Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 613/13
vom
7. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Raubes mit Todesfolge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Januar 2014 beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 15. August 2013 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Die 33. große Hilfsstrafkammer – Hilfsschwurgericht – des Landgerichts Kiel hat die – mittäterschaftlich handelnden – Angeklagten wegen Raubes mit Todesfolge, schweren Raubes, schwerer räuberischer Erpressung sowie wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit Diebstahl mit Waffen in zwei Fällen jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten haben mit einer – identisch erhobenen – Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); mit dieser beanstanden sie, die Einrichtung der Hilfsstrafkammer sei nicht gesetzmäßig erfolgt, so dass diese zur Verhandlung und Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht berufen, das erkennende Gericht somit vorschriftswidrig besetzt gewesen sei (§ 338 Nr. 1 StPO i.V.m. § 21e Abs. 3 GVG).
2
1. Die Revisionen tragen hierzu folgendes Prozessgeschehen vor:
2
3
Der vom Präsidium des Landgerichts Kiel am 13. Dezember 2012 für das Folgejahr beschlossene Geschäftsverteilungsplan wies Schwurgerichtssa- chen (§ 74 Abs. 2 GVG) weiterhin der 8. großen Strafkammer zu. Deren zudem bestehende Zuständigkeit für Jugendschutzsachen war mit dem Ziel der Entlastung mit Wirkung vom 1. Januar 2013 auf die 2. große Strafkammer übertragen worden. Bis zum Jahresende waren bei der 8. großen Strafkammer zwei weite- re Haftsachen eingegangen, während sie „zwei Urteile … noch im laufenden Geschäftsjahr abzusetzen vermocht“ hatte. Am 28. Dezember 2012 zeigte der Vorsitzende der 8. großen Strafkammer deren Überlastung an. Als Reaktion hierauf bildete das landgerichtliche Präsidium durch Beschluss vom 22. Januar 2013 die 33. große Hilfsstrafkammer und wies ihr sämtliche erstinstanzlichen , im Januar 2013 bei der 8. großen Strafkammer eingegangenen bzw. noch eingehenden Schwurgerichtssachen zur Bearbeitung zu. Da bis zum Monatsende keine weitere Anklage erhoben wurde, ging allein das am 2. Januar 2013 bei der 8. großen Strafkammer anhängig gewordene hiesige Verfahren auf die Hilfsstrafkammer über. Die dem angefochtenen Urteil zugrundeliegende zehntägige Hauptverhandlung wurde am 25. April 2013 begonnen.
4
Das Präsidium hatte seine Überzeugung von einer „vorübergehenden Überlastung im Sinne von § 21e Abs. 3 GVG“ auf folgender Tatsachengrundla- ge gewonnen: Abgesehen von drei (jeweils einen Angeklagten betreffenden) Nichthaftsachen waren bei der 8. großen Strafkammer sieben erstinstanzliche Verfahren – einschließlich des vorliegenden – anhängig, in denen den jeweiligen Angeklagten die Freiheit entzogen war. Im Einzelnen bestanden am 22. Januar 2013 diese Verfahrenslagen: In einem wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern geführten Verfahren war die Hauptverhandlung auf drei Tage (18. Januar, 1. und 7. Februar 2013) terminiert. Für eine wegen des Vorwurfs des Mordes (durch Unterlassen) anberaumte Hauptverhandlung waren im Zeitraum vom 22. Februar bis April 2013 acht Tage vorgesehen. In einem sich wegen versuchten Mordes gegen zwei Angeklagte richtenden Verfah- ren waren vom 13. bis 21. März 2013 vier Sitzungstage angesetzt. Ferner war beabsichtigt, eine bereits am 31. Oktober 2012 begonnene Hauptverhandlung (Vorwurf: versuchter Mord) bis 8. Februar 2013 fortzusetzen. In den beiden übrigen wegen versuchten Mordes bzw. Totschlags geführten, jeweils einen Angeklagten betreffenden Verfahren bestand bereits eine – wenngleich nicht näher präzisierte – „Terminierungsperspektive“.
5
Der von den Angeklagten in der Hauptverhandlung jeweils form- und fristgerecht erhobene, ihren Rügen zugrundeliegende Besetzungseinwand gemäß § 222b Abs. 1 StPO ist vom Landgericht als unbegründet zurückgewiesen worden. Es hat ausgeführt, dass ohne die Entlastungsmaßnahme „vor allem die im Januar 2013 eingehenden Schwurgerichtsverfahren … nicht hinreichend unter Beachtung des Beschleunigungsgebots gefördert werden konnten und für etwaige Eingänge ab Februar 2013 wieder eine Förderung durch die 8. große Strafkammer als gesetzlicher Richter vorgesehen war“.
6
2. Bei diesem Prozessgeschehen erweisen sich die – nach § 338 Nr. 1
6
lit. b StPO nicht präkludierten, den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 9. April 2009 – 3 StR 376/08, BGHSt 53, 268, 281) – Rügen als begründet. Denn die Annahme der zum Präsidiumsbeschluss vom 22. Januar 2013 führenden Überlastung der 8. großen Strafkammer ist nicht hinreichend belegt, so dass die Hilfsstrafkammer nicht hätte errichtet werden dürfen und die Angeklagten durch die Übertragung des Verfahrens auf diese Strafkammer unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ihrem gesetzlichen Richter entzogen wurden.
7
a) Allerdings darf das Präsidium gemäß § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG die nach Absatz 1 Satz 1 dieser Bestimmung getroffenen Anordnungen im Laufe des Geschäftsjahres ändern, wenn dies wegen Überlastung eines Spruchkörpers nötig wird. Eine solche liegt vor, wenn über einen längeren Zeitraum ein erheblicher Überhang der Eingänge über die Erledigungen zu verzeichnen ist, so dass mit einer Bearbeitung der Sachen innerhalb eines angemessenen Zeitraumes nicht zu rechnen ist. Von Verfassungs wegen kann eine nachträgliche Änderung der Geschäftsverteilung sogar geboten sein, wenn nur auf diese Weise eine hinreichend zügige Behandlung von Strafsachen erreicht werden kann. Das Gebot zügiger Verfahrensgestaltung lässt indes das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht vollständig zurücktreten. Vielmehr besteht Anspruch auf eine zügige Entscheidung gerade durch diesen. Daher muss in derartigen Fällen das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter mit dem rechtsstaatlichen Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem verfassungsrechtlichen Grundsatz zügiger Verfahrensgestaltung zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden (vgl. BGH, aaO, S. 270 f. mwN).
8
Zu den grundsätzlich zulässigen Maßnahmen im Sinne des § 21e Abs. 3 GVG zählt die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer für eine begrenzte Zeit. Die Regelung der mit der Errichtung einer Hilfsstrafkammer verbundenen Übertragung von Aufgaben der ordentlichen Strafkammer hat denselben Grundsätzen zu folgen, wie sonstige Änderungen im Sinne von § 21e Abs. 3 GVG; insbesondere ist auch insoweit das Abstraktionsprinzip zu beachten. Danach ist namentlich die Zuweisung bestimmter einzelner Verfahren regelmäßig unzulässig. Nach diesen Maßstäben steht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG einer Änderung der (funktionellen) Zuständigkeit für bereits anhängige Verfahren dann nicht entgegen , wenn die Neuregelung generell gilt, also etwa außer mehreren anhängigen Verfahren auch eine unbestimmte Vielzahl künftiger, gleichartiger Fälle erfasst, und nicht aus sachwidrigen Gründen erfolgt. In Ausnahmefällen kann aber auch eine Änderung der Geschäftsverteilung zulässig sein, die der Hilfsstraf- kammer ausschließlich bereits anhängige Verfahren überträgt, wenn nur so dem verfassungs- und konventionsrechtlichen Zügigkeitsgebot insbesondere in Haftsachen (siehe Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) angemessen Rechnung getragen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 1998 – 5 StR 574/97, BGHSt 44, 161, 165 ff.). Jede Umverteilung, die bereits anhängige Verfahren erfasst, muss zudem geeignet sein, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen. Denn Änderungen der Geschäftsverteilung , die diesen Anforderungen nicht genügen, sind nicht im Sinne des § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG nötig und können vor allem vor Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Bestand haben (BGH, Urteil vom 9. April 2009 – 3 StR 376/08, BGHSt 53, 268, 271 f. mwN).
9
Wegen der erheblichen Gefahren für das verfassungsrechtliche Gebot der Gewährleistung des gesetzlichen Richters müssen die vom Präsidium für die Überleitung bereits bei einer überlasteten Strafkammer anhängiger Verfahren auf eine Hilfsstrafkammer herangezogenen Gründe umfassend dokumentiert werden, und zwar selbst dann, wenn zugleich auch zukünftig eingehende Sachen auf die Hilfsstrafkammer übertragen werden (vgl. BGH, aaO, S. 273).
10
b) Den sich danach ergebenden Anforderungen an die Begründung für die Geschäftsverteilungsänderung nach § 21e Abs. 3 GVG genügt die hier beanstandete Entscheidung des Präsidiums nicht. Sie hält revisionsgerichtlicher Kontrolle (zu deren Umfang vgl. BGH, aaO, S. 274 ff.; BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 – 2 StR 116/13, StV 2014, 6; s. auch BVerfG [Kammer] NJW 2005, 2689, 2690) nicht stand, weil sie die angenommene vorübergehende Überlastung der 8. großen Strafkammer, die – gemessen an Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG – eine Übertragung des gegen die Angeklagten gerichteten Verfahrens auf die Hilfsstrafkammer gerechtfertigt hätte, nicht hinreichend belegt.
Auch unter Berücksichtigung des Inhalts der Überlastungsanzeige vom 28. Dezember 2012 und des Protokolls der Präsidiumssitzung vom 22. Januar 2013 ist nicht erkennbar, dass der Geschäftsablauf bei der 8. großen Strafkammer erheblich beeinträchtigt und eine Entlastung nötig war (§ 21e Abs. 3 Satz 1 GVG).
11
Vielmehr legt es die dargestellte Verfahrenssituation nahe, dass eine Hauptverhandlung in dieser Sache noch ab April, spätestens aber ab Mai 2013 hätte terminiert werden können. Es ist aber auch mit Blick auf das Gebot zügiger Verfahrensgestaltung grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn mit einer Verhandlung nicht vor Ablauf von vier Monaten nach ihrem Eingang bei einer großen Strafkammer begonnen wird (ebenso – freilich für ein gegen noch mehr Angeklagte gerichtetes Verfahren – BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 – 2 StR 116/13, StV 2014, 6, 7). Ein Einschreiten des Präsidiums, das die entlastete Strafkammer ab 1. Februar 2013 offenbar selbst nicht mehr als überlastet angesehen hat, war während des laufenden Geschäftsjahres mithin nicht gerechtfertigt.
12
Dies gilt umso mehr, als der Präsidiumsbeschluss lediglich gut drei Wochen nach dem Inkrafttreten des neuen, für die Dauer eines Jahres angelegten (§ 21e Abs. 1 Satz 2 GVG) Geschäftsverteilungplans gefasst wurde. Wegen des Prinzips der Stetigkeit (vgl. Breidling in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 21e GVG Rn. 5) hätte die getroffene Entlastungsmaßnahme einer besonderen Begründung bedurft, aus der sich die Notwendigkeit des Eingriffs in das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergeben hätte. Hierbei hätte ausführlich dargelegt werden müssen, welche für die Belastung der 8. großen Strafkammer maßgeblichen Umstände sich seit der Beschlussfassung über die Geschäftsverteilung für das Jahr 2013 geändert hatten, zumal seitdem – mit Ausnahme des auf die Hilfsstrafkammer übertragenen Verfahrens – die Zahl der anhängigen Verfahren gleich geblieben war. In diesem Zusammenhang ist weder dokumentiert noch sonst ersichtlich, dass die zwei bis zum Jahresende neu eingegangenen Verfahren von besonderem Umfang oder besonderer Schwierigkeit gewesen wären. Hinzu kommt, dass in der die Strafkammer terminlich offenbar am meisten beanspruchenden Sache bereits seit Oktober 2012 verhandelt wurde, die hiermit verbundene Belastung mithin schon bei der zum neuen Geschäftsjahr vorgenommenen Entlastung bekannt und berücksichtigt worden war.
13
Darüber hinaus wäre eine vertiefte Begründung auch deshalb geboten gewesen, weil es angesichts der konkreten Umstände – ungeachtet des noch acht Tage in die Zukunft reichenden Entlastungszeitraumes – hochwahrscheinlich war, dass die Übertragung eine einzelne, bereits anhängige Sache betreffen würde, wie es im Ergebnis tatsächlich der Fall war. Angesichts dessen hätte es einer besonders dringlichen „Notlage“ bedurft, an der es fehlte. Diese ergab sich auch nicht aus der Erwartung, dass die 8. große Strafkammer nicht in allen anhängigen Verfahren mit der Hauptverhandlung vor dem Ablauf der sich aus § 121 StPO ergebenden Haftprüfungsfrist würde beginnen können (vgl. BGH, aaO).
14
Umgekehrt hätte dargelegt werden müssen, weshalb die Ableitung (voraussichtlich ) lediglich einer Sache auf die errichtete Hilfsstrafkammer als geeignet angesehen wurde, die nach Auffassung des landgerichtlichen Präsidiums erheblich eingeschränkte Effizienz des Geschäftsablaufs bei der 8. großen Strafkammer wiederherzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2009 – 3 StR 376/08, BGHSt 53, 268, 272; siehe auch BVerfG [Kammer] NJW 2005, 2689, 2691). Denn im übertragenen Verfahren waren die Angeklagten bereits im Ermittlungsverfahren weitgehend geständig gewesen, so dass mit einer ausufernden Hauptverhandlung, die tatsächlich zehn Tage dauerte, nicht zu rechnen war.
15
3. Die Sache bedarf somit neuer Verhandlung und Entscheidung. Zu
15
dem übrigen Revisionsvorbringen bemerkt der Senat:
16
a) Die in der rechtlichen Würdigung des angefochtenen Urteils nicht ausdrücklich abgehandelte Annahme, die Angeklagten hätten im Fall 5 der Urteilsgründe den Tod K. s durch den Raub leichtfertig (§ 251 StGB) herbeigeführt, begegnet auf der Basis der bisherigen Feststellungen schon deshalb keinen rechtlichen Bedenken, weil sie – während sie arbeitsteilig das in seiner Wohnung überfallene Ehepaar in Schach hielten, dabei nach Geld und Wertgegenständen suchten – von Kr. mehrfach eindringlich darauf hingewiesen worden waren, seine auf den Boden gesunkene, nach Luft ringende und im Gesicht bereits blau angelaufene Ehefrau benötige dringend einen Notarzt, sonst ersticke sie (UA S. 17). Bei dieser Sachlage musste sich den Angeklagten die Gefahr des Todeseintritts aufdrängen (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1999 – 3 StR 331/99, BGHR StGB § 251 Leichtfertigkeit 1).
17
b) Das Landgericht hat in den Fällen 4 und 5 der Urteilsgründe ohne Rechtsfehler von der Strafrahmenmilderung nach § 46a StGB abgesehen.
18
c) Hat ein Angeklagter hinsichtlich einer Katalogtat (§ 100a Abs. 2 StPO) Aufklärungshilfe geleistet, so kommt die Anwendung des § 46b StGB für jede ihm zur Last gelegte, mit einer im Mindestmaß erhöhten oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohten Tat in Betracht.
19
d) Die getroffenen Feststellungen legen nicht nahe, dass die Steue- rungsfähigkeit der Angeklagten durch die behauptete „Spielsucht“ bei Bege- hung der Tat erheblich vermindert (§ 21 StGB) gewesen sein könnte (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2013 – 5 StR 597/12, BGHSt 58, 192, 194 f. mwN).
20
e) Die nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO gebotene Mitteilung hat vor der Belehrung des Angeklagten (§ 243 Abs. 5 Satz 1 StPO) zu erfolgen. Sie muss über den wesentlichen Inhalt erfolgter Erörterungen informieren (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 411/13, NStZ 2013, 722).
Basdorf Sander Schneider
Berger Bellay

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

(1) Die Strafkammern sind als erkennende Gerichte des ersten Rechtszuges zuständig für alle Verbrechen, die nicht zur Zuständigkeit des Amtsgerichts oder des Oberlandesgerichts gehören. Sie sind auch zuständig für alle Straftaten, bei denen eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung zu erwarten ist oder bei denen die Staatsanwaltschaft in den Fällen des § 24 Abs. 1 Nr. 3 Anklage beim Landgericht erhebt.

(2) Für die Verbrechen

1.
des sexuellen Missbrauchs von Kindern mit Todesfolge (§ 176d des Strafgesetzbuches),
2.
des sexuellen Übergriffs, der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge (§ 178 des Strafgesetzbuches),
3.
des Mordes (§ 211 des Strafgesetzbuches),
4.
des Totschlags (§ 212 des Strafgesetzbuches),
5.
(weggefallen)
6.
der Aussetzung mit Todesfolge (§ 221 Abs. 3 des Strafgesetzbuches),
7.
der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 des Strafgesetzbuches),
8.
der Entziehung Minderjähriger mit Todesfolge (§ 235 Abs. 5 des Strafgesetzbuches),
8a.
der Nachstellung mit Todesfolge (§ 238 Absatz 3 des Strafgesetzbuches),
9.
der Freiheitsberaubung mit Todesfolge (§ 239 Abs. 4 des Strafgesetzbuches),
10.
des erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge (§ 239a Absatz 3 des Strafgesetzbuches),
11.
der Geiselnahme mit Todesfolge (§ 239b Abs. 2 in Verbindung mit § 239a Absatz 3 des Strafgesetzbuches),
12.
des Raubes mit Todesfolge (§ 251 des Strafgesetzbuches),
13.
des räuberischen Diebstahls mit Todesfolge (§ 252 in Verbindung mit § 251 des Strafgesetzbuches),
14.
der räuberischen Erpressung mit Todesfolge (§ 255 in Verbindung mit § 251 des Strafgesetzbuches),
15.
der Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306c des Strafgesetzbuches),
16.
des Herbeiführens einer Explosion durch Kernenergie (§ 307 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches),
17.
des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge (§ 308 Abs. 3 des Strafgesetzbuches),
18.
des Mißbrauchs ionisierender Strahlen gegenüber einer unübersehbaren Zahl von Menschen (§ 309 Abs. 2 und 4 des Strafgesetzbuches),
19.
der fehlerhaften Herstellung einer kerntechnischen Anlage mit Todesfolge (§ 312 Abs. 4 des Strafgesetzbuches),
20.
des Herbeiführens einer Überschwemmung mit Todesfolge (§ 313 in Verbindung mit § 308 Abs. 3 des Strafgesetzbuches),
21.
der gemeingefährlichen Vergiftung mit Todesfolge (§ 314 in Verbindung mit § 308 Abs. 3 des Strafgesetzbuches),
22.
des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer mit Todesfolge (§ 316a Abs. 3 des Strafgesetzbuches),
23.
des Angriffs auf den Luft- und Seeverkehr mit Todesfolge (§ 316c Abs. 3 des Strafgesetzbuches),
24.
der Beschädigung wichtiger Anlagen mit Todesfolge (§ 318 Abs. 4 des Strafgesetzbuches),
25.
einer vorsätzlichen Umweltstraftat mit Todesfolge (§ 330 Abs. 2 Nr. 2 des Strafgesetzbuches),
26.
der schweren Gefährdung durch Freisetzen von Giften mit Todesfolge (§ 330a Absatz 2 des Strafgesetzbuches),
27.
der Körperverletzung im Amt mit Todesfolge (§ 340 Absatz 3 in Verbindung mit § 227 des Strafgesetzbuches),
28.
des Abgebens, Verabreichens oder Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch mit Todesfolge (§ 30 Absatz 1 Nummer 3 des Betäubungsmittelgesetzes),
29.
des Einschleusens mit Todesfolge (§ 97 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes)
ist eine Strafkammer als Schwurgericht zuständig. § 120 bleibt unberührt.

(3) Die Strafkammern sind außerdem zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung gegen die Urteile des Strafrichters und des Schöffengerichts.

(1) Ist die Besetzung des Gerichts nach § 222a mitgeteilt worden, so kann der Einwand, daß das Gericht vorschriftswidrig besetzt sei, nur innerhalb einer Woche nach Zustellung der Besetzungsmitteilung oder, soweit eine Zustellung nicht erfolgt ist, ihrer Bekanntmachung in der Hauptverhandlung geltend gemacht werden. Die Tatsachen, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll, sind dabei anzugeben. Alle Beanstandungen sind gleichzeitig vorzubringen. Außerhalb der Hauptverhandlung ist der Einwand schriftlich geltend zu machen; § 345 Abs. 2 und für den Nebenkläger § 390 Abs. 2 gelten entsprechend.

(2) Über den Einwand entscheidet das Gericht in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung. Hält es den Einwand für begründet, so stellt es fest, daß es nicht vorschriftsmäßig besetzt ist. Führt ein Einwand zu einer Änderung der Besetzung, so ist auf die neue Besetzung § 222a nicht anzuwenden.

(3) Hält das Gericht den Einwand für nicht begründet, so ist er spätestens vor Ablauf von drei Tagen dem Rechtsmittelgericht vorzulegen. Die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts ergeht ohne mündliche Verhandlung. Den Verfahrensbeteiligten ist zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen. Erachtet das Rechtsmittelgericht den Einwand für begründet, stellt es fest, dass das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt ist.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 376/08
vom
9. April 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
GVG § 21 e Abs. 3, StPO § 338 Nr. 1 Buchst. b
1. Der Präsidiumsbeschluss über die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die
Übertragung (auch) bereits anderweitig anhängiger Sachen an diese (§ 21 e
Abs. 3 GVG) ist zu begründen.
2. Mängel dieser Begründung können spätestens bis zur Entscheidung der Hilfsstrafkammer
über einen in der Hauptverhandlung erhobenen Besetzungseinwand
(§ 222 b StPO) behoben werden.
BGH, Urt. vom 9. April 2009 - 3 StR 376/08 - LG Hannover
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
12. März 2009 in der Sitzung am 9. April 2009, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt - in der Verhandlung vom 12. März 2009 - ,
Staatsanwältin - bei der Verkündung am 9. April 2009 -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom 12. März 2009 -
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 29. November 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen und wegen "gewer bsmäßigen" unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die gegen die Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Besetzungsrüge Erfolg, soweit sie beanstandet, die Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a durch das Präsidium des Landgerichts sei nicht gesetzmäßig erfolgt, so dass diese zur Verhandlung und Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht berufen und das erkennende Gericht somit vorschriftswidrig besetzt gewesen sei (§ 338 Nr. 1 StPO i. V. m. § 21 e Abs. 3 GVG ).
2
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
3
Durch schriftliche "Anordnung (1/2007) gemäß § 21 e GVG" vom 10. Januar 2007 eröffnete das Präsidium des Landgerichts "mit Wirkung vom 11. Januar 2007" unter anderem die Hilfsstrafkammer 3 a und teilte dieser die in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2006 bei der Strafkammer 3 eingegangenen , dort noch anhängigen Haftsachen zu, die noch nicht terminiert waren. Außerdem wurden dieser Hilfsstrafkammer "mit Wirkung vom 1. März 2007" die nächsten zwei Haftsachen übertragen, für die nach der bisherigen Geschäftsverteilung die Strafkammer 3 zuständig gewesen wäre. Als Anlass für die Änderung der Geschäftsverteilung wurde eingangs der Anordnung insoweit eine Überlastung der Strafkammer 3 angegeben. Eine Begründung enthielt die Entscheidung des Präsidiums nicht. Die Überleitung der bei der Strafkammer 3 bereits anhängigen und noch nicht terminierten Haftsachen erfasste - neben einer weiteren Strafsache - auch das gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfahren.
4
In diesem teilte die Hilfsstrafkammer 3 a mit Schreiben vom 1. Februar 2007 die Gerichtsbesetzung mit. Der Verteidiger des Beschwerdeführers bat mit Schreiben vom 6. Februar 2007 an die Präsidialabteilung des Landgerichts, ihm je eine Kopie der Beschlussfassung über die Änderung der Geschäftsverteilung , des Protokolls der Präsidiumssitzung und der Überlastungsanzeige des Vorsitzenden der ehemals zuständigen Strafkammer zu überlassen. Daraufhin übersandte der Präsident des Landgerichts unter dem 8. Februar 2007 eine Kopie der "Anordnung (1/2007)" und teilte mit, dass die Übersendung eines Protokolls der Präsidiumssitzung nicht möglich sei, weil "dort Protokolle nicht geführt werden". Eine schriftliche Überlastungsanzeige sei nicht gefertigt worden. Sowohl dem Präsidium des Landgerichts als auch dem Oberlandesgericht Celle sei jedoch die Überlastung der Strafkammer bekannt, die die Eröffnung der Hilfsstrafkammer notwendig gemacht habe. Vor der Beschlussfassung des Präsidiums habe er als dessen Vorsitzender darüber hinaus Gespräche mit dem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden der Strafkammer 3 geführt, in denen die Überlastung der Kammer nochmals dargelegt und erörtert worden sei.
5
In der Hauptverhandlung vom 26. Februar 2007 erhob der Angeklagte vor Einlassung zur Sache den Besetzungseinwand gemäß § 222 b Abs. 1 StPO. Zur Begründung beanstandete er unter anderem den Übergang des Verfahrens von der ordentlichen Strafkammer 3 in die Zuständigkeit der Hilfsstrafkammer 3 a und begründete die Rüge insoweit damit, dass weder ein Protokoll der Präsidiumssitzung noch eine Überlastungsanzeige des Vorsitzenden der ordentlichen Strafkammer 3 vorliege. Es sei daher nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Tatsachen das Präsidium die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer meinte beschließen zu müssen.
6
Die Große Hilfsstrafkammer 3 a wies den Besetzungseinwand in der Hauptverhandlung vom 12. März 2007 als unbegründet zurück. § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG ermächtige das Präsidium unter anderem dann zu einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes, wenn dies wegen Überlastung nötig werde. Ob ein Fall der Überlastung eingetreten sei, unterliege allein der Prüfung und Ermessensentscheidung des Präsidiums. Das Gesetz definiere den Begriff "Überlastung" nicht. Insbesondere setze es keine Überlastungsanzeige des betroffenen Spruchkörpers oder die Protokollierung der die Entscheidung vorbereitenden Beratung in der Präsidiumssitzung voraus. Dass Grundlage der "Anordnung (1/2007)" die Feststellung einer Überlastung der Strafkammer 3 gewesen sei, folge aus der Stellungnahme des Präsidenten vom 8. Februar 2007.
7
2. Die Besetzungsrüge ist zulässig erhoben. Sie ist weder wegen unzureichender Substantiierung des in der Hauptverhandlung erhobenen Besetzungseinwandes (§ 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO) nach § 338 Nr. 1 Buchst. b StPO präkludiert (s. unten 4. a)) noch hat der Beschwerdeführer die Anforderungen an die Begründung der Besetzungsrüge in der Revision (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) verfehlt (s. unten 4. b)).
8
Die Rüge ist auch begründet. Das Urteil kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil die erforderliche Dokumentation der Gründe fehlt, die das Präsidium zur Änderung der Geschäftsverteilung veranlasst haben, und deshalb nicht beurteilt werden kann, ob die Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a gesetzmäßig war oder ob der Angeklagte durch die Übertragung seines Verfahrens auf diese Strafkammer unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG seinem gesetzlichen Richter entzogen wurde.
9
a) Allerdings darf das Präsidium gemäß § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG die nach Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung getroffenen Anordnungen im Laufe des Geschäftsjahres ändern, wenn dies wegen Überlastung eines Spruchkörpers nötig wird. Eine solche liegt vor, wenn über einen längeren Zeitraum ein erheblicher Überhang der Eingänge über die Erledigungen zu verzeichnen ist, sodass mit einer Bearbeitung der Sachen innerhalb eines angemessenen Zeitraumes nicht zu rechnen ist (vgl. Velten in SK-StPO § 21 e Rdn. 26) und sich die Überlastung daher als so erheblich darstellt, dass der Ausgleich nicht bis zum Ende des Geschäftsjahres zurückgestellt werden kann (vgl. Kissel/Mayer, GVG 5. Aufl. § 21 e Rdn. 112). Die Rechtsprechungstätigkeit der Gerichte wird immer wieder mit nicht vorhersehbaren Ereignissen und Entwicklungen konfrontiert. Derartige Umstände erfordern ein Eingreifen des Spruchkörpers oder des Präsidiums , um die Effizienz des Geschäftsablaufes zu erhalten oder wiederherzu- stellen. Eine nachträgliche Änderung der Geschäftsverteilung kann auch verfassungsrechtlich geboten sein, wenn nur auf diese Weise die Gewährung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit, insbesondere eine beschleunigte Behandlung von Strafsachen, erreicht werden kann. Das Beschleunigungsgebot lässt indes das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht vollständig zurücktreten. Vielmehr besteht Anspruch auf eine zügige Entscheidung durch diesen. Daher muss in derartigen Fällen das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter mit dem rechtsstaatlichen Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden (vgl. BVerfG NJW 2005, 2689, 2690 m. w. N.; Beschl. vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09).
10
b) Zu den vor diesem Hintergrund zulässigen und unter den genannten Voraussetzungen auch gebotenen Änderungsmaßnahmen des Präsidiums im Sinne von § 21 e Abs. 3 GVG zählt auch die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer. Dieser im Gesetz nicht erwähnte Spruchkörper darf nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. BGHSt 21, 260, 261) bei vorübergehender Überlastung eines ständigen Spruchkörpers für begrenzte Zeit errichtet werden (h. M.; aA Velten aaO § 21 e Rdn. 44); er gehört nicht zu den "institutionellen" Kammern des Landgerichts und vertritt die ordentliche Strafkammer in solchen Geschäften, die diese infolge anderweitiger Inanspruchnahme nicht selbst erledigen kann (vgl. BGHSt 31, 389, 391). Die Regelung der mit der Errichtung einer Hilfsstrafkammer verbundenen Übertragung von Aufgaben der ordentlichen Strafkammer hat denselben Grundsätzen zu folgen, wie sonstige Änderungen im Sinne von § 21 e Abs. 3 GVG; insbesondere ist auch insoweit das Abstraktionsprinzip zu beachten. Danach muss auch die Änderung des Geschäftsverteilungsplans die Aufgaben nach allgemeinen, sachlichobjektiven Merkmalen der Hilfsstrafkammer übertragen. Eine spezielle Zuwei- sung bestimmter einzelner Verfahren ist unzulässig (vgl. Kissel/Mayer aaO § 21 e Rdn. 99, 111). Nach diesen Maßstäben steht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG einer Änderung der (funktionellen) Zuständigkeit auch für bereits anhängige Verfahren jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Neuregelung generell gilt, also etwa außer mehreren anhängigen Verfahren auch eine unbestimmte Vielzahl künftiger, gleichartiger Fälle erfasst, und nicht aus sachwidrigen Gründen geschieht (BVerfGE 24, 33, 54 f.; BVerfG NJW 2003, 345; 2005, 2689, 2690 m. w. N.). In Ausnahmefällen kann aber auch eine Änderung der Geschäftsverteilung zulässig sein, die der Hilfsstrafkammer ausschließlich bereits anhängige Verfahren überträgt, wenn nur so dem verfassungs- und konventionsrechtlichen Beschleunigungsgebot insbesondere in Haftsachen (s. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) angemessen Rechnung getragen werden kann (vgl. BGHSt 44, 161, 165 ff.; BVerfG Beschl. vom 29. März 2007 - 2 BvR 188/07 und vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09; noch offen gelassen in BVerfG NJW 2005, 2689, 2690). Gleichgültig, ob der Hilfsstrafkammer ausschließlich anhängige Verfahren oder daneben auch zukünftig eingehende Verfahren zugewiesen werden, muss jedoch jede Umverteilung während des laufenden Geschäftsjahres , die bereits anhängige Verfahren erfasst, geeignet sein, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen. Denn Änderungen der Geschäftsverteilung, die diesen Anforderungen nicht genügen, sind nicht im Sinne des § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG nötig und können vor allem vor Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Bestand haben (BVerfG NJW 2005, 2689, 2690).
11
c) Obwohl die Umverteilung von Geschäftsaufgaben auf eine Hilfsstrafkammer nach diesen Maßstäben grundsätzlich zulässig ist, birgt sie doch stets erhebliche Gefahren für das verfassungsrechtliche Gebot der Gewährleistung des gesetzlichen Richters in sich. Dies gilt in besonderem Maße bei Überleitung bereits bei der überlasteten ordentlichen Strafkammer anhängiger Verfahren in die Zuständigkeit der Hilfsstrafkammer, weil dann schon eine anderweitige Zuständigkeit konkretisiert und begründet worden war. Daher ist es in solchen Fällen geboten, die Gründe, die eine derartige Umverteilung erfordern, zu dokumentieren und den Verfahrensbeteiligten - jedenfalls auf Verlangen - zur Kenntnis zu geben, um "dem Anschein einer willkürlichen Zuständigkeitsverschiebung" entgegen zu wirken (vgl. BVerfG NJW 2005, 2689, 2690; Beschl. vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09). Eine solche Pflicht zur umfassenden, nachvollziehbaren Dokumentation und Darlegung der Gründe besteht auch dann, wenn neben der Umverteilung bereits anhängiger Verfahren auch zukünftig eingehende Sachen auf die Hilfsstrafkammer übertragen werden (vgl. hierzu einschränkend - nicht tragend - BGH - 2. Strafsenat - NStZ 2007, 537; vgl. auch 5. Strafsenat in BGHR GVG § 21 e Abs. 3 Änderung 7; zur Begründungspflicht vgl. Kissel/Mayer aaO § 21 e Rdn. 73 aE; Velten aaO § 21 e Rdn. 30); denn auch bei einer derartigen Änderung der Geschäftsverteilung bedarf die Überleitung schon anhängiger Verfahren in eine neue Zuständigkeit besonderer Rechtfertigung.
12
Den sich danach ergebenden Anforderungen an die Begründung einer Änderung der Geschäftsverteilung nach § 21 e Abs. 3 GVG, durch die eine Hilfsstrafkammer errichtet wird und dieser bereits bei einer ordentlichen Strafkammer anhängige Verfahren zugewiesen werden, genügt die hier beanstandete Entscheidung des Präsidiums nicht. Dieses hat eine rechtzeitige Dokumentation der für die "Anordnung (1/2007)" maßgeblichen Gründe und Erwägungen völlig unterlassen. Deren revisionsrechtliche Überprüfung ist dem Senat daher nicht möglich.
13
3. Die Anforderungen an Inhalt und Umfang der gebotenen Dokumentation richten sich nach den Maßstäben, die für die revisionsgerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines derartigen Präsidiumsbeschlusses bestehen. Hierfür gilt:
14
a) Die revisionsrechtliche Überprüfung der Gesetzmäßigkeit einer Abänderung der Geschäftsverteilung im Laufe des Geschäftsjahres ist nicht ausgeschlossen , sondern grundsätzlich möglich (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 3, 353 ff.; 44, 161, 165, 170; Kissel/Mayer § 16 Rdn. 50 ff., § 21 e Rdn. 120). Sie beschränkt sich bei Errichtung einer Hilfsstrafkammer nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings darauf, ob der neue Spruchkörper in gesetzmäßiger Weise vom Präsidium errichtet worden ist und ob die für die Bildung der Hilfsstrafkammer als Grund angegebenen Tatsachen den Rechtsbegriff der (vorübergehenden) Überlastung erfüllen (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 338 Rdn. 30 m. w. N.). Auf die Tatsachen, die zu der Änderung geführt haben, sowie darauf, ob die ordentliche Strafkammer tatsächlich überlastet war, erstreckt sich die Prüfung hingegen nicht (vgl. BGHR GVG § 21 e Abs. 3 Änderung 4; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 338 Rdn. 22). Der Nachprüfung durch das Revisionsgericht sind danach enge Grenzen gesetzt (vgl. BGHR GVG § 21 e Hilfsstrafkammer 1 m. w. N.). Dies wird aus der eigenverantwortlichen Stellung des Präsidiums als Gremium verwaltungsunabhängiger Selbstorganisation der Gerichte und aus der Besonderheit der ihm übertragenen Aufgaben hergeleitet. Daraus folge, dass der Beurteilung durch das Präsidium wegen der Notwendigkeit flexibler, an die konkrete Situation angepasster und auf wesentliche Veränderungen zeitnah reagierender Entscheidungen schon deshalb ein gewisser Vorrang zukommen müsse, weil es über Entscheidungsgrundlagen verfüge, die dem sachverhaltsferneren Revisionsgericht durch dienstliche Äußerungen und andere Mittel des Beweises nur unvollkom- men vermittelt werden könnten. Hinzu komme, dass die Entscheidungen über die Geschäftsverteilung wesentlich von der Bewertung zukünftiger Entwicklungen insbesondere im Geschäftsanfall bestimmt seien und solche vorausschauenden Beurteilungen ihrer Natur nach eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle nicht zuließen. Aus diesen Gründen sei die Regelung der Geschäftsverteilung , soweit es an bindenden rechtlichen Vorgaben fehle, dem pflichtgemäßen Ermessen des Präsidiums zu überlassen. Im Bereich rechtlicher Einzelnormierung müsse den dargelegten Besonderheiten dadurch Rechnung getragen werden, dass dem Präsidium bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ein weiter Beurteilungsspielraum zugebilligt werde. Um einen solchen unbestimmten Rechtsbegriff handele es sich bei der Voraussetzung vorübergehender Überlastung der ordentlichen Strafkammer, von der die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer abhänge. Ein durchgreifender Rechtsmangel sei daher erst dann begründet, wenn offen zu Tage liege, dass die Entscheidung über die Bildung der Hilfsstrafkammer und/oder die damit verbundene Zuweisung von Geschäften an diese als objektiv willkürlich zu bewerten sei (vgl. Breidling in Löwe/Rosenberg aaO § 21 e GVG Rdn. 45).
15
b) Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 16. Februar 2005 (NJW 2005, 2689, 2690) ausgeführt, dass es bei der Prüfung, ob in einem bestimmten Verfahren dem grundrechtsgleichen Anspruch des Betroffenen auf Gewährleistung des gesetzlichen Richters genügt worden sei, zwar die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen grundsätzlich nur beanstande, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erschienen und offensichtlich unhaltbar - mithin willkürlich - seien. Jedoch sei dies anders, wenn nicht die fehlerhafte Auslegung oder Anwendung einer Zuständigkeitsregel (etwa eines Geschäftsverteilungsplans oder der Voraussetzungen des § 21 e Abs.
3 GVG) durch das Gericht, sondern die Verfassungsmäßigkeit der Regelung im Geschäftsverteilungsplan, die der Rechtsanwendung zugrunde liege, betroffen sei. An die verfassungsrechtliche Überprüfung der Umverteilung von bereits anhängigen Verfahren durch das Präsidium müsse vielmehr ein Kontrollmaßstab angelegt werden, der über eine reine Willkürprüfung hinausgehe und in den Fällen der nachträglichen Zuständigkeitsänderung jede Rechtswidrigkeit einer solchen durch das Präsidium getroffenen Regelung im Geschäftsverteilungsplan erfasse.
16
c) Es liegt auf der Hand, dass der Maßstab der Fachgerichte bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Änderung der Geschäftsverteilung nach § 21 e Abs. 3 GVG und hier damit derjenige des Senats bei der revisionsrechtlichen Beurteilung der Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a sowie der Umverteilung von Strafverfahren an diese aufgrund der Besetzungsrüge kein abweichender sein kann. Denn ansonsten fände die Überprüfung der Präsidiumsentscheidung nach den verfassungsrechtlich vorgegebenen Beurteilungskriterien erst in einem vom Angeklagten eventuell angestrengten Verfassungsbeschwerdeverfahren statt. An dem eingeschränkten Maßstab einer reinen Willkürprüfung kann daher insoweit nicht festgehalten werden.
17
Dies wirkt jedoch zurück auf die Anforderungen an den Inhalt der Dokumentation eines Präsidiumsbeschlusses über die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die Übertragung (auch) bereits anderweitig anhängiger Sachen auf diese. Der Beschluss muss so detailliert begründet sein, dass eine Prüfung seiner Rechtmäßigkeit nach den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Maßstäben möglich ist (s. näher BVerfG NJW 2005, 2689, 2690 f.).
18
d) Diese Dokumentation muss im erforderlichen Umfang grundsätzlich schon zum Zeitpunkt der Präsidiumsentscheidung vorliegen. Denn sie dient nicht nur der notwendigen Unterrichtung der Präsidiumsmitglieder über die Gründe für die geplante Änderung des Geschäftsverteilungsplans, sondern bildet für diese auch die erforderliche umfassende Entscheidungsgrundlage. Die Ermittlung und Niederlegung aller bedeutsamen Umstände zu diesem Zeitpunkt stellt sicher, dass die Entscheidung des Präsidiums auf dem aktuellen Stand der Belastungssituation der ordentlichen Strafkammer und der übrigen bedeutsamen Umstände beruht. Ferner ist die Dokumentation der Gründe der Umverteilung von Verfahren zu diesem Zeitpunkt am besten geeignet, gegenüber allen Verfahrensbeteiligten dem "Anschein der Willkürlichkeit" entgegenzuwirken. Schließlich können die zur Erhebung des Besetzungseinwands nach § 222 b Abs. 1 StPO Berechtigten nur bei Vorliegen der Änderungsgründe auf tragfähiger sachlicher Grundlage sowie rechtzeitig entscheiden, ob die Besetzung des erkennenden Gerichts ordnungsgemäß ist oder ob es Umstände gibt, die einen Besetzungseinwand rechtfertigen (s. näher unten 4. a)).
19
e) Die Dokumentation der Änderungs- und Umverteilungsgründe muss jedenfalls spätestens in dem Zeitpunkt vorhanden sein, in dem in einer der in die Zuständigkeit der Hilfsstrafkammer fallenden Sachen über einen (zulässig erhobenen) Besetzungseinwand nach § 222 b Abs. 2 StPO sachlich zu entscheiden ist. Unabhängig davon, dass bei Fehlen einer Begründung der Änderung zum Zeitpunkt des Präsidiumsbeschlusses eine verlässliche Rekonstruktion der tatsächlichen Gründe für die Errichtung der Hilfsstrafkammer mit zunehmendem Zeitablauf immer schwieriger wird, ergibt sich dies aus dem Sinn und Zweck der für die erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht und Oberlandesgericht bestehenden Rügepräklusion; denn mit den durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 vom 5. Oktober 1978 (BGBl I S. 1645) einge- führten Präklusionsvorschriften der § 222 b Abs. 1, § 338 Nr. 1 StPO wollte der Gesetzgeber erreichen, dass Besetzungsfehler bereits in einem frühen Verfahrensstadium erkannt und geheilt werden, um zu vermeiden, dass ein möglicherweise mit großem justiziellem Aufwand zustande gekommenes Urteil allein wegen eines derartigen Besetzungsfehlers im Revisionsverfahren aufgehoben und in der Folge die gesamte Hauptverhandlung - mit erheblichen Mehrbelastungen sowohl für die Strafjustiz als auch für den Angeklagten - wiederholt werden muss (vgl. BGH NJW 2003, 2545, 2546 unter Hinweis auf die Begründung des Entwurfs BTDrucks. 8/976 S. 25 ff.). Deshalb wurde ein Zwischenverfahren über die gegen die Besetzung erhobenen Beanstandungen geschaffen, um der Gefahr einer Ausuferung der Besetzungsrügen entgegenzuwirken und sie auf das verfassungsrechtlich gebotene Maß zurückzuführen (vgl. Kissel/Mayer aaO § 16 Rdn. 60; Schlüchter in SK-StPO § 222 b Rdn. 1). Soll dieses Zwischenverfahren effektiv sein und seinen vom Gesetzgeber bestimmten Sinn und Zweck erfüllen, bereits zu Beginn der erstinstanzlichen Hauptverhandlung und nicht erst in der Revisionsinstanz zu klären, ob das erkennende Gericht vorschriftsmäßig besetzt ist, so müssen die Rügeberechtigten, die hinsichtlich des Einwands besonderen Begründungspflichten unterworfen sind, wie auch das nach § 222 b Abs. 2 StPO über den Einwand entscheidende Gericht in der Lage sein, anhand der maßgeblichen Tatsachen zu beurteilen, ob Besetzungsmängel vorhanden sind (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg aaO § 222 b Rdn. 25).
20
All dies erfordert im Falle der Änderung der Geschäftsverteilung wegen Überlastung eines Spruchkörpers im Sinne des § 21 e Abs. 3 StPO, insbesondere bei Umverteilung (auch) bereits anhängiger Verfahren eine Begründung der Anordnung zugleich mit dem maßgeblichen Beschluss des Präsidiums. Etwaige Begründungsmängel können spätestens bis zur Entscheidung über einen erhobenen Besetzungseinwand gemäß § 222 b StPO behoben werden, sofern der zunächst einer umfassenden Begründung ermangelnde Änderungsbeschluss des Präsidiums durch eine ausführliche, alle Gründe für die Umverteilung dokumentierende Begründung in einem ergänzenden Beschluss des Präsidiums bestätigt wird, so dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt einen berechtigten Anlass zu der Annahme hatte, die Gerichtszuständigkeit sei zu seinen Lasten manipuliert worden (vgl. BVerfG, Beschl. vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09).
21
Daran gemessen war die vom Präsidenten des Landgerichts in seinem Schreiben an den Verteidiger vom 8. Februar 2007 vor Beginn der Hauptverhandlung erteilte Auskunft zwar noch rechtzeitig; indes war sie nach ihrem sachlichen Gehalt nicht geeignet, die Prüfung der Änderung der Geschäftsverteilung nachträglich zu ermöglichen. Das Schreiben enthielt lediglich die Behauptung einer - nur innerhalb der Justiz bekannten - Überlastung der Strafkammer 3 zum Zeitpunkt des Präsidiumsbeschlusses, belegte diese jedoch nicht mit Tatsachen. Gleiches gilt für die Mitteilung des Landgerichtspräsidenten , dass er vor der Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a mit dem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden der ordentlichen Strafkammer 3 Gespräche geführt habe, in denen die Überlastung der Kammer nochmals dargelegt und erörtert worden sei. Die erforderliche Dokumentation der Gründe des Präsidiumsbeschlusses wurde somit auch nicht rechtzeitig nachgeholt.
22
4. Aus all dem folgt für die Entscheidung über die Besetzungsrüge:
23
a) Da der Angeklagte mit seinem in der Hauptverhandlung rechtzeitig erhobenen Besetzungseinwand alle Tatsachen vorgebracht hat, die ihm zu den Hintergründen der Errichtung der Hilfsstrafkammer 3 a zugänglich waren, hat er die ihm gemäß § 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO insoweit obliegende Vortragslast erfüllt und ist daher mit der Besetzungsrüge nicht nach § 338 Nr. 1 Buchst. b StPO präkludiert. Weiteres musste er nicht darlegen; insbesondere war er mangels jeder Dokumentation der für die "Anordnung (1/2007)" maßgeblichen Gründe nicht gehalten, seinerseits die Tatsachen vorzutragen, die die Hilfsstrafkammer benötigte, um die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung und damit ihre eigene Zuständigkeit sowie die Berechtigung des Besetzungseinwands inhaltlich prüfen zu können.
24
Das auf den Besetzungseinwand in den erstinstanzlichen Verfahren vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten eröffnete Zwischenverfahren dient dazu, die Prüfung und Beanstandung der Gerichtsbesetzung auf den von § 222 b Abs. 1 Satz 1 StPO beschriebenen Zeitpunkt vorzuverlegen, damit ein Fehler rechtzeitig aufgedeckt und gegebenenfalls geheilt wird. Damit wird auch dem Recht des Angeklagten, sich nur vor seinem gesetzlichen Richter verantworten zu müssen, besser Rechnung getragen, als wenn er darauf verwiesen würde, dieses Recht erst mit der Revision geltend zu machen. Ist jedoch der Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung zur Wahrung der entsprechenden Revisionsrüge zu Beginn der Hauptverhandlung zu erheben, so muss rechtlich und faktisch auch die Möglichkeit zur Prüfung der Besetzung vor der Verhandlung bestehen, da andernfalls die Rechte der Prozessbeteiligten und insbesondere des Angeklagten in nicht hinnehmbarer Weise verkürzt würden. Ihm ist daher - jedenfalls auf sein Verlangen - die insoweit erforderliche Tatsachenkenntnis zu verschaffen, nicht etwa muss er diese Tatsachen selbst ermitteln. Denn aus dem Grundsatz einer rechtsstaatlichen, fairen Verfahrensführung folgt, dass ihm eine effektive Überprüfung der Besetzung ermöglicht werden muss, und dass die Präklusionswirkung des nicht vollständig erhobenen Einwandes für das Revisionsverfahren nur so weit reichen darf, wie diese Möglichkeit gewährt worden ist. Hieraus ergibt sich, dass in den in Betracht kommen- den Fällen eine Pflicht zur Mitteilung der Gerichtsbesetzung und zur Information über die hierfür maßgebenden Gründe besteht sowie ein ausreichend bemessener Zeitraum gewährt werden muss (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs BTDrucks. 8/976 S. 26).
25
Da hier die Gründe, die für die Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a bestimmend waren, nicht dokumentiert worden sind, war es dem Angeklagten unmöglich, die Ordnungsmäßigkeit der Besetzung des erkennenden Gerichts auch nur im Ansatz zu überprüfen. Damit konnte er nicht beurteilen, ob ein Besetzungseinwand berechtigt war oder für seine Erhebung kein Anlass bestand. Demgemäß war er entweder darauf verwiesen, die Wahrung seines Rechts auf den gesetzlichen Richter in der ersten Instanz ungeprüft zu lassen - was die Präklusion seiner erst im Revisionsverfahren geltend gemachten Besetzungsrüge zur Folge gehabt hätte - oder den Besetzungseinwand - wie geschehen - vorsorglich und "ins Blaue hinein" zu erheben. Zwar war er dabei nicht in der Lage, diesen Einwand in der vorgeschriebenen Art und Weise zu begründen; denn hierzu hätte er die Fehlerhaftigkeit der Besetzung substantiiert behaupten, also anhand von Tatsachen schlüssig darlegen (§ 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO), sowie alle Beanstandungen gleichzeitig vorbringen müssen (§ 222 b Abs. 1 Satz 3 StPO; vgl. Gollwitzer aaO § 222 b Rdn. 17, 18; Schlüchter aaO § 222 a Rdn. 1). Dies kann jedoch aus den dargelegten Gründen nicht zu seinen Lasten gehen. Da ihm keine Dokumentation über die Gründe für die Änderung der Geschäftsverteilung zur Verfügung stand, durfte er sich zur Begründung des Besetzungseinwands daher auf die Beanstandung beschränken, dass mangels vorhandener Unterlagen nicht nachzuvollziehen sei, aufgrund welcher Tatsachen das Präsidium die Hilfsstrafkammer eingerichtet hat. Das aus § 222 a Abs. 3 StPO folgende Recht auf Einsicht in die Besetzungsunterlagen änderte hieran nichts, weil es - worauf der Präsident in seinem Schreiben an den Verteidiger hingewiesen hatte - eine Niederlegung der Gründe für die Umverteilung der Geschäfte nicht gab.
26
Demgegenüber kann vom Angeklagten nicht verlangt werden, dass er über die eingeholten Mitteilungen der Justizverwaltung hinaus selbst ermitteln müsse, ob die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die Zuweisung der Geschäfte an diese ordnungsgemäß waren. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - jede Dokumentation zu der entsprechenden Entscheidung des Präsidiums fehlt. Denn dies würde bedeuten, dass dem Angeklagten die Pflicht auferlegt würde, selbst die gesamte Belastungssituation der ordentlichen Strafkammer in allen Einzelheiten zu erforschen und die insoweit maßgeblichen Tatsachen festzustellen. Dies wäre - falls es überhaupt gelingen könnte - mit einem enormen Aufwand verbunden und würde etwa auch die Einsicht in verfahrensfremde Akten sowie alle sonstige interne Unterlagen der als überlastet angesehenen Strafkammer, wie zum Beispiel Verhandlungskalender und Terminierungspläne erfordern. Solch umfangreiche Ermittlungen sind einem Angeklagten - zumal innerhalb der regelmäßig kurzen Zeit zwischen der Mitteilung der Gerichtsbesetzung und dem Beginn der Hauptverhandlung sowie ungeachtet der Frage, ob entsprechende Einsichtsrechte überhaupt bestünden - jedenfalls nicht zuzumuten und in der Regel tatsächlich auch gar nicht möglich. Ob dies anders zu beurteilen ist, wenn eine Begründung der Änderung der Geschäftsverteilung vorliegt und zusätzlich nur wenige einzelne Umstände ermittelt und vorgetragen werden müssen (vgl. BGHSt 44, 161, 163 f.), braucht hier nicht entschieden zu werden.
27
b) Für die aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO folgende Vortragslast des Angeklagten zur Begründung der Besetzungsrüge in der Revision gilt das Entsprechende. Ist eine Dokumentation der Gründe für die Änderung der Ge- schäftsverteilung nicht vorhanden und hat der Angeklagte auf seinen Besetzungseinwand keine weitergehenden Informationen erhalten, so kann er auch die im Revisionsverfahren erhobene (nicht präkludierte) Besetzungsrüge nur ebenso pauschal ausführen, wie seinen Besetzungseinwand. Vom Angeklagten zu verlangen, dass er für das Revisionsverfahren darüber hinaus alle Tatsachen ermitteln (und vortragen) müsse, die eine nicht ordnungsgemäße Besetzung der Hilfsstrafkammer belegen, würde die aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO folgenden Pflichten überspannen (vgl. BVerfG StV 2006, 57; StraFo 2005, 512 m. w. N.; Beschl. vom 10. März 2009 - 2 BvR 49/09).
28
c) Die vom Senat zu den Gründen der Errichtung der Hilfsstrafkammer eingeholten dienstlichen Stellungnahmen des Präsidenten des Landgerichts und des damaligen Vorsitzenden der ordentlichen Strafkammer 3 können nicht herangezogen werden, um die vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts nachträglich zu belegen. Denn aus dem dargelegten Sinn und Zweck der Rügepräklusion nach § 222 b Abs. 1, § 338 Nr. 1 StPO folgt, dass jedenfalls dann, wenn jede Dokumentation der Gründe für die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die Übertragung bereits anderweit anhängiger Verfahren in deren Zuständigkeit unterblieben ist, ein Nachschieben von Gründen nach der Entscheidung über den Besetzungseinwand unbeachtlich ist und insbesondere einer mit der Revision erhobenen Besetzungsrüge nicht mehr den Boden entziehen kann. Vielmehr greift diese ohne weiteres durch. Denn in diesem Fall muss auch der im Revisionsverfahren herrschende Grundsatz zurückstehen, dass nur ein bewiesener Verfahrensmangel zur Aufhebung eines Urteils führen kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 337 Rdn. 10). Hierzu gilt:
29
Im Allgemeinen sind die zu einer Besetzungsrüge vorgebrachten Tatsachenbehauptungen , die nicht durch den Inhalt des Protokolls bewiesen werden können (§ 274 StPO), zwar der Überprüfung durch das Revisionsgericht im Wege des Freibeweises zugänglich (vgl. Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen , 6. Aufl. Rdn. 295 ff., 298). Eine abweichende Beurteilung ist aber dann geboten, wenn im Revisionsverfahren erstmals die auch dem Revisionsführer bisher unbekannten Tatsachen in vollem Umfang ermittelt werden müssten, die für die Beurteilung der Zuständigkeit des erstinstanzlich erkennenden Spruchkörpers maßgeblich sind, und dadurch der Regelungszweck der § 222 b Abs. 1, § 338 Nr. 1 StPO konterkariert würde. Hierfür ist auch von Belang, dass das Revisionsverfahren zur Ermittlung der Hintergründe der regelmäßig schon länger zurückliegenden Präsidiumsentscheidungen denkbar ungeeignet ist, weil eine exakte Aufklärung der entsprechenden Umstände wegen des erheblichen Zeitablaufs kaum geleistet werden kann. Aus diesem Grund könnten die Durchführung des Freibeweisverfahrens und die Heranziehung seiner Erkenntnisse im Übrigen darauf hinauslaufen, dass sich die Nachlässigkeit des Präsidiums im Ergebnis zu Lasten des Beschwerdeführers auswirkt. Denn führten die freibeweislichen Erhebungen nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, so bliebe der gerügte Besetzungsmangel unbewiesen mit der Folge, dass - verfassungsrechtlich unbedenklich - von einer ordnungsgemäßen Besetzung auszugehen wäre (vgl. Meyer-Goßner aaO § 337 Rdn. 12). Danach ist es im vorliegenden Fall letztlich ohne Belang, ob die Besetzung des erkennenden Gerichts tatsächlich nicht vorschriftsmäßig im Sinne von § 338 Nr. 1 StPO war. Der Senat weist daher nur ergänzend darauf hin, dass auch der Inhalt der von ihm eingeholten dienstlichen Erklärungen nach den aufgezeigten Maßstäben die Rechtmäßigkeit der "Anordnung (1/2007)" zur Errichtung der Hilfsstrafkammer und Umverteilung von Strafverfahren nicht belegt.
30
Ob das Freibeweisverfahren in der Revision durchzuführen ist und dadurch erlangte Erkenntnisse heranzuziehen sind, wenn eine vorhandene Dokumentation nur punktuell zu ergänzen ist (vgl. BGHSt 44, 161), kann der Senat wiederum offen lassen.
31
d) Die Sache bedarf somit neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 376/08
vom
9. April 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
GVG § 21 e Abs. 3, StPO § 338 Nr. 1 Buchst. b
1. Der Präsidiumsbeschluss über die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die
Übertragung (auch) bereits anderweitig anhängiger Sachen an diese (§ 21 e
Abs. 3 GVG) ist zu begründen.
2. Mängel dieser Begründung können spätestens bis zur Entscheidung der Hilfsstrafkammer
über einen in der Hauptverhandlung erhobenen Besetzungseinwand
(§ 222 b StPO) behoben werden.
BGH, Urt. vom 9. April 2009 - 3 StR 376/08 - LG Hannover
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
12. März 2009 in der Sitzung am 9. April 2009, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt - in der Verhandlung vom 12. März 2009 - ,
Staatsanwältin - bei der Verkündung am 9. April 2009 -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom 12. März 2009 -
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 29. November 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen und wegen "gewer bsmäßigen" unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die gegen die Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Besetzungsrüge Erfolg, soweit sie beanstandet, die Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a durch das Präsidium des Landgerichts sei nicht gesetzmäßig erfolgt, so dass diese zur Verhandlung und Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht berufen und das erkennende Gericht somit vorschriftswidrig besetzt gewesen sei (§ 338 Nr. 1 StPO i. V. m. § 21 e Abs. 3 GVG ).
2
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
3
Durch schriftliche "Anordnung (1/2007) gemäß § 21 e GVG" vom 10. Januar 2007 eröffnete das Präsidium des Landgerichts "mit Wirkung vom 11. Januar 2007" unter anderem die Hilfsstrafkammer 3 a und teilte dieser die in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2006 bei der Strafkammer 3 eingegangenen , dort noch anhängigen Haftsachen zu, die noch nicht terminiert waren. Außerdem wurden dieser Hilfsstrafkammer "mit Wirkung vom 1. März 2007" die nächsten zwei Haftsachen übertragen, für die nach der bisherigen Geschäftsverteilung die Strafkammer 3 zuständig gewesen wäre. Als Anlass für die Änderung der Geschäftsverteilung wurde eingangs der Anordnung insoweit eine Überlastung der Strafkammer 3 angegeben. Eine Begründung enthielt die Entscheidung des Präsidiums nicht. Die Überleitung der bei der Strafkammer 3 bereits anhängigen und noch nicht terminierten Haftsachen erfasste - neben einer weiteren Strafsache - auch das gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfahren.
4
In diesem teilte die Hilfsstrafkammer 3 a mit Schreiben vom 1. Februar 2007 die Gerichtsbesetzung mit. Der Verteidiger des Beschwerdeführers bat mit Schreiben vom 6. Februar 2007 an die Präsidialabteilung des Landgerichts, ihm je eine Kopie der Beschlussfassung über die Änderung der Geschäftsverteilung , des Protokolls der Präsidiumssitzung und der Überlastungsanzeige des Vorsitzenden der ehemals zuständigen Strafkammer zu überlassen. Daraufhin übersandte der Präsident des Landgerichts unter dem 8. Februar 2007 eine Kopie der "Anordnung (1/2007)" und teilte mit, dass die Übersendung eines Protokolls der Präsidiumssitzung nicht möglich sei, weil "dort Protokolle nicht geführt werden". Eine schriftliche Überlastungsanzeige sei nicht gefertigt worden. Sowohl dem Präsidium des Landgerichts als auch dem Oberlandesgericht Celle sei jedoch die Überlastung der Strafkammer bekannt, die die Eröffnung der Hilfsstrafkammer notwendig gemacht habe. Vor der Beschlussfassung des Präsidiums habe er als dessen Vorsitzender darüber hinaus Gespräche mit dem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden der Strafkammer 3 geführt, in denen die Überlastung der Kammer nochmals dargelegt und erörtert worden sei.
5
In der Hauptverhandlung vom 26. Februar 2007 erhob der Angeklagte vor Einlassung zur Sache den Besetzungseinwand gemäß § 222 b Abs. 1 StPO. Zur Begründung beanstandete er unter anderem den Übergang des Verfahrens von der ordentlichen Strafkammer 3 in die Zuständigkeit der Hilfsstrafkammer 3 a und begründete die Rüge insoweit damit, dass weder ein Protokoll der Präsidiumssitzung noch eine Überlastungsanzeige des Vorsitzenden der ordentlichen Strafkammer 3 vorliege. Es sei daher nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Tatsachen das Präsidium die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer meinte beschließen zu müssen.
6
Die Große Hilfsstrafkammer 3 a wies den Besetzungseinwand in der Hauptverhandlung vom 12. März 2007 als unbegründet zurück. § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG ermächtige das Präsidium unter anderem dann zu einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes, wenn dies wegen Überlastung nötig werde. Ob ein Fall der Überlastung eingetreten sei, unterliege allein der Prüfung und Ermessensentscheidung des Präsidiums. Das Gesetz definiere den Begriff "Überlastung" nicht. Insbesondere setze es keine Überlastungsanzeige des betroffenen Spruchkörpers oder die Protokollierung der die Entscheidung vorbereitenden Beratung in der Präsidiumssitzung voraus. Dass Grundlage der "Anordnung (1/2007)" die Feststellung einer Überlastung der Strafkammer 3 gewesen sei, folge aus der Stellungnahme des Präsidenten vom 8. Februar 2007.
7
2. Die Besetzungsrüge ist zulässig erhoben. Sie ist weder wegen unzureichender Substantiierung des in der Hauptverhandlung erhobenen Besetzungseinwandes (§ 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO) nach § 338 Nr. 1 Buchst. b StPO präkludiert (s. unten 4. a)) noch hat der Beschwerdeführer die Anforderungen an die Begründung der Besetzungsrüge in der Revision (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) verfehlt (s. unten 4. b)).
8
Die Rüge ist auch begründet. Das Urteil kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil die erforderliche Dokumentation der Gründe fehlt, die das Präsidium zur Änderung der Geschäftsverteilung veranlasst haben, und deshalb nicht beurteilt werden kann, ob die Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a gesetzmäßig war oder ob der Angeklagte durch die Übertragung seines Verfahrens auf diese Strafkammer unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG seinem gesetzlichen Richter entzogen wurde.
9
a) Allerdings darf das Präsidium gemäß § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG die nach Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung getroffenen Anordnungen im Laufe des Geschäftsjahres ändern, wenn dies wegen Überlastung eines Spruchkörpers nötig wird. Eine solche liegt vor, wenn über einen längeren Zeitraum ein erheblicher Überhang der Eingänge über die Erledigungen zu verzeichnen ist, sodass mit einer Bearbeitung der Sachen innerhalb eines angemessenen Zeitraumes nicht zu rechnen ist (vgl. Velten in SK-StPO § 21 e Rdn. 26) und sich die Überlastung daher als so erheblich darstellt, dass der Ausgleich nicht bis zum Ende des Geschäftsjahres zurückgestellt werden kann (vgl. Kissel/Mayer, GVG 5. Aufl. § 21 e Rdn. 112). Die Rechtsprechungstätigkeit der Gerichte wird immer wieder mit nicht vorhersehbaren Ereignissen und Entwicklungen konfrontiert. Derartige Umstände erfordern ein Eingreifen des Spruchkörpers oder des Präsidiums , um die Effizienz des Geschäftsablaufes zu erhalten oder wiederherzu- stellen. Eine nachträgliche Änderung der Geschäftsverteilung kann auch verfassungsrechtlich geboten sein, wenn nur auf diese Weise die Gewährung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit, insbesondere eine beschleunigte Behandlung von Strafsachen, erreicht werden kann. Das Beschleunigungsgebot lässt indes das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht vollständig zurücktreten. Vielmehr besteht Anspruch auf eine zügige Entscheidung durch diesen. Daher muss in derartigen Fällen das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter mit dem rechtsstaatlichen Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden (vgl. BVerfG NJW 2005, 2689, 2690 m. w. N.; Beschl. vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09).
10
b) Zu den vor diesem Hintergrund zulässigen und unter den genannten Voraussetzungen auch gebotenen Änderungsmaßnahmen des Präsidiums im Sinne von § 21 e Abs. 3 GVG zählt auch die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer. Dieser im Gesetz nicht erwähnte Spruchkörper darf nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. BGHSt 21, 260, 261) bei vorübergehender Überlastung eines ständigen Spruchkörpers für begrenzte Zeit errichtet werden (h. M.; aA Velten aaO § 21 e Rdn. 44); er gehört nicht zu den "institutionellen" Kammern des Landgerichts und vertritt die ordentliche Strafkammer in solchen Geschäften, die diese infolge anderweitiger Inanspruchnahme nicht selbst erledigen kann (vgl. BGHSt 31, 389, 391). Die Regelung der mit der Errichtung einer Hilfsstrafkammer verbundenen Übertragung von Aufgaben der ordentlichen Strafkammer hat denselben Grundsätzen zu folgen, wie sonstige Änderungen im Sinne von § 21 e Abs. 3 GVG; insbesondere ist auch insoweit das Abstraktionsprinzip zu beachten. Danach muss auch die Änderung des Geschäftsverteilungsplans die Aufgaben nach allgemeinen, sachlichobjektiven Merkmalen der Hilfsstrafkammer übertragen. Eine spezielle Zuwei- sung bestimmter einzelner Verfahren ist unzulässig (vgl. Kissel/Mayer aaO § 21 e Rdn. 99, 111). Nach diesen Maßstäben steht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG einer Änderung der (funktionellen) Zuständigkeit auch für bereits anhängige Verfahren jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Neuregelung generell gilt, also etwa außer mehreren anhängigen Verfahren auch eine unbestimmte Vielzahl künftiger, gleichartiger Fälle erfasst, und nicht aus sachwidrigen Gründen geschieht (BVerfGE 24, 33, 54 f.; BVerfG NJW 2003, 345; 2005, 2689, 2690 m. w. N.). In Ausnahmefällen kann aber auch eine Änderung der Geschäftsverteilung zulässig sein, die der Hilfsstrafkammer ausschließlich bereits anhängige Verfahren überträgt, wenn nur so dem verfassungs- und konventionsrechtlichen Beschleunigungsgebot insbesondere in Haftsachen (s. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) angemessen Rechnung getragen werden kann (vgl. BGHSt 44, 161, 165 ff.; BVerfG Beschl. vom 29. März 2007 - 2 BvR 188/07 und vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09; noch offen gelassen in BVerfG NJW 2005, 2689, 2690). Gleichgültig, ob der Hilfsstrafkammer ausschließlich anhängige Verfahren oder daneben auch zukünftig eingehende Verfahren zugewiesen werden, muss jedoch jede Umverteilung während des laufenden Geschäftsjahres , die bereits anhängige Verfahren erfasst, geeignet sein, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen. Denn Änderungen der Geschäftsverteilung, die diesen Anforderungen nicht genügen, sind nicht im Sinne des § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG nötig und können vor allem vor Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Bestand haben (BVerfG NJW 2005, 2689, 2690).
11
c) Obwohl die Umverteilung von Geschäftsaufgaben auf eine Hilfsstrafkammer nach diesen Maßstäben grundsätzlich zulässig ist, birgt sie doch stets erhebliche Gefahren für das verfassungsrechtliche Gebot der Gewährleistung des gesetzlichen Richters in sich. Dies gilt in besonderem Maße bei Überleitung bereits bei der überlasteten ordentlichen Strafkammer anhängiger Verfahren in die Zuständigkeit der Hilfsstrafkammer, weil dann schon eine anderweitige Zuständigkeit konkretisiert und begründet worden war. Daher ist es in solchen Fällen geboten, die Gründe, die eine derartige Umverteilung erfordern, zu dokumentieren und den Verfahrensbeteiligten - jedenfalls auf Verlangen - zur Kenntnis zu geben, um "dem Anschein einer willkürlichen Zuständigkeitsverschiebung" entgegen zu wirken (vgl. BVerfG NJW 2005, 2689, 2690; Beschl. vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09). Eine solche Pflicht zur umfassenden, nachvollziehbaren Dokumentation und Darlegung der Gründe besteht auch dann, wenn neben der Umverteilung bereits anhängiger Verfahren auch zukünftig eingehende Sachen auf die Hilfsstrafkammer übertragen werden (vgl. hierzu einschränkend - nicht tragend - BGH - 2. Strafsenat - NStZ 2007, 537; vgl. auch 5. Strafsenat in BGHR GVG § 21 e Abs. 3 Änderung 7; zur Begründungspflicht vgl. Kissel/Mayer aaO § 21 e Rdn. 73 aE; Velten aaO § 21 e Rdn. 30); denn auch bei einer derartigen Änderung der Geschäftsverteilung bedarf die Überleitung schon anhängiger Verfahren in eine neue Zuständigkeit besonderer Rechtfertigung.
12
Den sich danach ergebenden Anforderungen an die Begründung einer Änderung der Geschäftsverteilung nach § 21 e Abs. 3 GVG, durch die eine Hilfsstrafkammer errichtet wird und dieser bereits bei einer ordentlichen Strafkammer anhängige Verfahren zugewiesen werden, genügt die hier beanstandete Entscheidung des Präsidiums nicht. Dieses hat eine rechtzeitige Dokumentation der für die "Anordnung (1/2007)" maßgeblichen Gründe und Erwägungen völlig unterlassen. Deren revisionsrechtliche Überprüfung ist dem Senat daher nicht möglich.
13
3. Die Anforderungen an Inhalt und Umfang der gebotenen Dokumentation richten sich nach den Maßstäben, die für die revisionsgerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines derartigen Präsidiumsbeschlusses bestehen. Hierfür gilt:
14
a) Die revisionsrechtliche Überprüfung der Gesetzmäßigkeit einer Abänderung der Geschäftsverteilung im Laufe des Geschäftsjahres ist nicht ausgeschlossen , sondern grundsätzlich möglich (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 3, 353 ff.; 44, 161, 165, 170; Kissel/Mayer § 16 Rdn. 50 ff., § 21 e Rdn. 120). Sie beschränkt sich bei Errichtung einer Hilfsstrafkammer nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings darauf, ob der neue Spruchkörper in gesetzmäßiger Weise vom Präsidium errichtet worden ist und ob die für die Bildung der Hilfsstrafkammer als Grund angegebenen Tatsachen den Rechtsbegriff der (vorübergehenden) Überlastung erfüllen (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 338 Rdn. 30 m. w. N.). Auf die Tatsachen, die zu der Änderung geführt haben, sowie darauf, ob die ordentliche Strafkammer tatsächlich überlastet war, erstreckt sich die Prüfung hingegen nicht (vgl. BGHR GVG § 21 e Abs. 3 Änderung 4; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 338 Rdn. 22). Der Nachprüfung durch das Revisionsgericht sind danach enge Grenzen gesetzt (vgl. BGHR GVG § 21 e Hilfsstrafkammer 1 m. w. N.). Dies wird aus der eigenverantwortlichen Stellung des Präsidiums als Gremium verwaltungsunabhängiger Selbstorganisation der Gerichte und aus der Besonderheit der ihm übertragenen Aufgaben hergeleitet. Daraus folge, dass der Beurteilung durch das Präsidium wegen der Notwendigkeit flexibler, an die konkrete Situation angepasster und auf wesentliche Veränderungen zeitnah reagierender Entscheidungen schon deshalb ein gewisser Vorrang zukommen müsse, weil es über Entscheidungsgrundlagen verfüge, die dem sachverhaltsferneren Revisionsgericht durch dienstliche Äußerungen und andere Mittel des Beweises nur unvollkom- men vermittelt werden könnten. Hinzu komme, dass die Entscheidungen über die Geschäftsverteilung wesentlich von der Bewertung zukünftiger Entwicklungen insbesondere im Geschäftsanfall bestimmt seien und solche vorausschauenden Beurteilungen ihrer Natur nach eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle nicht zuließen. Aus diesen Gründen sei die Regelung der Geschäftsverteilung , soweit es an bindenden rechtlichen Vorgaben fehle, dem pflichtgemäßen Ermessen des Präsidiums zu überlassen. Im Bereich rechtlicher Einzelnormierung müsse den dargelegten Besonderheiten dadurch Rechnung getragen werden, dass dem Präsidium bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ein weiter Beurteilungsspielraum zugebilligt werde. Um einen solchen unbestimmten Rechtsbegriff handele es sich bei der Voraussetzung vorübergehender Überlastung der ordentlichen Strafkammer, von der die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer abhänge. Ein durchgreifender Rechtsmangel sei daher erst dann begründet, wenn offen zu Tage liege, dass die Entscheidung über die Bildung der Hilfsstrafkammer und/oder die damit verbundene Zuweisung von Geschäften an diese als objektiv willkürlich zu bewerten sei (vgl. Breidling in Löwe/Rosenberg aaO § 21 e GVG Rdn. 45).
15
b) Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 16. Februar 2005 (NJW 2005, 2689, 2690) ausgeführt, dass es bei der Prüfung, ob in einem bestimmten Verfahren dem grundrechtsgleichen Anspruch des Betroffenen auf Gewährleistung des gesetzlichen Richters genügt worden sei, zwar die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen grundsätzlich nur beanstande, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erschienen und offensichtlich unhaltbar - mithin willkürlich - seien. Jedoch sei dies anders, wenn nicht die fehlerhafte Auslegung oder Anwendung einer Zuständigkeitsregel (etwa eines Geschäftsverteilungsplans oder der Voraussetzungen des § 21 e Abs.
3 GVG) durch das Gericht, sondern die Verfassungsmäßigkeit der Regelung im Geschäftsverteilungsplan, die der Rechtsanwendung zugrunde liege, betroffen sei. An die verfassungsrechtliche Überprüfung der Umverteilung von bereits anhängigen Verfahren durch das Präsidium müsse vielmehr ein Kontrollmaßstab angelegt werden, der über eine reine Willkürprüfung hinausgehe und in den Fällen der nachträglichen Zuständigkeitsänderung jede Rechtswidrigkeit einer solchen durch das Präsidium getroffenen Regelung im Geschäftsverteilungsplan erfasse.
16
c) Es liegt auf der Hand, dass der Maßstab der Fachgerichte bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Änderung der Geschäftsverteilung nach § 21 e Abs. 3 GVG und hier damit derjenige des Senats bei der revisionsrechtlichen Beurteilung der Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a sowie der Umverteilung von Strafverfahren an diese aufgrund der Besetzungsrüge kein abweichender sein kann. Denn ansonsten fände die Überprüfung der Präsidiumsentscheidung nach den verfassungsrechtlich vorgegebenen Beurteilungskriterien erst in einem vom Angeklagten eventuell angestrengten Verfassungsbeschwerdeverfahren statt. An dem eingeschränkten Maßstab einer reinen Willkürprüfung kann daher insoweit nicht festgehalten werden.
17
Dies wirkt jedoch zurück auf die Anforderungen an den Inhalt der Dokumentation eines Präsidiumsbeschlusses über die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die Übertragung (auch) bereits anderweitig anhängiger Sachen auf diese. Der Beschluss muss so detailliert begründet sein, dass eine Prüfung seiner Rechtmäßigkeit nach den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Maßstäben möglich ist (s. näher BVerfG NJW 2005, 2689, 2690 f.).
18
d) Diese Dokumentation muss im erforderlichen Umfang grundsätzlich schon zum Zeitpunkt der Präsidiumsentscheidung vorliegen. Denn sie dient nicht nur der notwendigen Unterrichtung der Präsidiumsmitglieder über die Gründe für die geplante Änderung des Geschäftsverteilungsplans, sondern bildet für diese auch die erforderliche umfassende Entscheidungsgrundlage. Die Ermittlung und Niederlegung aller bedeutsamen Umstände zu diesem Zeitpunkt stellt sicher, dass die Entscheidung des Präsidiums auf dem aktuellen Stand der Belastungssituation der ordentlichen Strafkammer und der übrigen bedeutsamen Umstände beruht. Ferner ist die Dokumentation der Gründe der Umverteilung von Verfahren zu diesem Zeitpunkt am besten geeignet, gegenüber allen Verfahrensbeteiligten dem "Anschein der Willkürlichkeit" entgegenzuwirken. Schließlich können die zur Erhebung des Besetzungseinwands nach § 222 b Abs. 1 StPO Berechtigten nur bei Vorliegen der Änderungsgründe auf tragfähiger sachlicher Grundlage sowie rechtzeitig entscheiden, ob die Besetzung des erkennenden Gerichts ordnungsgemäß ist oder ob es Umstände gibt, die einen Besetzungseinwand rechtfertigen (s. näher unten 4. a)).
19
e) Die Dokumentation der Änderungs- und Umverteilungsgründe muss jedenfalls spätestens in dem Zeitpunkt vorhanden sein, in dem in einer der in die Zuständigkeit der Hilfsstrafkammer fallenden Sachen über einen (zulässig erhobenen) Besetzungseinwand nach § 222 b Abs. 2 StPO sachlich zu entscheiden ist. Unabhängig davon, dass bei Fehlen einer Begründung der Änderung zum Zeitpunkt des Präsidiumsbeschlusses eine verlässliche Rekonstruktion der tatsächlichen Gründe für die Errichtung der Hilfsstrafkammer mit zunehmendem Zeitablauf immer schwieriger wird, ergibt sich dies aus dem Sinn und Zweck der für die erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht und Oberlandesgericht bestehenden Rügepräklusion; denn mit den durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 vom 5. Oktober 1978 (BGBl I S. 1645) einge- führten Präklusionsvorschriften der § 222 b Abs. 1, § 338 Nr. 1 StPO wollte der Gesetzgeber erreichen, dass Besetzungsfehler bereits in einem frühen Verfahrensstadium erkannt und geheilt werden, um zu vermeiden, dass ein möglicherweise mit großem justiziellem Aufwand zustande gekommenes Urteil allein wegen eines derartigen Besetzungsfehlers im Revisionsverfahren aufgehoben und in der Folge die gesamte Hauptverhandlung - mit erheblichen Mehrbelastungen sowohl für die Strafjustiz als auch für den Angeklagten - wiederholt werden muss (vgl. BGH NJW 2003, 2545, 2546 unter Hinweis auf die Begründung des Entwurfs BTDrucks. 8/976 S. 25 ff.). Deshalb wurde ein Zwischenverfahren über die gegen die Besetzung erhobenen Beanstandungen geschaffen, um der Gefahr einer Ausuferung der Besetzungsrügen entgegenzuwirken und sie auf das verfassungsrechtlich gebotene Maß zurückzuführen (vgl. Kissel/Mayer aaO § 16 Rdn. 60; Schlüchter in SK-StPO § 222 b Rdn. 1). Soll dieses Zwischenverfahren effektiv sein und seinen vom Gesetzgeber bestimmten Sinn und Zweck erfüllen, bereits zu Beginn der erstinstanzlichen Hauptverhandlung und nicht erst in der Revisionsinstanz zu klären, ob das erkennende Gericht vorschriftsmäßig besetzt ist, so müssen die Rügeberechtigten, die hinsichtlich des Einwands besonderen Begründungspflichten unterworfen sind, wie auch das nach § 222 b Abs. 2 StPO über den Einwand entscheidende Gericht in der Lage sein, anhand der maßgeblichen Tatsachen zu beurteilen, ob Besetzungsmängel vorhanden sind (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg aaO § 222 b Rdn. 25).
20
All dies erfordert im Falle der Änderung der Geschäftsverteilung wegen Überlastung eines Spruchkörpers im Sinne des § 21 e Abs. 3 StPO, insbesondere bei Umverteilung (auch) bereits anhängiger Verfahren eine Begründung der Anordnung zugleich mit dem maßgeblichen Beschluss des Präsidiums. Etwaige Begründungsmängel können spätestens bis zur Entscheidung über einen erhobenen Besetzungseinwand gemäß § 222 b StPO behoben werden, sofern der zunächst einer umfassenden Begründung ermangelnde Änderungsbeschluss des Präsidiums durch eine ausführliche, alle Gründe für die Umverteilung dokumentierende Begründung in einem ergänzenden Beschluss des Präsidiums bestätigt wird, so dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt einen berechtigten Anlass zu der Annahme hatte, die Gerichtszuständigkeit sei zu seinen Lasten manipuliert worden (vgl. BVerfG, Beschl. vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09).
21
Daran gemessen war die vom Präsidenten des Landgerichts in seinem Schreiben an den Verteidiger vom 8. Februar 2007 vor Beginn der Hauptverhandlung erteilte Auskunft zwar noch rechtzeitig; indes war sie nach ihrem sachlichen Gehalt nicht geeignet, die Prüfung der Änderung der Geschäftsverteilung nachträglich zu ermöglichen. Das Schreiben enthielt lediglich die Behauptung einer - nur innerhalb der Justiz bekannten - Überlastung der Strafkammer 3 zum Zeitpunkt des Präsidiumsbeschlusses, belegte diese jedoch nicht mit Tatsachen. Gleiches gilt für die Mitteilung des Landgerichtspräsidenten , dass er vor der Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a mit dem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden der ordentlichen Strafkammer 3 Gespräche geführt habe, in denen die Überlastung der Kammer nochmals dargelegt und erörtert worden sei. Die erforderliche Dokumentation der Gründe des Präsidiumsbeschlusses wurde somit auch nicht rechtzeitig nachgeholt.
22
4. Aus all dem folgt für die Entscheidung über die Besetzungsrüge:
23
a) Da der Angeklagte mit seinem in der Hauptverhandlung rechtzeitig erhobenen Besetzungseinwand alle Tatsachen vorgebracht hat, die ihm zu den Hintergründen der Errichtung der Hilfsstrafkammer 3 a zugänglich waren, hat er die ihm gemäß § 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO insoweit obliegende Vortragslast erfüllt und ist daher mit der Besetzungsrüge nicht nach § 338 Nr. 1 Buchst. b StPO präkludiert. Weiteres musste er nicht darlegen; insbesondere war er mangels jeder Dokumentation der für die "Anordnung (1/2007)" maßgeblichen Gründe nicht gehalten, seinerseits die Tatsachen vorzutragen, die die Hilfsstrafkammer benötigte, um die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung und damit ihre eigene Zuständigkeit sowie die Berechtigung des Besetzungseinwands inhaltlich prüfen zu können.
24
Das auf den Besetzungseinwand in den erstinstanzlichen Verfahren vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten eröffnete Zwischenverfahren dient dazu, die Prüfung und Beanstandung der Gerichtsbesetzung auf den von § 222 b Abs. 1 Satz 1 StPO beschriebenen Zeitpunkt vorzuverlegen, damit ein Fehler rechtzeitig aufgedeckt und gegebenenfalls geheilt wird. Damit wird auch dem Recht des Angeklagten, sich nur vor seinem gesetzlichen Richter verantworten zu müssen, besser Rechnung getragen, als wenn er darauf verwiesen würde, dieses Recht erst mit der Revision geltend zu machen. Ist jedoch der Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung zur Wahrung der entsprechenden Revisionsrüge zu Beginn der Hauptverhandlung zu erheben, so muss rechtlich und faktisch auch die Möglichkeit zur Prüfung der Besetzung vor der Verhandlung bestehen, da andernfalls die Rechte der Prozessbeteiligten und insbesondere des Angeklagten in nicht hinnehmbarer Weise verkürzt würden. Ihm ist daher - jedenfalls auf sein Verlangen - die insoweit erforderliche Tatsachenkenntnis zu verschaffen, nicht etwa muss er diese Tatsachen selbst ermitteln. Denn aus dem Grundsatz einer rechtsstaatlichen, fairen Verfahrensführung folgt, dass ihm eine effektive Überprüfung der Besetzung ermöglicht werden muss, und dass die Präklusionswirkung des nicht vollständig erhobenen Einwandes für das Revisionsverfahren nur so weit reichen darf, wie diese Möglichkeit gewährt worden ist. Hieraus ergibt sich, dass in den in Betracht kommen- den Fällen eine Pflicht zur Mitteilung der Gerichtsbesetzung und zur Information über die hierfür maßgebenden Gründe besteht sowie ein ausreichend bemessener Zeitraum gewährt werden muss (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs BTDrucks. 8/976 S. 26).
25
Da hier die Gründe, die für die Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a bestimmend waren, nicht dokumentiert worden sind, war es dem Angeklagten unmöglich, die Ordnungsmäßigkeit der Besetzung des erkennenden Gerichts auch nur im Ansatz zu überprüfen. Damit konnte er nicht beurteilen, ob ein Besetzungseinwand berechtigt war oder für seine Erhebung kein Anlass bestand. Demgemäß war er entweder darauf verwiesen, die Wahrung seines Rechts auf den gesetzlichen Richter in der ersten Instanz ungeprüft zu lassen - was die Präklusion seiner erst im Revisionsverfahren geltend gemachten Besetzungsrüge zur Folge gehabt hätte - oder den Besetzungseinwand - wie geschehen - vorsorglich und "ins Blaue hinein" zu erheben. Zwar war er dabei nicht in der Lage, diesen Einwand in der vorgeschriebenen Art und Weise zu begründen; denn hierzu hätte er die Fehlerhaftigkeit der Besetzung substantiiert behaupten, also anhand von Tatsachen schlüssig darlegen (§ 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO), sowie alle Beanstandungen gleichzeitig vorbringen müssen (§ 222 b Abs. 1 Satz 3 StPO; vgl. Gollwitzer aaO § 222 b Rdn. 17, 18; Schlüchter aaO § 222 a Rdn. 1). Dies kann jedoch aus den dargelegten Gründen nicht zu seinen Lasten gehen. Da ihm keine Dokumentation über die Gründe für die Änderung der Geschäftsverteilung zur Verfügung stand, durfte er sich zur Begründung des Besetzungseinwands daher auf die Beanstandung beschränken, dass mangels vorhandener Unterlagen nicht nachzuvollziehen sei, aufgrund welcher Tatsachen das Präsidium die Hilfsstrafkammer eingerichtet hat. Das aus § 222 a Abs. 3 StPO folgende Recht auf Einsicht in die Besetzungsunterlagen änderte hieran nichts, weil es - worauf der Präsident in seinem Schreiben an den Verteidiger hingewiesen hatte - eine Niederlegung der Gründe für die Umverteilung der Geschäfte nicht gab.
26
Demgegenüber kann vom Angeklagten nicht verlangt werden, dass er über die eingeholten Mitteilungen der Justizverwaltung hinaus selbst ermitteln müsse, ob die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die Zuweisung der Geschäfte an diese ordnungsgemäß waren. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - jede Dokumentation zu der entsprechenden Entscheidung des Präsidiums fehlt. Denn dies würde bedeuten, dass dem Angeklagten die Pflicht auferlegt würde, selbst die gesamte Belastungssituation der ordentlichen Strafkammer in allen Einzelheiten zu erforschen und die insoweit maßgeblichen Tatsachen festzustellen. Dies wäre - falls es überhaupt gelingen könnte - mit einem enormen Aufwand verbunden und würde etwa auch die Einsicht in verfahrensfremde Akten sowie alle sonstige interne Unterlagen der als überlastet angesehenen Strafkammer, wie zum Beispiel Verhandlungskalender und Terminierungspläne erfordern. Solch umfangreiche Ermittlungen sind einem Angeklagten - zumal innerhalb der regelmäßig kurzen Zeit zwischen der Mitteilung der Gerichtsbesetzung und dem Beginn der Hauptverhandlung sowie ungeachtet der Frage, ob entsprechende Einsichtsrechte überhaupt bestünden - jedenfalls nicht zuzumuten und in der Regel tatsächlich auch gar nicht möglich. Ob dies anders zu beurteilen ist, wenn eine Begründung der Änderung der Geschäftsverteilung vorliegt und zusätzlich nur wenige einzelne Umstände ermittelt und vorgetragen werden müssen (vgl. BGHSt 44, 161, 163 f.), braucht hier nicht entschieden zu werden.
27
b) Für die aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO folgende Vortragslast des Angeklagten zur Begründung der Besetzungsrüge in der Revision gilt das Entsprechende. Ist eine Dokumentation der Gründe für die Änderung der Ge- schäftsverteilung nicht vorhanden und hat der Angeklagte auf seinen Besetzungseinwand keine weitergehenden Informationen erhalten, so kann er auch die im Revisionsverfahren erhobene (nicht präkludierte) Besetzungsrüge nur ebenso pauschal ausführen, wie seinen Besetzungseinwand. Vom Angeklagten zu verlangen, dass er für das Revisionsverfahren darüber hinaus alle Tatsachen ermitteln (und vortragen) müsse, die eine nicht ordnungsgemäße Besetzung der Hilfsstrafkammer belegen, würde die aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO folgenden Pflichten überspannen (vgl. BVerfG StV 2006, 57; StraFo 2005, 512 m. w. N.; Beschl. vom 10. März 2009 - 2 BvR 49/09).
28
c) Die vom Senat zu den Gründen der Errichtung der Hilfsstrafkammer eingeholten dienstlichen Stellungnahmen des Präsidenten des Landgerichts und des damaligen Vorsitzenden der ordentlichen Strafkammer 3 können nicht herangezogen werden, um die vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts nachträglich zu belegen. Denn aus dem dargelegten Sinn und Zweck der Rügepräklusion nach § 222 b Abs. 1, § 338 Nr. 1 StPO folgt, dass jedenfalls dann, wenn jede Dokumentation der Gründe für die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die Übertragung bereits anderweit anhängiger Verfahren in deren Zuständigkeit unterblieben ist, ein Nachschieben von Gründen nach der Entscheidung über den Besetzungseinwand unbeachtlich ist und insbesondere einer mit der Revision erhobenen Besetzungsrüge nicht mehr den Boden entziehen kann. Vielmehr greift diese ohne weiteres durch. Denn in diesem Fall muss auch der im Revisionsverfahren herrschende Grundsatz zurückstehen, dass nur ein bewiesener Verfahrensmangel zur Aufhebung eines Urteils führen kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 337 Rdn. 10). Hierzu gilt:
29
Im Allgemeinen sind die zu einer Besetzungsrüge vorgebrachten Tatsachenbehauptungen , die nicht durch den Inhalt des Protokolls bewiesen werden können (§ 274 StPO), zwar der Überprüfung durch das Revisionsgericht im Wege des Freibeweises zugänglich (vgl. Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen , 6. Aufl. Rdn. 295 ff., 298). Eine abweichende Beurteilung ist aber dann geboten, wenn im Revisionsverfahren erstmals die auch dem Revisionsführer bisher unbekannten Tatsachen in vollem Umfang ermittelt werden müssten, die für die Beurteilung der Zuständigkeit des erstinstanzlich erkennenden Spruchkörpers maßgeblich sind, und dadurch der Regelungszweck der § 222 b Abs. 1, § 338 Nr. 1 StPO konterkariert würde. Hierfür ist auch von Belang, dass das Revisionsverfahren zur Ermittlung der Hintergründe der regelmäßig schon länger zurückliegenden Präsidiumsentscheidungen denkbar ungeeignet ist, weil eine exakte Aufklärung der entsprechenden Umstände wegen des erheblichen Zeitablaufs kaum geleistet werden kann. Aus diesem Grund könnten die Durchführung des Freibeweisverfahrens und die Heranziehung seiner Erkenntnisse im Übrigen darauf hinauslaufen, dass sich die Nachlässigkeit des Präsidiums im Ergebnis zu Lasten des Beschwerdeführers auswirkt. Denn führten die freibeweislichen Erhebungen nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, so bliebe der gerügte Besetzungsmangel unbewiesen mit der Folge, dass - verfassungsrechtlich unbedenklich - von einer ordnungsgemäßen Besetzung auszugehen wäre (vgl. Meyer-Goßner aaO § 337 Rdn. 12). Danach ist es im vorliegenden Fall letztlich ohne Belang, ob die Besetzung des erkennenden Gerichts tatsächlich nicht vorschriftsmäßig im Sinne von § 338 Nr. 1 StPO war. Der Senat weist daher nur ergänzend darauf hin, dass auch der Inhalt der von ihm eingeholten dienstlichen Erklärungen nach den aufgezeigten Maßstäben die Rechtmäßigkeit der "Anordnung (1/2007)" zur Errichtung der Hilfsstrafkammer und Umverteilung von Strafverfahren nicht belegt.
30
Ob das Freibeweisverfahren in der Revision durchzuführen ist und dadurch erlangte Erkenntnisse heranzuziehen sind, wenn eine vorhandene Dokumentation nur punktuell zu ergänzen ist (vgl. BGHSt 44, 161), kann der Senat wiederum offen lassen.
31
d) Die Sache bedarf somit neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 116/13
vom
10. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. Juli 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 19. September 2012, soweit es ihn betrifft und er verurteilt worden ist, mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, eine Verfallsentscheidung gegen ihn getroffen und ihn im Übrigen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten hat mit der Besetzungsrüge Erfolg, soweit sie beanstandet, die Übertragung des Verfahrens auf eine andere Strafkammer sei nicht gesetzmäßig erfolgt, so dass diese zur Verhandlung und Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht berufen und das erkennende Gericht somit vorschriftswidrig besetzt gewesen sei (§ 338 Nr. 1 StPO i.V.m. § 21e Abs. 3 GVG).
2
1. Der Rüge liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:
3
Mit Datum vom 2. Juli 2012 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage beim Landgericht, die der Vorsitzende Richter der nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen 6. großen Strafkammer mit Verfügung vom 12. Juli 2012 zustellte.
4
Am 18. Juli 2012 stellte das Präsidium des Landgerichts Aachen in einem Vermerk Folgendes fest:
5
"Die 6. große Strafkammer (zugleich 1. große Wirtschaftsstrafkammer und 3. Kammer für Bußgeldsachen) hat Probleme, alle bei ihr anhängigen Haftsachen zeitnah zu verhandeln. Die Kammer verhandelt derzeit seit dem 24.02.2012 die Haftsache gegen K. u.a. (66 KLs 15/11), Hauptverhandlungstermine sind derzeit bis zum 01.10.2012 bestimmt. Parallel dazu wird neben kleineren Verfahren seit dem 16.04.2012 die Wirtschaftsstrafsache gegen A. u.a. (86 KLs 12/08) verhandelt; Hauptverhandlungstermine sind hier bis zum 21.08.2012 bestimmt. In der Zeit vom 28.08.2012 - 31.08.2012 ist die Strafsache gegen S. (66 KLs 8/12; OLG-Frist 01.06.2012) terminiert. Im September und Oktober 2012 sind bereits Termine in einer weiteren Haftsache (86 KLs 11/12; OLG-Frist 03.07.12) mit der Verteidigung abgestimmt; zudem sind einzelne Kammermitglieder in der zweiten Septemberhälfte bzw. Anfang Oktober 2012 in Urlaub. In der Zeit vom 16.10.2012 - 20.11.2012 ist eine weitere alte Wirtschaftsstrafsache gegen Sch. u.a. (86 KLs 30/08) terminiert. Obwohl es sich um eine Nichthaftsache handelt, scheidet eine Aufhebung des Termins aus. Die Hauptverhandlung in dieser Sache musste bereits einmal aufgehoben werden; bei einer erneuten Aufhebung könnte Verjährung drohen.
6
Noch nicht terminiert ist die am 09.07.2012 eingegangene Strafsache gegen P. u.a. (66 KLs 16/12; OLG-Frist 09.09.2012). Dieses Verfahren könnte die 6. große Strafkammer frühestens im Anschluss an die Wirtschaftsstrafsache gegen Sch. u.a. ab dem 21.11.2012 verhandeln.
7
Eine teilweise Entlastung der 6. großen Strafkammer ist durch die 1. große Strafkammer möglich. Diese Kammer hat ab Anfang September 2012 noch Termine für Haftsachen frei. Frühere Hauptverhandlungstermine stehen auch bei den übrigen großen Strafkammern des Landgerichts Aachen nicht zur Verfügung".
8
Am gleichen Tag fasste das Präsidium folgenden Beschluss:
9
"Aus den vorstehenden Gründen wird beschlossen:
10
1. Anstelle der 6. großen Strafkammer werden alle nach dem Geschäftsplan des Landgerichts Aachen für das Geschäftsjahr 2012 in die Zuständigkeit der 6. großen Strafkammer (ohne 1. große Wirtschaftsstrafkammer und 3. Kammer für Bußgeldsachen) fallenden, beim Landgericht Aachen erhobenen Anklagen und Anträge in Sicherungsverfahren gemäß § 413 StPO der 1. großen Strafkammer zur Bearbeitung zugewiesen, soweit die Anklagen und Anträge im Sicherungsverfahren - in der Zeit vom 01.07.2012 bis zum Ablauf des heutigen Tages beim Landgericht Aachen eingegangen sind oder noch eingehen und - bis zum Ablauf des gestrigen Tages noch nicht eröffnet oder noch nicht durch Urteil oder eine sonstige verfahrensbeendende Entscheidung erledigt worden sind. 2.......".
11
Mit Beschluss vom 13. August 2012 eröffnete die 1. große Strafkammer des Landgerichts Aachen das Verfahren gegen den Angeklagten u.a. und bestimmte fünf Hauptverhandlungstermine, beginnend ab 4. September 2012. Am ersten Tag der Hauptverhandlung rügte ein Verteidiger eines Mitangeklagten die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts, dem sich die Verteidigerin des Angeklagten P. anschloss. Mit Beschluss vom 17. September 2012 wies die 1. große Strafkammer die Besetzungsrüge der Angeklagten zurück. Zur Begründung führte sie aus:
12
"Mit Blick auf das Beschleunigungsgebot war die Ableitung des Verfahrens von der 6. großen Strafkammer auf die 1. große Strafkammer geboten. Zur weiteren Begründung wird auf den zitierten Vermerk des Präsidiums des Landgerichts Aachen vom 18.07.2012 verwiesen, in dem nachvollziehbar dargelegt wird, dass die 6. große Strafkammer zu entlasten war und eine Zuweisung der Sache an die 1. große Strafkammer zu erfolgen hatte, die als einzige Kammer in der Lage war, innerhalb der Frist des § 121 StPO mit der Hauptverhandlung zu beginnen".
13
Der Präsident des Landgerichts Aachen nahm mit Schreiben vom 17. Dezember 2012 zur Besetzungsrüge des Angeklagten Stellung. Dabei teilte er mit, warum sich das Präsidium entschieden habe, das Verfahren an eine andere Strafkammer zu übertragen. Bei einem Verhandlungsbeginn ab dem 21. November 2012 wäre die OLG-Frist (des § 121 Abs. 1 StPO) um rund 2 ½ Monate überschritten gewesen. Nach ständiger Rechtsprechung des für die Haftentscheidung zuständigen Senats des Oberlandesgerichts Köln müsse eine Hauptverhandlung innerhalb von drei Monaten nach Eröffnung beginnen. Bei einem Eingang der Sache am 9. Juli 2012 hätte die Kammer erfahrungsgemäß am 9. August 2012 über eine Eröffnung entscheiden können. Die Hauptverhandlung hätte danach jedenfalls am 9. November 2012 beginnen müssen. Auch dieser Termin wäre von der 6. großen Strafkammer jedoch nicht einzuhalten gewesen.
14
2. Die Rüge ist begründet. Die Übertragung des den Angeklagten betreffenden Verfahrens auf die 1. große Strafkammer ist nicht gesetzmäßig erfolgt. Diese war deshalb nicht zur Verhandlung und Entscheidung im vorliegenden Verfahren berufen, das erkennende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 338 Nr. 1 StPO).
15
a) Das Präsidium darf gemäß § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG die nach Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung getroffenen Anordnungen im Laufe des Geschäftsjahrs ändern, wenn dies wegen Überlastung eines Spruchkörpers nötig wird. Eine solche liegt vor, wenn über einen längeren Zeitraum ein erheblicher Überhang der Eingänge über die Erledigungen zu verzeichnen ist, sodass mit einer Bearbeitung der Sachen innerhalb eines angemessenen Zeitraums nicht zu rechnen ist und sich die Überlastung daher als so erheblich darstellt, dass der Ausgleich nicht bis zum Ende des Geschäftsjahrs zurückgestellt werden kann. Die Rechtsprechungstätigkeit der Gerichte wird immer wieder mit nicht vorhersehbaren Ereignissen und Entwicklungen konfrontiert. Derartige Umstände erfordern ein Eingreifen des Spruchkörpers oder des Präsidiums, um die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen. Eine nachträgliche Änderung der Geschäftsverteilung kann auch verfassungsrechtlich geboten sein, wenn nur auf diese Weise die Gewährung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit, insbesondere eine beschleunigte Behandlung von Strafsachen , erreicht werden kann. Das Beschleunigungsgebot lässt indes das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht vollständig zurücktreten. Vielmehr besteht Anspruch auf eine zügige Entscheidung durch diesen. Daher muss in derartigen Fällen das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter mit dem rechtsstaatlichen Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden (BGHSt 53, 268, 270 f.); vgl. auch BVerfG NJW 2005, 2689, 2690).
16
§ 21e Abs. 3 GVG lässt - ohne dass insoweit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entgegenstünde - eine Änderung der Zuständigkeit auch für bereits anhängige Verfahren zu, jedenfalls dann wenn die Neuregelung generell gilt, zum Beispiel mehrere anhängige Verfahren und eine unbestimmte Vielzahl künftiger, gleichartiger Fälle erfasst und nicht aus sachwidrigen Gründen geschieht. In jedem Fall ist aber erforderlich, dass jede Umverteilung während des laufenden Geschäftsjahres , die bereits anhängige Verfahren erfasst, geeignet ist, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen. Änderungen der Geschäftsverteilung, die hierzu nicht geeignet sind, können vor Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Bestand haben (vgl. BVerfG NJW 2005, 2689, 2690 mwN; BGHSt 53, 268, 272).
17
Die Entscheidung des Präsidiums nach § 21e Abs. 3 GVG unterliegt nicht lediglich einer Vertretbarkeits- oder Willkürkontrolle, sie ist vielmehr einer vollständigen revisionsgerichtlichen Überprüfung unterworfen, insbesondere auch daraufhin, ob eine Überlastung einer Strafkammer vorgelegen hat und die vom Präsidium getroffenen Maßnahmen erforderlich waren (BGHSt 53, 268, 275 f.). Dabei sind vom Revisionsgericht nur solche Umstände heranzuziehen, die bis zur Entscheidung der neu zur Entscheidung berufenen Strafkammer über einen in der Hauptverhandlung erhobenen Besetzungseinwand (§ 222b StPO) bekannt gemacht sind (vgl. BGHSt 53, 268, 282 f.).
18
b) Den sich danach ergebenden Anforderungen an eine Änderung der Geschäftsverteilung nach § 21e Abs. 3 GVG, durch die bereits bei einer or- dentlichen Strafkammer anhängige Verfahren übertragen werden, genügt die hier beanstandete Entscheidung des Präsidiums nicht.
19
Die in dem Vermerk des Präsidiums vom 18. Juli 2012 dargelegten Umstände belegen eine Überlastung der 6. großen Strafkammer nicht, die eine Übertragung des gegen den Angeklagten gerichteten Verfahrens mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG rechtfertigen könnte. Insoweit kann dahinstehen, ob es sich um eine bedenkliche Zuweisung eines einzigen Verfahrens handelt.
20
Dem Präsidiumsvermerk lässt sich zwar entnehmen, dass bei der 6. großen Strafkammer eine Auslastung vorgelegen hat, die eine Terminierung des gegen den Angeklagten gerichteten Verfahrens nicht vor dem 21. November 2012 zugelassen hätte. Es ergibt sich daraus aber keine solche Überlastung der Strafkammer mit anhängigen Verfahren, dass eine unangemessene Bearbeitungszeit von Verfahren gedroht hätte, die ein Einschreiten des Präsidiums während des laufenden Geschäftsjahres rechtfertigen hätte können. Es ist im Grundsatz nicht zu beanstanden, dass mit der Verhandlung eines gegen mehrere Angeklagte gerichteten Verfahrens nicht vor Ablauf von vier Monaten nach ihrem Eingang bei einer großen Strafkammer begonnen wird. Die Zustellung der Anklage, die Einräumung einer der Bedeutung und der Schwierigkeit des Verfahrens angemessenen Stellungnahmefrist für die Angeschuldigten und die sich anschließende, eine Kenntnis des vollständigen Aktenlage voraussetzende Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens erfordern ebenso einem maßgeblichen zeitlichen Aufwand wie die Vorbereitung und Terminierung einer Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden. Vor diesem Hintergrund liegt es jedenfalls fern, eine an starren Fristen vorgegebene Betrachtung bei der Frage zugrunde zu legen, ob eine unangemessene Bearbeitungszeit einzelner Verfahren im Raum steht.
21
Dies gilt auch mit Blick auf den insbesondere in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgrundsatz, der zwar vor allem auch in der Haftprüfungsfrist des § 121 Abs. 1 StPO seinen Ausdruck findet, aber keinen für alle Verfahren gleichermaßen geltenden Zeitpunkt festlegt, wann mit der Hauptverhandlung einer Sache nach Inhaftierung oder Anklageerhebung zu beginnen ist. Insofern gibt wie hier der bloße Zeitablauf zwischen Anklageerhebung und möglichem Beginn der Hauptverhandlung allein keinen tragfähigen Anhalt dafür, dass bei einem Hauptverhandlungsbeginn erst im November 2012 eine unangemessene Verzögerung des Verfahrens vorgelegen hätte. Dies ergibt sich im Übrigen schon daraus, dass der Vollzug von Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus vom Oberlandesgericht unter Abwägung des Freiheitsanspruchs des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse des Staates angeordnet werden kann.
22
Nichts anderes ergibt sich, soweit sich der Präsident des Landgerichts im Revisionsverfahren darauf beruft, eine Überleitung habe vorgenommen werden müssen, weil das Oberlandesgericht Köln als Haftprüfungsgericht fordere, dass eine Hauptverhandlung drei Monate nach der Eröffnung des Verfahrens begonnen haben müsse. Da das Landgericht erfahrungsgemäß einen Monat nach Eingang des Verfahrens am 9. August 2012 über die Eröffnung habe entscheiden können, hätte die Hauptverhandlung spätestens am 9. November 2012 beginnen müssen. Ungeachtet dessen, dass diese im landgerichtlichen Verfahren nicht vorgebrachten Umstände im Revisionsverfahren unbeachtlich sind, wären auch sie nicht geeignet, eine zum sofortigen Handeln zwingende Überbelastung der 6. großen Strafkammer zu belegen. Es gibt schon keinen Grundsatz , der dazu veranlassen müsste, in jedem Fall einen Monat nach Eingang des Verfahrens über dessen Eröffnung zu entscheiden. Wie lange Zeit hierfür benötigt wird, hängt von vielfältigen Umständen, etwa der Schwierigkeit und dem Umfang des Verfahrens, der Zahl der Beschuldigten und der sonstigen Belastung des Gerichts ab, die es verbieten, eine solche eng bemessene Bearbeitungsfrist regelmäßig zu setzen. Selbst wenn man aber davon ausginge, liegt es auf der Hand, dass die Überschreitung eines nach Maßgabe des Oberlandesgerichts Köln berechneten Beginns der Hauptverhandlung um 12 Tage keine solche Verzögerung der Sache darstellt, die im Sinne von § 21e Abs. 3 GVG einen Eingriff in das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG rechtfertigen könnte. Die abweichende Ansicht des Präsidiums des Landgerichts lässt demgegenüber erkennen, dass es in seinem Bemühen um Ausgleich zwischen dem Recht auf den gesetzlichen Richter und dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz die hohe verfassungsrechtliche Bedeutung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG aus dem Blick verloren hat.
Fischer Appl Schmitt Krehl Eschelbach

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 376/08
vom
9. April 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
GVG § 21 e Abs. 3, StPO § 338 Nr. 1 Buchst. b
1. Der Präsidiumsbeschluss über die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die
Übertragung (auch) bereits anderweitig anhängiger Sachen an diese (§ 21 e
Abs. 3 GVG) ist zu begründen.
2. Mängel dieser Begründung können spätestens bis zur Entscheidung der Hilfsstrafkammer
über einen in der Hauptverhandlung erhobenen Besetzungseinwand
(§ 222 b StPO) behoben werden.
BGH, Urt. vom 9. April 2009 - 3 StR 376/08 - LG Hannover
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
12. März 2009 in der Sitzung am 9. April 2009, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt - in der Verhandlung vom 12. März 2009 - ,
Staatsanwältin - bei der Verkündung am 9. April 2009 -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom 12. März 2009 -
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 29. November 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen und wegen "gewer bsmäßigen" unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die gegen die Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Besetzungsrüge Erfolg, soweit sie beanstandet, die Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a durch das Präsidium des Landgerichts sei nicht gesetzmäßig erfolgt, so dass diese zur Verhandlung und Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht berufen und das erkennende Gericht somit vorschriftswidrig besetzt gewesen sei (§ 338 Nr. 1 StPO i. V. m. § 21 e Abs. 3 GVG ).
2
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
3
Durch schriftliche "Anordnung (1/2007) gemäß § 21 e GVG" vom 10. Januar 2007 eröffnete das Präsidium des Landgerichts "mit Wirkung vom 11. Januar 2007" unter anderem die Hilfsstrafkammer 3 a und teilte dieser die in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2006 bei der Strafkammer 3 eingegangenen , dort noch anhängigen Haftsachen zu, die noch nicht terminiert waren. Außerdem wurden dieser Hilfsstrafkammer "mit Wirkung vom 1. März 2007" die nächsten zwei Haftsachen übertragen, für die nach der bisherigen Geschäftsverteilung die Strafkammer 3 zuständig gewesen wäre. Als Anlass für die Änderung der Geschäftsverteilung wurde eingangs der Anordnung insoweit eine Überlastung der Strafkammer 3 angegeben. Eine Begründung enthielt die Entscheidung des Präsidiums nicht. Die Überleitung der bei der Strafkammer 3 bereits anhängigen und noch nicht terminierten Haftsachen erfasste - neben einer weiteren Strafsache - auch das gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfahren.
4
In diesem teilte die Hilfsstrafkammer 3 a mit Schreiben vom 1. Februar 2007 die Gerichtsbesetzung mit. Der Verteidiger des Beschwerdeführers bat mit Schreiben vom 6. Februar 2007 an die Präsidialabteilung des Landgerichts, ihm je eine Kopie der Beschlussfassung über die Änderung der Geschäftsverteilung , des Protokolls der Präsidiumssitzung und der Überlastungsanzeige des Vorsitzenden der ehemals zuständigen Strafkammer zu überlassen. Daraufhin übersandte der Präsident des Landgerichts unter dem 8. Februar 2007 eine Kopie der "Anordnung (1/2007)" und teilte mit, dass die Übersendung eines Protokolls der Präsidiumssitzung nicht möglich sei, weil "dort Protokolle nicht geführt werden". Eine schriftliche Überlastungsanzeige sei nicht gefertigt worden. Sowohl dem Präsidium des Landgerichts als auch dem Oberlandesgericht Celle sei jedoch die Überlastung der Strafkammer bekannt, die die Eröffnung der Hilfsstrafkammer notwendig gemacht habe. Vor der Beschlussfassung des Präsidiums habe er als dessen Vorsitzender darüber hinaus Gespräche mit dem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden der Strafkammer 3 geführt, in denen die Überlastung der Kammer nochmals dargelegt und erörtert worden sei.
5
In der Hauptverhandlung vom 26. Februar 2007 erhob der Angeklagte vor Einlassung zur Sache den Besetzungseinwand gemäß § 222 b Abs. 1 StPO. Zur Begründung beanstandete er unter anderem den Übergang des Verfahrens von der ordentlichen Strafkammer 3 in die Zuständigkeit der Hilfsstrafkammer 3 a und begründete die Rüge insoweit damit, dass weder ein Protokoll der Präsidiumssitzung noch eine Überlastungsanzeige des Vorsitzenden der ordentlichen Strafkammer 3 vorliege. Es sei daher nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Tatsachen das Präsidium die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer meinte beschließen zu müssen.
6
Die Große Hilfsstrafkammer 3 a wies den Besetzungseinwand in der Hauptverhandlung vom 12. März 2007 als unbegründet zurück. § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG ermächtige das Präsidium unter anderem dann zu einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes, wenn dies wegen Überlastung nötig werde. Ob ein Fall der Überlastung eingetreten sei, unterliege allein der Prüfung und Ermessensentscheidung des Präsidiums. Das Gesetz definiere den Begriff "Überlastung" nicht. Insbesondere setze es keine Überlastungsanzeige des betroffenen Spruchkörpers oder die Protokollierung der die Entscheidung vorbereitenden Beratung in der Präsidiumssitzung voraus. Dass Grundlage der "Anordnung (1/2007)" die Feststellung einer Überlastung der Strafkammer 3 gewesen sei, folge aus der Stellungnahme des Präsidenten vom 8. Februar 2007.
7
2. Die Besetzungsrüge ist zulässig erhoben. Sie ist weder wegen unzureichender Substantiierung des in der Hauptverhandlung erhobenen Besetzungseinwandes (§ 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO) nach § 338 Nr. 1 Buchst. b StPO präkludiert (s. unten 4. a)) noch hat der Beschwerdeführer die Anforderungen an die Begründung der Besetzungsrüge in der Revision (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) verfehlt (s. unten 4. b)).
8
Die Rüge ist auch begründet. Das Urteil kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil die erforderliche Dokumentation der Gründe fehlt, die das Präsidium zur Änderung der Geschäftsverteilung veranlasst haben, und deshalb nicht beurteilt werden kann, ob die Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a gesetzmäßig war oder ob der Angeklagte durch die Übertragung seines Verfahrens auf diese Strafkammer unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG seinem gesetzlichen Richter entzogen wurde.
9
a) Allerdings darf das Präsidium gemäß § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG die nach Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung getroffenen Anordnungen im Laufe des Geschäftsjahres ändern, wenn dies wegen Überlastung eines Spruchkörpers nötig wird. Eine solche liegt vor, wenn über einen längeren Zeitraum ein erheblicher Überhang der Eingänge über die Erledigungen zu verzeichnen ist, sodass mit einer Bearbeitung der Sachen innerhalb eines angemessenen Zeitraumes nicht zu rechnen ist (vgl. Velten in SK-StPO § 21 e Rdn. 26) und sich die Überlastung daher als so erheblich darstellt, dass der Ausgleich nicht bis zum Ende des Geschäftsjahres zurückgestellt werden kann (vgl. Kissel/Mayer, GVG 5. Aufl. § 21 e Rdn. 112). Die Rechtsprechungstätigkeit der Gerichte wird immer wieder mit nicht vorhersehbaren Ereignissen und Entwicklungen konfrontiert. Derartige Umstände erfordern ein Eingreifen des Spruchkörpers oder des Präsidiums , um die Effizienz des Geschäftsablaufes zu erhalten oder wiederherzu- stellen. Eine nachträgliche Änderung der Geschäftsverteilung kann auch verfassungsrechtlich geboten sein, wenn nur auf diese Weise die Gewährung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit, insbesondere eine beschleunigte Behandlung von Strafsachen, erreicht werden kann. Das Beschleunigungsgebot lässt indes das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht vollständig zurücktreten. Vielmehr besteht Anspruch auf eine zügige Entscheidung durch diesen. Daher muss in derartigen Fällen das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter mit dem rechtsstaatlichen Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden (vgl. BVerfG NJW 2005, 2689, 2690 m. w. N.; Beschl. vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09).
10
b) Zu den vor diesem Hintergrund zulässigen und unter den genannten Voraussetzungen auch gebotenen Änderungsmaßnahmen des Präsidiums im Sinne von § 21 e Abs. 3 GVG zählt auch die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer. Dieser im Gesetz nicht erwähnte Spruchkörper darf nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. BGHSt 21, 260, 261) bei vorübergehender Überlastung eines ständigen Spruchkörpers für begrenzte Zeit errichtet werden (h. M.; aA Velten aaO § 21 e Rdn. 44); er gehört nicht zu den "institutionellen" Kammern des Landgerichts und vertritt die ordentliche Strafkammer in solchen Geschäften, die diese infolge anderweitiger Inanspruchnahme nicht selbst erledigen kann (vgl. BGHSt 31, 389, 391). Die Regelung der mit der Errichtung einer Hilfsstrafkammer verbundenen Übertragung von Aufgaben der ordentlichen Strafkammer hat denselben Grundsätzen zu folgen, wie sonstige Änderungen im Sinne von § 21 e Abs. 3 GVG; insbesondere ist auch insoweit das Abstraktionsprinzip zu beachten. Danach muss auch die Änderung des Geschäftsverteilungsplans die Aufgaben nach allgemeinen, sachlichobjektiven Merkmalen der Hilfsstrafkammer übertragen. Eine spezielle Zuwei- sung bestimmter einzelner Verfahren ist unzulässig (vgl. Kissel/Mayer aaO § 21 e Rdn. 99, 111). Nach diesen Maßstäben steht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG einer Änderung der (funktionellen) Zuständigkeit auch für bereits anhängige Verfahren jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Neuregelung generell gilt, also etwa außer mehreren anhängigen Verfahren auch eine unbestimmte Vielzahl künftiger, gleichartiger Fälle erfasst, und nicht aus sachwidrigen Gründen geschieht (BVerfGE 24, 33, 54 f.; BVerfG NJW 2003, 345; 2005, 2689, 2690 m. w. N.). In Ausnahmefällen kann aber auch eine Änderung der Geschäftsverteilung zulässig sein, die der Hilfsstrafkammer ausschließlich bereits anhängige Verfahren überträgt, wenn nur so dem verfassungs- und konventionsrechtlichen Beschleunigungsgebot insbesondere in Haftsachen (s. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) angemessen Rechnung getragen werden kann (vgl. BGHSt 44, 161, 165 ff.; BVerfG Beschl. vom 29. März 2007 - 2 BvR 188/07 und vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09; noch offen gelassen in BVerfG NJW 2005, 2689, 2690). Gleichgültig, ob der Hilfsstrafkammer ausschließlich anhängige Verfahren oder daneben auch zukünftig eingehende Verfahren zugewiesen werden, muss jedoch jede Umverteilung während des laufenden Geschäftsjahres , die bereits anhängige Verfahren erfasst, geeignet sein, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen. Denn Änderungen der Geschäftsverteilung, die diesen Anforderungen nicht genügen, sind nicht im Sinne des § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG nötig und können vor allem vor Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Bestand haben (BVerfG NJW 2005, 2689, 2690).
11
c) Obwohl die Umverteilung von Geschäftsaufgaben auf eine Hilfsstrafkammer nach diesen Maßstäben grundsätzlich zulässig ist, birgt sie doch stets erhebliche Gefahren für das verfassungsrechtliche Gebot der Gewährleistung des gesetzlichen Richters in sich. Dies gilt in besonderem Maße bei Überleitung bereits bei der überlasteten ordentlichen Strafkammer anhängiger Verfahren in die Zuständigkeit der Hilfsstrafkammer, weil dann schon eine anderweitige Zuständigkeit konkretisiert und begründet worden war. Daher ist es in solchen Fällen geboten, die Gründe, die eine derartige Umverteilung erfordern, zu dokumentieren und den Verfahrensbeteiligten - jedenfalls auf Verlangen - zur Kenntnis zu geben, um "dem Anschein einer willkürlichen Zuständigkeitsverschiebung" entgegen zu wirken (vgl. BVerfG NJW 2005, 2689, 2690; Beschl. vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09). Eine solche Pflicht zur umfassenden, nachvollziehbaren Dokumentation und Darlegung der Gründe besteht auch dann, wenn neben der Umverteilung bereits anhängiger Verfahren auch zukünftig eingehende Sachen auf die Hilfsstrafkammer übertragen werden (vgl. hierzu einschränkend - nicht tragend - BGH - 2. Strafsenat - NStZ 2007, 537; vgl. auch 5. Strafsenat in BGHR GVG § 21 e Abs. 3 Änderung 7; zur Begründungspflicht vgl. Kissel/Mayer aaO § 21 e Rdn. 73 aE; Velten aaO § 21 e Rdn. 30); denn auch bei einer derartigen Änderung der Geschäftsverteilung bedarf die Überleitung schon anhängiger Verfahren in eine neue Zuständigkeit besonderer Rechtfertigung.
12
Den sich danach ergebenden Anforderungen an die Begründung einer Änderung der Geschäftsverteilung nach § 21 e Abs. 3 GVG, durch die eine Hilfsstrafkammer errichtet wird und dieser bereits bei einer ordentlichen Strafkammer anhängige Verfahren zugewiesen werden, genügt die hier beanstandete Entscheidung des Präsidiums nicht. Dieses hat eine rechtzeitige Dokumentation der für die "Anordnung (1/2007)" maßgeblichen Gründe und Erwägungen völlig unterlassen. Deren revisionsrechtliche Überprüfung ist dem Senat daher nicht möglich.
13
3. Die Anforderungen an Inhalt und Umfang der gebotenen Dokumentation richten sich nach den Maßstäben, die für die revisionsgerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines derartigen Präsidiumsbeschlusses bestehen. Hierfür gilt:
14
a) Die revisionsrechtliche Überprüfung der Gesetzmäßigkeit einer Abänderung der Geschäftsverteilung im Laufe des Geschäftsjahres ist nicht ausgeschlossen , sondern grundsätzlich möglich (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 3, 353 ff.; 44, 161, 165, 170; Kissel/Mayer § 16 Rdn. 50 ff., § 21 e Rdn. 120). Sie beschränkt sich bei Errichtung einer Hilfsstrafkammer nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings darauf, ob der neue Spruchkörper in gesetzmäßiger Weise vom Präsidium errichtet worden ist und ob die für die Bildung der Hilfsstrafkammer als Grund angegebenen Tatsachen den Rechtsbegriff der (vorübergehenden) Überlastung erfüllen (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 338 Rdn. 30 m. w. N.). Auf die Tatsachen, die zu der Änderung geführt haben, sowie darauf, ob die ordentliche Strafkammer tatsächlich überlastet war, erstreckt sich die Prüfung hingegen nicht (vgl. BGHR GVG § 21 e Abs. 3 Änderung 4; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 338 Rdn. 22). Der Nachprüfung durch das Revisionsgericht sind danach enge Grenzen gesetzt (vgl. BGHR GVG § 21 e Hilfsstrafkammer 1 m. w. N.). Dies wird aus der eigenverantwortlichen Stellung des Präsidiums als Gremium verwaltungsunabhängiger Selbstorganisation der Gerichte und aus der Besonderheit der ihm übertragenen Aufgaben hergeleitet. Daraus folge, dass der Beurteilung durch das Präsidium wegen der Notwendigkeit flexibler, an die konkrete Situation angepasster und auf wesentliche Veränderungen zeitnah reagierender Entscheidungen schon deshalb ein gewisser Vorrang zukommen müsse, weil es über Entscheidungsgrundlagen verfüge, die dem sachverhaltsferneren Revisionsgericht durch dienstliche Äußerungen und andere Mittel des Beweises nur unvollkom- men vermittelt werden könnten. Hinzu komme, dass die Entscheidungen über die Geschäftsverteilung wesentlich von der Bewertung zukünftiger Entwicklungen insbesondere im Geschäftsanfall bestimmt seien und solche vorausschauenden Beurteilungen ihrer Natur nach eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle nicht zuließen. Aus diesen Gründen sei die Regelung der Geschäftsverteilung , soweit es an bindenden rechtlichen Vorgaben fehle, dem pflichtgemäßen Ermessen des Präsidiums zu überlassen. Im Bereich rechtlicher Einzelnormierung müsse den dargelegten Besonderheiten dadurch Rechnung getragen werden, dass dem Präsidium bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ein weiter Beurteilungsspielraum zugebilligt werde. Um einen solchen unbestimmten Rechtsbegriff handele es sich bei der Voraussetzung vorübergehender Überlastung der ordentlichen Strafkammer, von der die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer abhänge. Ein durchgreifender Rechtsmangel sei daher erst dann begründet, wenn offen zu Tage liege, dass die Entscheidung über die Bildung der Hilfsstrafkammer und/oder die damit verbundene Zuweisung von Geschäften an diese als objektiv willkürlich zu bewerten sei (vgl. Breidling in Löwe/Rosenberg aaO § 21 e GVG Rdn. 45).
15
b) Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 16. Februar 2005 (NJW 2005, 2689, 2690) ausgeführt, dass es bei der Prüfung, ob in einem bestimmten Verfahren dem grundrechtsgleichen Anspruch des Betroffenen auf Gewährleistung des gesetzlichen Richters genügt worden sei, zwar die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen grundsätzlich nur beanstande, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erschienen und offensichtlich unhaltbar - mithin willkürlich - seien. Jedoch sei dies anders, wenn nicht die fehlerhafte Auslegung oder Anwendung einer Zuständigkeitsregel (etwa eines Geschäftsverteilungsplans oder der Voraussetzungen des § 21 e Abs.
3 GVG) durch das Gericht, sondern die Verfassungsmäßigkeit der Regelung im Geschäftsverteilungsplan, die der Rechtsanwendung zugrunde liege, betroffen sei. An die verfassungsrechtliche Überprüfung der Umverteilung von bereits anhängigen Verfahren durch das Präsidium müsse vielmehr ein Kontrollmaßstab angelegt werden, der über eine reine Willkürprüfung hinausgehe und in den Fällen der nachträglichen Zuständigkeitsänderung jede Rechtswidrigkeit einer solchen durch das Präsidium getroffenen Regelung im Geschäftsverteilungsplan erfasse.
16
c) Es liegt auf der Hand, dass der Maßstab der Fachgerichte bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Änderung der Geschäftsverteilung nach § 21 e Abs. 3 GVG und hier damit derjenige des Senats bei der revisionsrechtlichen Beurteilung der Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a sowie der Umverteilung von Strafverfahren an diese aufgrund der Besetzungsrüge kein abweichender sein kann. Denn ansonsten fände die Überprüfung der Präsidiumsentscheidung nach den verfassungsrechtlich vorgegebenen Beurteilungskriterien erst in einem vom Angeklagten eventuell angestrengten Verfassungsbeschwerdeverfahren statt. An dem eingeschränkten Maßstab einer reinen Willkürprüfung kann daher insoweit nicht festgehalten werden.
17
Dies wirkt jedoch zurück auf die Anforderungen an den Inhalt der Dokumentation eines Präsidiumsbeschlusses über die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die Übertragung (auch) bereits anderweitig anhängiger Sachen auf diese. Der Beschluss muss so detailliert begründet sein, dass eine Prüfung seiner Rechtmäßigkeit nach den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Maßstäben möglich ist (s. näher BVerfG NJW 2005, 2689, 2690 f.).
18
d) Diese Dokumentation muss im erforderlichen Umfang grundsätzlich schon zum Zeitpunkt der Präsidiumsentscheidung vorliegen. Denn sie dient nicht nur der notwendigen Unterrichtung der Präsidiumsmitglieder über die Gründe für die geplante Änderung des Geschäftsverteilungsplans, sondern bildet für diese auch die erforderliche umfassende Entscheidungsgrundlage. Die Ermittlung und Niederlegung aller bedeutsamen Umstände zu diesem Zeitpunkt stellt sicher, dass die Entscheidung des Präsidiums auf dem aktuellen Stand der Belastungssituation der ordentlichen Strafkammer und der übrigen bedeutsamen Umstände beruht. Ferner ist die Dokumentation der Gründe der Umverteilung von Verfahren zu diesem Zeitpunkt am besten geeignet, gegenüber allen Verfahrensbeteiligten dem "Anschein der Willkürlichkeit" entgegenzuwirken. Schließlich können die zur Erhebung des Besetzungseinwands nach § 222 b Abs. 1 StPO Berechtigten nur bei Vorliegen der Änderungsgründe auf tragfähiger sachlicher Grundlage sowie rechtzeitig entscheiden, ob die Besetzung des erkennenden Gerichts ordnungsgemäß ist oder ob es Umstände gibt, die einen Besetzungseinwand rechtfertigen (s. näher unten 4. a)).
19
e) Die Dokumentation der Änderungs- und Umverteilungsgründe muss jedenfalls spätestens in dem Zeitpunkt vorhanden sein, in dem in einer der in die Zuständigkeit der Hilfsstrafkammer fallenden Sachen über einen (zulässig erhobenen) Besetzungseinwand nach § 222 b Abs. 2 StPO sachlich zu entscheiden ist. Unabhängig davon, dass bei Fehlen einer Begründung der Änderung zum Zeitpunkt des Präsidiumsbeschlusses eine verlässliche Rekonstruktion der tatsächlichen Gründe für die Errichtung der Hilfsstrafkammer mit zunehmendem Zeitablauf immer schwieriger wird, ergibt sich dies aus dem Sinn und Zweck der für die erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht und Oberlandesgericht bestehenden Rügepräklusion; denn mit den durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 vom 5. Oktober 1978 (BGBl I S. 1645) einge- führten Präklusionsvorschriften der § 222 b Abs. 1, § 338 Nr. 1 StPO wollte der Gesetzgeber erreichen, dass Besetzungsfehler bereits in einem frühen Verfahrensstadium erkannt und geheilt werden, um zu vermeiden, dass ein möglicherweise mit großem justiziellem Aufwand zustande gekommenes Urteil allein wegen eines derartigen Besetzungsfehlers im Revisionsverfahren aufgehoben und in der Folge die gesamte Hauptverhandlung - mit erheblichen Mehrbelastungen sowohl für die Strafjustiz als auch für den Angeklagten - wiederholt werden muss (vgl. BGH NJW 2003, 2545, 2546 unter Hinweis auf die Begründung des Entwurfs BTDrucks. 8/976 S. 25 ff.). Deshalb wurde ein Zwischenverfahren über die gegen die Besetzung erhobenen Beanstandungen geschaffen, um der Gefahr einer Ausuferung der Besetzungsrügen entgegenzuwirken und sie auf das verfassungsrechtlich gebotene Maß zurückzuführen (vgl. Kissel/Mayer aaO § 16 Rdn. 60; Schlüchter in SK-StPO § 222 b Rdn. 1). Soll dieses Zwischenverfahren effektiv sein und seinen vom Gesetzgeber bestimmten Sinn und Zweck erfüllen, bereits zu Beginn der erstinstanzlichen Hauptverhandlung und nicht erst in der Revisionsinstanz zu klären, ob das erkennende Gericht vorschriftsmäßig besetzt ist, so müssen die Rügeberechtigten, die hinsichtlich des Einwands besonderen Begründungspflichten unterworfen sind, wie auch das nach § 222 b Abs. 2 StPO über den Einwand entscheidende Gericht in der Lage sein, anhand der maßgeblichen Tatsachen zu beurteilen, ob Besetzungsmängel vorhanden sind (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg aaO § 222 b Rdn. 25).
20
All dies erfordert im Falle der Änderung der Geschäftsverteilung wegen Überlastung eines Spruchkörpers im Sinne des § 21 e Abs. 3 StPO, insbesondere bei Umverteilung (auch) bereits anhängiger Verfahren eine Begründung der Anordnung zugleich mit dem maßgeblichen Beschluss des Präsidiums. Etwaige Begründungsmängel können spätestens bis zur Entscheidung über einen erhobenen Besetzungseinwand gemäß § 222 b StPO behoben werden, sofern der zunächst einer umfassenden Begründung ermangelnde Änderungsbeschluss des Präsidiums durch eine ausführliche, alle Gründe für die Umverteilung dokumentierende Begründung in einem ergänzenden Beschluss des Präsidiums bestätigt wird, so dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt einen berechtigten Anlass zu der Annahme hatte, die Gerichtszuständigkeit sei zu seinen Lasten manipuliert worden (vgl. BVerfG, Beschl. vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09).
21
Daran gemessen war die vom Präsidenten des Landgerichts in seinem Schreiben an den Verteidiger vom 8. Februar 2007 vor Beginn der Hauptverhandlung erteilte Auskunft zwar noch rechtzeitig; indes war sie nach ihrem sachlichen Gehalt nicht geeignet, die Prüfung der Änderung der Geschäftsverteilung nachträglich zu ermöglichen. Das Schreiben enthielt lediglich die Behauptung einer - nur innerhalb der Justiz bekannten - Überlastung der Strafkammer 3 zum Zeitpunkt des Präsidiumsbeschlusses, belegte diese jedoch nicht mit Tatsachen. Gleiches gilt für die Mitteilung des Landgerichtspräsidenten , dass er vor der Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a mit dem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden der ordentlichen Strafkammer 3 Gespräche geführt habe, in denen die Überlastung der Kammer nochmals dargelegt und erörtert worden sei. Die erforderliche Dokumentation der Gründe des Präsidiumsbeschlusses wurde somit auch nicht rechtzeitig nachgeholt.
22
4. Aus all dem folgt für die Entscheidung über die Besetzungsrüge:
23
a) Da der Angeklagte mit seinem in der Hauptverhandlung rechtzeitig erhobenen Besetzungseinwand alle Tatsachen vorgebracht hat, die ihm zu den Hintergründen der Errichtung der Hilfsstrafkammer 3 a zugänglich waren, hat er die ihm gemäß § 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO insoweit obliegende Vortragslast erfüllt und ist daher mit der Besetzungsrüge nicht nach § 338 Nr. 1 Buchst. b StPO präkludiert. Weiteres musste er nicht darlegen; insbesondere war er mangels jeder Dokumentation der für die "Anordnung (1/2007)" maßgeblichen Gründe nicht gehalten, seinerseits die Tatsachen vorzutragen, die die Hilfsstrafkammer benötigte, um die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung und damit ihre eigene Zuständigkeit sowie die Berechtigung des Besetzungseinwands inhaltlich prüfen zu können.
24
Das auf den Besetzungseinwand in den erstinstanzlichen Verfahren vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten eröffnete Zwischenverfahren dient dazu, die Prüfung und Beanstandung der Gerichtsbesetzung auf den von § 222 b Abs. 1 Satz 1 StPO beschriebenen Zeitpunkt vorzuverlegen, damit ein Fehler rechtzeitig aufgedeckt und gegebenenfalls geheilt wird. Damit wird auch dem Recht des Angeklagten, sich nur vor seinem gesetzlichen Richter verantworten zu müssen, besser Rechnung getragen, als wenn er darauf verwiesen würde, dieses Recht erst mit der Revision geltend zu machen. Ist jedoch der Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung zur Wahrung der entsprechenden Revisionsrüge zu Beginn der Hauptverhandlung zu erheben, so muss rechtlich und faktisch auch die Möglichkeit zur Prüfung der Besetzung vor der Verhandlung bestehen, da andernfalls die Rechte der Prozessbeteiligten und insbesondere des Angeklagten in nicht hinnehmbarer Weise verkürzt würden. Ihm ist daher - jedenfalls auf sein Verlangen - die insoweit erforderliche Tatsachenkenntnis zu verschaffen, nicht etwa muss er diese Tatsachen selbst ermitteln. Denn aus dem Grundsatz einer rechtsstaatlichen, fairen Verfahrensführung folgt, dass ihm eine effektive Überprüfung der Besetzung ermöglicht werden muss, und dass die Präklusionswirkung des nicht vollständig erhobenen Einwandes für das Revisionsverfahren nur so weit reichen darf, wie diese Möglichkeit gewährt worden ist. Hieraus ergibt sich, dass in den in Betracht kommen- den Fällen eine Pflicht zur Mitteilung der Gerichtsbesetzung und zur Information über die hierfür maßgebenden Gründe besteht sowie ein ausreichend bemessener Zeitraum gewährt werden muss (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs BTDrucks. 8/976 S. 26).
25
Da hier die Gründe, die für die Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a bestimmend waren, nicht dokumentiert worden sind, war es dem Angeklagten unmöglich, die Ordnungsmäßigkeit der Besetzung des erkennenden Gerichts auch nur im Ansatz zu überprüfen. Damit konnte er nicht beurteilen, ob ein Besetzungseinwand berechtigt war oder für seine Erhebung kein Anlass bestand. Demgemäß war er entweder darauf verwiesen, die Wahrung seines Rechts auf den gesetzlichen Richter in der ersten Instanz ungeprüft zu lassen - was die Präklusion seiner erst im Revisionsverfahren geltend gemachten Besetzungsrüge zur Folge gehabt hätte - oder den Besetzungseinwand - wie geschehen - vorsorglich und "ins Blaue hinein" zu erheben. Zwar war er dabei nicht in der Lage, diesen Einwand in der vorgeschriebenen Art und Weise zu begründen; denn hierzu hätte er die Fehlerhaftigkeit der Besetzung substantiiert behaupten, also anhand von Tatsachen schlüssig darlegen (§ 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO), sowie alle Beanstandungen gleichzeitig vorbringen müssen (§ 222 b Abs. 1 Satz 3 StPO; vgl. Gollwitzer aaO § 222 b Rdn. 17, 18; Schlüchter aaO § 222 a Rdn. 1). Dies kann jedoch aus den dargelegten Gründen nicht zu seinen Lasten gehen. Da ihm keine Dokumentation über die Gründe für die Änderung der Geschäftsverteilung zur Verfügung stand, durfte er sich zur Begründung des Besetzungseinwands daher auf die Beanstandung beschränken, dass mangels vorhandener Unterlagen nicht nachzuvollziehen sei, aufgrund welcher Tatsachen das Präsidium die Hilfsstrafkammer eingerichtet hat. Das aus § 222 a Abs. 3 StPO folgende Recht auf Einsicht in die Besetzungsunterlagen änderte hieran nichts, weil es - worauf der Präsident in seinem Schreiben an den Verteidiger hingewiesen hatte - eine Niederlegung der Gründe für die Umverteilung der Geschäfte nicht gab.
26
Demgegenüber kann vom Angeklagten nicht verlangt werden, dass er über die eingeholten Mitteilungen der Justizverwaltung hinaus selbst ermitteln müsse, ob die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die Zuweisung der Geschäfte an diese ordnungsgemäß waren. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - jede Dokumentation zu der entsprechenden Entscheidung des Präsidiums fehlt. Denn dies würde bedeuten, dass dem Angeklagten die Pflicht auferlegt würde, selbst die gesamte Belastungssituation der ordentlichen Strafkammer in allen Einzelheiten zu erforschen und die insoweit maßgeblichen Tatsachen festzustellen. Dies wäre - falls es überhaupt gelingen könnte - mit einem enormen Aufwand verbunden und würde etwa auch die Einsicht in verfahrensfremde Akten sowie alle sonstige interne Unterlagen der als überlastet angesehenen Strafkammer, wie zum Beispiel Verhandlungskalender und Terminierungspläne erfordern. Solch umfangreiche Ermittlungen sind einem Angeklagten - zumal innerhalb der regelmäßig kurzen Zeit zwischen der Mitteilung der Gerichtsbesetzung und dem Beginn der Hauptverhandlung sowie ungeachtet der Frage, ob entsprechende Einsichtsrechte überhaupt bestünden - jedenfalls nicht zuzumuten und in der Regel tatsächlich auch gar nicht möglich. Ob dies anders zu beurteilen ist, wenn eine Begründung der Änderung der Geschäftsverteilung vorliegt und zusätzlich nur wenige einzelne Umstände ermittelt und vorgetragen werden müssen (vgl. BGHSt 44, 161, 163 f.), braucht hier nicht entschieden zu werden.
27
b) Für die aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO folgende Vortragslast des Angeklagten zur Begründung der Besetzungsrüge in der Revision gilt das Entsprechende. Ist eine Dokumentation der Gründe für die Änderung der Ge- schäftsverteilung nicht vorhanden und hat der Angeklagte auf seinen Besetzungseinwand keine weitergehenden Informationen erhalten, so kann er auch die im Revisionsverfahren erhobene (nicht präkludierte) Besetzungsrüge nur ebenso pauschal ausführen, wie seinen Besetzungseinwand. Vom Angeklagten zu verlangen, dass er für das Revisionsverfahren darüber hinaus alle Tatsachen ermitteln (und vortragen) müsse, die eine nicht ordnungsgemäße Besetzung der Hilfsstrafkammer belegen, würde die aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO folgenden Pflichten überspannen (vgl. BVerfG StV 2006, 57; StraFo 2005, 512 m. w. N.; Beschl. vom 10. März 2009 - 2 BvR 49/09).
28
c) Die vom Senat zu den Gründen der Errichtung der Hilfsstrafkammer eingeholten dienstlichen Stellungnahmen des Präsidenten des Landgerichts und des damaligen Vorsitzenden der ordentlichen Strafkammer 3 können nicht herangezogen werden, um die vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts nachträglich zu belegen. Denn aus dem dargelegten Sinn und Zweck der Rügepräklusion nach § 222 b Abs. 1, § 338 Nr. 1 StPO folgt, dass jedenfalls dann, wenn jede Dokumentation der Gründe für die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die Übertragung bereits anderweit anhängiger Verfahren in deren Zuständigkeit unterblieben ist, ein Nachschieben von Gründen nach der Entscheidung über den Besetzungseinwand unbeachtlich ist und insbesondere einer mit der Revision erhobenen Besetzungsrüge nicht mehr den Boden entziehen kann. Vielmehr greift diese ohne weiteres durch. Denn in diesem Fall muss auch der im Revisionsverfahren herrschende Grundsatz zurückstehen, dass nur ein bewiesener Verfahrensmangel zur Aufhebung eines Urteils führen kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 337 Rdn. 10). Hierzu gilt:
29
Im Allgemeinen sind die zu einer Besetzungsrüge vorgebrachten Tatsachenbehauptungen , die nicht durch den Inhalt des Protokolls bewiesen werden können (§ 274 StPO), zwar der Überprüfung durch das Revisionsgericht im Wege des Freibeweises zugänglich (vgl. Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen , 6. Aufl. Rdn. 295 ff., 298). Eine abweichende Beurteilung ist aber dann geboten, wenn im Revisionsverfahren erstmals die auch dem Revisionsführer bisher unbekannten Tatsachen in vollem Umfang ermittelt werden müssten, die für die Beurteilung der Zuständigkeit des erstinstanzlich erkennenden Spruchkörpers maßgeblich sind, und dadurch der Regelungszweck der § 222 b Abs. 1, § 338 Nr. 1 StPO konterkariert würde. Hierfür ist auch von Belang, dass das Revisionsverfahren zur Ermittlung der Hintergründe der regelmäßig schon länger zurückliegenden Präsidiumsentscheidungen denkbar ungeeignet ist, weil eine exakte Aufklärung der entsprechenden Umstände wegen des erheblichen Zeitablaufs kaum geleistet werden kann. Aus diesem Grund könnten die Durchführung des Freibeweisverfahrens und die Heranziehung seiner Erkenntnisse im Übrigen darauf hinauslaufen, dass sich die Nachlässigkeit des Präsidiums im Ergebnis zu Lasten des Beschwerdeführers auswirkt. Denn führten die freibeweislichen Erhebungen nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, so bliebe der gerügte Besetzungsmangel unbewiesen mit der Folge, dass - verfassungsrechtlich unbedenklich - von einer ordnungsgemäßen Besetzung auszugehen wäre (vgl. Meyer-Goßner aaO § 337 Rdn. 12). Danach ist es im vorliegenden Fall letztlich ohne Belang, ob die Besetzung des erkennenden Gerichts tatsächlich nicht vorschriftsmäßig im Sinne von § 338 Nr. 1 StPO war. Der Senat weist daher nur ergänzend darauf hin, dass auch der Inhalt der von ihm eingeholten dienstlichen Erklärungen nach den aufgezeigten Maßstäben die Rechtmäßigkeit der "Anordnung (1/2007)" zur Errichtung der Hilfsstrafkammer und Umverteilung von Strafverfahren nicht belegt.
30
Ob das Freibeweisverfahren in der Revision durchzuführen ist und dadurch erlangte Erkenntnisse heranzuziehen sind, wenn eine vorhandene Dokumentation nur punktuell zu ergänzen ist (vgl. BGHSt 44, 161), kann der Senat wiederum offen lassen.
31
d) Die Sache bedarf somit neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

Verursacht der Täter durch den Raub (§§ 249 und 250) wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen darf die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn

1.
bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in Absatz 2 bezeichnete schwere Straftat begangen, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht, oder durch eine Straftat vorbereitet hat,
2.
die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt und
3.
die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.
Die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation darf auch in der Weise erfolgen, dass mit technischen Mitteln in von dem Betroffenen genutzte informationstechnische Systeme eingegriffen wird, wenn dies notwendig ist, um die Überwachung und Aufzeichnung insbesondere in unverschlüsselter Form zu ermöglichen. Auf dem informationstechnischen System des Betroffenen gespeicherte Inhalte und Umstände der Kommunikation dürfen überwacht und aufgezeichnet werden, wenn sie auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz in verschlüsselter Form hätten überwacht und aufgezeichnet werden können.

(2) Schwere Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 sind:

1.
aus dem Strafgesetzbuch:
a)
Straftaten des Friedensverrats, des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates sowie des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 80a bis 82, 84 bis 86, 87 bis 89a, 89c Absatz 1 bis 4, 94 bis 100a,
b)
Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern nach § 108e,
c)
Straftaten gegen die Landesverteidigung nach den §§ 109d bis 109h,
d)
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung nach § 127 Absatz 3 und 4 sowie den §§ 129 bis 130,
e)
Geld- und Wertzeichenfälschung nach den §§ 146 und 151, jeweils auch in Verbindung mit § 152, sowie nach § 152a Abs. 3 und § 152b Abs. 1 bis 4,
f)
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen der §§ 176, 176c, 176d und, unter den in § 177 Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 genannten Voraussetzungen, des § 177,
g)
Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Inhalte nach § 184b, § 184c Absatz 2,
h)
Mord und Totschlag nach den §§ 211 und 212,
i)
Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232, 232a Absatz 1 bis 5, den §§ 232b, 233 Absatz 2, den §§ 233a, 234, 234a, 239a und 239b,
j)
Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 2, Wohnungseinbruchdiebstahl nach § 244 Absatz 4 und schwerer Bandendiebstahl nach § 244a,
k)
Straftaten des Raubes und der Erpressung nach den §§ 249 bis 255,
l)
gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei und gewerbsmäßige Bandenhehlerei nach den §§ 260 und 260a,
m)
Geldwäsche nach § 261, wenn die Vortat eine der in den Nummern 1 bis 11 genannten schweren Straftaten ist,
n)
Betrug und Computerbetrug unter den in § 263 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 263 Abs. 5, jeweils auch in Verbindung mit § 263a Abs. 2,
o)
Subventionsbetrug unter den in § 264 Abs. 2 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 264 Abs. 3 in Verbindung mit § 263 Abs. 5,
p)
Sportwettbetrug und Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben unter den in § 265e Satz 2 genannten Voraussetzungen,
q)
Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt unter den in § 266a Absatz 4 Satz 2 Nummer 4 genannten Voraussetzungen,
r)
Straftaten der Urkundenfälschung unter den in § 267 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Fall des § 267 Abs. 4, jeweils auch in Verbindung mit § 268 Abs. 5 oder § 269 Abs. 3, sowie nach § 275 Abs. 2 und § 276 Abs. 2,
s)
Bankrott unter den in § 283a Satz 2 genannten Voraussetzungen,
t)
Straftaten gegen den Wettbewerb nach § 298 und, unter den in § 300 Satz 2 genannten Voraussetzungen, nach § 299,
u)
gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c, 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 3, des § 309 Abs. 1 bis 4, des § 310 Abs. 1, der §§ 313, 314, 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3 sowie der §§ 316a und 316c,
v)
Bestechlichkeit und Bestechung nach den §§ 332 und 334,
2.
aus der Abgabenordnung:
a)
Steuerhinterziehung unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Voraussetzungen, sofern der Täter als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach § 370 Absatz 1 verbunden hat, handelt, oder unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen,
b)
gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373,
c)
Steuerhehlerei im Falle des § 374 Abs. 2,
3.
aus dem Anti-Doping-Gesetz:

Straftaten nach § 4 Absatz 4 Nummer 2 Buchstabe b,
4.
aus dem Asylgesetz:
a)
Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Abs. 3,
b)
gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84a,
5.
aus dem Aufenthaltsgesetz:
a)
Einschleusen von Ausländern nach § 96 Abs. 2,
b)
Einschleusen mit Todesfolge und gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97,
5a.
aus dem Ausgangsstoffgesetz:

Straftaten nach § 13 Absatz 3,
6.
aus dem Außenwirtschaftsgesetz:

vorsätzliche Straftaten nach den §§ 17 und 18 des Außenwirtschaftsgesetzes,
7.
aus dem Betäubungsmittelgesetz:
a)
Straftaten nach einer in § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen,
b)
Straftaten nach den §§ 29a, 30 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 sowie den §§ 30a und 30b,
8.
aus dem Grundstoffüberwachungsgesetz:

Straftaten nach § 19 Abs. 1 unter den in § 19 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen,
9.
aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen:
a)
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3 und § 20 Abs. 1 und 2 sowie § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21,
b)
Straftaten nach § 22a Abs. 1 bis 3,
9a.
aus dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz:

Straftaten nach § 4 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe a,
10.
aus dem Völkerstrafgesetzbuch:
a)
Völkermord nach § 6,
b)
Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7,
c)
Kriegsverbrechen nach den §§ 8 bis 12,
d)
Verbrechen der Aggression nach § 13,
11.
aus dem Waffengesetz:
a)
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3,
b)
Straftaten nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Buchstabe c und d sowie Abs. 5 und 6.

(3) Die Anordnung darf sich nur gegen den Beschuldigten oder gegen Personen richten, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass der Beschuldigte ihren Anschluss oder ihr informationstechnisches System benutzt.

(4) Auf Grund der Anordnung einer Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation hat jeder, der Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und ihren im Polizeidienst tätigen Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) diese Maßnahmen zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Ob und in welchem Umfang hierfür Vorkehrungen zu treffen sind, bestimmt sich nach dem Telekommunikationsgesetz und der Telekommunikations-Überwachungsverordnung. § 95 Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) Bei Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 und 3 ist technisch sicherzustellen, dass

1.
ausschließlich überwacht und aufgezeichnet werden können:
a)
die laufende Telekommunikation (Absatz 1 Satz 2), oder
b)
Inhalte und Umstände der Kommunikation, die ab dem Zeitpunkt der Anordnung nach § 100e Absatz 1 auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz hätten überwacht und aufgezeichnet werden können (Absatz 1 Satz 3),
2.
an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unerlässlich sind, und
3.
die vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, automatisiert rückgängig gemacht werden.
Das eingesetzte Mittel ist nach dem Stand der Technik gegen unbefugte Nutzung zu schützen. Kopierte Daten sind nach dem Stand der Technik gegen Veränderung, unbefugte Löschung und unbefugte Kenntnisnahme zu schützen.

(6) Bei jedem Einsatz des technischen Mittels sind zu protokollieren

1.
die Bezeichnung des technischen Mittels und der Zeitpunkt seines Einsatzes,
2.
die Angaben zur Identifizierung des informationstechnischen Systems und die daran vorgenommenen nicht nur flüchtigen Veränderungen,
3.
die Angaben, die die Feststellung der erhobenen Daten ermöglichen, und
4.
die Organisationseinheit, die die Maßnahme durchführt.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus bei „Spielsucht“.
BGH, Urteil vom 6. März 2013 – 5 StR 597/12
LG Göttingen –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 6. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlungen
vom 19. Februar 2013 und vom 6. März 2013, an der teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
am 6. März 2013 für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 5. September 2012 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung und wegen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer hierauf beschränkten und auf die Sachrüge gestützten Revision gegen die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB. Das Rechtsmittel ist unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der 37-jährige Angeklagte an einer extremen Form pathologischen Spielens (ICD 10: F63.0), beruhend auf einer mittelgradigen kombinierten Persönlichkeitsstörung mit selbstunsicheren, depressiven und narzisstischen Zügen. Er begann im Alter von 16 Jahren zu spielen, wendete bald sein ganzes Lehrgeld dafür auf und bestahl Vater und Bruder. Seit dem Alter von 18 Jahren unternahm er immer wieder „Spieltouren“ durch das Bundesgebiet, übernachtete dabei in seinem Auto und verspielte ganztägig in Spielhallen sein Geld. Eine der „Touren“ führte zu seiner Entlassung aus der Bundeswehr wegen Fahnenflucht.
3
Der Angeklagte ist bereits mehrfach wegen Vermögens- und Eigentumsdelikten vorbestraft. Im Januar 2004 verübte er binnen kurzer Zeit zwei Raubüberfälle auf Spielotheken, nachdem ihm auf einer im Oktober 2003 angetretenen „Spieltour“ das Geld ausgegangen war. Er wurde zunächst nicht als Täter ermittelt. Getrieben von schlechtem Gewissen stellte er sich jedoch 2007 freiwillig der Polizei; er wurde wegen der Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Bereits im damaligen Urteil wurde eine Unterbringung nach § 63 StGB geprüft, jedoch mangels Wiederholungsgefahr verneint, weil sich der Angeklagte vier Jahre lang straffrei geführt hatte.
4
In mehreren Therapien, u.a. während der Haftzeit, konnte der Angeklagte seine Sucht nicht überwinden. Noch vor Beendigung seiner letzten stationären Therapie wurde er rückfällig, weshalb er im Februar 2012 aus der Behandlung entlassen wurde.
5
2. Auch die verfahrensgegenständlichen Taten stehen in Zusammenhang mit der Spielsucht des Angeklagten. Nachdem ihm eine Verlängerung der Therapie versagt worden war, brach er abermals zu einer „Spieltour“ auf. Hierfür verschaffte er sich am 16. März 2012 betrügerisch ein Auto (Tat 1) und beging noch am selben Tag einen Tankbetrug (Tat 2). Binnen kurzer Zeit hatte er sein Geld verspielt. Am 18. März 2012 litt er unter „extremen Entzugserscheinungen“ (UA S. 22). Er „verspürte den immer stärker werdenden Drang, sich Geld zur Befriedigung seines Spieldrucks zu besorgen“ (UA S. 13), und überfiel deshalb unter Verwendung einer Spielzeugpistole eine Spielothek (Tat 3). Die erbeuteten 1.250 € verspielte er. Nach einem weite- ren Tankbetrug am 4. April 2012 (Tat 4) stellte er sich der Polizei.
6
Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten bei dem Überfall auf die Spielothek sicher und bei den übrigen Taten nicht ausschließbar erheblich vermindert war (§ 21 StGB). Es hat die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus trotzdem abgelehnt, weil die Spielsucht des Angeklagten nur auf einer nicht den Schweregrad einer anderen seelischen Abartigkeit erreichenden kombinierten Persönlichkeitsstörung beruhe.
7
3. Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus ist im Ergebnis rechtsfehlerfrei.
8
Voraussetzung für die Unterbringung gemäß § 63 StGB ist, dass der Täter eine rechtswidrige Tat im gesicherten Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen hat (nachfolgend unter a), der durch einen länger dauernden und nicht nur vorübergehenden geistigen Defekt hervorgerufen worden sein muss (nachfolgend unter b).
9
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt Spielsucht zwar für sich genommen keine krankhafte seelische Störung oder schwere andere seelische Abartigkeit dar, welche die Schuldfähigkeit erheblich einschränken oder ausschließen kann (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 5 StR 411/04, BGHSt 49, 365, 369 ff.; Beschlüsse vom 24. Januar 1991 – 4 StR 580/90, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 17, und vom 9. Oktober 2012 – 2 StR 297/12, NJW 2013, 181, 182; kritisch hierzu Kellermann , StV 2005, 287). Indes können in schweren Fällen psychische Defekte und Persönlichkeitsveränderungen auftreten, die eine ähnliche Struktur und Schwere wie bei den stoffgebundenen Suchterkrankungen aufweisen, und es kann zu schweren Entzugserscheinungen kommen (vgl. Schöch in Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Band 1, 2007, S. 92, 128; Leygraf in Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Band 2, 2010, S. 514, 523; Nedopil /Müller, Forensische Psychiatrie, 4. Aufl., S. 240).
10
Wie bei der Substanzabhängigkeit (vgl. BGH, Urteile vom 5. Mai 1999 – 2 StR 529/98, NStZ 1999, 448, 449, vom 19. September 2000 – 1 StR 310/00, und vom 7. November 2000 – 5 StR 326/00, NStZ 2001, 83 und 85; vgl. MünchKomm StGB/van Gemmeren, 2. Aufl., § 63 Rn. 24) kann deshalb auch bei Spielsucht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit angenommen werden, wenn diese zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt oder der Täter bei den Beschaffungstaten unter starken Entzugserscheinungen gelitten hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. November 1988 – 1 StR 544/88, BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 8, vom 22. Juli 2003 – 4 StR 199/03, NStZ 2004, 31, 32, und vom 9. Oktober 2012 – 2 StR 297/12, aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 5 StR 411/04, BGHSt 49, 365, 370 f.).
11
Das Landgericht geht auf der Grundlage dieser Rechtsprechung rechtsfehlerfrei davon aus, dass die gravierenden Entzugserscheinungen des Angeklagten zumindest im Fall II.3 sicher zu einer erheblichen Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit führten. Der „intensive, kaum kontrollierbare Drang zum Glücksspiel“ (UA S. 21) habe bei ihm einen erheblichen Motivationsdruck zur Begehung des Raubüberfalls ausgelöst und den spontanen Tatentschluss unter bewusster Eingehung eines erheblichen Entdeckungsrisikos begründet (Videoüberwachung der Spielhalle, Fingerabdrücke und Lichtbild des Angeklagten waren der Polizei bekannt).
12
b) Die sich schubweise in schweren Entzugserscheinungen äußernde Spielsucht des Angeklagten vermag dessen Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus gleichwohl nicht zu begründen.
13
aa) In Fällen stoffgebundener Süchte, in denen erst eine (vorübergehende ) Alkohol- oder Drogenintoxikation zu einer rechtlich erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit führt, ist eine Unterbringung nach § 63 StGB nach der Rechtsprechung nur ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn eine krankhafte Alkohol- oder Drogensucht im Sinne der Überempfindlichkeit gegeben ist oder der Betroffene aufgrund eines von der Drogensucht unterscheidbaren psychischen Defekts alkohol- oder drogensüchtig ist, der in seinem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB gleichsteht (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 1999 – 2 StR 430/98, BGHSt 44, 338, 339; Beschlüsse vom 23. November 1999 – 4 StR 486/99, StV 2001, 677, vom 21. November 2001 – 3 StR 423/01, NStZ 2002, 197, vom 24. Juni 2004 – 4 StR 210/04, NStZ-RR 2004, 331, 332, und vom 22. März 2007 – 4 StR 56/07). Demgemäß sind eine Neigung zum Alkoholmissbrauch (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 1983 – 5 StR 401/83), eine Alkoholabhängigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 4 StR 530/06, BGHR StGB § 63 Zustand 38) und selbst chronischer Alko- holismus als Folge jahrelangen Alkoholmissbrauchs (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 1999 – 2 StR 430/98, aaO, S. 341 mwN) für sich allein nicht als hinreichende Gründe für eine Unterbringung nach § 63 StGB anerkannt worden. Nicht anders wird bei einer Abhängigkeit von illegalen Drogen entschieden , bei der die Schuldfähigkeit aufgrund vorübergehender starker Entzugserscheinungen erheblich vermindert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2001 – 3 StR 423/01, aaO).
14
bb) Die Voraussetzungen für die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus können auch aus Gründen der verfassungsrechtlich verankerten Verhältnismäßigkeit nicht weniger streng sein als bei stoffgebundenen Süchten. Die unbefristete Unterbringung gemäß § 63 StGB stellt einen überaus gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen dar. Das gilt hier umso mehr, als der Maßregelvollzug nach § 63 StGB auf die Behandlung Spielsüchtiger ersichtlich nicht ausgerichtet ist. Demgemäß wäre zu besorgen , dass der nicht oder nicht genügend behandelte Betroffene im Fall fortbestehender Gefährlichkeit lange Zeit im Maßregelvollzug untergebracht bliebe.
15
Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Rechtsprechung zur Rauschmittelabhängigkeit auch vor dem Hintergrund steht, dass für rausch- mittelabhängige Täter die befristete und damit weniger beschwerende Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB zur Verfügung steht (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 1999 – 2 StR 430/98, aaO), die in Fällen der Spielsucht nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 5 StR 411/04, aaO). Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass die Schwelle zur Unterbringung Spielsüchtiger im psychiatrischen Krankenhaus niedriger als dort angesetzt wird. Eine durch die Nichtanwendbarkeit des § 64 StGB unter Umständen begründete „Schutzlücke“ hat der Gesetzgeber in Kauf ge- nommen. Auch im Zuge der Novellierung des Rechts der psychiatrischen Maßregeln durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I 1327) wurde die Erweiterung der Unterbringung nach § 64 StGB auf Spielsüchtige nicht erwogen; das Gesetz sollte vielmehr vor dem Hintergrund wachsenden Belegungsdrucks im Maßregelvollzug zu einer „zielgerichteteren Nutzung seiner Kapazitäten“ beitragen (BT-Drucks. 16/1110, S. 1). Im Übrigen könnte eine angenommene Schutzlücke die Unterbringung des „nur“ Spielsüchtigen im psychiatrischen Krankenhaus ebenso wenig gebieten wie des die Voraussetzungen des § 64 StGB nicht (mehr) erfüllenden „nur“ Rauschmittelabhängigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Mai 1983 – 5 StR 182/83, NStZ 1983, 429, und vom 23. November 1999 – 4StR 486/99, aaO), der nach geltender Rechtslage aus den angeführten Gründen regelmäßig in den Strafvollzug überwiesen wird. Hinzu kommt, dass der Strafvollzug versucht, dem Problem etwa durch Einrichtung von Therapiegruppen gerecht zu werden. Dem entspricht, dass sich auch der Angeklagte nach dem Vortrag seines Verteidigers bereits in einer solchen Therapiegruppe befindet.
16
cc) Nach den vorgenannten Grundsätzen käme die Unterbringung des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus damit nur noch in Betracht, wenn sich dessen Abhängigkeit bereits in schwersten Persönlichkeitsveränderungen manifestiert hätte. Davon ist nach den Feststellungen jedoch nicht auszugehen. Der Sachverständige, dem das Landgericht folgt, gelangt ledig- lich zu der Diagnose einer mittelgradigen kombinierten Persönlichkeitsstörung , die zum Suchtverhalten des Angeklagten geführt habe, „wenn auch mittlerweile beide Störungen sich gegenseitig bedingen“ (UA S. 29). Auch der in den Urteilsgründen dargestellte Lebensweg des noch im Wesentlichen sozial eingeordneten Angeklagten lässt einen derartigen Persönlichkeitsverfall nicht erkennen.
Basdorf Sander Schneider Dölp König

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

5 StR 411/13

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 23. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Oktober 2013

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10. April 2013 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit es ihn betrifft.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 54 Fällen sowie wegen Untreue schuldig gesprochen, (zäsurbedingt) zwei Gesamtfreiheitsstrafen verhängt, ein Berufsverbot (§ 70 StGB) angeordnet und ihn zu Zahlungen an fünf Adhäsionskläger verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Die Revision macht zu Recht geltend, § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO sei verletzt worden.
3
a) Sie trägt in zulässiger Weise (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) folgendes Prozessgeschehen vor: Noch im Zwischenverfahren kam es zu einem „Vorgespräch über die Möglichkeiten einer Verfahrensverständigung“, an dem die drei Berufsrichter, die Staatsanwaltschaft sowie die Verteidigung teilnahmen. Dabei stellte die Kammer „für den Fall vollgeständiger Angaben“ bestimmte Strafunter- und Strafobergrenzen in Aussicht. Da dem unterbreiteten Vorschlag nur die Staatsanwaltschaft zustimmte, kam eine Verständigung nicht zustande. In der Hauptverhandlung teilte die Vorsitzende lediglich mit, „dass Vorgespräche … stattgefunden und … bis dato zu keiner Verständigung geführt hätten“, jedoch keinerlei Einzelheiten dieser Gespräche.
4
b) Damit ist der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht in hinreichendem Umfang entsprochen worden. Denn die Bestimmung verlangt , dass in der Hauptverhandlung über den wesentlichen Inhalt erfolgter Erörterungen zu informieren ist. Hierzu hätten aber vorliegend jedenfalls der Verständigungsvorschlag der Kammer und die zu diesem abgegebenen Erklärungen der übrigen Verfahrensbeteiligten gehört.
5
Angesichts dessen kann der Senat offen lassen, ob er den – nach An- sicht des Revisionsführers „freilich revisionsverfahrensrechtlich fremdelnden“ – Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts folgen könnte, nach denen auch mitzuteilen sei, „welche Standpunkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern vertreten wurden“ und „von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde“ (BVerfG, NJW 2013, 1058, 1065; siehe auch BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 195/12, NJW 2013, 3046; BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 287/10, BGHR StPO § 257c Abs. 1 Erörterungen 1 – außerhalb der Hauptverhandlung). Insofern hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 29. August 2013 überzeugend dargelegt, der von § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO abweichende Wortlaut des § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO spreche dafür, dass über den Ablauf diesbezüglicher Gespräche nur bei zustande gekommener Verständigung zu informieren ist.
6
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht (vgl. BVerfG, aaO, 1067).
7
2. Er bemerkt im Übrigen, dass die materiell-rechtliche Prüfung des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Auf der Basis der bisherigen Feststellungen teilt der Senat ins- besondere nicht die von der Revision gegen die Bewertung der Konkurrenzen und die Bildung der Gesamtstrafen vorgebrachten Bedenken.
Basdorf Sander Schneider Berger Bellay