Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Jan. 2012 - 3 StR 285/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Die auf eine Verfahrensrüge sowie sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
- 2
- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts gründete der Angeklagte im Jahr 2002 in den Vereinigten Staaten die C. Inc. zum Zweck des Erwerbs und des Betriebs von Störzuchtanlagen sowie der Produktion und Vermarktung von Kaviar. Die Gesellschaft hatte eine Zweigniederlassung in D. sowie als jeweils 100%ige Tochtergesellschaften die C. Manufaktur GmbH und die C. Verwaltung GmbH. Sämtliche die Unternehmensgruppe betreffende Entscheidungen fällte der Angeklagte faktisch alleine. Von der Zweigniederlassung aus ließ er durch Telefonverkäufer vorbörsliche Aktien der Gesellschaft vertreiben. Bis Ende April 2005 flossen der C. Inc. aus dem Aktienverkauf über 30 Mio. € zu. Die Erzeugung von Kaviar und Produkten aus Störfleisch entwickelte sich hingegen nicht zufriedenstellend. Ende 2005 / Anfang 2006 benötigte die C. Gruppe dringend neue finanzielle Mittel. In Kenntnis der katastrophalen finanziellen und wirtschaftlichen Lage der Gruppe entschloss sich der Angeklagte, ab Januar 2006 erneut vorbörsliche, letztlich wertlose Aktien der C. Inc. vertreiben zu lassen, um die Fortsetzung des Betriebs zu ermöglichen und sein aus ihm fließendes hohes Einkommen zu sichern. Hierzu setzte der Angeklagte erneut Telefonverkäufer ein. Diese wandten sich auf seine Weisung hin ausschließlich an Altanleger und machten u.a. die früheren Verkaufsprospekte aus den Jahren 2002 bis 2004 zur Grundlage der Verkaufsgespräche. Dem Angeklagten war bewusst, dass die in den Emissionsprospekten genannten Prognosen und Planzahlen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zutrafen. Außerdem veranlasste der Angeklagte ab Mai 2006 die Herausgabe von Informationsbriefen, in denen er die "desolate wirtschaftliche und finanzielle Lage" der Firmengruppe verschwieg und stattdessen "euphorische Szenarien entwickelte". Im Vertrauen auf die Angaben der Telefonverkäufer und der schriftlichen Unterlagen kauften daraufhin von Januar 2006 bis Mai 2008 insgesamt 662 deutsche Anleger für 13.481.593 € Aktien der C. Inc..Ende 2009 wurde über das Vermögen der C. Verwaltung GmbH sowie der C. Manufaktur GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
- 3
- 2. Das Urteil hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil die Feststellung des Landgerichts, die Anleger hätten die Aktien aufgrund einer Täuschung erworben, durch die Beweiswürdigung nicht belegt ist. Auf die Verfahrensrüge kommt es deshalb nicht an.
- 4
- Nach § 267 Abs. 1 StPO müssen die Urteilsgründe zwar lediglich die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und ggf. die beweiserheblichen Indiztatsachen benennen; der Tatrichter hat indes aus sachlichrechtlichen Gründen auch die seiner Überzeugung zugrundeliegende Beweiswürdigung in den Urteilsgründen darzustellen, um dem Revisionsgericht die Nachprüfung der Entscheidung auf Rechtsfehler zu ermöglichen (vgl. KK/Engelhardt, StPO, 6. Aufl., § 267 Rn. 12 mwN). Hieran fehlt es vorliegend.
- 5
- Das Landgericht hat in einer 103seitigen Tabelle die 662 Geschädigten sowie die Daten und Summen der jeweiligen Aktienkäufe (einzelne Geschädigte erwarben mehrfach Aktien) aufgeführt. Seine Überzeugung hat es auf das "glaubhafte Geständnis" des Angeklagten gestützt (UA S. 149), das es durch die weitere Beweisaufnahme als "bestätigt und ergänzt" angesehen hat (UA S. 151). Diese weitere Beweisaufnahme hat sich zum einen auf die dominante Stellung des Angeklagten in der Firmengruppe, deren desolate finanzielle Situation ab Anfang 2006 und die Vorgaben des Angeklagten zum Aktienvertrieb erstreckt; zum anderen hat die ermittelnde Polizeibeamtin bekundet, sie habe die "Zahl der Anleger und die Summe der von ihnen geleisteten Zahlungen", die Gegenstand der Anklage geworden und vom Angeklagten glaubhaft gestanden waren, zusammengestellt.
- 6
- Damit bleibt offen, auf welche Weise sich das Landgericht die Überzeugung davon verschafft hat, dass die 662 Geschädigten zu ihren Aktienkäufen jeweils durch einen dem Angeklagten zuzurechnenden, täuschungsbedingten Irrtum über Tatsachen veranlasst worden sind. Der Angeklagte konnte nur seine Intention gestehen, die Anleger durch seine Telefonverkäufer mittels falscher Angaben über die wirtschaftliche Situation und Entwicklung der Firmengruppe zum Kauf von Aktien verleiten zu lassen. Wie sich die einzelnen Verkaufsgespräche abgespielt und aufgrund welcher (Fehl)Vorstellungen die Anleger , die schon mehrere Jahre zuvor in entsprechende Aktien investiert hatten, ohne dass es zwischenzeitlich zum Börsengang gekommen war, letztlich ihren neuerlichen Kaufentschluss gefasst haben, hätte der Angeklagte nur bekunden können, wenn ihm die unmittelbar Beteiligten darüber etwas berichtet hätten. Hierzu ist indes nichts festgestellt, solches liegt auch nicht nahe. Nach den Urteilsgründen hat das Landgericht weder einen Telefonverkäufer noch einen der Geschädigten über die Anbahnung und den Abschluss eines Aktienkaufs vernommen. Es erscheint angesichts der festgestellten Bemühungen des Angeklagten zwar durchaus naheliegend, dass Anleger den Kaufentschluss täuschungsbedingt gefasst haben; indes sind auch andere Motivationen denkbar. Die Annahme, es habe sich jeweils um Aktienkäufe aufgrund einer vom Angeklagten initiierten Täuschung der Anleger gehandelt, erweist sich damit letztlich als unbelegte Vermutung.
- 7
- An dieser Beurteilung ändert der Umstand, dass dem Urteil eine Verständigung zugrunde gelegen hat, nichts. Die Möglichkeit des Gerichts, sich mit den Verfahrensbeteiligten über das Ergebnis des Verfahrens zu verständigen (§ 257c Abs. 1 Satz 1 StPO), berührt die gerichtliche Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Ermittlung der Wahrheit nicht (§ 257c Abs. 1 Satz 2 StPO). Die Bereitschaft eines Angeklagten, wegen eines bestimmten Sachverhalts eine Strafe hinzunehmen, die das gerichtlich zugesagte Höchstmaß nicht überschreitet, entbindet nicht von dieser Pflicht. Nur ein Sachverhalt, der auf einer Überzeugungsbildung des Gerichts unter vollständiger Ausschöpfung des Beweismaterials beruht, kann die Grundlage einer Verurteilung bilden (BGH, Beschluss vom 22. September 2011 - 2 StR 383/11, NStZ-RR 2012, 52 mwN). Dies gilt auch für die Darlegung der der Überzeugungsbildung zugrundeliegenden Beweiswürdigung in den Urteilsgründen. Es gibt angesichts des klaren Wortlauts des Gesetzes und der Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drucks. 16/12310 S.13) keinen Anlass, die diesbezüglichen Maßstäbe für den Fall einer Verständigung zu relativieren.
- 8
- 3. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Es wird sich empfehlen, den Verhandlungsstoff auf die gravierendsten Anklagevorwürfe zu beschränken (§ 154a Abs. 2 StPO), und diese mit der gebotenen Sorgfalt aufzuklären. Im Falle des Tatnachweises ist eine Strafe in der im angefochtenen Urteil festgesetzten Höhe durchaus auch dann vertretbar, wenn sich der Schuldspruch auf diese Vorwürfe beschränkt. Einer Erstreckung der Verurteilung auf die - eventuellen - Taten zum Nachteil aller 662 Anleger bedarf es hierzu nicht.
moreResultsText
Annotations
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.
(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.
(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,
- 1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder - 2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.
(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.