Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juli 2012 - 1 StR 238/12

bei uns veröffentlicht am27.07.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 238/12
vom
27. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juli 2012 gemäß § 154a
Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichtes Darmstadt vom 8. November 2011 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Er hat die Kosten der Wiedereinsetzung zu tragen. Damit ist der Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom 12. März 2012, mit dem seine Revision als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird
a) das vorbezeichnete Urteil in den Fällen 103, 120, 219, 226, 349, 360, 362, 363, 370, 376, 377, 386, 414 und 415 der Urteilsgründe aufgehoben, die hierfür verhängten Einzelstrafen entfallen;
b) in den Fällen 462, 463 und 465 der Urteilsgründe die Verfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Vorwurf des Missbrauchs von Berufsbezeichnungen gemäß § 132a Abs. 1 Nr. 2 StGB beschränkt und auf Einzelstrafen von jeweils einem Monat erkannt;
c) das vorbezeichnete Urteil im Schuldspruch dahin geändert , dass der Angeklagte schuldig ist - in 420 Fällen der Fälschung beweiserheblicher Daten, - in vier Fällen der Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung, - in zwölf Fällen der versuchten Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung, - in zwölf Fällen der Urkundenfälschung, davon in einem Fall in Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren, - in drei Fällen des Missbrauchs von Berufsbezeichnungen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Fälschung beweiserheblicher Daten in 434 Fällen, Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung in vier Fällen, versuchter Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung in zwölf Fällen, Urkundenfälschung in zwölf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren, sowie wegen drei- er Fälle der Urkundenunterdrückung in Tateinheit mit „Missbrauch von Titeln“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
2
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner zunächst unbeschränkten und auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, die er hinsichtlich der Fälle 1 und 464 der Urteilsgründe wirksam zurückgenommen hat. Im verbleibenden Umfang hat sie lediglich den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.

I.


3
Dem Angeklagten ist gegen die von ihm erkennbar nicht verschuldete Versäumung der Frist zur Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 44 Satz 1 StPO).
4
Die Zustellung des angefochtenen Urteils an die Wahlverteidigerin ist erst am 6. Februar 2012 verfügt und sodann bewirkt worden (Band XIII, Bl. 3010 Rücks.), mithin nach Ablauf der durch wirksame Zustellung an den Pflichtverteidiger am 5. Januar 2012 (Band XIII. Bl. 2986) in Gang gesetzten Revisionsbegründungsfrist, und konnte daher eine neue Frist nicht in Gang setzen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2008 - 1 StR 436/08, StraFo 2008, 509). Die zuvor erfolgte formlose Übersendung von Kopien des Urteils und des Protokolls (Bd. XIII, Bl. 3006 Rücks.) ist keine Zustellung, die gemäß § 37 Abs. 2 StPO (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30. August 1990 - 3 StR 459/87, BGHR StPO § 345 Abs. 1 Fristbeginn 4) die Revisionsbegründungsfrist hätte verlängern können.

II.


5
Die Revision des Angeklagten führt in drei Fällen zu einer Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO und hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten (§ 349 Abs. 2 StPO) ergeben. Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
6
1. In den Fällen 462, 463 und 465 beschränkt der Senat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 StPO die Strafverfolgung aus prozessökonomischen Gründen auf den Vorwurf des Missbrauchs von Berufsbezeichnungen gemäß § 132a Abs. 1 Nr. 2 StGB.
7
a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen erreichte der Angeklagte, der zu keiner Zeit über eine Zulassung als Rechtsanwalt verfügte, in zwei Fällen unter Verwendung eines von ihm gefälschten Anwaltsschreibens (Fälle 462 und 463 [„ebenfalls“- UA S. 22] der Urteilsgründe), dass ihm Akten zu zwei ihn selbst betreffenden Ermittlungsverfahren (u.a. wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung) ausgehändigt wurden. In einem weiteren Fall wurde ihm aufgrund persönlicher Vorsprache beim Amtsgericht, bei der er sich als Rechtsanwalt ausgab, die Akte zu einem ihn betreffenden Bußgeldverfahren überlassen (Fall 465 der Urteilsgründe). Der Angeklagte gab keine dieser Akten zurück, sie wurden Gericht und Staatsanwaltschaft „auf Dauer entzogen“.
8
Zutreffend hat das Landgericht dies jeweils als ein Vergehen des Missbrauchs von Berufsbezeichnungen gemäß § 132a Abs. 1 Nr. 2 StGB gewertet. Ob sich der Angeklagte wegen dieses Sachverhalts darüber hinaus schon deswegen der Urkundenunterdrückung (§ 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB) strafbar gemacht hat, weil (entgegen BGH, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 4 StR 164/10, NStZRR 2011, 276 mwN) die Absicht der Vereitelung des staatlichen Strafanspruchs von dieser Vorschrift erfasst ist (vgl. mit beachtlichen Argumenten bereits Schneider NStZ 1993, 16, 18 f.; auch Puppe in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 3. Aufl., § 274 Rn. 12 ff.), bedarf mit Blick auf die Verfahrensbeschränkung ebenso wenig einer abschließenden Entscheidung wie die Frage, ob das Verhalten des Angeklagten in diesen Fällen auch einen Verwahrungsbruch (§ 133 StGB) darstellt, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausführt (vgl. aber Ostendorf in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 3. Aufl., § 133 Rn. 14).
9
b) Der Senat setzt - in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts - die Einzelstrafen in den genannten Fällen gemäß § 354 Abs. 1 StPO auf die Mindestfreiheitsstrafe von einem Monat fest. Angesichts der mehr als vierhundert weiteren von der Strafkammer verhängten Einzelfreiheitsstrafen ist auszuschließen, dass die Strafkammer eine Geldstrafe verhängt hätte.
10
2. Die Feststellungen zu den Fällen 2 bis 434 der Urteilsgründe - der Angeklagte übermittelte jeweils selbst erstellte elektronische Lohnsteuerbescheinigungen für von ihm erfundene Personen mit fiktiven Arbeitsverhältnissen und fiktiven Lohnsteuerzahlungen an Finanzämter - belegen im Hinblick auf Doppelund Dreifachnennungen der angeblichen Aussteller in den Urteilsgründen insgesamt nur 420 Fälle der Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB).
11
Die hierdurch erforderliche Korrektur des Schuldspruchs zieht den Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen 103, 120, 219, 226, 349, 360, 362, 363, 370, 376, 377, 386, 414 und 415 der Urteilsgründe nach sich.
12
3. Nach den Feststellungen des Landgerichts zu den Fällen 436 bis 451 der Urteilsgründe gab der Angeklagte für die vorgeblichen Arbeitnehmer (s.o. 2.) zunächst auf elektronischem Weg (ELSTER) und jeweils wenige Tage später in Papierform eine Einkommensteuererklärung ab. In vier Fällen erreichte er so aufgrund der Anrechnung vermeintlich abgeführter Lohnsteuer ungerechtfertigte Auszahlungen an sich, in zwölf weiteren Fällen kam es wegen entdeckter Unstimmigkeiten in den Steuererklärungen zu keiner Auszahlung.
13
Zutreffend hat das Landgericht dies jeweils als Steuerhinterziehung bzw. versuchte Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung gewertet. Soweit es den Angeklagten in diesen Fällen nicht auch wegen Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB) verurteilt hat, ist er jedenfalls nicht beschwert (zu den Konkurrenzen vgl. einerseits Kühl in Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 269 Rn. 12; Cramer/Heine in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 269 Rn. 25; Hilgendorf in Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 269 Rn. 12; andererseits Zieschang in LK-StGB, 12. Aufl., § 269 Rn. 29 ff.; Puppe in Kindhäuser /Neumann/Paeffgen, StGB, 3. Aufl., § 269 Rn. 39 ff.; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 269 Rn. 12; ausführlich auch Radtke, ZStW 115 [2003], 26 ff.); der Senat sieht insoweit von der vom Generalbundesanwalt beantragten Schuldspruchänderung ab.
14
4. Der Wegfall und die Herabsetzung von Einzelstrafen lässt die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe unberührt. Der Senat schließt angesichts der verbleibenden Vielzahl von Einzelstrafen und deren Höhe (vier Einzelfreiheitsstrafen von je einem Jahr und zwei Monaten, 442 Einzelfreiheitsstrafen von je acht Monaten, zwei Einzelfreiheitsstrafen von je sechs Monaten und drei Einzelfreiheitsstrafen von - nunmehr - je einem Monat) aus, dass das Landgericht auf eine noch mildere Gesamtfreiheitsstrafe als eine solche von zwei Jahren und neun Monaten erkannt hätte.
VRiBGH Nack kann wegen Urlaubs nicht unterschreiben. Hebenstreit Hebenstreit Graf Jäger Cirener

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer unbefugt

1.
inländische oder ausländische Amts- oder Dienstbezeichnungen, akademische Grade, Titel oder öffentliche Würden führt,
2.
die Berufsbezeichnung Arzt, Zahnarzt, Psychologischer Psychotherapeut, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Psychotherapeut, Tierarzt, Apotheker, Rechtsanwalt, Patentanwalt, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer, Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter führt,
3.
die Bezeichnung öffentlich bestellter Sachverständiger führt oder
4.
inländische oder ausländische Uniformen, Amtskleidungen oder Amtsabzeichen trägt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Den in Absatz 1 genannten Bezeichnungen, akademischen Graden, Titeln, Würden, Uniformen, Amtskleidungen oder Amtsabzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Amtsbezeichnungen, Titel, Würden, Amtskleidungen und Amtsabzeichen der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Nr. 4, allein oder in Verbindung mit Absatz 2 oder 3, bezieht, können eingezogen werden.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 436/08
vom
17. September 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchdiebstahls u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. September 2008 gemäß § 346
Abs. 2 StPO beschlossen:
Der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 8. Juli 2008, mit dem die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 14. April 2008 als unzulässig verworfen worden ist, wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Beschluss des Landgerichts ist unbegründet.
2
Das Vorbringen der Verteidigerin M. , die Frist zur Begründung der Revision sei ihr gegenüber deswegen nicht in Gang gesetzt worden, weil ihr das Urteil neben dem Pflichtverteidiger nicht auch zugestellt worden sei, greift nicht durch. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht annahm, dass bei mehrfacher Verteidigung die förmliche Zustellung des Urteils an einen der Verteidiger genüge (BVerfG Beschl. vom 20. März 2001 - 2 BvR 2058/00). Wie bereits der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 1. August 2008 ausgeführt hat, ist im Übrigen das Urteil nicht nur dem Pflichtverteidiger zugestellt, sondern auch dem Wahlverteidiger Rechtsanwalt O. , in dessen Untervollmacht Rechtsanwältin M. in der Hauptverhandlung aufgetreten war, unter Übersendung einer Urteilsausfertigung entsprechend § 145a Abs. 3 StPO mitgeteilt worden. Eine weitergehende Verpflichtung zur Übersendung auch gegenüber Rechtsanwältin M. traf das Landgericht schon deswegen nicht, weil die Einlegung der Revision durch Rechtsanwältin M. ebenfalls mit dem Briefkopf des Wahlverteidigers Rechtsanwalt O. erklärt worden war.
Nack Kolz Hebenstreit Graf Sander

(1) Für das Verfahren bei Zustellungen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Wird die für einen Beteiligten bestimmte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte bewirkt, so richtet sich die Berechnung einer Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung.

(3) Ist einem Prozessbeteiligten gemäß § 187 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes eine Übersetzung des Urteils zur Verfügung zu stellen, so ist das Urteil zusammen mit der Übersetzung zuzustellen. Die Zustellung an die übrigen Prozessbeteiligten erfolgt in diesen Fällen gleichzeitig mit der Zustellung nach Satz 1.

(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

(1) Wer unbefugt

1.
inländische oder ausländische Amts- oder Dienstbezeichnungen, akademische Grade, Titel oder öffentliche Würden führt,
2.
die Berufsbezeichnung Arzt, Zahnarzt, Psychologischer Psychotherapeut, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Psychotherapeut, Tierarzt, Apotheker, Rechtsanwalt, Patentanwalt, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer, Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter führt,
3.
die Bezeichnung öffentlich bestellter Sachverständiger führt oder
4.
inländische oder ausländische Uniformen, Amtskleidungen oder Amtsabzeichen trägt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Den in Absatz 1 genannten Bezeichnungen, akademischen Graden, Titeln, Würden, Uniformen, Amtskleidungen oder Amtsabzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Amtsbezeichnungen, Titel, Würden, Amtskleidungen und Amtsabzeichen der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Nr. 4, allein oder in Verbindung mit Absatz 2 oder 3, bezieht, können eingezogen werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
eine Urkunde oder eine technische Aufzeichnung, welche ihm entweder überhaupt nicht oder nicht ausschließlich gehört, in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, vernichtet, beschädigt oder unterdrückt,
2.
beweiserhebliche Daten (§ 202a Abs. 2), über die er nicht oder nicht ausschließlich verfügen darf, in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, löscht, unterdrückt, unbrauchbar macht oder verändert oder
3.
einen Grenzstein oder ein anderes zur Bezeichnung einer Grenze oder eines Wasserstandes bestimmtes Merkmal in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, wegnimmt, vernichtet, unkenntlich macht, verrückt oder fälschlich setzt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 164/10
vom
15. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Untreue u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
- zu 3. auf dessen Antrag - und der Beschwerdeführer am 15. Juli
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 3. November 2009,
a) soweit es die Angeklagte N. betrifft, aa) mit den zugehörigen Feststellungen in den Fällen II. 2. bis II. 4. sowie II. 10., II. 11. und II. 14. der Urteilsgründe bb) sowie in den Aussprüchen über die in diesen Fällen und in dem Fall II. 13. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe aufgehoben,
b) soweit es den Angeklagten A. betrifft, aa) mit den zugehörigen Feststellungen in den Fällen II. 2. bis II. 4. sowie II. 6. und II. 10. der Urteilsgründe bb) sowie in den Aussprüchen über die in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte N. wegen Untreue in acht Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Freiheitsberaubung, Unterschlagung in vier Fällen, Betruges und Vorenthaltens von Arbeitsentgelt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Der Angeklagte A. wurde wegen Untreue in sechs Fällen, Unterschlagung in zwei Fällen, Betruges und Vorenthaltens von Arbeitsentgelt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.
2
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten jeweils die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Schuldsprüche wegen Unterschlagung in den Fällen II. 4., 10., 11. und 14. der Urteilsgründe haben keinen Bestand.
4
a) Nach den Feststellungen zu den Tatkomplexen der Unterschlagung haben beide Angeklagte ihrem Arbeitnehmer J. auch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses die Lohnsteuerkarten für die Jahre 2004 und 2005 nicht ausgehändigt (Fall II. 4. der Urteilsgründe) bzw. hat die Angeklagte N. diverse Unterlagen, welche die Mandanten ihr zur Wahrnehmung von deren Interessen zur Verfügung gestellt hatten, diesen nicht wieder zurückgegeben (Fälle II. 11. und II. 14. der Urteilsgründe). Anlass für das Zurückhalten der Lohnsteuerkarten bzw. der Unterlagen war jeweils eine Verärgerung über das Verhalten des Angestellten bzw. der Mandanten. Zu dem Fall II. 10. der Urteilsgründe hat die Kammer festgestellt, dass die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Bochum in einem gegen die Angeklagte N. geführten Verfahren, die dem Angeklagten A. als Verteidiger zur Akteneinsicht übersandt wurden, nicht mehr an die Behörde zurück gesandt wurden. Hierzu hatten sich die Angeklagten entschlossen, weil ihnen die unbeabsichtigte Versäumung der Rückgabefrist unangenehm war.
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b) Die bisherigen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Unterschlagung in diesen Fällen nicht. Allein dem Unterlassen der Rückgabe lässt sich eine Zueignung im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB nicht entnehmen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 9. Januar 2007 – 3 StR 472/06 Rn. 2), insbesondere wenn dies geschieht, um den Eigentümer bzw. Gewahrsamsinhaber zu ärgern (BGH, Urteil vom 10. Juli 1980 – 4 StR 323/80; Holtz, MDR 1982, 808, 810; Fischer, StGB, 57. Aufl. § 242 Rn. 36; SSW-StGB/Kudlich § 242 Rn. 48, jeweils m.w.N.).
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Das Landgericht wird jedoch eine Strafbarkeit wegen Urkundenunterdrückung , im Fall II. 10. zudem wegen Verwahrungsbruches und hinsichtlich des Angeklagten A. gegebenenfalls auch wegen versuchter Strafvereitelung zu prüfen haben.
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Ergänzend weist der Senat für den Fall II. 10. der Urteilsgründe darauf hin, dass nach der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung im Schrifttum eine Nachteilszufügungsabsicht im Sinne des § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB zwar nicht durch die Vereitelung des staatlichen Strafanspruchs begründet wird, da insoweit kein "anderer" benachteiligt wird (BGH, Beschluss vom 27. März 1990, BGHR StGB § 274 Nachteil 2; BayObLG, NZV 1999, 213, 214; NZV 1989, 81; OLG Düsseldorf, NZV 1989, 477; SSW-StGB/Wittig § 274 Rn. 21; Lackner/Kühl, StGB, 26. Aufl., § 274 Rn. 7; Cramer/Heine, in: Schönke /Schröder, StGB, 28. Aufl., § 274 Rn. 16). Es sind aber ergänzende Feststellungen dahingehend möglich, dass dem Anzeigeerstatter im Ermittlungsverfahren 32 Js 547/07 durch die Angeklagten ein Nachteil zugefügt werden sollte. Der zu Benachteiligende braucht auch nicht Eigentümer der Urkunde bzw. mit dem Beweisführungsberechtigten identisch zu sein (Leipziger Kommentar /Zieschang, StGB, 12. Aufl., § 274 Rn. 60; Fischer aaO § 274 Rn. 6; Wittig aaO § 274 Rn. 21, Cramer/Heine aaO § 274 Rn. 17, jeweils m.w.N.). Das Landgericht wird auch eine Strafbarkeit wegen Verwahrungsbruchs zu erwägen haben. Die zweite Alternative des § 133 Abs. 1 StGB erfasst Gegenstände, die dem Täter oder einem Dritten aufgrund dienstlicher Anordnung in Verwahrung gegeben worden sind. In dienstlicher Verwahrung befinden sich hiernach die dem Verteidiger nach § 147 StPO übergebenen Verfahrensakten (SSWStGB /Jeßberger § 133 Rn. 7; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 133 Rn. 10). Für den Angeklagten A. kommt gegebenenfalls bei Vorliegen eines Vereitelungsansatzes eine Strafbarkeit wegen versuchter Strafvereitelung in Betracht (vgl. Beulke/Ruhmannseder, Die Strafbarkeit des Verteidigers, 2. Aufl., Rn. 103 m.w.N.).
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2. Die Verurteilung wegen Untreue im Fall II. 2. der Urteilsgründe hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen belegen nicht das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht. Nach § 2 Abs. 7 des fünften Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer (Fünftes Vermögensbildungsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. März 1994 (BGBl. I S. 406) sind vermögenswirksame Leistungen arbeitsrechtlich Bestandteil des Lohns oder Gehalts. Die Pflicht des Arbeitgebers, für seine Arbeitnehmer vermögenswirksame Leistungen zu entrichten, ist lediglich eine dem Arbeitsverhältnis entspringende Nebenpflicht und bildet nicht den wesentlichen Inhalt des Vertragsverhältnisses (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1954 – 2 StR 447/53, BGHSt 6, 314, 318 hinsichtlich der Verpflichtung des Arbeitgebers, einen Teil des Lohnes zum Kleben so genannter "Urlaubsmarken" zu verwenden; OLG Braunschweig, NJW 1976, 1903 f.). Auch enthält die aus dem Arbeitsvertrag entspringende Pflicht zur ordnungsgemäßen Lohnzahlung nicht schon von sich aus die Verpflichtung, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen (BGH aaO).
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Die bisherigen Feststellungen legen vielmehr eine Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Abs. 3 StGB nahe, wobei für jeden Fälligkeitszeitpunkt eine Tat vorliegen würde (OLG Frankfurt/Main, wistra 2003, 236, 237; NStZ-RR 1999, 104; OLG Celle, NStZRR 1997, 324; Fischer aaO § 266a Rn. 36).
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3. Im Fall II. 3. der Urteilsgründe ist das Landgericht rechtsfehlerhaft von einem Fall des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Abs. 1 StGB ausgegangen. Bei Nichtentrichten der Beiträge an mehreren Fälligkeitsterminen liegt Tatmehrheit vor (OLG Frankfurt/Main, wistra 2003, 236, 237; NStZ-RR 1999, 104; OLG Celle, NStZ-RR 1997, 324; Fischer aaO § 266a Rn. 36). Auch lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen, ob lediglich Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag gemäß § 266a Abs. 1 StGB oder auch Arbeitgeberanteile von Beiträgen zur Sozialversicherung gemäß § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB vorenthalten wurden.
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4. Die getroffenen Feststellungen zu Fall II. 6. der Urteilsgründe tragen eine Verurteilung des Angeklagten A. wegen Untreue nicht. Die bisherigen Feststellungen belegen nur eine Vertretung der Geschädigten durch die Angeklagte N. . Ergänzende Feststellungen erscheinen jedoch möglich. Sollte der neue Tatrichter eine Beauftragung beider Angeklagter nicht feststellen, weist der Senat darauf hin, dass für den Angeklagten A. auch eine Beihilfe zur Untreue der Angeklagten N. in Betracht kommt.
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5. Hinsichtlich des Falles II. 13. der Urteilsgründe hat die Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten N. ergeben. Das Rechtsmittel führt jedoch insoweit zur Aufhebung des Strafausspruchs. Das Landgericht hat den Strafrahmen des § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB lediglich gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Es hat zum einen nicht bedacht, dass das Vorliegen eines vertypten Strafmilderungsgrundes bereits für sich allein oder zusammen mit den festgestellten sonstigen Milderungsgründen einen minder schweren Fall begründen kann (BGH, Beschluss vom 7. Juni 2005 – 4 StR 173/05; Fischer aaO § 50 Rn. 4 m.w.N.). Zum anderen hat das Landgericht die Vorschriften der §§ 13 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB nicht im Blick gehabt. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Strafausspruchs; einer Aufhebung der Feststellungen bedarf es insofern jedoch nicht. Der Senat kann nicht mit der gebotenen Sicherheit ausschließen, dass das Landgericht ohne die aufgezeigten Rechtsfehler auf eine niedrigere Einzelstrafe erkannt hätte.
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6. In Bezug auf das weitere Revisionsvorbringen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 13. April 2010.
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7. Mit den Aufhebungen in den genannten Fällen entfallen auch die insoweit verhängten Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe.
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Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass sich das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) lediglich auf Art und Höhe der Rechtsfolgen, nicht aber auf eine Veränderung und Verschärfung des Schuldspruchs bezieht (st. Rspr.; vgl. KK-Kuckein, StPO, 6. Aufl., § 358 Rn. 18; KKPaul , StPO, 6. Aufl., § 331 Rn. 2; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 358 Rn. 11, § 331 Rn. 8, jeweils m.w.N.). Der neue Tatrichter wäre daher nicht daran gehindert , den Schuldspruch in den Fällen II. 2. und 3. dahingehend zu ändern, dass die Angeklagten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 26 Fällen schuldig sind. In diesem Fall würde das Verschlechterungsverbot aber dazu führen, dass die Summe der Einzelstrafen, die dann jeweils zu verhängen wären, die in dem betreffenden Fall bisher verhängte Einzelstrafe nicht überschreiten darf (BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2009 – 4 StR 408/09 Rn. 14; vom 25. Oktober 2001 - 3 StR 314/01; vom 16. September 1986 – 4 StR 479/86, BGHR StPO § 331 Abs. 1 Einzelstrafe, fehlende 1).
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Im Hinblick auf die neu festzusetzenden Einzelstrafen weist der Senat ferner darauf hin, dass entgegen der Annahme des Landgerichts eine Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB nicht in Betracht kommt, weil es den Angeklagten bei ihren Bemühungen um Schadenswiedergutmachung ersichtlich nicht um den Ausgleich immaterieller Folgen ging (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1999 – 4 StR 435/99, NStZ 2000, 205; vgl. auch Fischer aaO § 46a Rn. 10 m.w.N.). Eine Anwendung von § 46a Nr. 2 StGB setzt neben einem vollständigen oder überwiegenden Schadensausgleich voraus, dass die Leistung Ausdruck der Übernahme von Verantwortung ist. Das versteht sich bei den zum Teil erst nach Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen geleisteten Zahlungen oder bei am letzten Hauptverhandlungstag dem Verteidiger zur Schadenswiedergutmachung zur Verfügung gestellten Geldbeträgen nicht von selbst.
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Mutzbauer Bender

(1) Wer Schriftstücke oder andere bewegliche Sachen, die sich in dienstlicher Verwahrung befinden oder ihm oder einem anderen dienstlich in Verwahrung gegeben worden sind, zerstört, beschädigt, unbrauchbar macht oder der dienstlichen Verfügung entzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Dasselbe gilt für Schriftstücke oder andere bewegliche Sachen, die sich in amtlicher Verwahrung einer Kirche oder anderen Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechts befinden oder von dieser dem Täter oder einem anderen amtlich in Verwahrung gegeben worden sind.

(3) Wer die Tat an einer Sache begeht, die ihm als Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten anvertraut worden oder zugänglich geworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr beweiserhebliche Daten so speichert oder verändert, daß bei ihrer Wahrnehmung eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde, oder derart gespeicherte oder veränderte Daten gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) § 267 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.