Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2015 - 1 StR 373/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2015:271015U1STR373.15.0
bei uns veröffentlicht am27.10.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 373/15
vom
27. Oktober 2015
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
________________________
Ein großes Ausmaß im Sinne von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO liegt bei jeder Steuerhinterziehung
über 50.000 Euro vor (Fortentwicklung von BGHSt 53, 71).
BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 StR 373/15 - LG Mannheim
in der Strafsache
gegen
ECLI:DE:BGH:2015:271015U1STR373.15.0

wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Oktober 2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke, Prof. Dr. Mosbacher und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 16. April 2015 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt , von denen zwei Monate als Kompensation für eine rechtswidrige Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe hat das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt.
2
Gegen das Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte in den Jahren 2000 bis 2004 in der Pizzeria seines Onkels F. angestellt, die dieser als Einzelunternehmer betrieb. Um gegenüber der Finanzverwaltung niedrige Umsätze bzw. Gewinne zu dokumentieren, ließ F. durch den Angeklagten oder einen seiner anderen Angestellten einen Teil seiner Umsätze in den Registrierkassen vor Ausdruck des Bons löschen. Darüber hinaus rechnete er mit dem Lieferanten Teile seines Einkaufs bar ab, über den anderen Teil ließ er Rechnungen ausfertigen, die für die Buchhaltungsunterlagen bestimmt waren. Zumindest für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2003 und die Voranmeldungszeiträume April 2004 und Mai 2004 gab F. sodann Erklärungen zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie Gewerbesteuer-, Umsatzsteuer- und Einkommensteuerklärungen ab, in denen er Teile seiner Umsätze verschwieg bzw. zu niedrige Gewinne aus Gewerbebetrieb angab.
4
Nachdem diese Manipulationen durch die Steuerfahndung bei einer Betriebsprüfung entdeckt worden waren, ergingen geänderte Steuerbescheide mit hohen Steuernachforderungen. F. veräußerte den Betrieb nun an den Angeklagten, wobei sie vereinbarten, das bisherige System der Steuerhinterziehung unverändert fortzuführen.
5
Der Angeklagte übernahm die Pizzeria als Betriebsinhaber und wesentliche Geschäftsführeraufgaben, trat gegenüber dem Finanzamt, den Lieferanten und den Kunden als leistender Unternehmer auf, war Ansprechpartner für das Personal, entnahm wesentliche Teile der Gewinne für eigene Zwecke und manipulierte die Registrierkassen. In Absprache mit F. gab er für die Veranlagungszeiträume 2006 und 2007 falsche Einkommensteuer-, Gewerbesteuer - und Umsatzsteuerjahreserklärungen ab und für Januar 2008 bis Mai 2009 unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen. Die Steuererklärungen für das Jahr 2006 gingen am 10. Oktober 2007, die für das Jahr 2007 am 6. November 2008 beim Finanzamt ein.
6
Bezogen auf den Veranlagungszeitraum 2006 verkürzte der Angeklagte Umsatzsteuer in Höhe von 25.151 Euro. Hiervon zog die Strafkammer für die Strafzumessung Vorsteuern in Höhe von 3.960 Euro ab und legte insoweit einen Betrag von 21.191 Euro zugrunde. Unter Hinzurechnung hinterzogener Gewerbesteuer von 17.446 Euro ergab sich für die Strafkammer für dieses Jahr insgesamt ein strafzumessungsrelevanter Steuerschaden von 38.637 Euro. Die Verfolgung der Einkommensteuerhinterziehung für den Veranlagungszeitraum 2006 wurde nach § 154a Abs. 1 StPO behandelt.
7
Für den Veranlagungszeitraum 2007 verkürzte der Angeklagte Umsatzsteuer in Höhe von 53.830 Euro. Der Strafzumessung legte die Strafkammer unter Abzug von Vorsteuern in Höhe von 8.578 Euro einen Betrag von 45.252 Euro zugrunde. Unter Hinzurechnung hinterzogener Gewerbesteuer von 35.356 Euro ergab sich für die Strafkammer für dieses Jahr insgesamt ein strafzumessungsrelevanter Steuerschaden von 80.610 Euro. Die Verfolgung der Einkommensteuerhinterziehung für den Veranlagungszeitraum 2007 wurde ebenfalls nach § 154a Abs. 1 StPO behandelt.
8
Mit den 17 unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen bewirkte der Angeklagte insgesamt eine Verkürzung von Umsatzsteuer in Höhe von 60.858 Euro.
9
2. Die unrichtigen Gewerbe- und Umsatzsteuererklärungen für den Veranlagungszeitraum 2006 wie auch für den Veranlagungszeitraum 2007 hat die Strafkammer jeweils als tateinheitlich begangene (§ 52 StGB) Steuerhinterziehung jeweils nach § 370 Abs. 1 AO gewertet.
10
3. Für den Veranlagungszeitraum 2007 hat die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung ausgehend von der Annahme, dass das Regelbeispiel einer Steuerverkürzung in großem Ausmaß (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) verwirklicht sei, einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung angenommen. Sie hat insoweit eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verhängt, die zugleich die Einsatzstrafe bildet.
11
Die Steuerhinterziehung betreffend den Veranlagungszeitraum 2006 hat die Strafkammer mit einer Freiheitsstrafe von acht Monaten und die 17 Fälle der Jahre 2008 bis 2009 jeweils mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten geahndet.

II.

12
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
13
Die Verfahrensrüge bleibt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen erfolglos.
14
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
15
1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
16
a) Im Rahmen der gewerbesteuerrechtlichen Prüfung ist die Strafkammer ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass der Angeklagte nach außen als Geschäftsinhaber (mit unbeschränkter Vertretungsmacht), also als Unternehmer im eigenen Namen, aufgetreten ist. Er war zur Gewerbesteuer zu veranlagen , weil er das Gewerbe führte.
17
Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer den Angeklagten auch als zur Abgabe von Umsatzsteuererklärungen verpflichteten Unternehmer (§ 18 UStG) angesehen.
18
Zur Abgabe solcher Erklärungen ist in der Regel der Unternehmer verpflichtet , der die Leistung erbracht hat. Dies ist regelmäßig derjenige Unternehmer , der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausgeführt hat. Auch ein Strohmann, der nach außen im eigenen Namen auftritt, im Verhältnis zum Hintermann jedoch auf dessen Rechnung handelt, kann daher leistender Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein. Vorgeschobene Strohmanngeschäfte zwischen einem Strohmann und dem Leistungsempfänger sind hingegen dann umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich, wenn sie nur zum Schein (vgl. § 41 Abs. 2 AO) abgeschlossen sind, mithin die Vertragsparteien - der Strohmann und der Leistungsempfänger - einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2015 - 1 StR 216/14, NStZ 2015, 283, 285, vom 8. Juli 2014 - 1 StR 29/14, NStZ-RR 2014, 310, 312, vom 5. Februar 2014 - 1 StR 422/13, wistra 2014, 191 und vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331, 333, jeweils mwN).
19
Ausgehend von diesem Maßstab war der Angeklagte als leistender Unternehmer anzusehen; denn die Rechtswirkungen der Geschäfte sollten zwischen ihm und den Gästen bzw. den Lieferanten der Pizzeria eintreten.
20
b) Die Annahme der Strafkammer, die Hinterziehungen von Gewerbeund Umsatzsteuer für die Veranlagungszeiträume 2006 und 2007 stünden jeweils zueinander in Tateinheit (§ 52 StGB), ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
21
Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist zwar grundsätzlich als selbständige Tat im Sinne von § 53 StGB zu werten. Von Tatmehrheit ist also auszugehen, wenn die abgegebenen Steuererklärungen verschiedene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Steuerpflichtige betreffen. Jedoch liegt ausnahmsweise Tateinheit vor, wenn die Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehrere Steuererklärungen durch eine körperliche Handlung gleichzeitig abgegeben werden. Entscheidend dabei ist, dass die Abgabe der Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammenfällt und überdies in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthalten sind (BGH, Beschlüsse vom 21. Mai 1985 - 1 StR 583/84, BGHSt 33, 163, vom 5. März 1996 - 5 StR 73/96, wistra 1996, 231 und vom 2. November 2010 - 1 StR 544/09, NStZ 2011, 294; Urteile vom 28. Oktober 2004 - 5 StR 276/04, NStZ-RR 2005, 53, 56 und vom 24. November 2004 - 5 StR 220/04, NStZ 2005,

516).

22
Übereinstimmende unrichtige Angaben im Sinne dieser Rechtsprechung liegen häufig im Verhältnis von Einkommensteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuerhinterziehung vor (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 1996 - 5 StR 73/96, wistra 1996, 231); denn hier werden übereinstimmende unrichtige Angaben regelmäßig deshalb abgegeben, weil der Täter sich bei unterschiedlichen Angaben über die steuerlich erheblichen Tatsachen in den verschiedenen Steuererklärungen, die letztlich jeweils denselben Lebenssachverhalt betreffen, einem erhöhten Entdeckungsrisiko aussetzen würde (BGH, Beschluss vom 5. März 1996 - 5 StR 73/96, wistra 1996, 231).
23
Bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15EStG) unterliegt der Gewinn - auch Gewinnanteile - der Einkommensteuer (§ 2 Abs. 1 EStG). Die Höhe des Umsatzes, an den die Umsatzsteuer anknüpft (§ 10 UStG), ist wiederum ein entscheidender Faktor für die Höhe des aus dem Gewerbebetrieb erzielten Gewinns. Der für die Gewerbesteuer maßgebliche Gewerbeertrag knüpft wiederum an die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes über die Gewinnermittlung an (§ 7 GewStG).
24
2. Der Strafausspruch lässt im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.
25
a) Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung zunächst die hinterzogenen Umsatz- und Gewerbesteuern für das Jahr 2007 addiert. Bei mehrfacher tateinheitlicher Verwirklichung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung ist das "Ausmaß" des jeweiligen Taterfolges zu addieren, da in solchen Fällen eine einheitliche Handlung im Sinne des § 52 StGB vorliegt , die für die Strafzumessung einer einheitlichen Bewertung bedarf (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 85).
26
b) Die Strafkammer hat auch das Regelbeispiel (§ 370 Abs. 3 AO) rechtsfehlerfrei bestimmt.
27
Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung stellt in § 370 Abs. 3 Satz 1 AO für besonders schwere Fälle einen erhöhten Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe zur Verfügung. Ein besonders schwerer Fall liegt gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in der Regel vor, wenn der Täter in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Vorteile erlangt.
28
Die Strafkammer hat für den Veranlagungszeitraum 2007 einen besonders schweren Fall nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO angenommen. Sie ist davon ausgegangen, dass die Schwelle zur Hinterziehung "in großem Ausmaß" bereits dann überschritten ist, wenn der Steuerpflichtige dem Finanzamt steuerlich erhebliche Tatsachen verschweigt und den Steueranspruch damit in einer Höhe von mehr als 50.000 Euro gefährdet. Nach der bisher geltenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt die Wertgrenze in Fällen dieser Art allerdings bei 100.000 Euro.
29
aa) Nach dieser Rechtsprechung, die der Senat seit der Grundsatzentscheidung vom 2. Dezember 2008 (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 84 ff.) mehrfach bestätigt und fortgeschrieben hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juli 2010 - 1 StR 332/10, wistra 2010, 449, vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11, NStZ 2011, 643, 644, vom 5. Mai 2011 - 1 StR 168/11, vom 12. Juli 2011 - 1 StR 81/11, wistra 2011, 396, vom 29. November 2011 - 1 StR 459/11, wistra 2012, 151, vom 15. Dezember 2011 - 1 StR 579/11, NStZ 2012, 331, vom 25. September 2012 - 1 StR 407/12, wistra 2013, 67, vom 26. September 2012 - 1 StR 423/12, wistra 2013, 31 und vom 22. November 2012 - 1 StR 537/12, wistra 2013, 1999 sowie Urteile vom 21. August 2012 - 1 StR 257/12, wistra 2013, 28, vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, wistra 2012, 236 und vom 22. Mai 2012 - 1 StR 103/12, wistra 2012, 350), ist das nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Merkmal des Regelbeispiels "in großem Ausmaß" dann erfüllt, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 Euro übersteigt. Beschränkt sich das Verhalten des Täters aber darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, soll die Wertgrenze bei 100.000 Euro liegen.
30
Mit Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 1 StR 579/11, NStZ 2012, 331, 332, hat der Senat seine Rechtsprechung weiter präzisiert:
31
Die Wertgrenze liegt bei 100.000 Euro, "wenn der Steuerpflichtige zwar eine Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) begeht, indem er eine unvollständige Steuererklärung abgibt, er dabei aber lediglich steuerpflichtige Einkünfte oder Umsätze verschweigt … und allein dadurch eine Gefährdung des Steueranspruchs herbeiführt".
32
bb) An dieser Rechtsprechung hält der Senat nicht fest. Aus folgenden Erwägungen ist eine einheitliche Wertgrenze von 50.000 Euro angemessen.
33
(1) Eine einheitliche Wertgrenze von 50.000 Euro gilt entsprechend bei den Regelbeispielen des Herbeiführens eines Vermögensverlusts großen Ausmaßes der §§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 1. Var., 263a Abs. 2, 264 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, 266 Abs. 2, 300 Satz 2 Nr. 1 StGB.
34
Zwar hatte der Senat in seiner Grundsatzentscheidung (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, wistra 2009, 107) ausgeführt, der Umstand, dass sich die Betragsgrenze von 50.000 Euro bei § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO an derjenigen des Vermögensverlustes großen Ausmaßes im Sinne von § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB orientiere, bedeute zugleich, dass - ähnlich wie beim Betrug - zwischen schon eingetretenem Vermögensverlust und einem Gefährdungsschaden zu differenzieren sei.
35
Diese Erwägung berücksichtigt aber nicht hinreichend, dass ein vollendeter Betrug bereits dem Wortlaut nach den Eintritt eines Vermögensschadens voraussetzt; dies gilt auch für die Fälle der "schadensgleichen Vermögensgefährdung" (vgl. auch Fischer, StGB 62. Aufl., § 263 Rn. 159 mwN, MüKoStGB/Hefendehl, StGB 2. Aufl., § 263 Rn. 588 ff.). Für den Tatbestand der Steuerhinterziehung genügt dagegen eine tatbestandliche Gefährdung des Steueraufkommens.
36
Steuerhinterziehung und Betrug sind nicht uneingeschränktvergleichbar (dazu näher BGH, Beschluss vom 22. November 2012 - 1 StR 537/12, BGHSt 58, 50, 54 ff. Rn. 12-18), weil die Steuerhinterziehung gegenüber dem Betrugstatbestand "strukturelle Unterschiede" aufweist (MüKoStGB/Schmitz/Wulf AO 2. Aufl., § 370 Rn. 479).
37
§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO fordert für eine Steuerverkürzung lediglich eine nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig erfolgte Steuerfestsetzung, nicht aber den Eintritt eines Vermögensverlusts beim Fiskus (BGH aaO BGHSt 58, 50, 56 f. Rn. 15 f. mit zahlr. Nachw.). Die Gefährdung des durch die Verwirklichung des materiellen Besteuerungstatbestands entstandenen Steueranspruchs durch die infolge einer Tathandlung im Sinne von § 370 Abs. 1 AO unterbliebene , zu niedrige oder nicht rechtzeitig erfolgte Steuerfestsetzung genügt für die Erfüllung des Straftatbestands unabhängig davon, ob das "staatliche Vermögen" dadurch gemindert worden ist oder letztlich gar keine Zahllast des Steuerpflichtigen festzusetzen ist (BGH aaO BGHSt 58, 50, 56 Rn. 16, vgl. auch MüKoStGB/Schmitz/Wulf AO 2. Aufl., § 370 Rn. 11, 81). Darin liegt der Unterschied zum Betrugstatbestand, dessen Vollendung u.a. eine Vermögensverfügung und spiegelbildlich hierzu einen eingetretenen Vermögensschaden voraussetzt.
38
(2) Das Gesetz unterscheidet damit in § 370 AO nicht zwischen der Gefährdung des Steueranspruchs und dem Eintritt des Vermögensschadens beim Staat. Diese Gleichsetzung findet ihre Rechtfertigung darin, dass die falsche Steuerfestsetzung nahezu immer zu einem Schaden führen wird (vgl. MüKoStGB/Schmitz/Wulf AO 2. Aufl., § 370 Rn. 12), weil eine nicht festgesetzte Steuer auch nicht beigetrieben werden kann und darf.
39
Vor diesem Hintergrund zwischen Gefährdungsschaden und eingetretenem Schaden zu differenzieren, ist deshalb nicht gerechtfertigt (vgl. Rolletschke/Roth wistra 2012, 216, 217; Stam NStZ 2013,144, 146; Fischer StGB 62. Aufl., § 263 Rn. 263).
40
Steht aber die Gefährdung des Steueranspruchs dem beim Fiskus eingetretenen Schaden bei der Tatbestandserfüllung qualitativ gleich, ist die Verdoppelung des Schwellenwerts bei dem sog. Gefährdungsschaden nicht zu begründen (so auch Stam aaO, S. 146; Fischer aaO § 263 Rn. 265).
41
(3) Eine einheitliche Wertgrenze von 50.000 Euro gewährleistet zudem mehr Rechtssicherheit, weil sich die Differenzierung zwischen nicht erklärten Steuererhöhungsbeträgen und zu Unrecht geltend gemachten Steuerminderungsbeträgen und die auf Elemente des Erfolgsunrechts (Höhe des Steuerschadens ) und auf Elemente des Handlungsunrechts (unterschiedlicher Gehalt des Handlungsunrechts) gestützte und deshalb schwierige Abgrenzung erübrigt , in welchen Fällen der niedrigere und in welchen Fällen der höhere Grenzwert gilt (vgl. MüKoStGB/Schmitz/Wulf AO 2. Aufl., § 370 AO Rn. 479, Grießhammer , NZWiSt 2012, 155 ff., Ochs/Wargowske, NZWiSt 2012, 369, 370).
42
Das Merkmal "in großem Ausmaß" ist in diesem Sinne erfolgsbezogen, weil es an der Höhe der verkürzten Steuer betragsmäßig anknüpft. Aus dem erfolgsbezogenen würde andernfalls ein handlungsbezogenes Merkmal, wenn der das Regelbeispiel begründende, typischerweise erhöhte Unrechts- und Schuldgehalt nicht mehr aus dem Umfang des Taterfolgs, sondern aus der Art seiner Herbeiführung hergeleitet wird. Die Unterscheidung nach der Art und Weise der Hinterziehung von Steuern ist mit dem auf den Taterfolg abstellenden Regelbeispiel schon von seinem Wortlaut her nicht ohne Weiteres vereinbar. Es ist für den Taterfolg ohne Relevanz, ob der Täter dem Finanzamt Umsätze verschweigt, seine Buchhaltung entsprechend abstimmt und dadurch eine Steuerentlastung generiert oder ob er dieses Ziel durch Vortäuschen von Betriebsausgaben erreicht. Die Art seines manipulativen Verhaltens - zum Beispiel die Vorlage falscher Belege beim Finanzamt oder das teilweise Löschen von Umsätzen vor Ausdruck der Bons durch die Registrierkassen oder der Einkauf ohne Rechnung gegen Barzahlung - findet ihren Platz bei der Gesamtwürdigung im Rahmen der Prüfung, ob die "Indizwirkung" des Regelbeispiels entkräftet wird oder umgekehrt bei Nichterreichen der Wertgrenze ein unbenannter besonders schwerer Fall anzunehmen ist.
43
Die ausschließliche Ausrichtung am Ausmaß des Taterfolgs vermeidet beliebige Ergebnisse, weil es eine Frage des Einzelfalls ist, ob das Vortäuschen von Betriebsausgaben oder Vorsteuerbeträgen zu ungerechtfertigten Steuererstattungen oder dem scheinbaren Erlöschen bestehender Steuerforderungen führt. So kann eine Zahllast des Finanzamts, also der sogenannte "Griff in die Kasse des Staates", nicht nur durch das Vortäuschen von Betriebsausgaben oder einer Vorsteuerabzugsberechtigung entstehen, sondern ebenso durch Verschweigen von Betriebseinnahmen oder Umsätzen.
44
Der Steuerpflichtige erreicht eine zu niedrige Zahllast gleichermaßen durch Manipulationen bei den Betriebsausgaben, der Vorsteuerabzugsberechtigung , den Betriebseinnahmen oder Umsätzen. Bei unterschiedlichen Schwel- lenwerten würde, anders als im Falle einer Zahllast des Finanzamts, nach der Art der Manipulation differenziert, obwohl nicht sie, sondern ihr Umfang darüber entscheidet, ob es zu einer zu geringen Zahllast des Steuerpflichtigen und damit zu einem Gefährdungsschaden oder zu einer Zahllast des Finanzamts mit einem damit verbundenem Vermögensschaden kommt.
45
cc) Für den Tatrichter verbleibt auch bei einer einheitlichen Wertgrenze von 50.000 Euro ausreichend Spielraum, um den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen (Rolletschke/Roth, wistra 2012, 216, 218).
46
Hierzu hat der Senat in seiner Grundsatzentscheidung bereits angemerkt (BGHSt 53, 71, 88), dass die Bejahung bzw. Verneinung des Regelbeispiels in einem ersten Prüfungsschritt bei der Strafrahmenwahl bedeutet, dass - wie bei sonstigen Regelbeispielen auch - in einem zweiten Schritt zu prüfen ist, ob die Besonderheiten des Einzelfalls die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräften. In diesem Zusammenhang spielen die vorgenannten handlungsbezogenen Gesichtspunkte eine entscheidende Rolle. In ihrem Licht hat der Tatrichter zu beurteilen , ob die Indizwirkung des Regelbeispiels durchgreifen kann.
47
Bei Bejahung eines Regelbeispiels verbleibt die Möglichkeit, innerhalb des Strafrahmens die konkrete Einzelstrafe wegen des Eintritts eines bloßen Gefährdungsschadens niedriger oder wegen eines Steuerverlusts höher anzusetzen (Rolletschke/Roth, aaO, S. 218); auch Geständnis, lange Verfahrensdauer , Nachzahlung der verkürzten Steuern, Steuerhinterziehungen, die sich erst nach Anwendung des Kompensationsverbots ergeben (Pflaum, wistra 2012, 376, 377), der Aufbau besonderer unternehmerischer Strukturen, um den steuerunehrlichen Handel zu betreiben, raffinierte Manipulationen und Relation von Geschäftsvolumen und Steuerschaden (Jäger in Klein, AO 12. Aufl., § 370 Rn. 282), können als Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt werden.
48
Im vorliegenden Fall hat die Strafkammer bei der Prüfung der Frage, ob die "Indizwirkung" des Regelbeispiels entkräftet wird, rechtsfehlerfrei ein Absehen von der Anwendung des Regelstrafrahmens deshalb verneint, weil die Taten Seriencharakter aufweisen und weil der Verurteilte die Kasse des Betriebs bereits seit dem Jahr 2000 regelmäßig manipulierte und "mit besonderer Dreistigkeit" das System der Steuerhinterziehung trotz Aufdeckung durch die Steuerfahndung unverändert weitergeführt hat.

III.

49
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO. Raum Jäger Radtke Mosbacher Fischer

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Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Dez. 2011 - 1 StR 579/11

bei uns veröffentlicht am 15.12.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 579/11 vom 15. Dezember 2011 BGHSt: nein BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ___________________________ AO § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Zur Wertgrenze des Merkmals "in großem Ausmaß"

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Feb. 2014 - 1 StR 422/13

bei uns veröffentlicht am 05.02.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 4 2 2 / 1 3 vom 5. Februar 2014 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Februar 2014 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Re

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Aug. 2012 - 1 StR 257/12

bei uns veröffentlicht am 21.08.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 257/12 vom 21. August 2012 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. August 2012, an der teilgenommen haben: Vorsitzend

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Sept. 2012 - 1 StR 423/12

bei uns veröffentlicht am 26.09.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 423/12 vom 26. September 2012 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. September 2012 beschlossen : Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des L

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Nov. 2010 - 1 StR 544/09

bei uns veröffentlicht am 02.11.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 544/09 vom 2. November 2010 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen zu 1. und 3.: Steuerhinterziehung u.a. zu 2.: Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. November 2010 gemä

Bundesgerichtshof Urteil, 02. Dez. 2008 - 1 StR 416/08

bei uns veröffentlicht am 02.12.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 416/08 vom 2. Dezember 2008 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja _________________________ StGB § 266a AO § 370 Abs. 1 und 3 1. Die Berechnung der nach § 266a StGB vorenthaltenen.

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2012 - 1 StR 537/12

bei uns veröffentlicht am 22.11.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 537/12 vom 22. November 2012 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja _________________________ GG Art. 103 Abs. 2 AO § 370 Abs. 1 und 4 Zur Bezifferung aufgrund unrichtiger Feststellung

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2012 - 1 StR 525/11

bei uns veröffentlicht am 07.02.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 525/11 vom 7. Februar 2012 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ______________________ AO § 370 Abs. 1 und 3; StGB § 46 Zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehun

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Nov. 2004 - 5 StR 220/04

bei uns veröffentlicht am 24.11.2004

5 StR 220/04 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 24. November 2004 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen Steuerhinterziehung u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. November 2004, an der teil

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Mai 2011 - 1 StR 116/11

bei uns veröffentlicht am 05.05.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 116/11 vom 5. Mai 2011 BGHSt: nein BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ___________________________ StPO § 267 Abs. 3 Satz 3 AO § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Soweit dazu Anlass besteht, müssen die

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Mai 2011 - 1 StR 168/11

bei uns veröffentlicht am 05.05.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 168/11 vom 5. Mai 2011 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Mai 2011 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerich

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Okt. 2013 - 1 StR 312/13

bei uns veröffentlicht am 01.10.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 312/13 vom 1. Oktober 2013 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Oktober 2013 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des L

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Okt. 2004 - 5 StR 276/04

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5 StR 276/04 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 28. Oktober 2004 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Oktober 2004, an der teilgenommen haben: Vo

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2012 - 1 StR 103/12

bei uns veröffentlicht am 22.05.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 103/12 vom 22. Mai 2012 BGHSt: nein BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ___________________________ AO § 370 Abs. 1 und 3, § 373 Abs. 1; StGB § 46 1. Auch bei einer gewerbsmä

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juli 2010 - 1 StR 332/10

bei uns veröffentlicht am 28.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 332/10 vom 28. Juli 2010 in der Strafsache gegen wegen versuchter Steuerhinterziehung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Juli 2010 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2015 - 1 StR 216/14

bei uns veröffentlicht am 29.01.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 2 1 6 / 1 4 vom 29. Januar 2015 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Januar 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen: A

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juli 2014 - 1 StR 29/14

bei uns veröffentlicht am 08.07.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 2 9 / 1 4 vom 8. Juli 2014 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2014 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des La
9 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2015 - 1 StR 373/15.

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Juli 2019 - 1 StR 265/18

bei uns veröffentlicht am 10.07.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 265/18 vom 10. Juli 2019 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen zu 1.: Steuerhinterziehung zu 2.: Beihilfe zur Steuerhinterziehung ECLI:DE:BGH:2019:100719U1STR265.18.0 Der 1. Strafsenat des Bun

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2019 - 1 StR 173/19

bei uns veröffentlicht am 24.10.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 173/19 vom 24. Oktober 2019 in dem selbständigen Einziehungsverfahren gegen wegen Steuerhinterziehung ECLI:DE:BGH:2019:241019B1STR173.19.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwer

Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 22. Juni 2018 - 3 OLG 110 Ss 38/18

bei uns veröffentlicht am 22.06.2018

Tatbestand Das AG verurteilte den Angekl. am 26.10.2017 wegen Steuerhinterziehung in 6 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Daneben hat es gegen den Angekl. eine Gesamtgel

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2017 - 1 StR 447/14

bei uns veröffentlicht am 10.10.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 447/14 vom 10. Oktober 2017 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ________________________ AO § 370 Abs. 1; UStG § 3a Abs. 4 Nr. 1; GG Art. 103 Abs. 2; EU-Gr

Referenzen

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Der Unternehmer hat vorbehaltlich des § 18i Absatz 3, des § 18j Absatz 4 und des § 18k Absatz 4 bis zum zehnten Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln, in der er die Steuer für den Voranmeldungszeitraum (Vorauszahlung) selbst zu berechnen hat. Auf Antrag kann das Finanzamt zur Vermeidung von unbilligen Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten; in diesem Fall hat der Unternehmer eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben. § 16 Abs. 1 und 2 und § 17 sind entsprechend anzuwenden. Die Vorauszahlung ist am zehnten Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig und bis dahin vom Unternehmer zu entrichten.

(2) Voranmeldungszeitraum ist das Kalendervierteljahr. Beträgt die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr mehr als 7 500 Euro, ist der Kalendermonat Voranmeldungszeitraum. Beträgt die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 1 000 Euro, kann das Finanzamt den Unternehmer von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldungen und Entrichtung der Vorauszahlungen befreien. Nimmt der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf, ist im laufenden und folgenden Kalenderjahr Voranmeldungszeitraum der Kalendermonat. Daneben ist im laufenden und folgenden Kalenderjahr in folgenden Fällen Voranmeldungszeitraum der Kalendermonat:

1.
bei im Handelsregister eingetragenen, noch nicht gewerblich oder beruflich tätig gewesenen juristischen Personen oder Personengesellschaften, die objektiv belegbar die Absicht haben, eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig auszuüben (Vorratsgesellschaften), und zwar ab dem Zeitpunkt des Beginns der tatsächlichen Ausübung dieser Tätigkeit, und
2.
bei der Übernahme von juristischen Personen oder Personengesellschaften, die bereits gewerblich oder beruflich tätig gewesen sind und zum Zeitpunkt der Übernahme ruhen oder nur geringfügig gewerblich oder beruflich tätig sind (Firmenmantel), und zwar ab dem Zeitpunkt der Übernahme.
Für die Besteuerungszeiträume 2021 bis 2026 ist abweichend von Satz 4 in den Fällen, in denen der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des vorangegangenen Kalenderjahres ausgeübt hat, die tatsächliche Steuer in eine Jahressteuer umzurechnen und in den Fällen, in denen der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im laufenden Kalenderjahr aufnimmt, die voraussichtliche Steuer des laufenden Kalenderjahres maßgebend.

(2a) Der Unternehmer kann an Stelle des Kalendervierteljahres den Kalendermonat als Voranmeldungszeitraum wählen, wenn sich für das vorangegangene Kalenderjahr ein Überschuss zu seinen Gunsten von mehr als 7 500 Euro ergibt. In diesem Fall hat der Unternehmer bis zum 10. Februar des laufenden Kalenderjahres eine Voranmeldung für den ersten Kalendermonat abzugeben. Die Ausübung des Wahlrechts bindet den Unternehmer für dieses Kalenderjahr. Absatz 2 Satz 6 gilt entsprechend.

(3) Der Unternehmer hat vorbehaltlich des § 18i Absatz 3, des § 18j Absatz 4 und des § 18k Absatz 4 für das Kalenderjahr oder für den kürzeren Besteuerungszeitraum eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln, in der er die zu entrichtende Steuer oder den Überschuss, der sich zu seinen Gunsten ergibt, nach § 16 Absatz 1 bis 4 und § 17 selbst zu berechnen hat (Steueranmeldung). In den Fällen des § 16 Absatz 3 und 4 ist die Steueranmeldung binnen einem Monat nach Ablauf des kürzeren Besteuerungszeitraums zu übermitteln. Auf Antrag kann das Finanzamt zur Vermeidung von unbilligen Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten; in diesem Fall hat der Unternehmer eine Steueranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben und eigenhändig zu unterschreiben.

(4) Berechnet der Unternehmer die zu entrichtende Steuer oder den Überschuss in der Steueranmeldung für das Kalenderjahr abweichend von der Summe der Vorauszahlungen, so ist der Unterschiedsbetrag zugunsten des Finanzamts einen Monat nach dem Eingang der Steueranmeldung fällig und bis dahin vom Unternehmer zu entrichten. Setzt das Finanzamt die zu entrichtende Steuer oder den Überschuss abweichend von der Steueranmeldung für den Voranmeldungszeitraum oder für das Kalenderjahr oder auf Grund unterbliebener Abgabe der Steueranmeldung fest, so ist der Unterschiedsbetrag zugunsten des Finanzamts einen Monat nach der Bekanntgabe des Steuerbescheids fällig und bis dahin vom Unternehmer zu entrichten. Die Fälligkeit rückständiger Vorauszahlungen (Absatz 1) bleibt von den Sätzen 1 und 2 unberührt.

(4a) Voranmeldungen (Absätze 1 und 2) und eine Steuererklärung (Absätze 3 und 4) haben auch die Unternehmer und juristischen Personen abzugeben, die ausschließlich Steuer für Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 5, § 13b Absatz 5 oder § 25b Abs. 2 zu entrichten haben, sowie Fahrzeuglieferer (§ 2a). Voranmeldungen sind nur für die Voranmeldungszeiträume abzugeben, in denen die Steuer für diese Umsätze zu erklären ist. Die Anwendung des Absatzes 2a ist ausgeschlossen.

(4b) Für Personen, die keine Unternehmer sind und Steuerbeträge nach § 6a Abs. 4 Satz 2 oder nach § 14c Abs. 2 schulden, gilt Absatz 4a entsprechend.

(4c) Ein nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer, der vor dem 1. Juli 2021 als Steuerschuldner Umsätze nach § 3a Absatz 5 im Gemeinschaftsgebiet erbringt, kann abweichend von den Absätzen 1 bis 4 für jeden Besteuerungszeitraum (§ 16 Absatz 1a Satz 1) eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung bis zum 20. Tag nach Ablauf jedes Besteuerungszeitraums dem Bundeszentralamt für Steuern übermitteln, in der er die Steuer für die vorgenannten Umsätze selbst zu berechnen hat (Steueranmeldung). Die Steuer ist am 20. Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraums fällig und bis dahin vom Unternehmer zu entrichten. Die Ausübung des Wahlrechts hat der Unternehmer auf dem amtlich vorgeschriebenen, elektronisch zu übermittelnden Dokument dem Bundeszentralamt für Steuern anzuzeigen, bevor er Umsätze nach § 3a Abs. 5 im Gemeinschaftsgebiet erbringt. Das Wahlrecht kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Besteuerungszeitraums an widerrufen werden. Der Widerruf ist vor Beginn des Besteuerungszeitraums, für den er gelten soll, gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern auf elektronischem Weg zu erklären. Kommt der Unternehmer seinen Verpflichtungen nach den Sätzen 1 bis 3 oder § 22 Abs. 1 wiederholt nicht oder nicht rechtzeitig nach, schließt ihn das Bundeszentralamt für Steuern von dem Besteuerungsverfahren nach Satz 1 aus. Der Ausschluss gilt ab dem Besteuerungszeitraum, der nach dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Ausschlusses gegenüber dem Unternehmer beginnt.

(4d) Für nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, die vor dem 1. Juli 2021 im Inland im Besteuerungszeitraum (§ 16 Absatz 1 Satz 2) als Steuerschuldner Umsätze nach § 3a Absatz 5 erbringen und diese Umsätze in einem anderen Mitgliedstaat erklären sowie die darauf entfallende Steuer entrichten, gelten insoweit die Absätze 1 bis 4 nicht.

(4e) Ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer (§ 13b Absatz 7 Satz 2), der vor dem 1. Juli 2021 als Steuerschuldner Umsätze nach § 3a Absatz 5 im Inland erbringt, kann abweichend von den Absätzen 1 bis 4 für jeden Besteuerungszeitraum (§ 16 Absatz 1b Satz 1) eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung bis zum 20. Tag nach Ablauf jedes Besteuerungszeitraums übermitteln, in der er die Steuer für die vorgenannten Umsätze selbst zu berechnen hat; dies gilt nur, wenn der Unternehmer im Inland, auf der Insel Helgoland und in einem der in § 1 Absatz 3 bezeichneten Gebiete weder seinen Sitz, seine Geschäftsleitung noch eine Betriebsstätte hat. Die Steuererklärung ist der zuständigen Steuerbehörde des Mitgliedstaates der Europäischen Union zu übermitteln, in dem der Unternehmer ansässig ist; diese Steuererklärung ist ab dem Zeitpunkt eine Steueranmeldung im Sinne des § 150 Absatz 1 Satz 3 und des § 168 der Abgabenordnung, zu dem die in ihr enthaltenen Daten von der zuständigen Steuerbehörde des Mitgliedstaates der Europäischen Union, an die der Unternehmer die Steuererklärung übermittelt hat, dem Bundeszentralamt für Steuern übermittelt und dort in bearbeitbarer Weise aufgezeichnet wurden. Satz 2 gilt für die Berichtigung einer Steuererklärung entsprechend. Die Steuer ist am 20. Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraums fällig und bis dahin vom Unternehmer zu entrichten. Die Ausübung des Wahlrechts nach Satz 1 hat der Unternehmer in dem amtlich vorgeschriebenen, elektronisch zu übermittelnden Dokument der Steuerbehörde des Mitgliedstaates der Europäischen Union, in dem der Unternehmer ansässig ist, vor Beginn des Besteuerungszeitraums anzuzeigen, ab dessen Beginn er von dem Wahlrecht Gebrauch macht. Das Wahlrecht kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Besteuerungszeitraums an widerrufen werden. Der Widerruf ist vor Beginn des Besteuerungszeitraums, für den er gelten soll, gegenüber der Steuerbehörde des Mitgliedstaates der Europäischen Union, in dem der Unternehmer ansässig ist, auf elektronischem Weg zu erklären. Kommt der Unternehmer seinen Verpflichtungen nach den Sätzen 1 bis 5 oder § 22 Absatz 1 wiederholt nicht oder nicht rechtzeitig nach, schließt ihn die zuständige Steuerbehörde des Mitgliedstaates der Europäischen Union, in dem der Unternehmer ansässig ist, von dem Besteuerungsverfahren nach Satz 1 aus. Der Ausschluss gilt ab dem Besteuerungszeitraum, der nach dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Ausschlusses gegenüber dem Unternehmer beginnt. Die Steuererklärung nach Satz 1 gilt als fristgemäß übermittelt, wenn sie bis zum 20. Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraums (§ 16 Absatz 1b Satz 1) der zuständigen Steuerbehörde des Mitgliedstaates der Europäischen Union übermittelt worden ist, in dem der Unternehmer ansässig ist, und dort in bearbeitbarer Weise aufgezeichnet wurde. Die Entrichtung der Steuer erfolgt entsprechend Satz 4 fristgemäß, wenn die Zahlung bis zum 20. Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraums (§ 16 Absatz 1b Satz 1) bei der zuständigen Steuerbehörde des Mitgliedstaates der Europäischen Union, in dem der Unternehmer ansässig ist, eingegangen ist. § 240 der Abgabenordnung ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Säumnis frühestens mit Ablauf des 10. Tages nach Ablauf des auf den Besteuerungszeitraum (§ 16 Absatz 1b Satz 1) folgenden übernächsten Monats eintritt.

(4f) Soweit Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund und Länder durch ihr Handeln eine Erklärungspflicht begründen, obliegen der jeweiligen Organisationseinheit für die Umsatzbesteuerung alle steuerlichen Rechte und Pflichten. In den in § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b der Abgabenordnung genannten Verfahren tritt die Organisationseinheit insoweit an die Stelle der Gebietskörperschaft. § 2 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt. Die Organisationseinheiten können jeweils für ihren Geschäftsbereich durch Organisationsentscheidungen weitere untergeordnete Organisationseinheiten mit Wirkung für die Zukunft bilden. Einer Organisationseinheit übergeordnete Organisationseinheiten können durch Organisationsentscheidungen mit Wirkung für die Zukunft die in Satz 1 genannten Rechte und Pflichten der untergeordneten Organisationseinheit wahrnehmen oder mehrere Organisationseinheiten zu einer Organisationseinheit zusammenschließen. Die in § 1a Absatz 3 Nummer 2, § 2b Absatz 2 Nummer 1, § 3a Absatz 5 Satz 3, § 3c Absatz 4 Satz 1, § 18 Absatz 2 Satz 2, § 18a Absatz 1 Satz 2, § 19 Absatz 1, § 20 Satz 1 Nummer 1 und § 24 Absatz 1 Satz 1 genannten Betragsgrenzen gelten für Organisationseinheiten stets als überschritten. Wahlrechte, deren Rechtsfolgen das gesamte Unternehmen der Gebietskörperschaft erfassen, können nur einheitlich ausgeübt werden. Die Gebietskörperschaft kann gegenüber dem für sie zuständigen Finanzamt mit Wirkung für die Zukunft erklären, dass die Sätze 1 bis 5 nicht zur Anwendung kommen sollen; ein Widerruf ist nur mit Wirkung für die Zukunft möglich.

(4g) Die oberste Landesfinanzbehörde oder die von ihr beauftragte Landesfinanzbehörde kann anordnen, dass eine andere als die nach § 21 Absatz 1 der Abgabenordnung örtlich zuständige Finanzbehörde die Besteuerung einer Organisationseinheit des jeweiligen Landes übernimmt. Die oberste Landesfinanzbehörde oder die von ihr beauftragte Landesfinanzbehörde kann mit der obersten Finanzbehörde eines anderen Landes oder einer von dieser beauftragten Landesfinanzbehörde vereinbaren, dass eine andere als die nach § 21 Absatz 1 der Abgabenordnung zuständige Finanzbehörde die Besteuerung einer Organisationseinheit des Landes der zuständigen Finanzbehörde übernimmt. Die Senatsverwaltung für Finanzen von Berlin oder eine von ihr beauftragte Landesfinanzbehörde kann mit der obersten Finanzbehörde eines anderen Landes oder mit einer von dieser beauftragten Landesfinanzbehörde vereinbaren, dass eine andere als die nach § 21 Absatz 1 der Abgabenordnung zuständige Finanzbehörde die Besteuerung für eine Organisationseinheit der Gebietskörperschaft Bund übernimmt.

(5) In den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) ist abweichend von den Absätzen 1 bis 4 wie folgt zu verfahren:

1.
Der Beförderer hat für jede einzelne Fahrt eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck in zwei Stücken bei der zuständigen Zolldienststelle abzugeben.
2.
Die zuständige Zolldienststelle setzt für das zuständige Finanzamt die Steuer auf beiden Stücken der Steuererklärung fest und gibt ein Stück dem Beförderer zurück, der die Steuer gleichzeitig zu entrichten hat. Der Beförderer hat dieses Stück mit der Steuerquittung während der Fahrt mit sich zu führen.
3.
Der Beförderer hat bei der zuständigen Zolldienststelle, bei der er die Grenze zum Drittlandsgebiet überschreitet, eine weitere Steuererklärung in zwei Stücken abzugeben, wenn sich die Zahl der Personenkilometer (§ 10 Abs. 6 Satz 2), von der bei der Steuerfestsetzung nach Nummer 2 ausgegangen worden ist, geändert hat. Die Zolldienststelle setzt die Steuer neu fest. Gleichzeitig ist ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Finanzamts zu entrichten oder ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Beförderers zu erstatten. Die Sätze 2 und 3 sind nicht anzuwenden, wenn der Unterschiedsbetrag weniger als 2,50 Euro beträgt. Die Zolldienststelle kann in diesen Fällen auf eine schriftliche Steuererklärung verzichten.

(5a) In den Fällen der Fahrzeugeinzelbesteuerung (§ 16 Absatz 5a) hat der Erwerber, abweichend von den Absätzen 1 bis 4, spätestens bis zum 10. Tag nach Ablauf des Tages, an dem die Steuer entstanden ist, eine Steuererklärung, in der er die zu entrichtende Steuer selbst zu berechnen hat, nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln oder nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben (Steueranmeldung). Bei Verwendung des Vordrucks muss dieser vom Erwerber eigenhändig unterschrieben sein. Gibt der Erwerber die Steueranmeldung nicht ab oder hat er die Steuer nicht richtig berechnet, so kann die Finanzbehörde die Steuer festsetzen. Die Steuer ist am zehnten Tag nach Ablauf des Tages fällig, an dem sie entstanden ist, und ist bis dahin vom Erwerber zu entrichten.

(5b) In den Fällen des § 16 Abs. 5b ist das Besteuerungsverfahren nach den Absätzen 3 und 4 durchzuführen. Die bei der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) entrichtete Steuer ist auf die nach Absatz 3 Satz 1 zu entrichtende Steuer anzurechnen.

(6) Zur Vermeidung von Härten kann das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Fristen für die Voranmeldungen und Vorauszahlungen um einen Monat verlängern und das Verfahren näher bestimmen. Dabei kann angeordnet werden, dass der Unternehmer eine Sondervorauszahlung auf die Steuer für das Kalenderjahr zu entrichten hat.

(7) Zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens kann das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, dass und unter welchen Voraussetzungen auf die Erhebung der Steuer für Lieferungen von Gold, Silber und Platin sowie sonstige Leistungen im Geschäft mit diesen Edelmetallen zwischen Unternehmern, die an einer Wertpapierbörse im Inland mit dem Recht zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, verzichtet werden kann. Das gilt nicht für Münzen und Medaillen aus diesen Edelmetallen.

(8) (weggefallen)

(9) Zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens kann das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Vergütung der Vorsteuerbeträge (§ 15) an im Ausland ansässige Unternehmer, abweichend von § 16 und von den Absätzen 1 bis 4, in einem besonderen Verfahren regeln. Dabei kann auch angeordnet werden,

1.
dass die Vergütung nur erfolgt, wenn sie eine bestimmte Mindesthöhe erreicht,
2.
innerhalb welcher Frist der Vergütungsantrag zu stellen ist,
3.
in welchen Fällen der Unternehmer den Antrag eigenhändig zu unterschreiben hat,
4.
wie und in welchem Umfang Vorsteuerbeträge durch Vorlage von Rechnungen und Einfuhrbelegen nachzuweisen sind,
5.
dass der Bescheid über die Vergütung der Vorsteuerbeträge elektronisch erteilt wird,
6.
wie und in welchem Umfang der zu vergütende Betrag zu verzinsen ist.
Von der Vergütung ausgeschlossen sind in Rechnung gestellte Steuerbeträge für Ausfuhrlieferungen, bei denen die Gegenstände vom Abnehmer oder von einem von ihm beauftragten Dritten befördert oder versendet wurden, die nach § 4 Nummer 1 Buchstabe a in Verbindung mit § 6 steuerfrei sind, oder für innergemeinschaftliche Lieferungen, die nach § 4 Nummer 1 Buchstabe b in Verbindung mit § 6a steuerfrei sind oder in Bezug auf § 6a Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 steuerfrei sein können. Sind die durch die Rechtsverordnung nach den Sätzen 1 und 2 geregelten Voraussetzungen des besonderen Verfahrens erfüllt und schuldet der im Ausland ansässige Unternehmer ausschließlich Steuer nach § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder § 13a Absatz 1 Nummer 4, kann die Vergütung der Vorsteuerbeträge nur in dem besonderen Verfahren durchgeführt werden. Einem Unternehmer, der im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist und Umsätze ausführt, die zum Teil den Vorsteuerabzug ausschließen, wird die Vorsteuer höchstens in der Höhe vergütet, in der er in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, bei Anwendung eines Pro-rata-Satzes zum Vorsteuerabzug berechtigt wäre. Einem Unternehmer, der nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist, wird die Vorsteuer nur vergütet, wenn in dem Land, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat, keine Umsatzsteuer oder ähnliche Steuer erhoben oder im Fall der Erhebung im Inland ansässigen Unternehmern vergütet wird. Von der Vergütung ausgeschlossen sind bei Unternehmern, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind, die Vorsteuerbeträge, die auf den Bezug von Kraftstoffen entfallen. Die Sätze 6 und 7 gelten nicht für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind, soweit sie im Besteuerungszeitraum (§ 16 Absatz 1 Satz 2) vor dem 1. Juli 2021 als Steuerschuldner Umsätze nach § 3a Absatz 5 im Gemeinschaftsgebiet erbracht und für diese Umsätze von § 18 Absatz 4c Gebrauch gemacht haben oder diese Umsätze in einem anderen Mitgliedstaat erklärt sowie die darauf entfallende Steuer entrichtet haben; Voraussetzung ist, dass die Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit Umsätzen nach § 3a Absatz 5 stehen. Die Sätze 6 und 7 gelten auch nicht für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind, soweit sie im Besteuerungszeitraum (§ 16 Absatz 1 Satz 2) nach dem 30. Juni 2021 als Steuerschuldner Lieferungen nach § 3 Absatz 3a Satz 1 innerhalb eines Mitgliedstaates, Fernverkäufe nach § 3 Absatz 3a Satz 2, innergemeinschaftliche Fernverkäufe nach § 3c Absatz 1 Satz 2 und 3, Fernverkäufe nach § 3c Absatz 2 oder 3 oder sonstige Leistungen an Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 im Gemeinschaftsgebiet erbracht und für diese Umsätze von den §§ 18i, 18j oder 18k Gebrauch gemacht haben; Voraussetzung ist, dass die Vorsteuerbeträge mit Lieferungen nach § 3 Absatz 3a Satz 1 innerhalb eines Mitgliedstaates, Fernverkäufen nach § 3 Absatz 3a Satz 2, innergemeinschaftlichen Fernverkäufen nach § 3c Absatz 1 Satz 2 und 3, Fernverkäufen nach § 3c Absatz 2 oder 3 oder sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 im Zusammenhang stehen.

(10) Zur Sicherung des Steueranspruchs in den Fällen des innergemeinschaftlichen Erwerbs neuer motorbetriebener Landfahrzeuge und neuer Luftfahrzeuge (§ 1b Abs. 2 und 3) gilt folgendes:

1.
Die für die Zulassung oder die Registrierung von Fahrzeugen zuständigen Behörden sind verpflichtet, den für die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs neuer Fahrzeuge zuständigen Finanzbehörden ohne Ersuchen Folgendes mitzuteilen:
a)
bei neuen motorbetriebenen Landfahrzeugen die erstmalige Ausgabe von Zulassungsbescheinigungen Teil II oder die erstmalige Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens bei zulassungsfreien Fahrzeugen. Gleichzeitig sind die in Nummer 2 Buchstabe a bezeichneten Daten und das zugeteilte amtliche Kennzeichen oder, wenn dieses noch nicht zugeteilt worden ist, die Nummer der Zulassungsbescheinigung Teil II zu übermitteln,
b)
bei neuen Luftfahrzeugen die erstmalige Registrierung dieser Luftfahrzeuge. Gleichzeitig sind die in Nummer 3 Buchstabe a bezeichneten Daten und das zugeteilte amtliche Kennzeichen zu übermitteln. Als Registrierung im Sinne dieser Vorschrift gilt nicht die Eintragung eines Luftfahrzeugs in das Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen.
2.
In den Fällen des innergemeinschaftlichen Erwerbs neuer motorbetriebener Landfahrzeuge (§ 1b Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und Absatz 3 Nummer 1) gilt Folgendes:
a)
Bei der erstmaligen Ausgabe einer Zulassungsbescheinigung Teil II im Inland oder bei der erstmaligen Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens für zulassungsfreie Fahrzeuge im Inland hat der Antragsteller die folgenden Angaben zur Übermittlung an die Finanzbehörden zu machen:
aa)
den Namen und die Anschrift des Antragstellers sowie das für ihn zuständige Finanzamt (§ 21 der Abgabenordnung),
bb)
den Namen und die Anschrift des Lieferers,
cc)
den Tag der Lieferung,
dd)
den Tag der ersten Inbetriebnahme,
ee)
den Kilometerstand am Tag der Lieferung,
ff)
die Fahrzeugart, den Fahrzeughersteller, den Fahrzeugtyp und die Fahrzeug-Identifizierungsnummer,
gg)
den Verwendungszweck.
Der Antragsteller ist zu den Angaben nach den Doppelbuchstaben aa und bb auch dann verpflichtet, wenn er nicht zu den in § 1a Absatz 1 Nummer 2 und § 1b Absatz 1 genannten Personen gehört oder wenn Zweifel daran bestehen, dass die Eigenschaften als neues Fahrzeug im Sinne des § 1b Absatz 3 Nummer 1 vorliegen. Die Zulassungsbehörde darf die Zulassungsbescheinigung Teil II oder bei zulassungsfreien Fahrzeugen, die nach § 4 Absatz 2 und 3 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung ein amtliches Kennzeichen führen, die Zulassungsbescheinigung Teil I erst aushändigen, wenn der Antragsteller die vorstehenden Angaben gemacht hat.
b)
Ist die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb nicht entrichtet worden, hat die Zulassungsbehörde auf Antrag des Finanzamts die Zulassungsbescheinigung Teil I für ungültig zu erklären und das amtliche Kennzeichen zu entstempeln. Die Zulassungsbehörde trifft die hierzu erforderlichen Anordnungen durch schriftlichen Verwaltungsakt (Abmeldungsbescheid). Das Finanzamt kann die Abmeldung von Amts wegen auch selbst durchführen, wenn die Zulassungsbehörde das Verfahren noch nicht eingeleitet hat. Satz 2 gilt entsprechend. Das Finanzamt teilt die durchgeführte Abmeldung unverzüglich der Zulassungsbehörde mit und händigt dem Fahrzeughalter die vorgeschriebene Bescheinigung über die Abmeldung aus. Die Durchführung der Abmeldung von Amts wegen richtet sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz. Für Streitigkeiten über Abmeldungen von Amts wegen ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
3.
In den Fällen des innergemeinschaftlichen Erwerbs neuer Luftfahrzeuge (§ 1b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 3) gilt Folgendes:
a)
Bei der erstmaligen Registrierung in der Luftfahrzeugrolle hat der Antragsteller die folgenden Angaben zur Übermittlung an die Finanzbehörden zu machen:
aa)
den Namen und die Anschrift des Antragstellers sowie das für ihn zuständige Finanzamt (§ 21 der Abgabenordnung),
bb)
den Namen und die Anschrift des Lieferers,
cc)
den Tag der Lieferung,
dd)
das Entgelt (Kaufpreis),
ee)
den Tag der ersten Inbetriebnahme,
ff)
die Starthöchstmasse,
gg)
die Zahl der bisherigen Betriebsstunden am Tag der Lieferung,
hh)
den Flugzeughersteller und den Flugzeugtyp,
ii)
den Verwendungszweck.
Der Antragsteller ist zu den Angaben nach Satz 1 Doppelbuchstabe aa und bb auch dann verpflichtet, wenn er nicht zu den in § 1a Abs. 1 Nr. 2 und § 1b Abs. 1 genannten Personen gehört oder wenn Zweifel daran bestehen, ob die Eigenschaften als neues Fahrzeug im Sinne des § 1b Abs. 3 Nr. 3 vorliegen. Das Luftfahrt-Bundesamt darf die Eintragung in der Luftfahrzeugrolle erst vornehmen, wenn der Antragsteller die vorstehenden Angaben gemacht hat.
b) Ist die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb nicht entrichtet worden, so hat das Luftfahrt-Bundesamt auf Antrag des Finanzamts die Betriebserlaubnis zu widerrufen. Es trifft die hierzu erforderlichen Anordnungen durch schriftlichen Verwaltungsakt (Abmeldungsbescheid). Die Durchführung der Abmeldung von Amts wegen richtet sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz. Für Streitigkeiten über Abmeldungen von Amts wegen ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

(11) Die für die Steueraufsicht zuständigen Zolldienststellen wirken an der umsatzsteuerlichen Erfassung von Personenbeförderungen mit nicht im Inland zugelassenen Kraftomnibussen mit. Sie sind berechtigt, im Rahmen von zeitlich und örtlich begrenzten Kontrollen die nach ihrer äußeren Erscheinung nicht im Inland zugelassenen Kraftomnibusse anzuhalten und die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse festzustellen, die für die Umsatzsteuer maßgebend sind, und die festgestellten Daten den zuständigen Finanzbehörden zu übermitteln.

(12) Im Ausland ansässige Unternehmer (§ 13b Absatz 7), die grenzüberschreitende Personenbeförderungen mit nicht im Inland zugelassenen Kraftomnibussen durchführen, haben dies vor der erstmaligen Ausführung derartiger auf das Inland entfallender Umsätze (§ 3b Abs. 1 Satz 2) bei dem für die Umsatzbesteuerung zuständigen Finanzamt anzuzeigen, soweit diese Umsätze nicht der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) unterliegen. Das Finanzamt erteilt hierüber eine Bescheinigung. Die Bescheinigung ist während jeder Fahrt mitzuführen und auf Verlangen den für die Steueraufsicht zuständigen Zolldienststellen vorzulegen. Bei Nichtvorlage der Bescheinigung können diese Zolldienststellen eine Sicherheitsleistung nach den abgabenrechtlichen Vorschriften in Höhe der für die einzelne Beförderungsleistung voraussichtlich zu entrichtenden Steuer verlangen. Die entrichtete Sicherheitsleistung ist auf die nach Absatz 3 Satz 1 zu entrichtende Steuer anzurechnen.

(1) Ist ein Rechtsgeschäft unwirksam oder wird es unwirksam, so ist dies für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Dies gilt nicht, soweit sich aus den Steuergesetzen etwas anderes ergibt.

(2) Scheingeschäfte und Scheinhandlungen sind für die Besteuerung unerheblich. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgebend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 2 1 6 / 1 4
vom
29. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Januar 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 27. November 2013 im Strafausspruch dahin geändert, dass die Einzelstrafe für Fall 2 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum April 2006) auf einen Monat Freiheitsstrafe festgesetzt wird.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt, von der zwei Monate als vollstreckt gelten. Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision.
2
Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4, § 354 Abs. 1 StPO); im Übrigen ist es unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts führte der Angeklagte als technischer Leiter den operativen Geschäftsbetrieb der A. GmbH (im Folgenden : A. ), die u.a. mit alten Kraftfahrzeugkatalysatoren handelte, die der stofflichen Wiederverwertung zugeführt wurden. Er war insbesondere für den Kontakt mit Lieferanten zuständig und traf die Entscheidungen, mit welchen Unternehmen Geschäftsbeziehungen aufgenommen bzw. fortgeführt werden sollten.
4
a) Im Zeitraum Februar 2005 bis März 2007 bezog die A. Altkatalysatoren von einer Gruppe um die bereits rechtskräftig verurteilten M. und Ma. , die mit Hilfe von "Scheinunternehmen" gewerbsmäßig Umsatzsteuer im Altmetallhandel hinterzog. Als Anlieferer traten die zeitlich nacheinander eingesetzten "Scheinunternehmen" P. GmbH B. H. (im Folgenden: P. I), P. I. B. GmbH (im Folgenden : P. II), C. GmbH (im Folgenden: C. ) und B. GmbH (im Folgenden: B. ) auf, als deren Geschäftsführer Mitglieder der Gruppe fungierten. Die angelieferten Altkatalysatoren stammten nicht von diesen "Scheinunternehmen", die keinen operativen Geschäftsbetrieb unterhielten und zu entsprechenden Lieferungen nicht in der Lage gewesen wären , sondern wurden von der Gruppe im Ausland beschafft. Über die Anlieferungen wurde im Gutschriftverfahren mit den "Scheinunternehmen" abgerechnet. Die "Scheinunternehmen", die plangemäß ihren umsatzsteuerlichen Ver- pflichtungen nicht nachkamen, indem sie entweder keine oder unrichtige Steueranmeldungen abgaben und geschuldete Umsatzsteuer nicht abführten, vereinnahmten die von der A. ausgezahlten Umsatzsteuerbeträge für die Gruppe.
5
Der Angeklagte erkannte spätestens Ende April 2006 nach einem Gespräch mit M. und Ma. die Möglichkeit als naheliegend, dass es sich bei der zu diesem Zeitpunkt als Anlieferer auftretenden P. II um ein "Scheinunternehmen" handelte, das nur zum Zweck der Umsatzsteuerhinterziehung vorgeschoben wurde. Da er die Umsätze und Gewinne aus künftigen Lieferungen nicht verlieren wollte, setzte er die Geschäftsbeziehung fort und nahm dabei billigend in Kauf, dass die A. Vorsteuer aus den angeblichen Lieferungen der P. II zu Unrecht geltend machen würde. Auch bei den zeitlich nachfolgend als Anlieferer auftretenden Gesellschaften C. und B. erkannte der Angeklagte aufgrund der personellen Kontinuität die Möglichkeit als naheliegend, dass es sich auch insoweit nur um zum Zwecke der Umsatzsteuerhinterziehung vorgeschobene "Scheinunternehmen" handelte und nahm dies ebenso billigend in Kauf wie die daraus resultierende fehlende Berechtigung der A. zum Vorsteuerabzug.
6
b) Im Zeitraum März 2006 bis Dezember 2007 trat zudem der vom Angeklagten angeworbene bereits rechtskräftig verurteilte R. als Anlieferer von Altmetall und Altkatalysatoren auf. Teilweise unterzeichnete R. Scheingutschriften über angebliche Lieferungen an die A. , die tatsächlich nicht erbracht wurden, teils brachte er "zum Schein" Anlieferungen Dritter zu A. , die im Gutschriftverfahren auf ihn abgerechnet wurden. R. führte - wie der Angeklagte von Anfang an wusste - die in den "Scheingutschriften" ausgewiesene Umsatzsteuer nicht ab.
7
c) In den vom gutgläubigen Buchhalter bzw. dem ebenfalls gutgläubigen Steuerberater der A. abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate März 2006 bis Dezember 2006 und in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2007 wurden die in den Gutschriften über die Anlieferungen der P. II,C. und B. sowie des R. offen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer geltend gemacht. Die Vorsteuerbeträge beliefen sich in Summe auf 1.825.489,31 Euro, davon 1.732.233,80 Euro aus Anlieferungen durch P. II, C. und B. sowie 93.255,51 Euro aus Anlieferungen durch R. .
8
2. Das Landgericht hat die Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. der Umsatzsteuerjahreserklärung durch den gutgläubigen Buchhalter bzw. den ebenfalls gutgläubigen Steuerberater der A. als Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB durch den Angeklagten als mittelbaren Täter gewertet.
9
Der Vorsteuerabzug aus den Gutschriften sei zu Unrecht erfolgt, da es sich bei den "Scheinunternehmen" nicht um Unternehmer i.S.v. § 15 UStG handele und diese die Leistungen tatsächlich nicht erbracht hätten. Dies habe der Angeklagte hinsichtlich der Anlieferungen durch R. von Anfang an gewusst , so dass der Vorsteuerabzug insgesamt zu versagen sei. Hinsichtlich der Anlieferungen durch P. II, C. und B. habe er dies ab Ende April 2006 billigend in Kauf genommen, so dass die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs ab der am 7. Juni 2006 abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat April 2006, in der Vorsteuer in Höhe von 144.269,60 Euro aus angeblichen Lieferungen der P. II geltend gemacht wurde, zu Unrecht erfolgt sei. Für den Zeitraum vor April 2006 sei dem Angeklagten ein vorsätzliches Handeln nicht nachzuweisen, so dass dieser insoweit freizusprechen sei.

II.


10
Die Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 23. Juli 2014 zutreffend dargelegten Gründen ohne Erfolg.

III.


11
Der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen hält materiellrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis Stand.
12
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen, dass für dieA. durch den Angeklagten als mittelbaren Täter in den durch den gutgläubigen Buchhalter bzw. den ebenfalls gutgläubigen Steuerberater abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate März 2006 bis Dezember 2006 sowie in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2007 aus Gutschriften für die Lieferung von Altkatalysatoren und Altmetall zu Unrecht ein Vorsteuerabzug vorgenommen wurde. Damit hat der Angeklagte täterschaftlich gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht, die zu einer Steuerverkürzung geführt haben (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 168 StPO).
13
Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
14
1. Die Verurteilung im Fall 2 der Urteilsgründe wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum April 2006 hat Bestand, auch wenn das Landgericht hinsichtlich der Vorsteuerabzugsberechtigung der A. in Höhe von 144.269,60 Euro aus den Lieferungen der P. II im April 2006 auf einen unzutreffenden Zeitpunkt abgestellt hat.
15
a) Für die Frage, ob die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug vorliegen , kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Abgabe der Steueranmeldung, in welcher der Vorsteuerabzug vorgenommen wird, sondern auf den Zeitpunkt der Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung an. Eine einmal bestehende Berechtigung zum Vorsteuerabzug fällt nicht deshalb nachträglich weg, weil der Unternehmer später von Umständen Kenntnis erlangt, die dem Vorsteuerabzug entgegen gestanden hätten, wenn er sie bereits bei Bezug der Waren gekannt hätte. Demnach ist es für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug ohne Bedeutung , ob der Leistungsempfänger, der eine Lieferung noch "in gutem Glauben" erhalten hat, nachträglich erkennt, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt hat, der in eine anderweitig begangene "Mehrwertsteuerhinterziehung" einbezogen war (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331, 333 mwN).
16
b) Im Zeitpunkt der Lieferung der Altkatalysatoren durch die P. II im April 2006 lagen die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug vor.
17
Die Auffassung des Landgerichts, ein Vorsteuerabzug scheide deswegen aus, weil die P. II als "Scheinunternehmen" nicht als Unternehmer i.S.v. § 15 UStG anzusehen sei und die Leistungen nicht erbracht habe, begegnet durchgreifenden Bedenken.
18
(1) Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen, wenn er eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die Rechnung kann nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG auch von einem Leistungsempfänger, der Unternehmer oder eine nichtunternehmerische juristische Person ist, im sog. Gutschriftverfahren ausgestellt werden. Ein Vorsteuerabzug kommt demnach nur in Betracht, wenn der Rechnungsaussteller bzw. der Empfänger der Gutschrift und der leistende Unternehmer, der die in der Rechnung bzw. Gutschrift bezeichnete Leistung ausgeführt hat, identisch sind.
19
(2) Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Auch ein Strohmann, der nach außen im eigenen Namen auftritt, im Verhältnis zum Hintermann jedoch auf dessen Rechnung handelt, kann daher leistender Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein. Vorgeschobene Strohmanngeschäfte zwischen einem Strohmann und dem Leistungsempfänger sind hingegen dann umsatzsteuerrechtlich - wie auch zivilrechtlich - unbeachtlich, wenn sie nur zum Schein (vgl. § 41 Abs. 2 AO) abgeschlossen sind, mithin die Vertragsparteien - der Strohmann und der Leistungsempfänger - einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 2014 - 1 StR 29/14, NStZ-RR 2014, 310, 312; vom 5. Februar 2014 - 1 StR 422/13, wistra 2014, 191 und vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331, 333 jeweils mwN).
20
(3) Gemessen daran war die P. II für die im Voranmeldungszeitraum April 2006 erfolgten Lieferungen von Altkatalysatoren als leistende Unternehmerin anzusehen. Nach den Feststellungen des Landgerichts gingen zum Zeitpunkt der Lieferungen auf Seiten der Leistungsempfängerin A. alle Beteiligten einschließlich des Angeklagten davon aus, dass vertragliche Beziehungen zur P. II bestanden. Bis Ende April 2006 wusste bei A. weder jemand davon noch hätte jemand davon wissen müssen, dass die P. II nur zum Zwecke der Umsatzsteuerhinterziehung vorgeschoben wurde. Der Um- stand, dass der Angeklagte im Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung am 7. Juni 2006 diese Möglichkeit als naheliegend erkannt hatte und dies billigend in Kauf nahm, führt nicht nachträglich zu einer Versagung des Vorsteuerabzugs (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331, 333 mwN).
21
c) Der Schuldspruch hat aber im Hinblick darauf Bestand, dass im Voranmeldungszeitraum April 2006 aus den Gutschriften über die Anlieferungen durch R. Vorsteuer i.H.v. 3.085,12 Euro zu Unrecht geltend gemacht wurde.
22
(1) Dies ergibt sich, soweit es sich um reine Scheingutschriften gehandelt hat, bereits daraus, dass die in den Gutschriften bezeichneten Leistungen - wie der Angeklagte wusste - tatsächlich nicht ausgeführt wurden.
23
(2) Auch soweit R. "zum Schein" Anlieferungen Dritter zu A. brachte, die im Gutschriftverfahren auf ihn abgerechnet wurden, besteht kein Vorsteuerabzugsrecht der A. .
24
Der Angeklagte, der R. selbst angeworben hatte, wusste von Beginn der Geschäftsbeziehung an, dass sich A. mit den den Gutschriften zugrunde liegenden Erwerbsvorgängen an Umsätzen beteiligt hat, die in eine "Mehrwertsteuerhinterziehung" einbezogen waren. Dies führt zu einer Versagung des Vorsteuerabzugs der A. (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331, 333 mwN).
25
Die A. muss sich das Wissen des Angeklagten zurechnen lassen. Einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist nicht nur das etwaige Wissen ihres Geschäftsführers als ihres gesetzlichen Vertreters nach § 35 GmbHG, sondern auch das Wissen ihrer sonstigen Angestellten in analoger Anwendung des § 166 BGB zuzurechnen, wenn die Mitarbeiter die Kenntnisse infolge der vorgesehenen Arbeitsteilung und Organisation des Betriebs im Rahmen ihrer Zuständigkeit erlangt haben oder hätten erlangt haben müssen. Dies beruht auf der Erwägung, dass derjenige, der sich zur Erfüllung seiner Verpflichtungen eines anderen bedient, nicht besser stehen darf als derjenige, der diese Verpflichtungen selbst erfüllt (vgl. BFH, Urteil vom 19. Mai 2010 - XI R 78/07, BFH/NV 2010, 2132 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 318/12, wistra 2013, 463). Die Zuständigkeit des Angeklagten für das operative Geschäft und insbesondere für die Entscheidungen über Aufnahme und Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen mit den Lieferanten rechtfertigt eine Zurechnung seiner in diesem Zusammenhang erlangten Kenntnisse.
26
2. Die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung in den übrigen Fällen ist nicht zu beanstanden. In den betreffenden Steueranmeldungen wurde zu Unrecht ein Vorsteuerabzug hinsichtlich der in den Gutschriften ausgewiesenen Umsatzsteuer in Anspruch genommen.
27
Insbesondere hätte der Angeklagte, der ab dem Voranmeldungszeitraum Mai 2006 auch hinsichtlich der Lieferungen der P. II sowie der zeitlich nachfolgend als Anlieferer auftretenden Firmen C. und B. die naheliegende Möglichkeit erkannte, dass diese nur zum Zwecke der Umsatzsteuerhinterziehung vorgeschoben wurden, und dies billigend in Kauf nahm, jedenfalls wissen müssen, das sich die A. auch insoweit mit den Erwerbsgeschäften an einem Umsatz beteiligte, der in eine "Mehrwertsteuerhinterziehung" einbezogen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, wistra 2014, 141 mwN). Auch dieses "Wissenmüssen" des Angeklagten muss sich die A. zurechnen lassen (vgl. BFH, Urteil vom 19. Mai 2010 - XI R 78/07, BFH/NV 2010, 2132 mwN).
28
3. Die Annahme, der Angeklagte habe die Steuerhinterziehung als mittelbarer Täter (vgl. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) begangen, wird von den Feststellungen getragen. Der Angeklagte hat durch seine Tatbeiträge - nämlich die Entscheidung , die Geschäftsbeziehung mit P. II fortzuführen bzw. Geschäftsbeziehungen zu C. , B. und R. aufzunehmen - bewirkt, dass durch den ohne Vorsatz handelnden Buchhalter bzw. Steuerberater in den von diesen abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate März 2006 bis Dezember 2006 bzw. in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2007 die in den Gutschriften der P. II, C. , B. und R. ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge zu Unrecht als Vorsteuer geltend gemacht wurde.
29
4. Auch die Annahme von Tatmehrheit (§ 53 StGB) ist nicht zu beanstanden. Der Tatbeitrag des Angeklagten erschöpfte sich nicht in der Einrichtung eines auf Steuerhinterziehung ausgerichteten Systems (sog. uneigentliches Organisationsdelikt; vgl. BGH, Beschluss vom 1. April 2008 - 5 StR 90/08, wistra 2008, 261). Der Angeklagte hat durch die Abwicklung der Anlieferungen und Abrechnungen einen Beitrag zur Abgabe jeder unrichtigen Steueranmeldung geleistet.

IV.


30
Im Rahmen der Strafzumessung hält allein der Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 2 (Hinterziehung von Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum April 2006) revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat bei der Festsetzung der Einzelstrafe eine zu hohe Steuerverkürzung zugrunde gelegt, indem es zu Unrecht (vgl. zu 1.b.) von einer fehlenden Berechtigung zum Vorsteuerabzug über die Anlieferungen von R. in Höhe von 3.085,12 Euro hinaus auch für die Lieferungen der P. II im April 2006 in Höhe von 144.269,60 Euro ausgegangen ist.
31
Der Senat setzt auf den Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 354 Abs. 1 StPO im Fall 2 eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Monat (vgl. § 370 Abs. 1 AO) fest.
32
Der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat trotz der Herabsetzung der im Fall 2 der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafe Bestand. Der Senat schließt angesichts der in den übrigen Fällen verhängten Einzelfreiheitsstrafen aus, dass das Landgericht auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

V.

33
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, Abs. 4 StPO. Der nur geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen. Raum Graf Jäger Cirener Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 2 9 / 1 4
vom
8. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2014 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29. Juli 2013 aufgehoben,
a) mit den Feststellungen, soweit es ihn betrifft,
b) mit den Feststellungen, soweit die Mitangeklagte F. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in fünf Fällen (Fälle C.III.1 der Urteilsgründe) verurteilt worden ist,
c) im Ausspruch über die die Mitangeklagte F. betreffende Gesamtstrafe. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten W. „wegen Steuerhinter- ziehung in zwölf Fällen“ zu zwei Gesamtfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, wobei es in die erste Gesamtfreiheitsstrafe eine andere Strafe einbezogen hat. Die nicht revidierende Mitangeklagte F. hat es wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in fünf Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte W. mit der Sachrüge und Verfahrensrügen. Die Revision führt bereits mit der Sachrüge zur umfassenden Aufhebung des Urteils (§ 349 Abs. 4 StPO) betreffend den Angeklagten W. . Dies zieht hinsichtlich der nicht revidierenden Mitangeklagten in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang ebenfalls die Aufhebung nach sich (§ 357 Satz 1 StPO).

I.


3
1. Das Landgericht hat festgestellt:
4
Der Angeklagte verkaufte als „ambulanter Schrotthändler“ in erheblichem Umfang Schrott- und Altmetalle. Kleinere Mengen verkaufte er im eigenen Namen. Weit überwiegend setzte er jedoch zum Verkauf des von ihm erworbenen Schrotts Strohleute ein, um das Ausmaß seines Schrotthandels zu verschleiern und so seiner Steuerpflicht zu entgehen. Als ein solcher Strohmann fungierte der Zeuge D. . Diesem fiel die Aufgabe zu, als Lieferant des dem Angeklagten gehörenden Schrotts und Altmetalls aufzutreten. Die an den Zeugen D. ausbezahlten Kaufpreise einschließlich der Umsatzsteuer händigte dieser an den Angeklagten aus, erhielt aber Beträge von rund 300 Euro als Entlohnung für seine Tätigkeit. Auf diese Art und Weise lieferten der Angeklagte W. und der Zeuge D. zwischen Oktober 2003 und Oktober 2006 in 245 Fällen erhebliche Mengen Schrott und Altmetall bei mehreren Schrotthandelsfirmen ein. Die Empfängerfirmen stellten die Abrechnungen jeweils auf den Namen des Zeugen D. aus. Ebenso wie der Zeuge D. trat auch die Mitangeklagte F. ab Mai 2006 bis Ende 2007 für den Angeklagten in Erscheinung. Auf ihren Namen wurden insgesamt 75 Schrottlieferungen abgerechnet.
5
Dabei war dem Angeklagten ebenso wie D. und F. be- wusst, dass er „entsprechend der tatsächlichen Gegebenheiten selbst als Ein- lieferer gegenüber den Schrotthandelsfirmen hätte auftreten und die Einnahmen aus den Einlieferungen (....) zur Umsatzsteuer, zur Gewerbesteuer und zur Einkommensteuer hätte erklären müssen“. Dennoch gab er keine Umsatzsteu- erjahreserklärungen (Jahre 2003 bis 2007), Einkommensteuererklärungen (Veranlagungszeiträume 2004 bis 2007) und Gewerbesteuererklärungen (Veranlagungszeiträume 2004 bis 2006) ab. Hierdurch wurden Steuern in Höhe von insgesamt 558.120 Euro verkürzt.
6
2. Das Landgericht hat die über F. und D. erfolgten Schrottlieferungen dem Angeklagten zugerechnet und ihn zur Anmeldung der hierauf anfallenden Umsatzsteuer verpflichtet erachtet, da er „wirtschaftlich ... der wahre Einlieferer des Schrotts“ gewesen sei. Dies folgert es daraus, dass F. und D. „auf Rechnung des Angeklagten“ handelten, nicht „In- haber“ des Schrotts waren und nur der Angeklagte „wirtschaftlich in der Lage war“, die Schrotthandelsunternehmen mit Schrott in dem erfolgten Umfang zu beliefern. Zur Berechnung der verkürzten Umsatzsteuer hat es die über D. und F. abgerechneten Schrotteinlieferungen ermittelt und die auf den eigenen Namen des Angeklagten erfolgten Lieferungen hinzugerechnet. Bei der Berechnung der verkürzten Einkommensteuer und der Gewerbesteuer ist es ebenfalls von den über F. , D. oder seinen eigenen Namen abgerechneten Schrottlieferungen als Betriebseinnahmen ausgegangen; es hat diesen aber Betriebsausgaben in Höhe von 90 Prozent gegenüber gestellt.

II.


7
Das Urteil hält materiell-rechtlicher Prüfung nicht stand. Denn die vom Landgericht vorgenommene umsatz- und ertragsteuerliche Zurechnung der von F. und D. vorgenommenen Schrotteinlieferungen bei den Schrotthandelsfirmen auf den Angeklagten wird von den Feststellungen nicht getragen. Allein die – für sich genommen rechtsfehlerfrei – festgestellte Strohmanneigenschaft reicht hierzu nicht aus.
8
1. Fälle C.II.4 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Umsatzsteuer)
9
Die Erstreckung der Umsatzsteuererklärungspflicht des Angeklagten auf die von D. und F. abgerechneten Schrotteinlieferungen findet in den Feststellungen keine Grundlage. Da es keine umsatzsteuerrechtliche Mitunternehmerschaft gibt, trifft den Angeklagten die sich aus einer Unternehmerstellung im Sinne des § 2 UStG ergebende Erklärungspflicht für das Geschäft mit den Schrotthandelsunternehmen nur dann, wenn die Einlieferungen von D. und F. durch ihn und nicht durch diese als leistende Unternehmer erfolgten. Dies ist bislang nicht belegt, denn tragfähige Feststellungen zu den Vorstellungen der jeweiligen Vertragspartner dazu, wen die Rechtswirkungen des Geschäfts treffen sollten, fehlen. Dessen hätte es aber bedurft, denn es gilt Folgendes:
10
a) Auch ein Strohmann, der nach außen im eigenen Namen auftritt, im Verhältnis zum Hintermann jedoch auf dessen Rechnung handelt, kann leistender Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Februar 2014 – 1 StR 422/13, NStZ 2014, 335 mwN). Dem steht weder entgegen, dass er im Innenverhältnis die Weisungen des Auftraggebers zu befolgen hat (vgl. BFH, Urteil vom 26. Juni 2003 – V R 22/02, DStRE 2004, 153; Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, 158. Lfg., § 3 Rn. 2441 [Strohmann]; zu den Leistungsbeziehungen zwischen Stroh- und Hintermann vgl. BFH, Urteil vom 12. Mai 2011 – V R 25/10, DStRE 2011, 1326), noch, dass er zuvor kein Eigentum an den Liefergegenständen erworben hat (vgl. Urteil vom 28. Januar 1999 – V R 4/98, BFHE 188, 456). Umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich ist es auch, dass dem Strohmann der wirtschaftliche Erfolg seiner Tätigkeit letztlich nicht verbleibt (BFH, Urteil vom 26. Juni 2003 – V R 22/02, DStRE 2004, 153). Für die umsatzsteuerrechtliche Einstufung des Strohmannes als Leistender reicht es vielmehr aus, wenn er den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über den Liefergegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht, vgl. hierzu zusammenfassend Leonard in Bunjes, UStG, 13. Aufl., § 3 Rn. 51 ff.).
11
b) „Vorgeschobene“ Strohmanngeschäfte zwischen einem Strohmann und dem Leistungsempfänger sind aber dann umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich , wenn sie nur zum Schein (vgl. § 41 Abs. 2 AO) abgeschlossen sind, mithin die Vertragsparteien – der Strohmann und der Leistungsempfänger – einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem Hintermann eintreten sollen (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 5. Februar 2014 – 1 StR 422/13 mwN, NStZ 2014, 335). Ob dies der Fall ist, hängt von den tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls ab, die vom Tatgericht in einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände (vgl. auch BFH, Urteil vom 4. September 2003 – V R 9/02, V R 10/02, BFHE 203, 389) zu würdigen sind.
12
c) Dass im vorliegenden Fall allein die Annahme eines solchen Scheingeschäfts die Stellung des Angeklagten als Leistender tragen könnte, hat das Landgericht nicht in den Blick genommen. Es bleibt daher unerörtert, ob es sich aus Sicht der Schrotthandelsfirmen bei den Einlieferungen um Eigengeschäfte des Angeklagten handelte, worauf es für eine Erklärungspflicht des Angeklagten insoweit angekommen wäre.
13
2. Fälle C.II.6 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Gewerbesteuer)
14
Die nicht näher begründete Annahme des Landgerichts, die über F. bzw. D. abgerechneten Schrottlieferungen seien auch gewerbesteuerlich allein dem Angeklagten zuzurechnen, hält rechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand. Der Umstand, dass F. und D. „nicht auf eigene Rechnung“ tätig geworden sind, führt nicht notwendig dazu, dass der Angeklagte ertragsteuerlich als der alleinige Gewerbetreibende anzusehen ist. Bei einer Mitunternehmerschaft zwischen dem Angeklagten und den jeweiligen Strohleuten – bei Einsatz von zwei Strohleuten u.U. sogar mehrere – ergeben sich aber abweichende gewerbesteuerrechtliche Erklärungspflichten.
15
a) Für die Frage, wer von mehreren Personen, die an einer gewerblichen Tätigkeit beteiligt sind, ertragsteuerlich als Unternehmer anzusehen ist, kommt es dabei weder auf die von den Beteiligten ausdrücklich gewählte Bezeichnung ihrer Rechtsbeziehungen (BFH, Beschluss vom 2. September 1985 – IV B 51/85, BStBl. II 1986, 10), noch auf den Rechtsschein, der nach außen etwa durch die gewerbepolizeiliche Anmeldung gesetzt wird (BFH, Beschluss vom 14. September 2004 – XI B 121/03 mwN), an. (Mit-)Unternehmer i.S.d. § 15 EStG ist vielmehr, wer nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eine (Mit-)Unternehmerinitiative entfalten kann und das (Mit-)Unternehmerrisiko trägt (vgl. Bode in Blümich, EStG, KStG, GewStG, 122. Aufl., § 15 EStG Rn. 222; zur Gewerbesteuer vgl. auch Sarrazin in Lenski/Steinberg, GewStG, 109. Lief., § 2 Rn. 165, jeweils mit mwN aus der Rspr. des BFH). Die Merkmale der (Mit-) Unternehmerinitiative und des (Mit-)Unternehmerrisikos können im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein, müssen jedoch beide vorliegen. Dies ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände durch den Tatrichter zu würdigen (BFH, Beschluss vom 25. Juni 1984 – GrS 4/82 – BStBl II 1984, 751).
16
b) Tritt eine Person nach außen als Unternehmer im eigenen Namen auf, handelt sie aber auf Rechnung eines Dritten und ist im Innenverhältnis an dessen Weisungen gebunden (Strohmann), so kann deren Mitunternehmerschaft daraus folgen, dass ihr, weil sie nach außen als Geschäftsinhaber auftritt , eine Vertretungsmacht zukommt, die durch Abreden im Innenverhältnis naturgemäß nicht beschränkbar ist (BFH, Urteil vom 10. Mai 2007 – IV R 2/05, BFHE 218, 152). Entscheidend ist auch hier stets das Gesamtbild der Verhältnisse (zu besonderen Fallgestaltungen [Prägung durch persönliche Arbeitsleistung , geringe Kapitalintensität, geringes wirtschaftliches Risiko] etwa BFH, Urteil vom 4. November 2004 – III R 21/02, BFHE 207, 321).
17
c) Die danach erforderliche Gesamtwürdigung der tatsächlichen Umstände lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Das Landgericht hat seine Wertung , der Angeklagte habe die aus den Einlieferungen durch D. und F. resultierende Gewerbe(- und Einkommen)steuer geschuldet, vielmehr auch insoweit allein auf das interne Verhältnis zwischen dem Angeklagten und seinen Strohleuten gestützt. Freilich ist die Frage, wer Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ist und die aufgrund im Rahmen eines Unternehmens getätigter Umsätze entstandene Umsatzsteuer schuldet, unabhängig von der Frage zu beantworten, wer einen Gewerbebetrieb führt und deswegen zur Einkommensteuer und zur Gewerbesteuer zu veranlagen ist (vgl. BFH, Beschluss vom 20. Februar 2004 – V B 152/03). Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Auftreten von F. und D. nach außen bei der ertragsteuerlichen Zurechnung der Betriebseinnahmen von vornherein in jeder Hinsicht außer Betracht bleiben könnte [zur (Mit-)Unternehmerschaft in Fallgestaltungen der Einschaltung von Strohleuten vgl. auch Haep in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 257. Lfg., § 15 EStG Rn. 365 mwN aus der Rspr. des BFH].
18
3. Fälle C.II.7 (Hinterziehung von Einkommensteuer)
19
Aus den unter 2. dargelegten Gründen kann letztlich nicht ausgeschlossen werden, dass auch die bei den Einkommensteuerhinterziehungen zugrunde gelegten Hinterziehungsbeträge fehlerhaft berechnet worden sind.

III.


20
Der Senat hebt die dem Urteil zu Grunde liegenden Feststellungen den Angeklagten betreffend umfassend auf (§ 353 Abs. 2 StPO), auch um dem neuen Tatrichter die Gelegenheit zu geben, widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen.

IV.


21
Soweit die nicht revidierende Mitangeklagte F. wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer verurteilt worden ist, kam eine Erstreckung der Aufhebung des Urteils gemäß § 357 StPO nicht in Betracht. Die Abrechnungen der Schrotteinlieferungen auf den Namen der Mitangeklagten F. waren nämlich ausweislich der Urteilsgründe unter Ausweis der Umsatzsteuer erfolgt. Da sie damit in jedem Falle – und sei es gemäß § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG – die in den auf ihren Namen ausgestellten Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer schuldete, scheidet hier schon aus diesem Grunde eine den Angeklagten W. und die Mitangeklagte F. gleichermaßen betreffende Gesetzesverletzung aus. Soweit sie jedoch wegen Beteiligung an der den Angeklagten W. zur Last gelegten Steuerhinterziehung verurteilt worden ist (Fälle C.III.1 der Urteilsgründe), beruht dies auf dem gleichen sachlich-rechtlichen Mangel, so dass die Aufhebung des Urteils insoweit gemäß § 357 Satz 1 StPO auf sie zu erstrecken ist. Damit entfallen die in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe.

V.


22
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
23
1. Käme die neu berufene Strafkammer zu dem Schluss, dass die Umsätze durch die Strohleute dem Angeklagten umsatzsteuerrechtlich nicht zurechenbar sein sollten, wäre zu prüfen, ob der Angeklagte bei der Einlieferung an die Schrotthandelsunternehmen zugleich eine umsatzsteuerrechtliche Lieferung an F. und D. bewirkte. Der Umfang der vom Angeklagten verkürz- ten Umsatzsteuer wäre dabei allerdings auf der Grundlage der erzielten Kaufpreise abzüglich der von F. bzw. D. einbehaltenen Geldbeträge zu bestimmen (vgl. [zu Treuhandverhältnissen] auch Flückiger inPlückebaum/ Widmann, UStG, 188. Lief., § 3 Abs. 1 Rn. 328).
24
2. Anhand der oben dargelegten Grundsätze wird zu prüfen sein, ob ertragsteuerlich von einer bzw. mehreren Mitunternehmerschaft(en) zwischen dem Angeklagten einerseits und F. bzw. D. andererseits auszugehen ist. Liegt eine Mitunternehmerschaft vor, sind zur Ermittlung der vom Angeklagten hinterzogenen Einkommensteuer dessen gewerblich erzielte Gewinne insgesamt entsprechend der tatsächlichen Teilhabe am betrieblichen Ergebnis (vgl. Haep in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 257. Lfg., § 15 EStG Rn. 365 mwN) – erforderlichenfalls im Wege der Schätzung – einzustellen. Im Hinblick auf die verkürzte Gewerbesteuer ist zu berücksichtigen, dass sich im Falle des Vorliegens einer Mitunternehmerschaft die Pflicht zur Abgabe einer Gewerbesteuererklärung auf jeden einzelnen Gewerbebetrieb erstreckt (zusammenfassend zu den Erklärungspflichten Madauß, NZWiSt 2013, 332, 336). Für den Fall, dass ertragsteuerlich F. und D. die Einkünfte aus den hier in Rede stehenden Schrottverkäufen in voller Höhe zuzurechnen sind, kommt in Betracht, die – um die Zahlungen an F. bzw. D. verminderten – Einkünfte dem Angeklagten als (dann) Einzelgewerbetreibenden zuzurechnen.
25
3. Sollte abermals auf zwei Gesamtfreiheitsstrafen erkannt werden, wird zu beachten sein, dass sich schon aus dem Tenor, nicht nur aus den Gründen des Urteils ergeben muss, für wie viele Taten der Angeklagte zu den jeweiligen Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt ist.
Raum Jäger Cirener
RiBGH Prof. Dr. Mosbacher ist im Urlaub und deshalb an der Unterschriftsleistung verhindert. Radtke Raum

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 4 2 2 / 1 3
vom
5. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Februar 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 25. März 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten K. , S. und A. jeweils wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren (Angeklagte K. und A. ) bzw. drei Jahren und sechs Monaten (Angeklagter S. ) verurteilt und bestimmt, dass die vom Angeklagten A. in Österreich erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 angerechnet wird.
2
Hiergegen haben die Angeklagten Revision eingelegt, mit der sie jeweils die Verletzung materiellen Rechts rügen; die Angeklagten K. und S. erheben auch Verfahrensrügen.

3
Die Rechtsmittel der Angeklagten haben mit der Sachrüge jeweils vollen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrügen nicht bedarf.

I.


4
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts handelten die Angeklagten über die von ihnen geführte Su. GmbH mit Computerbauteilen. Diese bezogen sie über die Initiatoren eines auf die "planmäßige Nichtabführung der Umsatzsteuer" gerichteten Hinterziehungssystems. Diese Initiatoren waren der bereits verurteilte Zeuge O. sowie der gesondert Verfolgte B. . O. und B. hatten die Ware aus dem Ausland beschafft und (in näher bezeichneter Weise, UA S. 15) "direkt an die Su. GmbH angeliefert" (UA S. 26). Die der Su. GmbH in diesem Zusammenhang erteilten Rechnungen waren demgegenüber auf die M. GmbH bzw. auf die E. GmbH ausgestellt. Bei diesen Firmen handelte es sich um wirtschaftlich inaktive, formal von Strohleuten vertretene, tatsächlich aber von O. und B. sowie dem Zeugen Ei. beherrschte Firmen. O. und B. hatten diese Firmen "zwischengeschaltet", um die wahren Lieferwege und die im Vorfeld stattgefundene Umsatzsteuerhinterziehung zu verschleiern. Diese Umsatzsteuerhinterziehung bestand darin, dass weitere - ebenfalls von O. und B. gesteuerte - inländische Firmen (jedenfalls nach Papierlage) die Computerbauteile von in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässigen Firmen erwarben und rechnungsmäßig unter Ausweis von Umsatzsteuer an die M. GmbH bzw. die E. GmbH weiterverkauften, die in den Rechnun- gen ausgewiesene Umsatzsteuer jedoch "planmäßig" nicht an die Finanzbehörden abführten.
5
b) Aufgrund einer Durchsuchung der Geschäftsräumlichkeiten der Su. GmbH vom 27. April 2005 wussten die Angeklagten, dass gegen O. und B. ein Ermittlungsverfahren anhängig war (UA S. 26). Anlässlich dieser Durchsuchung wurde den Angeklagten die Funktionsweise eines Umsatzsteuerkarussells und der Verdacht gegen O. , mit der M. GmbH ein solches Umsatzsteuerkarussell zu betreiben, erläutert. Danach brachen die Einkäufe bei der M. GmbH und der E. GmbH weg; die letzte der Su. GmbH in diesem Zusammenhang erteilte Rechnung datierte vom 26. April 2005.
6
c) In der am 10. April 2006 für das Jahr 2004 und der am 22. Februar 2007 für das Jahr 2005 abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung der Su. GmbH machten die Angeklagten aus den Einkäufen bei den Firmen M. GmbH und der E. GmbH die jeweils ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer geltend. Diese Vorsteuerbeträge beliefen sich in Summe auf rund 850.000 Euro (Jahr 2004) und 1.330.000 Euro (Jahr 2005).
7
2. Das Landgericht hat die Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2004 und 2005 jeweils als Taten der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gewertet.
8
Der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der M. GmbH und der E. GmbH sei ungerechtfertigt, weil, was den Angeklagten bekannt gewesen sei, sich die Su. GmbH an einem "Umsatzsteu- erkarussell" beteiligt habe und nicht die in den Rechnungen genannten Firmen, sondern O. und B. die tatsächlichen Lieferanten der Su. GmbH gewesen seien.
9
Dass die Angeklagten zum Zeitpunkt der Abgabe der Jahresumsatzsteuererklärungen die mangelnde Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der M. GmbH und E. GmbH zumindest billigend in Kauf genommen hätten, folge bereits daraus, dass die Angeklagten anlässlich der Durchsuchung der Geschäftsräumlichkeiten der Su. GmbH, also noch vor Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen, von dem Ermittlungsverfahren gegen O. und B. und von deren auf Hinterziehung von Umsatzsteuer angelegten System erfuhren. Damit, so das Landgericht, war bei allen Angeklagten nach der Durchsuchung am 27. April 2005 dolus eventualis gegeben (UA S. 32).

II.


10
Das Urteil hält materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
11
Die Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung nicht. Zum einen ist die mangelnde Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der M. GmbH bzw. der E. GmbH nicht rechtsfehlerfrei begründet (nachfolgend unter 1.). Zum anderen kann den getroffenen Feststellungen nicht entnommen werden, ob jeweils Tatvollendung oder nur Versuch vorliegt (nachfolgend unter 2.).

12
1. Die Annahme des Landgerichts, dass die Angeklagten in den Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Su. GmbH gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht haben, indem sie die in den Rechnungen der Firmen M. GmbH und E. GmbH ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machten, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
13
a) Dass sich die Angeklagten mit den Warenbezügen von den Firmen M. GmbH und E. GmbH an einem von O. und B. initiierten "Umsatzsteuerkarussell" beteiligten, genügt für sich genommen nicht, um die mangelnde Berechtigung zum Vorsteuerabzug (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG) zu begründen.
14
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs macht derjenige, der in Umsatzsteuererklärungen die in einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer geltend macht, unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn er sich mit dem der Rechnung zu Grunde liegenden Erwerb an einem in eine "Mehrwertsteuerhinterziehung" einbezogenen Umsatz beteiligte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 24/10, NJW 2011, 1616), denn aus solchen Erwerben steht ihm kein Vorsteuerabzugsrecht zu. Dies gilt jedoch nur dann, wenn er bereits zum Zeitpunkt des Leistungsbezuges von der Einbeziehung in die "Mehrwertsteuerhinterziehung" wusste oder hätte wissen müssen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13 mwN zur Rechtsprechung des EuGH). Bei nachträglicher - also nach Leistungsbezug eintretender - "Bösgläubigkeit" bleibt das Vorsteuerabzugsrecht aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG hingegen unberührt (vgl. BGH aaO).
15
Indem das Landgericht die mangelnde Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der M. GmbH und E. GmbH mit der Beteiligung der Angeklagten an einem "Umsatzsteuerkarussell" verneint und sich hierbei maßgeblich auf die Erwägung gestützt hat, den Angeklagten sei im Rahmen der Durchsuchung vom 27. April 2005 der Tatverdacht gegen O. und B. in näher bezeichneter Weise erläutert worden, hat es demnach auf einen rechtlich unzutreffenden Zeitpunkt abgestellt.
16
Die Durchsuchung vom 27. April 2005 erfolgte zwar zeitlich gesehen vor Abgabe der verfahrensgegenständlichen Umsatzsteuerjahreserklärungen. Sämtliche hier in Rede stehenden Warenlieferungen waren aber zuvor, zuletzt einen Tag vor der Durchsuchung, in Rechnung gestellt worden. Die Erkenntnisse über O. und B. hatten die Angeklagten also - davon geht die Kammer jedenfalls zugunsten der Angeklagten aus - erst erlangt, als sie die in den Rechnungen aufgeführten Computerbauteile bereits für die Su. GmbH bezogen hatten. Diese Erkenntnisse durften daher für die Versagung des Vorsteuerabzugs nicht herangezogen werden.
17
Eine frühere Kenntnis der Angeklagten lässt sich auch dem Urteil in seiner Gesamtheit nicht hinreichend sicher entnehmen. Das Landgericht war zwar "davon überzeugt", dass die Angeklagten schon vor der genannten Durchsuchung von O. s "Umsatzsteuerkarussell bzw. betrügerischen Handelsketten" gewusst hätten. Das Landgericht hat aber keine Feststellungen darüber getroffen , ab wann dieses Wissen bei jedem der Angeklagten genau vorgelegen hat.
Ebenso wenig ist nachvollziehbar dargelegt, worauf das Landgericht insoweit seine Überzeugung stützt.
18
b) Auch soweit das Landgericht ergänzend das Vorsteuerabzugsrecht mit der Begründung verneint hat, die in den Rechnungen genannten M. GmbH bzw. E. GmbH als von O. und B. "zwischengeschaltete" Firmen seien nicht die "wahren Lieferanten" der Su. GmbH gewesen, ist dies nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landgericht war offenbar der Ansicht, dass diese Firmen wegen ihrer Eigenschaft als "Strohmannfirmen" nicht als Leistende im Sinne des Umsatzsteuergesetzes angesehen werden könnten. Dies trifft indes so nicht zu.
19
Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, vgl. nur BFH, Beschluss vom 31. Januar 2002 - V B 108/01, BFHE 198, 208).
20
Auch ein "Strohmann", der nach außen im eigenen Namen auftritt, im Verhältnis zum "Hintermann" jedoch auf dessen Rechnung handelt, kann daher leistender Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein (vgl. BFH aaO; BFH, Urteil vom 10. November 2010 - XI R 15/09, wistra 2011, 237 mwN). Dementsprechend können dem "Strohmann" auch solche Leistungen zuzurechnen sein, die der "Hintermann" berechtigterweise im Namen des Strohmannes tatsächlich ausgeführt hat (vgl. BFH, Urteil vom 10. November 2010 - XI R 15/09, wistra 2011, 237 mwN).
21
"Vorgeschobene" Strohmanngeschäfte zwischen einem "Strohmann" und dem Leistungsempfänger sind hingegen dann umsatzsteuerrechtlich (wie auch zivilrechtlich) unbeachtlich, wenn sie nur zum Schein (vgl. § 41 Abs. 2 AO) abgeschlossen sind, mithin die Vertragsparteien - der "Strohmann" und der Leistungsempfänger - einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen (zu den Maßstäben vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, wistra 2013, 314; BFH, Urteil vom 10. November 2010 - XI R 15/09, wistra 2011, 237; BFH, Beschluss vom 31. Januar 2002 - V B 108/01, BFHE 198, 208; vgl. auch BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 - 5 StR 520/02, BGHR UStG § 2 Unternehmer 4).
22
Gemessen daran fehlt es im angefochtenen Urteil an ausreichenden Feststellungen für die Annahme des Landgerichts, nicht die in den Rechnungen genannten Firmen M. GmbH und E. GmbH, sondern O. und B. seien die "wahren" Lieferanten der Su. GmbH gewesen. Die bloße Feststellung, dass O. und B. diese Firmen - sei es auch zum Zwecke der Hinterziehung von Umsatzsteuer - "zwischengeschaltet" hatten, genügt für sich genommen jedenfalls nicht. Vielmehr kam es auch auf die Sicht der Leistungsempfängerin Su. GmbH bzw. der für sie handelnden Angeklagten an. Dass aber die vertraglichen Beziehungen auch aus Sicht der Angeklagten nur zum Schein mit den Firmen M. GmbH und E. GmbH eingegangen bzw. abgewickelt wurden, diese Firmen also auch aus Sicht der Angeklagten in Wahrheit keine Rechte und Pflichten aus den Lieferungen an die Su. GmbH übernehmen wollten, verstand sich vorliegend nicht von selbst und hätte daher näherer Erörterung bedurft.
23
2. Das angefochtene Urteil war auch deshalb aufzuheben, weil ihm die für die Beurteilung der Frage, ob Tatvollendung oder nur Versuch gegeben ist, maßgeblichen Umstände nicht entnommen werden können. Die Urteilsgründe enthalten zwar Feststellungen zur Höhe der in den Umsatzsteuerjahreserklärungen geltend gemachten Vorsteuerbeträge. Mangels Feststellungen zu weiteren Angaben in den Erklärungen kann der Senat aber nicht nachprüfen, ob die (unrichtigen) Steueranmeldungen zu einer Steuervergütung (§ 168 Satz 2 AO) oder zu einer Zahllast (§ 168 Satz 1 AO) der Su. GmbH geführt haben. Hiervon hängt aber die Frage der Tatvollendung ab (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 318/12, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Vollendung 3).
24
3. Die dem Urteil zu Grunde liegenden Feststellungen hat der Senat ebenfalls aufgehoben (§ 353 Abs. 2 StPO), zum einen, weil sie auf der Grundlage einer fehlerhaften Rechtsansicht getroffen wurden und zum anderen vor allem, um dem neuen Tatrichter die Gelegenheit zu geben, neue widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen.

25
Die Sache war daher insgesamt zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
26
Eine abschließende Entscheidung durch den Senat kam nicht in Betracht , da nicht auszuschließen ist, dass Feststellungen getroffen werden können , die erneut zu einer Verurteilung der Angeklagten führen.
Wahl Rothfuß Jäger
Radtke Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 312/13
vom
1. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Oktober 2013 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 1. Februar 2013 aufgehoben
a) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte in den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe verurteilt worden ist; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen mit Ausnahme derjenigen zum Umfang der Lieferungen der Firma Me. im Jahr 2009 aufrechterhalten.

b) im Strafausspruch auch in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe und hinsichtlich der Gesamtstrafe; von den zugehörigen Feststellungen werden lediglich diejenigen zu den Lieferungen der Firma Me. im Fall VIII. 8. der Urteilsgründe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
a) Seit Oktober 2008 betätigte sich der Angeklagte zusammen mit dem gesondert verfolgten T. im Online-Handel mit Elektronikgeräten (vorwiegend mit Flachbildschirmfernsehern). Die Geschäfte betrieben sie zunächst über die von ihnen gemeinsam geführte Gesellschaft M. I. OHG (im Folgenden: M. OHG). Am 30. September 2010 gründeten sie dann die M. B. GmbH (im Folgenden : M. GmbH) mit identischem Geschäftszweck.
4
b) Beide Firmen waren seit Ende 2009 als sog. buffer in „Umsatzsteuer- hinterziehungssysteme“ eingebunden, die von verschiedenen Gruppierungen aus dem Großraum B. organisiert worden waren. Den Systemen zur Hinterziehung von Umsatzsteuer lag folgendes Muster zugrunde:
5
Unter Einbindung von Strohleuten gegründete Gesellschaften sollten gegen Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer Flachbildschirmfernseher an gewerbliche Abnehmer verkaufen und den vereinbarten Kaufpreis bei der Lieferung in bar entgegennehmen. Die in diesen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer sollte von diesen Gesellschaften entweder schon nicht angemeldet, zumindest aber nicht abgeführt werden. Bereits nach kurzer Zeit, möglichst vor Aufdeckung des Systems, sollten diese Firmen (sog. missing trader) ihre „ver- meintliche Gewerbetätigkeit“ wieder einstellen. Ziel war es, die Nichtabführung der vereinnahmten Umsatzsteuer nicht auf einen einmaligen Liefervorgang zu beschränken, sondern die nachfolgenden Warenbewegungen des Abnehmers weiter zu kontrollieren und zu steuern, um wieder über die verkauften Geräte verfügen und diese erneut dem „Wirtschaftskreislauf“ zuführen zu können. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass der gewonnene Abnehmer (sog. buffer) durch lukrative Angebote von Scheinfirmen veranlasst werden sollte, die Fernseher im Rahmen vermeintlicher innergemeinschaftlicher Lieferungen umsatzsteuerfrei zu veräußern. Tatsächlich sollten die Geräte aber nicht ins innergemeinschaftliche Ausland verbracht werden, sondern in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben. Durch den hierdurch ermöglichten umsatzsteuerfreien Ankauf sollte es den die Warenbewegungen beherrschenden Personen ermög- licht werden, die Geräte sehr günstig erneut anzubieten. Für den „buffer“ brach- te die Teilnahme an diesem System den wirtschaftlichen Vorteil, dass er - aufgrund des umsatzsteuerfreien Ankaufs sowie der Nichtabführung der vereinnahmten Umsatzsteuer durch den Lieferanten - Zugang zu konkurrenzlos günstigen Waren erhielt und trotzdem die von ihm gezahlte Umsatzsteuer bei den Finanzbehörden als Vorsteuer geltend machen konnte.
6
c) Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten die von dem Angeklagten geleiteten Gesellschaften M. OHG und M. GmbH in mehreren derartigen Umsatzsteuerkarussellen, die nahtlos ineinander übergin- gen, jeweils die Funktion eines „buffers“. Gleichwohl machte der Angeklagte hinsichtlich solcher Geschäfte die in den an diese Gesellschaften gerichteten Rechnungen gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge in Steueranmeldungen gegenüber den Finanzbehörden als Vorsteuern geltend. In der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2009 betreffend die M. OHG führte dies zu einer Verminderung der Zahllast um 460.979,48 Euro (Fall IX. der Urteilsgründe ); aufgrund unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis Juli 2010 und September 2010, Oktober 2010 für die M. OHGsowie betreffend die M. GmbH für Januar 2011 (Fälle VIII. 1. bis 10. der Urteilsgründe) kam es jeweils zur Verkürzung von Umsatzsteuer mit Erstattung geltend gemachter Vorsteuer bei einem Verkürzungsumfang von insgesamt 2.642.114 Euro. Das Finanzamt erteilte in den Fällen eines Vorsteuerüberhanges jeweils die erforderliche Zustimmung zur Auszahlung (vgl. § 168 S. 2 AO).
7
d) Nach den Feststellungen des Landgerichts erkannte der Angeklagte erst am 18. März 2010 die Einbindung der von ihm geleiteten Firmen in Umsatzsteuerkarusselle. Er beendete gleichwohl die Geschäftsbeziehung zu den Betreibern der Karussellsysteme nicht und nahm trotz seiner Erkenntnis, dass die Warenbewegungen innerhalb von Umsatzsteuerkarussellgeschäften stattfanden , in Umsatzsteuervoranmeldungen für die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer einen Vorsteuerabzug vor. Eine Berichtigung der für Januar 2010 eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung gemäß § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO nahm der Angeklagte nicht vor.
8
2. Das Landgericht hat die Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen und der Umsatzsteuerjahreserklärung in den Fällen VIII. 2. bis 10. sowie IX.
der Urteilsgründe jeweils als Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gewertet. Zu den Zeitpunkten der Einreichung dieser Steueranmeldungen habe der Angeklagte gewusst, dass die von ihm geleiteten Firmen in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden gewesen seien und er deshalb mangels vorgenommener Lieferung keinen Vorsteuerabzug hätte geltend machen dürfen. Auf eine „Gutgläubigkeit“ des Angeklagten zum Zeitpunkt der Ausführung der Liefe- rungen für die Anmeldungszeiträume bis März 2010 komme es dabei nicht an, sie liege im Übrigen auch nicht vor, weil der Angeklagte hinsichtlich der innergemeinschaftlichen Lieferungen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt habe.
9
Zum Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für den Voranmeldungszeitraum Januar 2010 am 4. März 2010 (Fall VIII. 1. der Urteilsgründe ) sei der Angeklagte, anders als bei Abgabe der übrigen Erklärungen, zwar noch „gutgläubig“ gewesen. Weil er aber nachträglich die Einbindung in eine „Umsatzsteuerkette“ erkannt habe, habe für ihn die Verpflichtung bestan- den, eine berichtigende Erklärung nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO abzugeben. Da er dieser Verpflichtung vorsätzlich nicht nachgekommen sei, habe er sich insoweit einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar gemacht.

II.


10
Die Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Rechtsfehlerfrei ist die Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe (nachfolgend 1.). Demgegenüber wird der Schuldspruch in den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe von den Feststellungen nicht getragen; das Landgericht ist insoweit hin- sichtlich der Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG von falschen Maßstäben ausgegangen (nachfolgend 2.). Ein Teilfreispruch kommt nicht in Betracht, weil möglich ist, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die auch in diesen Fällen einen Schuldspruch rechtfertigen können (nachfolgend 3.). Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand (nachfolgend 4.). Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nur insoweit, als diese von der fehlerhaften Rechtsanwendung betroffen sind, im Übrigen zur Ermöglichung widerspruchsfreier Feststellungen (nachfolgend 5.).
11
1. Der Schuldspruch in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Denn die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen, dass der Angeklagte in diesen Fällen in den Steueranmeldungen für die M. OHG bzw. die M. GmbH zu Unrecht aus Eingangsrechnungen für die Lieferung von elektronischen Geräten einen Vorsteuerabzug vorgenommen hat, obwohl er bereits bei Bezug der Geräte wusste, dass die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG nicht vorlagen. Damit hat er gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht, die zu einer Steuerverkürzung geführt haben (vgl. § 168 AO).
12
a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt dabei voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.
13
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt es für die Frage, wann die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorliegen müssen, nicht auf den Zeitpunkt der Abgabe der Steueranmeldung an, in welcher der Vorsteuerabzug vorgenommen wird. Vielmehr ist ein Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG dann zulässig, wenn dessen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Ausführung der Lieferungen bzw. sonstigen Leistungen vorgelegen haben. Insbesondere fällt eine einmal bestehende Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht deshalb nachträglich weg, weil der Unternehmer später von Umständen Kenntnis erlangt, die einem Vorsteuerabzug entgegengestanden hätten, wenn er sie bereits beim Bezug der Waren gekannt hätte. Auch wird er durch diese nachträgliche Kenntnis nicht rückwirkend zum Nichtunternehmer.
14
aa) Im Rahmen der Auslegung des § 15 UStG sind die dieser Vorschrift zugrunde liegende Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. EU Nr. L 347 S. 1; im Folgenden : Mehrwertsteuersystemrichtlinie) und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu beachten (sog. richtlinienkonforme Auslegung). Danach gilt Folgendes:
15
Bei dem in Art. 167 ff. der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vorgesehenen Recht zum Vorsteuerabzug handelt es sich um einem integralen Bestandteil des Mehrwertsteuersystems; es kann sofort ausgeübt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 in der Rechtssache C-285/11 „Bonik“, DStRE 2013, 803). Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie unterscheidet dabei zwischen der Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug (Art. 167 i.V.m. Art. 63 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ) und der Ausübung dieses Rechts (Art. 178 f. der Mehrwertsteuersystemrichtlinie). Nach Art. 167 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die ab- ziehbare Steuer entsteht. Dies ist nach Art. 63 der Richtlinie bereits dann der Fall, wenn die Lieferung oder die Dienstleistung bewirkt ist; lediglich die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts setzt zusätzlich den Besitz einer den Anforderungen des Art. 178 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie entsprechenden Rechnung voraus (vgl. EuGH, Urteil vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-152/02 „Terra Baubedarf“ zu Art. 17, 18 der von der Mehrwertsteuersystemrichtlinie abgelösten „Sechste(n) Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage 77/388/EWG“, im Folgenden: Sechste Richtlinie 77/388/EWG).
16
bb) Aus der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts, zu dem die Lieferung oder sonstige Leistung bewirkt wird, für die Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug folgt, dass für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug die Verhältnisse bei Bezug der Leistung maßgebend sind (vgl. BFH, Urteil vom 13. Mai 2009 - XI R 84/07, BStBl II 2009, 868 unter Hinweis auf Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG; vgl. auch BFH, Urteile vom 18. April 2013 - V R 19/12, BFH/NV 2013, 1515 und vom 8. September 2011 - V R 43/10, BFHE 235, 501).
17
cc) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Vorsteuerabzug dann zu versagen, wenn der Steuerpflichtige - im unionsrechtlichen Sinne - selbst eine Steuerhinterziehung begeht oder wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist und er deswegen als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen ist (EuGH, Urteil vom 6. Juli 2006 in den Rechtssachen C-439/04 und C-440/04 „Kittel und Recolta Recycling“, Slg. 2006, I-6161, Rn. 53, 55 f.; vgl. auch EuGH, Urteile vom 6. Dezember 2012 in der Rechtssache C-285/11 „Bonik“, DStRE 2013, 803, Rn. 37 ff. und vom 21. Juni 2012 in den Rechtssachen C-80/11 und C-142/11 „Mahagében und Dávid“, DStRE 2012, 1336 Rn. 42, 45). Demgegenüber wäre es nach der Rechtsprechung des EuGH mit den Regelungen über den Vorsteuerabzug in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht vereinbar, einen Steuerpflichtigen, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in eine vom Leistenden begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der Lieferkette bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausging oder nachfolgte, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde, durch die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts mit einer Sanktion zu belegen (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Juni 2012 in den Rechtssachen C-80/11 und C-142/11 „Mahagében und Dávid“,DStRE 2012, 1336 Rn. 47 mwN). Denn Wirtschaftsteilnehmer , die alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug - sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug - einbezogen sind, dürfen auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Mai 2006 in der Rechtssache C-384/04 „Federation of Technological Industries u.a.“, Slg. 2006 I-4191 Rn. 33).
18
c) Gemessen an diesen sich aus dem Unionsrecht ergebenden Maßstäben hat es für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug keine Bedeutung, ob der Leistungsempfänger, der eine Lieferung noch „in gutem Glauben“ erhalten hat, nachträglich erkennt, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt hat, der in eine anderweit begangene „Mehrwertsteuerhinterziehung“ einbezogen war. Es verstieße auch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-110/94 „Inzo“, Slg. 1996 I-857 Rn. 21), wenn einem Unternehmer, der von solchen Umständen zum Zeitpunkt des Leistungsbezuges weder wusste noch hätte wissen müssen, wegen nachträglich eingetretener „Bösgläubigkeit“ rückwirkend das Recht auf den Vorsteuerabzug entzogen werden könnte.
19
d) Trotz des unrichtigen rechtlichen Ansatzes des Landgerichts tragen die Feststellungen in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe den Schuldspruch der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). Denn die Urteilsfeststellungen belegen, dass dem Angeklagten bereits seit dem 18. März 2010 und damit in diesen Fällen auch schon beim Warenbezug bekannt war, dass die von ihm geleitete Firma M. OHG (und später auch die M. GmbH) in ein Umsatzsteuerkarussell einbezogen war und die Waren von „missing tradern“ bzw. einem „buffer“ erhalten hatte. Damit fehlte es in diesen Fällen an einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden Lieferung an diese Unternehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 24/10, wistra 2011, 264). Indem der Angeklagte in diesen Fällen gleichwohl in den Steueranmeldungen einen Vorsteuerabzug vorgenommen hat, hat er gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben gemacht.
20
e) Soweit der Angeklagte für September 2010 (Fall VIII. 8. der Urteilsgründe ) einen Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Firma Me. in Höhe von 11.337,68 Euro vorgenommen hat, ist den Feststellungen jedoch nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob die Voraussetzungen für eine Versagung des Vorsteuerabzugs vorgelegen haben. Denn das Landgericht hat festgestellt, dass die Lieferbeziehung zu dieser Firma bereits im Februar 2010 (UA S. 13) und damit zu einem Zeitpunkt beendet wurde, als der Angeklagte nach den Feststellungen noch keine Kenntnis von der Einbindung der M. OHG in ein „Umsatzsteuerhinterziehungssystem“ hatte. Es ist daher nicht auszu- schließen, dass sich der Vorsteuerabzug insoweit auf Geschäftsvorfälle vor dem 18. März 2010 bezieht. Dies lässt den Schuldspruch jedoch unberührt, weil die Feststellungen belegen, dass der Angeklagte in der Umsatzsteuervoranmeldung für September 2010 einen unberechtigten Vorsteuerabzug in Höhe von 12.112,50 Euro aus einer Rechnung der Firma H. über eine Lieferung im Juni 2010 vorgenommen hat (UA S. 19).
21
2. Der Schuldspruch in den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
22
a) Auch in den Fällen VIII. 2. und 3. sowie IX. der Urteilsgründe hat das Landgericht bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen eines Vorsteuerabzugs gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG vorgelegen haben, zu Unrecht auf den Zeitpunkt der Einreichung der jeweiligen Steueranmeldung abgestellt, in welcher der Angeklagte den entsprechenden Vorsteuerabzug vorgenommen hat. Maßgeblich für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug war auch hier allein der jeweilige Zeitpunkt des Warenbezugs. Dieser lag aber in diesen Fällen jeweils vor dem 18. März 2010, dem Tag, an dem der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen die Einbindung der M. OHG in Hinterziehungsstrukturen erkannte.
23
Tragfähige Feststellungen zu dem Vorstellungsbild des Angeklagten beim jeweiligen Warenbezug, die in diesen Fällen die Versagung des Vorsteuerabzugs zweifelsfrei rechtfertigen würden, enthalten die Urteilsgründe nicht. Allein der Umstand, dass sich die M. OHG beim Erwerb der Fernseher objektiv an Umsätzen beteiligte, die in Umsatzsteuerhinterziehungen von „missing tradern“ einbezogen waren, rechtfertigt die Versagung des Vor- steuerabzugs nicht. Vielmehr kommt - wie dargelegt - nach der Rechtsprechung des EuGH in solchen Fällen die Versagung des Vorsteuerabzugs nur dann in Betracht, wenn der Leistungsempfänger weiß oder zumindest hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogenen Umsatz beteiligt. Ob dies der Fall ist, hängt von den Gegebenheiten des Einzelfalls ab (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Juni 2012 in den Rechtssachen C-80/11 und C-142/11 „Mahagében und Dávid“, DStRE 2012, 1336), die vom Tatgericht in einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände zu würdigen sind. Daran fehlt es hier.
24
Das Landgericht hat zwar hilfsweise ausgeführt, dass der Angeklagte auch jeweils zum Zeitpunkt der Lieferungen nicht „gutgläubig“ gewesen sei, weil er „die Unrichtigkeit der Vorsteuerabzugsberechtigung“ zu diesem Zeit- punkt bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können. Dies wird jedoch nicht näher belegt. Der Senat kann die erforderliche Gesamtwürdigung der Umstände nicht nachholen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 1999 - 1 StR 390/99, NStZ 1999, 607). Eine Fallgestaltung, in der bereits auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ohnehin lediglich ein rechtlich vertretbares Ergebnis möglich ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 14. März 2003 - 2 StR 239/02, NStZ 2003, 657), liegt nicht vor.
25
b) Der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO im Fall VIII. 1. der Urteilsgründe kann gleichfalls keinen Bestand haben.
26
aa) Das Landgericht hat den die Strafbarkeit begründenden Pflichtverstoß darin gesehen, dass der Angeklagte die für Januar 2010 abgegebene Umsatzsteuervoranmeldung nicht gemäß § 153 Abs. 1 AO berichtigt habe, obwohl er nachträglich erkannt habe, dass der dort geltend gemachte Vorsteuerabzug unberechtigt gewesen sei.
27
bb) Gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO hat der Steuerpflichtige, wenn er nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen.
28
cc) Das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Anzeige- und Berichtigungspflicht wird hier jedoch durch die Urteilsfeststellungen nicht belegt. Denn die für Januar 2010 von dem Angeklagten eingereichte Umsatzsteuervoranmeldung wäre nur dann unrichtig, wenn die Voraussetzungen für eine Versagung des Vorsteuerabzugs schon beim Warenbezug gegeben waren. Dies belegen die Urteilsfeststellungen indes nicht, zumal da das Landgericht hinsichtlich der Voraussetzungen für die Versagung des Vorsteuerabzugs zu Unrecht nicht auf das Vorstellungsbild des Angeklagten beim Warenbezug, sondern auf dasjenige bei Einreichung der Steueranmeldungen abgestellt hat.
29
3. Ein Teilfreispruch in den Fällen VIII. 1. bis 3. und IX. der Urteilsgründe kommt nicht in Betracht, da es noch möglich erscheint, dass Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten beim Warenbezug getroffen werden können, die auch insoweit eine Verurteilung rechtfertigen (vgl. auch BGH, Urteile vom 26. Juli 2012 - 1 StR 492/11, wistra 2012, 477 und vom 7. März 1995 - 1 StR 523/94, BGHR StPO § 354 Abs. 1 Freisprechung 1). Das Landgericht hat - wie dargelegt - selbst darauf hingewiesen, dass Anhaltspunkte dafür bestehen , dass der Angeklagte schon vor dem 18. März 2010 die „Unrichtigkeit der Vorsteuerabzugsberechtigung hätte erkennen können“. Eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO) kommt dabei nur in Betracht, wenn mindestens bedingter Hinterziehungsvorsatz vorliegt; für den Ordnungswidrig- keitentatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) genügt Leichtfertigkeit.
30
4. Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand.
31
a) Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen VIII.1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen und zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
32
b) Der Einzelstrafausspruch im Fall VIII. 8. der Urteilsgründe ist schon deswegen aufzuheben, weil es zum Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Firma Me. an Feststellungen zum zugrunde liegenden Leistungszeitpunkt fehlt. Vom Vorstellungsbild des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt kann aber aus den genannten Gründen die Berechtigung zum Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG abhängen. Damit ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht in diesem Fall den Schuldumfang unrichtig bestimmt hat.
33
c) Der Senat hebt auch die übrigen Einzelstrafen auf, da nicht auszuschließen ist, dass diese in ihrer Höhe durch die aufgehobenen Einzelstrafen im Ergebnis beeinflusst sind (vgl. BGH, Urteile vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, wistra 2012, 236 und vom 16. Mai 1995 - 1 StR 117/95). Bei den dem Angeklagten zur Last liegenden Taten handelt es sich um eine Serie gleichartiger Taten, die in einem inneren Zusammenhang stehen.
34
Im Übrigen bestehen gegen die Strafzumessung auch deshalb Bedenken , weil das Landgerichtzum Nachteil des Angeklagten gewertet hat, dass er - außer hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldung für Januar 2010 - mit direk- tem Vorsatz gehandelt habe, wobei er sich im Wissen um die Zusammenhänge gezielt aus eigenem Gewinnstreben dem Umsatzsteuerkarussellsystem angeschlossen habe. Aus den Ausführungen des Landgerichts wird nicht hinreichend deutlich, ob es insoweit allein auf die Vorsatzform abgehoben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 1990 - 3 StR 313/90, BGHR § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4) oder - was erforderlich wäre - eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls vorgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1992 - 1 StR 708/91, BGHR § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 5; vgl. auch Schäfer/ Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 618).
35
5. Zwar beruht die Teilaufhebung des Urteils allein auf Wertungsfehlern des Landgerichts. Da das Landgericht aber ausgehend von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz zum Vorstellungsbild des Angeklagten Feststellungen bezogen auf die falschen Zeitpunkte getroffen hat, bedarf es weiterer Feststellungen zu den Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs in den Fällen VIII. 1. bis 3. und IX. der Urteilsgründe. Um dem neuen Tatgericht eine bruchlose und widerspruchsfreie Würdigung des Beweisergebnisses auf der Grundlage der für die maßgeblichen Zeitpunkte zu treffenden neuen Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat in den Fällen, in denen der Schuldspruch keinen Bestand hat, auch die zugrunde liegenden Feststellungen auf.
36
Aufzuheben sind daher die Feststellungen zu den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe einschließlich derjenigen zur Strafzumessung. Im Hinblick darauf, dass die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen vom fehlerhaften rechtlichen Ansatz der Strafkammer nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO), bleiben diese jedoch aufrechterhalten. Ausgenommen sind die Feststellungen zur Höhe der Umsätze mit der Firma Me. im Jahr 2009, weil diese im Hinblick auf den Anteil der in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuern im Verhältnis zu den Gesamtrechnungsbeträgen nicht ohne weiteres nachvollziehbar sind (UA S. 12).
37
Soweit der Strafausspruch auch in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe , in denen der Schuldspruch Bestand hat, und betreffend die Gesamtstrafe aufgehoben wird, bedarf es im Hinblick auf die allein vorliegenden Wertungsfehler keiner Aufhebungen von Feststellungen. Ausgenommen sind die bislang lückenhaften Feststellungen zu den Lieferungen der Firma Me. im Fall VIII. 8. der Urteilsgründe.
38
Auch soweit die Feststellungen Bestand haben, darf das neue Tatgericht ergänzende Feststellungen treffen, die zu bisherigen nicht im Widerspruch stehen.
Raum Graf Jäger
Radtke Mosbacher

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 544/09
vom
2. November 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. und 3.: Steuerhinterziehung u.a.
zu 2.: Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. November 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 und 1b StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten B. und W. gegen das Urteil des Landgerichts Limburg vom 17. Dezember 2008 wird das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO betreffend den Angeklagten B. hinsichtlich der Fälle B 1, B 2, B 3, B 18 und betreffend den Angeklagten W. hinsichtlich des Falles W 12 der Urteilsgründe eingestellt. Im Umfang der Einstellung trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen. 2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten B. und W. werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen , dass
a) schuldig sind aa) der Angeklagte B. der Steuerhinterziehung in dreizehn Fällen sowie der versuchten Steuerhinterziehung , bb) der Angeklagte W. der Steuerhinterziehung in zehn Fällen sowie der versuchten Steuerhinterziehung und
b) der Angeklagte W. in den Fällen W 1 und W 2 der Urteilsgründe zu einer einheitlichen Freiheitsstrafe von ei- nem Jahr verurteilt wird; die weitere Einzelstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe entfällt. 3. Die Angeklagten B. und W. haben die verbleibenden Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. 4. Auf die Revision des Angeklagten F. wird das Urteil des Landgerichts Limburg vom 17. Dezember 2008, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte F. der Steuerhinterziehung in sechs Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung in fünf Fällen schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen dahin abgeändert, dass der Angeklagte F. aa) betreffend die Fälle F 3 und F 4 der Urteilsgründe zu einer einheitlichen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wird; die weitere Einzelstrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe entfällt; bb) in den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe jeweils zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt wird,
c) im Gesamtstrafausspruch mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
5. Die weitergehende Revision des Angeklagten F. wird als unbegründet verworfen. 6. Über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten F. ist zugleich mit der Entscheidung über die Gesamtstrafe zu befinden.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen und versuchter Steuerhinterziehung in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten, den Angeklagten W. wegen Steuerhinterziehung in zwölf Fällen und versuchter Steuerhinterziehung in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und den Angeklagten F. wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen und versuchter Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt.
2
Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Sachrüge und zahlreiche Verfahrensrügen gestützten Revisionen. Diese haben den aus dem Tenor ersichtlichen, geringfügigen Teilerfolg, im Übrigen sind sie unbegründet.

A.

3
I. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
4
Die Angeklagten B. und W. waren gemeinsam im Bereich des Direktvertriebs tätig und erzielten dort erhebliche Gewinne. Sie gründeten eine Reihe von letztlich nur formalrechtlich existierenden Firmen, die sie zentral - auch über eine Holdinggesellschaft - steuerten und beherrschten. Spätestens im Jahr 1999 kamen die Angeklagten B. und W. - nach Beratung durch den Angeklagten F. und unter dessen Mitwirkung - überein, dieses Firmenkonglomerat zur Steuerhinterziehung zu nutzen. Sie vereinbarten, die erzielten Gewinne durch Nichtabgabe von Steuererklärungen und vor allem durch die Geltendmachung von Scheinrechnungen systematisch der Besteuerung zu entziehen. In Ausführung dieses Plans veranlassten die Angeklagten B. und W. jeweils die Auszahlung der in den Scheinrechnungen ausgewiesenen Beträge und machten diese Beträge, die sie nach Abzug einer von den Rechnungsausstellern einbehaltenen Provision jeweils „schwarz und in bar“ zurückerhielten , bei den auszahlenden Firmen in voller Höhe als Betriebsausgaben steuermindernd geltend. Ihre sich hieraus ergebenden Einnahmen verschwiegen die Angeklagten in ihren Einkommensteuererklärungen ebenso wie weitere Einnahmen.
5
II. Das Landgericht hat die auf die Scheinrechnungen geleisteten Zahlungen jeweils als „verdeckte Gewinnausschüttung“ gewertet. Auf der Ebene der Gesellschaften hat es deshalb eine gewinnmindernde Berücksichtigung verneint und auf dieser Basis die durch die unrichtigen Steuererklärungen hinterzogenen Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuern ermittelt. Die Strafverfolgung war dabei auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen den Angeklagten schon aus ihrer formalrechtlichen Stellung heraus die Abgabe zutreffender Steuererklärungen oblag. Hinsichtlich der Einkommensteuerhinterziehung hat das Landgericht bei den Angeklagten B. und W. die aufgrund von Scheinrechnungen abgeflossenen Beträge als in voller Höhe der Einkommen- steuer unterliegend angesehen und hieraus die Höhe der verkürzten Steuern bzw. erstrebten Steuerverkürzungen berechnet.

B.

6
Ein Verfahrenshindernis besteht nicht.
7
I. Die Taten sind nicht verjährt. Auch in dem allein den Angeklagten B. betreffenden Fall B 8 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Umsatzsteuer für das Jahr 2000) ist keine Verfolgungsverjährung eingetreten.
8
Im Fall der unterlassenen Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung beginnt die Verfolgungsverjährung mit Ablauf der Erklärungsfrist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 344/08, wistra 2009, 189 mwN). Die hier somit am 31. Mai 2001 begonnene Verjährung wurde vor Verjährungseintritt durch den Durchsuchungsbeschluss vom 12. April 2006 unterbrochen. Der in einem sehr frühen Verfahrensstadium ergangene Beschluss nennt die Veranlagungszeiträume (1999 bis 2005), die Steuerarten (Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer , Gewerbesteuer und Einkommensteuer) und die jeweils gleichartige Tatbegehung (Kapitaltransfer zum Zwecke der Steuerhinterziehung mit oder ohne Verwendung unrichtiger Belege). Der Durchsuchungsbeschluss, der auch die von der Durchsuchung - und damit vom Tatverdacht - betroffenen Firmen angab, war daher geeignet, die von der Verjährungsunterbrechung betroffenen Taten von denkbar ähnlichen oder gleichartigen Vorkommnissen, auf die sich die Verfolgung nicht bezog, zu unterscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05, NStZ 2007, 213, 214 f.; BGH, Urteil vom 14. Juni 2000 - 3 StR 94/00, NStZ 2001, 191). Der Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden erstreckte sich von Anfang an auf sämtliche später abgeurteilte Taten.
Eine Beschränkung des Verfolgungswillens auf einzelne Taten, welche Auswirkungen auf die Reichweite der verjährungsunterbrechenden Wirkung des Durchsuchungsbeschlusses haben könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2008 - 3 StR 545/07, NStZ 2009, 205; Beschluss vom 11. Dezember 2007 - 4 StR 279/07, NStZ 2008, 214; Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05, NStZ 2007, 213), ist nicht gegeben.
9
II. Der Grundsatz der Spezialität steht der strafrechtlichen Verfolgung des in Spanien festgenommenen und von dort ausgelieferten Angeklagten W. nicht entgegen.
10
1. Die Revision des Angeklagten W. macht in diesem Zusammenhang Folgendes geltend: Der der Auslieferung zugrunde liegende Haftbefehl des Amtsgerichts Wetzlar vom 27. April 2006 sei zu unbestimmt; er sei erst nach Auslieferung des Angeklagten W. neu gefasst und konkretisiert worden. Die abgeurteilten Taten würden von der auf dem ebenso zu unbestimmten Europäischen Haftbefehl gründenden Auslieferungsbewilligung nicht erfasst. Weder der Angeklagte noch die spanischen Auslieferungsbehörden hätten auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes verzichtet. Eine nachträgliche Genehmigung zur Verfolgung der abgeurteilten Taten sei ebenfalls nicht erfolgt.
11
2. Der Spezialitätsgrundsatz ist nicht verletzt. Die abgeurteilten Taten sind von dem im Europäischen Haftbefehl bezeichneten Lebenssachverhalt umfasst. Es bedarf deshalb hier keiner Erörterung, ob aus § 83h Abs. 2 Nr. 3 IRG, der Art. 27 Abs. 3 Buchst. c des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 190 vom 18. Juli 2002, S. 1 ff.) wortgleich umsetzt, folgt, dass sich aus einer Verletzung des Spezialitätsgrund- satzes kein Verfahrenshindernis, sondern lediglich ein Vollstreckungshindernis ergibt (so EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - Rechtssache C-388/08, NStZ 2010, 35 mit Anm. Heine). Der Angeklagte W. wurde wegen keiner von der Auslieferungsbewilligung nicht erfassten „anderen“ verurteilt.
12
a) Der dem Spezialitätsgrundsatz zugrunde liegende Tatbegriff umfasst den gesamten mitgeteilten Lebenssachverhalt, innerhalb dessen der Verfolgte einen oder mehrere Straftatbestände erfüllt haben soll (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 1977 - 4 ARs 8/77, BGHSt 27, 168, 172 mwN; Vogler in Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, § 11 IRG Rn. 14). Im Rahmen dieses historischen Vorgangs sind die Gerichte des ersuchenden Staates nicht gehindert, die Tat abweichend rechtlich oder tatsächlich zu würdigen, soweit insofern ebenfalls Auslieferungsfähigkeit besteht (BGH, Beschluss vom 22. Juli 2003 - 5 StR 22/03, NStZ 2003, 684; Urteil vom 11. Januar 2000 - 1 StR 505/99, NStZ-RR 2000, 333; Urteil vom 6. März 1985 - 2 StR 782/84, NStZ 1985, 318; Urteil vom 28. Mai 1986 - 3 StR 177/86, NStZ 1986, 557; Schomburg/Hackner in Schomburg/Lagodny, IRG, 4. Aufl. § 72 Rn. 20; Vogler aaO § 11 Rn.15 f.).
13
b) Eine Änderung in der Rechtsauffassung berührt die Hoheitsinteressen des um Auslieferung ersuchten Staates regelmäßig nicht. Dementsprechend steht der - vor allem dem Schutz dieser Interessen dienende - Spezialitätsgrundsatz etwa einer Verurteilung wegen Einzeltaten anstelle einer im Auslieferungsersuchen angenommenen fortgesetzten Handlung nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 1995 - 1 StR 18/95, NStZ 1995, 608). Das Gleiche gilt, wenn das Strafgesetz später geändert wird (hier etwa durch Aufhebung des Verbrechenstatbestandes des § 370a AO), ebenso, wenn der den Haftbefehl erlassende Richter anstatt von Tatmehrheit rechtsfehlerhaft von einer Verknüpfung der Taten im Sinne einer Handlungseinheit ausgegangen ist, sofern die dem Beschuldigten vorgeworfenen Tathandlungen dem Auslieferungsersuchen zu entnehmen sind (vgl. BGH, Urteil vom 8. August 1989 - 1 StR 296/89, NStZ 1989, 526).
14
c) Der Begriff der „anderen Tat“ im Sinne des § 83h Abs. 1 Nr. 1 IRG knüpft allein an die Beschreibung der Straftat in der Auslieferungsbewilligung, diese wiederum an den Europäischen Haftbefehl an. Eine „andere Tat“ liegt nicht vor, wenn sich die Angaben im Europäischen Haftbefehl und diejenigen im späteren Urteil hinreichend entsprechen (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - Rechtssache C-388/08, aaO; BGH, Beschluss vom 24. September 2010 - 1 StR 373/10). Dies ist hier der Fall.
15
Der Umstand, dass der dem Auslieferungsersuchen und der Auslieferungsbewilligung zugrunde liegende Haftbefehl im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens - verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechend - eine dem jeweiligen Ermittlungsstand angepasste Konkretisierung erfahren hat, lässt hier die Identität der Tat unberührt. Die Strafverfolgung wurde dadurch nicht auf andere Taten gerichtet. Sämtliche abgeurteilten Taten sind nach Art des Delikts (Steuerhinterziehung), den betroffenen Steuerarten, den jeweiligen Veranlagungszeiträumen und der Begehungsweise identisch mit den im Europäischen Haftbefehl umrissenen Teilakten des dort beschriebenen Lebenssachverhalts.
16
d) Auch der Umstand, dass einzelne nach deutschem Recht als selbständige Taten zu wertende Teilakte des im Auslieferungsersuchen geschilderten Gesamtgeschehens sich auf Verkürzungsbeträge beziehen, deren Höhe - isoliert betrachtet - nach spanischem Recht für eine Ahndung als Steuerhinterziehung nicht ausreichen könnte (vgl. Art. 305 ff. des Spanischen Strafgesetzbuchs [Gesetz Nr. 10/1995 vom 23. November 1995 - BOE Nr. 281 vom 24. November 1995, S. 33987 ff.]), begründet keinen Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz.
17
Unabhängig von der Höhe der jeweiligen Steuerverkürzung handelt es sich bei den Delikten der Art nach um Steuerhinterziehungsdelikte im Sinne der Art. 305 ff. des Spanischen Strafgesetzbuches. Zwar gehören Fiskaldelikte zu den Straftaten, bei denen in Übereinstimmung mit dem Rahmenbeschluss 2002/584/JI nicht auf das Erfordernis der gegenseitigen Strafbarkeit verzichtet wurde. Hieraus ergibt sich allerdings gemäß Art. 12 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 des Spanischen Gesetzes Nr. 3/2003 vom 14. März 2003 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren (BOE Nr. 65 vom 17. März 2003, S. 10244 ff.) nur ein fakultatives Auslieferungshindernis.
18
Von der Möglichkeit, die Auslieferung abzulehnen, hat Spanien vorliegend keinen Gebrauch gemacht. Mit der Bewilligung der Auslieferung auf der Grundlage des dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegenden Europäischen Haftbefehls und des dort geschilderten Lebenssachverhalts haben die spanischen Behörden zum Ausdruck gebracht, dass die Auslieferung für die Strafverfolgung wegen Steuerhinterziehung unabhängig von der Höhe der im Rahmen einzelner Teilakte des Geschehens hinterzogenen Steuer bewilligt wird. Dem im Europäischen Haftbefehl geschilderten Lebenssachverhalt war für alle am Verfahren Beteiligten klar zu entnehmen, dass einzelne Steuerhinterziehungshandlungen mit Steuerverkürzungen in noch nicht genau bekannter Höhe zu Grunde liegen.

C.

19
Die von den Angeklagten erhobenen, teilweise inhaltsgleichen, teilweise sich überschneidenden Verfahrensrügen decken keine den Bestand des Urteils gefährdenden Rechtsfehler auf. Sie bleiben aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts zutreffend dargelegten Gründen ohne Erfolg. Soweit sie nicht bereits unzulässig sind, sind sie jedenfalls unbegründet. Ergänzend bemerkt der Senat:
20
I. Bei der Erhebung einer Verfahrensrüge sind die den Mangel enthaltenden Tatsachen vollständig, zutreffend, schriftlich (in die Begründungsschrift eingefügte Kopien, die nicht hinreichend lesbar sind, genügen dem nicht, vgl. BGH, Urteil vom 3. Oktober 1984 - 2 StR 166/84, NJW 1985, 443) und insgesamt innerhalb der sich aus § 345 Abs. 1 StPO ergebenden Revisionsbegründungsfrist anzubringen.
21
Insbesondere dann, wenn sich der Verfahrensgang - wie hier - durch eine kaum zu überblickende Anzahl von Anträgen der Verteidigung auszeichnet, die sich auf umfangreiche Anlagen beziehen, sich teilweise wiederholen und zum Teil auf andere Anträge oder Beschlüsse Bezug nehmen, kann die Revision nicht von ihrer sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden Pflicht entbunden werden, die (und nur die) auf die jeweilige Angriffsrichtung bezogenen Verfahrenstatsachen so vorzutragen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung die einzelnen Rügen darauf überprüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegen würde, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2007 - 5 StR 383/06, NJW 2007, 3010, 3011; BGH, Beschluss vom 7. April 2005 - 5 StR 532/04, NStZ 2005, 463; BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005, NJW 2005, 1999, 2001; Kuckein in KK-StPO 6. Aufl. § 344 Rn. 38 mwN).
22
Neuer Tatsachenvortrag nach Fristablauf im Rahmen von Gegenerklärungen (§ 349 Abs. 3 StPO) kann die Unzulässigkeit innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht zulässig erhobener Verfahrensbeanstandungen nicht mehr nachträglich beseitigen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2010 - 1 StR 530/09, wistra 2010, 312; BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 3 StR 431/08, NStZ 2009, 168; Kuckein in KK-StPO 6. Aufl. § 344 Rn. 66).
23
1. Die für den Angeklagten W. mit Schriftsätzen vom 4. Juni 2009 erhobenen Verfahrensrügen sind schon deshalb unzulässig, weil zu diesem Zeitpunkt für diesen Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist bereits abgelaufen war. Die Frist des § 345 Abs. 1 StPO beginnt für jeden Angeklagten gesondert in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Zustellung des Urteils an ihn bzw. seine Verteidiger (Hanack in LR-StPO, 25. Aufl. § 345 Rn. 4; Wiedner in BeckOK-StPO, § 345 Rn. 5). Wird das Urteil mehreren Empfangsberechtigten zugestellt, beginnt die Frist grundsätzlich nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem eine wirksame Zustellung an den letzten Zustellungsempfänger vollzogen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1968 - 1 StR 77/68, BGHSt 22, 221). Dies ist hier bezüglich des Angeklagten W. für den 28. April 2009 nachgewiesen. Die Revisionsbegründungsfrist wurde für den Angeklagten W. weder dadurch erneut in Gang gesetzt, dass seinen Verteidigern das Urteil vorsorglich (mit ausdrücklichem Hinweis auf einen allein den Angeklagten B. betreffenden, möglichen Zustellungsmangel) zu einem späteren Zeitpunkt nochmals zugestellt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 2006 - 4 StR 286/06, NStZ 2007, 53; Beschluss vom 17. März 2004 - 2 StR 44/04, NStZ-RR 2005, 261; Urteil vom 27. Oktober 1977 - 4 StR 326/77, NJW 1978, 60), noch dadurch, dass eine erste wirksame Zustellung des Urteils an den Ver- teidiger des Angeklagten B. möglicherweise erst für den 4. Mai 2009 belegt ist.
24
2. Für die Rüge, ein Ablehnungsgesuch sei zu Unrecht nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO abgelehnt worden, folgt aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dieser Verfahrensrüge (ebenso wie bei Ablehnung eines Beweisantrags wegen Prozessverschleppungsabsicht, vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11. Juni 1986 - 3 StR 10/86, NStZ 1986, 519, 520) auch sein eigenes prozessuales Verhalten wiedergeben muss, soweit es nach dem Inhalt des beanstandeten Beschlusses für die Entscheidung mitbestimmend war. Dem steht nicht entgegen, dass hiermit - wie auch sonst - verlangt wird, dass mit dem Revisionsvorbringen auch solche Umstände vorgetragen werden müssen, die der erhobenen Rüge den Boden entziehen können (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2008 - 1 StR 484/08, BGHSt 52, 355, 357; weitere Nachweise bei Cirener, NStZ-RR 2010, 97, 100).
25
Diesen Anforderungen genügt der Revisionsvortrag der Angeklagten B. und W. zur Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 26a StPO nicht. Die Beschwerdeführer haben - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - nicht mitgeteilt, dass den Befangenheitsanträgen vorausgehend fortlaufende, teilweise inhaltsgleiche und ganze Geschäftsverteilungspläne enthaltende Rügen und Anträge dazu geführt haben, dass mit der Verlesung der Anklage erst im Laufe des 7. Hauptverhandlungstages begonnen werden konnte, während die Verteidigung gleichzeitig mit einem Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot begründete Anträge auf Aufhebung der Haftbefehle gestellt hat.
26
3. Bei dem Vortrag der für die revisionsgerichtliche Überprüfung bedeutsamen Verfahrenstatsachen darf sich die Revision nicht auf die Mitteilung sol- cher Tatsachen oder Dokumente beschränken, die Gegenstand der Hauptverhandlung waren bzw. die dem Verteidiger zugestellt wurden. Das Begründungserfordernis des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO umfasst - soweit zur Beurteilung des Revisionsvorbringens erforderlich - alle dem Beschwerdeführer zugänglichen Tatsachen. Hierzu gehört jedenfalls der gesamte Akteninhalt, in den Einsicht zu nehmen die Vorschrift des § 147 StPO dem Verteidiger gestattet. Werden zur Revisionsrechtfertigung herangezogene Tatsachen entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzutreffend dargestellt, ist eine darauf gestützte Verfahrensrüge ebenfalls unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2005 - 2 StR 203/05, NStZ 2006, 55, 56).
27
a) Die Revision des Angeklagten B. rügt, § 261 StPO sei dadurch verletzt worden, dass zur Feststellung von Zahlungsflüssen bestimmte Kontoauszüge nicht verlesen worden seien. Sie teilt jedoch nicht mit, dass Kontoverdichtungen und diesen zugrunde liegende Buchungstexte (mithin „Kontounterlagen“ im Sinne der Urteilsgründe) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden. Die Rüge ist daher unzulässig.
28
Die Aufklärungsrüge des Angeklagten B. , mit der er die unzureichende Aufklärung gesellschaftsrechtlicher Verhältnisse geltend macht (§ 244 Abs. 2 StPO), enthält eine falsche Tatsachenbehauptung und ist schon deswegen unzulässig. Entgegen der Revisionsrechtfertigung, die sich insbesondere darauf stützt, ein Handelsregisterauszug der S. AG sei nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden, wurde ein solcher Handelsregisterauszug am 11. Verhandlungstag verlesen (Protokollband Bl. 59 ff.).
29
Auf beides hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Gegenerklärung hingewiesen.
30
b) Die von den Angeklagten B. und W. erhobene Rüge einer „Verletzung der §§ 244 Abs. 2, 244 Abs. 3 und 244 Abs. 5 StPO“, mit der sie beanstanden, das Landgericht habe die Einvernahme dreier Auslandszeugen zu dem Rechnungen der Schweizer Firma S. betreffenden Sachverhalt zu Unrecht abgelehnt, bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
31
aa) Die Verfahrensrüge ist bereits nicht zulässig erhoben.
32
Dem liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde: Am 64. Verhandlungstag beantragte die Verteidigung unter anderem unter Bezugnahme auf eine von ihr wörtlich mitstenographierte Zeugenaussage vom 21. Verhandlungstag, Verantwortliche der Firma S. zu einem auf insgesamt acht Seiten näher beschriebenen Beweisthema zu vernehmen. Ohne auf den späten Zeitpunkt der Beweisantragstellung einzugehen (was im Rahmen einer Entscheidung nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO möglich gewesen wäre, vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - 5 StR 299/03, NJW 2005, 300, 304), lehnte es die Strafkammer mit Beschluss vom selben Tag ab, die benannten Auslandszeugen zu vernehmen, da deren Einvernahme unter Berücksichtigung des bisherigen Beweisergebnisses keinen Erkenntnisgewinn brächte. Es könne im Rahmen einer Bewertung der zu erwartenden Aussagen nicht außer Betracht bleiben, dass Verantwortliche der Firma S. den Versuch unternommen hätten, sich durch ihren Rechtsbeistand, den Schweizer Rechtsanwalt Dr. P. , verdeckt Erkenntnisse aus dem Gang der Hauptverhandlung zu verschaffen. Dr. P. sei von der Verteidigung als technischer Experte für Datensicherungsfragen vorgestellt worden, seine Berufsstellung als Rechtsanwalt und seine vertragliche Beziehung zur Firma S. , die sich aus einer Werbeaussage ergebe, sei dabei indes verheimlicht worden.
33
Die Revision rügt, aus den von der Strafkammer herangezogenen Umständen könne nicht darauf geschlossen werden, Rechtsanwalt Dr. P. solle die Interessen der Firma S. wahren. Sie unterlässt es indes entgegen den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, das in der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft genannte, in den Akten befindliche Schreiben der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug mitzuteilen, aus dem sich explizit ergibt, dass Rechtsanwalt Dr. P. der Rechtsbeistand der Firma S. ist.
34
bb) Auch einen sachlichrechtlichen Mangel in der Beweiswürdigung deckt die erhobene Verfahrensbeanstandung nicht auf. Der von der Strafkammer gezogene Schluss, dass Rechtsanwalt Dr. P. die Interessen der Firma S. wahrnahm, ist nicht zu beanstanden. Er ist möglich, zwingend braucht er nicht zu sein. Die Strafkammer hat auch nicht ein Verhalten der Angeklagten oder ihrer Verteidiger bewertet, sondern Schlüsse aus einem aktenkundig gemachten Verhalten Dritter auf die Glaubwürdigkeit und das Geschäftsgebaren von Zeugen gezogen. Hiergegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Die Rolle Dr. P. s als Interessenvertreter der S. durfte daher sowohl bei der Entscheidung über den Beweisantrag als auch im Rahmen der Beweiswürdigung herangezogen werden.
35
II. Die Verfahrensrügen, mit denen die Gerichtsbesetzung als fehlerhaft beanstandet wird (§ 338 Nr. 1, 2, 3 und 5 StPO), greifen nicht durch. Sie wären jedenfalls unbegründet. Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
36
1. Die Revisionen der Angeklagten F. und W. rügen die Besetzung der Strafkammer mit dem zunächst als Ergänzungsrichter berufenen RiLG L. (§ 338 Nr. 1 StPO).
37
a) Dem liegt folgendes Prozessgeschehen zu Grunde: Der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts für das Jahr 2007 sah vor, dass im Falle des § 192 Abs. 2 GVG zur Teilnahme an der Hauptverhandlung als Ergänzungsrichter RiLG Dr. B. , VRiLG S. und VPräsLG R. in dieser Reihenfolge berufen sind, bei Verhinderung des an sich berufenen Richters der Nächstberufene an seine Stelle tritt und gleiches gilt, wenn ein Richter im Geschäftsjahr bereits einmal herangezogen wurde.
38
Der Vorsitzende hatte zunächst die Zuziehung (nur) eines Ergänzungsrichters angeordnet. Nachdem RiLG Dr. B. gegen den im Zusammenhang mit der Terminierung dieses Verfahrens stehenden Widerruf seiner Urlaubsbewilligung Widerspruch eingelegt und eine beisitzende Richterin ihre Schwangerschaft angezeigt hatte, ordnete der Vorsitzende die Zuziehung eines weiteren Ergänzungsrichters an. Zu dem für den 25. Oktober 2007 anberaumten Hauptverhandlungstermin meldete sich RiLG Dr. B. kurz vor Terminsbeginn telefonisch dienstunfähig erkrankt; der weitere Ergänzungsrichter, VRiLG S. , erschien. Nach Aufruf der Sache, Feststellung des soeben Gesagten, Anhörung der Verfahrensbeteiligten und Beratung hierzu wurde das Verfahren durch Gerichtsbeschluss ausgesetzt und neuer Termin für den 8. November 2007 bestimmt. Am selben Tag ordnete der Vorsitzende die Zuziehung von drei Ergänzungsrichtern an. Dies veranlasste das Präsidium des Landgerichts, am 29. Oktober 2007 den Geschäftsverteilungsplan dahingehend zu ändern, dass zum weiteren Ergänzungsrichter RiLG L. bestimmt wurde, in der Reihenfolge nach den bereits namentlich bestimmten. Hierüber wurden die Verteidiger der Angeklagten unterrichtet. Die Besetzung des Gerichts wurde dahingehend bekannt gegeben, dass an der Hauptverhandlung nunmehr RiLG Dr. B. , VPräsLG R. und RiLG L. als Ergänzungsrichter mitwirkten. Am 8. November 2007 teilte der Vorsitzende nach Aufruf der Sache mit, dass sich RiLG Dr. B. erneut kurz vor dem Termin telefonisch dienstunfähig erkrankt gemeldet habe. In der Besetzung mit zwei Ergänzungsrichtern, VPräsLG R. und RiLG L. , nahm das Gericht sodann einen maschinenschriftlich vorberei- teten Antrag der Verteidigung auf amtsärztliche Untersuchung von RiLG Dr. B. sowie die Rüge, das Gericht sei hinsichtlich der Zahl der Ergänzungsrichter unvollständig besetzt, entgegen, bevor der Vorsitzende schriftlich (zu Protokoll) die Anordnung auf Zuziehung eines dritten Ergänzungsrichters aufhob. Es folgten Befangenheitsanträge und Besetzungsrügen. Die Dienstunfähigkeit von RiLG Dr. B. wurde noch am 8. November 2007 amtsärztlich festgestellt. Am dritten Hauptverhandlungstag schied eine Beisitzerin aus, an ihre Stelle rückte VPräsLG R. , der am darauf folgenden Hauptverhandlungstag krankheitsbedingt ebenfalls ausscheiden musste. Der an seine Stelle tretende RiLG L. wirkte sodann am Verfahren bis zur Urteilsverkündung mit.
39
Die Revision ist der Auffassung, der Geschäftsverteilungsplan enthalte schon hinsichtlich der Ergänzungsrichterregelung keine abstrakt-generelle Regelung , im Übrigen sei dessen nachtägliche Änderung unzulässig. Sie führe - wie auch die anderen aus Sicht der Revision willkürlichen Entscheidungen zur Gerichtsbesetzung (Bestimmung der Anzahl der Ergänzungsrichter, Aussetzung , unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der einzelnen Ergänzungsrichter ) - zu einer nicht mehr nach allgemeinen Kriterien vorhersehbaren, sondern nur auf den Einzelfall bezogenen Zuweisung von RiLG L. .
40
b) Die Besetzungsrüge wäre jedenfalls unbegründet. Die sich aus der plötzlichen Verhinderung mehrerer Richter ergebende Situation hat die vom Landgericht getroffenen Entscheidungen über die Gerichtsbesetzung erforderlich gemacht; sie sind sachlich gerechtfertigt und rechtsfehlerfrei.
41
Eine Besetzungsrüge gemäß § 338 Nr. 1 StPO könnte ohnehin nur dann Erfolg haben, wenn der in Rede stehenden Besetzung eine - hier nicht gegebene - willkürliche Verletzung der einschlägigen Bestimmungen zu Grunde liegen würde (vgl. BVerfGE 23, 288, 320). Von Willkür kann aber nur die Rede sein, wenn sich die Entscheidung über die Gerichtsbesetzung so weit von dem die Bestimmungen über die Besetzung des Gerichts beherrschenden Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist. Schon eine nur vertretbare Beantwortung einer Zweifelsfrage zur zutreffenden Gerichtsbesetzung verstößt aber weder gegen den sich aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden Anspruch auf Mitwirkung des gesetzlichen Richters, noch wird dadurch eine vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts i.S.v. § 338 Nr. 1 StPO herbeigeführt (vgl. BVerfGE 29, 45, 48; BGH, Urteil vom 22. Juni 1982 - 1 StR 249/81, NStZ 1982, 476, 477 mwN).
42
aa) Über die Erforderlichkeit der Zuziehung von Ergänzungsrichtern und deren Anzahl entscheidet gemäß § 192 Abs. 2 GVG der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1988, BGHSt 35, 366, 368; Wickern in LR-StPO, 25. Aufl., § 192 GVG Rn. 7; Diemer in KK-StPO, 6. Aufl., § 192 GVG Rn. 4a), wobei er sich an einer ihm bekannt werdenden - nicht notwendigerweise konstanten - Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Ergänzungsfalls orientieren wird. Neben dem Umfang des Verfahrens und dessen zu erwartender Dauer können auch in der Person eines Beteiligten liegende Umstände eine solche Wahrscheinlichkeit begründen; diese hat der Vorsitzende in den Blick zu nehmen. Tritt ein weiterer solcher Umstand hinzu (hier z.B. die Schwangerschaft einer Richterin oder die Erkrankung des RiLG Dr. B. mit zunächst unbekannter Ursache) oder entfällt ein solcher, ist es zulässig und sachgerecht, die Anzahl der erforderlichen Ergänzungsrichter anzupassen. Hieraus leitet sich auch das Recht des Vorsitzenden ab, die Anordnung auf Zuziehung eines Ergänzungsrichters jederzeit zu widerrufen (vgl. Wickern in LR-StPO, 25. Aufl., § 192 GVG Rn. 9).
43
Gemessen hieran ist auch die Entscheidung, den für den 25. Oktober 2007 angesetzten Termin nach Bekanntwerden der Krankmeldung des Ergänzungsrichters RiLG Dr. B. nicht bereits vor Aufruf der Sache abzusetzen, rechtsfehlerfrei. Sie beinhaltet die schlüssige und auch in dieser Form zulässige Abänderung der Anordnung über die Zahl der hinzuzuziehenden Ergänzungsrichter. Angesichts der Unklarheiten bezüglich der Erkrankung des RiLG Dr. B. war es auch nicht objektiv willkürlich, was allein die Annahme einer fehlerhaften Gerichtsbesetzung (§ 338 Nr. 1 StPO) stützen könnte, zunächst (was hier ebenfalls formlos möglich war, vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1988 - 2 StR 250/88, NJW 1989, 1681; BGH, Urteil vom 24. Juli 1990 - 5 StR 221/89, NJW 1991, 51) vom Vorliegen eines Ergänzungsfalls auszugehen , dies aber - mit Blick auf den gesetzlichen Richter - wie geschehen sodann zur Erörterung zu stellen und den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Mit Blick auf das Beschleunigungsgebot und die mit einem Verfahren mit mehreren Verteidigern verbundenen Schwierigkeiten einer Terminsfindung war dies sachgerecht.
44
Ebenso wenig vermag die - nach Ausbleiben eines immerhin möglichen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 222b Rn. 3; Gmel in KK-StPO, 6. Aufl., § 222b Rn. 3; Ritscher in BeckOK-StPO, § 222b Rn. 7) Verzichts auf den Besetzungseinwand getroffene - Entscheidung, das Verfahren mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen auszusetzen, die Revisionsrüge, das Gericht sei im dann neu anberaumten Termin fehlerhaft besetzt gewesen, zu begründen. Es ist auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens bereits nicht ersichtlich , dass der Vorsitzende hier willkürlich gehandelt haben könnte, etwa um bewusst auf die (nachfolgende) Gerichtsbesetzung Einfluss zu nehmen. Überdies war die Entscheidung, das Verfahren auszusetzen, ebenfalls sachgerecht.
45
In der Annahme, das Gericht sei mit VRiLG S. am 25. Oktober 2007 fehlerhaft besetzt, konnte an diesem Tag keine andere Entscheidung getroffen werden, als diejenige, das Verfahren auszusetzen. Auch eine erneute Aufstockung der Zahl der Ergänzungsrichter in laufender Verhandlung (was wegen der unklaren Erkrankungslage des RiLG Dr. B. angezeigt war) wäre nach bereits erfolgtem Aufruf der Sache mit Blick auf § 226 StPO nicht mehr in Betracht gekommen (vgl. Wickern in LR-StPO, 25. Aufl., § 192 GVG Rn. 5).
46
Die Aussetzung des am 25. Oktober 2007 begonnenen Verfahrens mit einem Neubeginn innerhalb der Unterbrechungsfrist des § 229 StPO begegnete - auch im Lichte des Anspruchs der Angeklagten auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) - selbst dann keinen durchgreifenden Bedenken, wenn man annähme, die Strafkammer sei mit VRiLG S. als einzigem Ergänzungsrichter am 25. Oktober 2007 objektiv richtig besetzt gewesen. Sind in einer Hauptverhandlung noch keine Erträge erzielt worden, die bei einer Unterbrechung fortwirkten, bei einer Aussetzung aber erneut gewonnen werden müssten, ist das Gericht in der Entscheidung, ob es die Hauptverhandlung unterbricht oder sie aussetzt, grundsätzlich frei (BGH, Urteil vom 9. August 2007 - 3 StR 96/07, NStZ 2008, 113).
47
Das Entscheidungsermessen entfiel hier auch nicht dadurch, dass ein neuer Hauptverhandlungstermin innerhalb der Frist des § 229 Abs. 2 StPO bestimmt werden konnte. Vielmehr entsprach es dem Gebot der Beschleunigung, zumal in Haftsachen, eine neue Hauptverhandlung möglichst bald anzusetzen, nachdem sich die Hauptverhandlung am 25. Oktober 2007 für die Strafkammer als nicht zweifelsfrei in dieser Form durchführbar erwiesen hatte. Für die Frage, ob eine Aussetzung zulässig ist, kann nicht allein die Dauer bis zum nächstmöglichen Termin maßgeblich sein (vgl. zu diesem Gesichtspunkt aber Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 228 Rn. 2). Dies ergibt sich auch aus einem Vergleich mit den Regelungen in § 217 Abs. 2, § 246 Abs. 2, § 265 Abs. 3 und Abs. 4 StPO, die für Situationen eine Aussetzung vorschreiben oder zulassen, in denen das Gericht unter Beachtung des Beschleunigungsgebots nicht gehindert ist, innerhalb der sich aus § 229 Abs. 2 StPO ergebenden Unterbrechungsfrist neu zu terminieren. Auch sonst wird die Annahme eines richterlichen Ermessens für die Entscheidung zwischen Unterbrechung und Aussetzung der Vielfalt denkbarer Geschehensabläufe, die eine nachträgliche Umterminierung bedingen können, besser gerecht als eine starre Zeitgrenze, ohne dass dadurch schützenswerte Interessen der Verfahrensbeteiligten beeinträchtigt wären.
48
bb) Mit Aufruf der Sache am 25. Oktober 2007 begann die Hauptverhandlung , § 243 Abs. 1 Satz 1 StPO. Dies hatte zur Folge, dass der an dieser Hauptverhandlung teilnehmende VRiLG S. - unabhängig davon, ob seine Mitwirkung fehlerhaft war oder nicht - im Geschäftsjahr 2007 im Gegensatz zu RiLG Dr. B. bereits einmal als Ergänzungsrichter herangezogen worden war und daher nach dem Geschäftsverteilungsplan nicht neuerlich als Ergänzungsrichter herangezogen werden konnte.
49
cc) Vor diesem Hintergrund ist auch die nachträgliche Änderung des Geschäftsverteilungsplans nicht zu beanstanden. Der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Limburg für das Jahr 2007 enthält eine hinreichend abstrakte Regelung zur Frage, welcher Richter im nicht vorhersehbaren Fall der Notwendigkeit eines Ergänzungsrichters heranzuziehen ist. Der Umstand, dass - anders als im Vorjahr - mehr als drei Ergänzungsrichter erforderlich sein würden, war nicht absehbar. Durch die - ermessensfehlerfreie - Anordnung der Hinzuziehung eines weiteren, nicht bereits durch die Teilnahme an der Hauptverhandlung vom 25. Oktober 2007 „verbrauchten“ Ergänzungsrichters war eine unvorhersehbare Regelungslücke im Geschäftsverteilungsplan entstanden, die das Präsidium des Landgerichts in entsprechender Anwendung des § 21e GVG zu schließen hatte (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 1981 - 3 StR 88/81, NStZ 1981, 489).
50
dd) Hinsichtlich der dienstunfähig gewordenen Beisitzerin und des erkrankten VPräsLG R. lag jeweils ein Verhinderungsfall vor, bei dem ein Ergänzungsrichter für den verhinderten Richter einzutreten hatte (vgl. § 192 Abs. 2 GVG). Aber auch hinsichtlich des erstberufenen Ergänzungsrichters, RiLG Dr. B. , lag am 8. November 2007 ein Verhinderungsfall vor, da dieser Richter an diesem Tag - amtsärztlich attestiert - bereits erneut erkrankt und absehbar längerfristig unfähig war, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Hiervon durfte der Vorsitzende angesichts der Besonderheiten des Falles jedenfalls ausgehen. Damit trat an die Stelle von RiLG Dr. B. der nächstberufene Ergänzungsrichter , an dessen Stelle wiederum der in der Reihe nachfolgende. Die Mitwirkung von RiLG L. an Hauptverhandlung und Urteil erweist sich nach alledem als zutreffend, keinesfalls aber als willkürlich.
51
2. Neben dieser Besetzungsrüge haben die Revisionen aller Angeklagten eine dienstliche Stellungnahme von RiLG L. zu einem mit dem Anstaltsseelsorger des Angeklagten W. auf dessen Wunsch geführten Gespräch zum Anlass genommen, anzunehmen, RiLG L. sei gemäß § 22 Nr. 5 StPO von der Mitwirkung ausgeschlossen gewesen. Die hierauf gestützte Besetzungsrüge (§ 338 Nr. 2 StPO) ist ebenfalls unbegründet.
52
Das Wissen, das ein Richter während des Laufs eines anhängigen Verfahrens dienstlich erlangt und durch eine dienstliche Erklärung in die Hauptverhandlung einbringt, macht den Richter nicht zum Zeugen. Eine Vernehmung als Zeuge wäre ein unzulässiges Beweismittel i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO; es entzöge dem Angeklagten den gesetzlichen Richter (BGH, Urteil vom 23. Juni 1993 - 3 StR 89/93, NJW 1993, 2758).
53
3. Die Besetzungsrüge des Angeklagten W. , der Vorsitzende sei gemäß § 22 Nr. 1 StPO von der Mitwirkung ausgeschlossen gewesen (§ 338 Nr. 2 StPO), ist bereits nicht zulässig erhoben, weil sie den Inhalt der hierzu abgegebenen dienstlichen Erklärungen nicht vorträgt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Sie wäre auch unbegründet:
54
Der Vorsitzende hat gemäß § 183 GVG die Äußerung eines Verteidigers, es sei dem Angeklagten unzumutbar, sich mit den Richtern in einem Raum aufzuhalten , zu Protokoll genommen. Diese Äußerung wurde Gegenstand einer Strafanzeige durch den Landgerichtspräsidenten. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war der Vorsitzende damit nicht als Verletzter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen. Straftat im Sinne des § 22 Nr. 1 StPO kann nur eine solche sein, die Prozessgegenstand des anhängigen Verfahrens ist. Andernfalls läge es in der Hand eines jeden Angeklagten, sich nach Belieben jedem Richter zu entziehen (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 24. April 1996 - 2 BvR 1639/94, NJW 1996, 2022).
55
4. Die behauptete Überlassung von Teilen der Anklageschrift an die Schöffen könnte für sich allein eine Besorgnis der Befangenheit weder gegenüber den Berufsrichtern noch gegenüber den Schöffen begründen (vgl. EGMR, Urteil vom 12. Juni 2008 - 26771/03, NJW 2009, 2871; zur Zulässigkeit der Überlassung von Aktenteilen an Schöffen vgl. auch BGH, Urteil vom 26. März 1997 - 3 StR 421/96, BGHSt 43, 36). Die hierauf gestützte Besetzungsrüge (§ 338 Nr. 3 StPO) des Angeklagten B. kann schon deswegen nicht erfolgreich sein.
56
5. Die auf § 338 Nr. 3 StPO gestützten Verfahrensrügen der Angeklagten B. und W. , mit denen sie geltend machen, Befangenheitsgesuche seien zu Unrecht gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig verworfen und Art. 101 GG dadurch verletzt worden, bleiben ebenfalls ohne Erfolg.
57
a) Den Rügen liegt u.a. Folgendes zugrunde: Die Verteidigung des Angeklagten F. hatte am 3. Verhandlungstag gegen eine Protokollführerin ein Ablehnungsgesuch angebracht, weil diese dem Vorsitzenden über Vorkommnisse in einer Sitzungspause (Übergabe von Unterlagen an einen der Angeklagten ) berichtet hatte. Es wurde ebenso wie ein Antrag auf Umsetzung der Protokollführerin zurückgewiesen. Dies und die Mitteilung des Vorsitzenden, hinsichtlich einer Beisitzerin den Ergänzungsfall annehmen zu wollen, nahm die Verteidigung des Angeklagten B. zum Anlass, die Mitglieder der Strafkammer einschließlich der Schöffen abzulehnen. Die Verteidigung des Angeklagten W. lehnte ebenfalls mit einem in der Hauptverhandlung angebrachten und zwei weiteren während laufender Hauptverhandlung auf der Geschäftsstelle eingereichten - mit vorangehenden überwiegend wortgleichen - Anträgen die Mitglieder der Strafkammer einschließlich der Schöffen wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.
58
Die Strafkammer verwarf die Befangenheitsgesuche mit Beschluss vom 3. Dezember 2007 gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig. Eine Gesamtschau des bisherigen Verfahrensgangs offenbare ein zwischen den Verteidigern abgesprochenes Verteidigungsverhalten, das darin bestehe, Anträge in möglichst umständlicher und zeitaufwändiger Weise einzubringen, die hierdurch entstehenden Verzögerungen sodann aber zur Begründung für weitere Haftaufhebungsanträge zu verwenden. Auch werde erkennbar, dass Entscheidungen des Gerichts über Verfahrensanträge umgehend zum Anlass für weitere Ablehnungsanträge unter Wiederholung bereits verbeschiedener Rügen genommen worden seien. Die Strafkammer weist darauf hin, die Verteidigung des Angeklagten W. habe am 1. Verhandlungstag zwei Besetzungsrügen angebracht , bei denen sie jeweils - mit dem Bemerken, dies sei prozessual zwingend - den gesamten Geschäftsverteilungsplan einschließlich der Zuständigkeitsverteilung sämtlicher Zivilkammern und aller Änderungsbeschlüsse verlesen habe. Am 2. Verhandlungstag habe die Verteidigung des Angeklagten B. begonnen, einen ihr schriftlich vorliegenden Befangenheitsantrag zu Protokoll zu diktieren, einschließlich eines dem Ablehnungsgesuch zugrunde liegenden Beschlusses aus dem Ermittlungsverfahren mit den darin enthaltenen Zahlenkolonnen. Nach einem am Nachmittag des 2. Verhandlungstages vom Vorsitzenden gegebenen Hinweis darauf, dass ein Recht auf Protokollierung der Antragsbegründung nicht bestehe, habe der Verteidiger des Angeklagten B. erwidert, dass er diese Ansicht zur Kenntnis nehme, seinen Antrag gleichwohl weiter zu Protokoll diktieren werde. Das Landgericht nennt im Ablehnungsbeschluss weitere Anträge, unter anderem einen Befangenheitsantrag gegen die Protokollführerin, in welchem diese des Denunziantentums und der Abgabe unwahrer Erklärungen bezichtigt werde, einen Antrag auf Umsetzung der Protokollführerin , in dem diese erneut der bewussten Spitzeltätigkeit bezichtigt werde. Gegen die Kammermitglieder werde der diffamierende Vorwurf erhoben, die angebliche Bespitzelungstätigkeit der Protokollführerin entspreche einem Wunsch der Strafkammer. Die mit dem Vorwurf der Verkündung eines nicht beratenen Kammerbeschlusses vorgetragene Wertung, das gerügte Verhalten des Vorsitzenden lasse vermuten, dass dieser auch die Beurteilung der Schuldfrage nicht vom Ergebnis der Beweisaufnahme abhängig mache, diene allein einer Bloßstellung; ein Verteidiger des Angeklagten B. habe selbst bekundet, eine Tischberatung habe zu dem in Rede stehenden Beschluss stattgefunden. Die weiteren Einwände gegen die Unbefangenheit der Richter seien - zum Teil wortgleich - bereits Gegenstand früherer Anträge gewesen, die die Strafkam- mer bereits beschieden habe. Der darin enthaltene Hinweis, die Mitglieder des Präsidiums hätten bei wahrheitsgemäßen Angaben bekennen müssen, die Ergänzungsrichter unter bewusster Missachtung der verfassungsrechtlichen Erfordernisse bestellt zu haben, diene ebenfalls allein der Diffamierung.
59
Auch ein weiteres Befangenheitsgesuch des Angeklagten B. verwarf die Strafkammer am 1. Juli 2008 gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig. Die Verteidigung hatte gegen die an einem Beschluss zur Zurückweisung eines gegen einen Sachverständigen gerichteten Befangenheitsantrags mitwirkenden Richter ein Befangenheitsgesuch angebracht und sodann gegen die hierüber entscheidenden Richter neuerlich mit einem Ablehnungsantrag reagiert. Nachdem auf Antrag der Verteidigung mitgeteilt wurde, welche Richter hierüber entscheiden würden, wurde gegen diese ein Befangenheitsantrag gestellt , der nunmehr Gegenstand einer Revisionsrüge ist.
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In dem diesen Antrag zurückweisenden Beschluss führt die Strafkammer aus, die Verteidiger hätten durch das bisherige Prozessverhalten gezeigt, dass sie bestrebt seien, die Hauptverhandlung dauerhaft auf eine Auseinandersetzung um vermeintliche Voreingenommenheit zu beschränken, eine zügige Beweisaufnahme zu verhindern, hierdurch zusätzliche Arbeitskraft der Richter zu binden und die dadurch entstandenen Verzögerungen dann als Argument in einer eingereichten Haftbeschwerde zu verwenden. So erweise sich die sukzessive Kettenablehnung der für das jeweils neu abgelehnte Kammermitglied nachrückenden Richters in der Zusammenschau des - im Einzelnen dargelegten - Prozessverlaufs, dass es der Verteidigung nur um die Verhinderung einer Beweisaufnahme zum Themenkomplex „S. “ gehe.
61
b) Die Rügen wären jedenfalls unbegründet. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO liegt nicht vor. Die Grenzen, innerhalb derer abgelehnte Richter selbst über die gegen sie angebrachten Ablehnungsgesuche entscheiden können (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2005, 3410; NJW 2006, 3129; BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06), wurden nicht überschritten.
62
aa) Die Vorschrift des § 26a StPO gestattet ausnahmsweise, dass ein abgelehnter Richter selbst über ein gegen ihn angebrachtes Befangenheitsgesuch entscheidet. Voraussetzung für diese Ausnahme von dem in § 27 StPO erfassten Regelfall der Entscheidung ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters ist, dass keine Entscheidung in der Sache getroffen wird, vielmehr die Beteiligung des abgelehnten Richters auf eine echte Formalentscheidung oder die Verhinderung des Missbrauchs des Ablehnungsrechts beschränkt bleibt (BVerfG, NJW 2005, 3410). Dies gilt auch für die Anwendung des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2008 - 5 StR 129/07, wistra 2008, 267; BGH, Beschluss vom 10. April 2008 - 4 StR 443/07, NStZ 2008, 523, 524). Allerdings ist es zum Beleg der Prozessverschleppungsabsicht regelmäßig erforderlich , dass die Richter das eigene Verhalten im Rahmen des Prozessgeschehens schildern. Allein hierdurch werden sie aber nicht zu Richtern in eigener Sache (BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06; BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 1 StR 289/09, wistra 2009, 446; Beschluss vom 13. Februar 2008 - 3 StR 509/07, NStZ 2008, 473).
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bb) Gemessen hieran ist die Verwerfung der geschilderten Ablehnungsgesuche als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht zu beanstanden.
64
Die abgelehnten Richter haben nicht ihr eigenes Verhalten bewertet. Vielmehr hat die Strafkammer ihre Überzeugung von der den Befangenheitsge- suchen zugrunde liegenden Verschleppungsabsicht und der Verfolgung verfahrensfremder Zwecke rechtsfehlerfrei gewonnen aus den Befangenheitsgesuchen selbst (deren Inhalt, Art und Weise der Anbringung der Gesuche und Wortwahl) und der jeweiligen Verfahrenssituation. Auch der Umstand, dass die abgelehnten Richter im Rahmen der Entscheidung vom 1. Juli 2008 auf vorangehende Beschlüsse Bezug nehmen, mit denen sie bereits eine Prozessverschleppungsabsicht in anderem Zusammenhang festgestellt hatten, macht sie nicht zu Richtern in eigener Sache (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 1 StR 289/09, wistra 2009, 446).
65
Die Voraussetzungen des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO waren gegeben, wie bereits die von der Strafkammer in den Ablehnungsbeschlüssen geschilderten Umstände belegen. Auch die revisionsgerichtliche Prüfung nach Beschwerdegrundsätzen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2005 - 3 StR 446/04, wistra 2005, 464 ergibt, dass ein klarer Fall missbräuchlich angebrachter Ablehnungsgesuche vorliegt. Schon in der hier sogar mehrfachen Wiederholung gleichlautender Anträge kann eine Absicht zur Verfahrensobstruktion erkennbar werden. Der von der Strafkammer aus dem Umstand, dass für verschiedene Angeklagte gestellte Anträge sowohl vom Erscheinungsbild als auch vom Inhalt identisch waren, gezogene Schluss auf ein zwischen den Verteidigern abgestimmtes Verhalten, liegt dabei überaus nahe. Die Stellung langer Anträge zu Protokoll und die Anwürfe gegen die Mitglieder der Strafkammer, die ersichtlich zur Wahrung der Verteidigungsinteressen nicht erforderlich waren, deuten ebenfalls auf die Verfolgung verfahrensfremder Zwecke oder die Absicht zur bloßen Verschleppung des Verfahrens hin. Jedenfalls in der Gesamtschau lässt dieses Prozessverhalten keinen vernünftigen Zweifel zu, dass es der Verteidigung (auch) mit den abgelehnten Befangenheitsanträgen nicht um die Wahrnehmung legitimer Verteidigungsaufgaben - den Angeklagten vor einem materiellen Fehlurteil oder auch nur einem prozessordnungswidrigen Urteil zu schüt- zen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 3 StR 445/04, NStZ 2005, 341) - ging, sondern um die Verhinderung eines geordneten Verfahrensfortgangs und -abschlusses in angemessener Zeit durch die zielgerichtete und massive Beeinträchtigung von Verfahrensherrschaft und Arbeitsfähigkeit des Strafgerichts (vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Juni 2005 - 5 StR 129/05, NJW 2005, 2466).
66
Das Revisionsvorbringen vermag diesen Befund nicht zu entkräften. Soweit die Revision des Angeklagten B. vorträgt, es gehöre zu den Kernaufgaben der Verteidigung, durch Ablehnungsanträge zu versuchen, eine Haftverschonung für den Mandanten zu erzwingen, offenbart dies ein Fehlverständnis des Strafprozesses im allgemeinen und des Ablehnungsverfahrens nach §§ 24 ff. StPO im besonderen. Solches Vorbringen ist nicht geeignet, den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu widerlegen. Der Auftrag der Verteidigung liegt - bei allem anerkennenswerten Engagement für den Mandanten - nicht ausschließlich im Interesse eines Angeklagten, sondern auch in einer am Rechtsstaatsgedanken ausgerichteten Strafrechtspflege (BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 106). Der Verteidiger, von dem das Gesetz besondere Sachkunde verlangt (§§ 138, 139, 142 Abs. 2 StPO, § 392 AO), ist der Beistand, nicht der Vertreter des Beschuldigten, an dessen Weisungen er auch nicht gebunden ist (BGH, Urteil vom 7. November 1991 - 4 StR 252/91, NStZ 1992, 140).
67
c) Im Übrigen würde auch ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelungen der §§ 26a, 27 StPO nicht stets den Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO begründen, vielmehr führt ein solcher Verstoß nur dann zu einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn diese Vorschriften willkürlich angewendet werden oder die richterliche Entscheidung die Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie verkennt (BVerfG, NJW 2005, 3410, 3411; BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06; BGH, Beschluss vom 29. August 2006 - 1 StR 371/06, NStZ 2007, 161). Beides ist hier nicht der Fall.
68
d) Die weiteren von den Revisionen beanstandeten Beschlüsse der Strafkammer, mit denen Befangenheitsgesuche gegen Berufsrichter und Schöffen sowie gegen einen Sachverständigen gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO verworfen wurden, halten gemessen an den aufgezeigten Grundsätzen ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.
69
III. Auch die gegen die Behandlung der zahllosen Beweisanträge durch die Strafkammer gerichteten Verfahrensrügen, wie etwa die Beanstandung, die Strafkammer habe zwei auf die Einvernahme von rund 2.000 und 5.401 Zeugen gerichtete Beweisanträge rechtsfehlerhaft als bedeutungslos abgelehnt, bleiben aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen ohne Erfolg. Sie wären jedenfalls unbegründet.
70
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Bundesgerichtshof schon früh die Zurückweisung eines hinsichtlich des Umfangs der begehrten Beweisaufnahme ähnlichen (Hilfs-)Beweisantrags eben wegen dieses Umfangs mit folgender Begründung gebilligt hat: „Die Ablehnung des Hilfsbeweisantrags der Verteidigung, „sämtliche Inserenten“ - etwa 7.000 - als Zeugen zu verhören, verletzt die §§ 244, 245 StPO [aF] schon deshalb nicht, weil er … auf Unmögliches gerichtet ist“ (BGH, Urteil vom 4. Januar 1954 - 1 StR 476/53). In vergleichbarem Sinn hat das OVG Münster (DÖV 1981, 384 mwN) unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass sich auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Ablehnung von Beweisanträgen nach § 244 StPO richte, einen auf die Vernehmung von 20.000 Zeugen gerichteten Antrag zurückgewiesen: Die Durchführung der Beweisaufnahme sei unzumutbar, die Grenzen der Zumutbarkeit „eindeutig überschritten“ (vgl. auch Niemöller, Zum exzessiven Gebrauch des Beweisantragsrechts, JR 2010, 332, 338).

D.

71
Hinsichtlich des Angeklagten F. führt die sachrechtliche Nachprüfung zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und in dessen Folge zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe (§ 349 Abs. 4 StPO). Darüber hinaus hat die Rüge der Verletzung materiellen Rechts keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten F. aufgedeckt (§ 349 Abs. 2 StPO).
72
I. Der Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten F. ist auf die Sachrüge dahin zu ändern, dass der Angeklagte der Steuerhinterziehung in sechs Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung in fünf Fällen schuldig ist.
73
1. Die den Fällen F 3 und F 4 der Urteilsgründe zugrunde liegenden Taten (Versuch der Hinterziehung von Körperschaft- bzw. Gewerbesteuer der B. GmbH für das Jahr 2004), die das Landgericht als tatmehrheitlich verwirklicht angesehen hat, stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift hierzu ausgeführt: "Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als selbständige Tat im Sinne von § 53 StGB zu werten. … Ausnahmsweise kann Tateinheit vorliegen, wenn die Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehrere Steuererklärungen durch eine körperliche Handlung gleichzeitig abgegeben werden. Entscheidend dabei ist, dass die Abgabe der Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammenfällt und überdies in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthal- ten sind (vgl. BGHSt 33, 163; BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 6 und 9; BGH wistra 1996, 62 m.w.N.). Dies ist für die Taten F 3 und F 4 festgestellt, weil die unrichtigen Steuererklärungen am 06.03.2006 bei einem Finanzamt abgegeben wurden, sie Steuern derselben Gesellschaft für den Veranlagungszeitraum 2004 betrafen und übereinstimmend unrichtige Angaben enthielten."
74
Der Schuldspruch ist daher entsprechend abzuändern, ein Teilfreispruch kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 - 2 StR 596/08, NStZ 2009, 347; Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546).
75
2. In den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Körperschaft - bzw. Gewerbesteuer der D. Systeme GmbH für das Jahr 2004) tragen die Urteilsfeststellungen die Verurteilung wegen vollendeter Steuerhinterziehung nicht. Der Senat ändert daher den Schuldspruch in diesen Fällen jeweils auf versuchte Steuerhinterziehung ab.
76
a) Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe alle äußeren und inneren Tatsachen so vollständig angeben, dass darin die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands erkannt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1989 - 3 StR 55/89, BGHR, StPO, § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 4). Bei der Blankettstrafnorm des § 370 AO, die erst zusammen mit den sie ausfüllenden steuerrechtlichen Vorschriften die maßgebliche Strafvorschrift bildet (vgl. BGH, Beschluss vom 19. April 2007 - 5 StR 549/06, NStZ 2007, 595), muss sich deshalb aus den Feststellungen ergeben, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 1997 - 5 StR 210/97, NStZ-RR 1997, 374, 375; BGH, Beschluss vom 26. April 2001 - 5 StR 584/00, NStZ-RR 2001, 307). Diesen Anforderungen wird das Urteil in den Fällen F 7 und F 8 nicht gerecht.
77
b) Das Landgericht hat in den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe festgestellt , dass der Angeklagte F. betreffend den Veranlagungszeitraum 2004 für die D. Systeme GmbH, deren Geschäftsführer er war, keine Körperschaftsteuer - und Gewerbesteuererklärungen abgegeben hat. Diese Feststellungen allein tragen jedoch die Annahme einer vollendeten Körperschaftund Gewerbesteuerhinterziehung zugunsten der D. Systeme GmbH nicht. Denn bei der Hinterziehung von Veranlagungssteuern durch Unterlassen ist - sofern, wie hier, kein Schätzungsbescheid ergangen ist - für die Vollendung der Tat i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO derjenige Zeitpunkt maßgebend, zu dem die Veranlagung spätestens stattgefunden hätte, wenn die Steuererklärung eingereicht worden wäre (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1998 - 5 StR 500/98, NStZ-RR 1999, 218). Dies ist dann der Fall, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten für die betreffende Steuerart und den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen hat (vgl. BGH aaO mwN; Jäger in Klein, AO, 10. Aufl., § 370 Rn. 92).
78
Den Urteilsfeststellungen kann nicht entnommen werden, welches Finanzamt für die D. Systeme GmbH zuständig war und wann die Veranlagungsarbeiten für den jeweiligen Veranlagungszeitraum dort tatsächlich abgeschlossen waren. Legt man für den allgemeinen Abschluss der Veranlagungsarbeiten einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren zugrunde, ist davon auszugehen , dass die Veranlagungsarbeiten hier bei Einleitung des Ermittlungsverfahrens in der ersten Jahreshälfte 2006 (erste Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse datieren vom 12. April 2006) noch nicht abgeschlossen waren. Dies liegt auch deshalb nahe, weil das Landgericht in den Fällen F 11 und F 12 der Urteilsgründe solches für denselben Veranlagungszeitraum und dieselben Steuerarten bei der Schwestergesellschaft D. Service GmbH festgestellt (und dementsprechend auf versuchte Steuerhinterziehung erkannt) hat.
79
c) Der Senat schließt aus, dass betreffend die Fälle F 7 und F 8 der Urteilsgründe für die D. Systeme GmbH noch Feststellungen getroffen werden können, die einen allgemeinen Veranlagungsabschluss beim zuständigen Finanzamt vor Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung an den Angeklagten F. belegen könnten. Der Schuldspruch ist daher in diesen Fällen auf versuchte Steuerhinterziehung abzuändern. Es ist ausgeschlossen, dass sich der Angeklagte F. gegen den geänderten Tatvorwurf anders als geschehen hätte verteidigen können.
80
II. Infolge der Schuldspruchänderung hält beim Angeklagten F. auch der Strafausspruch teilweise rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
81
1. Für die tateinheitlich verwirklichten Taten in den Fällen F 3 und F 4 der Urteilsgründe setzt der Senat die vom Landgericht für jede der beiden Taten verhängte Einzelstrafe von sechs Monaten als neue Einzelstrafe fest (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Es kann ausgeschlossen werden, dass das Landgericht bei zutreffender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses der Taten eine mildere Strafe als diese verhängt hätte. Die weitere Einzelfreiheitsstrafe entfällt.
82
2. In den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe kann der Strafausspruch von jeweils neun Monaten Freiheitsstrafe keinen Bestand haben, weil das Landgericht rechtsfehlerhaft von einer vollendeten Tat ausgegangen ist. Dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend setzt der Senat in diesen Fällen in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO jeweils die niedrigste mögliche Freiheitsstrafe von einem Monat fest. Angesichts der Höhe der erstrebten Steuerverkürzung (rund 86.000 Euro im Fall F 7, rund 78.500 Euro im Fall F 8) und im Hinblick auf die übrigen Einzelstrafen schließt der Senat aus, dass das Landgericht bei zutreffender Einstufung der Tat als versuchte Steuerhinterziehung noch eine Geldstrafe verhängt hätte (§ 47 StGB).
83
3. Angesichts des Wegfalls einer Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten und der Herabsetzung zweier Einzelfreiheitsstrafen von neun Monaten auf einen Monat kann bei dem Angeklagten F. der Gesamtstrafausspruch keinen Bestand haben. Es ist nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass das Landgericht bei Berücksichtigung der Änderungen bei den Einzelstrafen eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte, auch wenn dies im Hinblick auf die Erwägungen des Landgerichts zur Gesamtstrafenbildung eher fern liegt.
84
Der Senat hebt deshalb beim Angeklagten F. die Gesamtfreiheitsstrafe mit der Maßgabe (§ 354 Abs. 1b StPO) auf, dass die nachträgliche Entscheidung über die Gesamtstrafe im Beschlussverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zu treffen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2008 - 1 StR 336/08; Urteil vom 17. Februar 2004 - 1 StR 369/03). Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht.

E.

85
Die Revisionen der Angeklagten B. und W. haben mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg. Hiervon bleiben die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen allerdings unberührt. Im Übrigen ergibt die sachrechtliche Nachprüfung des Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten B. und W. (§ 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1 StPO). Der Erörterung bedarf Folgendes:
86
I. Dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend stellt der Senat das Verfahren betreffend den Angeklagten B. hinsichtlich der Fälle B 1, B 2, B 3, B 18 und betreffend den Angeklagten W. hinsichtlich des Falles W 12 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein.
87
In diesen Fällen bestehen teilweise durchgreifende Bedenken gegen die vom Landgericht vorgenommene Berechnung der Höhe der hinterzogenen Steuern. Der Senat sieht angesichts der Komplexität des Verfahrens aus Gründen der Verfahrensökonomie und zur Beschleunigung des Verfahrens davon ab, die Sache insoweit an das Landgericht zurückzuverweisen. Die in diesen Fällen noch zu erwartenden Einzelstrafen fielen gegenüber den übrigen Einzelstrafen nicht beträchtlich ins Gewicht (§ 154 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO).
88
Die Teileinstellung zieht die entsprechende Änderung des Schuldspruchs nach sich.
89
II. In den allein den Angeklagten W. betreffenden Fällen W 1 und W 2 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Gewerbe- bzw. Umsatzsteuer der P. GbR für das Jahr 2001) hat das Landgericht das Konkurrenzverhältnis der Taten unrichtig beurteilt. Die Straftatbestände wurden aus den bei dem Angeklagten F. zu den Fällen F 3 und F 4 (vgl. oben D.I.1.) genannten Gründen in Tateinheit, nicht - wie vom Landgericht angenommen - tatmehrheitlich verwirklicht. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab und setzt für die tateinheitlich begangene Tat eine einheitliche - vom Landgericht bisher für die Fälle W 1 und W 2 jeweils als schuldangemessen angesehene - Strafe von einem Jahr Freiheitsstrafe fest. Er schließt aus, dass das Landgericht bei zutreffender Annahme von Tateinheit eine mildere Strafe als ein Jahr Freiheitsstrafe verhängt hätte (§ 354 Abs. 1 StPO), zumal das Landgericht allein für den Fall W 2 - isoliert betrachtet rechtsfehlerfrei - eine Freiheitsstrafe von einem Jahr für schuldangemessen erachtet hat. Die zweite Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr entfällt.
90
Ein Teilfreispruch hinsichtlich der Verurteilung im Fall W 1 (Gewerbesteuerhinterziehung bei der P. GbR für das Jahr 2001) kommt nicht in Betracht, weil der Senat sicher ausschließen kann, dass es insoweit insgesamt an einer Tatbestandsverwirklichung fehlen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 - 2 StR 596/08, NStZ 2009, 347; Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546).
91
Zwar ist den Urteilsgründen der Inhalt der in diesem Fall abgegeben Steuererklärung und des daraufhin ergangenen Steuerbescheides nicht zu entnehmen. Daher kann der Senat die festgesetzte mit der gesetzlich geschuldeten Steuer nicht vergleichen und den vom Landgericht angenommenen Schuldumfang nicht nachprüfen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08, BGHR, StPO, § 267 Abs. 1 Steuerhinterziehung 1). Es steht jedoch sicher fest, dass die Angeklagten in diesem Fall entweder Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt haben. Denn den Urteilsgründen einschließlich der Berechnungsdarstellung ist zu entnehmen, dass aufgrund unrichtiger Angaben in der Steuererklärung dem Gewerbesteuerbescheid ein zu niedriger Gewerbeertrag zugrunde gelegte wurde.
92
Die Urteilsgründe zu Fall W 1 sind insofern widersprüchlich, als das Landgericht einerseits von einem zu hoch festgesetzten „vortragsfähigen Verlust“ , andererseits von einer verkürzten Gewerbesteuer in Höhe von rund 140.000 DM ausgeht. Dabei handelt es sich um zwei sich gegenseitig ausschließende Sachverhaltsvarianten. In beiden Varianten, von denen eine sicher vorliegt, wäre jedoch gleichermaßen ein Taterfolg i.S.d. § 370 Abs. 1 AO eingetreten.
93
1. Es liegt nahe, dass das Landgericht zwar von einer Steuerverkürzung ausgegangen ist, diese aber zu hoch angesetzt hat, weil es einen im Urteil aber nicht näher dargelegten „Verlustvortrag“ mit Blick auf das Kompensationsverbot (§ 370 Abs. 4 Satz 3 AO) außer Ansatz gelassen hat. Die Anwendung des Kompensationsverbots wäre rechtsfehlerhaft. Denn mit „anderen Gründen“ i.S.d. § 370 Abs. 4 Satz 3 AO sind nur solche Tatsachen gemeint, auf die sich der Täter nicht bereits im Besteuerungsverfahren berufen hat (BGH, Urteil vom 28. Januar 1987 - 3 StR 373/86, NJW 1987, 1273; Jäger in Klein, AO, 10. Aufl., § 370 Rn. 130). Steuervorteile, die dem Täter schon aufgrund seiner Angaben zustanden, dürfen ihm im Steuerstrafverfahren nicht vorenthalten werden (BGH, Urteil vom 31. Januar 1978 - 5 StR 458/77; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 177. Aufl., EL 153 § 370 AO Rn. 46). Eine Steuerverkürzung wäre trotz dieses Rechtsfehlers gegeben.
94
2. Sollten sich demgegenüber die unrichtigen Angaben der Angeklagten so ausgewirkt haben, dass ein zu hoher vortragsfähiger Gewerbeverlust festgestellt worden ist, läge hierin die Erlangung eines ungerechtfertigten Steuervorteils i.S.d. § 370 Abs. 1 AO. Denn eine Besserstellung des Steuerpflichtigen wird nicht erst durch die tatsächliche Durchführung des Verlustabzugs, sondern bereits durch die Feststellung des (vortragsfähigen) Verlusts bewirkt (vgl. Patzelt, Ungerechtfertigte Steuervorteile und Verlustabzug im Steuerstrafrecht, 1990). Die Feststellung eines Verlustvortrags erfolgt durch gesonderten Grundlagenbescheid (hier gemäß § 10a GewStG; vgl. dazu BFH, Urteil vom 9. Juni 1999 - I R 92/98, BB 1999, 1803), der gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AO für den jeweils nächsten Steuerbescheid und Verlustfeststellungsbescheid Bindungswirkung entfaltet (vgl. zum Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG: BFH, Urteil vom 21. Januar 2004 - VIII R 2/02, BStBl. II 2004, 551). Insofern erlangt der Steuerpflichtige einen Vorteil spezifisch steuerlicher Art, der auf dem Tätigwerden der Finanzbehörde beruht und der eine hinreichend konkrete Gefähr- dung des Steueranspruchs begründet, die für die Annahme eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils genügt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 106f.; FG München, Urteil vom 23. Februar 2010 - 13 K 1694/07).
95
III. Im Übrigen hält die Verurteilung der Angeklagten B. und W. wegen Hinterziehung von Körperschaft- und Gewerbesteuern rechtlicher Nachprüfung stand. Insbesondere weist die Wertung des Landgerichts, dass die auf die Scheinrechnungen geleisteten Zahlungen den bei der Berechnung der geschuldeten Körperschaft- und Gewerbesteuern zugrunde zu legenden Gewinn der jeweiligen Rechnungsadressaten in der jeweils festgestellten Höhe nicht mindern konnten, keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.
96
1. Bei den in der Rechtsform der GmbH geführten Unternehmen hat das Landgericht die auf Scheinrechnungen geleisteten Zahlungen zutreffend als verdeckte Gewinnausschüttungen gewertet, die den Gewinn nicht schmälern (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG; zum Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2008 - 5 StR 547/07, wistra 2008, 310; Urteil vom 24. Mai 2007 - 5 StR 72/07, DStRE 2008, 169, 170 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs). Denn die Geldabflüsse aus der jeweiligen Unternehmenssphäre hatten ihren Grund allein in dem Verhältnis zwischen den in den Rechnungen aufgeführten Firmen und den Angeklagten B. und W. als deren Gesellschaftern. Ein ordentlicher Geschäftsleiter hätte Scheinrechnungen nicht als Aufwand in der Buchhaltung berücksichtigt und für vorgenommene Zahlungen zumindest Rückzahlungsansprüche verbucht.
97
Soweit in sehr geringem Umfang tatsächlich Waren geliefert oder Dienstleistungen erbracht wurden, diente dies - wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat - allein der Verschleierung der Steuerhinterziehung. Die zugrunde liegenden Vereinbarungen sind somit als Scheingeschäfte steuerlich unbeachtlich (§ 41 Abs. 2 AO), die erbrachten Zahlungen insgesamt nicht betrieblich veranlasst (§ 4 Abs. 4 EStG). Der Umstand, dass die Strafkammer diese Lieferungen und Leistungen gleichwohl gewinnmindernd in Ansatz gebracht hat, beschwert die Angeklagten nicht.
98
2. Soweit das Landgericht auch im Zusammenhang mit der P. GbR den Begriff „verdeckte Gewinnausschüttung“ verwendet, versteht es diesen Begriff erkennbar untechnisch in dem Sinne, dass die Angeklagten B. und W. beabsichtigten, mittels an die P. GbR gerichteten Scheinrechnungen deren Gewinn zu mindern. Dies ist rechtsfehlerfrei, denn auch bei der P. GbR hatten die Zahlungen nach den Feststellungen des Landgerichts keine betriebliche Veranlassung, sondern dienten allein dem Vermögenszufluss bei den Angeklagten B. und W. . Derart ausschließlich privat veranlasste Zahlungen, denen keine erkennbaren Leistungen an den Betrieb gegenüberstehen, können als Entnahme den Gewinn einer GbR nicht mindern, unabhängig davon, ob der Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) oder durch Betriebsvermögensvergleich (§ 5 EStG) ermittelt wird (vgl. BFH, Beschluss vom 6. Oktober 1993 - VIII B 122/92, BFH/NV 1994, 173).
99
IV. Das Urteil hat auch insoweit Bestand, als das Landgericht die Angeklagten B. und W. wegen vollendeter und versuchter Taten der Einkommensteuerhinterziehung verurteilt hat.
100
1. Allerdings galt im Tatzeitraum bei Gewinnausschüttungen das Anrechnungsverfahren für Körperschaftsteuerguthaben (§ 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG aF). Das Landgericht hätte deshalb beachten müssen, dass bei Verurteilung einer Person nach verdeckter Gewinnausschüttung sowohl wegen Körperschaftsteuerhinterziehung zugunsten der ausschüttenden Kapitalgesellschaft als auch - als Empfänger der Ausschüttung - wegen Einkommensteuerhinterziehung die verkürzte Einkommensteuer im Hinblick auf die verdeckte Gewinnausschüttung (fiktiv) nach dem Anrechnungsverfahren zu berechnen war (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2006 - 5 StR 435/06, wistra 2007, 68). Der Umstand, dass das Landgericht hier bei dem Angeklagten B. im Fall B 12 der Urteilsgründe (Einkommensteuerhinterziehung betreffend das Jahr 1999) das Anrechnungsverfahren außer Betracht gelassen hat, beschwert den Angeklagten im Ergebnis jedoch nicht. Eine gleichzeitige Aburteilung der Verkürzung der Körperschaftsteuer für die von der M. GmbH im Jahr 1999 verdeckt ausgeschütteten Gewinne (Fall B 1 der Urteilsgründe) liegt im Hinblick auf die vom Senat insoweit vorgenommene Teileinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO nicht mehr vor.
101
2. Auch das Vorbringen der Revision, das Landgericht habe bei der Bestimmung der von den Angeklagten B. und W. verkürzten Einkommensteuer zu Unrecht nicht auf den Zufluss der Einnahmen bei den Angeklagten abgestellt, deckt keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.
102
a) Soweit es sich bei den steuerpflichtigen Einkünften um Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 EStG) handelt, kommt es auch dann allein auf den tatsächlichen Gewinn zum Ablauf des Wirtschaftsjahres an, wenn die Einnahmen im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts erzielt wurden. So ver- hält es sich hier bezüglich der P. GbR. Die Höhe der Entnahmen der Gesellschafter ist dabei ohne Bedeutung.
103
b) Demgegenüber führt die verdeckte Gewinnausschüttung einer Kapitalgesellschaft erst dann auf der Ebene des Gesellschafters zu Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG), wenn ein Zufluss beim Gesellschafter im Sinne von § 11 EStG gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2003 - 5 StR 277/03, wistra 2004, 109 mwN).
104
Ein Zufluss beim Gesellschafter kann dabei auch dann vorliegen, wenn er selbst (noch) keine Zahlung erhalten hat. Denn für die Annahme eines Vermögenszuflusses genügt es, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahe stehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Sofern die Zuwendung allein auf dem Näheverhältnis des Empfängers zum Gesellschafter beruht, ist die Zuwendung so zu beurteilen, als hätte der Gesellschafter selbst den Vorteil erhalten und diesen (als steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung) an die nahe stehende Person weitergegeben (BFH, Urteil vom 22. Februar 2005, VIII R 24/03; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 29. Aufl., § 20 Rn. 75 mwN).
105
„Nahe stehend“ sind nicht nur Angehörige i.S.v. § 15 AO; eine Beziehung , die auf die außerbetriebliche Zuwendung schließen lässt, kann auch gesellschaftsrechtlicher , schuldrechtlicher oder rein tatsächlicher Art sein (BFH, Urteil vom 18. Dezember 1996 - I R 139/94, NJW 1997, 2198; Weber-Grellet aaO mwN), wie etwa eine wechselseitige, auf jahrelange geschäftliche Zusammenarbeit zurückgehende Beziehung (vgl. BFH, Urteil vom 25. Oktober 1963 - I 325/61 S, NJW 1964, 517).
106
„Nahe stehend“ kann daher auch ein Mitgesellschafter sein, sodass der Zufluss bei dem einen Gesellschafter dem jeweils anderen zugerechnet werden kann. Nahe stehende Person war hier auch der anderweitig Verfolgte G. , der die Erstellung von Scheinrechnungen durch von ihm beherrschte Firmen veranlasst und für die Rückzahlung ausbezahlter Beträge an die Angeklagten gesorgt hatte. Die Angeklagten B. und W. waren seit Jahren mit G. freundschaftlich verbunden. Sie hatten ihn im Tatzeitraum auch bei dessen betrügerischen Machenschaften mit der Einziehung von durch Missbrauch von Einzugsermächtigungen erlangten Geldbeträgen unterstützt, dabei Gelder auf Konten der B. GmbH vereinnahmt und an G. ausgekehrt.
107
c) Eine Besonderheit besteht in den Fällen ohne bestehendes Näheverhältnis zu den unmittelbaren Geldempfängern, in denen die Angeklagten B. und W. die verdeckt ausgeschütteten Gewinne deshalb nicht in voller Höhe erhalten konnten, weil die Geldempfänger vor der Weitergabe der Beträge an die Angeklagten eine „Provision“ als Gegenleistung für die Ausstellung von Scheinrechnungen einbehielten. Den Angeklagten ist diese Provision allerdings als „sonstiger Bezug“ i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zugeflossen. Ein Zufluss ist beim Gesellschafter auch dann gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft an einen Dritten zahlt und damit eine Verpflichtung des Gesellschafters erfüllt (BFH, Urteil vom 24. Januar 1989 - VIII R 74/84, BStBl II 1989, 419, 420). Dies ist für die Befreiung des Gesellschafters von privaten Verpflichtungen im Zusammenhang mit ausschließlich privat veranlassten Handwerkskosten anerkannt (BGH, Beschluss vom 11. November 2003 - 5 StR 277/03, wistra 2004, 109). Für die Zahlung der ebenfalls ausschließlich privat veranlassten „Kosten“ für Dienste im Zusammenhang mit der Erstellung von Scheinrechnungen und Geldtransfers kann nichts anderes gelten. Damit besteht hier der den Angeklagten zugeflossene Vermögensvorteil darin, dass der jeweilige Zahlungsempfänger mit der Provisionszahlung an die Aussteller der Scheinrechnungen belastet wurde, die von den Angeklagten zu tragen war.
108
Es kann hier offen bleiben, ob die von den Rechnungsausstellern oder anderen in den Vermögensrückfluss an die Angeklagten eingebundenen Personen in diesen Fällen einbehaltenen „Provisionen“ bei der Berechnung der Einkommensteuer der Angeklagten als Werbungskosten (§ 9 EStG) hätten in Ansatz gebracht werden müssen oder ob ein solcher Abzug deshalb zu versagen wäre, weil die Aufwendungen der Angeklagten für das Erstellen der Scheinrechnungen und den Geldtransfer nicht der Einkunftserzielung, sondern ausschließlich deren Verschleierung und damit Zwecken der privaten Lebensführung dienten. Denn der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe , dass das Landgericht diejenigen von den Gesellschaften ausgezahlten Beträge, die nicht an die Angeklagten zurückgeflossen sind, aus dem für die Strafzumessung relevanten Schuldumfang ausgenommen hat. Es ist auszuschließen, dass die Strafkammer den im Urteil mehrfach dargestellten und erörterten Provisionseinbehalt der Rechnungsaussteller bei der Strafzumessung nicht mehr im Blick hatte.
109
d) Der Umstand, dass das Landgericht keine ausdrücklichen Feststellungen zum Zeitpunkt des Rückflusses der Geldbeträge an die Angeklagten B. und W. getroffen hat, gefährdet den Bestand des Urteils nicht.
110
Derartiger Feststellungen hätte es nur in den Fällen bedurft, in denen die Auszahlung an die Firma S. - also an eine nicht nahe stehende Person - vorgenommen worden ist. In diesen Fällen erfolgten aber nach den Urteilsfeststellungen sämtliche Zahlungen auf spätestens am 30. August des jeweiligen Jahres ausgestellte Rechnungen. Das Landgericht durfte deshalb von einem Zahlungseingang im Kalenderjahr der Rechnungsausstellung ausgehen. Für die Annahme, einzelne Zahlungen könnten erst im jeweiligen Folgejahr erfolgt sein, fehlt jeder Anhaltspunkt.
111
3. Allerdings hat das Landgericht in dem den Angeklagten B. betreffenden Fall B 17 und gleichermaßen in dem den Angeklagten W. betreffenden Fall W 11 der Urteilsgründe (jeweils Versuch der Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 2004) die Höhe der erstrebten Verkürzung von Einkommensteuer unzutreffend berechnet. Hierdurch sind die Angeklagten B. und W. jedoch nicht beschwert. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei fehlerfreier Verkürzungsberechnung in diesen Fällen mildere Einzelstrafen verhängt hätte (§ 354 Abs. 1 StPO).
112
a) Nach den Urteilsfeststellungen waren die Angeklagten B. und W. zu gleichen Teilen Gesellschafter der Firma T. S.L., einer Kapitalgesellschaft spanischen Rechts mit Sitz in Cala Llonga/Ibiza, deren Anteile sie im Jahr 2004 mit notariellem Vertrag veräußert hatten. Gleichwohl verschwiegen sie den hieraus erzielten Erlös gegenüber den deutschen Finanzbehörden.
113
b) Die steuerliche Behandlung des Veräußerungserlöses durch das Landgericht hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand; das Landgericht hat zu Unrecht den vollständigen Veräußerungserlös als Veräußerungsgewinn angesehen. Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend ausgeführt: „Richtigerweise gehört dieser Veräußerungsgewinn eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft … zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 17 EStG. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns findet gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG das so genannte Halbeinkünfteverfahren Anwendung, so dass vorliegend lediglich von einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn in Höhe von 61.500,- € auszugehen ist (Hälfte Veräußerungspreis von 62.500 abzüglich hälftige Veräußerungskosten und die Hälfte der Anschaffungskosten in Höhe von insgesamt 1.000,- €).“
114
Die Veräußerungserlöse stellen für die in Deutschland ansässigen Angeklagten B. und W. ausländische Einkünfte (§ 34d Nr. 4b EStG) dar. Nach Art. 13 Abs. 3 des insoweit maßgeblichen (§ 34c Abs. 6 EStG) Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Spanien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA Spanien) vom 14. März 1968 (BStBl I 1968, 544) werden die Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens (zu dem auch Anteile an Kapitalgesellschaften zählen), wenn sie - wie hier - nicht das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte darstellen, nur in dem Vertragsstaat besteuert, in dem der Veräußerer ansässig ist.
115
Die Veräußerung von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft wird im deutschen Steuerrecht in § 17 EStG erfasst (BFH, Urteil vom 22. Februar 1989 - I R 11/85, BFHE 156, 170 = BStBl II 1989, 794 mwN). Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG sind „Anteile“ i.S.d. § 17 EStG u.a. Aktien, Anteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und ähnliche Beteiligungen. Zu letzteren zählen insbesondere Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften (BFH, Urteil vom 24. Oktober 1984 - I R 228/81). Die in Rede stehende Sociedad Limitada spanischen Rechts ist typgleich mit einer deutschen GmbH, Anteile an ihr verkörpern Gesellschafterrechte, wie sie nach deutschem Recht mit GmbH-Anteilen verbunden sind (vgl. Reckhorn-Hengemühle, Die neue Spanische GmbH, 1993). Deshalb sind sie als „ähnliche Beteiligungen“ i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG zu qualifizieren (vgl. BFH, Urteil vom 19. März 1996 - VIII R 15/94, BFHE 180, 146 = BStBl II 1996, 312, 313 mwN). Gründe, die einer Anwendung des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG entgegenstehen könnten , sind nicht ersichtlich.
116
Durch den Ansatz des niedrigeren Gewinns vermindert sich die vom Angeklagten B. geschuldete Einkommensteuer auf 385.116 Euro (statt 412.790 Euro), beim Angeklagten W. reduziert sich der Betrag hinterzogener Einkommensteuer - bei der gebotenen Anwendung der Grundtabelle - auf 201.027 Euro (statt 219.856 Euro).
117
c) Zwar ist die Höhe der Steuerverkürzung bestimmender Strafzumessungsgrund (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 80). Der Senat kann hier aber ausschließen, dass das Landgericht mildere Einzelstrafen verhängt hätte, wenn es den Veräußerungsgewinn zutreffend berechnet hätte.
118
Das Landgericht hat bei der im Übrigen rechtsfehlerfreien Strafzumessung außer auf die Professionalität und Zielstrebigkeit der Angeklagten im Wesentlichen auf die erhebliche Überschreitung der Schwelle zur Steuerverkürzung großen Ausmaßes abgestellt. Diese Umstände bestehen auch bei zutreffender Berechnung der Steuerverkürzung fort. Auch ausgehend von der vom Landgericht vorgenommenen Abstufung der Einzelstrafen in Schritten von wenigstens drei Monaten wird im Vergleich mit den übrigen Einzelstrafen deutlich, dass das Landgericht, hätte es die zutreffenden Verkürzungsbeträge erkannt, keine niedrigeren Einzelstrafen als die festgesetzten von zwei Jahren (Fall B 17) bzw. einem Jahr (Fall W 11) Freiheitsstrafe verhängt hätte.
119
V. Der Senat kann auch ausschließen, dass sich der aufgezeigte Wegfall einer Einzelstrafe beim Angeklagten W. und der weitere Wegfall von Einzelgeldstrafen von jeweils 60 bzw. 90 Tagessätzen in den von der Teileinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO erfassten Fällen bei den Angeklagten B. und W. auf die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe ausgewirkt haben könnte. Er schließt aus, dass das Landgericht angesichts des Tatbildes und der Größenordnung der Steuerverkürzung niedrigere als die ohnehin bereits milden Gesamtstrafen von sechs Jahren und drei Monaten (B. ) bzw. von fünf Jahren ( W. ) festgesetzt hätte. Die verbleibende Vielzahl von Einzelstrafen und deren Höhe rechtfertigt bereits für sich die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 1997 - 1 StR 483/97, NStZ 1998, 311). Überdies hat die Strafkammer bei der Gesamtstrafenbildung ohne Rechtsfehler maßgeblich auf Gesichtspunkte abgestellt, die das Gesamtgeschehen prägen (z.B. den Aufbau einer Unternehmensstruktur, deren Gestaltung nach dem Ziel einer dauerhaften systematischen Bereicherung durch Steuerhinterziehung ausgerichtet ist) und die nicht durch die genaue Anzahl der Einzelfälle gekennzeichnet sind.
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander
5 StR 276/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 28. Oktober 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Oktober
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin T ,
Rechtsanwalt G
als Verteidiger des Angeklagten B ,
Rechtsanwalt R
als Verteidiger des Verurteilten Be ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Angeklagten B wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 23. Dezember 2003 – auch bezüglich der Mitangeklagten Beund M – 1. aufgehoben, soweit die Angeklagten im Fall II.3.5 der Urteilsgründe (Umsatzsteuerhinterziehung 2001) wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung nach § 370a AO verurteilt worden sind; die zugrunde liegenden Feststellungen bleiben aufrechterhalten ; 2. im übrigen im Schuldspruch wie folgt geändert:
a) Der Angeklagte B ist schuldig der Steuerhinterziehung in 23 Fällen und des Betruges in sieben Fällen.

b) Der Angeklagte Be ist schuldig der Steuerhinterziehung in 21 Fällen, des Betruges in fünf Fällen und des versuchten Betruges in vier Fällen.

c) Der Angeklagte M ist schuldig der Steuerhinterziehung in 24 Fällen, des Betruges in sechs Fällen und des versuchten Betruges in vier Fällen.
3. in den Strafaussprüchen aufgehoben, soweit die Angeklagten wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden sind, sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafen.
II. Die weitergehende Revision des Angeklagten B wird als unbegründet verworfen.
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten B wegen Ste uerhinterziehung in 14 Fällen, gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung und Betruges in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Mitangeklagten Be es hat wegen Steuerhinterziehung in 14 Fällen, gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung und Betruges in fünf Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren sowie gegen den Mitangeklagten M wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen, gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung, Betruges in sechs Fällen und versuchten Betruges in vier Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Die gegen die Mitangeklagten ergangenen Urteile sind rechtskräftig.
Die Revision des AngeklagtenB hat in dem aus d em Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im übrigen ist sie unbegründet. Gemäß § 357 StPO ist das Urteil auf die nicht revidierenden Mitangeklagten zu erstrecken.

I.


Das Landgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der AngeklagteB und der Mitangeklagte Be betätigten sich im Zeitraum von 1997 bis 2002 unternehmerisch im Baubereich. Dabei verstießen sie – ab 1998 unter Beteiligung des Angeklagten M – vorsätzlich in erheblichem Umfang gegen ihre steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten.
1. Im Jahr 1997 waren die Angeklagten B und Be als sogenannte Kolonnenschieber tätig, indem sie Arbeiterkolonnen anführten, die mit illegalen Arbeitern Leistungen auf dem Bausektor erbrachten. Der ihnen bekannten Pflicht, die getätigten Umsätze gegenüber dem Finanzamt zu erklären, kamen sie nicht nach. Vielmehr rechneten sie, um ihre eigene unternehmerische Tätigkeit zu verschleiern, die von ihnen erbrachten Bauleistungen gegenüber ihrem Auftraggeber über Scheinfirmen ab. Dadurch entstand ein Steuerschaden von über 53.000 €.
Ab dem Jahr 1998 unterhielten die drei Angeklagten selbst mehrere Scheinfirmen, welche sie als sogenannte „Serviceunternehmen“ verschiedenen Kolonnenschiebern zur Verschleierung von deren unternehmerischer Tätigkeit bereitstellten. Diese Scheinfirmen traten nach außen an die Stelle der Kolonnenschieber; sie nahmen formal deren Rechte und Pflichten aus den Bautätigkeiten wahr. Unter anderem fertigten sie die Bauaufträge als scheinbarer Auftragnehmer aus und meldeten als scheinbarer Arbeitgeber die eingesetzten Arbeiter zur Sozialversicherung an. Des weiteren erstellten die „Serviceunternehmen“ Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis unter ei-
genem Namen, die dann von den Kolonnenschiebern an ihre Auftraggeber weitergegeben wurden. Diese waren durch die Rechungen in der Lage, ihre Aufwendungen als Betriebsausgaben und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer beim Finanzamt geltend zu machen, während die „Serviceunternehmen“ ihren steuerrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere der Anmeldung und Abführung der vereinnahmten Umsatzsteuern, nicht nachkamen. Die Kolonnenschieber, die durch dieses Vorgehen nach außen nicht in Erscheinung traten, konnten so ihre Leistungen „schwarz“ erbringen.
Ab dem Jahr 1998 nutzten die Angeklagten die Firma D B GmbH, Remscheid, als Scheinfirma. Sie unterließen es pflichtwidrig, für dieses Unternehmen die Umsatzsteuerjahreserklärungen 1998, 1999 und 2000 beim zuständigen Finanzamt abzugeben. Nach der Verhaftung des von den Angeklagten eingesetzten formalen Geschäftsführers wurde die Tätigkeit der D B GmbH eingestellt. Die Geschäfte wurden sodann mit der Firma T GmbH (T GmbH), Hannover, fortgesetzt. Für dieses Unternehmen kamen die Angeklagten B und M (der Angeklagte Be war an dieser Gesellschaft nicht beteiligt) ihrer Verpflichtung, Umsatzsteuerjahreserklärungen für 1999, 2000 und 2001 abzugeben, nicht nach. Ab Juli 2000 nutzten die drei Angeklagten die Firma M B GmbH, Karlsruhe, als Scheinfirma. In bezug auf diese Gesellschaft unterließen die Angeklagten pflichtwidrig die Abgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2000 und 2001 sowie die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar, März und Juni 2002. Im Februar 2001 wurde als zusätzliches „Serviceunternehmen“ die Firma P B GmbH, Remscheid, gegründet , für die keine Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 und keine Umsatzsteuervoranmeldung für Januar 2002 abgegeben wurden. Die Abrechnungen wurden sodann auf die Firma M.G. B GmbH, Gelsenkirchen, übertragen. Hier kamen die Angeklagten ihrer Verpflichtung nicht nach, eine Umsatzsteuerjahreserklärung für 2001 sowie Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis August 2002 einzureichen. Ab Juni 2002 wurde von den
Angeklagten des weiteren die Firma FTV-B GmbH als „Serviceunternehmen“ verschiedenen Kolonnenschiebern zur Verfügung gestellt. Bis zur Festnahme der Angeklagten im November 2002 unterließen sie es pflichtwidrig, für die Gesellschaft Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Juli bis Oktober 2002 abzugeben.
Insgesamt stellten die Angeklagten mittels der von ihnen installierten „Serviceunternehmen“ Scheinrechnungen über eine Gesamtsumme von mehr als 16 Mio. € aus, in denen Umsatzsteuer in Höhe von mehr als 2,4 Mio. € ausgewiesen war.
Der Angeklagte M begab darüber hinaus – unabhängig von den Angeklagten B und Be – im Jahr 1999 Rechnungen unter der Scheinfirma BKS-B GmbH und im Jahr 2000 unter der Scheinfirma D H mbH für den Kolonnenschieber S .
Das Landgericht hat die Verletzung der steuerlichen Pflichten für die verschiedenen Gesellschaften der Angeklagten in jedem Jahr (1998 bis 2001) bzw. für jeden Voranmeldungszeitraum (Januar bis Oktober 2002) zusammengefaßt und jeweils bezogen auf den Besteuerungszeitraum als eine Tat gewertet. Für das Jahr 2001 (Fall 5 der Urteilsgründe) hat es so – unter Zusammenrechnung der Hinterziehungsbeträge für die Firmen T GmbH, M B GmbH, P B GmbH und M.G. B GmbH – einen Hinterziehungsschaden in Höhe von insgesamt 862.817 € festgestellt, diesen Fall als gewerbsmäßige Steuerhinterziehung gemäß § 370a Satz 1 AO gewertet und insoweit eine Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren verhängt. Die Grenze zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des „großen Ausmaßes“ gemäß § 370a AO hat es – ohne weitere Begründung – bei 250.000 € gezogen.
2. Die „Serviceunternehmen“ D B GmbH, M B GmbH, P GmbH, M.G. B GmbH und FTV-B GmbH der Angeklagten meldeten darüber hinaus anstelle der Kolonnenschieber deren Arbeitnehmer
bei den Sozialversicherungsträgern an. Neben der Falschangabe über ihren Status als Arbeitgeber täuschten die Angeklagten auch über den Umfang des an die Arbeitnehmer tatsächlich gezahlten Entgelts, indem sie falsche Angaben über die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden und die Höhe der Stundenvergütung machten. Die Angeklagten verursachten so in den Jahren 1998 bis 2002 Schäden von rund 1,7 Mio. €. Gleiches wurde – unter alleiniger Beteiligung der Angeklagten B und M – mittels der T GmbH durchgeführt und so in den Jahren 1999 bis 2001 ein Schaden von mehr als 500.000 € verursacht.
Das Landgericht hat dieses Verhalten der Angeklagten al s mittäterschaftliche Beteiligung an den Betrugstaten der Kolonnenschieber zum Nachteil der jeweils zuständigen Krankenkasse gewertet. Diese seien durch Abwicklung über die von den Angeklagten initiierten Scheinfirmen und die unrichtigen Anmeldungen getäuscht und von der Erhebung der zutreffenden Beiträge abgehalten worden. Da ohne die „Serviceunternehmen“ der Betrug nicht möglich gewesen wäre, hätten die Angeklagten, die aufgrund ihrer finanziellen Beteiligung auch ein erhebliches Eigeninteresse an den Taten gehabt hätten, auch Tatherrschaft gehabt. Nach Auffassung des Landgerichts stellt die Gründung und das Betreiben jeweils einer Scheinfirma zum Nachteil einer bestimmten Krankenkasse jeweils eine Tat dar.
3. Der Angeklagte B meldete sich zudem am 20. August 1999 zum 1. September 1999 arbeitslos und bezog bis zum 24. Juni 2001 zu Unrecht Leistungen des Arbeitsamtes in Höhe von über 16.000 €, auf die er wegen seiner Einkünfte aus den „Serviceunternehmen“ keinen Anspruch hatte.

II.


Die Revision des Angeklagten B führt zur Aufhebung des Urteils, soweit alle drei Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung
nach § 370a AO verurteilt worden sind, zur Änderung der Schuldsprüche wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO sowie zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen und der jeweiligen Gesamtstrafe.
1. Die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts hinsichtlich der Steuerdelikte hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Bei mehreren Steuerstraftaten gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf die Konkurrenzen folgendes: Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als selbständige Tat im Sinne von § 53 StGB zu werten. Von Tatmehrheit ist also dann auszugehen, wenn die abgegebenen Steuererklärungen verschiedene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Steuerpflichtige betreffen. Ausnahmsweise kann Tateinheit vorliegen, wenn die Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehrere Steuererklärungen durch eine körperliche Handlung gleichzeitig abgegeben werden. Entscheidend dabei ist, daß die Abgabe der Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammenfällt und überdies in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthalten sind (vgl. BGHSt 33, 163; BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 6 und 9; BGH wistra 1996, 62 m.w.N.).
Auch bei der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) ist grundsätzlich im Hinblick auf jede Steuerart, jeden Besteuerungszeitraum und jeden Steuerpflichtigen von selbständigen Taten im Sinne des § 53 StGB auszugehen. Allein ein einheitlicher Tatentschluß, seinen steuerlichen Pflichten für mehrere Steuerarten und mehrere Besteuerungszeiträume künftig nicht nachzukommen, begründet noch keine Tateinheit zwischen den einzelnen Steuerhinterziehungen durch Unterlassen (vgl. BGHSt 18, 376). Tateinheit ist nur dann ausnahmsweise anzunehmen, wenn die erforderlichen Angaben, die der Täter pflichtwidrig unterlassen hat, durch ein und dieselbe Handlung zu erbringen gewesen wären (vgl. BGH
wistra 1985, 66; BGH bei Holtz MDR 1979, 987; Gribbohm/Utech NStZ 1990, 209, 212).

b) Danach hätte das Landgericht bei der rechtlichen Be wertung der hier zu beurteilenden Steuerhinterziehungen nicht allein nach dem jeweiligen Besteuerungszeitraum differenzieren und die unterlassene Abgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen oder Umsatzsteuervoranmeldungen für jeweils mehrere Scheinfirmen als eine Tat zusammenfassen dürfen. Die Nichtabgabe der gebotenen Erklärungen für jeden Besteuerungszeitraum und für jedes „Serviceunternehmen“ stellt eine rechtlich selbständige Tat dar. Denn der Angeklagte war als (faktischer) Geschäftsführer verpflichtet, für jede der Scheingesellschaften zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt Umsatzsteuerjahreserklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Da die Serviceunternehmen zum Teil unterschiedliche Betriebsstätten hatten, waren zudem verschiedene Finanzämter zuständig (§ 21 AO). Bei zutreffender rechtlicher Bewertung hat der Angeklagte B nach den Feststellungen des Landgerichts in insgesamt 27 Fällen Steuern verkürzt.
Die rechtsfehlerhafte Beurteilung der Konkurrenzen be schwert den Angeklagten B auch, soweit er wegen Umsatzsteuerhinterziehung für das Jahr 2001 verurteilt worden ist. Infolge der Gesamtschau aller Firmen und der Zusammenrechnung aller Verkürzungsbeträge für diesen Besteuerungszeitraum in Höhe von insgesamt 862.817 € hat das Landgericht die rechtlichen Voraussetzungen der Verbrechensnorm des § 370a Abs. 1 AO bejaht, statt die Voraussetzungen für jede der vier betreffenden Firmen sowie im Hinblick auf jede Steuererklärung einzeln zu prüfen. Der Schuldspruch wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung in 2001 (Fall 5 der Urteilsgründe ) kann deshalb keinen Bestand haben. Allerdings können die zugrundeliegenden rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bestehen bleiben, weil lediglich ein Wertungsfehler vorliegt, bei dem eine Aufhebung von Feststellungen nach § 353 Abs. 2 StPO nicht veranlaßt ist (vgl. BGH StraFo 2001, 350, 351).

c) Der neue Tatrichter wird bei der rechtlichen Beurt eilung dieser vier Fälle folgendes zu bedenken haben: Die Strafnorm des § 370a AO begegnet nach Auffassung des Senats erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar gehören Straftaten der vorliegenden Art, die regelmäßig durch organisierte kriminelle Strukturen bei der Planung und Tatausführung gekennzeichnet sind und infolge der systematischen Verkürzung von Abgaben mit hohen Steuerausfällen und außerordentlich großen wirtschaftlichen Schäden einhergehen , zweifellos – insbesondere neben den Umsatzsteuerkarussellgeschäften – zu den Deliktsgruppen, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers von der Verbrechensnorm des § 370a AO erfaßt werden sollten (vgl. Kohlmann, Steuerstrafrecht 7. Aufl., Stand: Mai 2004, § 370a AO 1977 Rdn. 3, 13). Die „Serviceunternehmen“ entsprechen in ihrem Gesamterscheinungsbild dem Begriff der „Steuerhinterziehung als Gewerbe“ (Joecks wistra 2002, 201, 203); sie stellen damit eine besonders steuerschädliche Art der Wirtschaftskriminalität dar.
aa) Die gegen die Verbrechensnorm des § 370a AO besteh enden verfassungsrechtlichen Bedenken sind jedoch grundsätzlicher Natur; sie können nicht dadurch ausgeräumt werden, daß ein unbestimmtes Gesetz durch die Rechtsprechung in geeignet erscheinenden Einzelfällen allmählich nachgebessert und ausgefüllt wird. Wie der Senat in seinem Beschluß vom 22. Juli 2004 (NJW 2004, 2990) bereits ausgeführt hat, erscheint das „entscheidende Verbrechensmerkmal der Steuerverkürzung ‚in großem Ausmaß’ unter Bedacht auf Art. 103 Abs. 2 GG nicht ausreichend bestimmt (vgl. dazu nur: Park wistra 2003, 328 ff.; Reiß Stbg 2004, 113 ff.; Kohlmann aaO Rdn. 12; Seer BB 2002, 1677, 1680; Langrock wistra 2004, 241 ff.; Harms in Festschrift für Günter Kohlmann, 2003, S. 413, 419 ff.; alle m.w.N. sowie Stellungnahme der ‚Arbeitsgemeinschaft Klimatagung’ in WPK-Mitteilungen 2003, 130 ff.). Es läßt sich nicht erkennen, unter welchen Voraussetzungen dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, welche Anknüpfungspunkte maßgeblich sein sollen und ob es auf den jeweiligen Einzelfall ankommt oder ob bei einer Vielzahl von Hinterziehungstaten – wie etwa bei der monatlich anzu-
meldenden Lohnsteuer – eine Gesamtbetrachtung des Tatbildes entscheidend sein soll; bei diesem Befund ist nicht ersichtlich, wie der Normadressat – der dem Gesetz unterworfene Steuerbürger – durch Auslegung Tragweite und Anwendungsbereich des Verbrechenstatbestandes ermitteln und konkretisieren soll (vgl. zu diesen Anforderungen an einen Straftatbestand: BVerfGE 105, 135, 152 ff. m.w.N.).“
Auch ist dem Gesetz eine Beschränkung – sei es auf bestimmt e Steuerarten , sei es auf bestimmte besonders gravierende Erscheinungsformen steuerstrafrechtlichen Handelns – nicht zu entnehmen, die es andernfalls erlauben könnten, über eine deliktsspezifische Auslegung unter Bedacht auf das vorgestellte Tatbild eine Eingrenzung des unbestimmten Tatbestandsmerkmals „in großem Ausmaß“ zu versuchen (vgl. Gaede HRR-Strafrecht 9/2004, 318 f.; Harms aaO, S. 420). Die vom Senat im Beschluß vom 22. Juli 2004 (aaO) dargelegten Zweifel an der Bestimmtheit der Verbrechensnorm des § 370a AO gelten folglich auch im vorliegenden Fall der „Serviceunternehmen“.
Die vom Landgericht postulierte Grenze von 250.000 € i st ebenso willkürlich gegriffen, wie jeder andere Hinterziehungsbetrag (vgl. etwa MdB Poß gegenüber dem Handelsblatt vom 3. September 2004: ab 100.000 DM/50.000 €; sowie die Aufzählung möglicher Ansätze bei Rüping DStR 2004, 1780, 1781); insoweit verbleibt es bei der bereits geäußerten Auffassung des Senats, daß eine Norm, die es dem jeweiligen Rechtsanwender überläßt, die Grenze zum Verbrechenstatbestand nach eigenem wirtschaftlichen Vorverständnis und den von ihm herangezogenen rechtlichen Anknüpfungspunkten zu ziehen, dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG nicht genügen kann.
Anders als bei dem ähnlich unscharfen Verbrechensmerkmal der „nicht geringen Menge“ in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (vgl. dazu Vogelberg in PStR 2004, 224) läßt sich eine Eingrenzung auch nicht durch wissenschaft-
lich nachprüfbare und allgemein anerkannte Kriterien erzielen wie es bei den medizinisch ermittelten Wirkstoffmengen im Betäubungsmittelrecht der Fall ist. Es bleibt vielmehr der jeweiligen wirtschaftlichen Betrachtung überlassen, wie die Grenze zum „großen Ausmaß“ bestimmt wird. Damit ist lediglich die Subsumierbarkeit unter den Wortlaut der Norm gegeben, aber nicht vorhersehbar , wie die Norm auszulegen ist (vgl. Gaede aaO, S. 319).
bb) Eine Vorlegung der Sache nach Art. 100 Abs. 1 GG ist nicht möglich. § 80 Abs. 2 BVerfGG erfordert die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage. Da das Landgericht die Beurteilung der Verbrechensnorm nach § 370a AO auf der Grundlage einer rechtsfehlerhaften Gesamtschau aller Taten jeweils eines Jahres getroffen hat, führt dieser einfachrechtliche Fehler bereits zur Aufhebung des Schuldspruchs nach § 370a AO. Damit entfällt die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage.
cc) Der neue Tatrichter wird indes zu prüfen haben, ob er im Hinblick auf die aufgezeigten gravierenden Unsicherheiten bei Anwendung des § 370a AO zugunsten des Angeklagten vom Grundtatbestand des § 370 AO ausgeht oder eine Beschränkung nach § 154a StPO in Betracht zieht; sodann wird er zu erwägen haben, ob die Strafen dem erhöhten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO zu entnehmen sind. Dieser läßt bei Tatbildern und Strukturen der vorliegenden Art im jeweiligen Einzelfall eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren zu; er deckt sich folglich in der Obergrenze mit der problematischen Verbrechensnorm des § 370a AO und ermöglicht ein schuldangemessenes Strafen auch in derartigen Fällen von Wirtschaftskriminalität.
Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 22. Jul i 2004 (aaO) darauf hingewiesen, daß trotz der im Wortlaut ähnlichen Voraussetzungen des besonders schweren Falles nach § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO (Steuerverkürzung „aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß“) bei der Strafzumessungsregel nicht dieselben verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der wei-
ten Fassung der Regelmerkmale bestehen wie bei der Abgrenzung zwischen Vergehens- und Verbrechenstatbestand. Die in der öffentlichen Diskussion (vgl. Ondracek im Handelsblatt vom 3. September 2004) vorgebrachten Einwendungen , in zahlreichen Straftatbeständen des Strafgesetzbuches sei das „große Ausmaß“ als Formulierung ebenfalls enthalten, verkennt diese Unterschiede. Es handelt sich insoweit ausschließlich um Merkmale der jeweiligen Strafzumessungstatbestände (vgl. § 263 Abs. 3 Nr. 2, § 264 Abs. 2 Nr. 1, § 267 Abs. 3 Nr. 2, § 335 Abs. 2 Nr. 1 StGB).

d) Hinsichtlich der übrigen Hinterziehungstaten für die Jahre 1998, 1999, 2000 und 2002, die nach § 370 AO ausgeurteilt worden sind, ändert der Senat den Schuldspruch selbst. Danach ist der Angeklagte B aufgrund der vom Landgericht insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen und tragfähigen Feststellungen der Steuerhinterziehung in 23 Fällen gemäß § 370 AO schuldig. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

e) Die Aufhebung der Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung und die Änderung der Schuldsprüche hinsichtl ich der übrigen Steuerdelikte führen zur Aufhebung der vom Landgericht insoweit verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe.
Allerdings wird der neue Tatrichter den Schuldumfang in den Fällen der Steuerhinterziehung nochmals zu überprüfen haben; die bisherige Berechnung der einzelnen Hinterziehungssummen im Urteil ist nicht nachvollziehbar dargestellt. Insoweit scheint das Landgericht bisher von einem um etwa 14 bis 16 % zu hohen Schadensumfang ausgegangen zu sein. Die Höhe der einzelnen Umsatzsteuerhinterziehungen ergibt sich aus der Summe der in den einzelnen Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer des jeweiligen Besteuerungszeitraums.
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat im übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Insbesondere unterliegt die Verurteilung des Angeklagten wegen (mittäterschaftlichen ) Betruges zum Nachteil der Sozialversicherungsträger in sieben Fällen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Handlungen des Angeklagten – Falschmeldungen gegenüber den Sozialversicherungsträgern – wesentliche Tatbeiträge zu den Betrugstaten der Kolonnenschieber darstellen. Es hat ferner nachvollziehbar dargelegt, daß der Angeklagte aufgrund seiner nicht nur unerheblichen Entlohnung aus den „ersparten“ Sozialabgaben, die Tat auch als eigene wollte, folglich mit Täterwillen handelte.
Im Ergebnis offenbleiben kann die Frage, ob die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts, die Gründung und das Betreiben jeweils einer Scheinfirma zum Nachteil einer bestimmten Krankenkasse stelle sich jeweils als eine Tat dar, zutrifft. Der Angeklagte ist durch diese Bewertung des Landgerichts jedenfalls nicht beschwert. Der Schuldumfang bliebe auch bei einer anderen Beurteilung der Konkurrenzen unverändert. Es kann auch ausgeschlossen werden, daß das Landgericht bei abweichender konkurrenzrechtlicher Bewertung die Einzelstrafen nicht den (erhöhten) Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB entnommen hätte. Denn es hat maßgeblich auf die Verwirklichung der Regelbeispiele der gewerbs- und bandenmäßigen Begehung abgestellt. Nach der vom Landgericht rechtsfehlerfrei vorgenommenen Gesamtwürdigung hat es auch Umstände bedacht, die die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräftet hätten.
3. Die fehlerhafte konkurrenzrechtliche Beurteilung der Steuerdelikte führt gemäß § 357 StPO zur Erstreckung der Teilaufhebung und der Änderung des Schuldspruchs wegen Steuerhinterziehung auf die nichtrevidierenden Mitangeklagten Be und M , soweit sie davon betroffen sind. Beide Nichtrevidenten sind über ihre bisherigen Verteidiger, deren
Mandatspflicht insoweit fortwirkt (vgl. Laufhütte in KK 5. Aufl. § 138 Rdn. 14 und § 141 Rdn. 10; Basdorf in Festschrift für Lutz Meyer-Goßner 2001, S. 665, 678; entsprechend BGH, Beschluß vom 29. September 2004 – 5 StR 339/04) zur Anwendung des § 357 StPO angehört worden; sie haben einer Erstreckung ausdrücklich zugestimmt. In diesem Zusammenhang weist der Senat aus Anlaß eines entsprechenden vor der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf folgendes hin: In Fällen, in denen eine den Nichtrevidenten nicht unmittelbar begünstigende, ihn nach Zurückversetzung der Sache möglicherweise belastende Entscheidung nach § 357 StPO in Betracht kommt, ist der Nichtrevident in Anwendung des § 33 StPO nach Art. 103 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK zuvor anzuhören , damit er eine Erstreckungsentscheidung gegebenenfalls durch Widerspruch verhindern kann (vgl. Basdorf aaO; Wohlers/Gaede NStZ 2004, 9). Hierauf beschränkt sich indes das Anhörungsrecht; eine aktive Mitwirkungsbefugnis des Nichtrevidenten am Revisionsverfahren, auf das er für sich selbst gerade verzichtet hatte, erwächst hieraus nicht, so daß eine Pflichtverteidigerbestellung für den Nichtrevidenten, bezogen auf die Hauptverhandlung , ausscheidet.
Auch bei diesen beiden Angeklagten wird der neue Tatrichter über die etwaige Anwendung des § 370a AO neu zu befinden und Einzelstrafen entsprechend dem geänderten Schuldspruch zu bestimmen haben.
Harms Häger Gerhardt Brause Schaal
5 StR 220/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 24. November 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. November
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt B
als Verteidiger für den Angeklagten N F ,
Rechtsanwalt Dr. H
als Verteidiger für den Angeklagten D ,
Rechtsanwalt F
als Verteidiger für den Angeklagten E ,
Rechtsanwalt S
als Verteidiger für den Angeklagten R F ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 4. Dezember 2003
a) in den Schuldsprüchen dahin abgeändert, daß die Angeklagten der Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung sowie der versuchten Steuerhinterziehung in 455 Fällen jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung schuldig sind,
b) in den Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Revision des Angeklagten R F wird verworfen. Dieser Angeklagte trägt die durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die insoweit entstanden Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen versuchter Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung schuldig gesprochen und gegen die Angeklagten N F , R F und E eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten sowie gegen den Angeklagten D eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Die – vom Generalbundesanwalt vertretenen – Revisionen der Staatsanwaltschaft führen zu einer Änderung der Schuldsp rüche und zur Aufhebung der Strafaussprüche. Die Revision des Angeklagten R F ist unbegründet.

I.


Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Die Angeklagten wollten ihre schlechte finanzielle Situation durch Erschleichung von unberechtigten Vorsteuererstattungen aufbessern. Der Angeklagte E , der aufgrund einer abgebrochenen Ausbildung zum Finanzbeamten steuerrechtliche Kenntnisse hatte, erklärte den übrigen Angeklagten das System der Umsatzsteuervoranmeldungen. Die Angeklagten verabredeten daraufhin, eine große Anzahl von Voranmeldungen an zahlreiche Finanzämter in Deutschland gleichzeitig abzusenden und die von ihnen erwarteten Vorsteuererstattungen untereinander gleichmäßig aufzuteilen. Zur Vorbereitung besorgten sich die Angeklagten zunächst gefälschte Personaldokumente. Anschließend meldeten sich die Angeklagten D N und F unter falschen Personalien in Berlin beim Landeseinwohneramt an. „Danach meldeten sie unter Verwendung der falschen Personalien ein Gewerbe an und hängten an zwei unterschiedlichen, für sie fremden Adressen jeweils einen Briefkasten auf, um mögliche Postsendungen für die eingerichtete Scheinfirma in Empfang nehmen zu können.“ Ferner eröffneten sie unter falschem Namen Konten und besorgten sich mehrere Mobiltelefone, um für etwaige Rückfragen der Finanzämter erreichbar zu sein.
Anfang Dezember 2001 trafen sich die Angeklagten D sowie N und R F in Berlin und füllten in telefonischer Absprache
mit dem Angeklagten E insgesamt 456 Antragsformulare mit frei erfundenen Umsätzen und Vorsteuern aus, die sie jeweils mit einem falschen Namen unterschrieben. Anschließend übersandten sie die Voranmeldungen zusammen mit einem formlosen Anschreiben und einer Anzeige der Betriebsaufnahme an die entsprechenden Betriebsfinanzämter. Aufgrund der Vielzahl von Anträgen mußten die Angeklagten in der Tatnacht zwei Fahrten zu einem Postbriefkasten in Berlin-Kreuzberg unternehmen, um die Briefe abzusenden. Die Summe der beantragten Vorsteuererstattungsbeträge belief sich auf sieben Millionen DM.
Die Anträge gingen bei den Finanzämtern zwischen dem 12. Dezember und dem 17. Dezember 2001 ein. Zu einer Auszahlung der beantragten Erstattung kam es jedoch nur in einem Fall. Den Betrag von 15.713 DM konnten die Angeklagten allerdings nicht abheben, da die Staatsanwaltschaft bereits vor Eingang des Geldes das Konto gepfändet hatte.
Das Landgericht ist der Auffassung, das Geschehen sei als eine Tat im Sinne natürlicher Handlungseinheit zu werten, da sämtliche Anträge in einer Nacht zur Post gebracht worden seien.

II.


Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind begründet. Die rechtliche Würdigung des Landgerichts, der festgestellte Sachverhalt sei als eine versuchte Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu werten, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Zutreffend geht das Landgericht allerdings davon aus, daß Fälle, in denen für Scheinfirmen ohne Bezug auf reale Vorgänge fingierte Umsätze angemeldet und Vorsteuererstattungen begehrt werden, als Steuerhinterziehung und nicht als Betrug zu beurteilen sind (vgl. BGHSt 40, 109; BGH wistra 2004, 309, 310).
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen ha ben sich die Angeklagten jedoch wegen (vollendeter) Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung sowie wegen versuchter Steuerhinterziehung in 455 Fällen jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung schuldig gemacht.
Bei der Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses von Steuerstraftaten gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgendes: Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als selbständige Tat im Sinne von § 53 StGB zu werten. Von Tatmehrheit ist also dann auszugehen, wenn die abgegebenen Steuererklärungen verschiedene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Steuerpflichtige betreffen. Ausnahmsweise kann Tateinheit vorliegen, wenn die Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehrere Steuererklärungen durch eine körperliche Handlung gleichzeitig abgegeben werden. Entscheidend dabei ist, daß die Abgabe der Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammenfällt und überdies in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthalten sind (vgl. BGHSt 33, 163; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2004 – 5 StR 276/04; jew. m.w.Nachw.).
Übereinstimmende unrichtige Angaben im Sinne dieser Rechtsprechung können beispielsweise im Verhältnis von Körperschaftsteuerhinterziehung und Umsatzsteuerhinterziehung (vgl. BGHSt 33, 163, 166; BGH wistra 1996, 62) oder im Verhältnis von Einkommensteuer-, Gewerbesteuerund Umsatzsteuerhinterziehung (vgl. BGH wistra 1996, 231) vorliegen. In solchen Fällen werden übereinstimmende unrichtige Angaben regelmäßig deshalb abgegeben, weil der Täter sich bei unterschiedlichen Angaben über die steuerlich erheblichen Tatsachen in den verschiedenen Steuererklärungen , die letztlich jeweils denselben Lebenssachverhalt betreffen, einem erhöhten Entdeckungsrisiko aussetzen würde.
Indes reicht es für die Annahme übereinstimmender unrichtiger Angaben nicht aus, wenn der Täter – wie im vorliegenden Fall – gegenüber verschiedenen Finanzämtern für vorgetäuschte Unternehmen gleichartige Vorsteuererstattungsansprüche behauptet. Die von den Angeklagten in den Umsatzsteuervoranmeldungen gegenüber 456 unterschiedlichen Finanzämtern mitgeteilten falschen Angaben betrafen jeweils völlig verschiedene frei erfundene Steuerschuldverhältnisse. Die den einzelnen Voranmeldungen jeweils zugrundeliegenden Angaben sollten gerade nicht in die Prüfung der anderen Steuerschuldverhältnisse einfließen, da anderenfalls das strafbare Verhalten (noch) durchschaubarer gewesen wäre. Dies wird auch dadurch deutlich, daß die Angeklagten Vorsteuererstattungen in unterschiedlicher Höhe – zwischen 15.023,44 DM und 16.153,44 DM – geltend machten.
Der Umstand, daß alle 456 Umsatzsteuervoranmeldungen in derselben Nacht in den gleichen Briefkasten geworfen und zur Versendung gebracht wurden, ändert an der konkurrenzrechtlichen Beurteilung im Sinne von Tatmehrheit nichts. Insbesondere führt dies nicht zur Annahme von natürlicher Handlungseinheit.
Soweit in einem Fall die beantragte Vorsteuererstattung durch das Finanzamt ausgezahlt wurde, liegt eine vollendete Steuerhinterziehung vor. Ist – wie bei der Umsatzsteuer – eine Fälligkeitssteuer anzumelden, so kann bereits eine falsche Steueranmeldung zur vollendeten Steuerverkürzung führen , weil sich eine besondere Steuerfestsetzung erübrigt (§ 167 AO); die Steueranmeldung steht dann einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1, § 370 Abs. 4 Satz 1 AO). Dies gilt jedoch nicht, wenn – wie hier – die Steueranmeldung zu einer Steuervergütung führen soll. In einem solchen Fall gilt nach § 168 Satz 2 AO die Steueranmeldung erst dann als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung, wenn die Finanzbehörde zustimmt; somit ist die Tat mit der Zustimmung der Finanzbehörde vollendet (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 Vollendung 2). Von der Zustimmung der Finanzbehörde, die keiner Form bedarf (§ 168 Satz 3
AO), kann spätestens ausgegangen werden, wenn der Erstattungsbetrag ausgezahlt wird. Im Fall der Auszahlung der beantragten Vorsteuererstattung ändert sich die rechtliche Bewertung als vollendete Steuerhinterziehung auch nicht dadurch, daß die Staatsanwaltschaft das Konto der Angeklagten, auf das die Auszahlung erfolgte, bereits gepfändet hatte, so daß den Angeklagten der Zugriff auf den Erstattungsbetrag verwehrt wurde. Der Umstand, daß die Abhebung des Geldes durch das schnelle Eingreifen der Ermittlungsbehörden verhindert und die Rückzahlung des Geldes an den Fiskus sichergestellt werden konnte, ist jedoch bei der Strafzumessung von Bedeutung.
Der Senat ändert die Schuldsprüche selbst. Die Vorschrift des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich die Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können. Die Schuldspruchänderungen führen zur Aufhebung der jeweils verhängten Strafaussprüche. Auf die Einzelbeanstandungen der Staatsanwaltschaft gegen die Strafzumessung des Landgerichts kommt es daher nicht mehr an.

III.


Die umfassende Nachprüfung des Urteils aufgrund der vom Angeklagten R F erhobenen Sachrüge hat keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler aufgedeckt.
Harms Häger Gerhardt Brause Schaal

(1)1Der Einkommensteuer unterliegen

1.
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft,
2.
Einkünfte aus Gewerbebetrieb,
3.
Einkünfte aus selbständiger Arbeit,
4.
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit,
5.
Einkünfte aus Kapitalvermögen,
6.
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung,
7.
sonstige Einkünfte im Sinne des § 22,
die der Steuerpflichtige während seiner unbeschränkten Einkommensteuerpflicht oder als inländische Einkünfte während seiner beschränkten Einkommensteuerpflicht erzielt.2Zu welcher Einkunftsart die Einkünfte im einzelnen Fall gehören, bestimmt sich nach den §§ 13 bis 24.

(2)1Einkünfte sind

1.
bei Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit der Gewinn (§§ 4 bis 7k und 13a),
2.
bei den anderen Einkunftsarten der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 8 bis 9a).
2Bei Einkünften aus Kapitalvermögen tritt § 20 Absatz 9 vorbehaltlich der Regelung in § 32d Absatz 2 an die Stelle der §§ 9 und 9a.

(3) Die Summe der Einkünfte, vermindert um den Altersentlastungsbetrag, den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende und den Abzug nach § 13 Absatz 3, ist der Gesamtbetrag der Einkünfte.

(4) Der Gesamtbetrag der Einkünfte, vermindert um die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen, ist das Einkommen.

(5)1Das Einkommen, vermindert um die Freibeträge nach § 32 Absatz 6 und um die sonstigen vom Einkommen abzuziehenden Beträge, ist das zu versteuernde Einkommen; dieses bildet die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer.2Knüpfen andere Gesetze an den Begriff des zu versteuernden Einkommens an, ist für deren Zweck das Einkommen in allen Fällen des § 32 um die Freibeträge nach § 32 Absatz 6 zu vermindern.

(5a)1Knüpfen außersteuerliche Rechtsnormen an die in den vorstehenden Absätzen definierten Begriffe (Einkünfte, Summe der Einkünfte, Gesamtbetrag der Einkünfte, Einkommen, zu versteuerndes Einkommen) an, erhöhen sich für deren Zwecke diese Größen um die nach § 32d Absatz 1 und nach § 43 Absatz 5 zu besteuernden Beträge sowie um die nach § 3 Nummer 40 steuerfreien Beträge und mindern sich um die nach § 3c Absatz 2 nicht abziehbaren Beträge.2Knüpfen außersteuerliche Rechtsnormen an die in den Absätzen 1 bis 3 genannten Begriffe (Einkünfte, Summe der Einkünfte, Gesamtbetrag der Einkünfte) an, mindern sich für deren Zwecke diese Größen um die nach § 10 Absatz 1 Nummer 5 abziehbaren Kinderbetreuungskosten.

(5b) Soweit Rechtsnormen dieses Gesetzes an die in den vorstehenden Absätzen definierten Begriffe (Einkünfte, Summe der Einkünfte, Gesamtbetrag der Einkünfte, Einkommen, zu versteuerndes Einkommen) anknüpfen, sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 nicht einzubeziehen.

(6)1Die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um den Unterschiedsbetrag nach § 32c Absatz 1 Satz 2, die anzurechnenden ausländischen Steuern und die Steuerermäßigungen, vermehrt um die Steuer nach § 32d Absatz 3 und 4, die Steuer nach § 34c Absatz 5 und den Zuschlag nach § 3 Absatz 4 Satz 2 des Forstschäden-Ausgleichsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1985 (BGBl. I S. 1756), das zuletzt durch Artikel 412 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, ist die festzusetzende Einkommensteuer.2Wurde der Gesamtbetrag der Einkünfte in den Fällen des § 10a Absatz 2 um Sonderausgaben nach § 10a Absatz 1 gemindert, ist für die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer der Anspruch auf Zulage nach Abschnitt XI der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen; bei der Ermittlung der dem Steuerpflichtigen zustehenden Zulage bleibt die Erhöhung der Grundzulage nach § 84 Satz 2 außer Betracht.3Wird das Einkommen in den Fällen des § 31 um die Freibeträge nach § 32 Absatz 6 gemindert, ist der Anspruch auf Kindergeld nach Abschnitt X der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen; nicht jedoch für Kalendermonate, in denen durch Bescheid der Familienkasse ein Anspruch auf Kindergeld festgesetzt, aber wegen § 70 Absatz 1 Satz 2 nicht ausgezahlt wurde.

(7)1Die Einkommensteuer ist eine Jahressteuer.2Die Grundlagen für ihre Festsetzung sind jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln.3Besteht während eines Kalenderjahres sowohl unbeschränkte als auch beschränkte Einkommensteuerpflicht, so sind die während der beschränkten Einkommensteuerpflicht erzielten inländischen Einkünfte in eine Veranlagung zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht einzubeziehen.

(8) Die Regelungen dieses Gesetzes zu Ehegatten und Ehen sind auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden.

(1) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer. Bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb sind Verbrauchsteuern, die vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Bei Lieferungen und dem innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sind die Kosten für die Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b und die vom Auslagerer geschuldeten oder entrichteten Verbrauchsteuern in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), gehören nicht zum Entgelt. Liegen bei der Entgegennahme eines Mehrzweck-Gutscheins (§ 3 Absatz 15) keine Angaben über die Höhe der für den Gutschein erhaltenen Gegenleistung nach Satz 2 vor, so wird das Entgelt nach dem Gutscheinwert selbst oder nach dem in den damit zusammenhängenden Unterlagen angegebenen Geldwert bemessen, abzüglich der Umsatzsteuer, die danach auf die gelieferten Gegenstände oder die erbrachten Dienstleistungen entfällt.

(2) Werden Rechte übertragen, die mit dem Besitz eines Pfandscheins verbunden sind, so gilt als vereinbartes Entgelt der Preis des Pfandscheins zuzüglich der Pfandsumme. Beim Tausch (§ 3 Abs. 12 Satz 1), bei tauschähnlichen Umsätzen (§ 3 Abs. 12 Satz 2) und bei Hingabe an Zahlungs statt gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Die Umsatzsteuer gehört nicht zum Entgelt.

(3) (weggefallen)

(4) Der Umsatz wird bemessen

1.
bei dem Verbringen eines Gegenstands im Sinne des § 1a Abs. 2 und des § 3 Abs. 1a sowie bei Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes;
2.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Zu diesen Ausgaben gehören auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 Euro, sind sie gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a entspricht;
3.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben. Satz 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 gilt entsprechend.
Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

(5) Absatz 4 gilt entsprechend für

1.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen sowie Einzelunternehmer an ihnen nahestehende Personen ausführen,
2.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige auf Grund des Dienstverhältnisses ausführt,
wenn die Bemessungsgrundlage nach Absatz 4 das Entgelt nach Absatz 1 übersteigt; der Umsatz ist jedoch höchstens nach dem marktüblichen Entgelt zu bemessen. Übersteigt das Entgelt nach Absatz 1 das marktübliche Entgelt, gilt Absatz 1.

(6) Bei Beförderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind, tritt in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) an die Stelle des vereinbarten Entgelts ein Durchschnittsbeförderungsentgelt. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt ist nach der Zahl der beförderten Personen und der Zahl der Kilometer der Beförderungsstrecke im Inland (Personenkilometer) zu berechnen. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung das Durchschnittsbeförderungsentgelt je Personenkilometer festsetzen. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt muss zu einer Steuer führen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich nach diesem Gesetz ohne Anwendung des Durchschnittsbeförderungsentgelts ergeben würde.

1Gewerbeertrag ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum (§ 14) entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 bezeichneten Beträge.2Zum Gewerbeertrag gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe

1.
des Betriebs oder eines Teilbetriebs einer Mitunternehmerschaft,
2.
des Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs einer Mitunternehmerschaft anzusehen ist,
3.
des Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien,
soweit er nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt.3Der nach § 5a des Einkommensteuergesetzes ermittelte Gewinn einschließlich der Hinzurechnungen nach § 5a Absatz 4 und 4a des Einkommensteuergesetzes und das nach § 8 Absatz 1 Satz 3 des Körperschaftsteuergesetzes ermittelte Einkommen gelten als Gewerbeertrag nach Satz 1.4§ 3 Nr. 40 und § 3c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes sind bei der Ermittlung des Gewerbeertrags einer Mitunternehmerschaft anzuwenden, soweit an der Mitunternehmerschaft natürliche Personen unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligt sind; im Übrigen ist § 8b des Körperschaftsteuergesetzes anzuwenden.5Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags einer Kapitalgesellschaft, auf die § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes anzuwenden ist, ist § 8 Abs. 9 Satz 1 bis 3 des Körperschaftsteuergesetzes entsprechend anzuwenden; ein sich danach bei der jeweiligen Sparte im Sinne des § 8 Abs. 9 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes ergebender negativer Gewerbeertrag darf nicht mit einem positiven Gewerbeertrag aus einer anderen Sparte im Sinne des § 8 Abs. 9 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes ausgeglichen werden.6§ 50d Abs. 10 des Einkommensteuergesetzes ist bei der Ermittlung des Gewerbeertrags entsprechend anzuwenden.7Hinzurechnungsbeträge im Sinne des § 10 Absatz 1 des Außensteuergesetzes sind Einkünfte, die in einer inländischen Betriebsstätte anfallen.8Einkünfte im Sinne des § 20 Absatz 2 Satz 1 des Außensteuergesetzes gelten als in einer inländischen Betriebsstätte erzielt; das gilt auch, wenn sie nicht von einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erfasst werden oder das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung selbst die Steueranrechnung anordnet.9Satz 8 ist nicht anzuwenden, soweit auf die Einkünfte, würden sie in einer Zwischengesellschaft im Sinne des § 8 des Außensteuergesetzes erzielt, § 8 Absatz 2 bis 4 des Außensteuergesetzes zur Anwendung käme.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 416/08
vom
2. Dezember 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
1. Die Berechnung der nach § 266a StGB vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge
richtet sich in Fällen illegaler Beschäftigungsverhältnisse nach § 14 Abs. 2
Satz 2 SGB IV.
2. Zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung.
BGH, Urt. vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08 - LG Landshut
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Dezember
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte persönlich,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 21. April 2008 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte statt in 43 Fällen in 33 Fällen des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt schuldig ist. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 48 Fällen, Beihilfe zur Steuerhinterziehung in vier Fällen und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 43 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt. Die Revision des Beschwerdeführers , mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, führt lediglich zur Berichtigung eines offensichtlichen Schreibversehens in der Urteilsformel. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Nach den Urteilsfeststellungen betrieb der Angeklagte als Einzelfirma ein Trockenbau-Unternehmen, das für verschiedene Auftraggeber als Subunternehmer tätig war. Aufgrund der Preisvorgaben der Auftraggeber war dem Angeklagten in den Jahren 2001 bis 2005 ein „auskömmliches Wirtschaften“ nur dadurch möglich, dass er den wesentlichen Teil seiner Arbeitnehmer „schwarz“ beschäftigte, ohne die Arbeitsverhältnisse den zuständigen Stellen zu melden und ohne für diese Personen Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Darüber hinaus erklärte er die Umsatzerlöse, die er aufgrund der Tätigkeit der nicht gemeldeten Arbeitnehmer erzielte, in den für die betreffenden Zeiträume abzugebenden Umsatzsteuervoranmeldungen und -jahreserklärungen nicht. Er wollte hierdurch die Abführung von Umsatzsteuern auf die unter Einsatz der illegal beschäftigten Arbeitnehmer erbrachten Leistungen vermeiden. Um andererseits den Auftraggebern zu ermöglichen, die an ihn als Subunternehmer geleisteten Zahlungen ertragsteuerlich als Betriebsausgaben ansetzen und umsatzsteuerlich einen Vorsteuerabzug geltend machen zu können , unterstützte der Angeklagte die Auftraggeber bei der Beschaffung sog. Abdeckrechnungen. Bei diesen Rechnungen handel te es sich um Scheinrechnungen mit gesondertem Vorsteuerausweis, mit denen unter dem Namen von Firmen, die tatsächlich nicht tätig geworden waren, Leistungen abgerechnet wurden. Die Abdeckrechnungen für die L. AG erstellte der Angeklagte selbst. Sowohl dem Angeklagten als auch seinen Auftraggebern war bewusst, dass die vorgeblichen Aussteller der Rechnungen die darin ausgewiesenen Umsatzsteuern weder anmelden noch an die Finanzbehörden abführen würden.
3
Insgesamt verkürzte der Angeklagte durch diese Vorgehensweise in den Jahren 2001 bis 2005 Umsatzsteuern in Höhe von mehr als 373.000 Euro sowie Lohnsteuer von 354.000 Euro und enthielt er den Einzugsstellen Gesamt- sozialversicherungsbeiträge in Höhe von mehr als 947.000 Euro vor, davon Arbeitnehmeranteile an der Sozialversicherung in Höhe von über 473.000 Euro. Zudem ermöglichte er durch das Ausstellen von Scheinrechnungen den Verantwortlichen der L. AG, in den Jahren 2001 bis 2004 in Umsatzsteuervoranmeldungen und -jahreserklärungen ungerechtfertigt Vorsteuern in einer Gesamthöhe von mehr als 220.000 Euro geltend zu machen.

II.

4
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch. Die Urteilsformel ist lediglich dahin zu berichtigen, dass der Angeklagte statt in 43 Fällen nur in 33 Fällen des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) schuldig ist. Bei der Nennung von 43 Taten des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in der Urteilsformel handelt es sich um ein offensichtliches Verkündungsversehen ; dies ergibt sich zweifelsfrei aus den Urteilsgründen, die lediglich 33 Einzeltaten aufführen und diesen jeweils bestimmte Einzelstrafen zuordnen. Die Berichtigung kann der Senat selbst vornehmen (vgl. BGH NStZ 2000, 386; Kuckein in KK, 6. Aufl., § 354 Rdn. 20 m.w.N.).

III.

5
Die Strafzumessung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt enthält keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler. Auch der Schuldumfang - die Höhe der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge - ist zutreffend bestimmt.
6
1. Da die Strafkammer in den Urteilsgründen die Zahl der Einzeltaten zutreffend bestimmt hat, wirkt sich die Schuldspruchberichtigung auf den Strafausspruch nicht aus.
7
2. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht bei den einzelnen Taten jeweils auch den zutreffenden Schuldumfang zugrunde gelegt. Dies gilt auch, soweit es in den Fällen D 10 bis D 33 der Urteilsgründe den Angeklagten wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) verurteilt hat. Das Landgericht hat hierbei die Höhe der den Einzugsstellen vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge unter Heranziehung der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bestimmt, indem es die an die illegal beschäftigten Arbeitnehmer gezahlten Löhne als Nettoarbeitsentgelt gewertet hat.
8
a) Die Schätzung der an die illegal beschäftigten Arbeitnehmer tatsächlich ausgezahlten Lohnsummen ist rechtlich nicht zu beanstanden. Da der Angeklagte über die Beschäftigung der bei den Einzugsstellen nicht angemeldeten Arbeitnehmer keine Aufzeichnungen führte, durfte das Landgericht die Höhe der an diese Personen gezahlten Löhne auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisse schätzen (vgl. BGHSt 38, 186, 193; BGHR StGB § 266a Sozialabgaben 5; BGH wistra 2007, 220 f.). Dies waren hier insbesondere die vom Landgericht festgestellten Umsätze des Angeklagten mit den Auftraggebern , der Umstand, dass die Auftraggeber das erforderliche Material zur Verfügung stellten, und die Tatsache, dass es sich bei den vorgenommenen Arbeiten fast ausschließlich um Lohnarbeiten handelte (UA S. 19, 37). Angesichts dieser Erkenntnisse und des Umstandes, dass nach den Feststellungen des Landgerichts auch in anderen - mit den verfahrensgegenständlichen vergleichbaren - Fällen bei Arbeiten im Rahmen von Trockenbaumaßnahmen 60 Pro-zent der Rechnungssummen als Löhne ausgezahlt wurden, ist die Schätzung der ausgezahlten Lohnsummen auf 60 Prozent des Nettoumsatzes des Angeklagten mit seinen Auftraggebern aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. auch BGH wistra 1983, 107, 108; OLG Düsseldorf wistra 1988, 123, 124).
9
b) Keinen rechtlichen Bedenken begegnet auch, dass das Landgericht in den Fällen D 10 bis D 33 der Urteilsgründe, d.h. für die Beitragsmonate ab August 2002, die so ermittelten Lohnzahlungen nicht als Bruttolohn, sondern - wie sich aus den mitgeteilten Beträgen ergibt - als Nettoarbeitsentgelt gewertet und ausgehend hiervon anhand der jeweils gültigen Beitragssätze die der Einzugsstelle vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge errechnet hat. Diese Vorgehensweise rechtfertigt sich auch für das Strafrecht aus der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV, die zum 1. August 2002 in Kraft getreten ist (BGBl. I 2002, 2787 ff.).
10
aa) Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV im Rahmen des Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit vom 23. Juli 2002 (BGBl. I 2787 ff.) dem Umstand Rechnung getragen, dass bei illegaler Beschäftigung Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt werden. Er hat daher bestimmt, dass in solchen Fällen für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge zwischen den Beteiligten die Zahlung eines Nettoarbeitsentgelts als vereinbart gilt, weil dem Arbeitnehmer auch wirtschaftlich ein Nettoarbeitsentgelt zufließt (BTDrucks. 14/8221 S. 14). Neben der Beseitigung von Beweisschwierigkeiten zum Inhalt von Lohnvereinbarungen bei illegaler Beschäftigung (BTDrucks. aaO ) war die Verhinderung von Wettbewerbsvorteilen, die sich die Beteiligten von illegalen Beschäftigungsverhältnissen verschaffen, ein wesentliches Anliegen des Gesetzgebers bei der Schaffung des Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit (BTDrucks. 14/8221 S. 11, 16).
11
bb) Bei der Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV handelt es sich um die Fiktion einer Nettolohnabrede für illegale Beschäftigungsverhältnisse, bei denen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt werden. Diese Fiktion greift unabhängig vom tatsächlichen Inhalt der Lohnvereinbarung ein. Das Arbeitsentgelt der Beschäftigten besteht daher in solchen Fällen aus dem als Nettolohn zu behandelnden Barlohn, der um die darauf entfallenden Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung zu erhöhen, d.h. zu einem Bruttolohn „hochzurechnen“ ist (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Denn Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge ist stets das Bruttoarbeitsentgelt (vgl. § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V; § 162 Nr. 1 SGB VI; § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB VII; § 342 SGB III; § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i.V.m. § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V; BSGE 64, 110, 111 f.). Illegale Beschäftigung im Sinne der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV liegt nicht nur bei verbotenen Beschäftigungsverhältnissen (§ 134 BGB) vor, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber pflichtwidrig die für die Arbeitsverhältnisse vorgeschriebenen Meldungen nicht erstattet oder Beiträge für die versicherten Arbeitnehmer nicht zahlt. Der Gesetzgeber verwendet den Begriff der illegalen Beschäftigung als „Sammelbegriff für eine Vielzahl von Ordnungswidrigkeitstatbeständen oder Straftaten, von Verstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsrecht bis hin zu Verstößen gegen das Steuerrecht oder zum Leistungsmissbrauch“ (BTDrucks. 14/8221, S. 11).
12
cc) Mit Einführung der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV wurde die bis dahin geltende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundessozialgerichts , nach der bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen mit Schwarzlohnabreden der Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge eine Bruttolohnvereinbarung zu Grunde zu legen ist (vgl. BGHSt 38, 285; BGH wistra 1993, 148 f.; BSGE 64, 110 ff.), für den Bereich des Sozialversicherungsrechts durch einen "Federstrich des Gesetzgebers" obsolet (BTDrucks. 15/726 S. 3 f.). Überzeugende Gründe, die Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV im Strafrecht nicht anzuwenden und für die Bestimmung der Höhe der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge im Sinne des § 266a StGB weiterhin an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten, bestehen angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung nicht.
13
(1) Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundessozialgerichts (vgl. BGH und BSG aaO) bezeichnet als maßgeblichen gegen die Annahme einer Nettolohnvereinbarung bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen sprechenden Gesichtspunkt, dass die Abrede eines Schwarzlohns gerade beinhalte, dass Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt werden sollen. Die wesentliche Rechtsfolge einer Nettolohnvereinbarung - die Befreiung des Arbeitnehmers von seiner Lohnsteuerpflicht und seiner Beitragslast zu Lasten des Arbeitgebers - werde daher von den Parteien des illegalen Beschäftigungsverhältnisses nicht angestrebt (BGH wistra 1993, 148 m.w.N.; BSGE 64, 110, 114 f., 116); vielmehr wolle in solchen Fällen gerade auch der Arbeitgeber im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis keine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abführen. Eine derartige Vereinbarung führt zwar zur Nichtigkeit der Schwarzlohnabrede, nicht aber zu der des gesamten Beschäftigungsverhältnisses (vgl. BAGE 105, 187, 191 ff.). Die sich wegen der Nichtigkeit der Schwarzlohnabrede stellende und „früher streitige Frage, ob bei derartigen Zahlungen unter der Hand von Brutto- oder Nettolöhnen auszugehen ist“ (BTDrucks. 15/726 S. 3 f.), hat der Gesetzgeber nun mit der in § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV normierten Fiktion einer Nettolohnvereinbarung eindeutig und abschließend geklärt (BTDrucks. aaO).
14
(2) Der Schuldumfang bei Straftaten der Beitragsvorenthaltung gemäß § 266a StGB im Rahmen von illegalen, aber versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen bestimmt sich nach dem nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben zu ermittelnden Bruttoentgelt und der hieran anknüpfenden Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge. Vorenthalten im Sinne von § 266a StGB sind die nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften tatsächlich geschuldeten Beiträge. Denn der Straftatbestand des § 266a StGB ist sozialrechtsakzessorisch ausgestaltet (BGHSt 47, 318 f.; 51, 125, 128 m.w.N.; 52, 67, 70). Der Umfang der abzuführenden Beiträge bestimmt sich daher, wie die Abführungspflicht selbst, nach materiellem Sozialversicherungsrecht. Ein entgegenstehender Wille der Vertragsparteien des Beschäftigungsverhältnisses ist im Strafrecht ebenso unbeachtlich wie im Sozialversicherungsrecht. Für die Beurteilung, ob ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis vorliegt, sind allein die tatsächlichen Gegebenheiten maßgeblich. Liegt danach ein Arbeitsverhältnis vor, können die Vertragsparteien die sich hieraus ergebenden Beitragspflichten nicht durch eine abweichende vertragliche Gestaltung beseitigen (vgl. BGH NStZ 2001, 599, 600). Nach den tatsächlichen Verhältnissen bemessen sich auch die Sozialversicherungsbeiträge. Dabei entspricht die Lohnzahlung aufgrund einer Schwarzlohnabrede nach der Wertung des Gesetzgebers bei Einführung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise dem Nettoarbeitsentgelt eines legalen Beschäftigungsverhältnisses (BTDrucks. 14/8221 S. 14). Eine rechtmäßige Vereinbarung, nach der dem Arbeitnehmer das tatsächlich ausgezahlte Entgelt verbleibt, ohne dass hierfür Sozialversicherungsbeiträge aus einem nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ermittelten Bruttoentgelt berechnet werden, kann nicht getroffen werden.

15
(3) Der Umstand, dass der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV, mit der dem Phänomen der illegalen Beschäftigung entgegengewirkt werden soll (vgl. BTDrucks. 15/726 S. 3 f.), im Ergebnis Sanktionscharakter zukommt (vgl. Klattenhoff in Hauck/Noftz SGB, 38. Lfg. 2003, § 14 SGB IV Rdn. 43 Fußnote 194), steht der Anwendung dieser Norm bei der Bestimmung des Umfangs der im Sinne von § 266a StGB vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge nicht entgegen. Zwar bezweckt diese Vorschrift auch, den Arbeitgeber von einer Schwarzlohnabrede abzuhalten (vgl. BAGE 105, 187, 194). Jedoch ist dies nicht alleiniger Zweck der Vorschrift. Vielmehr soll § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV Beweisschwierigkeiten beseitigen und der wirtschaftlichen Situation bei einer Schwarzlohnabrede Rechnung tragen (BTDrucks. 14/8221 S. 14). Damit hat die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV einen materiellen Regelungsgehalt und nicht den Charakter eines Säumnis- oder Verspätungszuschlages oder eines Zwangsgelds (vgl. dazu BGHSt 43, 381, 400 ff.).
16
(4) Der Senat verkennt nicht, dass die Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV im Rahmen der Strafnorm des § 266a StGB zur Folge hat, dass insoweit ein anderes Bruttoentgelt zugrunde zu legen ist als bei der Bestimmung des Verkürzungsumfangs der bei Schwarzlohnabreden zumeist ebenfalls verwirklichten Hinterziehung von Lohnsteuer (vgl. Heitmann in MüllerGugenberger /Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl. 2006, § 36 Rdn. 26; Boxleitner in Wabnitz/Janovsky, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 2007, Kap. 17 Rdn. 59 Fn. 89). Von der Schaffung einer der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV entsprechenden Norm im Steuerrecht hat der Gesetzgeber aber wegen des dort geltenden Zuflussprinzips bewusst abgesehen (BTDrucks. 15/2948 S. 7, 20). Demgegenüber gilt im Sozialversicherungsrecht grundsätzlich das Entstehungsprinzip (§ 22 Abs. 1 SGB IV, BGHSt 47, 318, 319; vgl. auch BSGE 41, 6, 11; 54, 136 ff.; 59, 183, 189; 75, 61, 65), das auch bei der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV Anwendung findet (einschränkend Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 57. Ergän-zungslieferung 2008 SGB IV § 14 Rdn. 139; vgl. aber BAGE 105, 187, 191 ff.). Diese Unterschiede zwischen Lohnsteuer und Sozialabgaben rechtfertigen auch für das Strafrecht eine unterschiedliche Bemessungsgrundlage für die Hinterziehung von Lohnsteuer einerseits und das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen andererseits (vgl. BGHSt 47, 318, 319 zu § 266a StGB: „unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird“).
17
(5) Der Umstand, dass die Fiktion einer Nettolohnvereinbarung gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV zu einem Bruttoarbeitsentgelt führen kann, das den Wert der Arbeitsleistung übersteigt (vgl. BSGE 64, 110, 117; Boxleitner aaO Kap. 17 Rdn. 59), steht der Anwendung der Vorschrift § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bei der Bemessung der im Sinne von § 266a StGB vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge ebenfalls nicht entgegen. Auch insoweit ist zu berücksichtigen , dass eine rechtmäßige Vereinbarung, nach der dem Arbeitnehmer das tatsächlich ausgezahlte Entgelt verbleibt, ohne dass hierfür Sozialversicherungsbeiträge aus einem nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ermittelten Bruttoentgelt berechnet werden, nicht getroffen werden kann (vgl. oben [2]). Die strafrechtliche Verantwortlichkeit wird in diesem Zusammenhang lediglich durch die dem Straftatbestand des § 266a StGB als echtem Unterlassungsdelikt immanente Tatbestandsvoraussetzung beschränkt, dass dem Arbeitgeber die Erfüllung der Handlungspflicht möglich und zumutbar sein muss (BGHSt 47, 318, 320). An der Zumutbarkeit der Zahlung der gegenüber der legalen Beschäftigung erhöhten Sozialversicherungsbeiträge bestehen hier keine Zweifel, denn der Angeklagte verschaffte sich durch die Schwarzlohnabrede wirtschaftliche Vorteile im Wettbewerb gegenüber legal tätigen Arbeitgebern.

18
(6) Auch gegen die Berechnung des Bruttoarbeitsentgelts auf der Grundlage der Lohnsteuerklasse VI bestehen im vorliegenden Fall keine Bedenken (vgl. Boxleitner aaO Kap. 17 Rdn. 59 und SG Dortmund, Urt. vom 8. September 2008 - S 25 R 129/06 - BeckRS 2008 57420). Nach § 39c EStG ist diese Steuerklasse zu Grunde zu legen, wenn bei einem Arbeitsverhältnis die Lohnsteuerkarte dem Arbeitgeber nicht vorgelegt wird. Bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen besteht regelmäßig kein Grund zu der Annahme, dass die Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ihre Lohnsteuerkarte vorgelegt haben. Mangels erkennbarer Anhaltspunkte für eine andere Handhabung ergibt sich hier auch aus dem Zweifelsgrundsatz nichts anderes (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36 m.w.N.).

IV.

19
Auch die tatrichterliche Strafhöhenbemessung wegen Steuerhinterziehung ist rechtsfehlerfrei. Die dem angefochtenen Urteil insoweit zugrunde liegenden Strafzumessungserwägungen tragen den nachfolgend dargelegten Kriterien Rechnung, die bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung Anwendung finden müssen:
20
1. Grundlage für die Zumessung der Strafe ist bei einer Steuerhinterziehung - wie bei jeder anderen Straftat auch - die persönliche Schuld des Täters. Dabei sind auch die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 StGB). § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB bestimmt, dass bei der Zumessung der Strafe die Umstände gegeneinander abzuwägen sind, die für und gegen den Täter sprechen. Dabei kommen namentlich die in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB genannten Umstände in Betracht.

21
2. Bei der Zumessung einer Strafe wegen Steuerhinterziehung hat das von § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB vorgegebene Kriterium der „verschuldeten Auswirkungen der Tat“ im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung besonderes Gewicht. „Auswirkungen der Tat“ sind insbesondere die Folgen für das durch die Strafnorm geschützte Rechtsgut. Das durch § 370 AO geschützte Rechtsgut ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d.h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens (vgl. BGHSt 36, 100, 102; 40, 109, 111; 41, 1, 5; 46, 107, 120). Deshalb ist die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsumstand i.S.d. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. auch BGH wistra 1998, 269, 270).
22
Das gilt nicht nur für die Strafrahmenwahl (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO), sondern auch für die konkrete Strafzumessung in dem - wie hier vom Landgericht - zugrunde gelegten Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO. Dass der Hinterziehungsbetrag nicht nur ein bestimmender Strafzumessungsfaktor, sondern darüber hinaus, dann wenn er hoch ist, ein auch für die konkrete Strafzumessung gewichtiger Strafschärfungsgrund ist, zeigt insbesondere die gesetzgeberische Wertung in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO.
23
Schon die bis Ende des Jahres 2007 - und damit noch zur Tatzeit geltende - Fassung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO hob die Höhe des Hinterziehungsbetrags als einen Umstand heraus, der zur Verschärfung des Strafrahmens führen konnte. Danach war in der Regel ein nur mit Freiheitsstrafe (von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) bedrohter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung gegeben, wenn der Täter „aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt“. Zwar musste nach der früheren Fassung für die Erfüllung des Regelbeispiels zu dem objektiven Merkmal „in großem Ausmaß“ noch das subjektive Merkmal „aus grobem Eigennutz“ hinzukommen, gleichwohl hatte der Gesetzgeber schon damals zum Ausdruck gebracht, dass die Strafhöhenbemessung maßgeblich auch von der Höhe des Hinterziehungsbetrags bestimmt wird.
24
3. Auch wenn der Hinterziehungsbetrag ein bestimmender Strafzumessungsgrund für die Steuerhinterziehung ist, kann allein dessen Ausmaß für die Strafhöhenbemessung nicht in dem Sinne ausschlaggebend sein, dass die Strafe gestaffelt nach der Höhe des Hinterziehungsbetrags schematisch und quasi „tarifmäßig“ verhängt wird. Jeder Einzelfall ist vielmehr nach den von § 46 StGB vorgeschriebenen Kriterien zu beurteilen.
25
Das schließt indes nicht aus, die Strafhöhe an den vom Gesetzgeber auch in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO vorgegebenen Wertungen auszurichten. Das gilt auch für die konkrete Strafzumessung innerhalb des gefundenen Strafrahmens , und zwar auch beim Normalstrafrahmen des § 370 Abs. 1 AO. Gerade auch bei der Bemessung der schuldangemessenen Strafe kommt dem Merkmal „großes Ausmaß“ Bedeutung zu, weil es aufzeigt, wann der Gesetzgeber eine Freiheitsstrafe (mit erhöhtem Mindestmaß) für angebracht hält. Dazu bedarf das Merkmal einer näheren Konturierung.
26
Der Senat ist der Ansicht, dass insoweit vergleichbare Kriterien wie für das wortgleiche Merkmal in § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB (auf das auch § 263a Abs. 2, § 266 Abs. 2 StGB verweisen) zur Anwendung kommen müssen.
27
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 48, 360; BGH wistra 2004, 262, 263; StV 2007, 132) erfüllt ein Vermögensverlust von mehr als 50.000 € beim Regelbeispiel des besonders schweren Falles des Betrugs (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB) das Merkmal „in großem Ausmaß“. Dazu hatte der Senat in BGHSt 48, 360 ausgeführt: „Der Begriff des Vermögensverlustes großen Ausmaßes ist nach objektiven Gesichtspunkten zu bestimmen … Die Abgrenzung, die sich für § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB wertmäßig an einem Vermögensverlust in Höhe von 50.000 € ausrichtet, schafft für die Praxis Rechtssicherheit. Im Einzelfall bleibt genügend Spielraum für eine gerechte Straffindung. Der Tatrichter hat ohnehin im Rahmen einer Gesamtbetrachtung auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des Regelbeispiels zu bewerten, ob tat- oder täterbezogene Umstände vorliegen, die die Indizwirkung des Regelbeispiels aufheben und trotz seiner Verwirklichung zur Verneinung eines besonders schweren Falles führen können, oder ob auch ohne dass dieses Regelbeispiel erfüllt ist besondere Umstände einen unbenannten besonders schweren Fall zu begründen vermögen oder etwa ein anderes benanntes Regelbeispiel anzunehmen ist.“
28
b) Das vergleichbare Merkmal des „großen Ausmaßes“ im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO hat der Bundesgerichtshof bislang nicht - wie beim Betrug - betragsmäßig bestimmt. Das lag in erster Linie daran, dass bei der früheren Gesetzesfassung - zu der die Entscheidungen ergangen sind - die objektive Komponente („großes Ausmaß“) mit der subjektiven Komponente („aus grobem Eigennutz“) verknüpft war, so dass eine eigenständige Auslegung nur des Merkmals „großes Ausmaß“ nicht veranlasst war.
29
Wegen der Verknüpfung von objektivem und subjektivem Merkmal hatte der Bundesgerichtshof eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände gefordert (vgl. BGH wistra 1993, 109,110). Von Bedeutung war dabei insbesondere, ob sich das Ausmaß aus dem noch durchschnittlich vorkommen- den Verkürzungsumfang heraushebt und ob ein „Täuschungsgebäude großen Ausmaßes“ vorliegt (vgl. BGH wistra 1987, 71, 72).
30
Auch in der Kommentarliteratur finden sich bisher sehr unterschiedliche und daher keine hinreichend klaren Maßstäbe für eine Grenzziehung. Während überwiegend - indes unter Geltung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO aF - für die Annahme des „großen Ausmaßes“ eine Hinterziehung in Millionenhöhe für erforderlich erachtet wurde (Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 270; Klein/Gast-de Haan, AO 9. Aufl. § 370 Rdn. 68; Scheurmann -Kettner in Koch/Scholz, AO 5. Aufl. § 370 Rdn. 59), finden sich in der neueren Literatur Stimmen, die eine Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ bereits ab einem Mindestbetrag von 50.000 € für möglich erachten (Kohlmann, Steuerstrafrecht 38. Lfg. August 2008 § 370 AO Rdn. 1099.7; Schäfer /Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl. Rdn. 1022). Demgegenüber nehmen andere Autoren auch für die neue Fassung des Merkmals ein „großes Ausmaß“ erst bei einem Betrag von 500.000 € (Blesinger in Kühn/v. Wedelstädt, AO und FGO, 19. Aufl. § 370 AO Rdn. 114) oder einer Hinterziehung in Millionenhöhe an (Rolletschke in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen , 87. Ergänzungslieferung § 370 AO Rdn. 169) und halten teilweise auch weiterhin auch für die Bejahung des Merkmals eine Gesamtschau aller Umstände für erforderlich (Rolletschke in Stbg 2008, 49 und in Rolletschke/ Kemper aaO).
31
c) Das Merkmal „in großem Ausmaß“ im Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO bedarf nach Ansicht des Senats - in gleicher Weise wie beim Betrug - der Interpretation durch die Gerichte. Nur dann erhält das Merkmal seine den Anforderungen der Rechtssicherheit gerecht werdenden Konturen. Für eine Vergleichbarkeit mit dem Betrug spricht auch, dass der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in BGHSt 50, 299, 309 zu Recht ausgeführt hat, es sei geboten, „dem drohenden Ungleichgewicht zwischen der Strafpraxis bei der allgemeinen Kriminalität und der Strafpraxis in Steuer- und Wirtschaftsstrafverfahren entgegenzutreten und dem berechtigten besonderen öffentlichen Interesse an einer effektiven Strafverfolgung schwerwiegender Wirtschaftskriminalität gerecht zu werden.“
32
Dass der Gesetzgeber nicht selbst bestimmt hat, wann bei der Prüfung des Regelbeispiels von einem großen Ausmaß auszugehen ist, steht einer verfassungskonformen Auslegung nicht entgegen. Anders mag das etwa bei der Verwendung des Begriffs des großen Ausmaßes als Tatbestandsmerkmal eines Verbrechenstatbestandes sein (vgl. zu dem inzwischen aufgehobenen § 370a AO: BGH wistra 2004, 393 ff.; 2005, 30 ff.). Wie beim Begriff des Vermögensverlustes großen Ausmaßes im Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall des Betruges in § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB ist der Begriff des großen Ausmaßes auch in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in erster Linie nach objektiven Kriterien zu bestimmen. Zwar ist anerkannt, dass die Auslegung tatbestandsspezifisch zu erfolgen hat; gleichwohl ist bei von der Begehungsweise und vom Unwertgehalt ähnlichen Delikten wie dem Betrug und der Steuerhinterziehung eine einheitliche Grenzziehung in Betracht zu ziehen (vgl. BGHSt 48, 360, 364).
33
Dem steht nicht entgegen, dass sich, anders als bei der Einführung des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB (vgl. BTDrucks. 13/8587 S. 43), in den Materialien zur Gesetzesentstehung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nF keine Anhaltspunkte dafür finden, ab welchem Grenzwert der Gesetzgeber eine Steuerhinterziehung von „großem Ausmaß“ als gegeben erachtet. Begründet wird lediglich die Streichung des einschränkenden subjektiven Merkmals des „groben Eigennutzes“ (BTDrucks. 16/5846 S. 75). Dass der Gesetzgeber hierbei an die Rechtsprechung anknüpfen wollte, die den Begriff des „großen Ausmaßes“ in den § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB konkretisierte, kann daher nicht ohne weiteres angenommen werden. Allerdings wollte der Gesetzgeber bereits mit der Einführung des § 370 Abs. 3 AO zum Ausdruck bringen, dass die Steuerhinterziehung „hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit und ihrer Strafwürdigkeit nicht geringer zu bewerten ist als der Betrug“ (BGHSt 32, 95, 99 mit Hinweis auf BRDrucks. 23/71 S. 194).
34
d) Der Senat ist daher der Ansicht, dass das Merkmal „in großem Ausmaß“ des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO wie beim Betrug nach objektiven Maßstäben zu bestimmen ist. Das Merkmal „in großem Ausmaß“ liegt danach nur dann vor, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 € übersteigt.
35
aa) Der Senat hat dabei auch bedacht, dass bei großen Geschäftsvolumina Steuerschäden in dieser Größenordnung schneller erreicht werden als bei wirtschaftlicher Betätigung im kleineren Umfang, dass der Tatbestand der Steuerhinterziehung regelmäßig bereits bei Gefährdung des Steueraufkommens verwirklicht wird (vgl. § 370 Abs. 4 Satz 1 AO), dass die Tatbestandsmäßigkeit weder direkten Vorsatz noch Bereicherungsabsicht voraussetzt und dass regelmäßig auch die bloße Untätigkeit den Straftatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt, weil die Abgabe von Steuererklärungen gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO).
36
Gleichwohl lassen derartige „qualitative“ Besonderheiten des Einzelfalls die Erfüllung des Ausmaßes der Steuerverkürzung unberührt, da solche Umstände die Auswirkungen der Tat auf das Steueraufkommen nicht verändern. Schutzgut des Straftatbestandes der Steuerhinterziehung ist - wie oben ausge- führt - das öffentliche Interesse am vollständigen und rechtzeitigen Aufkommen jeder einzelnen Steuerart. Im Übrigen schafft eine Abgrenzung, die sich an einer eindeutigen Betragsgrenze ausrichtet, größere Rechtssicherheit für die Praxis. Eine solche Relation von Geschäftsvolumen und Steuerschaden kann allerdings das Gewicht des Hinterziehungsbetrags bei der Strafzumessung vermindern.
37
bb) Der Umstand, dass sich die Betragsgrenze von 50.000 € an derjenigen des Vermögensverlustes großen Ausmaßes im Sinne von § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB orientiert, bedeutet zugleich, dass - ähnlich wie beim Betrug - zwischen schon eingetretenem Vermögensverlust und einem Gefährdungsschaden zu differenzieren ist:
38
(1) Die Betragsgrenze von 50.000 € kommt namentlich dann zur Anwendung , wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen vom Finanzamt erlangt hat, etwa bei Steuererstattungen durch Umsatzsteuerkarusselle, Kettengeschäfte oder durch Einschaltung von sog. Serviceunternehmen. Ist hier - der „Steuerbetrug“ hat zu einem „Vermögensverlust“ geführt - diese Wertgrenze überschritten, dann ist das Merkmal erfüllt.
39
(2) Beschränkt sich das Verhalten des Täters dagegen darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, dann kann das „große Ausmaß“ höher angesetzt werden. Der Senat hält hierbei eine Wertgrenze von 100.000 € für angemessen.
40
cc) Ob die Schwelle des „großen Ausmaßes“ überschritten ist, ist für jede einzelne Tat im materiellen Sinne gesondert zu bestimmen. Dabei genügt derjenige Erfolg, der für die Vollendung der Steuerhinterziehung ausreicht (vgl. Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 268). Der Senat ist der Ansicht, dass bei mehrfacher tateinheitlicher Verwirklichung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung das „Ausmaß“ des jeweiligen Taterfolges zu addieren ist, da in solchen Fällen eine einheitliche Handlung im Sinne des § 52 StGB vorliegt, die für die Strafzumessung einer einheitlichen Bewertung bedarf.
41
e) Liegt nach diesen Maßstäben eine Hinterziehung von „großem Ausmaß“ vor, so hat dies - unabhängig von der Frage, ob die Regelwirkung einer besonders schweren Steuerhinterziehung im konkreten Fall zur Anwendung kommt - „Indizwirkung“, freilich auch nicht mehr, für die zu findende Strafhöhe. Das bedeutet:
42
Jedenfalls bei einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag wird die Verhängung einer Geldstrafe nur bei Vorliegen von gewichtigen Milderungsgründen noch schuldangemessen sein. Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 176, 178).
43
Schon deswegen wird bei der letztgenannten Fallgestaltung (Millionenbetrag ) ein Strafbefehlsverfahren regelmäßig nicht geeignet erscheinen (vgl. § 400 AO i.V.m. § 407 StPO). Hinzu kommt, dass bei Steuerverkürzungen in dieser Größenordnung in der Regel auch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Wahrung der Gleichbehandlung vor Gericht - das eine öffentliche Haupt- verhandlung am besten gewährleistet - nicht gering zu achten ist (vgl. § 407 Abs. 1 Satz 2 StPO).
44
f) Die „Indizwirkung“ des „großen Ausmaßes“ kann einerseits durch sonstige Milderungsgründe beseitigt, andererseits aber auch durch Strafschärfungsgründe verstärkt werden.
45
aa) Ein die Indizwirkung des Hinterziehungsbetrages beseitigender Milderungsgrund ist etwa gegeben, wenn sich der Täter im Tatzeitraum im Wesentlichen steuerehrlich verhalten hat und die Tat nur einen verhältnismäßig geringen Teil seiner steuerlich relevanten Betätigungen betrifft. Bedeutsam ist daher das Verhältnis der verkürzten zu den gezahlten Steuern. Hat sich der Täter vor der Tat über einen längeren Zeitraum steuerehrlich verhalten, ist auch dies in den Blick zu nehmen. In die vorzunehmende Gesamtwürdigung ist auch die Lebensleistung und das Verhalten des Täters nach Aufdeckung der Tat einzubeziehen , etwa ein (frühzeitiges) Geständnis, verbunden mit der Nachzahlung verkürzter Steuern oder jedenfalls dem ernsthaften Bemühen hierzu. Der „Schadenswiedergutmachung“ durch Nachzahlung verkürzter Steuern kommt schon im Hinblick auf die Wertung des Gesetzgebers im Falle einer Selbstanzeige (§ 371 AO) besondere strafmildernde Bedeutung zu.
46
bb) Gegen eine Geldstrafe oder - bei entsprechend hohem Hinterziehungsbetrag - eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe spricht es insbesondere, wenn der Täter Aktivitäten entfaltet hat, die von vornherein auf die Schädigung des Steueraufkommens in großem Umfang ausgelegt waren, etwa weil der Täter unter Vorspiegelung erfundener Sachverhalte das „Finanzamt als Bank“ betrachtete und in erheblichem Umfang ungerechtfertigte Vorsteuererstattungen erlangt hat oder weil der Täter die Steuerhinterziehung in sonstiger Weise ge- werbsmäßig oder gar „als Gewerbe“ betrieb. Gleiches gilt auch für den Aufbau eines aufwändigen Täuschungssystems, die systematische Verschleierung von Sachverhalten und die Erstellung oder Verwendung unrichtiger oder verfälschter Belege zu Täuschungszwecken.
47
Strafschärfende Bedeutung hat es zudem, wenn der Täter besondere Unternehmensstrukturen aufgebaut hat, die auch der Bereicherung durch Steuerhinterziehung dienen sollten, wenn der Täter das Ziel verfolgt hat, das Steueraufkommen durch wiederholte Tatbegehung über einen längeren Zeitraum nachhaltig zu schädigen, wenn er andere Personen verstrickt hat, wenn er systematisch Scheingeschäfte getätigt oder Scheinhandlungen vorgenommen hat (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 1 AO) oder wenn er in größerem Umfang buchtechnische Manipulationen vorgenommen oder gezielt durch Einschaltung von Domizilfirmen im Ausland oder Gewinnverlagerungen ins Ausland schwer aufklärbare Sachverhalte geschaffen hat (vgl. auch die Beispiele bei Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl. Rdn. 1018 m.w.N.). Solche Umstände sind bei anpassungsfähigen Hinterziehungssystemen, wie etwa den sog. Umsatzsteuerkarussellgeschäften, bei Kettengeschäften unter Einschaltung sog. „Serviceunternehmen“ und im Bereich der illegalen Arbeitnehmerüberlassungen regelmäßig gegeben (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 176, 178).
48
4. Für Steuerhinterziehungen, die seit dem 1. Januar 2008 - dem Inkrafttreten der neuen Fassung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO durch das Gesetz zur Änderung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmethoden sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG v. 21. Dezember 2007 (BGBl. I 3198) - begangen wurden, kommt der Streichung des subjektiven Merkmals „aus grobem Eigennutz“ aus dem Regelbeispiel zusätzliches Gewicht zu. Hier erfüllt schon das objektive Merkmal „großes Aus- maß“ - wie es oben vom Senat bestimmt wurde - das Regelbeispiel des besonders schweren Falles des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO.
49
Die Bejahung bzw. Verneinung des Regelbeispiels in einem ersten Prüfungsschritt bei der Strafrahmenwahl bedeutet freilich, dass - wie bei sonstigen Regelbeispielen - in einem zweiten Schritt zu prüfen ist, ob die Besonderheiten des Einzelfalls die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräften, bzw. ob - umgekehrt - ein unbenannter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegt , obwohl der Hinterziehungsbetrag unter 50.000 € liegt.
50
Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze für die Strafrahmenwahl bei Regelbeispielen. Danach entfällt die Regelwirkung, wenn diese Faktoren jeweils für sich oder in ihrer Gesamtheit so gewichtig sind, dass sie bei der Gesamtabwägung die Regelwirkung entkräften. Es müssen in dem Tun oder in der Person des Täters Umstände vorliegen, die das Unrecht seiner Tat oder seiner Schuld deutlich vom Regelfall abheben, so dass die Anwendung des erschwerten Strafrahmens unangemessen erscheint (ständige Rspr.; vgl. BGHSt 20, 121, 125). Für die hierbei vorzunehmende Gesamtabwägung haben namentlich die oben genannten Milderungs- und Schärfungsgründe Gewicht.
51
5. Gemessen daran sind die dem Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO entnommenen Einzelstrafen und die Gesamtstrafe rechtsfehlerfrei. Das Landgericht hat zu Recht den hohen Steuerschäden das ihnen zukommende Gewicht beigemessen. Namentlich die beiden Einsatzstrafen von jeweils einem Jahr und drei Monaten für die Umsatzsteuerhinterziehungen 2002 und 2003 mit hinterzogenen Steuern in Höhe von jeweils über 150.000 € werden den oben genannten Strafzumessungskriterien gerecht.

V.

52
Die Revision bemängelt, das Landgericht habe sowohl bei der Beitragsals auch bei der Steuerhinterziehung einerseits die Höhe der durch die Taten verursachten Schäden zu Lasten des Angeklagten gewertet, andererseits aber strafmildernd berücksichtigt, dass die Schäden ausgeglichen worden seien. Hiergegen ist jedoch nichts zu erinnern. Diese Strafzumessungserwägungen erweisen sich nicht als widersprüchlich. Gemäß § 46 Abs. 2 StGB sind sowohl die verschuldeten Folgen der Tat als auch die Schadenswiedergutmachung strafzumessungsrelevante Faktoren. Bei einer nachträglichen Schadenswiedergutmachung ist das Landgericht nicht gehalten, den Umfang der zunächst hinterzogenen Steuern und den Umfang der den Einzugsstellen zunächst vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge im Rahmen der Strafzumessung unberücksichtigt zu lassen.

VI.

53
Die Versagung der Strafaussetzung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten zur Bewährung hält rechtlicher Nachprüfung noch stand.
54
Allerdings weist die Revision mit Recht darauf hin, dass auch bei der gemäß § 56 Abs. 2 StGB vom Tatgericht vorzunehmenden Prüfung, ob die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, die ein Jahr übersteigt, zur Bewährung ausgesetzt werden kann, der Kriminalprognose des Täters Bedeutung zukommt. Denn die Prüfung, ob besondere Umstände von Gewicht im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB vorliegen, erfordert eine Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit des Verurteilten. Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehört auch eine günstige Kriminalprognose (vgl. BGH StV 2003, 670; BGH NStZ 1997, 434; jeweils m.w.N.). Es wäre daher rechtsfehlerhaft, die Frage der Kriminalprognose als von vornherein für die Gesamtwürdigung bedeutungslos dahinstehen zu lassen (vgl. BGH, Beschl. vom 11. Dezember 2002 - 1 StR 454/02). Anders verhält es sich aber dann, wenn das Tatgericht die Gesamtwürdigung auch auf der Basis einer günstigen Kriminalprognose durchführt und dabei zum Ergebnis gelangt, dass selbst unter dieser Prämisse besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB nicht vorliegen. Bei einem solchen Vorgehen wird die Kriminalprognose des Täters nicht als bedeutungslos angesehen ; sie hat aber im konkreten Fall auf das Ergebnis der Gesamtwürdigung keine für den Verurteilten günstigen Auswirkungen.
55
So liegt der Fall hier. Die Strafkammer hatte zwar im Hinblick auf die einschlägige Vorstrafe des Angeklagten und seinen Bewährungsbruch erhebliche Zweifel daran, dass sich der Angeklagte schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (UA S. 43). Aus dem Gesamtzusammenhang der vom Landgericht insoweit angestellten Erwägungen ergibt sich aber, dass es im Rahmen der durchgeführten Gesamtwürdigung auch unter Berücksichtigung einer günstigen Kriminalprognose zum Fehlen besonderer Umstände gelangt ist. Der Senat entnimmt der missverständlichen Formulierung in den Urteilsgründen , die Frage der Kriminalprognose könne „letztlich“ offen bleiben, nicht, die Strafkammer habe diese Frage für die nach § 56 Abs. 2 StGB als von vornherein unbeachtlich gehalten.
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 416/08
vom
2. Dezember 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
1. Die Berechnung der nach § 266a StGB vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge
richtet sich in Fällen illegaler Beschäftigungsverhältnisse nach § 14 Abs. 2
Satz 2 SGB IV.
2. Zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung.
BGH, Urt. vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08 - LG Landshut
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Dezember
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte persönlich,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 21. April 2008 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte statt in 43 Fällen in 33 Fällen des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt schuldig ist. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 48 Fällen, Beihilfe zur Steuerhinterziehung in vier Fällen und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 43 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt. Die Revision des Beschwerdeführers , mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, führt lediglich zur Berichtigung eines offensichtlichen Schreibversehens in der Urteilsformel. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Nach den Urteilsfeststellungen betrieb der Angeklagte als Einzelfirma ein Trockenbau-Unternehmen, das für verschiedene Auftraggeber als Subunternehmer tätig war. Aufgrund der Preisvorgaben der Auftraggeber war dem Angeklagten in den Jahren 2001 bis 2005 ein „auskömmliches Wirtschaften“ nur dadurch möglich, dass er den wesentlichen Teil seiner Arbeitnehmer „schwarz“ beschäftigte, ohne die Arbeitsverhältnisse den zuständigen Stellen zu melden und ohne für diese Personen Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Darüber hinaus erklärte er die Umsatzerlöse, die er aufgrund der Tätigkeit der nicht gemeldeten Arbeitnehmer erzielte, in den für die betreffenden Zeiträume abzugebenden Umsatzsteuervoranmeldungen und -jahreserklärungen nicht. Er wollte hierdurch die Abführung von Umsatzsteuern auf die unter Einsatz der illegal beschäftigten Arbeitnehmer erbrachten Leistungen vermeiden. Um andererseits den Auftraggebern zu ermöglichen, die an ihn als Subunternehmer geleisteten Zahlungen ertragsteuerlich als Betriebsausgaben ansetzen und umsatzsteuerlich einen Vorsteuerabzug geltend machen zu können , unterstützte der Angeklagte die Auftraggeber bei der Beschaffung sog. Abdeckrechnungen. Bei diesen Rechnungen handel te es sich um Scheinrechnungen mit gesondertem Vorsteuerausweis, mit denen unter dem Namen von Firmen, die tatsächlich nicht tätig geworden waren, Leistungen abgerechnet wurden. Die Abdeckrechnungen für die L. AG erstellte der Angeklagte selbst. Sowohl dem Angeklagten als auch seinen Auftraggebern war bewusst, dass die vorgeblichen Aussteller der Rechnungen die darin ausgewiesenen Umsatzsteuern weder anmelden noch an die Finanzbehörden abführen würden.
3
Insgesamt verkürzte der Angeklagte durch diese Vorgehensweise in den Jahren 2001 bis 2005 Umsatzsteuern in Höhe von mehr als 373.000 Euro sowie Lohnsteuer von 354.000 Euro und enthielt er den Einzugsstellen Gesamt- sozialversicherungsbeiträge in Höhe von mehr als 947.000 Euro vor, davon Arbeitnehmeranteile an der Sozialversicherung in Höhe von über 473.000 Euro. Zudem ermöglichte er durch das Ausstellen von Scheinrechnungen den Verantwortlichen der L. AG, in den Jahren 2001 bis 2004 in Umsatzsteuervoranmeldungen und -jahreserklärungen ungerechtfertigt Vorsteuern in einer Gesamthöhe von mehr als 220.000 Euro geltend zu machen.

II.

4
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch. Die Urteilsformel ist lediglich dahin zu berichtigen, dass der Angeklagte statt in 43 Fällen nur in 33 Fällen des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) schuldig ist. Bei der Nennung von 43 Taten des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in der Urteilsformel handelt es sich um ein offensichtliches Verkündungsversehen ; dies ergibt sich zweifelsfrei aus den Urteilsgründen, die lediglich 33 Einzeltaten aufführen und diesen jeweils bestimmte Einzelstrafen zuordnen. Die Berichtigung kann der Senat selbst vornehmen (vgl. BGH NStZ 2000, 386; Kuckein in KK, 6. Aufl., § 354 Rdn. 20 m.w.N.).

III.

5
Die Strafzumessung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt enthält keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler. Auch der Schuldumfang - die Höhe der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge - ist zutreffend bestimmt.
6
1. Da die Strafkammer in den Urteilsgründen die Zahl der Einzeltaten zutreffend bestimmt hat, wirkt sich die Schuldspruchberichtigung auf den Strafausspruch nicht aus.
7
2. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht bei den einzelnen Taten jeweils auch den zutreffenden Schuldumfang zugrunde gelegt. Dies gilt auch, soweit es in den Fällen D 10 bis D 33 der Urteilsgründe den Angeklagten wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) verurteilt hat. Das Landgericht hat hierbei die Höhe der den Einzugsstellen vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge unter Heranziehung der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bestimmt, indem es die an die illegal beschäftigten Arbeitnehmer gezahlten Löhne als Nettoarbeitsentgelt gewertet hat.
8
a) Die Schätzung der an die illegal beschäftigten Arbeitnehmer tatsächlich ausgezahlten Lohnsummen ist rechtlich nicht zu beanstanden. Da der Angeklagte über die Beschäftigung der bei den Einzugsstellen nicht angemeldeten Arbeitnehmer keine Aufzeichnungen führte, durfte das Landgericht die Höhe der an diese Personen gezahlten Löhne auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisse schätzen (vgl. BGHSt 38, 186, 193; BGHR StGB § 266a Sozialabgaben 5; BGH wistra 2007, 220 f.). Dies waren hier insbesondere die vom Landgericht festgestellten Umsätze des Angeklagten mit den Auftraggebern , der Umstand, dass die Auftraggeber das erforderliche Material zur Verfügung stellten, und die Tatsache, dass es sich bei den vorgenommenen Arbeiten fast ausschließlich um Lohnarbeiten handelte (UA S. 19, 37). Angesichts dieser Erkenntnisse und des Umstandes, dass nach den Feststellungen des Landgerichts auch in anderen - mit den verfahrensgegenständlichen vergleichbaren - Fällen bei Arbeiten im Rahmen von Trockenbaumaßnahmen 60 Pro-zent der Rechnungssummen als Löhne ausgezahlt wurden, ist die Schätzung der ausgezahlten Lohnsummen auf 60 Prozent des Nettoumsatzes des Angeklagten mit seinen Auftraggebern aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. auch BGH wistra 1983, 107, 108; OLG Düsseldorf wistra 1988, 123, 124).
9
b) Keinen rechtlichen Bedenken begegnet auch, dass das Landgericht in den Fällen D 10 bis D 33 der Urteilsgründe, d.h. für die Beitragsmonate ab August 2002, die so ermittelten Lohnzahlungen nicht als Bruttolohn, sondern - wie sich aus den mitgeteilten Beträgen ergibt - als Nettoarbeitsentgelt gewertet und ausgehend hiervon anhand der jeweils gültigen Beitragssätze die der Einzugsstelle vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge errechnet hat. Diese Vorgehensweise rechtfertigt sich auch für das Strafrecht aus der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV, die zum 1. August 2002 in Kraft getreten ist (BGBl. I 2002, 2787 ff.).
10
aa) Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV im Rahmen des Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit vom 23. Juli 2002 (BGBl. I 2787 ff.) dem Umstand Rechnung getragen, dass bei illegaler Beschäftigung Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt werden. Er hat daher bestimmt, dass in solchen Fällen für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge zwischen den Beteiligten die Zahlung eines Nettoarbeitsentgelts als vereinbart gilt, weil dem Arbeitnehmer auch wirtschaftlich ein Nettoarbeitsentgelt zufließt (BTDrucks. 14/8221 S. 14). Neben der Beseitigung von Beweisschwierigkeiten zum Inhalt von Lohnvereinbarungen bei illegaler Beschäftigung (BTDrucks. aaO ) war die Verhinderung von Wettbewerbsvorteilen, die sich die Beteiligten von illegalen Beschäftigungsverhältnissen verschaffen, ein wesentliches Anliegen des Gesetzgebers bei der Schaffung des Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit (BTDrucks. 14/8221 S. 11, 16).
11
bb) Bei der Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV handelt es sich um die Fiktion einer Nettolohnabrede für illegale Beschäftigungsverhältnisse, bei denen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt werden. Diese Fiktion greift unabhängig vom tatsächlichen Inhalt der Lohnvereinbarung ein. Das Arbeitsentgelt der Beschäftigten besteht daher in solchen Fällen aus dem als Nettolohn zu behandelnden Barlohn, der um die darauf entfallenden Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung zu erhöhen, d.h. zu einem Bruttolohn „hochzurechnen“ ist (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Denn Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge ist stets das Bruttoarbeitsentgelt (vgl. § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V; § 162 Nr. 1 SGB VI; § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB VII; § 342 SGB III; § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i.V.m. § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V; BSGE 64, 110, 111 f.). Illegale Beschäftigung im Sinne der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV liegt nicht nur bei verbotenen Beschäftigungsverhältnissen (§ 134 BGB) vor, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber pflichtwidrig die für die Arbeitsverhältnisse vorgeschriebenen Meldungen nicht erstattet oder Beiträge für die versicherten Arbeitnehmer nicht zahlt. Der Gesetzgeber verwendet den Begriff der illegalen Beschäftigung als „Sammelbegriff für eine Vielzahl von Ordnungswidrigkeitstatbeständen oder Straftaten, von Verstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsrecht bis hin zu Verstößen gegen das Steuerrecht oder zum Leistungsmissbrauch“ (BTDrucks. 14/8221, S. 11).
12
cc) Mit Einführung der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV wurde die bis dahin geltende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundessozialgerichts , nach der bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen mit Schwarzlohnabreden der Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge eine Bruttolohnvereinbarung zu Grunde zu legen ist (vgl. BGHSt 38, 285; BGH wistra 1993, 148 f.; BSGE 64, 110 ff.), für den Bereich des Sozialversicherungsrechts durch einen "Federstrich des Gesetzgebers" obsolet (BTDrucks. 15/726 S. 3 f.). Überzeugende Gründe, die Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV im Strafrecht nicht anzuwenden und für die Bestimmung der Höhe der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge im Sinne des § 266a StGB weiterhin an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten, bestehen angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung nicht.
13
(1) Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundessozialgerichts (vgl. BGH und BSG aaO) bezeichnet als maßgeblichen gegen die Annahme einer Nettolohnvereinbarung bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen sprechenden Gesichtspunkt, dass die Abrede eines Schwarzlohns gerade beinhalte, dass Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt werden sollen. Die wesentliche Rechtsfolge einer Nettolohnvereinbarung - die Befreiung des Arbeitnehmers von seiner Lohnsteuerpflicht und seiner Beitragslast zu Lasten des Arbeitgebers - werde daher von den Parteien des illegalen Beschäftigungsverhältnisses nicht angestrebt (BGH wistra 1993, 148 m.w.N.; BSGE 64, 110, 114 f., 116); vielmehr wolle in solchen Fällen gerade auch der Arbeitgeber im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis keine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abführen. Eine derartige Vereinbarung führt zwar zur Nichtigkeit der Schwarzlohnabrede, nicht aber zu der des gesamten Beschäftigungsverhältnisses (vgl. BAGE 105, 187, 191 ff.). Die sich wegen der Nichtigkeit der Schwarzlohnabrede stellende und „früher streitige Frage, ob bei derartigen Zahlungen unter der Hand von Brutto- oder Nettolöhnen auszugehen ist“ (BTDrucks. 15/726 S. 3 f.), hat der Gesetzgeber nun mit der in § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV normierten Fiktion einer Nettolohnvereinbarung eindeutig und abschließend geklärt (BTDrucks. aaO).
14
(2) Der Schuldumfang bei Straftaten der Beitragsvorenthaltung gemäß § 266a StGB im Rahmen von illegalen, aber versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen bestimmt sich nach dem nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben zu ermittelnden Bruttoentgelt und der hieran anknüpfenden Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge. Vorenthalten im Sinne von § 266a StGB sind die nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften tatsächlich geschuldeten Beiträge. Denn der Straftatbestand des § 266a StGB ist sozialrechtsakzessorisch ausgestaltet (BGHSt 47, 318 f.; 51, 125, 128 m.w.N.; 52, 67, 70). Der Umfang der abzuführenden Beiträge bestimmt sich daher, wie die Abführungspflicht selbst, nach materiellem Sozialversicherungsrecht. Ein entgegenstehender Wille der Vertragsparteien des Beschäftigungsverhältnisses ist im Strafrecht ebenso unbeachtlich wie im Sozialversicherungsrecht. Für die Beurteilung, ob ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis vorliegt, sind allein die tatsächlichen Gegebenheiten maßgeblich. Liegt danach ein Arbeitsverhältnis vor, können die Vertragsparteien die sich hieraus ergebenden Beitragspflichten nicht durch eine abweichende vertragliche Gestaltung beseitigen (vgl. BGH NStZ 2001, 599, 600). Nach den tatsächlichen Verhältnissen bemessen sich auch die Sozialversicherungsbeiträge. Dabei entspricht die Lohnzahlung aufgrund einer Schwarzlohnabrede nach der Wertung des Gesetzgebers bei Einführung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise dem Nettoarbeitsentgelt eines legalen Beschäftigungsverhältnisses (BTDrucks. 14/8221 S. 14). Eine rechtmäßige Vereinbarung, nach der dem Arbeitnehmer das tatsächlich ausgezahlte Entgelt verbleibt, ohne dass hierfür Sozialversicherungsbeiträge aus einem nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ermittelten Bruttoentgelt berechnet werden, kann nicht getroffen werden.

15
(3) Der Umstand, dass der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV, mit der dem Phänomen der illegalen Beschäftigung entgegengewirkt werden soll (vgl. BTDrucks. 15/726 S. 3 f.), im Ergebnis Sanktionscharakter zukommt (vgl. Klattenhoff in Hauck/Noftz SGB, 38. Lfg. 2003, § 14 SGB IV Rdn. 43 Fußnote 194), steht der Anwendung dieser Norm bei der Bestimmung des Umfangs der im Sinne von § 266a StGB vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge nicht entgegen. Zwar bezweckt diese Vorschrift auch, den Arbeitgeber von einer Schwarzlohnabrede abzuhalten (vgl. BAGE 105, 187, 194). Jedoch ist dies nicht alleiniger Zweck der Vorschrift. Vielmehr soll § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV Beweisschwierigkeiten beseitigen und der wirtschaftlichen Situation bei einer Schwarzlohnabrede Rechnung tragen (BTDrucks. 14/8221 S. 14). Damit hat die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV einen materiellen Regelungsgehalt und nicht den Charakter eines Säumnis- oder Verspätungszuschlages oder eines Zwangsgelds (vgl. dazu BGHSt 43, 381, 400 ff.).
16
(4) Der Senat verkennt nicht, dass die Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV im Rahmen der Strafnorm des § 266a StGB zur Folge hat, dass insoweit ein anderes Bruttoentgelt zugrunde zu legen ist als bei der Bestimmung des Verkürzungsumfangs der bei Schwarzlohnabreden zumeist ebenfalls verwirklichten Hinterziehung von Lohnsteuer (vgl. Heitmann in MüllerGugenberger /Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl. 2006, § 36 Rdn. 26; Boxleitner in Wabnitz/Janovsky, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 2007, Kap. 17 Rdn. 59 Fn. 89). Von der Schaffung einer der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV entsprechenden Norm im Steuerrecht hat der Gesetzgeber aber wegen des dort geltenden Zuflussprinzips bewusst abgesehen (BTDrucks. 15/2948 S. 7, 20). Demgegenüber gilt im Sozialversicherungsrecht grundsätzlich das Entstehungsprinzip (§ 22 Abs. 1 SGB IV, BGHSt 47, 318, 319; vgl. auch BSGE 41, 6, 11; 54, 136 ff.; 59, 183, 189; 75, 61, 65), das auch bei der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV Anwendung findet (einschränkend Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 57. Ergän-zungslieferung 2008 SGB IV § 14 Rdn. 139; vgl. aber BAGE 105, 187, 191 ff.). Diese Unterschiede zwischen Lohnsteuer und Sozialabgaben rechtfertigen auch für das Strafrecht eine unterschiedliche Bemessungsgrundlage für die Hinterziehung von Lohnsteuer einerseits und das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen andererseits (vgl. BGHSt 47, 318, 319 zu § 266a StGB: „unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird“).
17
(5) Der Umstand, dass die Fiktion einer Nettolohnvereinbarung gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV zu einem Bruttoarbeitsentgelt führen kann, das den Wert der Arbeitsleistung übersteigt (vgl. BSGE 64, 110, 117; Boxleitner aaO Kap. 17 Rdn. 59), steht der Anwendung der Vorschrift § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bei der Bemessung der im Sinne von § 266a StGB vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge ebenfalls nicht entgegen. Auch insoweit ist zu berücksichtigen , dass eine rechtmäßige Vereinbarung, nach der dem Arbeitnehmer das tatsächlich ausgezahlte Entgelt verbleibt, ohne dass hierfür Sozialversicherungsbeiträge aus einem nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ermittelten Bruttoentgelt berechnet werden, nicht getroffen werden kann (vgl. oben [2]). Die strafrechtliche Verantwortlichkeit wird in diesem Zusammenhang lediglich durch die dem Straftatbestand des § 266a StGB als echtem Unterlassungsdelikt immanente Tatbestandsvoraussetzung beschränkt, dass dem Arbeitgeber die Erfüllung der Handlungspflicht möglich und zumutbar sein muss (BGHSt 47, 318, 320). An der Zumutbarkeit der Zahlung der gegenüber der legalen Beschäftigung erhöhten Sozialversicherungsbeiträge bestehen hier keine Zweifel, denn der Angeklagte verschaffte sich durch die Schwarzlohnabrede wirtschaftliche Vorteile im Wettbewerb gegenüber legal tätigen Arbeitgebern.

18
(6) Auch gegen die Berechnung des Bruttoarbeitsentgelts auf der Grundlage der Lohnsteuerklasse VI bestehen im vorliegenden Fall keine Bedenken (vgl. Boxleitner aaO Kap. 17 Rdn. 59 und SG Dortmund, Urt. vom 8. September 2008 - S 25 R 129/06 - BeckRS 2008 57420). Nach § 39c EStG ist diese Steuerklasse zu Grunde zu legen, wenn bei einem Arbeitsverhältnis die Lohnsteuerkarte dem Arbeitgeber nicht vorgelegt wird. Bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen besteht regelmäßig kein Grund zu der Annahme, dass die Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ihre Lohnsteuerkarte vorgelegt haben. Mangels erkennbarer Anhaltspunkte für eine andere Handhabung ergibt sich hier auch aus dem Zweifelsgrundsatz nichts anderes (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36 m.w.N.).

IV.

19
Auch die tatrichterliche Strafhöhenbemessung wegen Steuerhinterziehung ist rechtsfehlerfrei. Die dem angefochtenen Urteil insoweit zugrunde liegenden Strafzumessungserwägungen tragen den nachfolgend dargelegten Kriterien Rechnung, die bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung Anwendung finden müssen:
20
1. Grundlage für die Zumessung der Strafe ist bei einer Steuerhinterziehung - wie bei jeder anderen Straftat auch - die persönliche Schuld des Täters. Dabei sind auch die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 StGB). § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB bestimmt, dass bei der Zumessung der Strafe die Umstände gegeneinander abzuwägen sind, die für und gegen den Täter sprechen. Dabei kommen namentlich die in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB genannten Umstände in Betracht.

21
2. Bei der Zumessung einer Strafe wegen Steuerhinterziehung hat das von § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB vorgegebene Kriterium der „verschuldeten Auswirkungen der Tat“ im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung besonderes Gewicht. „Auswirkungen der Tat“ sind insbesondere die Folgen für das durch die Strafnorm geschützte Rechtsgut. Das durch § 370 AO geschützte Rechtsgut ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d.h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens (vgl. BGHSt 36, 100, 102; 40, 109, 111; 41, 1, 5; 46, 107, 120). Deshalb ist die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsumstand i.S.d. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. auch BGH wistra 1998, 269, 270).
22
Das gilt nicht nur für die Strafrahmenwahl (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO), sondern auch für die konkrete Strafzumessung in dem - wie hier vom Landgericht - zugrunde gelegten Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO. Dass der Hinterziehungsbetrag nicht nur ein bestimmender Strafzumessungsfaktor, sondern darüber hinaus, dann wenn er hoch ist, ein auch für die konkrete Strafzumessung gewichtiger Strafschärfungsgrund ist, zeigt insbesondere die gesetzgeberische Wertung in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO.
23
Schon die bis Ende des Jahres 2007 - und damit noch zur Tatzeit geltende - Fassung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO hob die Höhe des Hinterziehungsbetrags als einen Umstand heraus, der zur Verschärfung des Strafrahmens führen konnte. Danach war in der Regel ein nur mit Freiheitsstrafe (von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) bedrohter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung gegeben, wenn der Täter „aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt“. Zwar musste nach der früheren Fassung für die Erfüllung des Regelbeispiels zu dem objektiven Merkmal „in großem Ausmaß“ noch das subjektive Merkmal „aus grobem Eigennutz“ hinzukommen, gleichwohl hatte der Gesetzgeber schon damals zum Ausdruck gebracht, dass die Strafhöhenbemessung maßgeblich auch von der Höhe des Hinterziehungsbetrags bestimmt wird.
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3. Auch wenn der Hinterziehungsbetrag ein bestimmender Strafzumessungsgrund für die Steuerhinterziehung ist, kann allein dessen Ausmaß für die Strafhöhenbemessung nicht in dem Sinne ausschlaggebend sein, dass die Strafe gestaffelt nach der Höhe des Hinterziehungsbetrags schematisch und quasi „tarifmäßig“ verhängt wird. Jeder Einzelfall ist vielmehr nach den von § 46 StGB vorgeschriebenen Kriterien zu beurteilen.
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Das schließt indes nicht aus, die Strafhöhe an den vom Gesetzgeber auch in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO vorgegebenen Wertungen auszurichten. Das gilt auch für die konkrete Strafzumessung innerhalb des gefundenen Strafrahmens , und zwar auch beim Normalstrafrahmen des § 370 Abs. 1 AO. Gerade auch bei der Bemessung der schuldangemessenen Strafe kommt dem Merkmal „großes Ausmaß“ Bedeutung zu, weil es aufzeigt, wann der Gesetzgeber eine Freiheitsstrafe (mit erhöhtem Mindestmaß) für angebracht hält. Dazu bedarf das Merkmal einer näheren Konturierung.
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Der Senat ist der Ansicht, dass insoweit vergleichbare Kriterien wie für das wortgleiche Merkmal in § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB (auf das auch § 263a Abs. 2, § 266 Abs. 2 StGB verweisen) zur Anwendung kommen müssen.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 48, 360; BGH wistra 2004, 262, 263; StV 2007, 132) erfüllt ein Vermögensverlust von mehr als 50.000 € beim Regelbeispiel des besonders schweren Falles des Betrugs (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB) das Merkmal „in großem Ausmaß“. Dazu hatte der Senat in BGHSt 48, 360 ausgeführt: „Der Begriff des Vermögensverlustes großen Ausmaßes ist nach objektiven Gesichtspunkten zu bestimmen … Die Abgrenzung, die sich für § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB wertmäßig an einem Vermögensverlust in Höhe von 50.000 € ausrichtet, schafft für die Praxis Rechtssicherheit. Im Einzelfall bleibt genügend Spielraum für eine gerechte Straffindung. Der Tatrichter hat ohnehin im Rahmen einer Gesamtbetrachtung auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des Regelbeispiels zu bewerten, ob tat- oder täterbezogene Umstände vorliegen, die die Indizwirkung des Regelbeispiels aufheben und trotz seiner Verwirklichung zur Verneinung eines besonders schweren Falles führen können, oder ob auch ohne dass dieses Regelbeispiel erfüllt ist besondere Umstände einen unbenannten besonders schweren Fall zu begründen vermögen oder etwa ein anderes benanntes Regelbeispiel anzunehmen ist.“
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b) Das vergleichbare Merkmal des „großen Ausmaßes“ im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO hat der Bundesgerichtshof bislang nicht - wie beim Betrug - betragsmäßig bestimmt. Das lag in erster Linie daran, dass bei der früheren Gesetzesfassung - zu der die Entscheidungen ergangen sind - die objektive Komponente („großes Ausmaß“) mit der subjektiven Komponente („aus grobem Eigennutz“) verknüpft war, so dass eine eigenständige Auslegung nur des Merkmals „großes Ausmaß“ nicht veranlasst war.
29
Wegen der Verknüpfung von objektivem und subjektivem Merkmal hatte der Bundesgerichtshof eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände gefordert (vgl. BGH wistra 1993, 109,110). Von Bedeutung war dabei insbesondere, ob sich das Ausmaß aus dem noch durchschnittlich vorkommen- den Verkürzungsumfang heraushebt und ob ein „Täuschungsgebäude großen Ausmaßes“ vorliegt (vgl. BGH wistra 1987, 71, 72).
30
Auch in der Kommentarliteratur finden sich bisher sehr unterschiedliche und daher keine hinreichend klaren Maßstäbe für eine Grenzziehung. Während überwiegend - indes unter Geltung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO aF - für die Annahme des „großen Ausmaßes“ eine Hinterziehung in Millionenhöhe für erforderlich erachtet wurde (Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 270; Klein/Gast-de Haan, AO 9. Aufl. § 370 Rdn. 68; Scheurmann -Kettner in Koch/Scholz, AO 5. Aufl. § 370 Rdn. 59), finden sich in der neueren Literatur Stimmen, die eine Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ bereits ab einem Mindestbetrag von 50.000 € für möglich erachten (Kohlmann, Steuerstrafrecht 38. Lfg. August 2008 § 370 AO Rdn. 1099.7; Schäfer /Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl. Rdn. 1022). Demgegenüber nehmen andere Autoren auch für die neue Fassung des Merkmals ein „großes Ausmaß“ erst bei einem Betrag von 500.000 € (Blesinger in Kühn/v. Wedelstädt, AO und FGO, 19. Aufl. § 370 AO Rdn. 114) oder einer Hinterziehung in Millionenhöhe an (Rolletschke in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen , 87. Ergänzungslieferung § 370 AO Rdn. 169) und halten teilweise auch weiterhin auch für die Bejahung des Merkmals eine Gesamtschau aller Umstände für erforderlich (Rolletschke in Stbg 2008, 49 und in Rolletschke/ Kemper aaO).
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c) Das Merkmal „in großem Ausmaß“ im Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO bedarf nach Ansicht des Senats - in gleicher Weise wie beim Betrug - der Interpretation durch die Gerichte. Nur dann erhält das Merkmal seine den Anforderungen der Rechtssicherheit gerecht werdenden Konturen. Für eine Vergleichbarkeit mit dem Betrug spricht auch, dass der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in BGHSt 50, 299, 309 zu Recht ausgeführt hat, es sei geboten, „dem drohenden Ungleichgewicht zwischen der Strafpraxis bei der allgemeinen Kriminalität und der Strafpraxis in Steuer- und Wirtschaftsstrafverfahren entgegenzutreten und dem berechtigten besonderen öffentlichen Interesse an einer effektiven Strafverfolgung schwerwiegender Wirtschaftskriminalität gerecht zu werden.“
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Dass der Gesetzgeber nicht selbst bestimmt hat, wann bei der Prüfung des Regelbeispiels von einem großen Ausmaß auszugehen ist, steht einer verfassungskonformen Auslegung nicht entgegen. Anders mag das etwa bei der Verwendung des Begriffs des großen Ausmaßes als Tatbestandsmerkmal eines Verbrechenstatbestandes sein (vgl. zu dem inzwischen aufgehobenen § 370a AO: BGH wistra 2004, 393 ff.; 2005, 30 ff.). Wie beim Begriff des Vermögensverlustes großen Ausmaßes im Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall des Betruges in § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB ist der Begriff des großen Ausmaßes auch in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in erster Linie nach objektiven Kriterien zu bestimmen. Zwar ist anerkannt, dass die Auslegung tatbestandsspezifisch zu erfolgen hat; gleichwohl ist bei von der Begehungsweise und vom Unwertgehalt ähnlichen Delikten wie dem Betrug und der Steuerhinterziehung eine einheitliche Grenzziehung in Betracht zu ziehen (vgl. BGHSt 48, 360, 364).
33
Dem steht nicht entgegen, dass sich, anders als bei der Einführung des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB (vgl. BTDrucks. 13/8587 S. 43), in den Materialien zur Gesetzesentstehung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nF keine Anhaltspunkte dafür finden, ab welchem Grenzwert der Gesetzgeber eine Steuerhinterziehung von „großem Ausmaß“ als gegeben erachtet. Begründet wird lediglich die Streichung des einschränkenden subjektiven Merkmals des „groben Eigennutzes“ (BTDrucks. 16/5846 S. 75). Dass der Gesetzgeber hierbei an die Rechtsprechung anknüpfen wollte, die den Begriff des „großen Ausmaßes“ in den § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB konkretisierte, kann daher nicht ohne weiteres angenommen werden. Allerdings wollte der Gesetzgeber bereits mit der Einführung des § 370 Abs. 3 AO zum Ausdruck bringen, dass die Steuerhinterziehung „hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit und ihrer Strafwürdigkeit nicht geringer zu bewerten ist als der Betrug“ (BGHSt 32, 95, 99 mit Hinweis auf BRDrucks. 23/71 S. 194).
34
d) Der Senat ist daher der Ansicht, dass das Merkmal „in großem Ausmaß“ des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO wie beim Betrug nach objektiven Maßstäben zu bestimmen ist. Das Merkmal „in großem Ausmaß“ liegt danach nur dann vor, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 € übersteigt.
35
aa) Der Senat hat dabei auch bedacht, dass bei großen Geschäftsvolumina Steuerschäden in dieser Größenordnung schneller erreicht werden als bei wirtschaftlicher Betätigung im kleineren Umfang, dass der Tatbestand der Steuerhinterziehung regelmäßig bereits bei Gefährdung des Steueraufkommens verwirklicht wird (vgl. § 370 Abs. 4 Satz 1 AO), dass die Tatbestandsmäßigkeit weder direkten Vorsatz noch Bereicherungsabsicht voraussetzt und dass regelmäßig auch die bloße Untätigkeit den Straftatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt, weil die Abgabe von Steuererklärungen gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO).
36
Gleichwohl lassen derartige „qualitative“ Besonderheiten des Einzelfalls die Erfüllung des Ausmaßes der Steuerverkürzung unberührt, da solche Umstände die Auswirkungen der Tat auf das Steueraufkommen nicht verändern. Schutzgut des Straftatbestandes der Steuerhinterziehung ist - wie oben ausge- führt - das öffentliche Interesse am vollständigen und rechtzeitigen Aufkommen jeder einzelnen Steuerart. Im Übrigen schafft eine Abgrenzung, die sich an einer eindeutigen Betragsgrenze ausrichtet, größere Rechtssicherheit für die Praxis. Eine solche Relation von Geschäftsvolumen und Steuerschaden kann allerdings das Gewicht des Hinterziehungsbetrags bei der Strafzumessung vermindern.
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bb) Der Umstand, dass sich die Betragsgrenze von 50.000 € an derjenigen des Vermögensverlustes großen Ausmaßes im Sinne von § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB orientiert, bedeutet zugleich, dass - ähnlich wie beim Betrug - zwischen schon eingetretenem Vermögensverlust und einem Gefährdungsschaden zu differenzieren ist:
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(1) Die Betragsgrenze von 50.000 € kommt namentlich dann zur Anwendung , wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen vom Finanzamt erlangt hat, etwa bei Steuererstattungen durch Umsatzsteuerkarusselle, Kettengeschäfte oder durch Einschaltung von sog. Serviceunternehmen. Ist hier - der „Steuerbetrug“ hat zu einem „Vermögensverlust“ geführt - diese Wertgrenze überschritten, dann ist das Merkmal erfüllt.
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(2) Beschränkt sich das Verhalten des Täters dagegen darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, dann kann das „große Ausmaß“ höher angesetzt werden. Der Senat hält hierbei eine Wertgrenze von 100.000 € für angemessen.
40
cc) Ob die Schwelle des „großen Ausmaßes“ überschritten ist, ist für jede einzelne Tat im materiellen Sinne gesondert zu bestimmen. Dabei genügt derjenige Erfolg, der für die Vollendung der Steuerhinterziehung ausreicht (vgl. Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 268). Der Senat ist der Ansicht, dass bei mehrfacher tateinheitlicher Verwirklichung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung das „Ausmaß“ des jeweiligen Taterfolges zu addieren ist, da in solchen Fällen eine einheitliche Handlung im Sinne des § 52 StGB vorliegt, die für die Strafzumessung einer einheitlichen Bewertung bedarf.
41
e) Liegt nach diesen Maßstäben eine Hinterziehung von „großem Ausmaß“ vor, so hat dies - unabhängig von der Frage, ob die Regelwirkung einer besonders schweren Steuerhinterziehung im konkreten Fall zur Anwendung kommt - „Indizwirkung“, freilich auch nicht mehr, für die zu findende Strafhöhe. Das bedeutet:
42
Jedenfalls bei einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag wird die Verhängung einer Geldstrafe nur bei Vorliegen von gewichtigen Milderungsgründen noch schuldangemessen sein. Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 176, 178).
43
Schon deswegen wird bei der letztgenannten Fallgestaltung (Millionenbetrag ) ein Strafbefehlsverfahren regelmäßig nicht geeignet erscheinen (vgl. § 400 AO i.V.m. § 407 StPO). Hinzu kommt, dass bei Steuerverkürzungen in dieser Größenordnung in der Regel auch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Wahrung der Gleichbehandlung vor Gericht - das eine öffentliche Haupt- verhandlung am besten gewährleistet - nicht gering zu achten ist (vgl. § 407 Abs. 1 Satz 2 StPO).
44
f) Die „Indizwirkung“ des „großen Ausmaßes“ kann einerseits durch sonstige Milderungsgründe beseitigt, andererseits aber auch durch Strafschärfungsgründe verstärkt werden.
45
aa) Ein die Indizwirkung des Hinterziehungsbetrages beseitigender Milderungsgrund ist etwa gegeben, wenn sich der Täter im Tatzeitraum im Wesentlichen steuerehrlich verhalten hat und die Tat nur einen verhältnismäßig geringen Teil seiner steuerlich relevanten Betätigungen betrifft. Bedeutsam ist daher das Verhältnis der verkürzten zu den gezahlten Steuern. Hat sich der Täter vor der Tat über einen längeren Zeitraum steuerehrlich verhalten, ist auch dies in den Blick zu nehmen. In die vorzunehmende Gesamtwürdigung ist auch die Lebensleistung und das Verhalten des Täters nach Aufdeckung der Tat einzubeziehen , etwa ein (frühzeitiges) Geständnis, verbunden mit der Nachzahlung verkürzter Steuern oder jedenfalls dem ernsthaften Bemühen hierzu. Der „Schadenswiedergutmachung“ durch Nachzahlung verkürzter Steuern kommt schon im Hinblick auf die Wertung des Gesetzgebers im Falle einer Selbstanzeige (§ 371 AO) besondere strafmildernde Bedeutung zu.
46
bb) Gegen eine Geldstrafe oder - bei entsprechend hohem Hinterziehungsbetrag - eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe spricht es insbesondere, wenn der Täter Aktivitäten entfaltet hat, die von vornherein auf die Schädigung des Steueraufkommens in großem Umfang ausgelegt waren, etwa weil der Täter unter Vorspiegelung erfundener Sachverhalte das „Finanzamt als Bank“ betrachtete und in erheblichem Umfang ungerechtfertigte Vorsteuererstattungen erlangt hat oder weil der Täter die Steuerhinterziehung in sonstiger Weise ge- werbsmäßig oder gar „als Gewerbe“ betrieb. Gleiches gilt auch für den Aufbau eines aufwändigen Täuschungssystems, die systematische Verschleierung von Sachverhalten und die Erstellung oder Verwendung unrichtiger oder verfälschter Belege zu Täuschungszwecken.
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Strafschärfende Bedeutung hat es zudem, wenn der Täter besondere Unternehmensstrukturen aufgebaut hat, die auch der Bereicherung durch Steuerhinterziehung dienen sollten, wenn der Täter das Ziel verfolgt hat, das Steueraufkommen durch wiederholte Tatbegehung über einen längeren Zeitraum nachhaltig zu schädigen, wenn er andere Personen verstrickt hat, wenn er systematisch Scheingeschäfte getätigt oder Scheinhandlungen vorgenommen hat (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 1 AO) oder wenn er in größerem Umfang buchtechnische Manipulationen vorgenommen oder gezielt durch Einschaltung von Domizilfirmen im Ausland oder Gewinnverlagerungen ins Ausland schwer aufklärbare Sachverhalte geschaffen hat (vgl. auch die Beispiele bei Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl. Rdn. 1018 m.w.N.). Solche Umstände sind bei anpassungsfähigen Hinterziehungssystemen, wie etwa den sog. Umsatzsteuerkarussellgeschäften, bei Kettengeschäften unter Einschaltung sog. „Serviceunternehmen“ und im Bereich der illegalen Arbeitnehmerüberlassungen regelmäßig gegeben (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 176, 178).
48
4. Für Steuerhinterziehungen, die seit dem 1. Januar 2008 - dem Inkrafttreten der neuen Fassung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO durch das Gesetz zur Änderung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmethoden sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG v. 21. Dezember 2007 (BGBl. I 3198) - begangen wurden, kommt der Streichung des subjektiven Merkmals „aus grobem Eigennutz“ aus dem Regelbeispiel zusätzliches Gewicht zu. Hier erfüllt schon das objektive Merkmal „großes Aus- maß“ - wie es oben vom Senat bestimmt wurde - das Regelbeispiel des besonders schweren Falles des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO.
49
Die Bejahung bzw. Verneinung des Regelbeispiels in einem ersten Prüfungsschritt bei der Strafrahmenwahl bedeutet freilich, dass - wie bei sonstigen Regelbeispielen - in einem zweiten Schritt zu prüfen ist, ob die Besonderheiten des Einzelfalls die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräften, bzw. ob - umgekehrt - ein unbenannter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegt , obwohl der Hinterziehungsbetrag unter 50.000 € liegt.
50
Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze für die Strafrahmenwahl bei Regelbeispielen. Danach entfällt die Regelwirkung, wenn diese Faktoren jeweils für sich oder in ihrer Gesamtheit so gewichtig sind, dass sie bei der Gesamtabwägung die Regelwirkung entkräften. Es müssen in dem Tun oder in der Person des Täters Umstände vorliegen, die das Unrecht seiner Tat oder seiner Schuld deutlich vom Regelfall abheben, so dass die Anwendung des erschwerten Strafrahmens unangemessen erscheint (ständige Rspr.; vgl. BGHSt 20, 121, 125). Für die hierbei vorzunehmende Gesamtabwägung haben namentlich die oben genannten Milderungs- und Schärfungsgründe Gewicht.
51
5. Gemessen daran sind die dem Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO entnommenen Einzelstrafen und die Gesamtstrafe rechtsfehlerfrei. Das Landgericht hat zu Recht den hohen Steuerschäden das ihnen zukommende Gewicht beigemessen. Namentlich die beiden Einsatzstrafen von jeweils einem Jahr und drei Monaten für die Umsatzsteuerhinterziehungen 2002 und 2003 mit hinterzogenen Steuern in Höhe von jeweils über 150.000 € werden den oben genannten Strafzumessungskriterien gerecht.

V.

52
Die Revision bemängelt, das Landgericht habe sowohl bei der Beitragsals auch bei der Steuerhinterziehung einerseits die Höhe der durch die Taten verursachten Schäden zu Lasten des Angeklagten gewertet, andererseits aber strafmildernd berücksichtigt, dass die Schäden ausgeglichen worden seien. Hiergegen ist jedoch nichts zu erinnern. Diese Strafzumessungserwägungen erweisen sich nicht als widersprüchlich. Gemäß § 46 Abs. 2 StGB sind sowohl die verschuldeten Folgen der Tat als auch die Schadenswiedergutmachung strafzumessungsrelevante Faktoren. Bei einer nachträglichen Schadenswiedergutmachung ist das Landgericht nicht gehalten, den Umfang der zunächst hinterzogenen Steuern und den Umfang der den Einzugsstellen zunächst vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge im Rahmen der Strafzumessung unberücksichtigt zu lassen.

VI.

53
Die Versagung der Strafaussetzung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten zur Bewährung hält rechtlicher Nachprüfung noch stand.
54
Allerdings weist die Revision mit Recht darauf hin, dass auch bei der gemäß § 56 Abs. 2 StGB vom Tatgericht vorzunehmenden Prüfung, ob die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, die ein Jahr übersteigt, zur Bewährung ausgesetzt werden kann, der Kriminalprognose des Täters Bedeutung zukommt. Denn die Prüfung, ob besondere Umstände von Gewicht im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB vorliegen, erfordert eine Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit des Verurteilten. Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehört auch eine günstige Kriminalprognose (vgl. BGH StV 2003, 670; BGH NStZ 1997, 434; jeweils m.w.N.). Es wäre daher rechtsfehlerhaft, die Frage der Kriminalprognose als von vornherein für die Gesamtwürdigung bedeutungslos dahinstehen zu lassen (vgl. BGH, Beschl. vom 11. Dezember 2002 - 1 StR 454/02). Anders verhält es sich aber dann, wenn das Tatgericht die Gesamtwürdigung auch auf der Basis einer günstigen Kriminalprognose durchführt und dabei zum Ergebnis gelangt, dass selbst unter dieser Prämisse besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB nicht vorliegen. Bei einem solchen Vorgehen wird die Kriminalprognose des Täters nicht als bedeutungslos angesehen ; sie hat aber im konkreten Fall auf das Ergebnis der Gesamtwürdigung keine für den Verurteilten günstigen Auswirkungen.
55
So liegt der Fall hier. Die Strafkammer hatte zwar im Hinblick auf die einschlägige Vorstrafe des Angeklagten und seinen Bewährungsbruch erhebliche Zweifel daran, dass sich der Angeklagte schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (UA S. 43). Aus dem Gesamtzusammenhang der vom Landgericht insoweit angestellten Erwägungen ergibt sich aber, dass es im Rahmen der durchgeführten Gesamtwürdigung auch unter Berücksichtigung einer günstigen Kriminalprognose zum Fehlen besonderer Umstände gelangt ist. Der Senat entnimmt der missverständlichen Formulierung in den Urteilsgründen , die Frage der Kriminalprognose könne „letztlich“ offen bleiben, nicht, die Strafkammer habe diese Frage für die nach § 56 Abs. 2 StGB als von vornherein unbeachtlich gehalten.
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 332/10
vom
28. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Juli 2010 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 12. März 2010 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Im Fall II.2 der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten rechtsfehlerfrei wegen versuchter Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt. Auch die Strafrahmenwahl für diesen Fall, bei der das Landgericht die Strafe dem gemäß § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO entnommen hat, hält rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte ließ beim Finanzamt Köln für die D. GbR betreffend den Monat Juni 2008 eine unrichtige Umsatzsteuervoranmeldung einreichen. Darin wurde zu Unrecht ein Vorsteuerbetrag in Höhe von mehr als 534.000 Euro aus gefälschten Rechnungen der Firma E. , denen in Wirklichkeit keine Leistungen zugrunde lagen, geltend gemacht. Das Finanzamt, das Zweifel an der Richtigkeit der Umsatzsteuervoranmeldung hatte, zahlte die geltend gemachten Vorsteuern nicht als Erstattungsbetrag aus, sondern leitete eine Umsatzsteuersonderprüfung ein.

b) Auch wenn der Angeklagte hier nicht i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO „in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt hat“, weil eine Auszahlung des geltend gemachten Erstattungsbetrages vom Finanzamt verweigert worden war (vgl. § 168 Satz 2 AO), durfte das Landgericht die Strafe dennoch dem gemäß § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO entnehmen. Denn die Geltendmachung des unberechtigten Vorsteuerbetrages von mehr als 534.000 Euro zielte auf einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil in großem Ausmaß i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ab (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 84 ff.). Der Umstand, dass ebenso wie das Grunddelikt des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO auch das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nur versucht worden ist, steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 1985 - 3 StR 291/85, BGHSt 33, 370; glA Joecks in Franzen/ Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 370 Rn. 276; Fischer, StGB 57. Aufl. § 46 Rn. 101). Für den Eintritt der Regelwirkung der Regelbeispiele besonders schwerer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 AO kann es bei der versuchten Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 2 AO) nur darauf ankommen, ob der Täter nach seiner Vorstellung zur Verwirklichung des Regelbeispiels bereits unmittelbar angesetzt hat. Denn bei der versuchten Steuerhinterziehung ist auch für die Indizwirkung der Regelbeispiele auf die subjektive Tatseite abzustellen. Dabei sind bei der Bestimmung des für den strafbaren Deliktsversuch geltenden Strafrahmens die Regelbeispiele besonders schwerer Steuerhinter- ziehung im Ergebnis wie ein Tatbestandsmerkmal zu behandeln, weil sie einen gegenüber dem Tatbestand erhöhten Unrechts- und Schuldgehalt typisieren (BGHSt 33, 370, 374). Ist der Schuldgehalt der versuchten Tat geringer, kommt auch für den Strafrahmen des besonders schweren Falles der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 Satz 1 AO) die Strafrahmenverschiebung des § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB in Betracht.
Gegenteiliges ergibt sich nicht aus einem Vergleich mit dem Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Var. 1 StGB, für das der Bundesgerichtshof annimmt, dass ein bloßer Betrugsversuch die Voraussetzungen des Regelbeispiels des „Herbeiführens eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes“ nicht erfüllen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2006 - 2 StR 388/06, BGHR § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Vermögensverlust 6; BGH, Beschluss vom 9. Januar 2007 - 4 StR 428/06, wistra 2007, 183; BGH, Beschluss vom 24. März 2009 - 3 StR 598/08, NStZ-RR 2009, 206, 207). Denn der dort vom Gesetzgeber verwendete Begriff des Vermögensverlustes ist nach dem Wortsinn enger zu verstehen als die in anderem Zusammenhang verwendeten Begriffe des Vermögensschadens oder -nachteils und verbietet daher eine Ausdehnung auf bloße Gefährdungsschäden (BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2003 - 1 StR 212/03, BGHSt 48, 354, 358 f.). Dies rechtfertigt, die im bloßen Ansetzen, einen Vermögensverlust herbeizuführen, liegende Gefährdung auch bei Versuchstaten für die Regelwirkung nicht ausreichen zu lassen. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen, dass im Gegensatz hierzu § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ausdrücklich Bezug nimmt auf den Begriff der Steuerverkürzung und damit auf die Legaldefinition in § 370 Abs. 4 Satz 1 AO. Von dieser Definition werden auch Vermögensgefährdungen bei verspäteter oder zu niedriger Festsetzung erfasst (vgl. BGHSt 53, 71, 85 Rn. 39; Joecks aaO § 370 AO Rn. 51).
Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung, ob ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 Abs. 3 AO gegeben ist, hat das Landgericht ausdrücklich berücksichtigt, dass es letztlich nicht zu einer Tatvollendung gekommen ist. Dabei musste es hier nicht ausdrücklich erörtern, ob das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes des Versuchs (§ 23 Abs. 2 StGB) ausnahmsweise zum Entfallen der Regelwirkung führen konnte. Denn die vom Landgericht erwogenen Strafzumessungsgründe legen eine solche Möglichkeit nicht nahe. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Höhe des geltend gemachten Erstattungsbetrages und des Umstandes, dass die Auszahlung nur durch die besondere „Wachsamkeit“ des Finanzamtes verhindert wurde. Im Übrigen wäre - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - die verhängte Strafe auch angemessen (vgl. § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO).
Nack Wahl Hebenstreit RiBGH Prof. Dr. Sander ist in Urlaub und deshalb verhindert zu unterschreiben. Jäger Nack

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 116/11
vom
5. Mai 2011
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
Soweit dazu Anlass besteht, müssen die Urteilsgründe ergeben, ob Steuern in
großem Ausmaß i.S.d. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nach BGHSt 53, 71 (Betragsgrenzen
50.000 Euro bzw. 100.000 Euro) verkürzt sind. Sie müssen auch
ergeben, weshalb trotz des Vorliegens dieses Regelbeispiels ein besonders
schwerer Fall des § 370 Abs. 3 AO nicht angenommen wird (Fortführung von
BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71).
BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11 - LG Bochum
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Mai 2011 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 1. Oktober 2010 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 16 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt , deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Die auf die - zunächst allgemeine - Sachrüge gegründete Revision des Angeklagten ist unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils auch unter Berücksichtigung der Gegenerklärung des Angeklagten vom 23. März 2011 auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 28. Februar 2011 keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


3
Grundlage der Verurteilung sind nicht zur Umsatzsteuer erklärte, durch Scheinrechnungen abgedeckte Schwarzein- und -verkäufe von Telefonkarten in der Zeit von Juli 2007 bis Oktober 2008. Dazu hatte der Angeklagte zwei Unternehmen gegründet, die er - weil er selbst über keine Arbeitserlaubnis verfügte - mit Hilfe von Strohleuten führte. Insgesamt hinterzog er Umsatzsteuern in Höhe von insgesamt 2.287.737 €. Bei den 16 Taten reichen die jeweiligen Hin- terziehungsbeträge von 19.918 € bis zu 203.952 €. Bei 13 Taten liegt der Hinterziehungsbetrag über 100.000 €, acht dieser Taten wurden nach dem 1. Januar 2008 begangen. Auch in diesen Fällen hat die Strafkammer der Strafzumessung den Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO zugrunde gelegt und Einzelstrafen von acht Monaten bis zu einem Jahr und vier Monaten verhängt.
4
Die Strafkammer hat nicht erörtert, ob der Angeklagte aus grobem Eigennutz handelte (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung) und - insbesondere - ob er bei den Taten nach dem 31. Dezember 2007 (gemäß der von da an geltenden Fassung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) - Steuern in großem Ausmaß verkürzte.

II.


5
Die Strafzumessung ist, soweit es die nach dem 31. Dezember 2007 begangenen Taten betrifft, in mehrfacher Hinsicht - zugunsten des Angeklagten - rechtsfehlerhaft. Es liegt ein Begründungsmangel vor, weil die Strafkammer nicht geprüft hat, ob bei Hinterziehungsbeträgen ab 100.000 € das gesetzliche Merkmal „in großem Ausmaß“ (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) gegeben war. Aber selbst dann, wenn die Strafkammer richtigerweise das Regelbeispiel in diesen Fällen bejaht hätte, wäre die Nichtannahme eines besonders schweren Falles hier ein Wertungsfehler. Dadurch ist der Angeklagte jedoch nicht beschwert.
6
1. Die Strafzumessung genügt nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen des § 267 Abs. 3 Satz 3 StPO.
7
Nach dieser Bestimmung müssen die Urteilsgründe „auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt“. Zwei Prüfungsschritte sind danach erforderlich:
8
a) Besteht Anlass, dass die im Straftatbestand aufgeführten Merkmale eines Regelbeispiels erfüllt sind, dann müssen die Urteilsgründe zunächst erkennen lassen, dass die rechtlichen Voraussetzungen des entsprechenden Merkmals geprüft wurden. Dieser erste Prüfungsschritt betrifft die Subsumtion unter ein gesetzliches Merkmal, die der vollen rechtlichen Prüfung durch das Revisionsgericht unterliegt.
9
b) Wird trotz Bejahung des Merkmals gleichwohl von der Regelwirkung abgesehen, so ist die Wahl des (milderen) Strafrahmens nachvollziehbar darzulegen. Dieser zweite Prüfungsschritt ist Teil der zuvorderst dem Tatrichter obliegenden Strafrahmenwahl, die nur eingeschränkt der revisionsgerichtlichen Prüfung zugänglich ist.
10
Insoweit gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: Zwar kann die indizielle Bedeutung des Regelbeispiels durch andere Strafzumessungsfaktoren kompensiert werden, doch müssen diese dann so schwer wiegen , dass die Anwendung des erschwerten Strafrahmens unangemessen erscheint. Ob dies so ist, kann der Strafrichter erst nach umfassender Abwägung aller Umstände entscheiden. Dabei dürfen jedenfalls die Umstände, welche das Regelbeispiel begründen, nicht unberücksichtigt bleiben; diese müssen vielmehr zunächst im Vordergrund der Abwägung stehen (BGH, Urteil vom 12. November 1996 - 1 StR 470/96; siehe auch Urteile vom 17. September 1997 - 2 StR 390/97; 9. August 2000 - 3 StR 133/00; 11. September 2003 - 4 StR 193/03, NStZ 2004, 265; 31. März 2004 - 2 StR 482/03, NJW 2004, 2394, 2395).
11
c) Die Wahl des erhöhten Strafrahmens bedarf hingegen - grundsätzlich - keiner weiteren Begründung, wenn das gesetzliche Merkmal des Regelbeispiels eines besonders schweren Falles erfüllt ist. Denn dann besteht eine gesetzliche Vermutung für einen gegenüber dem Normaltatbestand erhöhten Unrechts- und Schuldgehalt (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl., Rn. 603 mwN).
12
2. Das bedeutet für das gesetzliche Merkmal „in großem Ausmaß“ des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO:
13
a) Der Senat hat mit Urteil vom 2. Dezember 2008 (1 StR 416/08, BGHSt 53, 71) das Merkmal „großes Ausmaß“ ausgelegt und dafür folgende Betragsgrenzen bestimmt: Beschränkt sich das Verhalten des Täters darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, dann ist das Merkmal bei einer Verkürzung in Höhe von 100.000 € erfüllt (Rn. 39, 41). Wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen vom Finanzamt erlangt hat, liegt die Betragsgrenze bei 50.000 € (Rn. 37).
14
b) Diese Bestimmung der Betragsgrenzen durch den Senat hat der Gesetzgeber in den Beratungen zu dem Entwurf des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes (BT-Drucks. 17/4182 und 17/4802) aufgegriffen. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drucks. 17/5067 neu) ist zur Bestimmung der Betragsgrenze, ab welchem bei einer Selbstanzeige Straffreiheit nicht eintritt, unter Bezugnahme auf das Senatsurteil BGHSt 53, 71 ausgeführt (S. 21): „Die Betragshöhe orientiert sich an der Rechtsprechung des BGH zu dem Regelbeispiel des § 370 Absatz 3 Nummer 1 AO, wo das Merkmal großen Ausmaßes bei 50 000 Euro als erfüllt angesehen wird“. Damit hat der Gesetzgeber ersichtlich die Auslegung des Regelbeispiels durch den Senat gebilligt.
15
c) Jedenfalls in den Fällen, bei denen durch die nach dem 31. Dezember 2007 begangenen Taten Steuern in Höhe von 100.000 € und darüber verkürzt wurden, hätte die Strafkammer deshalb die Voraussetzungen des Regelbeispiels des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 als erfüllt ansehen müssen. Zudem hätten die Feststellungen zum Zusammenwirken innerhalb der Tätergruppe Anlass geben können, auch das Regelbeispiel Nr. 5 des § 370 Abs. 3 Satz 2 AO (Handeln als Mitglied einer Bande zur fortgesetzten Begehung von Steuerhinterziehungen ) zu prüfen.
16
3. Indem die Strafkammer das Regelbeispiel nicht geprüft hat, hat es sich den Blick dafür verstellt, bei der Wahl des Strafrahmens zu erörtern, ob die indizielle Bedeutung des Regelbeispiels durch andere - für den Angeklagten sprechende - Strafzumessungsfaktoren kompensiert wurde. Milderungsgründe, die so schwer wiegen könnten, dass die Anwendung des erschwerten Strafrahmens unangemessen erscheint, sind hier nicht in ausreichendem Maße dargetan.
17
a) Nach der Bewertung der Strafkammer „werden die Steuerschäden durch die Tatsache relativiert, dass ein Großteil durch die Angeklagten sowie die Firma L. wieder gut gemacht worden“ ist. Die vom Angeklagten „hinterzogenen Umsatzsteuern wurden mittlerweile vollständig beglichen“. Es bleibt allerdings offen, woher die Geldmittel hierzu stammen. Nach den Fest- stellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten und zu seinem Gewinn (mitgeteilt wird von der Strafkammer ein Rohertrag von 2 %; die Summe der für den Tatzeitraum aufgeführten Einkäufe liegt allerdings über den Erlösen während dieser Zeit) aus dem inkriminierten Handel mit Telefonkarten erscheint es ohne nähere Darlegungen kaum nachvollziehbar, dass er selbst zur Schadenswiedergutmachung in der Lage war. Im Übrigen ändert die Bezahlung der geschuldeten hinterzogenen Steuern nichts an der Indizwirkung der Überschreitung der 100.000 €-Grenze für besonders schwere Fälle. Denn hierbei ist schon berücksichtigt, dass es lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs kommt (Senat aaO Rn. 39).
18
b) Hier kommt indes erschwerend hinzu (vgl. Senat aaO Rn. 47), dass der Angeklagte besondere unternehmerische Strukturen aufgebaut hat, um seinen durchgehend steuerunehrlichen Handel zu betreiben, eingebunden in das „Tarnsystem“ eines grenzüberschreitenden, steuerunehrlichen Unterneh- mensgeflechts.
19
c) Dass die Nichtannahme des besonders schweren Falles selbst bei Bejahung des Merkmals „großes Ausmaß“ ein Wertungsfehler wäre, zeigt sich auch daran, dass ohne nähere Differenzierung zwischen den Tatbeteiligten neben dem Angeklagten fünf weitere Personen - rechtskräftig - ebenfalls nur aus dem Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO zu Bewährungsstrafen verurteilt wurden. Zwei dieser Verurteilten hinterzogen - gemeinsam - sogar 4.797.032 € an Umsatzsteuern. Sie wurden jeweils zu zwei Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt , deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
20
4. Offen bleiben kann, ob - was freilich nahe liegt - ein weiterer Wertungsfehler darin liegt, dass sich sowohl die Einzelstrafen, wie auch die Ge- samtstrafe erheblich nach unten von ihrer Bestimmung lösen, gerechter Schuldausgleich zu sein.
21
Zur Bedeutung des Hinterziehungsbetrags für die Strafhöhenbemessung ist in der oben genannten Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drucks. 17/5067 neu, S. 21) ausgeführt: „Bei den Beratungen der geplanten Maßnahmen zur Verhinderung der Steuerhinterziehung waren sich alle Fraktionen in der Bewertung einig, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt sei und entsprechend bekämpft werden müsse. Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP haben dabei betont … Eine Aussetzung der Freiheitsstrafe auf Bewährung bei Hinterziehung in Millionenhöhe sei nach einer Entscheidung des BGH nicht mehr möglich“.

III.


22
Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
23
1. Bei der Staatsanwaltschaft - auch im Rahmen der Dienstaufsicht - hätte deshalb Anlass bestehen können zu prüfen, ob Handlungsbedarf gemäß Nr. 147 Abs. 1 Satz 3 RiStBV besteht. Eine etwaige Verständigung gemäß § 257c StPO hätte dem nicht entgegengestanden. Denn auch dann darf das Ergebnis nicht unterhalb „der Grenze dessen liegen, was noch als schuldan- gemessene Sanktion hingenommen werden kann“ (BGH, Beschluss vom 3. März 2005 - GSSt 1/04, BGHSt 50, 41, 50).
24
2. Erörtert das Gericht vor Beginn der Hauptverhandlung mit den Beteiligten den Stand des Verfahrens, so ist der wesentliche Inhalt dieser Erörterung aktenkundig zu machen (§§ 202a, 212 StPO). Über diese Gespräche hat der Vorsitzende zu Beginn der Hauptverhandlung auch zu berichten (§ 243 Abs. 4 Satz 1 StPO) und dies ins Protokoll aufzunehmen (§ 273 Abs. 1a Satz 2 StPO). In den Urteilsgründen ist mitzuteilen, wenn der Verurteilung eine Verständigung gemäß § 257c StPO zugrunde lag267 Abs. 3 Satz 5 StPO). Im Protokoll ist aber auch zu vermerken, wenn dem Urteil keine Verständigung vorausging (§ 273 Abs. 1a Satz 3 StPO). Der Staatsanwalt ist gegebenenfalls gehalten, durch entsprechende Anregungen an das Gericht auf die Vermeidung von Protokollierungsfehlern oder -lücken hinzuwirken (vgl. Nr. 127 Abs. 1 Satz 1 RiStBV). Nack Wahl Rothfuß Hebenstreit Graf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 168/11
vom
5. Mai 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Mai 2011 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 27. September 2010 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Strafzumessung ist zwar nicht frei von Rechtsfehlern: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung in sechs Fällen (wegen nicht oder unzutreffend als steuerfreie Ausfuhren erklärter Umsätze) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Einzelstrafen hat die Strafkammer jeweils dem in § 370 Abs. 1 AO vorgegebenen Strafrahmen entnommen, auch im Fall 1, in dem der Steuerschaden 292.296,16 € beträgt. Dieser Hinterziehungsbetrag liegt erheblich über der Grenze von 100.000 €, deren Überschreitung Indizwirkung für das Vorliegen des Merkmals der Hinterziehung von Steuern in "großem Ausmaß" (§ 370 Abs. 3 Nr. 1 AO) zukommt (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 Rn. 39). Mit der Frage, ob deshalb im Hinblick auf die Höhe des Schadens unter Berücksichtigung der hierzu vom Senat entwickelten Grundsätze (vgl. BGH aaO, Rn. 24 ff.) von einem besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung - und dem dann gegebenen erhöhten Strafrahmen - auszugehen gewesen wäre, hat sich die Strafkammer nicht befasst.
Dies ist rechtsfehlerhaft, beschwert den Angeklagten indes nicht. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Nack Wahl Rothfuß Hebenstreit Graf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 81/11
vom
12. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juli 2011 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. November 2010 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Ab einem Hinterziehungsbetrag von 50.000 € sind Steuern in großem Maße verkürzt bzw. im großen Ausmaß nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO), wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen vom Finanzamt erlangt hat, etwa bei Steuererstattungen durch Umsatzsteuerkarusselle , Kettengeschäfte oder durch Einschaltung von sog. Serviceunternehmen. Beschränkt sich das Verhalten des Täters dagegen darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen - wie hier durch Nichterklärung eines Teils der Umsätze -, liegt die Wertgrenze zum großen Ausmaß bei 100.000 € (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08 -, Rn. 38, 39, BGHSt 53, 71, 85). Die Strafkammer ist zwar zunächst unzutreffend von der 50.000 €-Grenze ausgegangen.Hierauf beruht das Urteil jedoch nicht. Die Strafkammer hat nämlich gleichwohl bei den entsprechenden Taten keine besonders schweren Fälle i.S.v. § 370 Abs. 3 AO angenommen. Der Senat vermag auszuschließen, dass das Landgericht bei Vermeidung des Irrtums mildere Einzelstrafen und eine noch mildere Gesamtstrafe verhängt hätte. Nack Wahl Hebenstreit Graf Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 423/12
vom
26. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. September 2012 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Münster vom 20. Dezember 2011 wird als unbegründet verworfen,
da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung unter Einbeziehung
der Einzelstrafen aus einer weiteren Verurteilung wegen Steuerhinterziehung
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten
verurteilt.
Nach den Urteilsfeststellungen hatte der Angeklagte veranlasst, dass für einen
aus China stammenden und zunächst im Hamburger Freihafen angelieferten
Container mit Waren beim Hauptzollamt Hamburg-Hafen nur die aus Personenwaagen
bestehende Tarnware angemeldet wurde, nicht aber 346 Kartons
mit je 36 Stangen zu je 200 unverzollten und unversteuerten Zigaretten. Hierdurch
wurden Einfuhrabgaben (Zoll, Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer) in
Höhe von mehr als 385.000 Euro hinterzogen.
Der Beschwerdeführer vertritt unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom
2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, die Ansicht, dass die wegen
der Hinterziehung der Einfuhrabgaben verhängte Einzelfreiheitsstrafe von zwei
Jahren und drei Monaten schon deshalb rechtlich fehlerhaft sei, weil der Hinterziehungsbetrag
die Millionengrenze nicht überschritten habe. Dies trifft indes
nicht zu. Die Zumessung der schuldangemessenen Strafe richtet sich nach den
Grundsätzen des § 46 StGB. Je nach den Umständen des Einzelfalls kommt
daher auch bei geringeren Hinterziehungsbeträgen eine Freiheitsstrafe von
über zwei Jahren in Betracht.
Die Strafzumessung ist insgesamt rechtsfehlerfrei.
Nack Wahl Jäger
RiBGH Prof. Dr. Sander
ist urlaubsabwesend und
deshalb an der Unterschrift
gehindert.
Nack Cirener

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 537/12
vom
22. November 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
Zur Bezifferung aufgrund unrichtiger Feststellungsbescheide nach § 182 Abs. 1
Satz 1 AO erlangter nicht gerechtfertigter Steuervorteile im Sinne von § 370
Abs. 1 AO.
BGH, Beschluss vom 22. November 2012 - 1 StR 537/12 - LG Hof
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2012 beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Hof vom 23. Mai 2012 werden als unbegründet verworfen
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen Steuerhinterziehung in insgesamt 20 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten Dr. G. unter Freispruch im Übrigen wegen elf Fällen der Beihilfe zur Steuerhinterziehung unter Einbeziehung der Einzelstrafen einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Verurteilungen liegt eine Vielzahl von unrichtigen Angaben zugrunde, die die Angeklagten zum Zwecke der Verkürzung verschiedener Steuerarten sowie der Erlangung von nicht gerechtfertigten Steuervorteilen zugunsten von rechtlich unterschiedlich organisierten Unternehmen gemacht haben bzw. durch Dritte haben machen lassen. An den Unternehmen waren sie jeweils entweder maßgeblich wirtschaftlich beteiligt oder übten faktisch bestimmenden Einfluss auf die Unternehmenstätigkeit aus.
2
Die jeweils auf die Sachrüge beschränkten Revisionen bleiben ohne Erfolg.

II.


3
1. Die Revision des Angeklagten M. beanstandet, das Landgericht habe in Bezug auf drei der begünstigten Unternehmen (C. AG; H. GmbH; MB. GmbH) für einige Steuerarten in mehreren Veranlagungszeiträumen den tatbestandlichen Erfolg des § 370 Abs. 1 AO in "nicht gerechtfertigten Steuervorteilen" als verwirklicht angenommen, ohne die weiteren steuerlichen Auswirkungen dieser Vorteile in Gestalt der zukünftigen Verkürzung der Steuern näher zu prüfen und zu beziffern. Entsprechendes wendet sie auch ein, soweit in Bezug auf die Ma. KG lediglich die Höhe der erfolgten Gewinnfeststellung angegeben ist, deren Wirkungen zum Vorteil der Kommanditistin , der H. GmbH, aber nicht beziffert wurden. Damit werde das Tatgericht den in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 126, 170, 194 ff.; BVerfG, NJW 2012, 907, 915 ff.; BVerfG StraFo 2012, 496 ff.) zur Untreue (§ 266 StGB) gestellten Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes (Art. 103 Abs. 2 GG), die auf die Steuerhinterziehung übertragbar seien, nicht gerecht. Es fehle an der nach dem genannten Maßstab gebotenen Bestimmung der Höhe der Beeinträchtigung des staatlichen Steueranspruchs. Durch diesen Verzicht gebe das Tatgericht die strafbarkeitsbegrenzende Funktion des Merkmals "Steuervorteil" auf, indem es bereits potentielle Besserstellungen des Vermögens des betroffenen Steuerpflichtigen als tatbestandsmäßigen Steuervorteil i.S.v. § 370 Abs. 1 AO ausreichen lasse. Dieser Mangel des Urteils wirke sich auch auf die Strafzumessung aus, weil die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsfaktor sei.
4
2. Mit diesen Erwägungen dringt die Revision nicht durch. Das den Angeklagten M. betreffende Urteil weist weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch Rechtsfehler zu dessen Lasten auf.
5
a) Wie die Revision an sich nicht verkennt, hat der Senat bereits entschieden , dass ein mittels tatbestandsmäßiger Verhaltensweisen gemäß § 370 Abs. 1 AO erwirkter unrichtiger Feststellungsbescheid im Hinblick auf dessen aus § 182 Abs. 1 Satz 1 AO resultierender Bindungswirkung einen "nicht gerechtfertigten Steuervorteil" und damit eine vollendete Tat darstellt (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 104-107 Rn. 21-23; Meyberg PStR 2011, 31 f.; siehe auch Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht , 21. Aufl., § 23 Rn. 36 mit Fn. 3). Die Bindungswirkung erfasst sowohl die zu niedrige Feststellung von Gewinnen als auch unberechtigte Verlustvorträge und unberechtigt nicht verbrauchte Verlustvorträge. In Anwendung dieser Rechtsprechung hat das Tatgericht - bezogen auf unterschiedliche Veranlagungszeiträume und verschiedene steuerpflichtige Unternehmen - zutreffend derartige Steuervorteile festgestellt. Das trägt den Schuldspruch wegen vollendeter Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO.
6
b) Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die strafrechtliche Untreue (§ 266 StGB) und den Betrug (§ 263 StGB), insbesondere hinsichtlich der Merkmale "Vermögensnachteil" bzw. "Vermögensschaden" (BVerfGE 126, 170, 194 ff.; BVerfG NJW 2012, 907, 915 f.; BVerfG StraFo 2012, 496, 497 f.), gibt keinen Anlass, von dem bisherigen Verständnis des "nicht gerechtfertigten Steuervorteils" nach § 370 Abs. 1 AO sowie den zu dessen Vorliegen erforderlichen Feststellungen abzugehen.
7
aa) Das Bundesverfassungsgericht leitet aus Art. 103 Abs. 2 GG für die Auslegung von Strafnormen u.a. ein Verschleifungsverbot ab (vgl. BVerfGE 92, 1, 16 f.; BVerfGE 126, 170, 198; BVerfG StraFo 2012, 496, 497). Danach darf die Auslegung derjenigen Begriffe, mit denen der Gesetzgeber das unter Strafe gestellte Verhalten beschreibt, nicht zu einer Aufgabe der durch die Tatbestandsmerkmale bewirkten Eingrenzung der Strafbarkeit führen. Merkmale des Straftatbestandes dürfen daher selbst innerhalb der durch den Wortsinn gebildeten äußersten Auslegungsgrenze nicht so ausgelegt werden, dass sie vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen (BVerfGE 126, 170, 198; BVerfG StraFo 2012, 496, 497).
8
Dem trägt die Annahme eines "nicht gerechtfertigten Steuervorteils" i.S.v. § 370 Abs. 1 AO bereits bei Erwirken eines (bindenden) Feststellungsbescheides in Bezug auf zu niedrige Gewinnfeststellungen, nicht gerechtfertigte Verlustvorträge oder ungerechtfertigt nicht verbrauchte Verlustvorträge Rechnung. Das Erlangen (vgl. § 370 Abs. 4 Satz 2 AO) eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils stellt einen von den Tathandlungen der § 370 Abs. 1 Nrn. 1-3 AO klar abgrenzbaren tatbestandsmäßigen Erfolg der Steuerhinterziehung (BGH, aaO, BGHSt 53, 99, 106 Rn. 22) dar. Aus der Vornahme der Tathandlung folgt nicht per se das Vorliegen eines solchen Steuervorteils. Vielmehr ist es in Fällen der vorliegenden Art erforderlich, dass - durch die Tathandlung mitverursacht - die Finanzbehörde einen mit der Bindungswirkung des § 182 Abs. 1 Satz 1 AO versehenen Feststellungsbescheid erlässt, der die Besteuerungsgrundlagen unrichtig feststellt. Welchen Inhalt dieser Bescheid hat, welcher Vorteil zu Unrecht festgestellt worden ist und welche Höhe der Steuervorteil (etwa der unberechtigte Verlustvortrag) hat, ist von den Strafgerichten zu ermitteln und im Urteil darzulegen. Eine verfassungsrechtlich unzulässige Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen des § 370 Abs. 1 AO ist daher mit der vom Senat vorgenommenen Auslegung des Begriffs "nicht gerechtfertigter Steuervorteil" nicht verbunden.
9
Das Tatgericht hat auf dieser Grundlage rechtsfehlerfrei in zahlreichen Konstellationen die Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile zugunsten der von den Angeklagten beherrschten Unternehmen festgestellt. Die Strafkammer hat diese Vorteile sowohl der Art als auch der Höhe nach ausgewiesen und das Vorliegen der Steuervorteile auf entsprechende Feststellungsbescheide der jeweils zuständigen Finanzbehörden gestützt.
10
bb) Art. 103 Abs. 2 GG erfordert auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG jeweils aaO) bei der Auslegung von § 370 Abs. 1 AO in der Variante des in einem "nicht gerechtfertigten Steuervorteil" liegenden tatbestandsmäßigen Erfolgs nicht, die Vollendung der Tat davon abhängig zu machen, auf der Grundlage des bezifferten Steuervorteils die (zukünftigen) Auswirkungen auf den Steueranspruch des Staates zu berechnen (anders etwa Wittig ZIS 2011, 660, 668).
11
Das Bundesverfassungsgericht hält es am Maßstab des Bestimmtheitsgrundsatzes gemessen im Grundsatz für verfassungsrechtlich unbedenklich, bei § 263 StGB und § 266 StGB die Vollendung des jeweiligen Straftatbestandes bereits dann anzunehmen, wenn lediglich die konkrete Gefahr eines gegenwärtigen Vermögensschadens bzw. Vermögensnachteils besteht (BVerfGE 126, 170, 223 ff., 226 ff. bzgl. § 266 StGB; BVerfG NJW 2012, 907, 916 bzgl. § 263 StGB für den sog. Eingehungsbetrug). Um eine mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbare Überdehnung der Straftatmerkmale "Vermögensschaden/Vermögensnachteil" auszuschließen, dürfen aber an die konkrete Gefahr des Vermögensverlustes nicht so geringe Wahrscheinlichkeitsanforderungen gestellt werden, dass dessen realer Eintritt ungewiss bleibt (BVerfG jeweils aaO). Als weitere Sicherung gegen eine Tatbestandsüberdehnung bei schadensgleicher Vermögensgefährdung bzw. Gefährdungsschaden verlangt das Bundesverfassungsgericht von den Strafgerichten - von Ausnahmen bei einfach gelagerten Fällen abgesehen - eine Bezifferung der Höhe des Vermögensschadens, deren Grundlagen in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise im Urteil auszuführen sind. Die Schätzung von Mindestschäden auf tragfähiger Grundlage ist zulässig (BVerfG jeweils aaO).
12
Die auf die Rechtsgutsverletzungsdelikte § 263 StGB und § 266 StGB bezogenen Vorgaben sind auf den "nicht gerechtfertigten Steuervorteil" als tatbestandsmäßiger Erfolg nach § 370 Abs. 1 AO nicht übertragbar. Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung ist weder in seinen tatbestandlichen Strukturen noch in dem von ihm geschützten Rechtsgut und seinem Deliktscharakter dem Betrugs- und dem Untreuestraftatbestand so ähnlich, dass eine Änderung der Voraussetzungen der Vollendung in der genannten Tatbestandsvariante veranlasst oder gar geboten wäre.
13
Sowohl § 263 StGB als auch § 266 StGB verlangen als tatbestandlichen Erfolg eine durch die jeweilige tatbestandsmäßige Handlung verursachte Beeinträchtigung des strafrechtlich geschützten Vermögens einer anderen Person als dem Täter. Einen anderen, alternativ möglichen tatbestandlichen Erfolg, von dessen Eintritt die Tatvollendung abhängt, weisen sie nicht auf. Anders verhält es sich bei § 370 Abs. 1 AO. Die Steuerhinterziehung statuiert mit der Steuerverkürzung und den "nicht gerechtfertigten Steuervorteilen" alternativ zwei tatbestandsmäßige Erfolge. Wie sich auch aus § 370 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 AO ableiten lässt, geht das Gesetz von einer inhaltlichen Unterscheidung zwischen diesen beiden Tatvarianten aus. Dass die Differenzierung zwischen den Taterfolgen nicht in allen Einzelheiten geklärt ist (Joecks in Franzen/Gast/ Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., AO § 370 Rn. 83) ändert daran nichts. Die Steuerverkürzung einerseits und der "nicht gerechtfertigte Steuervorteil" andererseits beschreiben nicht lediglich einen identischen Taterfolg des § 370 Abs. 1 AO, die Gefährdung des staatlichen Steueranspruchs, aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln (so aber Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 23 Rn. 35). Mit einer solchen Betrachtung wäre das Aufgreifen der in § 370 Abs. 1 AO getroffenen Unterscheidung zwischen den Taterfolgen bei den Begriffsbestimmungen in § 370 Abs. 4 Satz 1 und 2 AO nicht zu vereinbaren (Rolletschke, Steuerstrafrecht, 4. Aufl., Rn. 87). Das Gesetz beschreibt hier - wenn auch nicht vollumfänglich im Sinne einer Legaldefinition - verschiedene Voraussetzungen für das Verkürzen von Steuern auf der einen Seite und die Erlangung von "nicht gerechtfertigten Steuervorteilen" andererseits. Der Steuerstraftatbestand trägt damit (auch) dem Steuerrecht Rechnung, das für das Besteuerungsverfahren in gesetzlich geregelten Fällen eine von der Steuerfestsetzung getrennte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zulässt (§ 157 Abs. 2, § 179 Abs. 1, § 180 AO). Diese Differenzierung aufnehmend kann innerhalb des § 370 Abs. 1 AO dem Erfolg in Gestalt der Erlangung eines "nicht gerechtfertigten Steuervorteils" bereits im Feststellungsverfahren ein weiterer Taterfolg, nämlich die Steuerverkürzung, im Festsetzungsverfahren nachfolgen (BGH, aaO, BGHSt 53, 99, 107 Rn. 23 mwN; vgl. auch Seer aaO § 23 Rn. 36 mit Fn. 3). Diese Besonderheiten der Steuerhinterziehung gegenüber den allgemeinen Vermögensdelikten §§ 263, 266 StGB legen eine Übertragung der diese betreffenden verfassungsgerichtlichen Vorgaben auf die Voraussetzungen der Tatvollendung bei § 370 Abs. 1 AO nicht nahe.
14
Erst recht stehen einer solchen aber die aus dem jeweiligen Schutzzweck resultierenden Unterschiede im Deliktscharakter entgegen. Betrug (§ 263 StGB) und Untreue (§ 266 StGB) schützen das Vermögen verstanden als die Summe aller geldwerten Güter, die einer Person nach der Gesamtrechtsordnung zugewiesen sind (BGH, Beschluss vom 18. Juli 1961 - 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 263 Rn. 3). Im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale "Vermögensschaden" bzw. "Vermögensnachteil" handelt es sich jeweils um Rechtsgutsverletzungsdelikte. Die Tatvollendung verlangt grundsätzlich jeweils eine eingetretene Minderung des geschützten Vermögens dergestalt, dass sich bei einem Vergleich des Vermögenswertes vor und nach der tatbestandsmäßigen Handlung ein negativer Saldo ergeben muss (vgl. BVerfGE 126, 170, 213 f.; BVerfG NJW 2012, 907, 915 f.). Die Annahme von Tatvollendung bei einem sich als konkrete Gefahr eines gegenwärtigen Vermögensschadens bzw. Vermögensnachteils darstellenden Taterfolg ist wegen Art. 103 Abs. 2 GG lediglich in den vom Bundesverfassungsgericht gezogenen engen Grenzen (BVerfGE 126, 170, 223 ff., 226 ff.; BVerfG NJW 2012, 907, 916 f.) gestattet.
15
Abweichend davon stellt sich § 370 AO nicht notwendig als Rechtsgutsverletzungsdelikt dar (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 106 Rn. 22; Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rn. 57).
16
§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO lässt im Hinblick auf den Taterfolg der Steuerverkürzung deutlich erkennen, dass die Vollendung der Tat gerade keine tatsächlich eingetretene Beeinträchtigung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts , dem öffentlichen Interesse am vollständigen und rechtzeitigen Aufkommen jeder einzelnen Steuerart (BGH, Beschluss vom 23. März 1994 - 5 StR 91/94, BGHSt 40, 109, 111; BGH, Urteil vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 120; BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 80 Rn. 21 mwN; Jäger in Klein, AO, 11. Aufl., § 370 Rn. 2), ver- langt (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 106 Rn. 22). Es genügt bereits die zu niedrige Festsetzung der Steuer als solche (BGH aaO). Eine andere Betrachtung wäre mit dem Wortlaut von § 370 Abs. 4 Satz 1 AO nicht zu vereinbaren. In Bezug auf den Taterfolg der Steuerverkürzung (§ 370 Abs. 1 Variante 1 AO) erfordert die Steuerhinterziehung damit keine Verletzung des geschützten Rechtsguts (vgl. BGH aaO; Ransiek aaO, § 370 AO Rn. 57 und 59). Dementsprechend ist es für den Eintritt der Vollendung des Delikts auch nicht von Bedeutung, ob der Steuerschuldner über ausreichende finanzielle Mittel zur Begleichung der Steuerschuld verfügt. Im Gegensatz dazu kann es für die Annahme der Vollendung einer Betrugstat durchaus auf die Liquidität des Täters ankommen. So ist etwa für eine täuschungsbedingt erlangte Stundung einer Forderung anerkannt, dass es an einem Schaden und damit einem vollendeten Delikt fehlt, wenn im Zeitpunkt der Vermögensverfügung , also der Gewährung der Stundung, kein (pfändbares) Vermögen bei dem Schuldner vorhanden war (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546, 548; Fischer aaO § 263 Rn. 134).
17
Für den Taterfolg "nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt" gilt Entsprechendes (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 106 Rn. 22). § 370 Abs. 4 Satz 2 AO stellt insoweit klar, dass ein Steuervorteil bereits mit dessen unberechtigter Gewährung erlangt ist. Wie sich etwa in der Konstellation des mit Bindungswirkung versehenen Feststellungsbescheides (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO) zeigt, kann eine solche Erlangung aufgrund der Gestaltung des Besteuerungsverfahrens bereits eingetreten sein, ohne dass damit wegen der in diesem Zeitpunkt noch nicht im Einzelnen absehbaren Auswirkungen auf die Steuerfestsetzung eine Minderung des staatlichen Steueraufkommens einhergeht. Die zum Ergehen eines Feststellungsbescheides über einen hinreichend bestimmten Steuervorteil führende Tathandlung nach § 370 Abs. 1 Nrn. 1-3 AO bewirkt aber gerade wegen der Bindungswirkung hinsichtlich der unrichtig festgestellten Besteuerungsgrundlagen eine Gefährdung des Steueraufkommens.
18
Erweist sich damit die Steuerhinterziehung in beiden Taterfolgsvarianten nicht als Rechtsgutsverletzungsdelikt, lassen sich die für die §§ 263, 266 StGB, bei denen es sich um einen solchen Deliktstypus handelt, geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Tatvollendung nicht auf § 370 AO übertragen. Das Bundesverfassungsgericht leitet aus dem Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) Grenzen für die Ausdehnung eines Rechtsgutsverletzungserfolges ("Vermögensschaden" bzw. "Vermögensnachteil") auf Konstellationen einer als Gefährdungsschaden erfassbaren hinreichend konkreten Gefährdung des geschützten Vermögens ab. Darum geht es bei § 370 AO nicht.
19
c) Entgegen der von der Revision des Angeklagten M. vertretenen Auffassung gebieten weder das Verfassungsgebot schuldangemessenen Strafens noch Art. 103 Abs. 2 GG die Bezifferung der sich aus Steuervorteilen in unrichtigen Feststellungsbescheiden ergebenden Auswirkungen auf die Besteuerung der begünstigten Steuerpflichtigen als Grundlage der Strafzumessung.
20
aa) Wie die Revision an sich nicht verkennt, handelt es sich bei der Höhe der hinterzogenen Steuern um einen bestimmenden Strafzumessungsfaktor (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 80 Rn. 21 mwN). Diese Bedeutung des Hinterziehungsbetrages ergibt sich daraus, dass dieser das Ausmaß der Rechtsgutsbeeinträchtigung entscheidend mitbestimmt und dieses wiederum eine wesentliche Anknüpfung für den Grad des vom Täter verschuldeten Unrechts bildet. Nach der Rechtsprechung des Senats erfolgt jedoch die Strafzumessung bei der Steuerhinterziehung ungeachtet dieser Be- deutung des Hinterziehungsbetrages nicht allein "tarifmäßig" (BGH aaO, BGHSt 53, 71, 81 Rn. 24). Den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatzes und dessen einfachgesetzlicher Ausgestaltung entsprechend richtet sich die Strafzumessung einzelfallbezogen nach den in § 46 StGB genannten Kriterien.
21
bb) Diese Kriterien gelten auch für die Strafzumessung der durch Erlangung eines "nicht gerechtfertigten Steuervorteils" verwirklichten Steuerhinterziehung. Die Dimension der Gefährdung des geschützten Rechtsguts lässt sich jedenfalls für die hier vorliegenden Steuervorteile in Gestalt von zu niedrigen Gewinnfeststellungen, unberechtigten Verlustvorträgen und unberechtigt nicht verbrauchten Verlustvorträgen anhand der Höhe des im Feststellungsbescheid ausgewiesenen Steuervorteils erkennen. Angesichts der Natur des § 370 AO genügt die Berücksichtigung der Höhe des Steuervorteils ungeachtet der noch nicht bezifferten Auswirkungen auf die Steuerlast als Grundlage für die Strafzumessung. In den hier allein verfahrensgegenständlichen Fallgestaltungen von Steuervorteilen in mit Bindungswirkung versehenen Feststellungsbescheiden bleibt für den Täter auch nicht unklar, was für eine Art von Steuervorteil in welcher Höhe von ihm erlangt worden ist.
22
cc) Der Feststellung und Bezifferung der Auswirkungen eines Steuervorteils in den vorliegenden Konstellationen bedarf es auch im Hinblick auf die Anwendung des Regelbeispiels aus § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nicht. Wie sich aus dessen Wortlaut ergibt, geht das Gesetz davon aus, dass das Regelbeispiel sowohl bei der Steuerhinterziehung durch Steuerverkürzung als auch bei der Erlangung von nicht gerechtfertigten Steuervorteilen verwirklicht sein kann. Ab welcher Wertgrenze ein "großes Ausmaß" gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO bei erlangten Steuervorteilen anzunehmen ist, hat die Rechtspre- chung des Bundesgerichtshofs bisher nicht zu entscheiden gehabt. Dies bedarf auch vorliegend keiner Entscheidung. Das Landgericht hat das Regelbeispiel nicht auf das Erlangen von Steuervorteilen zugunsten der verschiedenen begünstigten Gesellschaften angewendet. Da die erlangten Steuervorteile der hier fraglichen Art aber ohnehin für die Beurteilung des Vollendungseintritts nach Art und Höhe festzustellen sind, kommt eine Anwendung des Regelbeispiels anhand von Wertgrenzen, wie sie der Senat bislang nach Fallkonstellationen differenzierend angenommen hat (siehe BGH aaO, BGHSt 53, 71, 85 Rn. 38 f.), grundsätzlich in Betracht.
23
d) Das gegen den Angeklagten M. ergangene Urteil weist damit weder im Schuld- noch im Strafausspruch Rechtsfehler zu dessen Nachteil auf.
24
3. Die Revision des Angeklagten Dr. G. bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Ein von diesem geltend gemachtes Verfahrenshindernis besteht nicht. Wie von der Revision selbst vorgetragen wird, ist eine Einstellung gemäß § 154 Abs. 1 StPO, die ohnehin nicht zu einem Verfahrenshindernis führen würde (Beulke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 154 Rn. 51; Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, § 154 Rn. 43), nicht erfolgt.
Nack Wahl Rothfuß Jäger Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 257/12
vom
21. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. August
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 3. November 2011 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. Die weitergehende Revision wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Der Angeklagte war Finanzvorstand der I. AG . Ihm wird vorgeworfen, für die I. AG keine Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2000 abgegeben und so vom Unternehmen geschuldete Umsatzsteuer in Höhe von 29.728.541,85 DM (= 15.199.962,08 €) hinterzogen zu haben. Das Landgericht hat den Angeklagten deshalb zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Sechs Monate der erkannten Freiheitsstrafe hat das Landgericht für vollstreckt erklärt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch - Strafausspruch und Kompensationsausspruch - beschränkten Revision insbesondere dagegen, dass die Strafkammer bei der Strafzumessung nicht von einem besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung und von dem dann grundsätzlich eröffneten weiteren Strafrahmen ausgegangen ist. Denn der Angeklagte habe nicht nur Steuern im großen Ausmaß hinterzogen, sondern - was zur Tatzeit noch weitere tatbestandliche Voraussetzung des Regelbeispiels war - er habe auch aus grobem Eigennutz gehandelt. Dies habe die Strafkammer zu Unrecht verneint. Außerdem liege keine der Justiz vorwerfbare überlange Verfahrensdauer vor, jedenfalls sei die Kompensation, auf die erkannt wurde, überhöht. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

II.

2
Den Feststellungen des Landgerichts ist Folgendes zu entnehmen:
3
1. Geschäftszweck der Unternehmensgruppe um die I. AG war ein Steuersparmodell durch die Auflage von Filmfonds. Die Fonds traten als Auftraggeber für ausländische Filmproduktionen und damit formell als Filmhersteller auf. Kapitalanleger konnten sich mit Kommanditanteilen in Höhe von mindestens 50.000 DM, von denen allerdings nur 48 % von den Kommanditisten zu erbringen waren, beteiligen. Die Fonds trugen im Namen alle die Firma W. mit vorangestellter fortlaufender Nummerierung. Im vorliegenden Verfahren sind der fünfte und der sechste W. relevant.
4
Federführend bei der Produktion der Filme war allerdings die I. AG auf der Grundlage von mit den Fonds abgeschlossenen Produktionsdienstleistungsverträgen. Danach führte die I. AG die Geschäfte für die Filmfonds , organisierte die Filmproduktionen im Ausland (USA) durch ausländische Unternehmen und deren Bezahlung. Sie stellte dann die Produktionskosten zuzüglich Umsatzsteuer - damals in Höhe von 16 % - den Fonds in Rechnung. Die I. AG nahm auch das Fremdkapital auf zur Abdeckung der restlichen 52 % der Kommanditanteile bei den Fonds. Die Erstellung der Finanzbuchhaltung erfolgte durch die E. Steuerberatungsgesellschaft mbH. Für die Erstellung der Prospekte, die Erstellung der Konzeption der Filmfonds, die Anlegerbetreuung und die Vertriebskoordination war die E. AG verantwortlich. Die Fonds stellten sich im Grunde nur als Gelddurchlaufstationen dar.
5
Der Angeklagte, ein promovierter Diplom-Volkswirt, war zwar nicht Gründer der I. AG. Dies waren die Musikproduzenten M. und A. . Nachdem er aber wegen seiner Fachkompetenz gleich zu Beginn der Unternehmensgeschichte im Jahre 1999 angeworben worden war, beherrschte er - seiner Stellung entsprechend - das wirtschaftliche Geschehen der Unternehmensgruppe.
6
Im September 1999 wurde er als sogenannter Finanzvorstand in den Vorstand der I. AG berufen, um zunächst den Börsengang des Unternehmens zu begleiten. Die Stellung als Finanzvorstand hatte er bis August 2006 inne. In den Jahren 2000 bis Mitte 2002 war er mit ca. 10 % an der I. AG beteiligt.
7
Der Angeklagte war Alleinaktionär der oben genannten E. AG. Weil der Angeklagte nicht gleichzeitig als Vorstand sowohl in dieser Aktiengesellschaft als auch bei der I. AG in Erscheinung treten wollte, wurden bei der E. AG meist formell andere Personen als Vorstand bestellt. An der tatsächlichen Führung der E. AG durch den Angeklagten änderte sich dadurch nichts. Aufgrund von Verwaltungsverträgen mit den einzelnen Fonds hatten diese eine Vergütung an die E. AG in der Höhe zwischen 10 und 11 % der Kommanditanteile einmalig, sowie eine jährliche Zahlung in Höhe von 0,54 % der Anteile zu entrichten.
8
Ob der Angeklagte auch an der E. Steuerberatungsgesellschaft mbH beteiligt war, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Darauf deutet allerdings die Verwendung des Namens E. auch bei dieser Gesellschaft hin. Diese Bezeichnung verwendete der Angeklagte schon zu Studienzeiten für ein von ihm aufgebautes wirtschaftswissenschaftliches Repetitorium.
9
Der Angeklagte war auch Gründungskommanditist jedenfalls des dritten, fünften und sechsten Fonds.
10
Die I. AG erlitt einen wirtschaftlichen Niedergang. Wann dies einsetzte, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Im Jahre 2006 wurde sie insolvent. In diesem Zusammenhang verlor auch der Angeklagte sein Vermögen und musste im Januar 2006 die eidesstattliche Versicherung gemäß § 807 ZPO abgeben. Wegen von ihm als Finanzvorstand zu verantwortender Insolvenzverschleppung wurde der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
11
2. Zum steuerstrafrechtlichen Vorwurf:
12
Die I. AG stellte - wie oben bereits gesagt - den Fonds die Produktionskosten zuzüglich 16 % Umsatzsteuer in Rechnung. Bei den Fonds ging die ausgewiesene Umsatzsteuer als abziehbare Vorsteuer in deren Umsatzsteuererklärungen ein. Dies führte auch zu erheblichen Steuererstattungen sei- tens der Finanzbehörde an die Fonds. Diese Zahlungen sind „weitestgehend“ an die I. AG bzw. an die E. AG weitergeleitet worden.
13
Ende 1999 oder Anfang 2000 kamen aufgrund entsprechender „Beanstandungen“ der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft der I. AG, der K. , Überlegungen auf, dass Umsatzsteuern nicht oder nicht in voller Höhe angefallen sein könnten und zwar möglicherweise schon deshalb nicht, weil es sich um Auslandsproduktionen handelte, jedenfalls aber, da die Leistung zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung eventuell nicht oder nicht vollständig erbracht war. In diese Überlegungen war auch der Angeklagte einbezogen. Die Buchhaltung informierte er darüber nicht, sodass weiterhin Rechnungen über Produktionskosten unter Ausweis der Umsatzsteuer an die Fondgesellschaften erstellt wurden , so auch im Jahre 2000.
14
Dabei handelte es sich um eine Rechnung vom 29. September 2000 und fünf Rechnungen vom 29. Dezember 2000 über einen Nettobetrag von insgesamt 184.905.000 DM zuzüglich 29.584.799,97 DM Umsatzsteuer. Aus zumindest vier dieser Rechnungen machten die Fondgesellschaften zeitnah Vorsteuern über insgesamt 15.924.000 DM geltend. 8.142.721,38 - dann schon - Euro erkannte das Finanzamt nach einer Umsatzsteuersonderprüfung bei den Fonds an. Davon wurden 2.758.341 € aufgrund einer Vereinbarung zwischen den be- teiligten Unternehmen mit Steuerschulden der E. AG verrechnet. 4.952.280,98 € wurden bis zum 19. Februar 2002 an die Fonds überwiesen. Davon wurden jedenfalls3.067.751,30 € am 20. Februar 2002 an die I. AG weitergeleitet.
15
Die im Jahre 2000 den Fonds in Rechnung gestellte Umsatzsteuer erklärte der Angeklagte - für die I. AG handelnd - nicht und führte sie auch nicht ab. Er gab überhaupt keine Umsatzsteuererklärung und auch keine Vor-anmeldungen für das Jahr 2000 ab. Deshalb blieben auch die Umsatzsteuern (ermäßigter Steuersatz) aus weiteren 689.783 DM unberücksichtigt. Hieraus folgt der Gesamthinterziehungsbetrag in Höhe von 29.728.541,85 DM (15.199.962,08 €). Hinsichtlich des Vorwurfs der Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen für das Jahr 2000 hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren mit Verfügung vom 25. Juni 2010 (EA Bd. II, Blatt 481) gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt.
16
Im September 2002 erging auf der Grundlage von Schätzungen ein Steuerbescheid hinsichtlich der Umsatzsteuer 2000. Die sofortige Vollziehung wurde nach Einspruchseinlegung am 18. Dezember 2002 ausgesetzt. Bereits im August 2002 war gegen den Angeklagten ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.
17
Am 5. August 2005 wurden für die I. AG bezüglich der Jahre 2000 bis 2002 Umsatzsteuerjahreserklärungen eingereicht. Sie enthielten auch die Hinterziehungsbeträge des Jahres 2000, obgleich im Juli 2005 die hier maßgeblichen Rechnungen der I. AG unter dem Datum 31. Dezember 2002 intern wieder ausgebucht worden waren. An die Fondsgesellschaften wurden diese Korrekturen aber nicht weitergeleitet. Ob für das Jahr 2000 noch Umsatzsteuern durch Verrechnung mit Guthaben beglichen wurden, teilen die Urteilsgründe nicht eindeutig mit.
18
3. Bei der Strafzumessung ist die Strafkammer vom Strafrahmen des § 370 Abs. 1 (Nr. 2) AO (in der Fassung vom 10. September 1998) ausgegangen. Die Voraussetzungen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in der seinerzeit gültigen Fassung hat das Gericht „nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen“ können. Zweifelsfrei habe der Angeklagte Steuern in großem Ausmaß hinterzogen. Die Tat sei auch auf die Erstattung von Vorsteuern angelegt ge- wesen. Es bestünden jedoch Zweifel, ob der Angeklagte im Sinne der damals geltenden Bestimmung aus grobem Eigennutz gehandelt hat. Das Landgericht hat zwar nicht übersehen, dass Vorsteuererstattungsbeträge, sei es durch Überweisung oder Verrechnung, in erheblichem Umfang der I. AG und insbesondere der E. AG, deren Alleinaktionär der Angeklagte war, zu Gute kamen. Nicht feststellen habe sie jedoch können, inwieweit der Angeklagte davon persönlich profitiert hat und ob Zahlungen aufgrund bereits bestehender Forderungen gegenüber den Fonds erfolgten.
19
Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass die Produktionskosten im Ausland nicht der deutschen Umsatzsteuer unterliegen. „Das Gericht hat des- halb bei der Strafzumessung nur den Schaden zugrunde gelegt, der aufgrund der Vorsteuererstattung an die Fonds (15.924.000 DM) entstanden ist. (Bei der Nennung von € an dieser Stelle - UA S. 32 - handelt es sich um ein offensichtli- ches Schreibversehen. Das folgt aus der eindeutigen Bezugnahme auf die erstatteten Beträge, deren Summe den genannten Betrag in DM ergibt. Außer- dem sind 15,9 Millionen € mehr als der tatbestandlich festgestellte Gesamtsteuerschaden in Höhe von 15,19 Millionen €).
20
Strafmildernd habe sich auch ausgewirkt, dass das Finanzamt bei der Geltendmachung der Vorsteuer durch die Filmfonds keine weiteren Nachweise zum Leistungszeitpunkt eingefordert habe.
21
Schließlich hat die Strafkammer dem Angeklagten die lange Verfahrensdauer zu Gute gehalten. Dabei könne jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die erhebliche Verfahrensdauer auch darauf zurückzuführen gewesen sei, dass der Angeklagte immer wieder Stellungnahmen habe ankündigen lassen, die dann nicht oder erheblich verspätet eingegangen seien. Entsprechend habe es sich mit der Wahrnehmung von Besprechungsterminen verhalten.

III.

22
Der Rechtsfolgenausspruch hat keinen Bestand.
23
Strafzumessung ist Sache des Tatgerichts. Sie ist revisionsrechtlich nur auf Rechtsfehler hin überprüfbar. Solche liegen hier jedoch vor.
24
1. Die Erwägungen zur Strafrahmenwahl weisen Lücken auf und enthalten Bewertungsfehler.
25
a) Bei der Prüfung der Frage, ob der Angeklagte - wie die frühere Fassung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO erforderte - aus grobem Eigennutz handelte , kann es bei dem Ausgangspunkt, nämlich inwieweit der Angeklagte überhaupt Nutznießer des durch Hinterziehung im großen Ausmaß entstandenen Steuervorteils war, letztlich keinen maßgeblichen Unterschied machen, ob die entsprechenden Beträge ihm direkt zu Gute kamen oder einem Unternehmen, dessen Alleinaktionär er war (E. AG) oder an dem er jedenfalls nicht völlig unerheblich als Aktionär beteiligt war (I. AG).
26
Die Strafkammer hat dazu weiter ausgeführt, sie habe nicht feststellen können, „ob die Zahlungen aufgrund bereits bestehender Forderungen gegen- über den Fonds erfolgte“. Da sie hierzu nichts hat feststellen können und auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Variante genannt hat, stellt sich die Frage, wie sie überhaupt zu entsprechenden Überlegungen gekommen ist. Sollte dies auf Vermutungen oder der Einlassung des Angeklagten beruhen, ist zu bemerken, dass entsprechenden Äußerungen ohne konkrete tatsächliche Hinweise nicht gefolgt werden muss, allein weil eine Behauptung nicht widerlegt werden kann. Der Tatrichter darf Angaben, für deren Richtigkeit er keine zureichenden Anhaltspunkte hat, nicht ohne weiteres als unwiderlegt hinnehmen und seiner Entscheidung zu Grunde legen, nur weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Tatsachen gibt (BVerfG, Beschluss vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06). Außerdem hätten, wenn auf bestehende Forderungen bezahlt worden sein sollte, Feststellungen dazu getroffen werden müssen, ob der entsprechende Fonds auch ohne die Steuererstattungsbeträge zur Zahlung in der Lage gewesen wäre. Das Ergebnis hätte in die Gesamtschau zum groben Eigennutz einbezogen werden müssen.
27
Ebenso hätte es der Erörterung bedurft, ob die E. AG auch ohne die Verrechnung in der Lage gewesen wäre, die Steuerforderung zu begleichen.
28
Es hätte sich der Strafkammer zudem der Gedanke aufdrängen und sie hätte sich damit auseinandersetzen müssen, ob nicht sowohl die I. AG, als auch die E. AG möglicherweise nur mit Hilfe der ihnen zugeflossenen Erstattungsbeträge liquide blieben. Die I. AG wurde 2006 insolvent. Die Strafkammer hat zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass ihm die Rettung der AG nicht gelang. Der Angeklagte wurde in diesem Zusammenhang wegen Insolvenzverschleppung verurteilt. Wann dieses Unternehmen in die Krise kam, etwa schon 2001/2002, hat das Landgericht nicht mitgeteilt. Über das Schicksal der E. AG ist den Urteilsgründen nichts zu entnehmen. Da der Angeklagte aber 2006 die eidesstattliche Versicherung für sich persönlich abgeben musste, dürfte zu diesem Zeitpunkt auch die E. AG nicht mehr aktiv und wertlos gewesen sein. Der Angeklagte könnte in den Jahren zuvor ein massives Interesse daran gehabt haben, die Unternehmen möglichst lange am Leben zu erhalten , da sie seine Existenzgrundlage darstellten. Wenn dies nur - oder überwiegend - mit den Steuererstattungsbeträgen zu bewerkstelligen war, muss auch dieser gewichtige Gesichtspunkt in die Bewertung, ob der Angeklagte aus grobem Eigennutz handelte, mit einbezogen werden.
29
b) Die Strafkammer hätte sich - bei Nichtfeststellung des groben Eigennutzes als der zur Tatzeit neben einer Steuerverkürzung in großem Ausmaß erforderlichen Voraussetzung des Regelbeispiels des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in der damals geltenden Fassung - angesichts der Höhe des Hinterziehungsbetrags damit auseinandersetzen müssen, ob nicht jedenfalls ein unbenannter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung zu bejahen ist. Ein Fall ist dann besonders schwer, wenn er sich bei einer im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung aller Zumessungstatsachen nach dem Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle so weit abhebt, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist (Jäger in Klein, AO, 11. Aufl., § 370 Rn. 276 mwN). Bei der Zumessung einer Strafe wegen Steuerhinterziehung hat das von § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB vorgegebene Kriterium der "verschuldeten Auswirkungen der Tat" dann besonderes Gewicht. "Auswirkungen der Tat" sind insbesondere die Folgen für das durch die Strafnorm geschützte Rechtsgut. Das durch § 370 AO geschützte Rechtsgut ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d.h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens. Deshalb ist die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsumstand i.S.d. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, Rn. 21, BGHSt 53, 71, 80 mwN). Bei sehr hohen Hinterziehungsbeträgen liegt deshalb ein besonders schwerer Fall jedenfalls nicht fern, auch wenn ein Regelbeispiel nach der zur Tatzeit geltenden Fassung des § 370 AO nicht gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2008 - 1 StR 323/08, Rn. 22, NStZ 2009, 159).
30
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei umfassender Würdigung aufgrund der erforderlichen Feststellungen bei der Strafrahmenwahl zu einem anderen Ergebnis, nämlich zur Anwendung des erhöhten Strafrahmens gekommen wäre.
31
2. Die Strafkammer hat ihren Strafzumessungserwägungen im Übrigen einen zu geringen Schadens- und damit Schuldumfang zugrunde gelegt. Insoweit verweist sie ausdrücklich - allein - auf die Erstattungsbeträge in Höhe von 15,9 Millionen DM. Das Landgericht übersieht zwar nicht, dass die Umsatzsteuerschuld auch bei unrichtigem Steuerausweis mit der Rechnungsstellung unter Umsatzsteuerausweis entsteht (§ 14 Abs. 2 UStG aF, heute § 14c UStG). Wird die Umsatzsteuer dann nicht erklärt, ist das Steuerhinterziehung, wie die Strafkammer ebenfalls im Grundsatz nicht verkennt. Sie hat die tatbestandliche Steuerhinterziehung auch insoweit festgestellt. Dann ist aber auch der gesamte Hinterziehungsbetrag in die Erwägungen zur Strafzumessung einzubeziehen. Dies sind hier 29,7 Millionen DM. Zwar kommt den erstatteten Beträgen (umgangssprachlich ein - hier tiefer - „Griff in die Staatskasse“) besonderes Gewicht zu. Aber die darüber hinaus hinterzogenen Steuern - hier immerhin in Höhe von weiteren 13,8 Millionen DM - können bei der Rechtsfolgenentscheidung nicht einfach außer Betracht gelassen werden.
32
Die Nichtbeachtung der aus § 14 Abs. 2 UStG aF (heute § 14c UStG) erwachsenden Steuerpflicht durch einen Steuerpflichtigen stellt nicht nur einen Formalverstoß dar. Der Hintergrund ist, dass derartige Rechnungen regelmäßig , wie auch hier, in die Umsatzsteuervoranmeldungen und -erklärungen der Rechnungsempfänger als Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) eingehen und zur Minderung von deren Steuerlast oder gar zu Erstattungen führen können. Die Finanzbehörde erkannte im vorliegenden Fall nach einer Umsatzsteuersonderprüfung bei den Fonds die Erstattungsfähigkeit der gesamten geltend gemachten Vorsteuern auch an. Weshalb es über die ausbezahlten bzw. verrechneten 15,9 Millionen DM hinaus zu keinen weiteren Erstattungen mehr kam, teilen die Urteilsgründe nicht mit. Mitte des Jahres 2002 setzten allerdings schon die steuerstrafrechtlichen Ermittlungen ein.
33
3. Es ist hier nicht angezeigt, der Finanzbehörde ein Mitverschulden an der Erstattung der geltend gemachten Vorsteuer anzulasten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 StR 275/10, Rn. 29 f, wistra 2011, 186, Anm. Meyberg PStR 2011, 58). Die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug sind durch Belege nachzuweisen (UStR Abschnitt 202, Aufzeichnung und Belege , Abs. 1 Satz 1). Das Finanzamt hat bei den Fonds geprüft und Rechnungen einer existenten und aktiven inländischen Aktiengesellschaft vorgefunden, die Umsatzsteuer ausweisen. Es ist nicht Sache der Finanzbehörde, die materielle Berechtigung einer Rechnungsstellung zu überprüfen. Das Steuerrecht und die Finanzverwaltung dürfen - und sind gehalten -, gerade bei Anmeldungssteuern, wie der Umsatzsteuer, zunächst von zutreffenden Angaben der Steuerpflichtigen auszugehen. Die Rechnungen wiesen keine formellen Mängel auf und gaben auch keinerlei Hinweis darauf, dass die Leistungen noch nicht oder nicht vollständig erbracht wurden. Soweit Produktionskosten in drei der Rechnungen nur anteilig (z.B. 31 % oder 70 %) in Ansatz gebracht wurden, entsprach dies dem Anteil („Beteiligung“) des jeweiligen Fonds an der abgerechneten Filmpro- duktion. Sollten allerdings die Leistungen, deren Bezahlung mit den Rechnungen geltend gemacht wurden, tatsächlich nicht erbracht worden sein, könnte sich die Überlegung aufdrängen, dass es sich insoweit sogar nur um Scheinrechnungen handelte, um unberechtigt Vorsteuererstattungen zu erlangen.
34
Allein schon der bei der Strafzumessung zu berücksichtigende erheblich größere Schuldumfang führt dazu, dass der Strafausspruch keinen Bestand haben kann. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafkammer, wenn sie bei der Festsetzung der Rechtsfolge den gesamten Hinterziehungsumfang im Blick gehabt hätte, auf eine höhere Strafe erkannt hätte.
35
4. Zu den Rechtsfehlern bei der Kompensation verweist der Senat auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 30. Mai 2012 und zur Beur- teilung der Verfahrensdauer in Wirtschaftsstrafsachen auf den Beschluss des Senats vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07, Rn. 23 ff. (BGHR StPO § 213 Terminierung 1).
36
5. Der Rechtsfolgenausspruch bedarf nach allem neuer Verhandlung und Entscheidung. Die bisher hierzu getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben, da insoweit lediglich Wertungsfehler vorliegen. Ergänzende Feststellungen sind möglich und auch geboten. Sie dürfen nicht im Widerspruch zu den bisherigen stehen.
37
6. Die nunmehr zur Verhandlung berufene Strafkammer wird auch ergänzende Feststellungen zur eventuellen Erledigung der Strafe aus der Verurteilung des Angeklagten wegen Insolvenzverschleppung zu treffen haben. In den Urteilsgründen wird bislang nur mitgeteilt, dass die Verurteilung nach dem Geschehen, das Gegenstand dieses Verfahrens ist, erfolgte. Dann sind die seinerzeit verhängte Freiheitsstrafe von zehn Monaten zur Bewährung und die in diesem Verfahren auszusprechende Strafe aber grundsätzlich gesamtstrafenfähig. Wahrscheinlich unterblieb die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB, da die zehnmonatige Freiheitsstrafe nach Ablauf der Bewährungszeit bereits erlassen wurde. Zu überprüfen vermag der Senat dies jedoch nicht. Ob und ggf. wann die Erledigung der Strafe eintrat, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Auch können aus dem Urteilszeitpunkt und der Bewährungszeit keine Rückschlüsse gezogen werden, da auch diese Informationen fehlen.
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 525/11
vom
7. Februar 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
______________________
Zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung „in Millionenhöhe“
(Fortführung von BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR
416/08, BGHSt 53, 71).
BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11 - LG Augsburg
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Februar
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin - in der Verhandlung -
als Verteidigerin des Angeklagten,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 8. April 2011 im gesamten Strafausspruch aufgehoben, soweit es den Angeklagten G. betrifft. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf den Strafausspruch beschränkten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft sachlich-rechtliche Fehler bei der Strafzumessung zum Vorteil des Angeklagten. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Den Urteilsfeststellungen liegen zwei Taten zugrunde: Die Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 2002 und von Lohnsteuer für den Mo- nat Oktober 2006. Zum Tatgeschehen hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
3
a) Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 2002
4
Der Angeklagte war im Jahr 2001 Gesellschafter und Geschäftsführer der von ihm mitgegründeten P. (im Folgenden: P. GmbH). Am Stammkapital der Gesellschaft war der Angeklagte mit 25% beteiligt. DieP. GmbH hielt wiederum 49% der Anteile der P B. GmbH.
5
Die Geschäftsanteile an beiden Gesellschaften veräußerte der Angeklagte in den Jahren 2001 und 2002 für einen Kaufpreis von 80 Mio. DM an die in Luxemburg ansässige T. AG, wobei die Anteile auf deren Veranlassung auf zwei andere in Luxemburg und in der Schweiz ansässige Aktiengesellschaften übertragen wurden. Aus diesem Veräußerungsgeschäft erhielt der Angeklagte von der T. AG und von Mitgesellschaftern der P. GmbH im Jahr 2002 folgende Zuwendungen: Für seine eigenen Gesellschaftsanteile erhielt er von der T. AG einen Kaufpreis von 28,8 Mio. DM. Daneben zahlten ihm zwei Mitgesellschafter der P. GmbH je 300.000 DM als „Auskehrung Kaufpreis“. Zusätzlich zum Kaufpreis wurden ihm vom „verantwortlichen“ Gesellschafter der T. AG Aktien dieser Ge- sellschaft im Wert von 7,2 Mio. DM als Gegenleistung dafür zugewendet, dass er der T. AG den Kauf auch der übrigen Gesellschaftsanteile der P. GmbH sowie der P. B. GmbH ermöglicht hatte; diese Gegenleistung liegt der ersten Tat zugrunde.
6
Um „in den Vorzugder Versteuerung nach dem Halbeinkünfteverfahren zu gelangen“, bezeichneteder Angeklagte im Februar 2004 in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2002 das ihm zugewendete Aktienpaket der T. AG als weiteres Kaufpreiselement für die Veräußerung der Geschäftsanteile neben dem „eigentlichen“ Veräußerungserlös und den Zuwendungen der Mitgesellschafter. Dabei unterließ er es bewusst, dem Finanzamt die der Übertragung des Aktienpakets zugrunde liegende Vereinbarung vom 24. Januar 2001 über die „Zahlung“ von 7,2 Mio. DM vorzulegen, um die Fi- nanzbehörden hierüber in Unkenntnis zu lassen. Die unrichtige Bezeichnung der Einkünfte als Teil des Veräußerungserlöses hatte zur Folge, dass auch diese Einkünfte (gemäß § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG aF i.V.m. § 17 Abs. 2 EStG) dem damals geltenden Halbeinkünfteverfahren unterworfen wurden. Tatsächlich handelte es sich bei der Übertragung der Aktien aber nicht um einen Veräußerungserlös gemäß § 17 EStG, sondern um Provisionszahlungen, die als Einkünfte aus sonstigen Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG in vollem Umfang zu versteuern gewesen wären. Aufgrund der unrichtigen Qualifizierung der Einkünfte als Veräußerungserlöse wurde die Einkommensteuer in dem im April 2004 erlassenen Einkommensteuerbescheid 2002 um einen Betrag von 892.715 € zu niedrig festgesetzt, der hierdurch verkürzt wurde.
7
b) Hinterziehung von Lohnsteuer für den Monat Oktober 2006
8
Auch nach der Veräußerung seiner Geschäftsanteile war der Angeklagte noch im Jahr 2006 Geschäftsführer der P. GmbH. Ihm standen aus seinem Geschäftsführeranstellungsvertrag Tantiemenzahlungen zu. Diese Zahlungen hatte er in die Lohnsteueranmeldungen gemäß § 41a Abs. 1 Nr. 1 EStG aufzunehmen, für deren Richtigkeit er als Geschäftsführer verantwortlich war.
9
Um der P. GmbH Lohnsteuer und sich selbst später Einkom- mensteuer „zu ersparen“, kam der Angeklagte auf die Idee, die Auszahlung dieser Tantiemen nicht direkt an sich vorzunehmen, sondern als angebliche Schenkungen der Gesellschaft an seine Söhne bzw. seine Ehefrau „zu kaschie- ren“. Hierzu ließ er sich von seinem- hierfür mittlerweile wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilten - Steuerberater beraten. Dieser stellte dem Angeklagten eine Übersicht über Freibeträge und Steuersätze bei der Schenkungsteuer zur Verfügung, woraus sich der Angeklagte eine Steuerbelastung von nur etwa 21,9% errechnete.
10
In der Folgezeit verhandelte der Angeklagte mit Vertretern der neuen Gesellschafterin der P. GmbH, der R. AG mit Sitz in Luxemburg, über „gesplittete Zahlungen“ an seine Ehefrau und seine beiden Söhne im Gegenzug zur Abgabe einer formalen Verzichtserklärung im Hinblick auf die Tantiemenansprüche. Nach einem Hinweis, dass die Verzichtserklärung „auf Januar 2005 zurückdatiert werden müsse“, legte der Steuerberater eine unzutreffend auf Januar 2005 datierte Verzichtserklärung vor. Gleichzeitig machte er in Absprache mit dem Angeklagten die Gegenzeichnung der Verzichtserklärung davon abhängig, dass der Geldeingang an die Söhne bzw. die Ehefrau erfolgte. Tatsächlich wurde die Verzichtserklärung erst im November 2006 unterzeichnet. Bereits im Oktober 2006 erhielten die Söhne des Angeklagten von der R. AG vereinbarungsgemäß Überweisungen von jeweils 260.000 € und die Ehefrau des Angeklagten eine solche in Höhe von 53.500 €. Sowohl die Söhne als auch die Ehefrau erklärten die ihnen zu- gewendeten Beträge als Schenkungen der R. AG, für die - später berichtigte - Schenkungsteuer von insgesamt 125.356 € entrichtet wurde.
11
Demgegenüber unterließ der Angeklagte in der Lohnsteueranmeldung für den Monat Oktober 2006, die ihm zugewendeten Tantiemenzahlungen in Höhe von 573.500 € zu erklären. Hierdurch wurde – mit der Absicht einer Hinterziehung auf Dauer – Lohnsteuer in Höhe von 240.870 € verkürzt. Der steuerlich beratene Angeklagte wusste hierbei, dass die Verzichtserklärung und die Gestaltung der Tantiemenzahlungen über das Konstrukt von Schenkungen lediglich dazu dienten, die mit der Tantiemenzahlung verbundene Steuerbelastung zu verringern und Steuern in entsprechender Höhe zu hinterziehen.
12
2. Das Landgericht hat gegen den geständigen Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen Einzelstrafen von einem Jahr und neun Monaten (Einkommensteuerhinterziehung 2002) sowie von zehn Monaten (Lohnsteuerhinterziehung Oktober 2006) verhängt und hieraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren festgesetzt, die es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zudem hat es eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt, weil der Anspruch des Angeklagten auf Behandlung der Strafsache binnen angemessener Frist aus Art. 6 Abs.1 MRK dadurch verletzt worden sei, dass das Verfahren nach Eingang der Anklage und schriftlicher Stellungnahme des Angeklagten im Zeitraum zwischen November 2009 und Anfang Januar 2011 nicht gefördert worden sei.
13
Das Landgericht hat in beiden Fällen einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung angenommen, weil mit Verkürzungsbeträgen von 892.715 € und 240.870 € jeweils im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO Steuern in großem Ausmaß verkürzt worden seien, und hat deshalb die Einzelstrafen jeweils dem erhöhten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe entnommen.
14
Im Rahmen der Zumessung der Einzelstrafen hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten die hohen Steuerschäden und im Fall der Lohnsteuerhinterziehung die Vertuschung durch eine falsch datierte Verzichtserklärung gewertet. Zu seinen Gunsten hat es sein Geständnis, die von ihm ausgesprochene Entschuldigung, die vollständige Schadenswiedergutmachung, vorhandene psychische Belastungen des Angeklagten einschließlich der ihn belasten- den Verfahrensdauer von dreieinhalb Jahren und den Umstand berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist. Bei der Einkommensteuerhinterziehung hat das Landgericht darüber hinaus strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte „durch einen Steuerberater begleitet wurde und insofern nur von bedingtem Vorsatz auszugehen“ sei. Zu Gunsten des Angeklagten hat die Strafkammer auch gewertet, dass er die erhaltene Provision der steuerlichen Veranlagung nicht gänzlich entzogen hat und sie sich nicht geheim (z.B. im Ausland) hat auszahlen lassen. Bei der Lohnsteuerhinterziehung hat sie zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass die geleisteten Zahlungen bei seinen Angehörigen der Schenkungsteuer unterworfen wurden.
15
Bei der Gesamtstrafenbildung hat das Landgericht insbesondere die „deutlich erkennbare Reue“ des Angeklagtenund den Umstand berücksichtigt, dass er durch das Verfahren „weit überdurchschnittlich beeindruckt und beeinflusst“ gewesen sei. Die „trotz des fehlenden zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs“ noch verhängte Bewährungsstrafe begründet das Landgerichtdamit , „dass eine höhere als die erkannte Gesamtfreiheitstrafe bei positiver Aus- setzungsprognose nicht mehr hätte ausgesetzt werden können“.

II.

16
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
17
Allerdings ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320 mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verlet- zung des Gesetzes“ (§ 337 Abs. 1StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGH, GS, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; BGH, Urteil vom 12. Januar 2005 – 5 StR 301/04).
18
Solche Rechtsfehler liegen hier indes vor; sowohl die Einzelfreiheitsstrafen als auch die Gesamtfreiheitsstrafe können keinen Bestand haben. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen können demgegenüber bestehen bleiben , da hier lediglich Wertungsfehler vorliegen.
19
1. Das Landgericht hat bereits bei der Zumessung der Einzelstrafen unzutreffende Maßstäbe angelegt; auch unter Zugrundelegung des dargelegten eingeschränkten Prüfungsmaßstabes halten die Einzelstrafaussprüche daher rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
20
a) Soweit das Landgericht hinsichtlich der Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 2002 (der ersten Tat) zugunsten des Angeklagten gewertet hat, dass er seine Vermittlungsprovision der steuerlichen Veranlagung nicht gänzlich entzogen und sie sich nicht geheim (z.B. im Ausland) hat auszahlen lassen, zeigt es keinen Strafmilderungsgrund auf. Wäre der Angeklagte so wie vom Landgericht beschrieben vorgegangen, wäre der Steuerschaden deutlich höher gewesen. Bei der Bemessung der Strafe, der das Landgericht zutref- fend nur den tatsächlich angerichteten Steuerschaden zugrunde gelegt hat, kann nicht strafmildernd berücksichtigt werden, dass nicht mit noch höherer krimineller Energie ein noch höherer Schaden angerichtet wurde.
21
Die strafmildernde Wertung, der Angeklagte habe lediglich mit bedingtem Tatvorsatz gehandelt, steht - unbeschadet der Frage der generellen Eignung der Vorsatzform für die Strafzumessung (vgl. hierzu Schäfer/Sander/van Gemmeren, 4. Aufl. Rn. 338) - im Widerspruch mit den Urteilsfeststellungen. Aus diesen ergibt sich, dass der Angeklagte mit der Angabe, es handele sich bei den Zahlungen um einen Teil des Veräußerungserlöses, dem Finanzamt bewusst einen unrichtigen Grund für die Übertragung des Aktienpaketes an ihn genannt hat, um in den Genuss des Halbeinkünfteverfahrens als für ihn steuerlich vorteilhafte Regelung zu gelangen, die auf Provisionen nicht anwendbar war. Sein Handeln zielte also darauf ab, die Provision in Höhe von 7,2 Mio. DM nur zur Hälfte der Besteuerung zu unterwerfen. Damit belegen die Urteilsgründe , dass der Angeklagte mit Hinterziehungsabsicht (dolus directus 1. Grades) handelte.
22
b) Es liegt nahe, dass bereits die aufgezeigten Mängel bei der Zumessung der Einzelstrafe für die Einkommensteuerhinterziehung auch die Aufhebung der weiteren Einzelstrafe für die Tat der Lohnsteuerhinterziehung bedingen.
23
Bei Tatmehrheit kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Aufhebung eines Einzelstrafausspruchs dann zur Aufhebung weiterer, für sich genommen sogar rechtsfehlerfreier Strafaussprüche führen, wenn nicht auszuschließen ist, dass diese durch den Rechtsfehler im Ergebnis beeinflusst sind (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 1995 – 1 StR 117/95 mwN). Dies kann insbesondere dann zu bejahen sein, wenn es sich bei der rechtsfehlerhaft festgesetzten Einzelstrafe um die höchste Einzelstrafe (sog. Einsatzstrafe) handelt oder wenn die abgeurteilten Taten in einem engen inneren Zusammenhang stehen. Die rechtsfehlerhaft festgesetzte Strafe für die Einkommensteuerhinterziehung ist wesentlich höher als diejenige für die Lohnsteuerhinterziehung. Für einen inneren Zusammenhang der Taten spricht, dass sie demselben Motiv entsprangen und jeweils Einkünfte betrafen, die der Angeklagte im Rahmen seiner Tätigkeit bei der P. GmbH erzielt hatte.
24
c) Unabhängig davon ist die Strafe für die (zweite) Tat der Lohnsteuerhinterziehung aber auch für sich genommen nicht rechtsfehlerfrei zugemessen. Der Angeklagte hat nicht nur seinen Steuerberater zur „Steuerhinterziehungsberatung“ veranlasst, sondern auchseine Angehörigen als Empfänger von Zu- wendungen der P. GmbH vorgeschoben. Dies deutet darauf hin, dass der Angeklagte andere - sei es auch in unterschiedlicher Form - in seine Straftat hineingezogen hat; seinen Steuerberater hat er sogar in die Tatbegehung verstrickt. Diesen gewichtigen Gesichtspunkt hat das Landgericht nicht erkennbar erwogen; insbesondere ist er in der im Zusammenhang mit den Angehörigen allein angestellten Erwägung, dass bei diesen die „kaschierten“ Tantiemenzahlungen der Schenkungsteuer unterworfen wurden, nicht enthalten.
25
2. Mit der Aufhebung der Einzelstrafen entfällt auch die Grundlage für die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Diese hält zudem schon deswegen revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand, weil sie sich angesichts der vom Landgericht festgestellten Umstände nach unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Das Landgericht hat die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Hinterziehung in Millionenhöhe geltenden Maßstäbe für die Strafzumessung nicht zutreffend angewandt.
26
a) Für die Strafzumessung in Fällen der Steuerhinterziehung in großem Ausmaß gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Folgendes:
27
Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung sieht in § 370 Abs. 3 Satz 1 AO für besonders schwere Fälle einen erhöhten Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vor. Ein besonders schwerer Fall liegt gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in der Regel vor, wenn der Täter in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Vorteile erlangt. In Fällen, in denen – wie hier – noch die vorherige Gesetzesfassung dieser Vorschrift Anwendung findet, weil die Tat vor dem 1. Januar 2008 begangen wurde , ist das Regelbeispiel nur dann erfüllt, wenn der Täter zudem aus grobem Eigennutz gehandelt hat.
28
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die der Senat seit der Grundsatzentscheidung vom 2. Dezember 2008 (im Verfahren 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 84 ff.) mehrfach bestätigt und fortgeschrieben hat (vgl. zusammenfassend BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 – 1 StR 579/11), ist das nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Merkmal des Regelbei- spiels „in großem Ausmaß“ dann erfüllt, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 € übersteigt. Beschränkt sich das Verhalten des Täters darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, liegt die Wertgrenze zum „großen Ausmaß“ bei 100.000 € (BGHSt 53, 71, 85).
29
Der in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung ist bei besonders hohen Hinterziehungsbeträgen dadurch Rechnung zu tragen, dass bei einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag die Verhängung einer Geldstrafe nur bei Vorliegen von gewichtigen Milderungsgründen noch schuldangemessen sein kann. Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht (BGHSt 53, 71, 86 mwN).
30
b) Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in den Beratungen zu dem am 3. Mai 2011 (BGBl. I, 676) in Kraft getretenen Schwarzgeldbekämpfungsgesetz aufgegriffen. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages heißt es dazu unter Bezugnahme auf das in BGHSt 53, 71 abgedruckte Senatsurteil (BT-Drucks. 17/5067 neu, S. 18): „Bei den Beratungen der geplanten Maßnahmen zur Verhinderung der Steuerhinterziehung waren sich alle Fraktionen in der Bewertung einig, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt sei und entsprechend bekämpft werden müsse. Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP haben dabei betont, … Eine Aussetzung der Freiheitsstrafe auf Bewährung bei Hinterzie- hung in Millionenhöhe sei nach einer Entscheidung des BGH nicht mehr mög- lich.“ Damit hat der Gesetzgeber diese Rechtsprechung gebilligt (vgl. dazube- reits BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 – 1 StR 116/11 Rn. 14, wistra 2011,

347).

31
c) Nach diesen Maßstäben stellt die vom Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren keinen gerechten Schuldausgleich mehr dar. Sie kann daher keinen Bestand haben.
32
aa) Zwar trifft die Feststellung des Landgerichts zu, dass sich im Rah- men der Gesamtstrafenbildung eine „schematische Betrachtung“ verbietet. Dies bedeutet aber nicht, dass das Tatgericht die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Strafzumessungsmaßstäben zusammengefassten Wertungen des Gesetzgebers übergehen dürfte, wenn sich damit nicht die vom Tatgericht für angemessen erachtete Strafe begründen lässt.
33
Das Tatgericht hat zwar bei der Strafzumessung einen Spielraum für die Festsetzung der schuldangemessenen Strafe. Ob es dabei von zutreffenden Maßstäben ausgegangen ist, obliegt aber der uneingeschränkten Rechtsüberprüfung durch das Revisionsgericht. In Fällen der Steuerhinterziehung in Millionenhöhe , bei denen das Tatgericht – wie hier – gleichwohl keine höhere Freiheitsstrafe als zwei Jahre verhängt hat, prüft das Revisionsgericht daher auch, ob die hierfür vom Tatgericht angeführten schuldmindernden Umstände solche von besonderem Gewicht sind.
34
bb) Milderungsgründe von besonderem Gewicht hat das Landgericht nicht genannt; ihr Vorliegen ergibt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe.
35
(1) Zwar durfte das Landgericht der Unbestraftheit des Angeklagten, seiner Entschuldigung, der Verfahrensdauer und den psychischen Belastungen , denen der Angeklagte angesichts einer drohenden Haftstrafe ausgesetzt war, strafmildernde Bedeutung beimessen. Auch stellen – ungeachtet der hier bestehenden Beweislage – das in der Hauptverhandlung abgelegte Geständnis sowie die vollständige Nachzahlung der von dem Angeklagten hinterzogenen Steuern bestimmende Strafmilderungsgründe dar.
36
(2) Allerdings sind diese Umstände hier keine besonders gewichtigen Milderungsgründe. Dies gilt auch für die Nachzahlung der geschuldeten und hinterzogenen Steuern. Durch die Nachentrichtung hat der Angeklagte diejenigen Steuern abgeführt, die von ihm nach dem Gesetz geschuldet waren und zu deren Zahlung er auch als ehrlicher Steuerpflichtiger ohnehin verpflichtet gewesen wäre. Das Gewicht dieser Schadenswiedergutmachung verliert hier dadurch an Gewicht, dass der Angeklagte diese angesichts seiner komfortablen Vermögensverhältnisse ohne erkennbare Einbuße seiner Lebensführung erbringen konnte. Hinzu kommt, dass sie – unbeschadet der naheliegenden Vollstreckungsmöglichkeiten der Finanzbehörden – offensichtlich keinen besonderen persönlichen Verzicht darstellte.
37
Die Gesamtverfahrensdauer von dreieinhalb Jahren bis zum erstinstanzlichen Urteil ist in einer Wirtschaftsstrafsache wie der hier vorliegenden ebenfalls regelmäßig kein besonders gewichtiger Milderungsgrund. Soweit das Landgericht auf die „erheblichen psychischen Belastungen“ angesichts einer drohenden Haftstrafe abstellt, die sich in einer „sehr angespannten emotionalen Verfassung des Angeklagten“ ausgedrückt habe, kommen darin keine beson- deren Umstände zum Ausdruck, die sich wesentlich von der Situation unterscheiden , in der sich jeder Beschuldigte befindet, dem eine nicht mehr zur Bewährung aussetzbare Freiheitsstrafe droht.
38
cc) Den festgestellten Milderungsgründen stehen zudem gewichtige Strafschärfungsgründe gegenüber.
39
Der Angeklagte täuschte die Finanzverwaltung in zwei Fällen durch falschen Tatsachenvortrag bewusst, ohne dass die eine Tat auf der anderen aufgebaut hätte oder deren Folge gewesen wäre. Bei der zweiten Tat verwendete er dabei ein nicht nur - worauf die Strafkammer abstellt - rückdatiertes, sondern insbesondere auch inhaltlich unrichtiges Schriftstück, das der Steuerberater eigens für die Verschleierungszwecke des Angeklagten erstellt hatte.
40
3. Das Landgericht hat darüber hinaus die Zumessung der Strafhöhe unzulässig mit Erwägungen zur Strafaussetzung zur Bewährung vermengt. Dies verstößt gegen die Grundsätze der Strafzumessung.
41
a) Der Tatrichter hat zunächst die schuldangemessene Strafe zu finden; erst wenn sich ergibt, dass die der Schuld entsprechende Strafe innerhalb der Grenzen des § 56 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB liegt, ist Raum für die Prüfung, ob auch die sonstigen Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung gegeben sind (BGH, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 321; BGH, Urteil vom 24. August 1983 – 3 StR 89/83, BGHSt 32, 60, 65).
42
Zwar begründet der Umstand, dass die Frage der Aussetzbarkeit der Strafvollstreckung bei der Findung schuldangemessener Sanktionen mitberücksichtigt worden ist, für sich allein noch keinen durchgreifenden Rechtsfehler (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2001 – 4 StR 363/01, wistra 2002, 137). Denn das Gericht hat auch die Wirkungen, die von einer Strafe ausgehen, in den Blick zu nehmen (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB). Liegt daher die - schuldangemessene - Strafe in einem Spielraum, in dem grundsätzlich noch eine aussetzungsfähige Strafe in Betracht kommt, dürfen bereits bei der Strafzumessung die Wirkungen einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe berücksichtigt werden (sog. Spielraumtheorie; vgl. dazu nur BGH, Urteil vom 10. November 1954 – 5 StR 476/54, BGHSt 7, 28, 32 sowie Schäfer /Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl. Rn. 461 ff. mwN).
43
Rechtsfehlerhaft sind solche Erwägungen bei der Strafzumessung aber dann, wenn - wie hier - eine zur Bewährung aussetzungsfähige Strafe nicht mehr innerhalb des Spielraums für eine schuldangemessene Strafe liegt. Denn die Grenzen dieses Spielraums dürfen nicht überschritten werden. Von ihrer Bestimmung als gerechter Schuldausgleich darf sich die Strafe weder nach oben noch nach unten lösen (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1954 – 5 StR 476/54, BGHSt 7, 28, 32; BGH, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320). Das Gericht darf auch nicht deshalb eine nicht mehr schuldangemessene Strafe festsetzen, um den Täter noch eine Strafaussetzung zu ermöglichen. Ebenso wenig wie die Anordnung einer Maßregel zur Unterschreitung der schuldangemessenen Strafe führen darf, darf das Bestreben, dem Täter die Rechtswohltat der Strafaussetzung zur Bewährung zu verschaffen , dazu führen, dass die Strafe das Schuldmaß unterschreitet (BGH, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 321 f.).
44
b) So verhält es sich aber hier. Das Landgericht hat eine zur Bewährung aussetzungsfähige Gesamtstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe gerade des- halb verhängt, weil „eine höhereals die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe bei po- sitiver Aussetzungsprognose nicht mehr zur Bewährung hätte ausgesetzt wer- den können“.
45
Das Landgericht hat damit Gesichtspunkte im Sinne der Findung einer schuldangemessenen Strafe mit solchen der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 Abs. 1 und Abs. 2 StGB) unzulässig vermengt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 1992 – 4 StR 154/92, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 29; Urteil vom 14. Juli 1993 – 3 StR 251/93, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 19; Urteil vom 19. Dezember 2000 – 5 StR 490/00, NStZ 2001, 311; Urteil vom 13. Mai 2004 - 5 StR 73/03, NJW 2004, 2248, 2254 f.; Urteil vom 5. April 2007 – 4 StR 5/07, wistra 2007, 341; Beschluss vom 19. August 2008 – 5 StR 244/08, NStZ-RR 2008, 369). Es ist dabei auch zu besorgen, dass das Landgericht nicht nur die Bemessung der Gesamtstrafe, sondern auch bereits der Einzelstrafen so vorgenommen hat, dass die Vollstreckung noch zur Bewährung ausgesetzt werden konnte. Bei der für die zweite Tat verhängten Einzelstrafe wird dies schon daraus deutlich, dass das Landgericht für diese Wiederholungstat , eine Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall, für die ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren eröffnet war (§ 370 Abs. 3 Satz 1 AO), lediglich eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten verhängt hat, obwohl es selbst die bei dieser Tat mittels der Verzichtserklärung begangene Vertuschung strafschärfend berücksichtigt hat.
46
4. Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob im vorliegenden Fall die Aussetzung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung schon deshalb nicht mehr in Betracht gekommen wäre, weil die Verteidigung der Rechtsordnung deren Vollstreckung geboten hätte (vgl. § 56 Abs. 3 StGB). Der Senat sieht jedoch Anlass, nochmals darauf hinzuweisen, dass es bei Steuerhinterziehungen beträchtlichen Umfangs von Gewicht ist, die Rechtstreue der Bevölkerung auch auf dem Gebiet des Steuerrechts zu erhalten. Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe kann sich daher zur Verteidigung der Rechtsordnung als notwendig erweisen, wenn die Tat Ausdruck einer verbreiteten Einstellung ist, die eine durch einen erheblichen Unrechtsgehalt gekennzeichnete Norm nicht ernst nimmt und von vornherein auf die Strafaussetzung vertraut (BGH, Urteil vom 30. April 2009 – 1 StR 342/08, BGHSt 53, 311, 320 mwN).
47
5. Soweit das Landgericht festgestellt hat, dass das Recht des Angeklag- ten „auf Behandlung der Strafsache binnen angemessener Frist aus Art. 6 Abs. 1 MRK verletzt“ worden sei, ist dem Senat mangels erhobener Verfahrensrüge (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 1 StR 445/03, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 19, und BGH, Beschluss vom 13. Februar 2008 – 2 StR 356/07, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 36) eine Überprüfung verwehrt. Die Ausführungen des Landgerichts zum Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung geben dem Senat jedoch Anlass, erneut (vgl. bereits BGH, Beschluss vom 20. März 2008 – 1 StR 488/07, BGHR StPO § 213 Terminierung 1) auf die Besonderhei- ten beim Ablauf des gerichtlichen Verfahrens in Wirtschaftsstrafsachen hinzuweisen :
48
a) Die Annahme des Landgerichts, das Verfahren sei von November 2009 bis Anfang Januar 2011, also während des gesamten Zeitraums zwischen dem Eingang der Stellungnahme des Angeklagten nach Anklageerhebung und der Eröffnung des Hauptverfahrens und Terminierung der Hauptverhandlung rechtsstaatswidrig verzögert worden, ist nicht tragfähig.
49
Solches wäre allenfalls dann der Fall, wenn das Landgericht, wovon der Senat nicht ausgeht, die Eröffnung des Hauptverfahrens nur unzureichend vorbereitet hätte. Die zur sorgfältigen Vorbereitung und Terminierung – zumal einer Wirtschaftsstrafsache – erforderliche Zeit ist selbst dann nicht als Zeitraum einer (rechtsstaatswidrigen) Verfahrensverzögerung anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2008 – 1 StR 238/08, wistra 2009, 147), wenn nicht näher belegt ist, wie dieser Zeitraum vom Gericht genutzt wurde. Denn das gebotene gründliche Aktenstudium der Berufsrichter vor Eröffnung des Hauptverfahrens und Terminierung der Hauptverhandlung schlägt sich regelmäßig nicht in den Akten nieder (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2008 – 1 StR 488/07, BGHR StPO § 213 Terminierung 1). Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn – wie hier – dem Angeklagten vom Gericht eine Verständigung gemäß § 257c StPO über eine Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung und die Zahlung von einer Mio. € als Bewährungsauflage vorgeschlagen wird. Die – auch hier zutreffende – Erwartung, der Angeklagte werde einer solchen Verständigung zustimmen, kann die hinreichende Befassung mit dem Verfahrensstoff nicht ersetzen, selbst wenn – anders als hier – auch mit der Zustimmung der Staatsanwaltschaft zu rechnen ist.
50
b) Beim gerichtlichen Verfahren in Wirtschaftsstrafsachen bestehen Besonderheiten (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2008 – 1 StR 488/07, BGHR StPO § 213 Terminierung 1), die regelmäßig einen Vorrang der Gründlichkeit vor der Schnelligkeit gebieten:
51
Der Eingang einer Anklageschrift ist auch bei Wirtschaftsstrafkammern nicht vorhersehbar. Denn die Zuteilung an die einzelnen Strafkammern muss so erfolgen, dass auch nur der Eindruck der Möglichkeit einer Manipulation des gesetzlichen Richters ausgeschlossen ist. Jede Strafkammer ist dann – und sollte dies auch sein – zunächst mit anderen Sachen ausgelastet. Bei komplexen und umfangreichen Strafsachen ist es unter diesen Umständen nicht möglich , dass sich der Vorsitzende und der Berichterstatter sofort mit der neu eingegangenen Anklageschrift intensiv befassen. In aller Regel ist das dann nur parallel zu bereits laufenden – oder anstehenden – Verhandlungen möglich, die im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot bei vorausschauender, auch größere Zeiträume umfassender Hauptverhandlungsplanung (vgl. BVerfG - KammerBeschlüsse vom 19. September 2007 – 2 BvR 1847/07 – und vom 23. Januar 2008 – 2 BvR 2652/07) langfristig im Voraus zu terminieren waren. In diesem frühen Stadium des gerichtlichen Verfahrens ist ein Ausblenden anderweitiger Belastungen der Strafkammer bei der Prüfung, ob der Pflicht zur Erledigung des Verfahrens in angemessener Frist (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) genügt wurde , nicht möglich und deshalb auch nicht geboten.
52
Dem Zwischenverfahren kommt im Hinblick auf den Schutz des Angeklagten große Bedeutung zu. Zur Vorbereitung der Eröffnungsberatung bedarf es schon deshalb einer intensiven Einarbeitung des Vorsitzenden und des Berichterstatters in die Sache - parallel zur Förderung und Verhandlung anderer Verfahren. Diese Vorarbeit schlägt sich hinsichtlich des Umfangs naturgemäß nicht als verfahrensfördernd in den Akten nieder, wie auch andere Vorgänge der meist gedanklichen Auseinandersetzung mit dem Verfahrensstoff in der Regel nicht. Am Ende einer intensiven Vorbereitung und der Eröffnungsberatung steht häufig nur ein Eröffnungsbeschluss, der aus einem Satz besteht (BGH, Beschluss vom 20. März 2008 – 1 StR 488/07, BGHR StPO § 213 Terminierung

1).


III.

53
Durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, die gemäß § 301 StPO eine Urteilsaufhebung auch zugunsten des Angeklagten nach sich ziehen würden, sind nicht vorhanden. Zwar erwähnt das Landgericht bei der Strafzumessung das zu den Tatzeitpunkten für die Annahme des Regelbeispiels gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO aF jeweils noch erforderliche Handeln aus grobem Eigennutz nicht ausdrücklich. Bei dem vorliegenden Tatbild war dieses Merkmal aber erkennbar erfüllt. Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 103/12
vom
22. Mai 2012
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
1. Auch bei einer gewerbsmäßigen Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben
nach § 373 AO in Millionenhöhe kommt eine zwei Jahre nicht überschreitende Freiheitsstrafe
nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe in Betracht.
2. Sowohl beim Schmuggel nach § 373 AO wie auch bei der Steuerhinterziehung
nach § 370 AO ist es dabei ohne Bedeutung, ob die Millionengrenze durch eine einzelne
Tat oder erst durch mehrere gleichgelagerte Einzeltaten erreicht worden ist.
(Fortführung von BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71
und BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11).
BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 - 1 StR 103/12 - LG Hamburg
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gewerbsmäßigen Schmuggels u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Mai 2012,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwältin - beide in der Verhandlung -
als Verteidiger des Angeklagten J. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 1. November 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen gewerbsmäßigen Schmuggels in 32 Fällen und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Angeklagten J. hat es des gewerbsmäßigen Schmuggels in 32 Fällen schuldig gesprochen und ihn unter Auflösung einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren aus einem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. November 2010 und Einbeziehung der dieser zugrundeliegenden Einzelstrafen erneut zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es wiederum zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten, auf die Sachrüge gestützten und den Straf- ausspruch beschränkten Revisionen. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg und führen - bei unwirksamer Rechtsmittelbeschränkung - zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insgesamt.

I.

3
1. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lassen sich noch folgende Feststellungen entnehmen:
4
Die Angeklagten importierten „im bewussten und arbeitsteiligen Zusam- menwirken“ und „mit Unterstützung der gesondert Verfolgten Z. und L. “ sowie, um sich eine zusätzliche Einkommensquelle zu verschaffen, Mobiltelefone und MP-Player aus der Volksrepublik China nach Deutschland und veräußerten „diese Unterhaltungselektronik“ (UA S. 12) in Deutschland sodann über Inter- netplattformen. Bei der Einfuhr gestellten sie die elektronischen Geräte nicht, sondern meldeten lediglich Tarnware an und verkürzten dadurch Einfuhrumsatzsteuer und Zoll. Die auf die Veräußerung der Geräte anfallende Umsatzsteuer wurde ebenfalls nicht angemeldet.
5
a) Zum gewerbsmäßigen Schmuggel
6
In einem Fall im Februar 2009 sowie in 30 Fällen im Januar und Februar 2010 (Fälle 1 bis 31 der Urteilsgründe) führten die Angeklagten Mobiltelefone (nachgebaute IPhones) aus der Volksrepublik China per See- oder Luftfracht nach Deutschland ein, ohne die jeweils anfallende Einfuhrumsatzsteuer (in Hö- he von rund 205.000 €) zu entrichten. Die Mobiltelefone waren in funktionslose Netzteile verpackt und wurden beim Zoll entsprechend als Netzteile deklariert. Die Einfuhr erfolgte - mit Ausnahme eines den Februar 2009 betreffenden Falles - über eine in Hamburg ansässige D. GmbH, „deren Geschäftsführer ein Zh. war“ (UA S. 13) und für die der Angeklagte G. Büroräume angemietet, ein Konto in China eröffnet und Bestellungen in China vorgenommen hat.
7
Im Februar 2009 (Fall 26 der Urteilsgründe) erfolgte die Einfuhr der Mobiltelefone über eine ebenfalls in Hamburg ansässige Firma O. GmbH, deren zunächst formeller (vgl. UA S. 12) und sodann faktischer Geschäftsführer (vgl. UA S. 14) der Angeklagte J. war. Die O. GmbH „war Teil einer von China aus handelnden Vertriebsorganisation für den europäischen Raum“ (UA S. 10). Der AngeklagteJ. und der gesondert Verfolgte Z. „veranlassten die Überweisungen der aus den Verkäufen verein- nahmten Entgelte nicht nur auf das Firmenkonto …, sondern zur Verschleierung der Geldflüsse“ auch auf Konten „von Strohleuten aus der Bekanntschaft des Z. “ (UA S. 10). Für diese Firma war der Angeklagte G. seit Anfang des Jahres 2007 zunächst von China aus tätig; er kaufte dort „insbesonde- re Maniküreartikel und Hundehalsbänder“ (UA S. 12). Ende Mai 2009 kam der Angeklagte G. , der zuvor in Deutschland drei Semester Volkswirtschaft studiert hatte und sich auch in der Zwischenzeit immer wieder für kurze Zeit in Deutschland aufhielt, dauerhaft nach Deutschland. Für die O. GmbH übernahm er zunächst nur Empfang und Weiterversand der Mobil- telefone, später „auch die Lagerverwaltung“ (UA S. 13). Für diese Tätigkeit er- hielt der Angeklagte G. 2.100 € monatlich brutto, nicht jedoch eine ihm zunächst in Höhe von bis zu 20 % des Gewinns zugesagte Provision.
8
Des Weiteren führten die Angeklagten in einem nicht festgestellten Zeitraum entweder über die O. GmbH oder die D. GmbH („Empfänger unbekannt“, UA S. 16; „Import der Waren erfolgte insbesondere, und bezüglich der hier abgeurteilten Taten ausschließlich, über die O. GmbH … und die D. GmbH“, UA S. 12) und in nicht festgestelltem Umfang („Anzahl unbekannt“, UA S. 16) MP- Player aus der Volksrepublik China nach Deutschland ein, ohne hierfür Ein- fuhrumsatzsteuer und Zoll „zu entrichten“ (UA S. 12). Hierdurch sei ein „Schaden EUSt inkl. Zollsatz 2 %“ in Höhe von 1.000.501,61 € abzüglich eines 10%igen Sicherheitsabschlags entstanden (UA S. 16). Der Schadensberech- nung hat die Kammer „die Berechnung des Zolls (Anlage 2 der Anklageschrift) zugrunde gelegt. … Diese Berechnung des Zolls war für die Kammer hinrei- chend detailliert und nachvollziehbar“ (UA S. 22).
9
b) Zur Umsatzsteuerhinterziehung
10
Die Geräte wurden in Deutschland über Internetplattformen an Endkunden veräußert, ohne dass dann die auf die ausgeführten Lieferungen anfallende Umsatzsteuer angemeldet wurde. Dies war bereits Gegenstand eines früheren Strafverfahrens gegen den Angeklagten J. . Weil dieser Angeklagte Umsätze der genannten Art in den für die O. GmbH abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis Dezember 2009 sowie Januar bis März 2010 verschwieg und für das Jahr 2008 entgegen der ihm bekannten Verpflichtung keine Umsatzsteuerjahreserklärung abgab (er verkürzte hierdurch Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 819.858,89 €), wurde er vom Landgericht Hamburg mit Urteil vom 12. November 2010 - rechtskräftig seit Juli 2011 - zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
11
Nach den Feststellungen im hier gegenständlichen Verfahren unterstützte der Angeklagte G. den Angeklagten J. bei der Hinterziehung von Umsatzsteuer dadurch, dass er die Lagerverwaltung übernahm und sein Konto in China zur Verfügung stellte, was J. zusätzlich ein Gefühl der Sicherheit vermittelte; dabei wusste und wollte G. , dass die elektroni- schen Geräte verkauft werden und die hierfür anfallende Umsatzsteuer „nicht abgeführt“ wird (UA S. 18; Fall 33 der Urteilsgründe).
12
2. Das Landgericht hat die Fälle 1 bis 32 der Urteilsgründe bei beiden Angeklagten als gewerbsmäßigen Schmuggel (§ 373 Abs. 1 AO) gewertet. Eine bandenmäßige Begehungsweise hat es dagegen verneint, weil „tragende Feststellungen zu einer Bandenstruktur mitsamt Bandenabrede“(UA S. 24) nicht hätten getroffen werden können. Den Fall 33 der Urteilsgründe, der lediglich den Angeklagten G. betrifft, hat das Landgericht als einheitliche Beihilfe zu den beim Angeklagten J. bereits im November 2010 abgeurteilten 16 Taten der Umsatzsteuerhinterziehung gewertet.
13
3. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht die Fälle 1 bis 32 der Urteilsgründe für beide Angeklagte jeweils als minder schwere Fälle des Schmuggels im Sinne von § 373 Abs. 1 Satz 2 AO angesehen. Es hat dafür jeweils eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, eine solche von acht Monaten und im Übrigen Geldstrafen zwischen 90 und 120 Tagessätzen verhängt.
14
Im Fall 33 der Urteilsgründe (Beihilfe des Angeklagten G. zur Umsatzsteuerhinterziehung) hat das Landgericht der Strafzumessung den gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO zugrunde gelegt und gegen den Angeklagten G. eine Freiheitsstrafe von acht Monaten verhängt.
15
Strafmildernd hat das Landgericht bei beiden Angeklagten jeweils ein umfassendes und beim Angeklagten G. ein auch von Reue getragenes Geständnis berücksichtigt, was zu einer erheblichen Verkürzung der Hauptverhandlung beigetragen habe, sowie den Umstand, dass den Angeklagten hinsichtlich der Schmuggeltaten eine untergeordnete Rolle zukam und sie nicht Initiatoren waren, zudem die von ihnen als Erstverbüßer erlittene Untersuchungshaft und eine besondere Haftempfindlichkeit. Zugunsten der Angeklagten hat das Landgericht jeweils auch gewertet, dass sie keinen Vorsteuerabzug geltend gemacht hatten, der aber (lediglich) in Höhe von rund 12.000 € berech- tigt gewesen wäre. Zu Lasten der Angeklagten hat das Landgericht berücksich- tigt, dass ein „erheblicher Schaden entstanden“ sei.
16
Zugunsten des Angeklagten G. hat das Landgericht auch dessen Unbestraftheit sowie den Umstand gewertet, dass dieser Angeklagte außer einem „Gehalt in Höhe von 2.100 € brutto“ keine finanziellen Vorteile aus den Taten erlangt habe.
17
Zugunsten des Angeklagten J. hat das Landgericht weiterhin be- rücksichtigt, dass er zur Tatzeit nur unwesentlich bestraft war. „Insbesondere“ sei auch die lange Verfahrensdauer zugunsten des Angeklagten J. zu bewerten, der sich „über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr … der Ver- folgung durch die Staatsanwaltschaft ausgesetzt“ sah, „obwohl es sich- insbe- sondere, aber nicht nur, für ihn - um die gleiche Angelegenheit handelte und er mit Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht im November 2011 davon ausgehen konnte, dass dieser Lebensabschnitt damit für ihn abge- schlossen war“ (UA S. 29).
18
Bei der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe betreffend den Angeklagten J. hat das Landgericht „insbesondere“ berücksichtigt, dass dieser sich „in dem vorliegenden Verfahren das zweite Mal gerichtlich verantworten muss- te, obwohl es sich bei den Fällen 1 bis 32 und der vorangegangenen Verurteilung um einen einheitlichen Lebenssachverhalt handelt, der im Hinblick auf den Angeklagten nicht zusammen in einem Verfahren angeklagt, sondern unnatür- lich in zwei verschiedene Verfahren von der Staatsanwaltschaft aufgespalten wurde“ (UA S. 30).

II.

19
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insgesamt, weil die knappen und lückenhaften , dadurch unklaren und zudem widersprüchlichen Urteilsgründe keine hinreichende Grundlage für die Prüfung eines Rechtsfolgenausspruchs bieten. Angesichts solcher Feststellungen ist auch die Beschränkung der Rechtsmittel auf den Strafausspruch unwirksam.
20
1. Die Urteilsgründe sind unklar, lückenhaft und widersprüchlich.
21
Soweit das Landgericht festgestellt hat, dass die Angeklagten Mobiltelefone und MP-Player nach Deutschland einführten, ohne die jeweils anfallende Einfuhrumsatzsteuer (und Zoll) „zu entrichten“ und „diese Unterhaltungselektronik … unter Umgehung der Umsatzsteuer“ veräußerten (UA S. 12), ist es er- kennbar davon ausgegangen, dass es sich bei den geschmuggelten und den weiterverkauften Elektronikgegenständen jeweils um die nämliche Ware aus dem Einfuhrschmuggel handelt. Diese Annahme steht jedoch mit den vom Landgericht der Entscheidung zugrunde gelegten Tatzeitpunkten, soweit solche überhaupt festgestellt wurden, im Widerspruch.
22
Nach den - insoweit aus der vorangehenden, rechtskräftigen Verurteilung des Angeklagten J. entnommenen - wiedergegebenen Urteilsfest- stellungen war die Umsatzsteuer aus dem Weiterverkauf der „geschmuggelten“ Elektronikgegenstände bereits im Zeitraum zwischen dem Jahr 2008 und März 2010 hinterzogen worden. Da andererseits nach den Urteilsfeststellungen die Mobiltelefone - mit Ausnahme einer Einfuhr im Februar 2009 - erst im Januar und Februar 2010 nach Deutschland eingeführt wurden, bleibt unklar, inwieweit der Umsatzsteuerhinterziehung die Lieferung von Waren zugrunde liegen konnte , auf die sich die ausgeurteilten Schmuggeltaten beziehen. Die im Jahr 2010 eingeschmuggelten Elektronikgeräte konnten jedenfalls nicht bereits vorher an Abnehmer in Deutschland ausgeliefert worden sein.
23
Für die MP-Player hat das Landgericht keine Feststellungen zum konkreten Einfuhrzeitpunkt innerhalb des vom Landgericht angenommenen Gesamttatzeitraums vorgenommen. Es begnügt sich vielmehr mit der Mitteilung eines anzunehmenden Gesamtschadens und der Angabe eines Verkaufspreises an deutsche Endkunden, ohne auch nur ansatzweise sonstige Besteuerungsgrundlagen mitzuteilen (zu den Anforderungen an die Urteilsdarstellungen in Steuerstrafsachen vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2011 - 1 StR 154/11; BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08, wistra 2009, 398). Es kann - wie auch die Ausführungen des Generalbundesanwalts belegen - lediglich vermutet werden, dass es ganz oder teilweise die in Fall 32 der Urteilsgründe genannten MP-Player waren, die Gegenstand der Umsatzsteuerhinterziehung gewesen sein könnten. Auf eine bloße Vermutung kann eine Verurteilung indes nicht gestützt werden (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 24. November 1992 - 5 StR 456/92, BGHR StPO § 261 Vermutung 11).
24
Die Strafkammer wäre freilich nicht gehindert gewesen, tragfähige Feststellungen auf ein nach ihrer Überzeugung glaubwürdiges Geständnis zu stützen , sofern die Feststellungen - wozu sich das Urteil jedoch ebenfalls nicht verhält - Gegenstand eines Geständnisses hätten sein können (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2010 - 1 StR 199/10). Selbst wenn Angeklagte den Anklagevorwurf nur knapp einräumen, darf das Gericht dem freilich auf seine Zuverlässigkeit geprüften Geständnis Glauben schenken und Feststellungen darauf stützen (BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 - 2 StR 156/98, NStZ 1999, 92). Auch kann, wenn das Tatgericht von einem strafbaren Verhalten des Täters überzeugt ist, die Bestimmung des Schuldumfangs im Wege der Schätzung erfolgen , namentlich wenn sich Feststellungen auf andere Weise nicht treffen lassen , etwa weil über die kriminellen Geschäfte keine Belege oder Aufzeichnungen vorhanden sind (BGH, Urteil vom 28. Juli 2010 - 1 StR 283/09, wistra 2010, 148; BGH, Urteil vom 12. August 1999 - 5 StR 269/99, wistra 1999, 426). Eine solche Schätzung nimmt die Strafkammer hier indes gerade nicht vor, vielmehr stützt sie sich auf eine als Anlage der Anklageschrift beigefügte Schadensberechnung. Abgesehen davon, dass die Strafkammer allein durch die Bezugnahme auf das Ergebnis von Dritten gefertigter Steuer- oder Zollberechnungen den der Berechnungsdarstellung zukommenden Aufgaben nicht entsprechen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2011 - 1 StR 154/11), wird der Inhalt der Berechnungsdarstellung nicht mitgeteilt und ist somit der Prüfung durch das Revisionsgericht entzogen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 30. Januar 2007 - 5 StR 17/06, NStZ 2007, 478).
25
Der Widerspruch bezüglich der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang hinsichtlich der ausgeurteilten 16 Taten der Umsatzsteuerhinterziehung - hinsichtlich derer sich die Feststellungen auf den Umfang der in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen pflichtwidrig nicht angemeldeten Umsätzen beschränken - und der 32 Fälle des gewerbsmäßigen Schmuggels Warenidentität bestand, lässt sich auch nicht aus dem weiteren Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe heraus beseitigen. Die Ausführungen der Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung, dass allein im Fall 26 der Urteilsgründe eine entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für zuvor eingeführte Gegenstände abzugsfähig gewesen wäre, in anderen Fällen der Import „für die D. GmbH“ (UA S. 27) erfolgt sei oder aber - im Fall 32 der Urteilsgründe - gar nicht feststellbar sei, für welche Gesellschaft die Waren eingeführt worden waren, legen die Nämlichkeit der Waren ebenfalls nur zugrunde, ohne diese zu belegen.
26
2. Schon die aufgezeigten Mängel müssen hier zur Unwirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung und zur Aufhebung des gesamten Urteils mit den Feststellungen führen. Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
27
a) Eine - hier sogar ausdrücklich erklärte - Beschränkung eines Rechtsmittels allein auf den Rechtsfolgenausspruch ist grundsätzlich zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359,364). Die in der Regel gegebene Trennbarkeit zwischen Schuld- und Strafausspruch ist jedoch - ausnahmsweise - zu verneinen, wenn die Schuldfeststellungen eine getrennte Überprüfung des angefochtenen Urteils nicht ermöglichen, ohne dass der nicht angefochtene Teil mitberührt würde. Dies ist hier - wie aufgezeigt - jedoch der Fall, weil die Feststellungen zur Tat so knapp, unvollständig, unklar und zudem widersprüchlich sind, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 1993 - 3 StR 334/93, NStZ 1994, 130; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 318 Rn. 16 mwN).
28
b) Dies bedingt zugleich die Aufhebung des Urteils insgesamt. Zwar erfordert ein lediglich den Schuldumfang betreffender Rechtsfehler regelmäßig nicht die Aufhebung auch des Schuldspruchs, da sich die Verurteilung jedenfalls im Ergebnis rechtfertigt (Kuckein in Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 353 Rn. 13 mwN). So lässt es bei Steuerhinterziehung den Schuldspruch grundsätzlich unberührt, wenn lediglich der Verkürzungsumfang, etwa durch eine fehlerhafte Schätzung, unrichtig bestimmt ist, die Verwirklichung des Tatbestandes aber sicher von den Feststellungen getragen wird (vgl. BGH, Be- schluss vom 24. Mai 2007 - 5 StR 58/07, wistra 2007, 345). Der Schuldspruch ist hier jedoch aufzuheben, weil - insbesondere mit Blick auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG - wesentliche Modalitäten zu dem auch den Schuldumfang determinierenden Tathergang unklar bleiben (hierzu vgl. Kuckein in Karlsruher Kommentar , StPO, 6. Aufl., § 353 Rn. 18 mwN) und dem neuen Tatrichter die Möglichkeit zu geben ist, eine Entscheidung ohne Bindung an die bisherigen - widersprüchlichen - Feststellungen zu treffen (hierzu vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Juni 1996 - 4 StR 680/95, NStZ-RR 1997, 72, 73).

III.

29
Die Erwägungen zur Strafzumessung im angefochtenen Urteil geben dem Senat Anlass, für den - angesichts der Geständnisse der Angeklagten zum Tatablauf naheliegenden - Fall eines erneuten Schuldspruchs durch den neuen Tatrichter Folgendes anzumerken:
30
1. Die Annahme minder schwerer Fälle des Schmuggels gemäß § 373 Abs. 1 Nr. 2 AO scheidet bei einer Hinterziehung von Einfuhrabgaben in großem Ausmaß regelmäßig aus. Dies ergibt sich aus Folgendem:
31
Bei Schmuggel gemäß § 373 AO handelt es sich um einen Qualifikationstatbestand gegenüber dem Grundtatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO). Liegen Qualifikationsmerkmale - wie etwa gewerbsmäßiges Handeln - nicht vor, ist die Hinterziehung von Einfuhrabgaben eine Steuerhinterziehung. Denn gemäß § 3 Abs. 3 AO sind Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Art. 4 Nr. 10 und 11 des Zollkodexes Steuern im Sinne der Abgabenordung. Sind in einem solchen Fall durch eine Tat Einfuhrabgaben in großem Ausmaß (hierzu zuletzt BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11) verkürzt, liegt gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ein Regelbeispiel eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung vor, bei dem ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren eröffnet ist. Dieser Strafrahmen entspricht dem des Schmuggels nach § 373 AO.
32
Tritt ein Merkmal hinzu, das die Tat zum Schmuggel qualifiziert - etwa Gewerbsmäßigkeit (§ 373 Abs. 1 AO) - entfaltet der Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO, wenn er ohne das qualifizierende Merkmal anzuwenden wäre, eine Sperrwirkung. Deswegen kommt bei einem Schmuggel „in großem Ausmaß“ ein minder schwerer Fall mit einem auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe verminderten Strafrahmen (§ 373 Abs. 1 Satz 2 AO) allenfalls in besonderen Ausnahmefällen noch in Betracht.
33
Ein solcher Ausnahmefall liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn - wie hier vom Landgericht festgestellt - der Schmuggel in organisierten Vertriebsstrukturen stattgefunden hat. Denn nach der Intention des Gesetzgebers soll der mildere Strafrahmen für minder schwere Fälle eine angemessene Bestrafung des bandenmäßigen Schmuggels z.B. in Fällen, die nicht der typischen organisierten Kriminalität zuzurechnen sind, ermöglichen (BT-Drucks. 16/5846, S. 174 ff.).
34
2. Aus dem Umstand, dass es sich beim Schmuggel um einen Qualifikationstatbestand der Steuerhinterziehung handelt, folgt zudem, dass die Rechtsprechung zur Strafzumessung bei Hinterziehung in Millionenhöhe auch auf Schmuggeltaten Anwendung findet. Demnach kommt eine (aussetzungsfähige) Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren auch bei Schmuggel gemäß § 373 AO nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht. Dabei ist es für den Unrechtsgehalt ohne Bedeutung, ob die Millio- nengrenze durch eine einzelne oder mehrere Taten erreicht worden ist und ob eine Gesamtstrafe zu bilden ist.
35
a) Für die Strafzumessung in Fällen der Steuerhinterziehung in großem Ausmaß gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die der Gesetzgeber in den Beratungen zu dem am 3. Mai 2011 (BGBl. I, 676) in Kraft getretenen Schwarzgeldbekämpfungsgesetz aufgegriffen und gebilligt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11), Folgendes:
36
Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung sieht in § 370 Abs. 3 Satz 1 AO für besonders schwere Fälle einen erhöhten Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vor. Ein besonders schwerer Fall liegt gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO (in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung ) in der Regel vor, wenn der Täter in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Vorteile erlangt. Dieses nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Merkmal des Regelbeispiels „in großem Ausmaß“ ist dann erfüllt, wenn der Hinterziehungsbetrag (bei einem „Griff in die Kasse des Staates“ ) 50.000 € übersteigt. Beschränkt sich das Verhalten des Täters darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, liegt die Wertgrenze zum „großen Ausmaß“ bei 100.000 € (vgl. zusammenfassend BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 1 StR 579/11, NJW 2012,

1015).

37
Der in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist bei hohen Hinterziehungsbeträgen im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen, gleichviel ob dieser Betrag durch eine einzelne Tat hervorgerufen wurde oder durch eine Serie gleichgelagerter Taten, selbst wenn jede für sich genommen die Grenze zum großen Ausmaß nicht überschreitet. Schon bei der Einzelstrafbemessung ist nicht allein der jeweils durch die Einzeltat verursachte Schaden entscheidend, sondern auch die Gesamtserie und der dadurch verursachte Gesamtschaden in den Blick zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2009 - 1 StR 627/08, BGHSt 53, 221). Es ist ferner - zumal bei der Bildung einer Gesamtstrafe aus so gebildeten Einzelstrafen - die Wertung des Gesetzgebers zu beachten, dass bei Überschreiten zur Grenze des „großen Ausmaßes“ eine Freiheitsstrafe von nicht unter sechs Monaten schuldangemessen ist, bei einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag die Verhängung einer Geldstrafe demzufolge nur bei Vorliegen von gewichtigen Milderungsgründen noch schuldangemessen sein kann. Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe - also bei einem Gesamthinterziehungsumfang, der die Millionengrenze überschreitet - kommt eine aussetzungsfähige, also eine zwei Jahre nicht überschreitende Freiheitsstrafe regelmäßig nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08 mwN, BGHSt 53, 71, zuletzt bestätigt in BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, NJW 2012, 1458).
38
b) Diese Grundsätze sind auch in Fällen des Schmuggels gemäß § 373 AO anzuwenden.
39
Zwar ist § 373 AO ein selbständiger Qualifikationstatbestand zu § 370 Abs. 1 AO. Mit der dies klarstellenden Fassung des § 373 AO durch Art. 3 Nr. 4 des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen und zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I, 3198) wurde aber zugleich - mit Wirkung zum 1. Januar 2008 - der Strafrahmen des gewerbsmäßigen, gewaltsamen oder bandenmäßigen Schmuggels erhöht und an den Strafrahmen der Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall nach § 370 Abs. 3 AO angepasst. Eine Regelung für besonders schwere Fälle des § 373 AO oder eine Verweisung auf den Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO und damit auch die Notwendigkeit, für besonders schwere Fälle des § 373 AO den Strafrahmen der Strafzumessungsregel in § 370 Abs. 3 AO zu entnehmen, wurde dadurch entbehrlich (vgl. BT-Drucks. 16/5846, S. 174 ff.). Wenn aber allein eine gewerbsoder bandenmäßige Begehung regelmäßig einen sechs Monate übersteigenden Strafrahmen eröffnet, kann durch eine zugleich verwirklichte Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben „in großem Ausmaß“ im Sinne der aufgezeigten Rechtsprechung zu § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO regelmäßig keine geringere Freiheitsstrafe verwirkt sein. Demzufolge kann entsprechend den Wertungen des Gesetzgebers auch bei einer gewerbsmäßigen Hinterziehung von Einfuhroder Ausfuhrabgaben in Millionenhöhe eine zwei Jahre nicht überschreitende Freiheitsstrafe regelmäßig nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht kommen.
40
c) Die bislang getroffenen Feststellungen belegen derartige Milderungsgründe nicht.
41
Ein solcher kann sich insbesondere nicht daraus ergeben, dass der Angeklagte J. bereits im November 2010 wegen Taten der Umsatzsteuerhinterziehung verurteilt wurde und sich nun einem weiteren Strafverfahren ausgesetzt sah. Der Umstand, dass sich bei einem diesen Taten vorgelagerten (Einfuhr -) Schmuggel aus Sicht der Angeklagten gegebenenfalls um einen Teil einer einheitlichen Gesamthinterziehungsstrategie gehandelt hat, führt weder zu einem Strafklageverbrauch, noch schafft er einen Vertrauenstatbestand, der einer gesonderten Verfolgung eines der Umsatzsteuerhinterziehung vorgelagerten Schmuggels entgegenstehen würde. Sofern bei beiden Taten die nämliche Ware betroffen ist, kann dies - wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen - lediglich dazu führen, dass der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs für Einfuhrum- satzsteuer (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG) im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen ist.
42
Auf der Grundlage der - allerdings widersprüchlichen - Feststellungen kann auch aus dem Verfahren und dessen Dauer ein Strafmilderungsgrund nicht erblickt werden. Zwar stellt die belastende Wirkung einer unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer (als Folge der Tat für den Täter) einen allgemeinen Milderungsgrund dar (BGH, Beschluss vom 22. Januar 1992 - 3 StR 440/91, NStZ 1992, 229; vgl. aber auch BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, NJW 2012, 1458). Eine solche ist aber im Urteil ebenso wenig festgestellt wie Umstände, die beim Angeklagten J. ein schutzwürdiges Vertrauen hätten begründen können, mit der Verurteilung vom 12. November 2010 hätte es sein Bewenden. Eine nach den Ausführungen im Urteil zum Verfah- rensgang, namentlich zur „unnatürlichen“ Aufspaltung der Verfahren durchdie Staatsanwaltschaft hier zu besorgende Annahme des Landgerichts, es sei an eine bei außerhalb des von § 257c StPO vorgegebenen Rahmens geführten Gesprächen in Aussicht gestellte Strafobergrenze gebunden (die sich für das erkennende Gericht überdies nur auf den zu seiner Kognition gestellten Sachverhalt beziehen könnte), könnte gegebenenfalls sogar schon für sich den Bestand eines Urteils gefährden (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR 274/11). Erst recht wäre der neue Tatrichter an solche Gespräche - sollten sie geführt worden sein - nicht gebunden.
43
Auch könnte es den Angeklagten G. nicht entlasten, dass er - sofern auch das neue Tatgericht zu entsprechenden Feststellungen gelangen sollte - über einen monatlichen Bruttolohn von 2.100 € hinaus keine weiteren Vorteile erzielt hat. Denn für gewerbsmäßiges Handeln genügt bereits die Absicht , sich durch wiederholte Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen (vgl. die Nachweise bei Jäger in Klein, AO, 11. Aufl., § 373 Rn. 16). Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils war das Tätigwerden des Angeklagten G. hier sogar auf eine Gewinnbeteiligung von bis zu 20 % ausgerichtet.
44
Ebenso wenig stellt der durch Untersuchungshaft erlittene Freiheitsentzug bei Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe wegen der vollen Anrechenbarkeit nach § 51 StGB einen strafmildernd zu berücksichtigenden Nachteil für den Angeklagten dar (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 - 2 StR 34/ 06, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 21).
45
d) Die Grundsätze zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung in großem Ausmaß bzw. in Millionenhöhe sind auch dann zu beachten, wenn lediglich - wie vom Landgericht hier bei dem Angeklagten G. angenommen - eine einheitliche Beihilfe zu einer Mehrzahl von Fällen der Steuerhinterziehung in Betracht kommt. Übersteigt in einem solchen Fall der Gesamtverkürzungsumfang der durch die Beihilfe geförderten Haupttaten die Betragsgrenze des Regelbeispiels Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO, muss deshalb das Tatgericht ausgehend von einer Gesamtwürdigung erörtern, ob im Rahmen der Strafzumessung statt des gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens des § 370 Abs. 1 AO von dem gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten (erhöhten) Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO oder dem nicht gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO auszugehen ist.
46
3. Das neue Tatgericht wird auch Gelegenheit haben, zu prüfen, ob das Tatgeschehen bei der Einfuhr der Elektronikartikel (auch) den Tatbestand eines bandenmäßigen Schmuggels (§ 373 Abs. 2 Nr. 3 AO) erfüllt, was angesichts der bisherigen Feststellungen zur organisierten Vertriebsstruktur nahe liegt. Nack Wahl Graf Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 579/11
vom
15. Dezember 2011
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
Zur Wertgrenze des Merkmals "in großem Ausmaß" des § 370 Abs. 3 Satz 2
Nr. 1 AO beim "Griff in die Kasse des Staates".
BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 1 StR 579/11 - LG Essen
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2011 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Essen vom 26. Mai 2011 wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
1. Die Verfahrensrüge einer Verletzung des § 189 GVG, mit der geltend
gemacht wird, der Dolmetscher für die arabische Sprache eines Mitangeklagten
, K. , sei nicht gemäß § 189 Abs. 1 GVG vereidigt worden und
habe sich auch nicht auf seine - zuvor schon erfolgte - allgemeine Beeidigung
als Dolmetscher berufen, hat keinen Erfolg.

a) Allerdings zeigt die Revision zutreffend auf, dass das Hauptverhandlungsprotokoll
- vor dessen Berichtigung - weder einen Hinweis darauf enthalten
hat, dass dieser Dolmetscher dahin beeidigt worden ist, treu und gewissenhaft
zu übertragen, noch, dass er sich auf seine allgemeine Beeidigung als Dolmetscher
berufen hat. Durch das Fehlen eines derartigen Hinweises wird der Verstoß
gegen § 189 GVG unwiderleglich bewiesen, denn bei der Vereidigung eines
Dolmetschers gemäß § 189 Abs. 1 GVG handelt es sich um eine wesentli-
che Förmlichkeit i.S.v. § 274 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 1987 - 3
StR 285/87, BGHR GVG § 189 Beeidigung 1).

b) Die Verfahrensrüge dringt aber nicht durch, weil der Senat ausschließen
kann, dass das angefochtene Urteil auf diesem Verstoß beruht (aa). Zudem
wurde das Hauptverhandlungsprotokoll ordnungsgemäß dahin berichtigt,
dass sich der Dolmetscher K. auf seine allgemeine Vereidigung als
Dolmetscher für die arabische Sprache berufen hat (bb).
aa) Der Senat schließt aus, dass das Urteil auf einer Nichtberufung des
Dolmetschers K. beruht, der für einen Mitangeklagten hinzugezogen
worden war.
Angesichts der Vereidigung der übrigen Dolmetscher in der Hauptverhandlung
bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Dolmetscher
K. sein eigener allgemein geleisteter Eid aus dem Blick geraten sein könnte.
Auch sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass er deswegen nicht
treu und gewissenhaft übertragen hat, weil nicht nach außen dokumentiert ist,
dass er sich seine allgemeine Beeidigung gerade im Einzelfall vergegenwärtigt
hat. Vielmehr ist fernliegend, dass ein allgemein vereidigter Dolmetscher, der
jahrelang bei Gericht übersetzt und sich immer wieder auf seinen allgemein
geleisteten Eid berufen hat, sich seiner Verpflichtung im Einzelfall nicht bewusst
war und er deshalb unrichtig übersetzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli
2005 - 1 StR 208/05, NStZ 2005, 705).
Es ist deshalb in Fällen wie hier, in denen keine Anzeichen dafür sprechen
, dass der Dolmetscher sich seiner besonderen Verantwortung im konkreten
Fall nicht bewusst war, auszuschließen, dass das Urteil auf dem Verfahrensverstoß
beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 1997 - 2 StR
257/97, BGHR GVG § 189 Beeidigung 3). Im vorliegenden Fall kommt noch
hinzu, dass in der Hauptverhandlung für einen anderen Mitangeklagten noch
ein weiterer vereidigter Dolmetscher für die arabische Sprache tätig war, der
jedenfalls die für ihn wahrnehmbare Dolmetschertätigkeit des Dolmetschers
K. auf ihre Richtigkeit hin prüfen konnte. Im Übrigen schließt der
Senat ein Beruhen des Urteils auf dem geltend gemachten Verfahrensverstoß
auch deswegen aus, weil der Angeklagte ein umfangreiches Geständnis abgelegt
hat und seine Angaben von zahlreichen Zeugen bestätigt worden sind (UA
S. 29).
bb) Die Verfahrensrüge hat auch deshalb keinen Erfolg, weil das Hauptverhandlungsprotokoll
im Hinblick auf die Verfahrensrüge zulässig berichtigt
und dabei das für eine Protokollberichtigung zu beachtende Verfahren eingehalten
worden ist (vgl. dazu BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss
vom 23. April 2007 - GSSt 1/06, BGHSt 51, 298; BVerfG, Beschluss vom
15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07, BVerfGE 122, 248). Das Hauptverhandlungsprotokoll
ist wirksam dahin berichtigt worden, dass sich der Dolmetscher
K. auf seinen allgemein geleisteten Eid berufen hat. Der ordnungsgemäß
erhobenen Verfahrensrüge ist damit die Tatsachengrundlage entzogen,
der geltend gemachte Verfahrensverstoß liegt nicht vor.
Im Hinblick auf den substantiierten Widerspruch des Revisionsverteidigers
hat der Senat die Gründe der Berichtigungsentscheidung im Rahmen der
Verfahrensrüge überprüft (vgl. dazu BGHSt 51, 298, 317). Die Gründe tragen
die Berichtigung; der Senat hat auch sonst keine Zweifel daran, dass die Berichtigung
zu Recht erfolgt ist. Bei der Überprüfung hat der Senat neben dem
Umstand, dass sich der Kammervorsitzende und die Protokollführerin sicher
waren, der Dolmetscher K. habe sich auf den von ihm geleisteten
Eid berufen, insbesondere berücksichtigt, dass die von den weiteren Berufsrichtern
, dem Sitzungsstaatsanwalt und dem betroffenen Dolmetscher eingeholten
dienstlichen Stellungnahmen die Berichtigung ebenfalls tragen. Der Kammervorsitzende
hatte sogar noch die konkrete Erinnerung daran, überrascht
gewesen zu sein, dass von den beiden in dem Verfahren als Dolmetscher eingesetzten
Brüdern K. , die beide seit vielen Jahren als Dolmetscher beim
Landgericht Essen tätig waren, nur der Dolmetscher K. allgemein
vereidigt war. Der Senat hat bei seiner Überprüfung der vorgenommenen Protokollberichtigung
auch berücksichtigt, dass die beiden Instanzverteidiger angegeben
hatten, keine Erinnerung mehr an den tatsächlichen Verfahrensablauf
zu haben.
Die Auffassung der Revision, es sei selbst angesichts der von der Protokollführerin
gefertigten handschriftlichen Aufzeichnungen ausgeschlossen, dass
diese eine eigene sichere Erinnerung an den Vorgang haben könnte, teilt der
Senat nicht.
2. Die näher ausgeführte Sachrüge hat aus den Gründen der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts keinen den Angeklagten beschwerenden
Rechtsfehler ergeben. Dies gilt auch für die Strafzumessung.
Der Erörterung bedarf allerdings die Annahme des Landgerichts, es sehe
die Grenze für die Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ gemäß § 370 Abs.
3 Satz 2 Nr. 1 AO „entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
bei 100.000 Euro“ (UA S. 40). Dies lässt besorgen, das Landgericht
sei der Auffassung, die Schwelle zur Hinterziehung „in großem Ausmaß“ sei
stets erst bei einer Verkürzung von 100.000 Euro überschritten. Dies ist indes
nicht zutreffend.
Im Fall 1 der Urteilsgründe stellt das Landgericht zudem darauf ab, dass
das aufgrund der unrichtigen Angaben des Angeklagten in der Umsatzsteuerjahreserklärung
2009 errechnete Umsatzsteuerguthaben nur teilweise ausge-
zahlt, überwiegend aber mit anderen „Steuerschulden der Ka. GmbH,insbesondere
Lohnsteuer, verrechnet“ wurde (UA S. 15). Das Landgericht war of-
fenbar der - unzutreffenden - Auffassung, es mache für die Frage, ob eine Hin-
terziehung „in großem Ausmaß“ vorliege, einen Unterschied, ob ein durch die
Tat erlangtes (scheinbares) Steuerguthaben ausgezahlt oder aber mit anderweitigen
Steuerschulden verrechnet werde.
Bei der Bestimmung des gesetzlichen Merkmals „in großem Ausmaß“ im
Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO für einen besonders schweren
Fall der Steuerhinterziehung gilt Folgendes:

a) Wie bereits im Grundsatzurteil des Senats vom 2. Dezember 2008
(1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 81) ausgeführt, bestimmt sich das Merkmal „in
großem Ausmaß“ im Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nach ob-
jektiven Maßstäben. Es liegt grundsätzlich dann vor, wenn der Hinterziehungsbetrag
50.000 Euro übersteigt. Die Betragsgrenze von 50.000 Euro kommt namentlich
dann zur Anwendung, wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen
vom Finanzamt erlangt hat, etwa bei Steuererstattungen durch Umsatzsteuerkarusselle
, Kettengeschäfte oder durch Einschaltung von sog. Serviceunter-
nehmen („Griff in die Kasse“). Ist diese Wertgrenze überschritten, dann ist das
Merkmal erfüllt (BGHSt 53, 71, 85; vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 -
1 StR 116/11, NStZ 2011, 643, 644; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR
81/11, wistra 2011, 396).

b) Beschränkt sich das Verhalten des Täters indes darauf, die Finanzbehörden
pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu las-
sen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, liegt die
Wertgrenze zum „großen Ausmaß“ demgegenüber bei 100.000 Euro (BGHSt
53, 71, 85). Dasselbe gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige zwar eine Steuerhinterziehung
durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) begeht, indem er
eine unvollständige Steuererklärung abgibt, er dabei aber lediglich steuerpflichtige
Einkünfte oder Umsätze verschweigt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli
2011 - 1 StR 81/11, wistra 2011, 396) und allein dadurch eine Gefährdung des
Steueranspruchs herbeiführt.

c) Anders ist die Sachlage, wenn der Täter steuermindernde Umstände
vortäuscht, indem er etwa tatsächlich nicht vorhandene Betriebsausgaben vortäuscht
oder nicht bestehende Vorsteuerbeträge geltend macht. Denn in einem
solchen Fall beschränkt sich das Verhalten des Täters nicht darauf, den bestehenden
Steueranspruch durch bloßes Verschweigen von Einkünften oder Um-
sätzen zu gefährden. Vielmehr unternimmt er einen „Griff in die Kasse“ des
Staates, weil die Tat zu einer Erstattung eines (tatsächlich nicht bestehenden)
Steuerguthabens oder zum (scheinbaren) Erlöschen einer bestehenden Steuer-
forderung führen soll. Es bleibt dann deshalb für das gesetzliche Merkmal „in
großem Ausmaß“ bei der Wertgrenze von 50.000 Euro.

d) Trifft beides zusammen, das Verheimlichen von Einkünften bzw. Umsätzen
einerseits und die Vortäuschung von Abzugsposten andererseits, etwa
beim Verheimlichen von Umsätzen und gleichzeitigem Vortäuschen von Vor-
steuerbeträgen, ist das Merkmal „in großem Ausmaß“ i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 2
Nr. 1 AO jedenfalls dann erfüllt, wenn der Täter vom Finanzamt ungerechtfertigte
Zahlungen in Höhe von mindestens 50.000 Euro erlangt hat (vgl. BGH NStZ
2011, 643, 644 Rn. 13). Dasselbe gilt aber auch, wenn ein aufgrund falscher
Angaben scheinbar in dieser Höhe (50.000 Euro) bestehender Auszahlungsan-
spruch ganz oder teilweise mit anderweitigen Steuerverbindlichkeiten verrechnet
worden ist. Die Verrechnung steht dann nämlich insoweit einer Auszahlung
gleich. Hat dagegen die Vortäuschung von steuermindernden Umständen für
sich allein noch nicht zu einer Steuerverkürzung von mindestens 50.000 Euro
geführt, verbleibt es für die Tat insgesamt beim Schwellenwert von
100.000 Euro (vgl. BGH NStZ 2011, 643, 644).

e) Ob die Schwelle des „großen Ausmaßes“ überschritten ist, ist für jede
einzelne Tat im materiellen Sinne gesondert zu bestimmen. Dabei genügt derjenige
Erfolg, der für die Vollendung der Steuerhinterziehung ausreicht. Bei
mehrfacher tateinheitlicher Verwirklichung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung
ist - nichts anderes gilt für § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO - das „Ausmaß“ des
jeweiligen Taterfolges zu addieren, da in solchen Fällen eine einheitliche Handlung
im Sinne des § 52 StGB vorliegt (BGHSt 53, 71, 85).

f) Eine nachträgliche „Schadenswiedergutmachung“ hat für die Frage, ob
eine Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ vorliegt oder nicht, keine Bedeutung.
Die Höhe des auf Dauer beim Fiskus verbleibenden „Steuerschadens“ ist
ein Umstand, der erst bei der Prüfung, ob die Indizwirkung des Regelbeispiels
im Einzelfall widerlegt ist, und im Übrigen als bloße Zumessungserwägung in
die Strafzumessung einbezogen werden kann (vgl. im Übrigen zur Schadensverringerung
mit Geldmitteln unklarer Herkunft BGH, Beschluss vom 5. Mai
2011 - 1 StR 116/11, NStZ 2011, 643, 645 Rn. 17, und einer solchen aufgrund
von Pfändungen BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2010 - 1 StR 359/10, insoweit
nicht abgedruckt in NStZ 2011, 170).
Zutreffend hat das Landgericht daher den Umstand, dass „der Steuer-
schaden aufgrund der Beschlagnahme erheblicher Vermögenswerte der
Ka. GmbH nachträglich vollständig kompensiert“ wurde (UA S. 43), bei der
Frage, ob das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO erfüllt ist, außer
Betracht gelassen, in die Gesamtwürdigung, ob die Indizwirkung des Regelbeispiels
widerlegt sein könnte, aber einbezogen.
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 416/08
vom
2. Dezember 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
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1. Die Berechnung der nach § 266a StGB vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge
richtet sich in Fällen illegaler Beschäftigungsverhältnisse nach § 14 Abs. 2
Satz 2 SGB IV.
2. Zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung.
BGH, Urt. vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08 - LG Landshut
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Dezember
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte persönlich,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 21. April 2008 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte statt in 43 Fällen in 33 Fällen des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt schuldig ist. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 48 Fällen, Beihilfe zur Steuerhinterziehung in vier Fällen und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 43 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt. Die Revision des Beschwerdeführers , mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, führt lediglich zur Berichtigung eines offensichtlichen Schreibversehens in der Urteilsformel. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Nach den Urteilsfeststellungen betrieb der Angeklagte als Einzelfirma ein Trockenbau-Unternehmen, das für verschiedene Auftraggeber als Subunternehmer tätig war. Aufgrund der Preisvorgaben der Auftraggeber war dem Angeklagten in den Jahren 2001 bis 2005 ein „auskömmliches Wirtschaften“ nur dadurch möglich, dass er den wesentlichen Teil seiner Arbeitnehmer „schwarz“ beschäftigte, ohne die Arbeitsverhältnisse den zuständigen Stellen zu melden und ohne für diese Personen Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Darüber hinaus erklärte er die Umsatzerlöse, die er aufgrund der Tätigkeit der nicht gemeldeten Arbeitnehmer erzielte, in den für die betreffenden Zeiträume abzugebenden Umsatzsteuervoranmeldungen und -jahreserklärungen nicht. Er wollte hierdurch die Abführung von Umsatzsteuern auf die unter Einsatz der illegal beschäftigten Arbeitnehmer erbrachten Leistungen vermeiden. Um andererseits den Auftraggebern zu ermöglichen, die an ihn als Subunternehmer geleisteten Zahlungen ertragsteuerlich als Betriebsausgaben ansetzen und umsatzsteuerlich einen Vorsteuerabzug geltend machen zu können , unterstützte der Angeklagte die Auftraggeber bei der Beschaffung sog. Abdeckrechnungen. Bei diesen Rechnungen handel te es sich um Scheinrechnungen mit gesondertem Vorsteuerausweis, mit denen unter dem Namen von Firmen, die tatsächlich nicht tätig geworden waren, Leistungen abgerechnet wurden. Die Abdeckrechnungen für die L. AG erstellte der Angeklagte selbst. Sowohl dem Angeklagten als auch seinen Auftraggebern war bewusst, dass die vorgeblichen Aussteller der Rechnungen die darin ausgewiesenen Umsatzsteuern weder anmelden noch an die Finanzbehörden abführen würden.
3
Insgesamt verkürzte der Angeklagte durch diese Vorgehensweise in den Jahren 2001 bis 2005 Umsatzsteuern in Höhe von mehr als 373.000 Euro sowie Lohnsteuer von 354.000 Euro und enthielt er den Einzugsstellen Gesamt- sozialversicherungsbeiträge in Höhe von mehr als 947.000 Euro vor, davon Arbeitnehmeranteile an der Sozialversicherung in Höhe von über 473.000 Euro. Zudem ermöglichte er durch das Ausstellen von Scheinrechnungen den Verantwortlichen der L. AG, in den Jahren 2001 bis 2004 in Umsatzsteuervoranmeldungen und -jahreserklärungen ungerechtfertigt Vorsteuern in einer Gesamthöhe von mehr als 220.000 Euro geltend zu machen.

II.

4
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch. Die Urteilsformel ist lediglich dahin zu berichtigen, dass der Angeklagte statt in 43 Fällen nur in 33 Fällen des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) schuldig ist. Bei der Nennung von 43 Taten des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in der Urteilsformel handelt es sich um ein offensichtliches Verkündungsversehen ; dies ergibt sich zweifelsfrei aus den Urteilsgründen, die lediglich 33 Einzeltaten aufführen und diesen jeweils bestimmte Einzelstrafen zuordnen. Die Berichtigung kann der Senat selbst vornehmen (vgl. BGH NStZ 2000, 386; Kuckein in KK, 6. Aufl., § 354 Rdn. 20 m.w.N.).

III.

5
Die Strafzumessung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt enthält keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler. Auch der Schuldumfang - die Höhe der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge - ist zutreffend bestimmt.
6
1. Da die Strafkammer in den Urteilsgründen die Zahl der Einzeltaten zutreffend bestimmt hat, wirkt sich die Schuldspruchberichtigung auf den Strafausspruch nicht aus.
7
2. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht bei den einzelnen Taten jeweils auch den zutreffenden Schuldumfang zugrunde gelegt. Dies gilt auch, soweit es in den Fällen D 10 bis D 33 der Urteilsgründe den Angeklagten wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) verurteilt hat. Das Landgericht hat hierbei die Höhe der den Einzugsstellen vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge unter Heranziehung der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bestimmt, indem es die an die illegal beschäftigten Arbeitnehmer gezahlten Löhne als Nettoarbeitsentgelt gewertet hat.
8
a) Die Schätzung der an die illegal beschäftigten Arbeitnehmer tatsächlich ausgezahlten Lohnsummen ist rechtlich nicht zu beanstanden. Da der Angeklagte über die Beschäftigung der bei den Einzugsstellen nicht angemeldeten Arbeitnehmer keine Aufzeichnungen führte, durfte das Landgericht die Höhe der an diese Personen gezahlten Löhne auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisse schätzen (vgl. BGHSt 38, 186, 193; BGHR StGB § 266a Sozialabgaben 5; BGH wistra 2007, 220 f.). Dies waren hier insbesondere die vom Landgericht festgestellten Umsätze des Angeklagten mit den Auftraggebern , der Umstand, dass die Auftraggeber das erforderliche Material zur Verfügung stellten, und die Tatsache, dass es sich bei den vorgenommenen Arbeiten fast ausschließlich um Lohnarbeiten handelte (UA S. 19, 37). Angesichts dieser Erkenntnisse und des Umstandes, dass nach den Feststellungen des Landgerichts auch in anderen - mit den verfahrensgegenständlichen vergleichbaren - Fällen bei Arbeiten im Rahmen von Trockenbaumaßnahmen 60 Pro-zent der Rechnungssummen als Löhne ausgezahlt wurden, ist die Schätzung der ausgezahlten Lohnsummen auf 60 Prozent des Nettoumsatzes des Angeklagten mit seinen Auftraggebern aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. auch BGH wistra 1983, 107, 108; OLG Düsseldorf wistra 1988, 123, 124).
9
b) Keinen rechtlichen Bedenken begegnet auch, dass das Landgericht in den Fällen D 10 bis D 33 der Urteilsgründe, d.h. für die Beitragsmonate ab August 2002, die so ermittelten Lohnzahlungen nicht als Bruttolohn, sondern - wie sich aus den mitgeteilten Beträgen ergibt - als Nettoarbeitsentgelt gewertet und ausgehend hiervon anhand der jeweils gültigen Beitragssätze die der Einzugsstelle vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge errechnet hat. Diese Vorgehensweise rechtfertigt sich auch für das Strafrecht aus der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV, die zum 1. August 2002 in Kraft getreten ist (BGBl. I 2002, 2787 ff.).
10
aa) Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV im Rahmen des Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit vom 23. Juli 2002 (BGBl. I 2787 ff.) dem Umstand Rechnung getragen, dass bei illegaler Beschäftigung Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt werden. Er hat daher bestimmt, dass in solchen Fällen für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge zwischen den Beteiligten die Zahlung eines Nettoarbeitsentgelts als vereinbart gilt, weil dem Arbeitnehmer auch wirtschaftlich ein Nettoarbeitsentgelt zufließt (BTDrucks. 14/8221 S. 14). Neben der Beseitigung von Beweisschwierigkeiten zum Inhalt von Lohnvereinbarungen bei illegaler Beschäftigung (BTDrucks. aaO ) war die Verhinderung von Wettbewerbsvorteilen, die sich die Beteiligten von illegalen Beschäftigungsverhältnissen verschaffen, ein wesentliches Anliegen des Gesetzgebers bei der Schaffung des Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit (BTDrucks. 14/8221 S. 11, 16).
11
bb) Bei der Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV handelt es sich um die Fiktion einer Nettolohnabrede für illegale Beschäftigungsverhältnisse, bei denen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt werden. Diese Fiktion greift unabhängig vom tatsächlichen Inhalt der Lohnvereinbarung ein. Das Arbeitsentgelt der Beschäftigten besteht daher in solchen Fällen aus dem als Nettolohn zu behandelnden Barlohn, der um die darauf entfallenden Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung zu erhöhen, d.h. zu einem Bruttolohn „hochzurechnen“ ist (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Denn Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge ist stets das Bruttoarbeitsentgelt (vgl. § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V; § 162 Nr. 1 SGB VI; § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB VII; § 342 SGB III; § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i.V.m. § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V; BSGE 64, 110, 111 f.). Illegale Beschäftigung im Sinne der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV liegt nicht nur bei verbotenen Beschäftigungsverhältnissen (§ 134 BGB) vor, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber pflichtwidrig die für die Arbeitsverhältnisse vorgeschriebenen Meldungen nicht erstattet oder Beiträge für die versicherten Arbeitnehmer nicht zahlt. Der Gesetzgeber verwendet den Begriff der illegalen Beschäftigung als „Sammelbegriff für eine Vielzahl von Ordnungswidrigkeitstatbeständen oder Straftaten, von Verstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsrecht bis hin zu Verstößen gegen das Steuerrecht oder zum Leistungsmissbrauch“ (BTDrucks. 14/8221, S. 11).
12
cc) Mit Einführung der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV wurde die bis dahin geltende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundessozialgerichts , nach der bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen mit Schwarzlohnabreden der Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge eine Bruttolohnvereinbarung zu Grunde zu legen ist (vgl. BGHSt 38, 285; BGH wistra 1993, 148 f.; BSGE 64, 110 ff.), für den Bereich des Sozialversicherungsrechts durch einen "Federstrich des Gesetzgebers" obsolet (BTDrucks. 15/726 S. 3 f.). Überzeugende Gründe, die Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV im Strafrecht nicht anzuwenden und für die Bestimmung der Höhe der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge im Sinne des § 266a StGB weiterhin an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten, bestehen angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung nicht.
13
(1) Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundessozialgerichts (vgl. BGH und BSG aaO) bezeichnet als maßgeblichen gegen die Annahme einer Nettolohnvereinbarung bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen sprechenden Gesichtspunkt, dass die Abrede eines Schwarzlohns gerade beinhalte, dass Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt werden sollen. Die wesentliche Rechtsfolge einer Nettolohnvereinbarung - die Befreiung des Arbeitnehmers von seiner Lohnsteuerpflicht und seiner Beitragslast zu Lasten des Arbeitgebers - werde daher von den Parteien des illegalen Beschäftigungsverhältnisses nicht angestrebt (BGH wistra 1993, 148 m.w.N.; BSGE 64, 110, 114 f., 116); vielmehr wolle in solchen Fällen gerade auch der Arbeitgeber im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis keine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abführen. Eine derartige Vereinbarung führt zwar zur Nichtigkeit der Schwarzlohnabrede, nicht aber zu der des gesamten Beschäftigungsverhältnisses (vgl. BAGE 105, 187, 191 ff.). Die sich wegen der Nichtigkeit der Schwarzlohnabrede stellende und „früher streitige Frage, ob bei derartigen Zahlungen unter der Hand von Brutto- oder Nettolöhnen auszugehen ist“ (BTDrucks. 15/726 S. 3 f.), hat der Gesetzgeber nun mit der in § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV normierten Fiktion einer Nettolohnvereinbarung eindeutig und abschließend geklärt (BTDrucks. aaO).
14
(2) Der Schuldumfang bei Straftaten der Beitragsvorenthaltung gemäß § 266a StGB im Rahmen von illegalen, aber versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen bestimmt sich nach dem nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben zu ermittelnden Bruttoentgelt und der hieran anknüpfenden Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge. Vorenthalten im Sinne von § 266a StGB sind die nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften tatsächlich geschuldeten Beiträge. Denn der Straftatbestand des § 266a StGB ist sozialrechtsakzessorisch ausgestaltet (BGHSt 47, 318 f.; 51, 125, 128 m.w.N.; 52, 67, 70). Der Umfang der abzuführenden Beiträge bestimmt sich daher, wie die Abführungspflicht selbst, nach materiellem Sozialversicherungsrecht. Ein entgegenstehender Wille der Vertragsparteien des Beschäftigungsverhältnisses ist im Strafrecht ebenso unbeachtlich wie im Sozialversicherungsrecht. Für die Beurteilung, ob ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis vorliegt, sind allein die tatsächlichen Gegebenheiten maßgeblich. Liegt danach ein Arbeitsverhältnis vor, können die Vertragsparteien die sich hieraus ergebenden Beitragspflichten nicht durch eine abweichende vertragliche Gestaltung beseitigen (vgl. BGH NStZ 2001, 599, 600). Nach den tatsächlichen Verhältnissen bemessen sich auch die Sozialversicherungsbeiträge. Dabei entspricht die Lohnzahlung aufgrund einer Schwarzlohnabrede nach der Wertung des Gesetzgebers bei Einführung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise dem Nettoarbeitsentgelt eines legalen Beschäftigungsverhältnisses (BTDrucks. 14/8221 S. 14). Eine rechtmäßige Vereinbarung, nach der dem Arbeitnehmer das tatsächlich ausgezahlte Entgelt verbleibt, ohne dass hierfür Sozialversicherungsbeiträge aus einem nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ermittelten Bruttoentgelt berechnet werden, kann nicht getroffen werden.

15
(3) Der Umstand, dass der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV, mit der dem Phänomen der illegalen Beschäftigung entgegengewirkt werden soll (vgl. BTDrucks. 15/726 S. 3 f.), im Ergebnis Sanktionscharakter zukommt (vgl. Klattenhoff in Hauck/Noftz SGB, 38. Lfg. 2003, § 14 SGB IV Rdn. 43 Fußnote 194), steht der Anwendung dieser Norm bei der Bestimmung des Umfangs der im Sinne von § 266a StGB vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge nicht entgegen. Zwar bezweckt diese Vorschrift auch, den Arbeitgeber von einer Schwarzlohnabrede abzuhalten (vgl. BAGE 105, 187, 194). Jedoch ist dies nicht alleiniger Zweck der Vorschrift. Vielmehr soll § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV Beweisschwierigkeiten beseitigen und der wirtschaftlichen Situation bei einer Schwarzlohnabrede Rechnung tragen (BTDrucks. 14/8221 S. 14). Damit hat die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV einen materiellen Regelungsgehalt und nicht den Charakter eines Säumnis- oder Verspätungszuschlages oder eines Zwangsgelds (vgl. dazu BGHSt 43, 381, 400 ff.).
16
(4) Der Senat verkennt nicht, dass die Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV im Rahmen der Strafnorm des § 266a StGB zur Folge hat, dass insoweit ein anderes Bruttoentgelt zugrunde zu legen ist als bei der Bestimmung des Verkürzungsumfangs der bei Schwarzlohnabreden zumeist ebenfalls verwirklichten Hinterziehung von Lohnsteuer (vgl. Heitmann in MüllerGugenberger /Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl. 2006, § 36 Rdn. 26; Boxleitner in Wabnitz/Janovsky, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 2007, Kap. 17 Rdn. 59 Fn. 89). Von der Schaffung einer der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV entsprechenden Norm im Steuerrecht hat der Gesetzgeber aber wegen des dort geltenden Zuflussprinzips bewusst abgesehen (BTDrucks. 15/2948 S. 7, 20). Demgegenüber gilt im Sozialversicherungsrecht grundsätzlich das Entstehungsprinzip (§ 22 Abs. 1 SGB IV, BGHSt 47, 318, 319; vgl. auch BSGE 41, 6, 11; 54, 136 ff.; 59, 183, 189; 75, 61, 65), das auch bei der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV Anwendung findet (einschränkend Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 57. Ergän-zungslieferung 2008 SGB IV § 14 Rdn. 139; vgl. aber BAGE 105, 187, 191 ff.). Diese Unterschiede zwischen Lohnsteuer und Sozialabgaben rechtfertigen auch für das Strafrecht eine unterschiedliche Bemessungsgrundlage für die Hinterziehung von Lohnsteuer einerseits und das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen andererseits (vgl. BGHSt 47, 318, 319 zu § 266a StGB: „unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird“).
17
(5) Der Umstand, dass die Fiktion einer Nettolohnvereinbarung gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV zu einem Bruttoarbeitsentgelt führen kann, das den Wert der Arbeitsleistung übersteigt (vgl. BSGE 64, 110, 117; Boxleitner aaO Kap. 17 Rdn. 59), steht der Anwendung der Vorschrift § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bei der Bemessung der im Sinne von § 266a StGB vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge ebenfalls nicht entgegen. Auch insoweit ist zu berücksichtigen , dass eine rechtmäßige Vereinbarung, nach der dem Arbeitnehmer das tatsächlich ausgezahlte Entgelt verbleibt, ohne dass hierfür Sozialversicherungsbeiträge aus einem nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ermittelten Bruttoentgelt berechnet werden, nicht getroffen werden kann (vgl. oben [2]). Die strafrechtliche Verantwortlichkeit wird in diesem Zusammenhang lediglich durch die dem Straftatbestand des § 266a StGB als echtem Unterlassungsdelikt immanente Tatbestandsvoraussetzung beschränkt, dass dem Arbeitgeber die Erfüllung der Handlungspflicht möglich und zumutbar sein muss (BGHSt 47, 318, 320). An der Zumutbarkeit der Zahlung der gegenüber der legalen Beschäftigung erhöhten Sozialversicherungsbeiträge bestehen hier keine Zweifel, denn der Angeklagte verschaffte sich durch die Schwarzlohnabrede wirtschaftliche Vorteile im Wettbewerb gegenüber legal tätigen Arbeitgebern.

18
(6) Auch gegen die Berechnung des Bruttoarbeitsentgelts auf der Grundlage der Lohnsteuerklasse VI bestehen im vorliegenden Fall keine Bedenken (vgl. Boxleitner aaO Kap. 17 Rdn. 59 und SG Dortmund, Urt. vom 8. September 2008 - S 25 R 129/06 - BeckRS 2008 57420). Nach § 39c EStG ist diese Steuerklasse zu Grunde zu legen, wenn bei einem Arbeitsverhältnis die Lohnsteuerkarte dem Arbeitgeber nicht vorgelegt wird. Bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen besteht regelmäßig kein Grund zu der Annahme, dass die Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ihre Lohnsteuerkarte vorgelegt haben. Mangels erkennbarer Anhaltspunkte für eine andere Handhabung ergibt sich hier auch aus dem Zweifelsgrundsatz nichts anderes (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36 m.w.N.).

IV.

19
Auch die tatrichterliche Strafhöhenbemessung wegen Steuerhinterziehung ist rechtsfehlerfrei. Die dem angefochtenen Urteil insoweit zugrunde liegenden Strafzumessungserwägungen tragen den nachfolgend dargelegten Kriterien Rechnung, die bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung Anwendung finden müssen:
20
1. Grundlage für die Zumessung der Strafe ist bei einer Steuerhinterziehung - wie bei jeder anderen Straftat auch - die persönliche Schuld des Täters. Dabei sind auch die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 StGB). § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB bestimmt, dass bei der Zumessung der Strafe die Umstände gegeneinander abzuwägen sind, die für und gegen den Täter sprechen. Dabei kommen namentlich die in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB genannten Umstände in Betracht.

21
2. Bei der Zumessung einer Strafe wegen Steuerhinterziehung hat das von § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB vorgegebene Kriterium der „verschuldeten Auswirkungen der Tat“ im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung besonderes Gewicht. „Auswirkungen der Tat“ sind insbesondere die Folgen für das durch die Strafnorm geschützte Rechtsgut. Das durch § 370 AO geschützte Rechtsgut ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d.h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens (vgl. BGHSt 36, 100, 102; 40, 109, 111; 41, 1, 5; 46, 107, 120). Deshalb ist die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsumstand i.S.d. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. auch BGH wistra 1998, 269, 270).
22
Das gilt nicht nur für die Strafrahmenwahl (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO), sondern auch für die konkrete Strafzumessung in dem - wie hier vom Landgericht - zugrunde gelegten Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO. Dass der Hinterziehungsbetrag nicht nur ein bestimmender Strafzumessungsfaktor, sondern darüber hinaus, dann wenn er hoch ist, ein auch für die konkrete Strafzumessung gewichtiger Strafschärfungsgrund ist, zeigt insbesondere die gesetzgeberische Wertung in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO.
23
Schon die bis Ende des Jahres 2007 - und damit noch zur Tatzeit geltende - Fassung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO hob die Höhe des Hinterziehungsbetrags als einen Umstand heraus, der zur Verschärfung des Strafrahmens führen konnte. Danach war in der Regel ein nur mit Freiheitsstrafe (von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) bedrohter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung gegeben, wenn der Täter „aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt“. Zwar musste nach der früheren Fassung für die Erfüllung des Regelbeispiels zu dem objektiven Merkmal „in großem Ausmaß“ noch das subjektive Merkmal „aus grobem Eigennutz“ hinzukommen, gleichwohl hatte der Gesetzgeber schon damals zum Ausdruck gebracht, dass die Strafhöhenbemessung maßgeblich auch von der Höhe des Hinterziehungsbetrags bestimmt wird.
24
3. Auch wenn der Hinterziehungsbetrag ein bestimmender Strafzumessungsgrund für die Steuerhinterziehung ist, kann allein dessen Ausmaß für die Strafhöhenbemessung nicht in dem Sinne ausschlaggebend sein, dass die Strafe gestaffelt nach der Höhe des Hinterziehungsbetrags schematisch und quasi „tarifmäßig“ verhängt wird. Jeder Einzelfall ist vielmehr nach den von § 46 StGB vorgeschriebenen Kriterien zu beurteilen.
25
Das schließt indes nicht aus, die Strafhöhe an den vom Gesetzgeber auch in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO vorgegebenen Wertungen auszurichten. Das gilt auch für die konkrete Strafzumessung innerhalb des gefundenen Strafrahmens , und zwar auch beim Normalstrafrahmen des § 370 Abs. 1 AO. Gerade auch bei der Bemessung der schuldangemessenen Strafe kommt dem Merkmal „großes Ausmaß“ Bedeutung zu, weil es aufzeigt, wann der Gesetzgeber eine Freiheitsstrafe (mit erhöhtem Mindestmaß) für angebracht hält. Dazu bedarf das Merkmal einer näheren Konturierung.
26
Der Senat ist der Ansicht, dass insoweit vergleichbare Kriterien wie für das wortgleiche Merkmal in § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB (auf das auch § 263a Abs. 2, § 266 Abs. 2 StGB verweisen) zur Anwendung kommen müssen.
27
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 48, 360; BGH wistra 2004, 262, 263; StV 2007, 132) erfüllt ein Vermögensverlust von mehr als 50.000 € beim Regelbeispiel des besonders schweren Falles des Betrugs (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB) das Merkmal „in großem Ausmaß“. Dazu hatte der Senat in BGHSt 48, 360 ausgeführt: „Der Begriff des Vermögensverlustes großen Ausmaßes ist nach objektiven Gesichtspunkten zu bestimmen … Die Abgrenzung, die sich für § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB wertmäßig an einem Vermögensverlust in Höhe von 50.000 € ausrichtet, schafft für die Praxis Rechtssicherheit. Im Einzelfall bleibt genügend Spielraum für eine gerechte Straffindung. Der Tatrichter hat ohnehin im Rahmen einer Gesamtbetrachtung auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des Regelbeispiels zu bewerten, ob tat- oder täterbezogene Umstände vorliegen, die die Indizwirkung des Regelbeispiels aufheben und trotz seiner Verwirklichung zur Verneinung eines besonders schweren Falles führen können, oder ob auch ohne dass dieses Regelbeispiel erfüllt ist besondere Umstände einen unbenannten besonders schweren Fall zu begründen vermögen oder etwa ein anderes benanntes Regelbeispiel anzunehmen ist.“
28
b) Das vergleichbare Merkmal des „großen Ausmaßes“ im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO hat der Bundesgerichtshof bislang nicht - wie beim Betrug - betragsmäßig bestimmt. Das lag in erster Linie daran, dass bei der früheren Gesetzesfassung - zu der die Entscheidungen ergangen sind - die objektive Komponente („großes Ausmaß“) mit der subjektiven Komponente („aus grobem Eigennutz“) verknüpft war, so dass eine eigenständige Auslegung nur des Merkmals „großes Ausmaß“ nicht veranlasst war.
29
Wegen der Verknüpfung von objektivem und subjektivem Merkmal hatte der Bundesgerichtshof eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände gefordert (vgl. BGH wistra 1993, 109,110). Von Bedeutung war dabei insbesondere, ob sich das Ausmaß aus dem noch durchschnittlich vorkommen- den Verkürzungsumfang heraushebt und ob ein „Täuschungsgebäude großen Ausmaßes“ vorliegt (vgl. BGH wistra 1987, 71, 72).
30
Auch in der Kommentarliteratur finden sich bisher sehr unterschiedliche und daher keine hinreichend klaren Maßstäbe für eine Grenzziehung. Während überwiegend - indes unter Geltung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO aF - für die Annahme des „großen Ausmaßes“ eine Hinterziehung in Millionenhöhe für erforderlich erachtet wurde (Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 270; Klein/Gast-de Haan, AO 9. Aufl. § 370 Rdn. 68; Scheurmann -Kettner in Koch/Scholz, AO 5. Aufl. § 370 Rdn. 59), finden sich in der neueren Literatur Stimmen, die eine Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ bereits ab einem Mindestbetrag von 50.000 € für möglich erachten (Kohlmann, Steuerstrafrecht 38. Lfg. August 2008 § 370 AO Rdn. 1099.7; Schäfer /Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl. Rdn. 1022). Demgegenüber nehmen andere Autoren auch für die neue Fassung des Merkmals ein „großes Ausmaß“ erst bei einem Betrag von 500.000 € (Blesinger in Kühn/v. Wedelstädt, AO und FGO, 19. Aufl. § 370 AO Rdn. 114) oder einer Hinterziehung in Millionenhöhe an (Rolletschke in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen , 87. Ergänzungslieferung § 370 AO Rdn. 169) und halten teilweise auch weiterhin auch für die Bejahung des Merkmals eine Gesamtschau aller Umstände für erforderlich (Rolletschke in Stbg 2008, 49 und in Rolletschke/ Kemper aaO).
31
c) Das Merkmal „in großem Ausmaß“ im Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO bedarf nach Ansicht des Senats - in gleicher Weise wie beim Betrug - der Interpretation durch die Gerichte. Nur dann erhält das Merkmal seine den Anforderungen der Rechtssicherheit gerecht werdenden Konturen. Für eine Vergleichbarkeit mit dem Betrug spricht auch, dass der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in BGHSt 50, 299, 309 zu Recht ausgeführt hat, es sei geboten, „dem drohenden Ungleichgewicht zwischen der Strafpraxis bei der allgemeinen Kriminalität und der Strafpraxis in Steuer- und Wirtschaftsstrafverfahren entgegenzutreten und dem berechtigten besonderen öffentlichen Interesse an einer effektiven Strafverfolgung schwerwiegender Wirtschaftskriminalität gerecht zu werden.“
32
Dass der Gesetzgeber nicht selbst bestimmt hat, wann bei der Prüfung des Regelbeispiels von einem großen Ausmaß auszugehen ist, steht einer verfassungskonformen Auslegung nicht entgegen. Anders mag das etwa bei der Verwendung des Begriffs des großen Ausmaßes als Tatbestandsmerkmal eines Verbrechenstatbestandes sein (vgl. zu dem inzwischen aufgehobenen § 370a AO: BGH wistra 2004, 393 ff.; 2005, 30 ff.). Wie beim Begriff des Vermögensverlustes großen Ausmaßes im Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall des Betruges in § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB ist der Begriff des großen Ausmaßes auch in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in erster Linie nach objektiven Kriterien zu bestimmen. Zwar ist anerkannt, dass die Auslegung tatbestandsspezifisch zu erfolgen hat; gleichwohl ist bei von der Begehungsweise und vom Unwertgehalt ähnlichen Delikten wie dem Betrug und der Steuerhinterziehung eine einheitliche Grenzziehung in Betracht zu ziehen (vgl. BGHSt 48, 360, 364).
33
Dem steht nicht entgegen, dass sich, anders als bei der Einführung des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB (vgl. BTDrucks. 13/8587 S. 43), in den Materialien zur Gesetzesentstehung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nF keine Anhaltspunkte dafür finden, ab welchem Grenzwert der Gesetzgeber eine Steuerhinterziehung von „großem Ausmaß“ als gegeben erachtet. Begründet wird lediglich die Streichung des einschränkenden subjektiven Merkmals des „groben Eigennutzes“ (BTDrucks. 16/5846 S. 75). Dass der Gesetzgeber hierbei an die Rechtsprechung anknüpfen wollte, die den Begriff des „großen Ausmaßes“ in den § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB konkretisierte, kann daher nicht ohne weiteres angenommen werden. Allerdings wollte der Gesetzgeber bereits mit der Einführung des § 370 Abs. 3 AO zum Ausdruck bringen, dass die Steuerhinterziehung „hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit und ihrer Strafwürdigkeit nicht geringer zu bewerten ist als der Betrug“ (BGHSt 32, 95, 99 mit Hinweis auf BRDrucks. 23/71 S. 194).
34
d) Der Senat ist daher der Ansicht, dass das Merkmal „in großem Ausmaß“ des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO wie beim Betrug nach objektiven Maßstäben zu bestimmen ist. Das Merkmal „in großem Ausmaß“ liegt danach nur dann vor, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 € übersteigt.
35
aa) Der Senat hat dabei auch bedacht, dass bei großen Geschäftsvolumina Steuerschäden in dieser Größenordnung schneller erreicht werden als bei wirtschaftlicher Betätigung im kleineren Umfang, dass der Tatbestand der Steuerhinterziehung regelmäßig bereits bei Gefährdung des Steueraufkommens verwirklicht wird (vgl. § 370 Abs. 4 Satz 1 AO), dass die Tatbestandsmäßigkeit weder direkten Vorsatz noch Bereicherungsabsicht voraussetzt und dass regelmäßig auch die bloße Untätigkeit den Straftatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt, weil die Abgabe von Steuererklärungen gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO).
36
Gleichwohl lassen derartige „qualitative“ Besonderheiten des Einzelfalls die Erfüllung des Ausmaßes der Steuerverkürzung unberührt, da solche Umstände die Auswirkungen der Tat auf das Steueraufkommen nicht verändern. Schutzgut des Straftatbestandes der Steuerhinterziehung ist - wie oben ausge- führt - das öffentliche Interesse am vollständigen und rechtzeitigen Aufkommen jeder einzelnen Steuerart. Im Übrigen schafft eine Abgrenzung, die sich an einer eindeutigen Betragsgrenze ausrichtet, größere Rechtssicherheit für die Praxis. Eine solche Relation von Geschäftsvolumen und Steuerschaden kann allerdings das Gewicht des Hinterziehungsbetrags bei der Strafzumessung vermindern.
37
bb) Der Umstand, dass sich die Betragsgrenze von 50.000 € an derjenigen des Vermögensverlustes großen Ausmaßes im Sinne von § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB orientiert, bedeutet zugleich, dass - ähnlich wie beim Betrug - zwischen schon eingetretenem Vermögensverlust und einem Gefährdungsschaden zu differenzieren ist:
38
(1) Die Betragsgrenze von 50.000 € kommt namentlich dann zur Anwendung , wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen vom Finanzamt erlangt hat, etwa bei Steuererstattungen durch Umsatzsteuerkarusselle, Kettengeschäfte oder durch Einschaltung von sog. Serviceunternehmen. Ist hier - der „Steuerbetrug“ hat zu einem „Vermögensverlust“ geführt - diese Wertgrenze überschritten, dann ist das Merkmal erfüllt.
39
(2) Beschränkt sich das Verhalten des Täters dagegen darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, dann kann das „große Ausmaß“ höher angesetzt werden. Der Senat hält hierbei eine Wertgrenze von 100.000 € für angemessen.
40
cc) Ob die Schwelle des „großen Ausmaßes“ überschritten ist, ist für jede einzelne Tat im materiellen Sinne gesondert zu bestimmen. Dabei genügt derjenige Erfolg, der für die Vollendung der Steuerhinterziehung ausreicht (vgl. Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 268). Der Senat ist der Ansicht, dass bei mehrfacher tateinheitlicher Verwirklichung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung das „Ausmaß“ des jeweiligen Taterfolges zu addieren ist, da in solchen Fällen eine einheitliche Handlung im Sinne des § 52 StGB vorliegt, die für die Strafzumessung einer einheitlichen Bewertung bedarf.
41
e) Liegt nach diesen Maßstäben eine Hinterziehung von „großem Ausmaß“ vor, so hat dies - unabhängig von der Frage, ob die Regelwirkung einer besonders schweren Steuerhinterziehung im konkreten Fall zur Anwendung kommt - „Indizwirkung“, freilich auch nicht mehr, für die zu findende Strafhöhe. Das bedeutet:
42
Jedenfalls bei einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag wird die Verhängung einer Geldstrafe nur bei Vorliegen von gewichtigen Milderungsgründen noch schuldangemessen sein. Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 176, 178).
43
Schon deswegen wird bei der letztgenannten Fallgestaltung (Millionenbetrag ) ein Strafbefehlsverfahren regelmäßig nicht geeignet erscheinen (vgl. § 400 AO i.V.m. § 407 StPO). Hinzu kommt, dass bei Steuerverkürzungen in dieser Größenordnung in der Regel auch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Wahrung der Gleichbehandlung vor Gericht - das eine öffentliche Haupt- verhandlung am besten gewährleistet - nicht gering zu achten ist (vgl. § 407 Abs. 1 Satz 2 StPO).
44
f) Die „Indizwirkung“ des „großen Ausmaßes“ kann einerseits durch sonstige Milderungsgründe beseitigt, andererseits aber auch durch Strafschärfungsgründe verstärkt werden.
45
aa) Ein die Indizwirkung des Hinterziehungsbetrages beseitigender Milderungsgrund ist etwa gegeben, wenn sich der Täter im Tatzeitraum im Wesentlichen steuerehrlich verhalten hat und die Tat nur einen verhältnismäßig geringen Teil seiner steuerlich relevanten Betätigungen betrifft. Bedeutsam ist daher das Verhältnis der verkürzten zu den gezahlten Steuern. Hat sich der Täter vor der Tat über einen längeren Zeitraum steuerehrlich verhalten, ist auch dies in den Blick zu nehmen. In die vorzunehmende Gesamtwürdigung ist auch die Lebensleistung und das Verhalten des Täters nach Aufdeckung der Tat einzubeziehen , etwa ein (frühzeitiges) Geständnis, verbunden mit der Nachzahlung verkürzter Steuern oder jedenfalls dem ernsthaften Bemühen hierzu. Der „Schadenswiedergutmachung“ durch Nachzahlung verkürzter Steuern kommt schon im Hinblick auf die Wertung des Gesetzgebers im Falle einer Selbstanzeige (§ 371 AO) besondere strafmildernde Bedeutung zu.
46
bb) Gegen eine Geldstrafe oder - bei entsprechend hohem Hinterziehungsbetrag - eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe spricht es insbesondere, wenn der Täter Aktivitäten entfaltet hat, die von vornherein auf die Schädigung des Steueraufkommens in großem Umfang ausgelegt waren, etwa weil der Täter unter Vorspiegelung erfundener Sachverhalte das „Finanzamt als Bank“ betrachtete und in erheblichem Umfang ungerechtfertigte Vorsteuererstattungen erlangt hat oder weil der Täter die Steuerhinterziehung in sonstiger Weise ge- werbsmäßig oder gar „als Gewerbe“ betrieb. Gleiches gilt auch für den Aufbau eines aufwändigen Täuschungssystems, die systematische Verschleierung von Sachverhalten und die Erstellung oder Verwendung unrichtiger oder verfälschter Belege zu Täuschungszwecken.
47
Strafschärfende Bedeutung hat es zudem, wenn der Täter besondere Unternehmensstrukturen aufgebaut hat, die auch der Bereicherung durch Steuerhinterziehung dienen sollten, wenn der Täter das Ziel verfolgt hat, das Steueraufkommen durch wiederholte Tatbegehung über einen längeren Zeitraum nachhaltig zu schädigen, wenn er andere Personen verstrickt hat, wenn er systematisch Scheingeschäfte getätigt oder Scheinhandlungen vorgenommen hat (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 1 AO) oder wenn er in größerem Umfang buchtechnische Manipulationen vorgenommen oder gezielt durch Einschaltung von Domizilfirmen im Ausland oder Gewinnverlagerungen ins Ausland schwer aufklärbare Sachverhalte geschaffen hat (vgl. auch die Beispiele bei Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl. Rdn. 1018 m.w.N.). Solche Umstände sind bei anpassungsfähigen Hinterziehungssystemen, wie etwa den sog. Umsatzsteuerkarussellgeschäften, bei Kettengeschäften unter Einschaltung sog. „Serviceunternehmen“ und im Bereich der illegalen Arbeitnehmerüberlassungen regelmäßig gegeben (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 176, 178).
48
4. Für Steuerhinterziehungen, die seit dem 1. Januar 2008 - dem Inkrafttreten der neuen Fassung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO durch das Gesetz zur Änderung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmethoden sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG v. 21. Dezember 2007 (BGBl. I 3198) - begangen wurden, kommt der Streichung des subjektiven Merkmals „aus grobem Eigennutz“ aus dem Regelbeispiel zusätzliches Gewicht zu. Hier erfüllt schon das objektive Merkmal „großes Aus- maß“ - wie es oben vom Senat bestimmt wurde - das Regelbeispiel des besonders schweren Falles des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO.
49
Die Bejahung bzw. Verneinung des Regelbeispiels in einem ersten Prüfungsschritt bei der Strafrahmenwahl bedeutet freilich, dass - wie bei sonstigen Regelbeispielen - in einem zweiten Schritt zu prüfen ist, ob die Besonderheiten des Einzelfalls die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräften, bzw. ob - umgekehrt - ein unbenannter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegt , obwohl der Hinterziehungsbetrag unter 50.000 € liegt.
50
Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze für die Strafrahmenwahl bei Regelbeispielen. Danach entfällt die Regelwirkung, wenn diese Faktoren jeweils für sich oder in ihrer Gesamtheit so gewichtig sind, dass sie bei der Gesamtabwägung die Regelwirkung entkräften. Es müssen in dem Tun oder in der Person des Täters Umstände vorliegen, die das Unrecht seiner Tat oder seiner Schuld deutlich vom Regelfall abheben, so dass die Anwendung des erschwerten Strafrahmens unangemessen erscheint (ständige Rspr.; vgl. BGHSt 20, 121, 125). Für die hierbei vorzunehmende Gesamtabwägung haben namentlich die oben genannten Milderungs- und Schärfungsgründe Gewicht.
51
5. Gemessen daran sind die dem Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO entnommenen Einzelstrafen und die Gesamtstrafe rechtsfehlerfrei. Das Landgericht hat zu Recht den hohen Steuerschäden das ihnen zukommende Gewicht beigemessen. Namentlich die beiden Einsatzstrafen von jeweils einem Jahr und drei Monaten für die Umsatzsteuerhinterziehungen 2002 und 2003 mit hinterzogenen Steuern in Höhe von jeweils über 150.000 € werden den oben genannten Strafzumessungskriterien gerecht.

V.

52
Die Revision bemängelt, das Landgericht habe sowohl bei der Beitragsals auch bei der Steuerhinterziehung einerseits die Höhe der durch die Taten verursachten Schäden zu Lasten des Angeklagten gewertet, andererseits aber strafmildernd berücksichtigt, dass die Schäden ausgeglichen worden seien. Hiergegen ist jedoch nichts zu erinnern. Diese Strafzumessungserwägungen erweisen sich nicht als widersprüchlich. Gemäß § 46 Abs. 2 StGB sind sowohl die verschuldeten Folgen der Tat als auch die Schadenswiedergutmachung strafzumessungsrelevante Faktoren. Bei einer nachträglichen Schadenswiedergutmachung ist das Landgericht nicht gehalten, den Umfang der zunächst hinterzogenen Steuern und den Umfang der den Einzugsstellen zunächst vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge im Rahmen der Strafzumessung unberücksichtigt zu lassen.

VI.

53
Die Versagung der Strafaussetzung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten zur Bewährung hält rechtlicher Nachprüfung noch stand.
54
Allerdings weist die Revision mit Recht darauf hin, dass auch bei der gemäß § 56 Abs. 2 StGB vom Tatgericht vorzunehmenden Prüfung, ob die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, die ein Jahr übersteigt, zur Bewährung ausgesetzt werden kann, der Kriminalprognose des Täters Bedeutung zukommt. Denn die Prüfung, ob besondere Umstände von Gewicht im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB vorliegen, erfordert eine Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit des Verurteilten. Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehört auch eine günstige Kriminalprognose (vgl. BGH StV 2003, 670; BGH NStZ 1997, 434; jeweils m.w.N.). Es wäre daher rechtsfehlerhaft, die Frage der Kriminalprognose als von vornherein für die Gesamtwürdigung bedeutungslos dahinstehen zu lassen (vgl. BGH, Beschl. vom 11. Dezember 2002 - 1 StR 454/02). Anders verhält es sich aber dann, wenn das Tatgericht die Gesamtwürdigung auch auf der Basis einer günstigen Kriminalprognose durchführt und dabei zum Ergebnis gelangt, dass selbst unter dieser Prämisse besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB nicht vorliegen. Bei einem solchen Vorgehen wird die Kriminalprognose des Täters nicht als bedeutungslos angesehen ; sie hat aber im konkreten Fall auf das Ergebnis der Gesamtwürdigung keine für den Verurteilten günstigen Auswirkungen.
55
So liegt der Fall hier. Die Strafkammer hatte zwar im Hinblick auf die einschlägige Vorstrafe des Angeklagten und seinen Bewährungsbruch erhebliche Zweifel daran, dass sich der Angeklagte schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (UA S. 43). Aus dem Gesamtzusammenhang der vom Landgericht insoweit angestellten Erwägungen ergibt sich aber, dass es im Rahmen der durchgeführten Gesamtwürdigung auch unter Berücksichtigung einer günstigen Kriminalprognose zum Fehlen besonderer Umstände gelangt ist. Der Senat entnimmt der missverständlichen Formulierung in den Urteilsgründen , die Frage der Kriminalprognose könne „letztlich“ offen bleiben, nicht, die Strafkammer habe diese Frage für die nach § 56 Abs. 2 StGB als von vornherein unbeachtlich gehalten.
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 537/12
vom
22. November 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
Zur Bezifferung aufgrund unrichtiger Feststellungsbescheide nach § 182 Abs. 1
Satz 1 AO erlangter nicht gerechtfertigter Steuervorteile im Sinne von § 370
Abs. 1 AO.
BGH, Beschluss vom 22. November 2012 - 1 StR 537/12 - LG Hof
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2012 beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Hof vom 23. Mai 2012 werden als unbegründet verworfen
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen Steuerhinterziehung in insgesamt 20 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten Dr. G. unter Freispruch im Übrigen wegen elf Fällen der Beihilfe zur Steuerhinterziehung unter Einbeziehung der Einzelstrafen einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Verurteilungen liegt eine Vielzahl von unrichtigen Angaben zugrunde, die die Angeklagten zum Zwecke der Verkürzung verschiedener Steuerarten sowie der Erlangung von nicht gerechtfertigten Steuervorteilen zugunsten von rechtlich unterschiedlich organisierten Unternehmen gemacht haben bzw. durch Dritte haben machen lassen. An den Unternehmen waren sie jeweils entweder maßgeblich wirtschaftlich beteiligt oder übten faktisch bestimmenden Einfluss auf die Unternehmenstätigkeit aus.
2
Die jeweils auf die Sachrüge beschränkten Revisionen bleiben ohne Erfolg.

II.


3
1. Die Revision des Angeklagten M. beanstandet, das Landgericht habe in Bezug auf drei der begünstigten Unternehmen (C. AG; H. GmbH; MB. GmbH) für einige Steuerarten in mehreren Veranlagungszeiträumen den tatbestandlichen Erfolg des § 370 Abs. 1 AO in "nicht gerechtfertigten Steuervorteilen" als verwirklicht angenommen, ohne die weiteren steuerlichen Auswirkungen dieser Vorteile in Gestalt der zukünftigen Verkürzung der Steuern näher zu prüfen und zu beziffern. Entsprechendes wendet sie auch ein, soweit in Bezug auf die Ma. KG lediglich die Höhe der erfolgten Gewinnfeststellung angegeben ist, deren Wirkungen zum Vorteil der Kommanditistin , der H. GmbH, aber nicht beziffert wurden. Damit werde das Tatgericht den in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 126, 170, 194 ff.; BVerfG, NJW 2012, 907, 915 ff.; BVerfG StraFo 2012, 496 ff.) zur Untreue (§ 266 StGB) gestellten Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes (Art. 103 Abs. 2 GG), die auf die Steuerhinterziehung übertragbar seien, nicht gerecht. Es fehle an der nach dem genannten Maßstab gebotenen Bestimmung der Höhe der Beeinträchtigung des staatlichen Steueranspruchs. Durch diesen Verzicht gebe das Tatgericht die strafbarkeitsbegrenzende Funktion des Merkmals "Steuervorteil" auf, indem es bereits potentielle Besserstellungen des Vermögens des betroffenen Steuerpflichtigen als tatbestandsmäßigen Steuervorteil i.S.v. § 370 Abs. 1 AO ausreichen lasse. Dieser Mangel des Urteils wirke sich auch auf die Strafzumessung aus, weil die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsfaktor sei.
4
2. Mit diesen Erwägungen dringt die Revision nicht durch. Das den Angeklagten M. betreffende Urteil weist weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch Rechtsfehler zu dessen Lasten auf.
5
a) Wie die Revision an sich nicht verkennt, hat der Senat bereits entschieden , dass ein mittels tatbestandsmäßiger Verhaltensweisen gemäß § 370 Abs. 1 AO erwirkter unrichtiger Feststellungsbescheid im Hinblick auf dessen aus § 182 Abs. 1 Satz 1 AO resultierender Bindungswirkung einen "nicht gerechtfertigten Steuervorteil" und damit eine vollendete Tat darstellt (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 104-107 Rn. 21-23; Meyberg PStR 2011, 31 f.; siehe auch Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht , 21. Aufl., § 23 Rn. 36 mit Fn. 3). Die Bindungswirkung erfasst sowohl die zu niedrige Feststellung von Gewinnen als auch unberechtigte Verlustvorträge und unberechtigt nicht verbrauchte Verlustvorträge. In Anwendung dieser Rechtsprechung hat das Tatgericht - bezogen auf unterschiedliche Veranlagungszeiträume und verschiedene steuerpflichtige Unternehmen - zutreffend derartige Steuervorteile festgestellt. Das trägt den Schuldspruch wegen vollendeter Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO.
6
b) Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die strafrechtliche Untreue (§ 266 StGB) und den Betrug (§ 263 StGB), insbesondere hinsichtlich der Merkmale "Vermögensnachteil" bzw. "Vermögensschaden" (BVerfGE 126, 170, 194 ff.; BVerfG NJW 2012, 907, 915 f.; BVerfG StraFo 2012, 496, 497 f.), gibt keinen Anlass, von dem bisherigen Verständnis des "nicht gerechtfertigten Steuervorteils" nach § 370 Abs. 1 AO sowie den zu dessen Vorliegen erforderlichen Feststellungen abzugehen.
7
aa) Das Bundesverfassungsgericht leitet aus Art. 103 Abs. 2 GG für die Auslegung von Strafnormen u.a. ein Verschleifungsverbot ab (vgl. BVerfGE 92, 1, 16 f.; BVerfGE 126, 170, 198; BVerfG StraFo 2012, 496, 497). Danach darf die Auslegung derjenigen Begriffe, mit denen der Gesetzgeber das unter Strafe gestellte Verhalten beschreibt, nicht zu einer Aufgabe der durch die Tatbestandsmerkmale bewirkten Eingrenzung der Strafbarkeit führen. Merkmale des Straftatbestandes dürfen daher selbst innerhalb der durch den Wortsinn gebildeten äußersten Auslegungsgrenze nicht so ausgelegt werden, dass sie vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen (BVerfGE 126, 170, 198; BVerfG StraFo 2012, 496, 497).
8
Dem trägt die Annahme eines "nicht gerechtfertigten Steuervorteils" i.S.v. § 370 Abs. 1 AO bereits bei Erwirken eines (bindenden) Feststellungsbescheides in Bezug auf zu niedrige Gewinnfeststellungen, nicht gerechtfertigte Verlustvorträge oder ungerechtfertigt nicht verbrauchte Verlustvorträge Rechnung. Das Erlangen (vgl. § 370 Abs. 4 Satz 2 AO) eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils stellt einen von den Tathandlungen der § 370 Abs. 1 Nrn. 1-3 AO klar abgrenzbaren tatbestandsmäßigen Erfolg der Steuerhinterziehung (BGH, aaO, BGHSt 53, 99, 106 Rn. 22) dar. Aus der Vornahme der Tathandlung folgt nicht per se das Vorliegen eines solchen Steuervorteils. Vielmehr ist es in Fällen der vorliegenden Art erforderlich, dass - durch die Tathandlung mitverursacht - die Finanzbehörde einen mit der Bindungswirkung des § 182 Abs. 1 Satz 1 AO versehenen Feststellungsbescheid erlässt, der die Besteuerungsgrundlagen unrichtig feststellt. Welchen Inhalt dieser Bescheid hat, welcher Vorteil zu Unrecht festgestellt worden ist und welche Höhe der Steuervorteil (etwa der unberechtigte Verlustvortrag) hat, ist von den Strafgerichten zu ermitteln und im Urteil darzulegen. Eine verfassungsrechtlich unzulässige Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen des § 370 Abs. 1 AO ist daher mit der vom Senat vorgenommenen Auslegung des Begriffs "nicht gerechtfertigter Steuervorteil" nicht verbunden.
9
Das Tatgericht hat auf dieser Grundlage rechtsfehlerfrei in zahlreichen Konstellationen die Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile zugunsten der von den Angeklagten beherrschten Unternehmen festgestellt. Die Strafkammer hat diese Vorteile sowohl der Art als auch der Höhe nach ausgewiesen und das Vorliegen der Steuervorteile auf entsprechende Feststellungsbescheide der jeweils zuständigen Finanzbehörden gestützt.
10
bb) Art. 103 Abs. 2 GG erfordert auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG jeweils aaO) bei der Auslegung von § 370 Abs. 1 AO in der Variante des in einem "nicht gerechtfertigten Steuervorteil" liegenden tatbestandsmäßigen Erfolgs nicht, die Vollendung der Tat davon abhängig zu machen, auf der Grundlage des bezifferten Steuervorteils die (zukünftigen) Auswirkungen auf den Steueranspruch des Staates zu berechnen (anders etwa Wittig ZIS 2011, 660, 668).
11
Das Bundesverfassungsgericht hält es am Maßstab des Bestimmtheitsgrundsatzes gemessen im Grundsatz für verfassungsrechtlich unbedenklich, bei § 263 StGB und § 266 StGB die Vollendung des jeweiligen Straftatbestandes bereits dann anzunehmen, wenn lediglich die konkrete Gefahr eines gegenwärtigen Vermögensschadens bzw. Vermögensnachteils besteht (BVerfGE 126, 170, 223 ff., 226 ff. bzgl. § 266 StGB; BVerfG NJW 2012, 907, 916 bzgl. § 263 StGB für den sog. Eingehungsbetrug). Um eine mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbare Überdehnung der Straftatmerkmale "Vermögensschaden/Vermögensnachteil" auszuschließen, dürfen aber an die konkrete Gefahr des Vermögensverlustes nicht so geringe Wahrscheinlichkeitsanforderungen gestellt werden, dass dessen realer Eintritt ungewiss bleibt (BVerfG jeweils aaO). Als weitere Sicherung gegen eine Tatbestandsüberdehnung bei schadensgleicher Vermögensgefährdung bzw. Gefährdungsschaden verlangt das Bundesverfassungsgericht von den Strafgerichten - von Ausnahmen bei einfach gelagerten Fällen abgesehen - eine Bezifferung der Höhe des Vermögensschadens, deren Grundlagen in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise im Urteil auszuführen sind. Die Schätzung von Mindestschäden auf tragfähiger Grundlage ist zulässig (BVerfG jeweils aaO).
12
Die auf die Rechtsgutsverletzungsdelikte § 263 StGB und § 266 StGB bezogenen Vorgaben sind auf den "nicht gerechtfertigten Steuervorteil" als tatbestandsmäßiger Erfolg nach § 370 Abs. 1 AO nicht übertragbar. Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung ist weder in seinen tatbestandlichen Strukturen noch in dem von ihm geschützten Rechtsgut und seinem Deliktscharakter dem Betrugs- und dem Untreuestraftatbestand so ähnlich, dass eine Änderung der Voraussetzungen der Vollendung in der genannten Tatbestandsvariante veranlasst oder gar geboten wäre.
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Sowohl § 263 StGB als auch § 266 StGB verlangen als tatbestandlichen Erfolg eine durch die jeweilige tatbestandsmäßige Handlung verursachte Beeinträchtigung des strafrechtlich geschützten Vermögens einer anderen Person als dem Täter. Einen anderen, alternativ möglichen tatbestandlichen Erfolg, von dessen Eintritt die Tatvollendung abhängt, weisen sie nicht auf. Anders verhält es sich bei § 370 Abs. 1 AO. Die Steuerhinterziehung statuiert mit der Steuerverkürzung und den "nicht gerechtfertigten Steuervorteilen" alternativ zwei tatbestandsmäßige Erfolge. Wie sich auch aus § 370 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 AO ableiten lässt, geht das Gesetz von einer inhaltlichen Unterscheidung zwischen diesen beiden Tatvarianten aus. Dass die Differenzierung zwischen den Taterfolgen nicht in allen Einzelheiten geklärt ist (Joecks in Franzen/Gast/ Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., AO § 370 Rn. 83) ändert daran nichts. Die Steuerverkürzung einerseits und der "nicht gerechtfertigte Steuervorteil" andererseits beschreiben nicht lediglich einen identischen Taterfolg des § 370 Abs. 1 AO, die Gefährdung des staatlichen Steueranspruchs, aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln (so aber Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 23 Rn. 35). Mit einer solchen Betrachtung wäre das Aufgreifen der in § 370 Abs. 1 AO getroffenen Unterscheidung zwischen den Taterfolgen bei den Begriffsbestimmungen in § 370 Abs. 4 Satz 1 und 2 AO nicht zu vereinbaren (Rolletschke, Steuerstrafrecht, 4. Aufl., Rn. 87). Das Gesetz beschreibt hier - wenn auch nicht vollumfänglich im Sinne einer Legaldefinition - verschiedene Voraussetzungen für das Verkürzen von Steuern auf der einen Seite und die Erlangung von "nicht gerechtfertigten Steuervorteilen" andererseits. Der Steuerstraftatbestand trägt damit (auch) dem Steuerrecht Rechnung, das für das Besteuerungsverfahren in gesetzlich geregelten Fällen eine von der Steuerfestsetzung getrennte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zulässt (§ 157 Abs. 2, § 179 Abs. 1, § 180 AO). Diese Differenzierung aufnehmend kann innerhalb des § 370 Abs. 1 AO dem Erfolg in Gestalt der Erlangung eines "nicht gerechtfertigten Steuervorteils" bereits im Feststellungsverfahren ein weiterer Taterfolg, nämlich die Steuerverkürzung, im Festsetzungsverfahren nachfolgen (BGH, aaO, BGHSt 53, 99, 107 Rn. 23 mwN; vgl. auch Seer aaO § 23 Rn. 36 mit Fn. 3). Diese Besonderheiten der Steuerhinterziehung gegenüber den allgemeinen Vermögensdelikten §§ 263, 266 StGB legen eine Übertragung der diese betreffenden verfassungsgerichtlichen Vorgaben auf die Voraussetzungen der Tatvollendung bei § 370 Abs. 1 AO nicht nahe.
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Erst recht stehen einer solchen aber die aus dem jeweiligen Schutzzweck resultierenden Unterschiede im Deliktscharakter entgegen. Betrug (§ 263 StGB) und Untreue (§ 266 StGB) schützen das Vermögen verstanden als die Summe aller geldwerten Güter, die einer Person nach der Gesamtrechtsordnung zugewiesen sind (BGH, Beschluss vom 18. Juli 1961 - 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 263 Rn. 3). Im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale "Vermögensschaden" bzw. "Vermögensnachteil" handelt es sich jeweils um Rechtsgutsverletzungsdelikte. Die Tatvollendung verlangt grundsätzlich jeweils eine eingetretene Minderung des geschützten Vermögens dergestalt, dass sich bei einem Vergleich des Vermögenswertes vor und nach der tatbestandsmäßigen Handlung ein negativer Saldo ergeben muss (vgl. BVerfGE 126, 170, 213 f.; BVerfG NJW 2012, 907, 915 f.). Die Annahme von Tatvollendung bei einem sich als konkrete Gefahr eines gegenwärtigen Vermögensschadens bzw. Vermögensnachteils darstellenden Taterfolg ist wegen Art. 103 Abs. 2 GG lediglich in den vom Bundesverfassungsgericht gezogenen engen Grenzen (BVerfGE 126, 170, 223 ff., 226 ff.; BVerfG NJW 2012, 907, 916 f.) gestattet.
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Abweichend davon stellt sich § 370 AO nicht notwendig als Rechtsgutsverletzungsdelikt dar (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 106 Rn. 22; Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rn. 57).
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§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO lässt im Hinblick auf den Taterfolg der Steuerverkürzung deutlich erkennen, dass die Vollendung der Tat gerade keine tatsächlich eingetretene Beeinträchtigung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts , dem öffentlichen Interesse am vollständigen und rechtzeitigen Aufkommen jeder einzelnen Steuerart (BGH, Beschluss vom 23. März 1994 - 5 StR 91/94, BGHSt 40, 109, 111; BGH, Urteil vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 120; BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 80 Rn. 21 mwN; Jäger in Klein, AO, 11. Aufl., § 370 Rn. 2), ver- langt (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 106 Rn. 22). Es genügt bereits die zu niedrige Festsetzung der Steuer als solche (BGH aaO). Eine andere Betrachtung wäre mit dem Wortlaut von § 370 Abs. 4 Satz 1 AO nicht zu vereinbaren. In Bezug auf den Taterfolg der Steuerverkürzung (§ 370 Abs. 1 Variante 1 AO) erfordert die Steuerhinterziehung damit keine Verletzung des geschützten Rechtsguts (vgl. BGH aaO; Ransiek aaO, § 370 AO Rn. 57 und 59). Dementsprechend ist es für den Eintritt der Vollendung des Delikts auch nicht von Bedeutung, ob der Steuerschuldner über ausreichende finanzielle Mittel zur Begleichung der Steuerschuld verfügt. Im Gegensatz dazu kann es für die Annahme der Vollendung einer Betrugstat durchaus auf die Liquidität des Täters ankommen. So ist etwa für eine täuschungsbedingt erlangte Stundung einer Forderung anerkannt, dass es an einem Schaden und damit einem vollendeten Delikt fehlt, wenn im Zeitpunkt der Vermögensverfügung , also der Gewährung der Stundung, kein (pfändbares) Vermögen bei dem Schuldner vorhanden war (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546, 548; Fischer aaO § 263 Rn. 134).
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Für den Taterfolg "nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt" gilt Entsprechendes (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 106 Rn. 22). § 370 Abs. 4 Satz 2 AO stellt insoweit klar, dass ein Steuervorteil bereits mit dessen unberechtigter Gewährung erlangt ist. Wie sich etwa in der Konstellation des mit Bindungswirkung versehenen Feststellungsbescheides (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO) zeigt, kann eine solche Erlangung aufgrund der Gestaltung des Besteuerungsverfahrens bereits eingetreten sein, ohne dass damit wegen der in diesem Zeitpunkt noch nicht im Einzelnen absehbaren Auswirkungen auf die Steuerfestsetzung eine Minderung des staatlichen Steueraufkommens einhergeht. Die zum Ergehen eines Feststellungsbescheides über einen hinreichend bestimmten Steuervorteil führende Tathandlung nach § 370 Abs. 1 Nrn. 1-3 AO bewirkt aber gerade wegen der Bindungswirkung hinsichtlich der unrichtig festgestellten Besteuerungsgrundlagen eine Gefährdung des Steueraufkommens.
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Erweist sich damit die Steuerhinterziehung in beiden Taterfolgsvarianten nicht als Rechtsgutsverletzungsdelikt, lassen sich die für die §§ 263, 266 StGB, bei denen es sich um einen solchen Deliktstypus handelt, geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Tatvollendung nicht auf § 370 AO übertragen. Das Bundesverfassungsgericht leitet aus dem Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) Grenzen für die Ausdehnung eines Rechtsgutsverletzungserfolges ("Vermögensschaden" bzw. "Vermögensnachteil") auf Konstellationen einer als Gefährdungsschaden erfassbaren hinreichend konkreten Gefährdung des geschützten Vermögens ab. Darum geht es bei § 370 AO nicht.
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c) Entgegen der von der Revision des Angeklagten M. vertretenen Auffassung gebieten weder das Verfassungsgebot schuldangemessenen Strafens noch Art. 103 Abs. 2 GG die Bezifferung der sich aus Steuervorteilen in unrichtigen Feststellungsbescheiden ergebenden Auswirkungen auf die Besteuerung der begünstigten Steuerpflichtigen als Grundlage der Strafzumessung.
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aa) Wie die Revision an sich nicht verkennt, handelt es sich bei der Höhe der hinterzogenen Steuern um einen bestimmenden Strafzumessungsfaktor (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 80 Rn. 21 mwN). Diese Bedeutung des Hinterziehungsbetrages ergibt sich daraus, dass dieser das Ausmaß der Rechtsgutsbeeinträchtigung entscheidend mitbestimmt und dieses wiederum eine wesentliche Anknüpfung für den Grad des vom Täter verschuldeten Unrechts bildet. Nach der Rechtsprechung des Senats erfolgt jedoch die Strafzumessung bei der Steuerhinterziehung ungeachtet dieser Be- deutung des Hinterziehungsbetrages nicht allein "tarifmäßig" (BGH aaO, BGHSt 53, 71, 81 Rn. 24). Den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatzes und dessen einfachgesetzlicher Ausgestaltung entsprechend richtet sich die Strafzumessung einzelfallbezogen nach den in § 46 StGB genannten Kriterien.
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bb) Diese Kriterien gelten auch für die Strafzumessung der durch Erlangung eines "nicht gerechtfertigten Steuervorteils" verwirklichten Steuerhinterziehung. Die Dimension der Gefährdung des geschützten Rechtsguts lässt sich jedenfalls für die hier vorliegenden Steuervorteile in Gestalt von zu niedrigen Gewinnfeststellungen, unberechtigten Verlustvorträgen und unberechtigt nicht verbrauchten Verlustvorträgen anhand der Höhe des im Feststellungsbescheid ausgewiesenen Steuervorteils erkennen. Angesichts der Natur des § 370 AO genügt die Berücksichtigung der Höhe des Steuervorteils ungeachtet der noch nicht bezifferten Auswirkungen auf die Steuerlast als Grundlage für die Strafzumessung. In den hier allein verfahrensgegenständlichen Fallgestaltungen von Steuervorteilen in mit Bindungswirkung versehenen Feststellungsbescheiden bleibt für den Täter auch nicht unklar, was für eine Art von Steuervorteil in welcher Höhe von ihm erlangt worden ist.
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cc) Der Feststellung und Bezifferung der Auswirkungen eines Steuervorteils in den vorliegenden Konstellationen bedarf es auch im Hinblick auf die Anwendung des Regelbeispiels aus § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nicht. Wie sich aus dessen Wortlaut ergibt, geht das Gesetz davon aus, dass das Regelbeispiel sowohl bei der Steuerhinterziehung durch Steuerverkürzung als auch bei der Erlangung von nicht gerechtfertigten Steuervorteilen verwirklicht sein kann. Ab welcher Wertgrenze ein "großes Ausmaß" gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO bei erlangten Steuervorteilen anzunehmen ist, hat die Rechtspre- chung des Bundesgerichtshofs bisher nicht zu entscheiden gehabt. Dies bedarf auch vorliegend keiner Entscheidung. Das Landgericht hat das Regelbeispiel nicht auf das Erlangen von Steuervorteilen zugunsten der verschiedenen begünstigten Gesellschaften angewendet. Da die erlangten Steuervorteile der hier fraglichen Art aber ohnehin für die Beurteilung des Vollendungseintritts nach Art und Höhe festzustellen sind, kommt eine Anwendung des Regelbeispiels anhand von Wertgrenzen, wie sie der Senat bislang nach Fallkonstellationen differenzierend angenommen hat (siehe BGH aaO, BGHSt 53, 71, 85 Rn. 38 f.), grundsätzlich in Betracht.
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d) Das gegen den Angeklagten M. ergangene Urteil weist damit weder im Schuld- noch im Strafausspruch Rechtsfehler zu dessen Nachteil auf.
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3. Die Revision des Angeklagten Dr. G. bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Ein von diesem geltend gemachtes Verfahrenshindernis besteht nicht. Wie von der Revision selbst vorgetragen wird, ist eine Einstellung gemäß § 154 Abs. 1 StPO, die ohnehin nicht zu einem Verfahrenshindernis führen würde (Beulke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 154 Rn. 51; Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, § 154 Rn. 43), nicht erfolgt.
Nack Wahl Rothfuß Jäger Radtke

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.