgelegten Rechte und Grundfreiheiten in Bezug auf die Nichtanwendung strenger, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung sorge. Diese Erklärung hielt das Bundesverwaltungsgericht nicht für ausreichend und untersagte der beteiligten Behörde mit Beschluss vom 13. November 2017 (1 VR 13.17, juris), den Betroffenen auf der Grundlage der bisher eingegangenen Verbalnoten des algerischen Außenministeriums nach Algerien abzuschieben.
4
Mit Beschluss vom 16. November 2017 hat das Amtsgericht den Antrag der beteiligten Behörde auf weitere Verlängerung der Sicherungshaft gegen den Betroffenen abgelehnt. Auf die Beschwerde der beteiligten Behörde hat das Landgericht nach Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 28. November 2017 weitere Sicherungshaft gegen den Betroffenen bis zum 16. Januar 2018 angeordnet. Dagegen wendet sich dieser mit der Rechtsbeschwerde. Zugleich beantragt er, die Vollziehung des Beschlusses des Landgerichts bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde auszusetzen. Die beteiligte Behörde beantragt, den Antrag auf Aussetzung abzulehnen.

II.


5
Das Beschwerdegericht sieht die Voraussetzungen für eine weitere Verlängerung der gegen den Betroffenen angeordneten Sicherungshaft als gegeben an. Die Verlängerung der Sicherungshaft über sechs Monate hinaus sei grundsätzlich möglich, weil die an sich bestehende Beschränkung der Sicherungshaft auf drei Monate nach § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG bei Betroffenen nicht gelte, von denen eine erhebliche Gefahr für bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgehe. Diese Voraussetzung liege regelmäßig vor, wenn die Verwaltungsgerichte - wie hier - festgestellt hätten, dass von dem Betroffenen eine terroristische Gefahr ausgehe. Außerdem erlaube § 62 Abs. 4 Satz 3 AufenthG eine Verlängerung der Haft um höchstens zwölf Monate, soweit die Haft auf der Grundlage von § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a AufenthG angeordnet worden sei und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögere. Zu den Unterlagen gehörten auch die hier von den algerischen Behörden erbetenen Zusicherungen.
6
Es sei auch hinreichend wahrscheinlich, dass die algerischen Behörden innerhalb der höchstzulässigen Haft die für die Durchführung der Abschiebung erforderlichen Zusicherungen abgäben. Zwar hätten die Bemühungen des Auswärtigen Amtes bislang nicht zur Abgabe von Erklärungen geführt, die den Anforderungen genügten. Auch habe das Auswärtige Amt weitere Bemühungen auf diplomatischem Wege als aussichtslos angesehen. Es bestehe aber Aussicht , dass die erforderliche Zusicherung auf dem Wege der polizeilichen Zusammenarbeit unter Vermittlung des Präsidenten der Bundespolizei und unter Einschaltung des Leiters der Generaldirektion für Nationale Sicherheit des algerischen Innenministeriums doch noch zu erreichen sei.

III.


7
Der in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG statthafte (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 261/10, InfAuslR 2011, 26 Rn. 8) Aussetzungsantrag des Betroffenen ist unbegründet.
8
1. Das Rechtsbeschwerdegericht hat über die beantragte einstweilige Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Bei der erforderlichen Abwägung sind bei einem Ausländer, der aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr abgeschoben werden soll, über die Erfolgsaussichten seines Rechtsmittels und die drohenden Nachteile für ihn selbst (zu deren Berücksichtigung: Senat, Beschluss vom 21. Januar 2010 - V ZB 14/10, FGPrax 2010, 97 Rn. 5) hinaus die erheblichen Gefahren für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit (§ 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG) einzubeziehen. Im Hinblick auf die mögliche Gefährdung dieser Rechte und Rechtsgüter kommt die Aussetzung der Vollziehung einer Freiheitsentziehung in solchen Fällen regelmäßig nur in Betracht, wenn es aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung zumindest überwiegend wahrscheinlich ist, dass die Rechtsbeschwerde des Betroffenen Erfolg haben wird.
9
2. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor.
10
a) Der Anordnung der Haftverlängerung durch das Beschwerdegericht liegt im Ergebnis ein zulässiger Haftantrag zugrunde. Der Antrag der beteiligten Behörde auf Verlängerung der angeordneten Sicherungshaft entsprach zwar den gemäß § 425 Abs. 3 FamFG auch für solche Verlängerungsanträge geltenden (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Juli 2011 - V ZB 50/11, juris. Rn. 8) gesetzlichen Vorgaben des § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG nicht in allen Punkten. Die beteiligte Behörde hatte nicht dargelegt, auf welchem Wege Algerien dazu bewegt werden sollte, die erforderlichen Zusicherungen doch noch abzugeben. Dieser Mangel ist aber, was rechtlich möglich ist (Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 23), dadurch geheilt worden, dass das Beschwerdegericht selbst die erforderlichen Ermittlungen angestellt und den Betroffenen zu deren Ergebnis persönlich angehört hat.
11
b) Der Betroffene ist nach § 50 Abs. 1, § 51 Abs. 1 Nr. 5a AufenthG unter der Voraussetzung vollziehbar ausreisepflichtig, dass die algerischen Behörden die von dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesverfassungsgericht geforderten Zusicherungen abgeben. Das ergibt sich aus der Abschiebungsanordnung gemäß § 58a AufenthG des Senators für Inneres der Freien Hansestadt Bremen gegen den Betroffenen vom 16. März 2017 und den Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Mai 2017 (1 VR 4.17, juris) und vom 13. November 2017 (1 VR 13.17, juris). An diese Entscheidungen sind die Haftgerichte gebunden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 16. Dezember 2009 - V ZB 148/09, FGPrax 2010, 50 [juris Rn. 7] und vom 6. Mai 2010 - V ZB 193/09, InfAuslR 2010, 361 Rn. 19). Nicht zu beanstanden ist deshalb auch, dass das Beschwerdegericht den Fortbestand des aus der Abschiebungsanordnung folgenden Haftgrunds nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a AufenthG angenommen hat.
12
c) Das Beschwerdegericht ist bei der Anordnung der Verlängerung davon ausgegangen, dass die mögliche Höchstdauer der Haft noch nicht abgelaufen war. Sie betrage nicht bis zu sechs, sondern bis zu 18 Monate. Für diese Einschätzung sprechen gute Gründe; es ist jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich , dass sie unzutreffend ist.
13
aa) Zweifelhaft ist allerdings, ob sich die hier zu beurteilende Verlängerung der Sicherungshaft über sechs Monate hinaus auf die von dem Beschwerdegericht neben § 62 Abs. 4 Satz 3 AufenthG auch angeführte Vorschrift des § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG stützen lässt. Die reguläre Höchstfrist für die Anordnung von Sicherungshaft ist in § 62 Abs. 4 Satz 1 AufenthG in Übereinstimmung mit der zwingenden Vorgabe in Art. 15 Abs. 5 Satz 2 der Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 115/2008/EG vom 16. Dezember 2008, ABl. L 348 S. 98) mit sechs Monaten festgelegt. Unter Ausnutzung der Regelungsspielräume der genannten Richtlinienvorschrift sieht das deutsche Recht für den Regelfall eine kürzere Höchstfrist von nur drei Monaten vor. Nach § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ist die Sicherungshaft nämlich unzulässig, wenn die Abschiebung aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden kann. Für Ausländer, von denen eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, hat der Gesetzgeber durch die Einführung von § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG lediglich diese Einschränkung zurückgenommen. Die in § 62 Abs. 4 AufenthG bestimmten Höchstfristen sollten ausdrücklich unberührt bleiben (BT-Drucks. 18/11546 S. 22). Das betrifft insbesondere die reguläre Höchstfrist von sechs Monaten nach § 62 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, die nach der Rückführungsrichtlinie auch bei dieser Gruppe von Ausländern nur unter den besonderen Voraussetzungen von Art. 15 Abs. 6 verlängert werden darf (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - Rs. C-146/14, PPU - Mahdi, ECLI:EU:C:2014:1320 Rn. 68).
14
bb) Gute Gründe sprechen aber für die weitere Annahme des Beschwerdegerichts , die Sicherungshaft gegen den Betroffenen könne nach Maßgabe von § 62 Abs. 4 Satz 3 AufenthG um bis zu zwölf Monate auf insgesamt 18 Monate verlängert werden.
15
(1) Nach dieser Vorschrift ist eine Verlängerung der Sicherungshaft um höchstens zwölf Monate auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage von § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a AufenthG angeordnet worden ist - also weil gegen den Betroffenen eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann - und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Eine solche Haftanordnung liegt hier vor. Die Durchführung der Abschiebung hat sich deshalb verzögert, weil die algerischen Stellen eine Zusicherung zugunsten des Betroffenen, die den Anforderungen der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts entspricht, nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. November 2017 (1 VR 13.17, juris) bislang nicht abgegeben haben.
16
(2) Die Zulässigkeit der Verlängerung der Sicherungshaft um bis zu zwölf Monate hängt vorliegend deshalb entscheidend davon ab, ob die erforderliche Zusicherung durch die algerischen Behörden zu den in § 62 Abs. 4 Satz 3 AufenthG genannten Unterlagen gehört. Das Beschwerdegericht bejaht die Frage. Für diese Auffassung sprechen der Wortlaut und der Zweck der Vorschrift , im Falle von sog. Gefährdern die Gestaltungsmöglichkeiten nach Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungsrichtlinie zu nutzen. Die Abschiebung des Betroffenen setzt nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Mai 2017 (1 VR 4.17, juris) die Zusicherung Algeriens voraus, dass die Wahrung der Grund- und Menschenrechte des Betroffenen sichergestellt ist. Diese Zusicherung gehört damit zu den für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen. Zweifel daran ergeben sich auch nicht aus Art. 15 Abs. 6 der Rückführungsrichtlinie. Danach darf das nationale Recht eine Verlängerung der Sicherungshaft nur um bis zu zwölf Monate und auch nur dann vorsehen, wenn aufgrund einer der beiden in dieser Bestimmung genannten Faktoren, nämlich entweder - Buchstabe a - mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder - Buchstabe b - Verzögerungen bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten die Abschiebungsmaßnahme trotz ausreichender Bemühungen des Mitgliedsstaats wahrscheinlich länger dauern wird. Die in Buchstabe b genannte, im deutschen Recht mit § 62 Abs. 4 Satz 3 AufenthG erstmals genutzte Verlängerungsmöglichkeit differenziert nicht nach der Art der Unterlagen, sondern stellt allein auf die Erforderlichkeit und darauf ab, dass sie von den Drittstaaten übermittelt werden müssen. Es ist deshalb jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich, dass das Beschwerdegericht § 62 Abs. 4 Satz 3 AufenthG unzutreffend angewendet hat.
17
d) Die Prognose des Beschwerdegerichts, es werde innerhalb der angeordneten Verlängerung, jedenfalls aber innerhalb der Höchstfrist von 18 Monaten gelingen, die erforderliche Zusicherung Algeriens zu erlangen, ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang überprüfbar (vgl. Senat, Beschlüsse vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 18 und vom 12. Mai 2011 - V ZB 309/10, juris Rn. 15). Es ist jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sie in diesem Rahmen zu beanstanden sein wird.
18
aa) Das folgt allerdings nicht schon daraus, dass der Generaldirektor der Generaldirektion für nationale Sicherheit des algerischen Innenministeriums in einem von der beteiligten Behörde im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgelegten Schreiben an den Präsidenten der Bundespolizei sinngemäß erklärt hat, er werde persönlich dafür sorgen, dass die Grund- und Menschenrechte des Betroffenen gewahrt werden. Ob dieses Schreiben als solches im Rechtsbeschwerdeverfahren überhaupt berücksichtigt werden dürfte (vgl. dazu Keidel /Meyer-Holz, FamFG, 19. Aufl., § 74 Rn. 35 ff.), kann offen bleiben. Im Rechtsbeschwerdeverfahren gegen die Verlängerung der Sicherungshaft wird nämlich nicht zu prüfen sein, ob dieses Schreiben den Anforderungen genügt und nunmehr die Durchführung der Abschiebungsanordnung erlaubt. Diese Frage könnte nur in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren entschieden werden.
19
bb) Es ist aber deswegen nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Prognose des Beschwerdegerichts einer Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht standhalten wird, weil der Versuch, die für die Durchführung der Abschiebungsanordnung erforderliche Garantieerklärung Algeriens zu beschaffen , bei Anordnung der Haftverlängerung durch das Beschwerdegericht nicht endgültig gescheitert war.
20
(1) Der beteiligten Behörde war es allerdings bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht gelungen, von den algerischen Behörden eine Garantie für die Einhaltung der Grund- und Menschenrechte des Betroffenen zu erhalten, die den von Bundesverwaltungsgericht und Bundesverfassungsgericht formulierten Anforderungen genügen. Richtig ist auch, dass die algerischen Behörden nach der Einschätzung des Auswärtigen Amtes zu weitergehenden Erklärungen nicht bereit sein werden. Das bedeutet aber nicht, dass die beteiligte Behörde mit dem Versuch, von den algerischen Behörden eine ausreichende Garantie zu erhalten, endgültig gescheitert wäre.
21
(2) Gescheitert ist nämlich nur der Versuch, diese Garantie auf diplomatischem Wege, also unter Einschaltung des Auswärtigen Amtes auf deutscher Seite und des Außenministeriums auf algerischer Seite, zu erhalten. Der diplomatische Weg ist aber nicht der einzige Weg, auf dem die für die Durchführung der Abschiebungsanordnung vom 16. März 2017 erforderliche Garantie be- schafft werden kann. Die von dem Bundesverwaltungsgericht verlangte „Zusi- cherung einer algerischen Regierungsstelle ..., wonach dem [Betroffenen] in Algerien keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht (Art. 3 EMRK)“, erfordert nach der Präzisierung durch das Bundesverfassungsgericht, dass bei einer Inhaftierung des Betroffenen durch die Polizei oder durch den Geheimdienst eine Überprüfung der Haftbedingun- gen und der ungehinderte Zugang zu seinen Prozessbevollmächtigten möglich sind. Eine solche Zusicherung lässt sich auch - vielleicht sogar eher - durch unmittelbare Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Fachministerium (hier dem für die Leitung der Sicherheitsbehörden zuständigen Innenministerium) erreichen. Dieser Weg ist durch die Weigerung des algerischen Außenministeriums, konkretere Erklärungen abzugeben, nicht von vornherein verschlossen. Das Innenministerium kann als der fachlich zuständige Teil der Regierung Algeriens Zusicherungen des geforderten Inhalts abgeben. Es hat auf der fachlichen Ebene andere Möglichkeiten als das Außenministerium, weil es z.B. auch zusagen könnte, mit seinen Weisungsbefugnissen gegenüber den Polizei- und Sicherheitsbehörden sicherzustellen, dass die Grund- und Menschenrechte von Betroffenen auch tatsächlich gewahrt werden. Die Einschätzung des Beschwerdegerichts , dieser Wechsel in der Herangehensweise lasse erwarten, dass die von den deutschen Gerichten geforderte Garantie doch noch erklärt werde, hat damit eine tragfähige Grundlage. Es ist jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich, dass im Rechtsbeschwerdeverfahren ein Prognosefehler des Beschwerdegerichts festzustellen sein wird.
Schmidt-Räntsch Weinland Kazele
Göbel Hamdorf

Vorinstanzen:
AG Bremen, Entscheidung vom 16.11.2017 - 92b XIV 347/17 -
LG Bremen, Entscheidung vom 28.11.2017 - 10 T 614/17 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Dez. 2017 - V ZB 249/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Dez. 2017 - V ZB 249/17

Anwälte

1 relevante Anwälte

1 Anwälte, die Artikel geschrieben haben, die diesen Urteil erwähnen

Rechtsanwalt

für Öffentliches Recht


Öffentliches Wirtschaftsrecht - Bau- und Planungsrecht – Umweltrecht – Abgabenrecht – Verfassungsrecht – Europarecht – Menschenrechtsbeschwerde - Staatshaftungsrecht
EnglischDeutsch

Referenzen - Veröffentlichungen

Artikel schreiben

1 Veröffentlichung(en) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Dez. 2017 - V ZB 249/17.

1 Artikel zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Dez. 2017 - V ZB 249/17.

Ausländerrecht: Antrag eines islamistischen Gefährders auf Aussetzung der Abschiebungshaft bleibt erfolglos

04.01.2018

Ein Ausländer, von dem nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden eine Terrorgefahr ausgeht muss in Sicherungshaft bleiben – BSP Rechtsanwälte – Anwalt für internationales Recht Berlin
Allgemeines

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Dez. 2017 - V ZB 249/17 zitiert 10 §§.

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 62 Abschiebungshaft


(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 50 Ausreisepflicht


(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht. (2) Der Ausländer hat da

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 417 Antrag


(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen. (2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:1.die Identität des Betroffenen,2.den gewöhnlichen Aufent

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen


(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen: 1. Ablauf seiner Geltungsdauer,2. Eintritt einer auflösenden Bedingung,3. Rücknahme des Aufenthaltstitels,4. Widerruf des Aufenthaltstitels,5. Ausweisung des Ausländers,5a. Bekanntgabe einer Absc

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 64 Einlegung der Beschwerde


(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird. Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde sind bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten werden soll. (

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 58a Abschiebungsanordnung


(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Auswe

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 425 Dauer und Verlängerung der Freiheitsentziehung


(1) In dem Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, ist eine Frist für die Freiheitsentziehung bis zur Höchstdauer eines Jahres zu bestimmen, soweit nicht in einem anderen Gesetz eine kürzere Höchstdauer der Freiheitsentziehung

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Dez. 2017 - V ZB 249/17 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Dez. 2017 - V ZB 249/17 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2011 - V ZB 50/11

bei uns veröffentlicht am 14.07.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 50/11 vom 14. Juli 2011 in der Freiheitsentziehungssache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juli 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Ro

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2010 - V ZB 261/10

bei uns veröffentlicht am 14.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 261/10 vom 14. Oktober 2010 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, die Richter Dr

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2010 - V ZB 14/10

bei uns veröffentlicht am 21.01.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 14/10 vom 21. Januar 2010 in der Freiheitsentziehungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG § 64 Abs. 3 In entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG kann das Rechtsbeschwerdegericht

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Mai 2011 - V ZB 309/10

bei uns veröffentlicht am 12.05.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 309/10 vom 12. Mai 2011 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Mai 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Rä

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2011 - V ZB 226/10

bei uns veröffentlicht am 20.01.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 226/10 vom 20. Januar 2011 in der Abschiebungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja AufenthG § 72 Abs. 4 Satz 1; FamFG § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 a) Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2014 - V ZB 80/13

bei uns veröffentlicht am 16.07.2014

Tenor Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Lübeck, 7. Zivilkammer, vom 27. Mai 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts

Referenzen

(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird. Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde sind bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten werden soll.

(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt. Die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle ist in Ehesachen und in Familienstreitsachen ausgeschlossen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen.

(3) Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen ist.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird. Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde sind bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten werden soll.

(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt. Die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle ist in Ehesachen und in Familienstreitsachen ausgeschlossen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen.

(3) Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen ist.

8
1. Der Aussetzungsantrag ist in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG statthaft (vgl. Senat, Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 211/10, juris, Rn. 6; Beschluss vom 7. Mai 2010 - V ZB 121/10, juris, Rn. 5; Beschluss vom 21. Januar 2010 - V ZB 14/10, FGPrax 2010, 97, Rn. 3; Beschluss vom 30. März 2010 - V ZB 79/10, FGPrax 2010, 158, Rn. 3).
5
a) Das Rechtsbeschwerdegericht hat über die beantragte einstweilige Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die drohenden Nachteile für den Betroffenen gegeneinander abzuwägen. Die Aussetzung der Vollziehung einer Freiheitsentziehung , die durch das Beschwerdegericht bestätigt worden ist, wird danach regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat oder die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist (vgl. Senat, Beschl. v. 31. Oktober 2007, V ZB 114/07, WuM 2008, 95, 96).

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) In dem Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, ist eine Frist für die Freiheitsentziehung bis zur Höchstdauer eines Jahres zu bestimmen, soweit nicht in einem anderen Gesetz eine kürzere Höchstdauer der Freiheitsentziehung bestimmt ist.

(2) Wird nicht innerhalb der Frist die Verlängerung der Freiheitsentziehung durch richterlichen Beschluss angeordnet, ist der Betroffene freizulassen. Dem Gericht ist die Freilassung mitzuteilen.

(3) Für die Verlängerung der Freiheitsentziehung gelten die Vorschriften über die erstmalige Anordnung entsprechend.

8
aa) Der Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden. Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags. Für Abschiebungshaftanträge werden nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt. Fehlt es an den erforderlichen Darlegungen, darf keine Haft angeordnet werden; vielmehr ist der Antrag als unzulässig zu verwerfen, weil es sich bei der ordnungsgemäßen Antragstellung durch die Behörde um eine Verfahrensgarantie handelt, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG erfordert (Senat, Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 und vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, FGPrax 2010, 316, 317). In gleicher Weise zu begründen ist auch der Antrag der Behörde auf Verlängerung einer bereits angeordneten und vollzogenen Sicherungshaft. Nach § 425 Abs. 3 FamFG gelten für die Verlängerung der Freiheitsentziehung die Vorschriften über die erstmalige Anordnung entsprechend (Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZB 252/10 Rn. 12, juris).

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Lübeck, 7. Zivilkammer, vom 27. Mai 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts Oldenburg in Holstein vom 26. September 2012 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste am 24. September 2012 ohne gültige Papiere mit einem Zugticket für eine Fahrt von A.      nach K.         in das Bundesgebiet ein. Er wurde erstmals von Beamten der Bundespolizei in B.       aufgegriffen. Eine EURODAC Anfrage ergab zwei Treffer für Großbritannien (aus dem Jahr 2006) und Italien (aus dem Jahr 2010). Der Betroffene gab an, dass er in den für seinen Schutzantrag zuständigen Mitgliedstaat zurückreisen werde. Die Beamten stellten für den Betroffenen eine Anlaufbescheinigung für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Br.          aus und besorgten dem Betroffenen mit dessen Mitteln eine Bahnfahrkarte dorthin.

2

Der Betroffene setzte jedoch am Folgetag seine Bahnfahrt in Richtung D.      fort. Er wurde in P.       erneut von Beamten der Bundespolizei (der beteiligten Behörde) aufgegriffen. Die beteiligte Behörde beantragte bei dem Amtsgericht für die Dauer von zwei Monaten die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung nach Italien oder Großbritannien mit der Angabe, dass diese gemäß der VO (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-Verordnung) für dessen Schutzantrag zuständig seien.

3

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 26. September 2012 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 25. November 2012 angeordnet. Der Betroffene hat hiergegen Beschwerde eingelegt und nach seiner Überstellung nach Italien am 5. November 2012 beantragt, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung für die Haftzeit vom 26. September 2012 bis zum 5. November 2012 festzustellen. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.

4

Das Beschwerdegericht meint, dass die Haftanordnung den Betroffenen nicht in seinem Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe. Zwar sei der Haftantrag der beteiligten Behörde dem Betroffenen nicht ausgehändigt, sondern erst unmittelbar vor seiner Anhörung mündlich eröffnet worden. Das habe hier aber deshalb ausgereicht, weil der Betroffene auf Grund seiner am Tag zuvor erfolgten Festnahme in B.         zu den Haftvoraussetzungen im engeren Sinne auskunftsfähig gewesen sei. Der Betroffene habe nicht nur gewusst, dass er sich illegal im Bundesgebiet aufhalte; er habe zudem - da er nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, sich freiwillig bei dem Bundesamt zu stellen - mit der Anordnung von Haft im Falle seines erneuten Aufgreifens im Bundesgebiet rechnen müssen.

5

Die Voraussetzungen für die Anordnung von Zurückschiebungshaft nach § 57 Abs. 2, § 62 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG hätten vorgelegen. Ob sich eine andere Beurteilung nach § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG auf Grund der Erklärung des Betroffenen in der Beschwerdebegründung ergeben hätte, er sei in der Haft zu der Überzeugung gelangt, dass er sich den Behörden zur Rückkehr nach Italien zur Verfügung halten müsse, könne dahinstehen, da das allenfalls für die Zukunft hätte berücksichtigt werden können.

III.

6

Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

7

1. Im Ergebnis ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, dass gegen den Betroffenen Zurückschiebungshaft nach § 57 Abs. 2 i.V.m. § 62 AufenthG zur Überstellung nach Italien gemäß Art. 19, 20 Dublin-II-Verordnung (zur Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung - VO [EU] Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013, ABl. Nr. L 180, S. 31 - Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 31/14, zur Veröffentlichung vorgesehen) schon deshalb nicht hätte angeordnet werden dürfen, weil dem Betroffenen vor dem Beginn seiner Anhörung nach § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine Abschrift des Haftantrags der beteiligten Behörde nicht ausgehändigt worden war.

8

a) Das Vorgehen des Haftrichters verletzte allerdings den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Der Haftrichter darf - auch wenn der Betroffene zu den Angaben im Haftantrag auskunftsfähig ist - sich nicht darauf beschränken, den Inhalt des Haftantrags mündlich vorzutragen. Dem Betroffenen ist in jedem Fall eine Ablichtung des Haftantrags zu übergeben, der erforderlichenfalls mündlich übersetzt werden muss; beides ist in dem Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle zu vermerken (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 284/11, FGPrax 2012, 227 Rn. 9; Beschluss vom 10. Oktober 2013 - V ZB 127/12, FGPrax 2014, 39 Rn. 5). Die Aushändigung des Haftantrags soll sicherstellen, dass sich der Betroffene zu sämtlichen (tatsächlichen und rechtlichen) Angaben der die Haft beantragenden Behörde äußern kann (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 - V ZB 141/11, FGPrax 2011, 257 Rn. 8; Beschluss vom 6. Dezember 2012 - V ZB 224/11, FGPrax 2013, 87 Rn. 13). Der Betroffene, der zumeist schon auf Grund der Situation nicht in der Lage sein wird, einen ihm nur mündlich übermittelten Haftantrag zu erfassen, muss im weiteren Verlauf der Anhörung in ein Exemplar des Haftantrags einsehen und dieses gegebenenfalls später einem Rechtsanwalt vorlegen können (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 281/11, FGPrax 2012, 227 Rn. 9; Beschluss vom 30. Oktober 2013 - V ZB 6/13, juris Rn. 5). Die Aushändigung des Haftantrags soll dem Betroffenen - insbesondere bei einem nicht einfach gelagerten Sachverhalt, von dessen Vorliegen hier auch das Beschwerdegericht ausgeht - ermöglichen, sich gegenüber dem Haftantrag der Behörde zu verteidigen (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323 Rn. 16; Beschluss vom 26. April 2012 - V ZB 17/12, juris Rn. 5).

9

b) Die unterbliebene Aushändigung des Haftantrags führt allerdings nur dann zu einer Aufhebung der Haftanordnung (bzw. nach einer Erledigung der Hauptsache zur Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit), wenn das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Soweit der Senat dies bisher anders gesehen hat (u.a. Beschluss vom 30. März 2012 - V ZB 59/12, juris Rn. 10 ff.; Beschluss vom 30. Oktober 2013 - V ZB 9/13, FGPrax 2014, 43 Rn. 10 mwN), hält er daran nicht fest.

10

Ausschlaggebend dafür ist eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union für die Fälle der Inhaftnahme zum Zweck der Abschiebung nach Art. 15 der Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. Nr. L 348, S. 98). Nach dessen Urteil vom 10. September 2013 (C - 383/13 - PPU, veröffentlicht u.a. in BayVBl. 2014, 140 ff.) muss bei einer richterlichen Kontrolle der von dem Drittstaatsangehörigen gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei Entscheidungen zur Inhaftnahme für die Zwecke der Abschiebung nach Art. 15 der Rückführungsrichtlinie anhand der speziellen tatsächlichen und rechtlichen Umstände des jeweiligen Falles geprüft werden, ob der Verfahrensfehler dem Betroffenen tatsächlich die Möglichkeit genommen hat, sich in solchem Maß besser zu verteidigen, dass das Verfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (EuGH, aaO, Rn. 44). Ein nationales Gericht, das mit der Rechtmäßigkeit einer im Verwaltungsverfahren unter Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beschlossenen Verlängerung einer Haftmaßnahme betraut ist, darf die Haftmaßnahme nur dann aufheben, wenn es der Ansicht ist, dass das Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (EuGH, aaO, Rn. 45).

11

Die Entscheidung betrifft zwar einen Fall aus einem Mitgliedstaat (Niederlande), in dem die Abschiebungshaft nach Art. 15 Abs. 2 Satz 3 Buchstabe a der Rückführungsrichtlinie durch eine Verwaltungsbehörde angeordnet und danach durch ein Gericht überprüft wird, also nicht wie in Deutschland bereits durch das Gericht angeordnet wird. Gegenstand der Entscheidung des Gerichtshofs ist zudem die Haft zur Vollstreckung der Rückkehrentscheidung durch Abschiebung (Art. 3 Abs. 3, 5 der Rückführungsrichtlinie) und nicht - wie hier - die Anordnung von Zurückschiebungshaft zur Sicherung der Überstellung des Ausländers in einen anderen Mitgliedstaat nach Art. 16 ff. Dublin-II-Verordnung. Die von dem Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Grundsätze erlauben aber keine unterschiedliche Behandlung der Verletzung von Verteidigungsrechten, wenn es um eine Anordnung von Haft zur Beendigung eines illegalen Aufenthalts eines Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union geht. Entscheidend ist, dass nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs eine Verletzung von Verteidigungsrechten (insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör) nicht automatisch, sondern nur dann zur Beendigung der Haft führt, wenn das Verfahren auch zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

12

Die Wirkung, die der Senat der fehlenden Aushändigung des Haftantrags bislang beigemessen hat, lässt sich auch nicht mit Art. 4 Abs. 3 Rückführungsrichtlinie rechtfertigen. Danach dürfen die Mitgliedsstaaten Vorschriften beibehalten oder erlassen, die - wie das Erfordernis der Aushändigung des Haftantrags oder die Begründungsanforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG - für die Personen, auf die Richtlinie Anwendung findet, günstiger sind. Vorschriften der Mitgliedstaaten (hier über die Mitteilung des Haftantrags nach § 23 Abs. 2 FamFG) und ihre Auslegung müssen aber mit der Richtlinie in Einklang stehen und dürfen die effektive Durchführung von Rückführungen nicht gefährden. Das lässt sich jedoch nicht gewährleisten, wenn die unterbliebene Aushändigung des Haftantrags ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit und damit auch dann nach § 426 FamFG zur Aufhebung einer angeordneten Zurückschiebungshaft führt, wenn die Vermeidung dieses Fehlers nicht zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.

13

c) Dass der Betroffene - wenn ihm der Haftantrag bereits vor seiner Anhörung durch das Amtsgericht ausgehändigt worden wäre - tatsächliche oder rechtliche Umstände mit der Folge vorgebracht hätte, dass die Haftanordnung nicht ergangen oder von dem Beschwerdegericht aufgehoben worden wäre, wird von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Verstoß gegen den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör durch die Nichtaushändigung des Haftantrags führt danach hier nicht zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung (vgl. EuGH, aaO Rn. 39).

14

2. a) Der Feststellungsantrag hat jedoch aus einem anderen Grund Erfolg. Die Zurückschiebungshaft gegen den Betroffenen nach § 57 Abs. 2 i.V.m. § 62 AufenthG und mit Art.19, 20 Dublin-II-Verordnung hätte nämlich deshalb nicht angeordnet werden dürfen, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.

15

aa) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., Senat, Beschlüsse vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, InfAuslR 2012, 328 Rn. 10; vom 6. Dezember 2012 - V ZB 118/12, juris Rn. 4; vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 Rn. 15, jeweils mwN).

16

bb) In Haftanträgen zur Sicherung einer Zurückschiebung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union auf der Grundlage eines Aufnahme oder Wiederaufnahmeersuchens nach Art. 16 ff. der Dublin-II-Verordnung muss ausgeführt werden, dass und weshalb der Zielstaat (hier Großbritannien oder Italien) nach der Verordnung zur Rücknahme verpflichtet ist (Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 10; Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 138/12, FGPrax 2013, 132, 133 Rn. 10). Hierzu muss die Behörde auch angeben, in welchem Verfahren die Überstellung erfolgen und in welcher Reihenfolge bei den in Betracht kommenden Staaten nachgefragt werden soll. Dass die Entscheidung darüber nicht bei der beteiligten Behörde, sondern bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge liegt, macht solche Darlegungen nicht entbehrlich. Notfalls muss die Behörde zunächst den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 427 Abs. 1 FamFG beantragen und den Antrag auf Anordnung ordentlicher Sicherungshaft bis zum Eingang der Unterrichtung durch das Bundesamt zurückstellen (Senat, Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 138/12, FGPrax 2013, 132 Rn. 11).

17

cc) Der Haftantrag der beteiligten Behörde vom 25. September 2012 entspricht - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - diesen Anforderungen nicht. In ihm ist nur davon die Rede, dass auf Grund von zwei EURODAC-Treffern dem Betroffenen die Zurückschiebung nach Italien oder nach Großbritannien eröffnet worden sei. Ausführungen dazu, welcher Staat zunächst angefragt werden soll, und aus welchen Gründen dieser zur Zurücknahme des Betroffenen verpflichtet ist, fehlen jedoch.

18

b) Mängel in der Antragsbegründung wegen fehlender Angaben zur erforderlichen Haftdauer und zur Durchführbarkeit der Ab- oder Zurückschiebung (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 FamFG) führen zur Rechtswidrigkeit der auf Grund eines solchen Antrags erlassenen Haftanordnung.

19

aa) Dies ist eine Folge dessen, dass das Begründungserfordernis als eine Verfahrensgarantie im Sinne des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ausgestaltet worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 Rn. 19; Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 11). Diese Garantie dient nicht nur dem Zweck, dem Betroffenen eine bessere Verteidigung im Verfahren zu ermöglichen. Mit den besonderen Begründungsanforderungen will der Gesetzgeber vor allem erreichen, dass dem Gericht durch den Antrag selbst eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für seine Entscheidung zugänglich wird (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags zum FGG-ReformG, BT-Drucks. 16/9733, S. 299; Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 Rn. 9; Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 13). Die Begründung des Haftantrags ist nach Auffassung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags eine unverzichtbare Voraussetzung für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für die Entscheidung des Richters über den Haftantrag. Unvollständige, auch nicht auf richterliche Aufforderung ergänzte Haftanträge sind von dem Haftrichter als unzulässig zurückzuweisen (BT-Drucks. 16/9733, S. 299).

20

bb) Die in § 417 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 5 FamFG bestimmten Anforderungen an die Begründung sollen gewährleisten, dass die Haft nach § 62 AufenthG nur angeordnet wird, wenn die antragstellende Behörde das Vorliegen der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Durchführbarkeit einer Ab- oder Zurückschiebung und für das Betreiben des Verfahrens darlegt, zu deren Sicherung der Richter die Haft anordnen soll. Das Begründungserfordernis sichert damit die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Haftanordnung nach § 62 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 4 AufenthG sowie Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der Rückführungsrichtlinie. Bedingung für die Inhaftnahme des Ausländers ist nach der Richtlinie nämlich nicht nur die Fluchtgefahr oder ein Umgehen oder eine Verhinderung der Abschiebung; die Haft muss zudem so kurz wie möglich sein und sich auf die Dauer der laufenden Abschiebungsvorkehrungen beschränken, solange diese mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt werden. Das Vorliegen dieser Umstände ist Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Inhaftnahme (Art. 15 Abs. 2 Satz 4 Rückführungsrichtlinie) und für die Aufrechterhaltung einer einmal angeordneten Haft (Art. 15 Abs. 3 und 4 Rückführungsrichtlinie).

21

c) Die Mängel des Haftantrags können allerdings in dem gerichtlichen Verfahren mit Wirkung für die Zukunft geheilt werden. Das ist hier jedoch nicht geschehen.

22

aa) Eine Behebung der Mängel des Haftantrags kann zunächst dadurch geschehen, dass die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt, dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt und der Betroffene dazu Stellung nehmen kann (Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11, Rn. 11 juris; Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 Rn. 15).

23

Die Möglichkeiten zur Behebung des Mangels sind im Hinblick darauf, dass die Auslegung nationalstaatlicher Vorschriften die praktische Wirksamkeit der Rückführungsrichtlinie nicht infrage stellen darf (EuGH, Urteil vom 10. September 2013 - C-383/13 - PPU, Rn. 36, veröffentlicht u.a. in BayVBl. 2014, 140 ff.), dahin zu ergänzen, dass auch das Gericht das Vorliegen der an sich seitens der Behörde nach § 417 Abs. 2 FamFG vorzutragenden Tatsachen auf Grund eigener Ermittlungen von Amts wegen (§ 26 FamFG) in dem Beschluss feststellen kann. Damit wird dem Zweck des Begründungserfordernisses in § 417 Abs. 2 FamFG ebenfalls genügt. Die Begründung soll dem Haftrichter eine hinreichende Tatsachengrundlage verschaffen. Die Zurückweisung eines Haftantrags oder die Aufhebung einer bereits angeordneten Haft auch in den Fällen, in denen nach den eigenen Ermittlungen des Haftrichters die in § 417 Abs. 2 Nr. 4 und 5 FamFG von der Behörde darzulegenden Tatsachen vorliegen und sich danach die beantragte Haft als erforderlich und verhältnismäßig darstellt, ist dagegen nach dem Zweck des Begründungserfordernisses nicht gefordert und widerspricht dem bereits erwähnten Gebot (siehe oben 1. b)), die praktische Wirksamkeit der Rückführungsrichtlinie nicht durch eine zu enge Auslegung nationalstaatlicher Verfahrensvorschriften infrage zu stellen.

24

Die Behebung des Mangels durch den Haftrichter setzt jedoch voraus, dass dieser die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Ab- oder Zurückschiebung des Ausländers und zu der dafür erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt. Nur dann ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen tatsächlich vorgelegen haben, unter denen die Haft angeordnet werden darf. Fehlt es an solchen Feststellungen, verletzt eine dennoch ergehende Haftanordnung den Betroffenen in seinen Rechten.

25

bb) So verhält es sich hier, weil die Mängel des Haftantrags der beteiligten Behörde in dem gesamten Verfahren nicht behoben worden sind. Das Beschwerdegericht befasst sich in seiner Entscheidung nur mit der - seiner Meinung nach entbehrlichen - Aushändigung des Haftantrags, aber nicht mit dessen Inhalt. Das Amtsgericht hat lediglich ausgeführt, dass die Dauer der Haft deshalb nicht unverhältnismäßig sei, weil Abschiebungen nach Italien erfahrungsgemäß innerhalb von zwei Monaten vollzogen werden könnten. Feststellungen zu einer Verpflichtung Italiens, den Betroffenen wieder aufzunehmen, fehlen jedoch sowohl im Haftantrag als auch in dem die Haft anordnenden Beschluss.

26

cc) Die Haftanordnung stellt sich schließlich auch nicht deshalb im Nachhinein als rechtmäßig dar, weil die Zurückschiebung des Betroffenen innerhalb der von der beteiligten Behörde beantragten Frist durchgeführt wurde. Der Senat hat zwar entschieden, dass sich Prognosefehler des Gerichts nicht auswirken, wenn es in der angeordneten Haftzeit zu der Ab- oder Zurückschiebung kommt (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 19). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Mängel des Haftantrags übertragen werden. Die Ordnungsmäßigkeit des Haftantrags ist eine Verfahrensgarantie, deren Beachtung von Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG gefordert ist (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 11; Beschluss vom 19. Januar 2012 - V ZB 70/11, juris Rn. 8; Beschluss vom 17. Oktober 2013 - V ZB 162/12, InfAuslR 2014, 51 Rn. 9). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten, weil die Freiheitsentziehung nicht angeordnet werden darf, solange es an einer Darlegung der Behörde oder einer richterlichen Ermittlung der für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung erforderlichen Tatsachen fehlt.

IV.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, § 128 Abs. 3 Satz 2 KostO, Art. 5 EMRK. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 3 Satz 2, § 30 Abs. 2 KostO. Die Vorschriften der Kostenordnung sind hier auf Grund der Übergangsvorschrift in § 134 Abs. 1, 2 GNotKG noch anzuwenden.

Stresemann                        Lemke                        Schmidt-Räntsch

                       Czub                        Kazele

(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.

(2) Der Ausländer hat das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.

(2a) (weggefallen)

(3) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der ausreisepflichtige Ausländer aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.

(4) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen.

(5) Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.

(6) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Ausländer, gegen den ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 besteht, kann zum Zweck der Einreiseverweigerung zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden. Für Ausländer, die gemäß § 15a verteilt worden sind, gilt § 66 des Asylgesetzes entsprechend.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

18
(2) Unzureichend sind auch die Feststellungen des Amtsgerichts und des Beschwerdegerichts zu dem Vorliegen des Hafthindernisses nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG. Danach darf die Haft nicht angeordnet werden, wenn feststeht , dass die Abschiebung aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann. Der Haftrichter hat dazu eine Prognose anzustellen und diese auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Umstände zu erstrecken, die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können (Senat, Beschluss vom 8. Juli 2010 - V ZB 89/10, juris Rn. 8 und vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27 Rn. 22). Diese Prognose ist im Rechtsbeschwerdeverfahren zwar nur eingeschränkt überprüfbar (Senat, aaO), hier aber zu beanstanden. Das Amtsgericht hat die erforderliche Prognose nicht angestellt. Das Beschwerdegericht hat seine Prognose unzulässig auf das Vorliegen von Abschiebungshindernissen allein unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmittelverfahren des Betroffenen gegen die Abschiebungs- beziehungsweise Ausweisungsverfügung verkürzt.
15
f) Die Rechtsbeschwerde rügt aber zu Recht, dass das Amtsgericht und das Beschwerdegericht die Vorschrift des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG fehlerhaft angewendet haben. Danach darf die Haft nicht angeordnet werden, wenn feststeht, dass die Abschiebung aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann. Der Haftrichter hat dazu eine Prognose anzustellen und diese auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Umstände zu erstrecken, die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, Rn. 18, juris mwN). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prognose, ob die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate möglich erscheint, ist der Erlass der Haftanordnung, nicht der mutmaßliche Beginn des Vollzugs der Abschiebungshaft (Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 261/10, Rn. 11, juris). Dies gilt auch im Fall der Anordnung von Sicherungshaft als Überhaft im Anschluss an eine Strafhaft (OLG München, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 34 Wx 052/05, Rn. 9, juris; OLG Köln, OLGR Köln 2002, 364). Die Prognose ist im Rechtsbeschwerdeverfahren zwar nur eingeschränkt überprüfbar (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, Rn. 18, juris), in diesem Rahmen aber zu beanstanden.