Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zustimmung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik zur Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik.

Die Klägerin beantragte am 22. Januar 2016 bei der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik unter Vorlage des Ergebnisses eines humangenetischen Beratungsgesprächs vom 15. Januar 2016 bei „…  einer ärztlichen Stellungnahme der Praxis … sowie eines Gutachtens von Dr. med. … vom …, die Zustimmung zur Vornahme einer Präimplantationsdiagnostik.

Zur Anamnese lässt sich dem Schreiben von „…“ entnehmen, dass beim potentiellen Kindsvater die molekulargenetische Analyse des DMPK-Gens (myotone Dystrophie Proteinkinase) eine Verlängerung des CTG-Repeats im 3'-untranslatierten Bereich von 500 bis 1.000 Repeats (...) ergeben habe. Er sei das zweite von zwei Kindern der Eltern. Zur Zeit des Beratungsgespräches am 15. Januar 2016 sei der Partner der Klägerin 43 Jahre alt gewesen. Er habe eine deutliche Muskelschwäche und weitere Symptome einer myotonen Dystrophie gezeigt, ebenso wie seine ältere Schwester und sein Vater. Der Zwillingsbruder des Vaters sei im Alter von 59 Jahren an den Folgen der myotonen Dystrophie verstorben. In der Familie des Lebenspartners der Klägerin werde ein instabiles verlängertes Allel im DMPK-Gen weitergegeben, was bei ihm und seiner Schwester zu Symptomen einer myotonen Dystrophie führe. Die Wahrscheinlichkeit, dass es im Falle einer Schwangerschaft zu der Geburt eines Kindes mit einer myotonen Dystrophie Typ 1 komme, liege bei 50%.

Die bei der Klägerin und ihrem Partner durchgeführten Chromosomenanalysen hätten unauffällige Chromosomensätze ergeben.

Dem Schreiben der … lässt sich entnehmen, dass die Repeat-Verlängerung von 500 bis 1.000 eine Verlängerung sei, wie sie bei Patienten gefunden werde, die in der Regel im Erwachsenenalter erkrankten. Aus dieser Verlängerung lasse sich kein Rückschluss auf den zukünftigen Krankheitsverlauf ziehen. Erfahrungsgemäß würden innerhalb einer Familie sehr unterschiedliche Krankheitsverläufe beobachtet.

Dem Befundbericht der … ist zum Punkt myotone Dystrophie zu entnehmen, dass zu den bisherigen Kontrolluntersuchungen eine augenärztliche Abklärung im Hinblick auf eine Katarakt und evtl. ein Ultraschall mit der Frage nach Gallensteinen sinnvoll sei. Es sei möglich, dass bei myotoner Dystrophie leicht erhöhte Tumorrisiken bestünden, dies sei jedoch nicht abschließend zu beurteilen. In einer wissenschaftlichen Publikation von 2012 würden Schilddrüsentumore, Prostatakrebs, Hodentumore und Melanome der Aderhaut am Auge als mögliche Lokalisationen genannt. Dies solle bei den Vorsorgeuntersuchungen berücksichtigt werden. Das Wiederholungsrisiko für Kinder liege - unabhängig von dem Geschlecht - bei 50%. Die Repeatlänge von 1.000 Repeats könne auch ohne weitere Repeatverlängerung zu einer kongenitalen (bei Geburt vorhandenen) Form der myotonen Dystrophie führen. Wie wahrscheinlich dies sei, lasse sich nicht zuverlässig beurteilen. Bei einem von myotoner Dystrophie betroffenen Kind lasse sich vorgeburtlich in der Regel keine genaue Aussage über den Schweregrad der Erkrankung machen. Die intrafamiliäre Variabilität sei dem Partner der Klägerin angesichts der Symptomatik seiner Schwester bei gleichen Repeatlängen (zumindest im Blut) bewusst.

Aus dem Protokoll der Sitzung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik vom … … … ergibt sich, dass sich bei dem potentiellen Vater im Alter von 43 Jahren Krankheitssymptome gezeigt hätten. Das Paar habe bereits eine PID durchführen lassen. Zu einem Zeitpunkt, als die PID in Deutschland noch strafbar gewesen sei, seien die Embryonen zur Untersuchung nach Spanien geschickt worden. Drei Embryonen, die wohl gesund gewesen seien, seien implantiert worden, dies habe jedoch nicht zu einer Schwangerschaft geführt. Es wurde kritisiert, dass im humangenetischen Beratungsgespräch, wie explizit dokumentiert, nicht über die klinischen Merkmale der myotonen Dystrophie gesprochen worden sei. Dies sei vermutlich unterblieben, da die Erkrankung aufgrund der Familiengeschichte bekannt sei. Neben dem Mann seien sowohl seine Schwester, diese zudem schwer, selbst betroffen, ebenso wie auch der Vater und dessen Zwillingsbruder hieran erkrankt gewesen seien. Da die angeborene Form der myotonen Dystrophie in der Regel nur über die Mutter vererbt werde, bestehe lediglich eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, dass bei Nachkommen eine schwere kindliche Form des Krankheitsbildes vorliege. Eine Erkrankung werde vermutlich wie beim Mann selbst erst im höheren Lebensalter erkennbar und nicht schwerer ausgeprägt sein als bei diesem. Die Ethikkommission lehnte den Antrag der Klägerin daraufhin mit acht Stimmen, also einstimmig, ab.

Mit Bescheid vom 7. März 2016, der Klägerin zugestellt am 21. März 2016, lehnte die Ethikkommission den Antrag auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik ab (Ziffer I.) und legte der Klägerin die Kosten des Verfahrens auf (Ziffer II.). Zur Begründung wird ausgeführt, vorliegend lägen bei der Klägerin die Voraussetzungen für eine schwerwiegende Erbkrankheit nach § 3a Abs. 2 Satz 1 Embryonenschutzgesetz (ESchG) nicht vor. Unter „Erbkrankheiten“ verstehe man nach derzeitigem Kenntnisstand monogen bedingte Erkrankungen oder Chromosomenstörungen.

„Schwerwiegend“ sei eine Erberkrankung, wenn sie sich durch eine geringe Lebenserwartung oder Schwere des Krankheitsbildes und schlechte Behandelbarkeit von anderen Erbkrankheiten wesentlich unterscheide. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht gegeben. Aus den vorgelegten humangenetischen Gutachten vom … … …, vom … … … und vom … … … gehe hervor, dass bei ihrem Partner eine Verlängerung des CTG-Repeats im 3'-untranslatierten Bereich von 500 bis 1.000 Repeats im DMPK-Gen vorliege. Damit liege bei ihm eine Anlageträgerschaft für eine myotone Dystrophie Typ 1 (Curschmann-Steinert) vor. Diese Muskelerkrankung folge einem autosomal dominanten Erbgang, sodass für ihre Nachkommen eine Erkrankungswahrscheinlichkeit i.H.v. 50% bestehe. Charakteristische Symptome seien Muskelsteifheit und langsam fortschreitende Muskelschwäche, speziell der Gesichtsmuskeln, der Hals- und Nackenmuskulatur und der Muskeln der Unterarme und dem unteren Abschnitt der Beine. Andere Organe könnten ebenfalls betroffen sein. Das Alter bei Krankheitsbeginn und der Charakter der Symptome hingen stark von der Länge der CTG-Repeatsequenz ab. Bei einer ganz beachtlichen Zahl von Patienten werde die Erkrankung aber erst im höheren Lebensalter erkennbar. Insbesondere im Fall der Klägerin - die Erkrankung werde über den Vater vererbt - bestehe lediglich eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, dass bei den Nachkommen eine schwere kindliche Form des Krankheitsbildes vorliege. Die Ethikkommission habe bei ihrer Entscheidung berücksichtigt, dass sich die Klägerin in einem inneren seelischen Konflikt befinde, da sie sich Kinder wünsche, jedoch eine Pränataldiagnostik und einen möglichen Schwangerschaftsabbruch fürchte. Gleichwohl sei die Ethikkommission nach ausführlicher Beratung zu dem Ergebnis gekommen, dass im Fall der Klägerin die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG nicht erfüllt seien.

Gegen diesen Bescheid ließ die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 14. April 2016 Klage erheben, die mit Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 10. Mai 2017, dem Prozessbevollmächtigten zugestellt am 4. Juli 2017, abgewiesen wurde.

Zur Begründung seiner Entscheidung ging das Verwaltungsgericht zunächst davon aus, dass zwischen den Beteiligten das Vorliegen einer genetischen Disposition des Partners der Klägerin für die Krankheit myotone Dystrophie Typ 1 und das hohe Risiko der Weitervererbung an Nachkommen (50%) unstreitig sei. Streitig sei jedoch, ob die myotone Dystrophie Typ 1 eine schwerwiegende Erbkrankheit i.S.d. § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG darstelle.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe der Ethikkommission bzgl. dieses Tatbestandsmerkmals ein Beurteilungsspielraum zu, der dazu führe, dass gerichtlich lediglich nachprüfbar sei, ob die Ethikkommission von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen sei, ob sie die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums eingehalten und die richtigen Wertmaßstäbe angewendet habe. Das Gericht könne jedoch nicht seine eigene Wertung, ob die myotone Dystrophie Typ 1 eine schwerwiegende Erbkrankheit darstelle oder nicht, an die Stelle der Wertung der Ethikkommission setzen. Bei der Ethikkommission handle es sich um ein weisungsfreies Gremium mit einer besonderen, pluralistischen Zusammensetzung und hoher eigener Sachkunde. Das Verwaltungsgericht verwies insbesondere auf §§ 4, 6 Abs. 4 Satz 1 PIDV sowie auf Art. 2 Abs. 3 Satz 1 des Bayerischen Ausführungsgesetzes zur PIDV. Außerdem sei maßgebliches Indiz für die Annahme des Beurteilungsspielraums das Fehlen hinreichend bestimmter Entscheidungsvorgaben in der gesetzlichen Ermächtigung und die Maßgeblichkeit von Erwägungen, die außerhalb des rechtlich exakt erfassbaren Bereiches lägen. Bei § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG sei nicht nur eine Tatsachenfeststellung und deren Subsumption erforderlich, da ein erheblicher Einschlag wertender Elemente notwendigerweise in die Prüfung mit einfließen müsse. So seien die Schwere des Krankheitsbildes einer Erbkrankheit und deren schlechte Behandelbarkeit nicht anhand objektiver Maßstäbe bestimmbar, sondern setzten eine stark wertende Betrachtung voraus. Auch sei ein Vergleich mit anderen Erbkrankheiten wertend erforderlich. Eine Objektivierung der Maßstäbe für die Annahme einer schwerwiegenden Erbkrankheit sei unmöglich und Erwägungen außerhalb des exakt bestimmbaren, rechtlichen Bereichs maßgeblich. Was in einem Einzelfall eine schwerwiegende Erbkrankheit darstelle, könne in einem anderen Einzelfall unter Berücksichtigung der oben maßgeblichen Punkte möglicherweise nicht als schwerwiegend anzusehen sein. Im Rahmen einer solchen Abwägung stieße ein Gericht an seine Erkenntnisgrenzen, da von ihm mangels eigener Kompetenz mindestens je vier ärztliche Sachverständigengutachten für eine Vielzahl von verschiedenen, miteinander zu vergleichenden Krankheiten einzuholen wären. Insbesondere die erwünschte Wertung des Kommissionsmitglieds für Ethik und der Kommissionsmitglieder für Patienten- und Behindertenrechte könnten auf diesem Weg nicht ausreichend spezifisch einfließen.

Unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums der Ethikkommission sei diese von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen, habe die Grenzen ihres Beurteilungsspielraumes eingehalten und die richtigen Wertmaßstäbe angewendet.

Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht München am selben Tag, ließ die Klägerin Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 10. Mai 2017 einlegen.

Im Wesentlichen lässt sie geltend machen, das angegriffene Urteil sei insbesondere deswegen rechtswidrig, weil die Annahme des Bayerischen Verwaltungsgerichts, § 3a ESchG begründe einen Beurteilungsspielraum zu Gunsten der Ethikkommission, rechtlich unzutreffend sei. Das Urteil beruhe auf diesem Rechtsfehler. Hätte das Verwaltungsgericht München in rechtlich zutreffender Weise angenommen, dass es sich um eine gebundene Rechtsgrundlage handele, hätte es die Klage nicht abweisen dürfen. Selbst wenn man von der Existenz eines Beurteilungsspielraums ausgehe, sei das Urteil immer noch fehlerhaft, weil es die Anwendung dieses Spielraums nicht streng genug geprüft habe.

Insbesondere wird ausgeführt, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 ESchG gerichtlich voll überprüfbar sei. Um das Vorliegen einer schwerwiegenden Erbkrankheit zu bejahen, sei - anders als von der Ethikkommission angenommen - nicht im Sinne des § 15 Abs. 2 GenDG auf eine relevante Sterblichkeitswahrscheinlichkeit im Kindesalter abzustellen. Der Entscheidung der Ethikkommission sei nicht zu entnehmen, welche Merkmale des § 3a ESchG sie ihrer Entscheidung zugrunde gelegt habe. Relevant sei nicht, wie sich die Krankheit des Kindes beim betroffenen Elternpaar auswirke. Für die Klägerin sei jedenfalls unzumutbar, die Ungewissheit der Erkrankung hinzunehmen.

Außerdem erweise sich die Entscheidung der Ethikkommission auch dann als rechtswidrig, wenn man vom Bestehen eines Entscheidungsspielraums ausgehe. Denn nach überwiegender Auffassung beziehe sich ein solcher nur auf die Subsumption unter die unbestimmten Rechtsbegriffe, nicht jedoch auf deren Auslegung. Der Entscheidung der Ethikkommission sei aber schon nicht zu entnehmen, wie sie die Tatbestandsvoraussetzung des § 3a Abs. 2 ESchG verstehe.

Das Verwaltungsgericht habe das Verfahren der Ethikkommission nicht kontrollieren können, da keinerlei Protokolle oder sonstige Dokumentation vorgelegen habe. Der Sachverhaltsvortrag sei seitens der Ethikkommission nur sehr dünn gewesen. Damit habe sich das Verwaltungsgericht nicht zufrieden geben dürfen.

Es sei unklar, von welchem Sachverhalt die Ethikkommission bei ihrer Entscheidung ausgegangen sei. Insbesondere habe das Gericht nicht kontrolliert, auf welcher Grundlage die Ethikkommission zu der Einschätzung gelangt sei, dass nur eine kleine Wahrscheinlichkeit bestehe, dass dem gemeinsamen Kind das gleiche Schicksal widerfahren könne wie der Schwester des potentiellen Kindsvaters.

Die tragenden Gründe der Versagungsentscheidung seien nicht genannt, sodass nicht einmal eine gerichtliche Willkürkontrolle habe stattfinden können.

Mit Schriftsatz vom 28. Februar 2019 machte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin weitere Ausführungen, auf die verwiesen wird. Insbesondere macht er geltend, die Höhe des Risikos bemesse sich nicht allein nach der Wahrscheinlichkeit des Eintritts. Vielmehr sei der Begriff „Risiko“ das Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensschwere. Dies habe der Gesetzgeber damit deutlich gemacht, dass der Normtext des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG im Gesetzgebungsverfahren nach der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses vom 30. Juni 2011 (BT-Drs. 17/6400) von „hoher Wahrscheinlichkeit“ in „hohes Risiko“ geändert worden sei. Aus der Annahme, dass in 90 - 95% der Fälle die kongenitale Form maternal vererbt werde, ergebe sich kein Rückschluss auf die Wahrscheinlichkeit paternaler Vererbung. Es handle sich im Übrigen auch bei der klassischen Form der DM1 um eine schwere Behinderung. Dies sei unschwer am Krankheitsverlauf der Schwester des potentiellen Kindsvaters zu sehen, die bei gleicher Repeatanzahl ungleich schwerer erkrankt sei. Sie sei seit 1997 verrentet bei einem GdB von 100%, habe kognitive Einschränkungen, sei seit fünf Jahren rollstuhlpflichtig, sei schwerhörig und nachts beatmungspflichtig. Beim potentiellen Kindsvater seien rückblickend die ersten Symptome mit 14 Jahren aufgetreten. Voraussichtlich werde er mit 47 Jahren erwerbsunfähig.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, die Zustimmung zur beantragten Präimplantationsdiagnostik zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass bereits im Normtext des § 3a ESchG ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum angelegt sei. Nach dem Willen des Gesetzgebers ermögliche der der Ethikkommission eingeräumte Beurteilungsspielraum eine unter Einbeziehung aller gesellschaftlichen Aspekte getroffene Entscheidung, die nicht auf „richtig“ oder „falsch“ geprüft werden solle. Ein Wertungswiderspruch zu einem Strafverfahren werde nicht gesehen. An der Rechtmäßigkeit des von der Ethikkommission angewandten Verfahrens und der der Entscheidung zugrunde gelegten Wertungsmaßstäbe bestünden keinerlei Zweifel.

Bei der myotonen Dystrophie Typ 1 würden Repeatverlängerungen auf eine Basentriplettzahl von über 1.000 in der Regel bei der Weitergabe über die mütterliche und bisher nur sehr selten bei einer Weitergabe über die väterliche Keimbahn beobachtet. Das Risiko für eine schwere, kongenitale Form der myotonen Dystrophie Typ 1 bei Nachkommen der Klägerin und ihrem Partner sei daher nach derzeitigem Kenntnisstand insgesamt als sehr niedrig einzuschätzen. Es liege etwa bei 5%. Bei dem Partner der Klägerin liege eine klassische spätmanifestierende Form mit entsprechender Repeatlänge vor, sodass ggf. (falls das 50%ige Wiederholungsrisiko sich realisiere) auch bei den Nachkommen eine ähnlich milde Form wahrscheinlich sei.

In einem Schreiben des Beklagten vom 11. März 2019 wird ausgeführt, es bestehe eine Wahrscheinlichkeit von 3%, dass auch ohne familiäre Belastung ein Kind mit einer eventuell schweren Behinderung zur Welt komme. Daran gemessen sei eine Wahrscheinlichkeit von 5% noch als gering anzusehen. Sofern es in einer Gruppe kongenital erkrankter Kinder 12,5% paternale Transmissionen gegeben habe, sei nicht davon auszugehen, dass die Väter Repeatlängen zwischen 500 und 1.000 Repeats aufwiesen. Der Gesetzgeber gebrauche die Begriffe Wahrscheinlichkeit und Risiko synonym. Eine Bedeutung dahingehend, dass in dem Begriff „Risiko“ bereits die Schwere des Krankheitsbildes enthalten sei, sei abzulehnen. Es sei aber nicht auszuschließen, dass auch eine Wahrscheinlichkeit von weniger als 25% als hohes Risiko anzusehen sei. Jedenfalls aber reiche eine Wahrscheinlichkeit von 5% nicht.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2018 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf Anfrage des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit, dass das Klagebegehren im bisherigen Umfang aufrechterhalten werde. Die Klägerin habe ein Interesse an der Klärung der Frage der Zulässigkeit der Verweigerung des Einvernehmens, da ihr Kinderwunsch trotz einer erfolgreichen Schwangerschaft weiter bestehe. Mit dem ursprünglichen Antrag sei eine Untersuchung bei dem Labor … , beabsichtigt gewesen. An diesem Vorhaben habe sich nichts geändert. Außerdem seien von der Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren eine Reihe von Anfechtungsklagen gegen die Versagung des Einvernehmens durch die Ethikkommission ruhend gestellt worden mit dem Zweck, erst das hier anhängige Verfahren abzuwarten.

Mit Schreiben vom 18. Januar 2019 übersandte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof einen Fragenkatalog an die Beteiligten, zu dem diese mit Schreiben vom 28. Januar 2019 und 15. Februar 2019 Stellung nahmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenund Gerichtsakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zur Durchführung der Präimplantationsdiagnostik (im Folgenden PID). Der streitgegenständliche Bescheid erweist sich im Ergebnis als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Die Zulässigkeit der erhobenen Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO ist gegeben, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat.

Bei der Versagung der Zustimmung zur Durchführung der PID handelt es sich um einen Verwaltungsakt nach Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, da diese Regelungscharakter mit unmittelbarer Außenwirkung hat. Eine PID, die nach § 3a Abs. 1 ESchG grundsätzlich verboten ist, darf gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG nur mit Zustimmung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik (Ethikkommission) durchgeführt werden, weshalb dieser Entscheidung Regelungswirkung zukommt.

Die Ethikkommission erfüllt die Anforderungen an den weiten funktionellen Behördenbegriff nach Art. 1 Abs. 2 BayVwVfG, weil sie Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

II.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zustimmung zur PID gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG, weil kein Rechtfertigungsgrund nach § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG vorliegt.

§ 3a ESchG ist verwaltungsrechtlich als repressives Verbot (§ 3a Abs. 1 ESchG) mit Befreiungsvorbehalt (§ 3a Abs. 2, 3 ESchG) ausgestaltet (BayVGH, U.v. 30.11.2018 - 20 B 18.290 - juris Rn. 94). Es handelt sich bei den Regelungen des § 3a Abs. 1 und 2 ESchG um Normen des Nebenstrafrechts. § 3a Abs. 3 ESchG etabliert zusätzlich mit der Zustimmung der Ethikkommission ein verwaltungsrechtliches Verfahren, dessen Prüfungsmaßstab wegen der Verweisung des § 3a Abs. 3 ESchG auf § 3a Abs. 2 ESchG das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes nach der letztgenannten Vorschrift ist.

Für die Nachkommen der Klägerin besteht zum relevanten Entscheidungszeitpunkt der Durchführung der letzten mündlichen Verhandlung kein hohes Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit. Die myotone Dystrophie Typ 1 (im Folgenden DM1) erfüllt nur in ihrer kongenitalen Form die Kriterien für eine derartig schwerwiegende Erkrankung. Für diese Form besteht aber im vorliegenden Fall kein hohes Risiko.

Zu diesem Ergebnis führt die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe „schwerwiegende Erbkrankheit“ und „hohes Risiko“ nach Wortlaut, systematischer Stellung der Norm, Sinn und Zweck der Regelung sowie unter Heranziehung der Gesetzesmaterialien, wobei der Wortlaut der Norm Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung markiert (allgemeine Meinung, vgl. BVerwG, U.v. 29.6.1992 - 6 C 11/92 - NVwZ 1993, 270, 271; U.v. 28.6.2018 - 2 C 14/17 - NVwZ 2018, 1570 - 1572, zitiert nach juris Rn. 20 m.w.N.).

Eine schwerwiegende Erbkrankheit liegt demnach nur vor, wenn die Erkrankung im Schweregrad mit der Muskeldystrophie Duchenne vergleichbar ist (1.). Ein Beurteilungsspielraum der Ethikkommission besteht hinsichtlich des Vorliegens einer schwerwiegenden Erbkrankheit nach § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG nicht. Die Entscheidung der Ethikkommission unterliegt voller gerichtlicher Nachprüfung. Ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum ist nach dem Ergebnis der Auslegung normativ nicht angelegt. Ein anderes Verständnis der Norm begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken (2.). Ein hohes Risiko liegt bei einer monogenen Erbkrankheit vor, wenn eine Eintrittswahrscheinlichkeit zwischen 25 und 50% besteht (3.). 1.

Schwerwiegend im Sinn des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG sind nur Erkrankungen, die den Schweregrad der Muskeldystrophie Typ Duchenne aufweisen. Nur in diesen Fällen soll aufgrund der Schwere des zu erwartenden Krankheitsbildes und den damit untrennbar verbundenen Auswirkungen auf ihre weitere Lebensgestaltung den Eltern nicht zugemutet werden, das hohe Risiko einzugehen, ein Kind mit diesem Krankheitsbild zu bekommen. Dabei indiziert die Schwere des Krankheitsbildes die Unzumutbarkeit für die Eltern.

a. Die Wortlautauslegung allein bietet vorliegend keine ausreichenden Anhaltspunkte zur näheren Bestimmung. Eine allgemeingültige Bedeutung von „schwerwiegend“ gibt es nicht. Dem Wortlaut nach bedeutet „schwerwiegend“ „schwer ins Gewicht fallend, ernst zu nehmend, gewichtig, gravierend“ (Duden). Zur Einordnung eines Zustands als schwerwiegend ist immer die Kenntnis eines konkreten Lebenssachverhalts erforderlich, der eine Wertung erst möglich macht. Dem Wortlaut nach hat „schwerwiegend“ eine subjektive Komponente, die je nach Befindlichkeit des Betroffenen zu einer unterschiedlichen Beurteilung eines Zustands als schwerwiegend führen kann.

b. Jedoch ergibt sich aus der Gesetzessystematik ein eindeutiger Maßstab dafür, welche Erbkrankheiten als derartig schwerwiegend anzusehen sind, dass eine PID gerechtfertigt werden kann. Der Schweregrad lässt sich der Regelung des § 3 Satz 2 ESchG (in der Fassung vom 13. Dezember 1990, BGBl. 1990 I, 2746) entnehmen, die der hier streitentscheidenden Norm im Embryonenschutzgesetz unmittelbar voransteht. Sie verwendet denselben Begriff, der auch in die - wesentlich jüngere -Regelung des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG (in der Fassung vom 21. November 2011, BGBl. I 2011, 2228) Eingang gefunden hat. In § 3 Satz 2 ESchG nimmt das Gesetz zur Konkretisierung des Begriffs „schwerwiegend“ Bezug auf die Muskeldystrophie vom Typ Duchenne und schafft damit eine Referenzerkrankung zum Verständnis dieses Begriffs im Geltungsbereich des Embryonenschutzgesetzes. Zwar erfasst § 3 ESchG mit der Möglichkeit der Auswahl der Samenzelle nach dem Geschlechtschromosom Zellen, die sich vor der Befruchtung befinden und damit noch keine Embryonen i.S.d. § 8 Abs. 1 ESchG sind und verfolgt damit einen anders gelagerten Schutzzweck, nämlich das grundsätzliche Verbot der Geschlechtswahl. Jedoch haben beide Vorschriften die Vermeidung schwerwiegender Erbkrankheiten zum Gegenstand. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG einen abweichenden Maßstab für die Wertung einer Krankheit als schwerwiegend verfolgte, zumal die Regelung des § 3 Satz 2 ESchG zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 3a ESchG bereits zwanzig Jahre lang galt.

Das Fehlen einer dem § 15 Abs. 2 GenDG (Gendiagnostikgesetz) vergleichbaren Regelung lässt hingegen keinen Rückschluss auf den Schweregrad der Erbkrankheit nach § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG zu. Nach dieser Vorschrift darf eine vorgeburtliche genetische Untersuchung, die darauf abzielt, genetische Eigenschaften des Embryos oder Fötus für eine Erkrankung festzustellen, die nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres ausbricht, nicht vorgenommen werden. Zwar erfasst § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG grundsätzlich auch spätmanifestierende Erkrankungen, da diese nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind; eine Aussage über die erforderliche Schwere des Krankheitsbildes wird damit jedoch nicht getroffen.

c. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung des § 3a ESchG ist eine restriktive Auslegung des Begriffs „schwerwiegend“ veranlasst, da § 3a Abs. 2 als Ausnahme zum grundsätzlichen Verbot der PID vorgesehen ist. Schutzzweck der Norm ist der Lebens- und Würdeschutz in vitro hergestellter Embryonen (vgl. BayVGH, U.v. 30.11.2018 - 20 B 18.290 - juris Rn. 88). Um diesen umfassend zu gewährleisten, ist § 3a Abs. 1 ESchG als Norm des Nebenstrafrechts ausgestaltet. Die durch den Ausnahmecharakter bedingte restriktive Auslegung der Norm ergibt, dass bei der Frage, ob eine Erbkrankheit als schwerwiegend anzusehen ist, auf ihre konkret zu erwartende Ausprägung abgestellt werden muss. Nicht ausreichend kann demnach sein, dass die Erbkrankheit in schweren Formen auftreten kann. Diese Anforderungen erfüllt die Muskeldystrophie Duchenne als Referenzerkrankung: bei der milder verlaufenden Muskeldystrophie Becker-Kiener wird Dystrophin in geringerer Menge synthetisiert. Die Gehfähigkeit kann bis in das Erwachsenenalter hinein erhalten bleiben (Quelle: DGM Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V., https://www.dgm.org/muskelerkrankungen/muskeldystrophieduchennebecker, zuletzt recherchiert am 1. März 2019). Diese Art der Muskeldystrophie weist nicht den Schweregrad der Muskeldystrophie Duchenne auf, es handelt sich vielmehr um ein Krankheitsbild eigener Art.

d. Schließlich ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien, dass eine PID nur bei Krankheitsbildern gestattet sein soll, die in ihrer Schwere der Muskeldystrophie vom Typ Duchenne vergleichbar sind. Denn in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (Präimplantationsdiagnostikgesetz - PräimpG) vom 12. April 2011 (BT-Drs. 17/5451 S. 8) wird ausgeführt, dass der Begriff „schwerwiegende Erbkrankheit“ des Kindes Bezug nehme auf eine vom ESchG bereits in § 3 Satz 2 verwendete Formulierung. Damit erweist die Begründung des Entwurfs, dass kein neuer Bedeutungsgehalt geschaffen werden, sondern an einen bereits vorhandenen angeknüpft werden sollte. Nach der weiteren Erläuterung im genannten Gesetzesentwurf sind Erbkrankheiten insbesondere dann als schwerwiegend anzusehen, wenn sie sich durch eine geringe Lebenserwartung oder Schwere des Krankheitsbildes und schlechte Behandelbarkeit von anderen Erbkrankheiten wesentlich unterscheiden.

e. Diese Kriterien sind bei der Muskeldystrophie Typ Duchenne (DMD) erfüllt:

DMD ist eine schwere und lebensbedrohende genetische Erkrankung. Sie betrifft vorwiegend Jungen (X-chromosomale Vererbung) und ist selten: Einer von 3.600 bis 6.000 lebendgeborenen Jungen erkrankt. Kinder mit DMD verlieren fortschreitend Muskelgewebe. Dabei tritt in der frühen Kindheit, beginnend im Alter von zwei bis drei Jahren, eine Muskelschwäche in Erscheinung.

DMD wird durch Mutationen des Gens verursacht, das Dystrophin codiert. Dystrophin ist ein wichtiges Protein, das zur Stabilität und Struktur von Muskelfasern beiträgt. Mutationen im Dystrophin-Gen bewirken einen Mangel oder eine Schädigung des Dystrophin-Proteins. In der Folge wird nach und nach Muskeldurch Fettgewebe ersetzt.

Der Muskelverlust im Rahmen der DMD führt dazu, dass die Kinder Meilensteine ihrer motorischen Entwicklung, z.B. Gehen, verspätet erreichen. Defizite in der Sprachentwicklung und kognitive Entwicklungsverzögerungen sind ebenfalls dokumentiert. Dem natürlichen Krankheitsverlauf entsprechend verlieren Kinder mit DMD ihre Gehfähigkeit und werden im frühen Teenager-Alter rollstuhlpflichtig. Letzten Endes führt der Verlust von Muskelgewebe zu respiratorischen, orthopädischen und kardialen Komplikationen. Häufig tritt der Tod im dritten Lebensjahrzehnt ein. Die Krankheit ist nicht heilbar. (Quelle: PTC Therapeutics, Muskeldystrophie Duchenne (DMD): Was Sie wissen müssen, Broschüre für Patienten, Eltern und Betreuer, https://www.duchenne.de/muskeldystrophieduchenne/ zuletzt recherchiert am 1. März 2019).

f. Für die Einstufung einer Erbkrankheit als schwerwiegend kann jedoch trotz des insoweit missverständlichen Wortlauts des § 3 Satz 2 ESchG nicht allein auf das Krankheitsbild und die Symptomatik der Duchenne-Krankheit abgestellt werden. Dies würde sich im Hinblick auf den Würde- und Lebensschutz der Embryonen verbieten. Vielmehr ist allein auf die Auswirkungen für die gesamte Lebensentwicklung und - gestaltung der Eltern bzw. der Mutter abzustellen, die insbesondere durch die erforderliche Pflege und Betreuung eines mit einer derartigen Krankheit geborenen Kindes entstehen. Dies ergibt sich unmittelbar aus den von der Norm betroffenen Grundrechten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG (Würde- und Lebensschutz der Embryonen - Würdeschutz und Selbstbestimmungsrecht der Mutter/der Eltern, vgl. hierzu auch BayVGH, U.v. 30.11.2018 - 20 B 18.290 - juris Rn. 97).

Die Schranken der jeweiligen Freiheitsgarantien hat der Gesetzgeber so bestimmt, dass grundsätzlich der Lebens- und Würdeschutz der Embryonen einer PID entgegensteht und das Selbstbestimmungsrecht und der Würdeschutz der Mutter bzw. der Eltern nur dann einen Eingriff in die Grundrechte der Embryonen rechtfertigt, wenn das Auftreten einer medizinisch schwerwiegenden Erbkrankheit bei einem Kind zu befürchten ist, weil den Eltern in diesem Fall wegen des zu erwartenden hohen Pflegeaufwands und der großen körperlichen und psychischen Belastung die Erkrankung des Kindes nicht zumutbar ist.

Diese Auslegung wird durch die Begründung des - schließlich in durch den Gesundheitsausschuss veränderter Form (BT-Drs. 17/6400 vom 30. Juni 2011) Gesetz gewordenen - Entwurfs zum Präimplantationsdiagnostikgesetz gestützt. Die Begründung nimmt auf § 218a Abs. 2 StGB als gesetzgeberischen Anknüpfungspunkt für die ebenfalls als Rechtfertigungsgrund formulierte Regelung des § 3a Abs. 2 ESchG Bezug (BT-Drs. 17/5451 Seite 8). § 218a Abs. 2 StGB stellte als Rechtfertigung bereits in der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 3a ESchG gültigen Fassung vom 13. November 1998 maßgeblich darauf ab, ob „der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und künftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustands der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann“, also ausdrücklich nicht mehr auf eine embryopathische Indikation, wie dies noch in § 218a Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 StGB in der Fassung vom 27. Juli 1992 (BGBl. I S. 1402) vorgesehen war. Wegen der eindeutig erklärten Abkehr des Gesetzgebers von einer embryopathischen Indikation als Rechtfertigung für einen Schwangerschaftsabbruch ergibt sich für die Prüfung der Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG, dass maßgeblich für die Rechtfertigung einer PID nicht die Schwere der medizinischen Indikation, sondern vielmehr die aus dem Schweregrad der Erkrankung resultierenden körperlichen und seelischen Auswirkungen auf die Mutter bzw. die Eltern sind. In diesem Sinn ist die Formulierung in § 3 Satz 2 ESchG, wonach die Auswahl einer Samenzelle dann nicht verboten ist, wenn sie dazu dient „das Kind vor der Erkrankung an einer Muskeldystrophie vom Typ Duchenne oder einer ähnlich schwerwiegenden geschlechtsgebundenen Erbkrankheit zu bewahren“ jedenfalls missverständlich.

Allerdings hat der Gesetzgeber in § 3a Abs. 2 ESchG - anders als in § 218a Abs. 2 StGB - keine individuelle Entscheidung nach Unzumutbarkeitskriterien vorgesehen. Daher bleibt ein Wertungswiderspruch zwischen beiden Regelungen bestehen. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung einer PID sind derzeit höher als die für die Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs, weil § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG im Gegensatz zu § 218a StGB das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit verlangt. So kann der Fall eintreten, dass eine PID verboten, ein späterer Schwangerschaftsabbruch hingegen erlaubt ist. Dieses Ergebnis ist für Betroffene in der Regel nicht nachvollziehbar, weil aufgrund der persönlichen Situation eine PID vor Implantation der Embryonen als wesentlich weniger belastend empfunden wird als ein (Spät-)Schwangerschaftsabbruch. Dieser Wertungswiderspruch resultiert jedoch nach derzeitiger Rechtslage aus dem hohen Schutzbedarf, den der Gesetzgeber für den grundrechtlichen Schutz der Embryonen, auch um Missbrauch zu vermeiden (BT-DRs. 17/5451 S. 3 B), sieht.

Aus der unterschiedlichen Normgestaltung kann aber zur Auflösung dieses Wertungswiderspruchs nicht abgeleitet werden, dass im Rahmen des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG subjektive Belange der Betroffenen im Wege einer individuellen Unzumutbarkeitsentscheidung zu beachten wären. Mangels normativer Ansatzpunkte für die Beurteilung der Unzumutbarkeit ist für die Zulässigkeit einer PID allein auf die Schwere der Erkrankung abzustellen. Die derzeitige gesetzliche Regelung beinhaltet keinerlei Maßstab für die Prüfung des „schwerwiegend“ im Sinne einer individuell bestehenden Unzumutbarkeit für die Eltern aufgrund ihrer konkreten Lebenssituation. So ist allein die Schwere der Krankheit vergleichbar Duchenne geeignet, um im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise die Unzumutbarkeit für die Eltern dann zu indizieren, wenn diese wissen wollen, ob ihr Kind eine schwerwiegende Erbkrankheit haben wird und sich in diesem Fall gegen eine Schwangerschaft mit dem kranken Embryo und für eine Schwangerschaft mit einem gesunden Embryo entscheiden. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte innerhalb der Regelung des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG, dass die konkrete familiäre Situation bei der Einschätzung einer Krankheit als „schwerwiegend“ zu berücksichtigen ist, also insbesondere nicht, wie die gesundheitliche Verfassung der Eltern ist, ob bereits ein behindertes Kind in der Familie lebt, ob Tot- oder Fehlgeburten aufgetreten sind oder ob weitere in der Familie lebende Angehörige einer Betreuung bedürfen. Vielmehr ist Maßstab, wie sich eine derartig schwere Erkrankung bei objektiver Betrachtungsweise auf den seelischen und körperlichen Gesundheitszustand der Eltern auswirken wird (durch hohen Pflegeaufwand „rund um die Uhr“ und durch Belastung wegen Leid, Schmerzen und frühem Tod des Kindes). Hierauf sind allein aus dem zu erwartenden Verlauf der Krankheitsbilder in typisierender Weise Rückschlüsse möglich, eine individuelle Abwägungsentscheidung ist im Rahmen des Rechtfertigungsgrundes der „schwerwiegenden Erbkrankheit“ nach der derzeitigen Rechtslage nicht zu treffen.

g. § 6 Abs. 4 PIDV kann zur Auslegung des Begriffes „schwerwiegend“ nicht herangezogen werden. Nach dieser Regelung soll die Ethikkommission bei ihrer Entscheidung psychologische, soziale und ethische Kriterien berücksichtigen. Zum einen handelt es sich aber um eine Norm im Rang unterhalb eines formellen Gesetzes, nämlich um eine Rechtsverordnung der Bundesregierung, die als hierarchisch niedrigstehendere Norm nicht zur Auslegung eines formellen Gesetzes herangezogen werden kann. Dies verbietet sich vorliegend auch deshalb, weil die Normgeber nicht identisch sind (Bundestag/Bundesregierung).

Zum anderen ist § 6 Abs. 4 PIDV nichtig und nicht anwendbar, weil er von der Verordnungsermächtigung des § 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ESchG nicht gedeckt ist und damit gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt. Denn § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 ESchG erteilt die Verordnungsermächtigung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß lediglich zur „Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik“. § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 ESchG erstreckt die darin ausgesprochene Ermächtigung nicht auf inhaltliche Entscheidungsmaßstäbe für die Ethikkommissionen. Dies kann auch nicht dem Begriff „Verfahrensweise“ entnommen werden, der dem Wortverständnis nach nur den Prozess der Entscheidungsfindung erfasst.

Darüber hinaus bestehen erhebliche Bedenken, ob § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG wegen der unmittelbaren Betroffenheit kollidierender Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie genügt. Hier ist der Gesetzgeber gehalten, inhaltliche Entscheidungskriterien selbst zu regeln und kann diese nicht im Rahmen einer Verordnungsermächtigung an den Verordnungsgeber delegieren (hierzu II.2.b.(2) und II.2.d.).

2. Die Entscheidung der Ethikkommission unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung.

Dies ergibt sich aus dem gefundenen Auslegungsergebnis, das sicherstellt, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Norm gewahrt werden. Daraus folgt aber gleichzeitig, dass kein normativer Ansatz ermittelbar ist, nach dem der Gesetzgeber der Ethikkommission bei der Rechtsanwendung einen Beurteilungsspielraum zugebilligt hat.

Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Beurteilung der Ethikkommission maßgeblich für das Vorliegen einer „schwerwiegenden Erbkrankheit“ sei und nicht durch eine gerichtliche Wertung ersetzt werden solle, findet im Gesetz keine Stütze. Weder ist der Ethikkommission ein Beurteilungsspielraum für eine wertende Entscheidung eines weisungsfreien Gremiums mit besonderer Sachkunde eingeräumt, noch folgt ein solcher aus dem Fehlen hinreichend bestimmter Entscheidungsvorgaben in den gesetzlichen Vorschriften oder aus der Maßgeblichkeit von Erwägungen, die außerhalb des rechtlich exakt erfassbaren Bereiches liegen, da die hierzu notwendigen Voraussetzungen nach der derzeit geltenden Rechtslage nicht vorliegen. Die Gerichte stoßen bei der Einordnung einer Erbkrankheit als schwerwiegend auch nicht an ihre Funktionsgrenzen, weil sich die Schwere einer Erbkrankheit nötigenfalls durch Sachverständigengutachten ermitteln lässt, sodass auch ein Beurteilungsspielraum „aus der Natur der Sache“ ohne das Erfordernis normativer Ermächtigung nicht im Raum steht.

a. Grundsätzlich unterliegen behördliche Entscheidungen im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG voller verwaltungsgerichtlicher Kontrolle (BVerfG, B.v. 31.5.2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 - 37 (Leitsatz 2d.) = NVwZ 2011, 1062; BVerwG, U.v. 21.12.1995 - 3 C 24/94 - BVerwGE 100, 221 -230, zitiert nach juris Rn. 29). Dies gilt auch im Anwendungsbereich unbestimmter Rechtsbegriffe (BVerfGE, B.v. 28.6.1983 - 2 BvR 539/80, 2 BvR 612/80 - BVerfGE 64, 261 (279); BVerwG U.v. 16.5.2007 - 3 C 8/06 - BVerwGE 129, 27 - 42 zitiert nach juris Rn. 26; BVerwG, U.v. 1.3.1990 - 3 C 50.86 - DVBl 1991, 46 - 49, zitiert nach juris Rn. 38f.). Sowohl die Bestimmung des Sinngehalts, die Feststellung der Tatsachengrundlagen als auch die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs auf den Einzelfall unterliegen der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung (BVerwG, U.v. 1.3.1990 - 3 C 50.86 - a.a.O. juris Rn. 38 f.; BVerwG, B.v. 17.9.2015 - 2 A 9/14 - BVerwGE 153, 36 - 48, zitiert nach juris Rn. 17).

Der lückenlose Rechtsschutz, den Art. 19 Abs. 4 GG gewährt, schließt dabei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts normativ eröffnete Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume nicht von vornherein aus, da die verwaltungsgerichtliche Überprüfung nicht weiter reichen kann als die materiellrechtliche Bindung der Verwaltung (BVerfG, B.v. 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 -BVerfGE 88, 40 - 63, zitiert nach juris Rn. 44, 55; BVerfG, B.v. 8.7.1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 (111) = NJW 1982, 2173-2177; BVerfG, B.v. 17.4.1991 -1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - BVerfGE 84, 34 (50)). Gerichtliche Kontrolle kann demnach nicht stattfinden, soweit das materielle (Gesetzes- oder Richter-)Recht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise das Entscheidungsverhalten nicht vollständig determiniert und der Verwaltung einen Einschätzungs- und Auswahlspielraum belässt (BVerfG B.v. 31.5.2011 - 1 BvR 857/07 a.a.O., zitiert nach juris Rn. 73 m.w.N.). In einer solchen Lage handelt die Verwaltung kraft eigener Kompetenz (BVerfG, B.v. 8.8.1978 - 2 BvL 8/77 - BVerfGE 49, 89 (124 ff.) = DVBL 1979, 45 - 52).

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wurden derartige Prärogativen der Verwaltung anerkannt für beamtenrechtliche Beurteilungen, bei Prüfungsentscheidungen („aus der Natur der Sache“, vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 114 Rn. 67), bei Wertungen, die das Gesetz sachverständigen oder pluralistisch zusammengesetzten Gremien anvertraut (Rennert in Eyermann, VwGO, a.a.O., § 114 Rn. 73, der allein die Übertragung nicht für ausreichend erachtet, sondern zusätzlich einen gewichtigen Sachgrund für erforderlich hält), bei prognostischen Einschätzungen mit politischem Einschlag und bei planerisch gestaltenden Entscheidungen (vgl. die Übersicht in BVerwG U.v. 26.6.1990 - 1 C 10/88 - NVwZ 1991, 268 - 270, zitiert nach juris Rn. 20 m.w.N.). Eine Bezeichnung als „Fallgruppen“ verbietet sich jedoch, da jeweils nur Einzelfälle entschieden wurden und in jedem Einzelfall durch Auslegung der Norm zu ermitteln ist, ob eine Beurteilungsermächtigung eingeräumt wird oder ausnahmsweise aus anderen Gründen angenommen werden kann (so auch Gerhardt in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand September 2018, § 114 Rn. 57).

Voraussetzung für die Annahme eines solchen Beurteilungsspielraums ist nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen zunächst, dass die Ermächtigung ihrer Art und ihrem Umfang nach den jeweiligen Rechtsvorschriften zumindest konkludent entnommen werden kann und dass es für sie einen hinreichend gewichtigen Sachgrund gibt (BVerfG, B.v. 31.5.2011 - 1 BvR 857/07 -a.a.O. zitiert nach juris Rn. 99; BVerwG, U.v. 29.6.2016 - 7 C 32/15 - NVwZ 2016, 1566 - 1570, zitiert nach juris Rn. 29). Im Rahmen der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes ist es Aufgabe des Gesetzgebers, unter Beachtung der Grundrechte die Rechtsposition zuzuweisen und auszugestalten, deren gerichtlichen Schutz Art. 19 Abs. 4 GG voraussetzt und gewährleistet (BVerwG, B.v. 21.12.1995 - 3 C 24/94 - a.a.O., zitiert nach juris Rn. 30). Ob das Gesetz eine solche Beurteilungsermächtigung enthält, ist durch Auslegung des jeweiligen Gesetzes zu ermitteln (BVerwG, U.v. 16.5.2007 - 3 C 8/06 - a.a.O. zitiert nach juris Rn. 26 m.w.N.; BVerwG, U.v. 23.1.2008 - 6 A 1/07 - BVerwGE 130,180 - 197, zitiert nach juris Rn. 43; BVerwG, U.v. 23.11.2011 - 6 C 11.10 - NVwZ 2012, 1047 - 1051, zitiert nach juris Rn. 37).

b. § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG lässt sich nach Auslegung der in ihm enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe unter Anwendung der dargestellten Grundsätze keine normative Ermächtigung zur Annahme eines Beurteilungsspielraums für die Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik auf der Tatbestandsseite des Rechtfertigungsgrundes entnehmen. Es ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber der Verwaltung einen Spielraum für die nach § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG zu treffende Entscheidung einräumen wollte. Dies folgt insbesondere daraus, dass er keine Kriterien benennt, die über den Schweregrad der Erkrankung hinaus in eine Abwägungsentscheidung zwischen den betroffenen Grundrechten einzustellen wären. Aus dem Fehlen dieser Kriterien darf nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber der Verwaltung einen Beurteilungsspielraum einräumen wollte.

Ein anderes Verständnis des Norminhalts des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG wäre sowohl im Hinblick auf die Normenklarheit und Normbestimmtheit als auch im Hinblick auf die Wesentlichkeitstheorie verfassungsrechtlich bedenklich.

(1) Das Gebot der Normenbestimmtheit und der Normenklarheit (vgl. BVerfG, B.v. 27.11.1990 - 1 BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130 (145) = DVBl 1991, 261 - 266; VerfG B.v. 3.6.1992 - 1 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89 - BVerfGE 86, 288 (311) = NJW 1992, 2974 - 2960; BVerfG, B.v. 9.4.2003 - 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 - BVerfGE 108, 52 (75) = NJW 2003, 2733 - 2737; BVerfG B.v. 3.3.2004 - 1 BvF 3/92 - BVerfGE 110, 33 (57) = NJW 2004, 2213 - 2222) soll die Betroffenen befähigen, die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelung zu erkennen, damit sie ihr Verhalten danach ausrichten können (BVerfG, B.v. 27.11.1990 - 1 BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130 - 155 = DVBl 1991, 261 - 266, zitiert nach juris Rn. 45). Zu den Anforderungen an die Normenbestimmtheit und Normenklarheit gehört, dass hinreichend klare Maßstäbe für Abwägungsentscheidungen bereitgestellt werden. Je ungenauer die Anforderungen an die dafür maßgebliche tatsächliche Ausgangslage gesetzlich umschrieben sind, umso größer ist das Risiko unangemessener Zuordnung von rechtlich erheblichen Belangen. Die Bestimmtheit der Norm soll auch vor Missbrauch schützen. Schließlich dienen die Normenbestimmtheit und die Normenklarheit dazu, die Gerichte in die Lage zu versetzen, getroffene Maßnahmen anhand rechtlicher Maßstäbe zu kontrollieren (BVerfG, U.v. 26.7.2005 - 1 BvR 782/94 und 1 BvR 957/96 - BVerfGE 114, 1 - 71 = NJW 2005, 2363 - 2376, zitiert nach juris Rn. 184). Die Anforderungen an die Bestimmtheit erhöhen sich mit der Intensität, mit der auf Grundlage der betreffenden Regelung in grundrechtlich geschützte Bereiche eingegriffen werden kann. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass die Norm überhaupt keine Auslegungsprobleme aufwerfen darf. Dem Bestimmtheitserfordernis ist vielmehr genügt, wenn diese mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können (BVerfG, B.v. 24.7.1963 - 1 BvR 425/58, 1 BvR 786/58, 1 BvR 787/58 - BVerfGE 17, 67 (82) = MDR 1963, 905; hierzu auch BVerfG, U.v. 27.11.1990 - 1 BvR 402/87 - a.a.O., juris Rn. 45).

Diesem Gebot trägt nach der derzeit geltenden Rechtslage allein das gefundene Auslegungsergebnis hinreichend Rechnung.

Für die Betroffenen ist klar erkennbar, wann eine Erbkrankheit als schwerwiegend anzusehen ist. An dem Maßstab der Muskeldystrophie Duchenne können sie ihr Verhalten ausrichten. Dies ist auch im Hinblick auf das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG bedeutsam, das gewahrt werden muss, weil es sich bei § 3a ESchG um eine Norm des Nebenstrafrechts handelt. Auch für die Beurteilung des Vorliegens von Rechtfertigungsgründen gelten die Anforderungen an die strafrechtliche Bestimmtheit der Norm. Dabei gebietet es der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung (BVerfG, B.v. 11.6.1980 - 1 PBvU 1/79 - BVerfGE 54, 277 - 300, zitiert nach Juris Rn. 48), innerhalb einer Norm verwendete unbestimmte Rechtsbegriffe im strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Sinn gleich zu verstehen. Die strafrechtliche Bestimmtheitsanforderung ist ein klares Indiz gegen einen Beurteilungsspielraum.

Außerdem würde eine Norminterpretation, die über die Schwere der Krankheit im medizinischen Sinn hinausgehende Belange berücksichtigen und einen Beurteilungsspielraum im Sinne einer Abwägungsentscheidung eröffnen wollte, in einem unmittelbar grundrechtsrelevanten Bereich zu einer Schutzlosigkeit der Normadressaten führen, da ihnen nur eingeschränkte Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber behördlichen Entscheidungen zur Verfügung stünden und damit gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen.

(2) Bedenken hinsichtlich eines Normverständnisses, das weitere Abwägungskriterien zur Beurteilung einer Erbkrankheit als „schwerwiegend“ umfasst, ergeben sich außerdem aus der Wesentlichkeitstheorie.

In einem Bereich, wo die Ausübung eines Grundrechts gleichzeitig die Beeinträchtigung eines gleichrangigen Grundrechts zur Folge hat, ist allein der Gesetzgeber zu einer Regelung berufen, die die betroffenen Grundrechte zum Ausgleich zu bringen vermag. Nachdem auch Embryonen als Grundrechtsträger anzusehen sind, kollidieren deren Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG mit dem Selbstbestimmungsrecht und dem Würdeschutz der betroffenen Eltern aus Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG (zu den bei PID betroffenen Grundrechten siehe BayVGH, U.v. 30.11.2018 - 20 B 18.290 - a.a.O.). Nach der Wesentlichkeitstheorie ist der Gesetzgeber verpflichtet, die Schranken der widerstreitenden Freiheitsgarantien jedenfalls so weit selbst zu bestimmen, wie sie für die Ausübung dieser Freiheitsrechte wesentlich sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn die betroffenen Grundrechte nach dem Wortlaut der Verfassung vorbehaltlos gewährleistet sind und eine Regelung, welche diesen Lebensbereich ordnen will, damit notwendigerweise ihre verfassungsimmanenten Schranken bestimmen und konkretisieren muss (BVerfG, B.v. 27.11.1990 I BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130 - 155 = DVBl 1991, 261 - 266, zitiert nach juris Rn. 39 unter Bezugnahme auf weitere Entscheidungen). Diesem folgend hätte der Gesetzgeber selbst weitergehende Kriterien zur Abwägung der betroffenen Grundrechte regeln müssen. Aus der derzeit geltenden Regelung lässt sich allein die Schwere der Erkrankung als Maßstab für das Vorliegen einer „schwerwiegenden Erbkrankheit“ entnehmen.

c. Aus dem Erfordernis einer Wertung in Form des Vergleichs der vorliegenden Erbkrankheit mit dem Schweregrad der Muskeldystrophie Duchenne ergibt sich auf Tatbestandsseite kein Beurteilungsspielraum für die Entscheidung der Ethikkommission.

Denn wertende Entscheidungen sind bei Auslegung und Ausfüllung nahezu jedes unbestimmten Rechtsbegriffs zu treffen. Ein Beurteilungsspielraum kommt bei wertenden Entscheidungen aber nur in Betracht, soweit das materielle Recht der Verwaltung in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise Entscheidungen abverlangt, ohne dafür hinreichend bestimmte Vorgaben zu enthalten (BVerwG, U.v. 23.6.1993 II C 12/92 - BVerwGE 92, 340 - 353, zitiert nach juris Rn. 33). Nach dem Ergebnis der gefundenen Auslegung stellt das Gesetz ein derartiges Letztentscheidungsrecht der Verwaltung nicht zur Verfügung. Bereits aus diesem Grund ist dem Verwaltungsgericht nicht zu folgen, dass aus der nur vagen gesetzlichen Regelung, die sich vorliegend eher als Regelungsdefizit darstellt, ein Beurteilungsspielraum für die Verwaltung folge, der gerichtlich nur noch eingeschränkter Prüfung unterliegt.

d. Auch § 3a Abs. 3 ESchG lässt sich keine Beurteilungsermächtigung entnehmen. Für die Frage der Einräumung eines Spielraums für die Verwaltung ist allein auf materielle Kriterien für die Verwaltungsentscheidung abzustellen und nicht auf die Übertragung der Entscheidung auf ein Kollegialorgan (vgl. Rennert, a.a.O. Rn. 73). Materielle Entscheidungskriterien, die einen Beurteilungsspielraum eröffnen könnten, liegen nicht vor. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht mehrfach zugunsten eines Beurteilungsspielraums bei Gremien-Entscheidungen entschieden, wenn diesen Entscheidungen stark wertende Elemente anhafteten und das Gesetz für sie deshalb ein besonderes Verwaltungsorgan für zuständig erklärt, das weisungsfrei, mit besonderer fachlicher Legitimation und in einem besonderen Verfahren entscheidet (z.B. Bewertung von Weizensorten durch unabhängigen Sachverständigenausschuss nach dem Saatgutverkehrsgesetz: BVerwG, U.v. 25.6.1981 - 3 C 35/80 - BVerwGE 62, 331 = DVBl 1982, 29 - 31; Zulassung eines Börsenmaklers durch den Börsenvorstand: BVerwG, U.v. 7.11.1985 - 5 C 29/82 - BVerwGE 72, 195 = DVBl 1986, 565; zur Beurteilung, ob ein Wein in Aussehen, Geruch und Geschmack frei von Fehlern ist: BVerwG, U.v. 16.5.2007 - 3 C 8/06 - BVerwGE 129, 27 = NJW 2007, 2790 unter Aufgabe von BVerwG, U.v. 25.11.1993 - 3 C 38/91 - BVerwGE 94, 307 = NVwZ 1995, 707 - 710).

Jedoch steht der Annahme eines Beurteilungsspielraumes auch hier entgegen, dass sich nach verfassungsgemäßer Auslegung der Norm dieser materiell keine Anhaltspunkte für die Einräumung eines Beurteilungsspielraums entnehmen lassen. Wie oben unter II.1.g. dargelegt, stellt auch § 6 Abs. 4 PIDV diese nicht zur Verfügung. Diese Norm verstößt zum einen gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, weil die Verordnungsermächtigung in § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 ESchG den Verordnungsgeber nicht zur Festlegung inhaltlicher Entscheidungskriterien ermächtigt und zum anderen gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz, weil wegen der im Bereich des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG unmittelbar kollidierenden Grundrechte der Gesetzgeber selbst zur Regelung inhaltlicher Entscheidungskriterien berufen wäre.

Aus dem organisationsrechtlichen Akt der Errichtung und Benennung von „Ethikkommissionen“ allein ist ein Rückschluss auf materiellrechtliche Entscheidungsbefugnisse nicht zulässig.

Einem solchen Normverständnis stehen Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG entgegen.

Wegen der unmittelbaren Grundrechtsrelevanz obliegt es dem Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit, taugliche Abwägungskriterien in einem förmlichen Gesetz zu regeln und der Verwaltung damit Entscheidungsspielräume einzuräumen. Unterlässt er dies, kann er dieses Regelungsdefizit nicht durch die Errichtung von Verwaltungseinheiten ausgleichen und diesen die unterlassene gesetzgeberische Entscheidung übertragen. Es kann weder der Verwaltung noch den Gerichten überlassen werden, ohne gesetzliche Grundlage durch die Annahme behördlicher Letztentscheidungsrechte die Grenzen zwischen Gesetzesbindung und grundsätzlich umfassender Rechtskontrolle der Verwaltung zu verschieben. Anderenfalls könnten diese „in eigener Sache“ die grundgesetzliche Rollenverteilung zwischen Exekutive und Judikative verändern. Nimmt ein Gericht ein behördliches Letztentscheidungsrecht an, das mangels gesetzlicher Grundlage nicht besteht, und unterlässt es deshalb die vollständige Prüfung der Behördenentscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit, steht dies nicht nur im Widerspruch zur Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG), sondern verletzt vor allem auch das Versprechen wirksamen Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG (BVerfG, B.v. 31.5.2011 - 1 BvR 857/07 - NVwZ 2011, 1062).

Dies gilt, obwohl sich § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 Nr. 2 ESchG an mehreren Stellen Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass der Gesetzgeber der Ethikkommission für die nach § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG zu treffende Entscheidung möglicherweise einen Beurteilungsspielraum einräumen könnte. Diese verfahrensrechtlichen Regelungen laufen aber ins Leere, weil § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG keine Entscheidungshilfen oder Leitlinien enthält, mit welchen die Ethikkommissionen arbeiten könnten. Das eingeräumte Verfahrensrecht spiegelt sich materiellrechtlich nicht wider.

Der Gesetzgeber hat im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nrn. 1 und 26 GG ein Gremium zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Durchführung einer PID berufen, dieses als „Ethik“-Kommission bezeichnet, geregelt, dass es „interdisziplinär“ zu besetzen und eine „zustimmende Bewertung“ abgeben müsse. Daraus könnte man entnehmen, dass der Gesetzgeber auch andere als nur medizinische Kriterien für die Frage der Durchführung einer PID für relevant hielt (die derzeit nur in § 6 Abs. 4 PIDV Eingang gefunden haben) und diese von der Ethikkommission behandeln und durch sie entscheiden lassen wollte. Dafür spricht auch, dass der Gesetzgeber von einem Indikationenkatalog zur Einstufung des Schweregrades einer Erbkrankheit bewusst absah und jeweils Einzelfallentscheidungen wünschte (BT-Drs. 17/5451 S. 7 III.).

Gegen eine entsprechende Absicht des Gesetzgebers spricht jedoch der Umstand, dass § 6 Abs. 4 PIDV im ursprünglichen Entwurf der Präimplantationsdiagnostikverordnung lediglich vorgesehen hatte, dass die Ethikkommissionen den Antrag auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik zustimmend zu bewerten haben, wenn sie nach Prüfung der in § 5 Abs. 4 PIDV genannten Angaben und Unterlagen zu dem Ergebnis kommen, dass die in § 3a Abs. 2 ESchG genannten Voraussetzungen erfülllt sind (vgl. BR-Drucksache 711 '7/12 S. 6). Der Begründung dieses ersten Verordnungsentwurfs lassen sich keine Anhaltspunkte für einen entsprechenden Beurteilungsspielraum entnehmen, sodass die Vermutung naheliegt, dass der Verordnungsgeber § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG als gebundene Entscheidung ohne Entscheidungsspielraum verstanden hat.

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurden auch Externe angehört, insbesondere die Sozialverbände. Der Stellungnahme der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. (Lebenshilfe) an die Bundesregierung zum Referentenentwurf einer Verordnung über die rechtmäßige Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik (PIDV) vom 15. August 2012 lässt sich entnehmen, dass dieser Referentenentwurf als reine Indikationslösung verstanden wurde (S. 4 Abs. 6 der Stellungnahme). Gleichzeitig wurde die Bundesregierung aufgefordert, den „Beurteilungsspielraum“ der Ethikkommissionen zu erweitern, damit sie eine ethische Bewertung und Abwägung vornehmen könnten (S. 4 der Stellungnahme unten). Daraufhin erhielt § 6 Abs. 4 PIDV aufgrund der Empfehlung der Ausschüsse für Gesundheit, Frauen und Jugend und Kulturfragen vom 18. Januar 2013 (BR-Drucksache 717/1/12) seine jetzige Fassung. Auch hier ist lediglich von einer Zusammenschau aller berührten medizinischen, psychischen, sozialen und ethischen Aspekte und nicht von einem Beurteilungsspielraum die Rede (vgl. BR-Drucksache 717/1/12 S. 8).

Damit kann den Gesetzesmaterialien kein entsprechender Wille des formellen Gesetzgebers, den Ethikkommissionen einen Beurteilungsspielraum einzuräumen, entnommen werden.

Außerdem hat der Gesetzgeber nicht geregelt, in welcher Besetzung und unter Beteiligung welcher Fachrichtungen eine „interdisziplinäre“ Entscheidung getroffen werden sollte. Dem Gesetzgeber selbst obliegt es aber, wegen der Grundrechtsrelevanz der Entscheidung über Zustimmung oder Ablehnung der Durchführung einer PID, Wesentliches zu regeln (vgl. etwa § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Stammzellgesetz (StZG)). Dazu gehört nach Auffassung des Senats auch die konkrete Ausgestaltung der Zusammensetzung der Ethikkommission, weil diese mit den dort vertretenen Fachrichtungen unmittelbaren Einfluss auf die Gewichtung der möglichen (in § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG aber nicht geregelten) Entscheidungskriterien hat. § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG genügt insoweit wohl nicht den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts. Die über § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 ESchG, § 4 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 Satz 1 PIDV, Art. 2 Abs. 3 Satz 1 BayAGPIDV vorgenommene Delegation der Zusammensetzung der Ethikkommission auf den Landesgesetzgeber dürfte zur Wahrung der verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht ausreichen.

Zweifelhaft ist des Weiteren, ob die Einrichtung der Ethikkommissionen in § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG dem Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG entspricht, weil ihre Mitglieder von der jeweiligen Landesregierung ernannt werden (Art. 2 Abs. 4 BayAGPIDV). Nach dem Demokratieprinzip müssen Behörden ihre Legitimation im Wege einer „Legitimationskette“ vom Souverän des Parlaments ableiten (BVerfG, B.v. 5.12.2002 - 2 BvL 5, 6/98 - BVerfGE 127, 59 Leitsatz Nr. 3; BVerfG, B.v.13.7.2004 - 1 BvR 1298, 1299/94, 1332/95, 613/97 - BVerfGE 111, 191 (217); Silja Vöneky, „Recht, Moral und Ethik“, Jus Publicum Band 198, Tübingen 2010, S. 584 ff., 613, 621). Dies erscheint bei der derzeitigen Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen fraglich, zumal die Entscheidung der Ethikkommissionen über die Zulässigkeit der Durchführung einer PID nicht als sachverständige Äußerung in ein behördliches Genehmigungsverfahren eingebunden (wie etwa in § 6 Abs. 4 Nr. 3 Stammzellgesetz (StZG) und § 42 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelgesetz (AMG)), sondern als eigenständiges Verwaltungsverfahren ausgestaltet ist. Ob ehrenamtliche (Art. 2 Abs. 5 Satz 1 BayAGPIDV), von der Landesregierung berufene Mitglieder der Ethikkommission eine das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise treffen dürfen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Jedoch wird die Frage der Entscheidungskompetenz von Ethikkommissionen durchaus kritisch diskutiert (vgl. Gutachten von Pestalozza u.a. „Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung“ im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland für die Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ des Deutschen Bundestages, 15. Legislaturperiode, Gutachten für Bundesregierung, Zusammenfassung: S. 307).

Jedenfalls aber ist - unabhängig vom Vorliegen verfassungsrechtlicher Bedenken -den organisationsrechtlichen Bestimmungen des § 3a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. §§ 4 - 6 PIDV keine Beurteilungsermächtigung zugunsten der Verwaltung zu entnehmen (BVerwG U.v. 21.12.1995 - 3 C 24/94 - a.a.O. juris Rn. 32) . Die Entscheidung des Gesetzgebers, einer interdisziplinär besetzten Kommission die Befugnis zur Erteilung der Zustimmung zur PID zu übertragen, kann ohne Hinzutreten materieller Regelungen nicht zur Einräumung eines Beurteilungsspielraums auf Seiten der Ethikkommission führen. Diese stellt § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG - wie dargelegt - nach verfassungsgemäßer Auslegung nicht zur Verfügung.

e. Anhaltspunkte dafür, dass mit der Entscheidung über das Vorliegen einer „schwerwiegenden Erbkrankheit“ die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung erreicht wären, weshalb ein Letztentscheidungsrecht der Verwaltung bestehen könnte, sind nicht ersichtlich. Das Auslegungsergebnis ermöglicht ohne Weiteres die Rechtsanwendung. Demnach ergibt sich ein Beurteilungsspielraum ohne das Erfordernis normativer Verankerung auch nicht „aus der Natur der Sache“ (vgl. Rennert in Eyermann, a.a.O. § 114 VwGO Rn. 67, 71a; Gerhardt in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, a.a.O. Einl. 114 VwGO Rn. 188; offengelassen BVerfG, B.v. 17.4.1991 - 1 BvR 419/81, 213/83 - BVerfGE 84, 34 - 58 = DVBl 1991, 801 - 805; B.v. 31.5.2011 -1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 - 37 = NVwZ 2011, 1062 - zitiert nach juris Rn. 76; hierzu auch BVerwG, U.v. 22.9.2016 - 4 C 2/16 - BVerwGE 156, 148 - 159, zitiert nach juris Rn. 24; BVerwG, U.v. 23.3.2011 - 6 C 6/10 - BVerwGE 139, 226 - 246, zitiert nach juris Rn. 20; kritisch hierzu Kment/Vorwalter „Beurteilungsspielraum und Ermessen“ JUS 2015, 193, S. 6 m.w.N.; anerkannt für Prüfungen, prüfungsähnliche Entscheidungen, Beurteilungen, vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, a.a.O. § 114 Rn. 67, 68). Vom Bundesverwaltungsgericht und kürzlich auch vom Bundesverfassungsgericht ist ein gerichtlich nicht überprüfbarer Spielraum der Verwaltung im Naturschutzrecht angenommen worden. Dort geht es regelmäßig um fachliche Bewertungen und Einschätzungen, für die normkonkretisierende Maßstäbe fehlen. Die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung werden bejaht, wo die Rechtsprechung zwischen verschiedenen jeweils vertretbaren fachwissenschaftlichen Positionen entscheiden müsste. Es ist weder Aufgabe der Verwaltungsgerichte, wissenschaftliche Streitfragen zu entscheiden, noch, eine solche Entscheidung durch die Erteilung von Forschungsaufträgen zu ermöglichen oder zu fördern (BVerwG, U.v. 6.4. 2016 - 4 C 1.15 - NVwZ 2016, 1247 Rn. 24; BVerwG, U.v. 22.9.2016 - 4 C 2/16 - a.a.O. juris Rn. 35; in diesem Sinne auch BVerfG, B.v. 23.10.2018 - 1 BvR 2523/13 - DVBl. 2019, 42). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Vielmehr ist unter Anwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe in ihrem durch Auslegung ermittelten Bedeutungsgehalt eine Entscheidung, ob eine Erbkrankheit als schwerwiegend anzusehen ist, möglich. Die Schwierigkeit und Komplexität der zu treffenden Entscheidung ist kein Kriterium für die Annahme eines Beurteilungsspielraums (vgl. BVerwG, U.v. 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244 - 261, zitiert nach juris Rn. 25). Die Beurteilung medizinischer Sachverhalte nach Aufklärung und ihre Subsumption unter das nach Auslegung ermittelte anzuwendende Recht ist den Gerichten ohne Weiteres - nötigenfalls unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen - möglich und deren originäre Aufgabe (BVerfG, B.v. 17.4.1991 - 1 BvR 1529/84, 1 BvR 138/87 -BVerfGE 84, 59 (79) = NJW 1991, 2008).

3. Das „hohe Risiko“ ist bei monogenen Erbkrankheiten bei einer Eintrittswahrscheinlichkeit zwischen 25 und 50% zu bejahen. Dies ergibt die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs.

a. Aus dem Wortlaut allein sind keine sicheren Rückschlüsse auf die Wortbedeutung möglich. „Risiko“ wird beschrieben als „möglicher negativer Ausgang bei einer Unternehmung, mit dem Nachteile, Verlust, Schäden verbunden sind; mit einem Vorhaben, Unternehmen o.ä. verbundenes Wagnis“ (Duden).

Dem Begriff „hohes Risiko“ kann keine mathematische Größe der Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden. Zwar ist im Sprachgebrauch eine Abgrenzung des „hohen Risikos“ zum „überwiegenden Risiko“ anerkannt. Ein überwiegendes Risiko ist demnach anzunehmen, wenn der Eintritt eines Ereignisses wahrscheinlicher ist als dessen Ausbleiben, also in einem Bereich der Wahrscheinlichkeit von über 50%. Ein hohes Risiko ist damit jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit an einen Bereich von 50% heranreicht, eine trennscharfe Abgrenzung zum „überwiegenden Risiko“ ist aber nicht möglich. Genauso wenig exakt verläuft nach dem Sprachgebrauch die Abgrenzung in Bereiche geringerer Wahrscheinlichkeit. Wann aus einem „hohen Risiko“ ein „erhöhtes“, „normales“ oder gar „geringes“ Risiko wird, lässt sich nicht bestimmen, da es sich nicht um absolut, sondern nur relativ bestimmbare Wahrscheinlichkeiten handelt, die jeweiliger Einordnung in einen Lebenssachverhalt bedürfen. Die sprachlichen Kategorisierungen sind daher wenig geeignet, anhand prozentualer Grenzen den Grad der Eintrittswahrscheinlichkeit auszudrücken. Gemein ist den genannten Kategorien lediglich, dass sich die Eintrittswahrscheinlichkeit jeweils - legt man obige Ausführungen zugrunde - in einem Bereich unterhalb von 50% bewegen dürfte.

b. Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, ein „hohes Risiko“ sei eine hohe Wahrscheinlichkeit, die vom üblichen Risiko der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland wesentlich abweiche. Zum anderen sei die Eintrittswahrscheinlichkeit nach den Gesetzlichkeiten der Übertragbarkeit und Kombination erblicher Anlagen genetisch einzuschätzen: Eine Wahrscheinlichkeit von 25 bis 50% werde als hohes Risiko bezeichnet. Das „Risiko des Paares“ müsse nicht auf einer Belastung beider Partner beruhen, sondern könne sich auch bei nur einem Partner ergeben (Begründung zum Entwurf eines Präimplantationsgesetzes, BT-Drs. 17/5451 Seite 8).

Hintergrund der Festlegung auf einen Grad der Wahrscheinlichkeit von 25 bis 50% bei monogenen Erbkrankheiten sind die Grundsätze der Vererbungslehre (Mendel'sche Gesetze). Demnach besteht bei rezessiver Vererbung eine Wahrscheinlichkeit der Weitergabe auf die Nachkommen von 25%, bei dominanter Vererbung eine Wahrscheinlichkeit von 50%. Im Ergebnis wird so durch die Festlegung auf eine Eintrittswahrscheinlichkeit zwischen 25 und 50% jede schwerwiegende monogene Erbkrankheit erfasst (so auch Günther/Taupitz/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, 2. Auflage 2014, § 3a Rn. 30; Pelchen/Häberle in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand Dezember 2018, § 3a ESchG Rn. 7; Frister/Lehmann, JZ 2012, 659, 660).

c. Der Auffassung von Taupitz (a.a.O. Rn. 30), wonach sich das Risiko nicht (stets) in einem mathematisch exakten Sinn ermitteln lasse und das (vielleicht seltene) Krankheitsbild ebenfalls eine Rolle spiele, folgt der Senat zwar nicht. Richtig ist aber, dass die dargelegte Wahrscheinlichkeit von 25 bis 50% nicht für alle von § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG erfassten Erbkrankheiten gilt. Insbesondere im Bereich chromosomaler Störungen können Erbkrankheiten erst erkennbar werden, wenn es beim Nasciturus bei phänotypisch gesunden Eltern zu erheblichen, teilweise lebensfeindlichen Beeinträchtigungen kommt. In diesen Konstellationen ist die Berechnung einer Wahrscheinlichkeit anders als bei monogenen Erbkrankheiten nicht in allen Fällen möglich. In diesem Sinn ist auch die Passage der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5451 S. 8) zu verstehen, wonach es sich um die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung handeln müsse, die vom üblichen Risiko der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland abweicht. Eine rein medizinischnaturwissenschaftliche Betrachtungsweise ist aber bei monogenen Erbkrankheiten zulässig.

d. Deshalb ist der Argumentation des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht zu folgen, wonach der Risiko-Begriff des § 3a ESchG bereits die zu erwartende Schwere der Erkrankung enthalte, sodass die Möglichkeit schwerster Erkrankung allein zu einem hohen Risiko führen könne. Denn das Gesetz verwendet in seinem Wortlaut die Begriffe „hohes Risiko“ und „schwerwiegende Erbkrankheit“ nebeneinander. Wäre die Schwere der Erbkrankheit begrifflich im „Risiko“ enthalten, wäre der unbestimmte Rechtsbegriff „schwerwiegend“ bedeutungslos. Die Änderung der Begrifflichkeiten von „Wahrscheinlichkeit“ in „Risiko“ im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ist ebenfalls nicht geeignet, dem Wort „Risiko“ eine von der hier vertretenen Auffassung abweichende, in Bezug auf die Erbkrankheit qualitative Bedeutung beizumessen. Der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses vom 11. Juni 2011 lässt sich kein Grund für die Änderung des Gesetzestextes von „Wahrscheinlichkeit“ in „Risiko“ entnehmen. Die Begriffe wurden bereits in der parlamentarischen Debatte (1. - 3. Beratung BT-PlPr 17/105 S. 11945A-11972D, 17/120 S. 13871C-13913C, 17/120 S. 13910C-13913C) nebeneinander verwendet, wobei „Wahrscheinlichkeit“ eher gebräuchlich war, um die Chance für Paare, einen lebensfähigen Embryo zu zeugen, zu benennen. „Risiko“ wurde dann verwendet, wenn die eingeschränkten Lebenschancen für den Embryo im Fokus standen. Dementsprechend drückt die Änderung in „Risiko“ nur eine unerwünschte Wahrscheinlichkeit aus. Dies führt aber nicht dazu, dass dem Begriff des Risikos der Schweregrad der Erkrankung schon immanent ist.

Demnach liegt bei monogenen Erbkrankheiten ein hohes Risiko dann vor, wenn sie eine Auftrittswahrscheinlichkeit zwischen 25 und 50% haben. Diese Wahrscheinlichkeitsberechnung ergibt sich aus medizinischnaturwissenschaftlichen Grundsätzen.

4. Aus Vorgenanntem folgt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Rechtfertigungsgrundes des § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG nicht vorliegen. Es besteht für die Nachkommen der Klägerin und ihres Partners kein hohes Risiko, an der DM1 in einer Ausprägung zu erkranken, die die Durchführung einer PID rechtfertigen könnte.

a. Bei der myotonen Dystrophie Typ 1 handelt es sich zweifellos um eine Erbkrankheit i.S.d. § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG. Eine Erbkrankheit ist eine Krankheit, bei der krankhaft veränderte Erbmasse eine ursächliche Rolle spielt (Duden). Nach der Gesetzesbegründung versteht der Gesetzgeber unter Erbkrankheit i.S.d. § 3a ESchG monogen bedingte Erkrankungen sowie Chromosomenstörungen (BT-Drs. 17/5451, S. 8). Nachdem Ursache für die myotone Dystrophie eine Mutation im Dystrophia-Myotonica-Proteinkinase-Gen (DMPK) auf Chromosom 19q13.2-13-3 ist, handelt es sich (unstreitig) um eine monogene Erkrankung.

b. Die myotone Dystrophie Typ 1 tritt in unterschiedlichen Schweregraden auf. Bei der beim potentiellen Kindsvater vorliegenden klassischen Form der DM1 handelt es sich jedenfalls nicht um eine Erbkrankheit, die einen Schweregrad aufweist, der die Durchführung einer PID zu rechtfertigen vermag.

Die myotonen Dystrophien sind erbliche Muskelerkrankungen, die durch Muskelschwund (Dystrophie) sowie eine verzögerte Erschlaffung der Muskeln (Myotonie) gekennzeichnet sind. Auch wenn die myotonen Dystrophien mit einer Häufigkeit von 1 : 12.000 (1/8.000 - 1/20.000, Quelle: Dr. Gumbert https://www.drgumbert.de/html/ myotone dystrophie.html, zuletzt recherchiert am 16. Januar 2019; 1 : 10.000 -1 : 15.000, Quelle. Genetikum, Genetische Diagnostik in der Neurologie, https://www. genetikum.de/de/genetikum/Infothek/infothek detail, zuletzt recherchiert am 16. Januar 2019) zu den seltenen Erkrankungen zählen, sind es die häufigsten Muskelerkrankungen im Erwachsenenalter. Es werden zwei Formen unterschieden, die myotone Dystrophie Typ 1 (DM1; auch Curschmann-Steinert-Erkrankung) und die myotone Dystrophie Typ 2 (DM2; auch Proximale myotone Myopathie, PROMM). Bei beiden Formen handelt es sich um multisystemische Erkrankungen. Dies bedeutet, dass die Symptome nicht nur die Skelettmuskulatur, sondern auch glatte Muskulatur, Auge, Herz, den Hormonhaushalt und das Zentralnervensystem betreffen können. Im Bereich der Skelettmuskulatur führt die Erkrankung zu einer Muskelschwäche und abnormen Muskelentspannbarkeit (Myotonie). Es besteht möglicherweise eine milde bis mäßige Erhöhung des CK-Wertes, eines im Blut messbaren Muskelenzyms. In einer Bildgebung des Gehirns (cMRT) können sich Aufhellungen in der sog. weißen Substanz darstellen. Eine Herzbeteiligung kann sich in Form von Herzrhythmusstörungen und seltener in einer Kardiomyopathie (Herzmuskelschwäche) äußern. Am Auge entwickelt sich häufig eine Linsentrübung (Katarakt, Grauer Star). Hormonelle Störungen können sich z.B. in einem Diabetes mellitus zeigen. Bei der DM1 sind im Bereich der Skelettmuskulatur hauptsächlich die Muskeln des Gesichts, der Nackenbeuger, sowie die stammferne (distale) Muskulatur der Extremitäten (Unterarme und Hände sowie Unterschenkel und Füße) betroffen. Typisch für die DM1 ist, dass die Patienten im Krankheitsverlauf an einer vermehrten Tagesmüdigkeit (Fatigue) leiden.

Generell kann der Schweregrad der DM1 sehr unterschiedlich ausgeprägt sein und reicht von einer milden Form (40 - 200 Repeats, Erkrankungsalter >50), bei der es nur in höherem Lebensalter zu einer leichten Myotonie und dem Auftreten von Katarakten und einem Diabetes mellitus kommt, über eine klassische Form (200 - 1000 Repeats, Beginn in der Jugend/frühem Erwachsenenalter) zu einer angeborenen (kongenitalen) Form (ca. 1.000 oder mehr Repeats). Es wird in der Literatur auch eine „childhoodonset“ Form der Erkrankung beschrieben, die im jüngeren Kindesalter beginnt. Die Kinder zeigen meist neuropsychologische und neuropsychiatrische Symptome wie Autismus-Spektrum-Störungen, auffälliges Verhalten wie ein Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, häufig Intelligenzminderung (60 - 80% der Patienten) und kognitive Verlangsamung. Weitere Symptome der klassischen DM1 können in unterschiedlicher Ausprägung hinzutreten. Die Repeat-Länge liegt wie bei der klassischen Form der Erkrankung meist zwischen 50 - 1.000 (Quelle:„Zerebrale Beteiligung bei myotoner Dystrophie Typ 1 und Typ 2 -Eine systematische Analyse neuropsychologischer Leistungsprofile“, Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Hohen Medizinischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Sandra Michaela Adler geb. Mirbach aus Bonn, 2013, S. 15).

Das klinische Bild der schwersten Form der Erkrankung, der kongenitalen Form, ist durch Muskelhypotonie, Schwäche der mimischen Muskulatur, Gedeihstörungen, Extremitätenkontraktur, schwere Ateminsuffizienz und Schluckstörungen v.a. in den ersten Lebensmonaten gekennzeichnet. Im Verlauf zeigt sich eine psychomotorische Retardierung. Eine schwere Beteiligung der Atemmuskulatur kann auch zu einem frühzeitigen Versterben betroffener Kinder führen. Einer Quelle zufolge sind viele Neugeborene auf künstliche Beatmung angewiesen und 25 - 50% sterben innerhalb der ersten 18 Lebensmonate (https://medlexi.de/Myotone Dystrophie Typ 1, zuletzt recherchiert am 16. Januar 2019).

Bei der DM1 ist eine Antizipation charakteristisch. Dies bedeutet, dass die Anzahl der Repeats bei einer Vererbung von einer Generation auf die nächste zunehmen kann (v.a. bei der Vererbung über die weibliche Keimbahn), sodass es bei den Nachkommen zu einer früheren und stärkeren Symptomatik kommt. Im Unterschied zu der DM1 beobachtet man bei der DM2 keine mentale Störung und keine regelhafte Verschlechterung bei Vererbung auf die nächste Generation. Auch gibt es keine angeborenen Verlaufsformen, die sich klinisch bereits im Säuglings- oder Kindesalter manifestieren (Quellen: Medizinisch Genetisches Zentrum - MGZ, München, www.mgzmuenchen.de; Mitteldeutscher Praxisverbund Humangenetik http://www. genetikdresden.de/node/90; Neurologienetz - Das Informationsportal für Ärzte https: …www. neurologienetz.de/fachliches/erkrankungen/neuromuskulaereerkrankungen/ myotonedystrophietyp-1-curschmannsteinerterkrankung; Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V., https://www.dgm.org/muskelerkrankungen/ myotonedystrophie; Schweizerische Muskelgesellschaft, https://www.muskelgesellschaft.ch/diagnosen/muskeldystrophie/myotonedystrophie, alle zuletzt recherchiert am 16. Januar 2019).

Die beim potentiellen Kindsvater (unstreitig) vorliegende klassische Form der DM1 ist nach ihrem Schweregrad nicht geeignet, die Vornahme einer PID zu rechtfertigen, auch wenn die Krankheit fortschreitet, zu erheblichen Beeinträchtigungen in der Lebensgestaltung führt und mit einer eingeschränkten Lebenserwartung zu rechnen ist. Denn den Schweregrad der Muskeldystrophie Typ Duchenne erreicht sie nicht. Insbesondere sind die Betroffenen nicht schon in der Kindheit und im jungen Erwachsenenalter auf intensive Pflege im Alltag angewiesen und haben zwar eine eingeschränkte Lebenserwartung, erreichen jedoch - wenn auch mit erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen - das fortgeschrittene Erwachsenenalter. Patienten mit der Muskeldystrophie Duchenne erreichen bei sehr frühem Verlust der Gehfähigkeit und progredientem Krankheitsverlauf bislang nur das dritte Lebensjahrzehnt, wobei im Moment nicht abgesehen werden kann, ob und wenn ja in welchem zeitlichen Rahmen und Umfang durch den medizinischen Fortschritt eine Verlängerung der Lebenserwartung erreichbar ist.

Hingegen spricht - auch nach übereinstimmenden Einschätzungen der Beteiligten -viel dafür, dass die kongenitale Form der myotonen Dystrophie Typ 1 die Kriterien für eine schwerwiegende Erbkrankheit im medizinischen Sinn erfüllt. Sie geht mit einer geringen Lebenserwartung (teilweise unter 18 Monaten), und schwersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Schluckstörungen, Ateminsuffizienz) einher.

c. Für die kongenitale Form der DM1 besteht nach übereinstimmender Einschätzung der Beteiligten und nach Überzeugung des Senats kein hohes Risiko, da die schwere Form der DM1 fast ausschließlich über die mütterliche Keimbahn und nicht im paternalen Erbgang weitergegeben wird.

Das Risiko, dass die Nachkommen der Klägerin an DM1 erkranken werden, besteht wegen der Grundsätze der Vererbung i. H. v. 50%. Es handelt sich um eine autosomaldominante Erbkrankheit, bei der beim Vorliegen eines erkrankten homologen Chromosoms mit der Manifestation der Erkrankung zu rechnen ist. Das für die Erkrankung verantwortliche mutierte Gen liegt nicht auf den Geschlechtschromosomen X oder Y, sondern auf einem der 22 Autosomen, also den geschlechtsunabhängigen Chromosomen. Ein Allel (verschiedene Ausprägungsformen eines Gens) bzw. eine Mutation übt bereits bei heterozygotem Vorliegen eine erkennbare Wirkung auf den Phänotyp aus (http://www.drze.de/imblickpunkt/ praedikativegenetischetestverfahren/module/erbgaengeundbegriffsdefinitionen, zuletzt recherchiert am 20. Februar 2019), sodass nach der Vererbungslehre eine Wahrscheinlichkeit von 50% besteht, dass die Nachkommen der Klägerin an DM1 erkranken.

Abzustellen ist für die Bemessung des Risikos i.S.d. § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG aber nicht auf die klassische Form der DM1. Allein die kongenitale Form der DM1 weist die Kriterien auf, die eine medizinische Indikation rechtfertigen könnten. Nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten und nach den im Verfahren vorgelegten medizinischen Fachaufsätzen besteht für diese schwerste Form der DM1 kein hohes Risiko für die Nachkommen der Klägerin, weil diese Form fast ausschließlich über die mütterliche Keimbahn und nicht durch einen von DM1 betroffenen Vater weitergegeben wird.

Selbst wenn man aufgrund des Merkmals der Antizipation bei der DM1 eine geringere Wahrscheinlichkeit ausreichen lassen wollte, um ein hohes Risiko zu bejahen, da eine Berechnung des Risikos einer Antizipation naturwissenschaftlich nicht möglich ist, ergeben sich weder aus den von Beteiligtenseite vorgelegten fachmedizinischen Aufsätzen, noch aus deren Vortrag oder aus sonstigen allgemein zugänglichen Quellen belastbare Anhaltspunkte dafür, dass für die Nachkommen der Klägerin ein hohes Risiko im dargestellten Sinn besteht. Die Möglichkeit der Weitergabe im paternalen Erbgang, die in der medizinischen Fachliteratur in Einzelfällen beschrieben wird, stellt jedenfalls kein hohes Risiko im dargestellten Sinn dar, da eine relevante Gruppenbildung wissenschaftlich bislang nicht bestätigt wird.

Damit war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision war nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil die Fragen, welcher Maßstab für die Einstufung einer Erbkrankheit als schwerwiegend i.S.d. § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG anzulegen ist und ob der Ethikkommission dabei ein Beurteilungsspielraum zusteht, grundsätzliche Bedeutung haben.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 14. März 2019 - 20 BV 17.1507

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 14. März 2019 - 20 BV 17.1507

Referenzen - Gesetze

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 14. März 2019 - 20 BV 17.1507 zitiert 29 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 80


(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrund

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 97


(1) Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen. (2) Die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter können wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, welche die Ge

Embryonenschutzgesetz - ESchG | § 3a Präimplantationsdiagnostik; Verordnungsermächtigung


(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition

Gesetz zum Schutz von Embryonen


Embryonenschutzgesetz - ESchG

Strafgesetzbuch - StGB | § 218a Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs


(1) Der Tatbestand des § 218 ist nicht verwirklicht, wenn 1. die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat b

Embryonenschutzgesetz - ESchG | § 8 Begriffsbestimmung


(1) Als Embryo im Sinne dieses Gesetzes gilt bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderliche

Gendiagnostikgesetz - GenDG | § 15 Vorgeburtliche genetische Untersuchungen


(1) Eine genetische Untersuchung darf vorgeburtlich nur zu medizinischen Zwecken und nur vorgenommen werden, soweit die Untersuchung auf bestimmte genetische Eigenschaften des Embryos oder Fötus abzielt, die nach dem allgemein anerkannten Stand der W

Verordnung zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik


Präimplantationsdiagnostikverordnung - PIDV

Präimplantationsdiagnostikverordnung - PIDV | § 5 Antrag auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik


(1) Die Ethikkommission wird zur Prüfung und Bewertung nach § 3a Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Embryonenschutzgesetzes nur auf schriftlichen Antrag der Frau, von der die Eizelle stammt (Antragsberechtigte), tätig. (2) Der Antrag hat alle Angaben u

Präimplantationsdiagnostikverordnung - PIDV | § 4 Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik


(1) Die Länder richten für die für die Durchführung der Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren unabhängige interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik (Ethikkommissionen) ein. Dabei können die Länder au

Präimplantationsdiagnostikverordnung - PIDV | § 6 Prüfung des Antrags auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik


(1) Die Ethikkommission übermittelt der Antragsberechtigten innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Vorliegen der nach § 5 Absatz 2 erforderlichen Angaben und vollständigen Unterlagen ihre schriftliche Entscheidung über den Antrag auf Durchführun

Embryonenschutzgesetz - ESchG | § 3 Verbotene Geschlechtswahl


Wer es unternimmt, eine menschliche Eizelle mit einer Samenzelle künstlich zu befruchten, die nach dem in ihr enthaltenen Geschlechtschromosom ausgewählt worden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Dies gilt n

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 14. März 2019 - 20 BV 17.1507 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 14. März 2019 - 20 BV 17.1507 zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 30. Nov. 2018 - 20 B 18.290

bei uns veröffentlicht am 30.11.2018

Tenor I. Das Verfahren wird, soweit die Berufung zurückgenommen wurde, eingestellt. II. Die Berufung wird im Übrigen zurückgewiesen. III. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläuf

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 28. Juni 2018 - 2 C 14/17

bei uns veröffentlicht am 28.06.2018

Tatbestand 1 Die Klägerin wendet sich gegen ihre Entlassung aus dem Amt als hauptberufliche Vizepräsidentin der beigeladenen Universität durch das beklagte Ministerium.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 22. Sept. 2016 - 4 C 2/16

bei uns veröffentlicht am 22.09.2016

Tatbestand 1 Die Klägerin wendet sich gegen immissionsschutzrechtliche Genehmigungen des Beklagten für die Errichtung und den Betrieb von drei Windenergieanlagen der Bei

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 29. Juni 2016 - 7 C 32/15

bei uns veröffentlicht am 29.06.2016

Tatbestand 1 Mit Schreiben vom 30. Mai 2013 (im Folgenden: Aufforderungsschreiben) leitete die Europäische Kommission das Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2013/4000 gege

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 17. Sept. 2015 - 2 A 9/14

bei uns veröffentlicht am 17.09.2015

Gründe I 1 Der Kläger begehrt seine Ernennung zum Regierungsinspektoranwärter im Beamtenverhält

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 25. Juli 2013 - 2 C 12/11

bei uns veröffentlicht am 25.07.2013

Tatbestand 1 Der Kläger beansprucht die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe als Studienrat und Schadensersatz wegen rechtsfehlerhafter Ablehnung seiner Bewerbun

BVERFG 1 BvR 857/07

bei uns veröffentlicht am 18.10.2011

Tenor Der Gegenstandswert der Tätigkeit der Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin wird auf 120.000 € (in Worten: einhundertzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 23. März 2011 - 6 C 6/10

bei uns veröffentlicht am 23.03.2011

Tatbestand 1 Die Klägerin, die öffentliche Mobilfunknetze nach dem GSM- und dem UMTS-Standard betreibt, wendet sich gegen eine Allgemeinverfügung der Bundesnetzagentur ü
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 14. März 2019 - 20 BV 17.1507.

Verwaltungsgericht München Urteil, 20. März 2019 - M 18 K 17.3701

bei uns veröffentlicht am 20.03.2019

Tenor I. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2017, in der Form, die er durch den Änderungsbescheid vom 25. Januar 2019 erhalten hat, wird in den Ziffern 1 und 2 aufgehoben. II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tr

Referenzen

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

(1) Die Länder richten für die für die Durchführung der Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren unabhängige interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik (Ethikkommissionen) ein. Dabei können die Länder auch gemeinsame Ethikkommissionen einrichten. Die Ethikkommissionen setzen sich aus vier Sachverständigen der Fachrichtung Medizin, jeweils einem oder einer Sachverständigen der Fachrichtungen Ethik und Recht sowie jeweils einem Vertreter der für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe behinderter Menschen auf Landesebene maßgeblichen Organisationen zusammen. Bei der Zusammensetzung der Ethikkommission hat die berufende Stelle Frauen und Männer mit dem Ziel ihrer gleichberechtigten Teilhabe zu berücksichtigen.

(2) Die Mitglieder der Ethikkommissionen sind in ihrer Meinungsbildung und Entscheidungsfindung unabhängig und nicht weisungsgebunden. Sie sind zur Vertraulichkeit und Verschwiegenheit verpflichtet.

(3) Die Ethikkommissionen erheben für ihre nach § 3a Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Embryonenschutzgesetzes festgelegte Tätigkeit Gebühren und Auslagen.

(4) Das Nähere zur Zusammensetzung, zu internen Verfahrensregelungen, zur Berufung der Mitglieder der Ethikkommissionen und zur Finanzierung der Ethikkommissionen wird durch Landesrecht bestimmt. Die Dauer der Berufung der Mitglieder der Ethikkommissionen ist zu befristen.

(1) Die Ethikkommission übermittelt der Antragsberechtigten innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Vorliegen der nach § 5 Absatz 2 erforderlichen Angaben und vollständigen Unterlagen ihre schriftliche Entscheidung über den Antrag auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik.

(2) Die Ethikkommissionen können zur Prüfung eines Antrags auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik und der dafür eingereichten Unterlagen

1.
eigene wissenschaftliche Erkenntnisse verwerten,
2.
Sachverständige beiziehen, die mit der Gesundheitsschädigung, die Gegenstand des zu prüfenden Antrags ist, Erfahrung haben,
3.
Gutachten anfordern oder
4.
die Antragsberechtigte mündlich anhören.
Die Ethikkommissionen sind verpflichtet, in den Fällen von Satz 1 Nummer 2 und 3 die personenbezogenen Daten zu anonymisieren oder, solange eine Anonymisierung zur Erlangung der notwendigen Erkenntnisse noch nicht möglich ist, zu pseudonymisieren.

(3) Ärztinnen und Ärzte sind von der Prüfung eines Antrags auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik ausgeschlossen, wenn sie im Fall einer zustimmenden Bewertung des Antrags die Präimplantationsdiagnostik durchführen, an der künstlichen Befruchtung beteiligt sein werden oder in dem Zentrum, in dem die Präimplantationsdiagnostik oder die künstliche Befruchtung durchgeführt werden soll, tätig sind.

(4) Die Ethikkommissionen haben den Antrag auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik zustimmend zu bewerten, wenn sie nach Prüfung der in § 5 Absatz 2 genannten Angaben und Unterlagen unter Berücksichtigung der im konkreten Einzelfall maßgeblichen psychischen, sozialen und ethischen Gesichtspunkte zu dem Ergebnis kommen, dass die in § 3a Absatz 2 des Embryonenschutzgesetzes genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Sie treffen ihre Entscheidung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der stimmberechtigten Mitglieder.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

(1) Eine genetische Untersuchung darf vorgeburtlich nur zu medizinischen Zwecken und nur vorgenommen werden, soweit die Untersuchung auf bestimmte genetische Eigenschaften des Embryos oder Fötus abzielt, die nach dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik seine Gesundheit während der Schwangerschaft oder nach der Geburt beeinträchtigen, oder wenn eine Behandlung des Embryos oder Fötus mit einem Arzneimittel vorgesehen ist, dessen Wirkung durch bestimmte genetische Eigenschaften beeinflusst wird und die Schwangere nach § 9 aufgeklärt worden ist und diese nach § 8 Abs. 1 eingewilligt hat. Wird anlässlich einer Untersuchung nach Satz 1 oder einer sonstigen vorgeburtlichen Untersuchung das Geschlecht eines Embryos oder Fötus festgestellt, kann dies der Schwangeren mit ihrer Einwilligung nach Ablauf der zwölften Schwangerschaftswoche mitgeteilt werden.

(2) Eine vorgeburtliche genetische Untersuchung, die darauf abzielt, genetische Eigenschaften des Embryos oder des Fötus für eine Erkrankung festzustellen, die nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres ausbricht, darf nicht vorgenommen werden.

(3) Vor einer vorgeburtlichen genetischen Untersuchung und nach Vorliegen des Untersuchungsergebnisses ist die Schwangere entsprechend § 10 Abs. 2 und 3 genetisch zu beraten und ergänzend auf den Beratungsanspruch nach § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes hinzuweisen; der Inhalt der Beratung ist zu dokumentieren.

(4) Wird die vorgeburtliche genetische Untersuchung bei einer Schwangeren vorgenommen, die nicht in der Lage ist, Wesen, Bedeutung und Tragweite der vorgeburtlichen genetischen Untersuchung zu erkennen und ihren Willen hiernach auszurichten, findet § 14 Abs. 1 Nr. 2 und 3 Anwendung. Die genetische Untersuchung darf nur vorgenommen werden, wenn zuvor

1.
der Vertreter der Schwangeren nach § 9 aufgeklärt worden ist,
2.
eine Ärztin oder ein Arzt, die oder der die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 und 3 erfüllt, den Vertreter entsprechend Absatz 2 genetisch beraten und
3.
der Vertreter nach § 8 Abs. 1 eingewilligt hat.
Die §§ 1627 und 1821 Absatz 2 bis 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden Anwendung.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

Tenor

I. Das Verfahren wird, soweit die Berufung zurückgenommen wurde, eingestellt.

II. Die Berufung wird im Übrigen zurückgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit der ihr die Durchführung von Trophektodermbiopsien ohne eine zustimmende Bewertung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik (PID) untersagt wurde. Daneben wendet sie sich gegen einen weiteren Bescheid der Beklagten, mit dem ihr für den Fall der Zuwiderhandlung gegen den obigen Bescheid ein (erhöhtes) Zwangsgeld angedroht wurde.

Die Klägerin betreibt in m … die Zweigniederlassung ... (im Folgenden: …) und führte dort in der Vergangenheit Trophektodermbiopsien durch.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2014 beantragte das … die Zulassung als Präimplantationsdiagnostikzentrum im Sinne von § 3 Präimplantationsdiagnostikverordnung (PIDV) beim Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP).

Mit Bescheid vom 2. Juni 2015 untersagte die Beklagte der Klägerin nach vorheriger Anhörung, in der Zweigniederlassung … Trophektodermbiopsien durchzuführen, ohne dass 1. die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik in jedem Einzelfall eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und 2. das … über eine Zulassung als Zentrum für Präimplantationsdiagnostik gemäß § 3a Embryonenschutzgesetz (ESchG) durch das Bayerische StMGP verfügt (Ziff. I). In Ziffer II wurde die sofortige Vollziehung der Ziffer I angeordnet und in Ziffer III wurde im Falle des Verstoßes gegen Ziffer I für jeden Einzelfall ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 € angedroht.

Hiergegen ließ die Klägerin fristgerecht Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben (M 18 K 15.2602).

Unter dem 30. Juni 2015 wurde dem … vom StMPG die beantragte Zulassung als Zentrum für Präimplantationsdiagnostik erteilt.

Mit Schreiben der Beklagten vom 10. Februar 2016 wurde das im Bescheid vom 2. Juni 2015 angedrohte Zwangsgeld für fällig erklärt und ein erneutes Zwangsgeld im Falle des Verstoßes gegen Ziffer I des Bescheides vom 2. Juni 2015 in Höhe von 20.000,00 € angedroht. Das Fälligstellen des Zwangsgelds und die erneute Androhung eines höheren Zwangsgeldes wurde dahingehend begründet, dass ein Paar von der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik eine nachträgliche Zustimmung zu einer durch die Klägerin bereits durchgeführten Trophektodermbiopsie habe erlangen wollen. Es habe angegeben, erst durch die Krankenkasse darauf aufmerksam gemacht worden zu sein, dass eine vorherige zustimmende Bewertung der Ethikkommission für die bereits vorgenommene Untersuchung notwendig gewesen wäre. Es sei dahingehend nicht von der Klägerin aufgeklärt worden. Die erneute Zwangsgeldandrohung sei bezüglich der Höhe angemessen, da die Wirksamkeit des Zwangsmittels wegen eines erheblichen finanziellen Interesses an der Untersuchung, der Haltung der Klägerin und ihrer finanziellen Situation nur so sichergestellt werden könne.

Hiergegen ließ die Klägerin mit am 22. März 2016 beim Verwaltungsgericht München eingegangenem Schriftsatz Klage (M 18 K 16.1370) erheben.

Mit Urteil vom 7. September 2016 wies das Verwaltungsgericht die Klagen ab. In der Begründung führte es aus, dass die Klage gegen den Bescheid vom 2. Juni 2015 insoweit unzulässig sei, als sie sich gegen Ziffer I.2 des Bescheids richte, da mit Erteilung der Zulassung als Präimplantationsdiagnostik-Zentrum insoweit das Rechtsschutzbedürfnis entfallen sei. Die Klägerin habe das Anfechtungsbegehren auf den Untersuchungszweck der Feststellung der Entwicklungsfähigkeit von Embryonen begrenzt. Insoweit sei die Klage unbegründet. Auch Trophektodermbiopsien zur Bestimmung der Entwicklungsfähigkeit des Embryos fielen unter den Begriff der PID nach § 3a ESchG. Dass eine genetische Untersuchung in vitro vor dem intrauterinen Transfer vorliege, sei unstreitig. Die Untersuchung an den muralen Trophektodermzellen einer Blastozyste werde auch an Zellen eines Embryos nach § 3a Abs. 1 ESchG vorgenommen. Die Blastozyste, an der die Untersuchung durchgeführt werde, sei ein Embryo im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei bezüglich des Merkmals der Entwicklungsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 ESchG nicht darauf abzustellen, ob der Embryo sich in die Gebärmutter einnisten könne, oder ob eine Fehl- oder Totgeburt in Zukunft zu erwarten sei. Entwicklungsfähigkeit in diesem Sinne sei die Fähigkeit der befruchteten Eizelle zur Zellteilung (unter Verweis auf BayVGH, B.v. 27.10.2015 - 20 CS 15.1904 - juris Rn. 20). Einerseits ergebe sich das bereits aus der Formulierung des § 8 Abs. 2 ESchG, wonach die befruchtete Eizelle bereits in den ersten 24 Stunden ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung als Embryo „gelte“, es sei denn, es lasse sich nachweisen, dass die befruchtete Eizelle nicht fähig sei, sich über das Einzellstadium hinaus zu entwickeln. In gesetzessystematischer Hinsicht sei aus § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG ein Rechtfertigungsgrund für eine PID zu entnehmen, die durchgeführt werde, um festzustellen, dass eine schwere Schädigung des Embryos vorliege, die zu einer Totoder Fehlgeburt führen werde. Wenn die Annahme der Entwicklungsfähigkeit darauf gestützt werde, dass eine Tot- oder Fehlgeburt zu erwarten sei, läge bereits kein Embryo im Sinne des § 8 Abs. 1 Variante 1 ESchG vor. Dann wäre § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG als eigener Rechtfertigungsgrund aber sinnentleert, da bereits mangels Vorliegen einer tatbestandsmäßigen PID eine Rechtfertigung nicht erforderlich wäre. Die muralen Trophektodermzellen seien auch Zellen eines Embryos im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG. Auch wenn sie bereits weiter ausdifferenziert seien, seien sie dennoch Teil des Embryos im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG, da sie noch eine mit der Zona pellucida begrenzte Einheit darstellten. Zum Embryo im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG gehörten, zumindest im Zustand vor seiner Einpflanzung, auch die Zellen, die für seine spätere Lebenserhaltung relevant seien. Nur weil bereits eine Ausdifferenzierung zwischen den Zellen innerhalb des Embryoblast, die zum zukünftigen Säugling bzw. der zukünftigen Plazenta würden, stattgefunden habe, könne eine Begrenzung der Eigenschaft als Embryo auf diejenigen Zellen, die der spätere Säugling würden, nicht erfolgen. Die missverständliche Formulierung in § 2 Nr. 3 PIDV ändere hieran nichts (unter Verweis auf BayVGH a.a.O., Rn. 21). Auf die Pluripotenz oder Ausdifferenzierung der muralen Trophektodermzellen komme es jedoch nicht maßgeblich an, da entgegen der klägerischen Ansicht eine einengende Konkretisierung des Begriffs „Zelle eines Embryos“ gemäß § 3a Abs. 1 ESchG durch die Verordnung nicht möglich sei. Denn nach der Ermächtigungsgrundlage der Verordnung in § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG habe der Verordnungsgeber nur über die dort geregelten Punkte Entscheidungen treffen dürfen. Eine Konkretisierung der Begriffsdefinition sei in der Ermächtigungsgrundlage nicht enthalten gewesen. Des Weiteren sei auch aus dem Anwendungsbereich nach § 1 PIDV ersichtlich, dass der Verordnungsgeber lediglich die in § 3a Abs. 3 Satz 3 Nrn. 1 bis 4 ESchG benannten Punkte habe regeln und nicht darüber hinaus den Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG habe einschränken wollen. Die Argumentation, dass lediglich Trophektodermzellen entnommen würden und deshalb das Schutzgut des § 3a Abs. 1 ESchG nicht berührt werde, sei nicht nachvollziehbar. Das wichtigste Schutzgut in Bezug auf Untersuchungen vor einer künstlichen Befruchtung sei die Verhinderung von ungerechtfertigten und nicht überwachten Selektionsentscheidungen zwischen mehreren Embryonen. Dieses Schutzgut werde durch das Anliegen der Klägerin, Trophektodermbiopsien zur Feststellung der Entwicklungsfähigkeit der Embryonen ohne das Einhalten der Anforderungen nach § 3a Abs. 2 und 3 ESchG durchzuführen, unterminiert.

Die Feststellungsklage bezüglich der Fälligstellung des Zwangsgeldes im Schreiben vom 10. Februar 2016 sei zulässig, jedoch unbegründet. Gleiches gelte für die Anfechtungsklage gegen die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes. Für die Rechtmäßigkeit der erneuten Zwangsgeldandrohung komme es nicht maßgeblich auf die Darlegung des Verstoßes gegen die ursprüngliche Zwangsgeldandrohung an, da das erste Zwangsgeld mit dem Verstoß von Gesetzes wegen fällig werde. Eine erneute Androhung sei nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG erst zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung erfolglos geblieben sei. Dies sei hier der Fall. Auch die Höhe des Zwangsgeldes sei entgegen der Ansicht der Klägerin angemessen. Um den nötigen Nachdruck zu erzielen, solle das Zwangsgeld so bemessen werden, dass der Pflichtige keinen Vorteil aus der Nichterfüllung der Anordnung ziehen könne. Hierbei stehe der Behörde innerhalb des gesetzlichen Rahmens ein weiter Entscheidungsspielraum zu, bei dem die Umstände des Einzelfalls und die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigen seien. Eine Begründung für die geschätzte Höhe des wirtschaftlichen Interesses sei regelmäßig nicht erforderlich. Die Verdopplung der Höhe des angedrohten Zwangsgeldes gegenüber einer erfolglos gebliebenen Erstandrohung entspreche üblicher und anerkannter Verwaltungspraxis. Dass die Beklagte das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Durchführung der Trophektodermbiopsien erheblich höher als von dieser angegeben einschätze, werde nicht beanstandet. Bei einer Untersuchung von sechs Blastozysten verdiene die Klägerin ausweislich der vorgelegten Rechnung des Ehepaares S. über 3.500,00 €. Da die Klägerin eines der wenigen Labore deutschlandweit besitze, die die vorgenannte Untersuchung anböten bzw. angeboten hätten, könne bezweifelt werden, ob lediglich acht derartige Untersuchungen im Jahr von der Klägerin vorgenommen würden bzw. worden seien.

Der Senat hat die von der Klägerin beantragte Berufung mit Beschluss vom 1. Februar 2018 zugelassen, weil die Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Zur Begründung der Berufung führt die Klägerin aus, dass sie der Auffassung sei, eine bestimmte Form der genetischen Untersuchung eines Embryos falle nicht unter § 3a ESchG. Dies sei die Trophektodermbiopsie, bei der im Blastozystenstadium (etwa fünf Tage nach der Befruchtung) sogenannte murale Trophektodermzellen (nicht: Trophoblastzellen) entnommen und untersucht würden. Murale Trophektodermzellen seien Zellen, die in der Blastozyste dem Embryoblast gegenüber lägen und selbst die Fähigkeit, sich zu einem Menschen zu entwickeln, verloren hätten. Sie hätten die Funktion, sich zu den künftigen Eihäuten zu entwickeln. Sie seien unstreitig keine pluripotenten Zellen und schon gar keine totipotenten Zellen. Die Untersuchung, die die Klägerin beabsichtige, ziele darauf ab, festzustellen, ob diese Blastozyste aufgrund des Alters der Mutter nicht mehr entwicklungsfähig sei. Die altersbedingte Entwicklungsschwäche beruhe auf einer numerischen Chromosomenaberration, bei der einzelne Chromosomen zusätzlich zum üblichen Chromosomensatz vorhanden seien oder fehlten. Die Rate fortlaufender Schwangerschaften sinke von ca. 50% bei Frauen im Alter von weniger als 30 Jahren über 38% bei Frauen im Alter von 30 bis 35 Jahren und 31% bei Frauen im Alter von 35 bis 37 Jahren auf 20% bei Frauen im Alter von 39 bis 41 Jahren. Gleichzeitig steige die Rate der Fehlgeburten von 19% pro eingetretener Schwangerschaft bei jungen Frauen kontinuierlich auf 36% bei Frauen im Alter von 37 bis 39 Jahren. Im Rahmen einer künstlichen Befruchtung liege die Fehlgeburtsrate pro Transfer bei 10% bis 15%. Bei der Trophektodermbiopsie zur Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung würden vereinfacht gesprochen von den muralen Trophektodermzellen die Chromosomen gezählt („Aneuploidie-Screening“ oder „Chromosomen-Screening“). Zur Erkennung des Entwicklungspotentials von Embryonen würden Aneuploidien (numerische Abweichungen von der normalen Chromosomenzahl) überprüft, die mit steigendem mütterlichen Alter immer häufiger würden, und nur Embryonen mit einem normalen Chromosomensatz würden zum Transfer empfohlen. Aneuploidien führten entweder nicht zu einer Implantation, zu Fehl- oder Totgeburten oder mit einer geringen Wahrscheinlichkeit (kleiner als 2%) - z.B. im Falle einer Trisomie 21 - zur Geburt eines Kindes beispielsweise mit Down-Syndrom. Mit der Untersuchung würde mittels genetischer Untersuchung ein Vorgang fortgesetzt, der bei der künstlichen Befruchtung teilweise auch ohne genetische Untersuchung vorgenommen werde. So würden manche Formen von Entwicklungsunfähigkeit schon ohne genetische Untersuchung erkannt und führten dazu, dass diese Embryonen nicht übertragen würden. Von dieser Untersuchung sei die PID im engeren Sinn zu unterscheiden. Sie bilde ein aufwendiges Verfahren, da zunächst Proben von Familienmitgliedern genommen werden müssten, um dann den genetischen Fingerabdruck des Embryos zu bestimmen, der mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zur Erkrankung führe. Bei der PID im engeren Sinne würden Erbkrankheiten im engeren Sinne offen gelegt, ebenso würde häufig die DNA kontrolliert.

Der Bescheid vom 2. Juni 2015 sei hinsichtlich der Anordnung I.1 rechtswidrig, da die gesetzlichen Voraussetzungen einer Untersagungsverfügung nicht vorlägen. Die Untersagungsverfügung gemäß Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 LStVG sei rechtswidrig, da die Durchführung der Trophektodermbiopsie keiner zustimmenden Bewertung der Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik bedürfe und daher deren Durchführung ohne entsprechende Zustimmung keine Ordnungswidrigkeit darstelle und auch keine Gefährdung für Leib oder Leben im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Nr. 3 LStVG bestehe. Die Klägerin weigere sich, freiwillig das Verfahren gemäß § 3a Abs. 2 ESchG durchzuführen nur für Fallgestaltungen, bei denen sie auf murale Trophektodermzellen zwecks Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung zugreife. § 3a ESchG sei auf diesen Fall nicht anwendbar, sodass die Untersagungsverfügung rechtswidrig sei.

§ 3a ESchG sei nur auf eine Untersuchung von pluripotenten Zellen und nicht auch auf die Untersuchung von muralen Trophektodermzellen anwendbar. § 3a Abs. 1 ESchG stelle die Untersuchung von „Zellen eines Embryos“ unter Strafe, ohne den Begriff „Zelle“ zu definieren. Nach der Wortlautauslegung ergebe sich, dass mit der Wendung „Zellen eines Embryos“ nicht jede Untersuchung eines Embryos gemeint sei. Vielmehr sei eine Einschränkung beabsichtigt. Die Bezeichnung „Wer Zellen eines Embryos“ untersuche, werde in der Literatur teilweise als eine überflüssige Konkretisierung verstanden, da der Embryo sowieso nur aus Zellen und noch nicht aus Organen bestünde. Eine Auslegung, die den Normteil „Zellen eines Embryos“ aber genauso verstehe, wie wenn dort „Embryo“ stünde, obwohl der Gesetzgeber erkennbar eine bestimmte Form der Untersuchung habe regeln wollen, weil er gemeint habe, eine Gesetzeslücke schließen zu müssen, werde dem Normtext nicht gerecht. Dass der Gesetzgeber mit dieser Passage eine Einschränkung habe vornehmen wollen, könne nicht ernsthaft fraglich sein. Neben § 3a ESchG spreche er auch in § 7 Abs. 1 Nr. 2 ESchG von „Zellen des Embryos“. In beiden Wendungen werde bewusst ein Teil des Embryos rechtlich erfasst, was man schlecht interpretatorisch ignorieren könne. Weiter sei die Wendung „Zellen eines Embryos“ in § 3a Abs. 1 ESchG vor dem Hintergrund gewählt worden, dass eine PID im weiteren Sinne an totipotenten Zellen nach fast einhelliger Ansicht gemäß § 2 ESchG und § 6 ESchG schon immer verboten gewesen sei und daher die totipotenten Zellen bei § 3a Abs. 2 ESchG nicht erfasst würden. Hintergrund dieser Argumentation sei, dass man bei totipotenten Zellen die Rechtfertigungsmöglichkeit gemäß § 3a Abs. 2 ESchG kategorisch ausschließen wolle. In den Augen der Klägerin würde die Frage, ob totipotente Zellen „Zellen eines Embryos“ sein könnten, ein ganz zentrales Argument für die Frage der Auslegung von § 3a ESchG darstellen. Wenn man mit der ganz überwiegenden Ansicht totipotente Zellen vom Anwendungsbereich des § 3a ESchG ausscheide und dazu den Normtext von § 3a Abs. 1 ESchG teleologisch reduziere, sage man der Sache nach, dass die Entscheidung des Gesetzgebers gemäß § 3a ESchG, eine Untersuchung eines Embryos unter bestimmten Voraussetzungen zuzulassen, nicht für totipotente Zellen gelte, da diese deutlich näher am späteren Menschen dran seien als die pluripotenten Zellen, auf die sich § 3a Abs. 2 ESchG beziehe. Daraus folge konsequenter Weise im Umkehrschluss, dass man aus dem Verbot einer PID an pluripotenten Zellen nicht auf ein Verbot einer PID an muralen Trophektodermzellen schließen könne, weil die muralen Trophektodermzellen nun einmal deutlich weiter vom späteren Menschen entfernt seien als pluripotente Zellen. Systematisch könne man zwar darauf hinweisen, totipotente Zellen könnten von § 3a ESchG nicht erfasst sein, da sie gemäß § 8 ESchG schon als „Embryo“ definiert seien. An dem Argument, dass die Wertung des Ausschlusses der totipotenten Zellen einerseits und von pluripotenten Zellen andererseits aus dem Anwendungsbereich des § 3a ESchG gleich bleibe, ändere dies dennoch nichts. Darüber hinaus sei der Verweis auf § 8 ESchG auch von geringem Gewicht, da das Embryonenschutzgesetz erkennbar totipotente Zellen auch als Zellen des Embryos bezeichne. Ansonsten wäre es erlaubt, entgegen § 7 Abs. 1 Nr. 2 ESchG mit einem menschlichen Embryo eine Zelle zu verbinden, die eine andere Erbinformation als „totipotente Zellen“ des Embryos enthält mit dem Hinweis, totipotente Zellen seien ja keine Zellen, sondern der Embryo selbst. Der Passus „Erbinformation als die Zellen des Embryos“ meine ersichtlich auch Erbinformation einer totipotenten Zelle eines Embryos.

Dass der Gesetzgeber auf die pluripotenten Zellen abziele werde deutlich, wenn man berücksichtige, dass im Falle des Bundesgerichtshofs eine Untersuchung an pluripotenten Zellen vorgelegen habe. § 3a ESchG solle genau die vom Bundesgerichtshof diagnostizierte Lücke schließen. Das sei am Normtext von § 3a ESchG deutlich zu sehen. Es werde bestätigt durch die Plenardebatte und die Ausschussdebatte. Der Bezug auf pluripotente Zellen liege deshalb nahe, weil zur damaligen Zeit die Technik noch nicht so weit gewesen sei, die Trophektodermbiopsie an muralen Trophektodermzellen durchzuführen. Der Gesetzgeber habe nur die genetische Untersuchung an pluripotenten Zellen gekannt. Nun gebe es die Technik, die an murale Trophektodermzellen anknüpfe. Daran habe der Gesetzgeber im Jahre 2011 noch nicht gedacht.

Der Gesetzgeber habe eine trennscharfe Regelung treffen und nicht all das, was begrifflich unter PID gefasst werden könne, verbieten wollen. So heiße es in der Gesetzesbegründung: „Die Notwendigkeit, die PID gesetzlich zu regeln, reicht allerdings nur insoweit, wie es die Legitimierung des Grundrechtseingriffs gebietet.“ (BT-Drs. 17/5451, S. 7, 2. Spalte oben). Der Gesetzgeber habe in § 3a ESchG nicht einfach „pluripotente Zellen“ geschrieben, weil, wie sich aus § 2 PIDV ergebe, deren Definition für ein Parlamentsgesetz zu lang gewesen wäre. Es sei ohnehin klar gewesen, welche Zellen man gemeint habe, nämlich diejenigen Zellen, die dem Fall des Bundesgerichtshofs zugrunde gelegen hätten. Als Zwischenergebnis sei festzuhalten, dass „Zellen eines Embryos“ im Sinne von § 3a ESchG nur pluripotente Zellen und nicht murale Trophektodermzellen seien. Dieses Ergebnis folge auch aus § 2 PIDV. Dieser wiederhole aber nur, was die systematischhistorische Auslegung des § 3a ESchG selbst ergebe. Die Konkretisierung durch § 2 PIDV sei nicht unbeachtlich. Nach § 2 PIDV sei Präimplantationsdiagnostik nur die genetische Untersuchung pluripotenter Zellen, nicht aber die von totipotenten Zellen und auch nicht von muralen Trophektodermzellen. In der Begründung der Verordnung werde ausgeführt, dass die Begriffsbestimmung für Zellen in Nr. 3 angelehnt sei an die Definition von „pluripotenten Stammzellen“ in § 3 Nr. 1 des Stammzellengesetzes (StZG). Damit sei sichergestellt, dass Untersuchungen an Zellen im Rahmen der Verordnung nur an pluripotenten und nicht an totipotenten Zellen durchgeführt werden dürften. Insoweit werde das bereits nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 PIDV bestehende Verbot der missbräuchlichen Verwendung von totipotenten Zellen eines Embryos bekräftigt (BR-Drs. 717/12, S. 16). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Beschluss vom 27. Oktober 2015 daraus geschlossen, dass der Verordnungsgeber den Zellbegriff nicht auf pluripotente Zellen habe beschränken wollen, eine Auslegung, die mit dem Text der Begründung nicht richtig zusammenpasse. Sie stehe zudem konträr zu der Entstehungsgeschichte, bei der es um pluripotente Zellen gegangen sei. Die Definition in § 2 PIDV setze sich auch nicht in Widerspruch zu § 8 ESchG. § 2 PIDV beziehe sich auf die Definition der Zelle, § 8 ESchG beziehe sich auf die Definition des Embryos. Entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts München überschreite die Definition auch nicht die Verordnungsermächtigung nach § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG. Zwar ermächtige § 3a Abs. 3 ESchG nicht ausdrücklich dazu, den Begriff der Zelle zu definieren, mittelbar aber schon. Gemäß § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 ESchG beziehe sich die Verordnung auf die Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der PID durchgeführten Maßnahmen. Für diese Umsetzung müsse klar sein, was genau unter PID zu verstehen sei. Daher erfasse die Ermächtigung gemäß § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG auch eine nähere Begriffsbestimmung der PID selbst. Eindeutig werde dies, wenn man die Motive hinzuziehe. Der Gesetzgeber habe mit der Verordnung § 3a ESchG insgesamt konkretisieren wollen, dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5451, S. 8). Bedenken nach Art. 103 Abs. 2 GG bestünden schon deshalb nicht, da die hier relevante Definition im Gegensatz zur Auslegung des Verwaltungsgerichts die Strafbarkeit einschränke und Art. 103 Abs. 2 GG nur die strafbegründeten Normen dem strengen Bestimmtheitsgebot unterwerfe.

Das angegriffene Urteil, der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und die wohl überwiegende Ansicht in der Literatur wollten den Begriff „Zellen eines Embryos“ dennoch nicht nur auf pluripotente Zellen beziehen. Begründet werde dies damit, dass der Gesetzgeber die PID vollständig habe verbieten wollen, der Fall der Untersuchung an muralen Trophektodermzellen sei mit der Untersuchung an pluripotenten Zellen vergleichbar und ansonsten wäre der Anwendungsbereich stark reduziert. Diese Argumentation überzeuge nicht. Einerseits sei es unfair, wenn die Normen nur zu Lasten der Fortpflanzungsmedizin ausgelegt würden dahingehend, dass „totipotente Zellen“ nicht Zellen eines Embryos im Sinne von § 3a ESchG sein könnten mit der Folge, dass die Ausnahmegründe von § 3a Abs. 2 ESchG auch bei ihnen greifen könnten, andererseits aber murale Trophektodermzellen im Sinne eines weiten Verständnisses des Begriffs unter § 3a ESchG fielen. Daneben habe der Gesetzgeber nicht jede Selektionsentscheidung verbieten wollen. Der Gesetzgeber habe die Entscheidung getroffen, die der Bundesgerichtshof vermisst habe, und die habe sich eindeutig nur auf die Untersuchung von pluripotenten Zellen bezogen. Weiter sei eine so großzügige Auslegung von § 3a ESchG wegen Art. 103 Abs. 2 GG problematisch. Die verwaltungsrechtlichen Folgen des § 3a Abs. 1 ESchG knüpften an die Strafnorm des § 3a ESchG an und müssten daher in der Auslegung den Anforderungen einer Auslegung von Strafnormen genügen. Die Auslegung, dass murale Trophektodermzellen „Zellen eines Embryos“ seien, sei eine klare Ausdehnung der Strafentscheidung, die der Gesetzgeber getroffen habe, zu der weder die Literatur noch die Rechtsprechung richtig legitimiert seien. Der Gesetzgeber habe sich bewusst auf die Situation bezogen, die beim Bundesgerichtshof vorgelegen habe. Die Technik sei nun weiter, die Entscheidung mithin nicht notwendig übertragbar. Das Argument, die Untersuchung an muralen Trophektodermzellen sei mit der Untersuchung an pluripotenten Zellen funktional gleichzusetzen, greife nicht. Der Unterschied zwischen totipotenten Zellen und pluripotenten Zellen einerseits und der zwischen pluripotenten Zellen und muralen Trophektodermzellen andererseits sei so fundamental, dass man eine Regelung, die sich auf pluripotente Zellen beziehe, nicht ohne weiteres auf murale Trophektodermzellen beziehen könne. Es sei offen, ob der Gesetzgeber die Fälle, um die es bei der Trophektodermbiopsie der Klägerin gehe, wirklich verboten hätte, wenn er sie gekannt hätte. Den Umstand, dass man die rapide Abnahme der Fertilität der Frauen im höheren Alter durch ein Chromosomenscreening ausgleichen und daher die Erfolgsrate der extrakorporalen Befruchtung erhöhen könne, habe der Gesetzgeber nicht vor Augen gehabt. Dies sei an der geführten Debatte klar zu erkennen, bei der es immer nur um vorbelastete Eltern oder eine vergleichbare Erbkrankheit, die ohne Vorbelastung auftreten könne, gegangen sei. Es sei ein völlig anderer Fall, ob man einer „alten“ Frau gestatte, auch ohne Erbkrankheitsveranlagung mittels eines Chromosomenscreenings unter mehreren Embryonen dasjenige auszusuchen, bei dem die größte Chance eines Erfolgs bestehe, oder ob man regeln wolle, unter welchen Bedingungen Eltern prüfen dürften, ob das künftige Kind frei von Erbkrankheiten und eventuell weitergehend „gesund und darüber hinaus auch noch klug“ sein werde. Die Entscheidung des Gesetzgebers in § 3a ESchG sei sowohl vom Anknüpfungspunkt als auch vom Zweck der Untersuchung von den Untersuchungen der Klägerin so weit entfernt, dass dessen Anwendung materiell nicht gerechtfertigt sei.

Darüber hinaus bestehe schon deshalb kein Grund, § 3a ESchG weit auszulegen, weil die Norm massiv in Grundrechte eingreife und schon von daher eng auszulegen sei. Für all die Frauen, die in höherem Alter eine künstliche Befruchtung anstrebten und denen nur eine genetische Untersuchung an pluripotenten Zellen zur Verfügung stehe, sei die Einhaltung des Verfahrens nach § 3a Abs. 2 ESchG eine Zumutung, der Vorbehalt der Ethikkommission nicht passend. Denn bei einem Chromosomenscreening könne die Kommission gar keine Entscheidung über den Einzelfall treffen. Sie könne nur entscheiden, ob Chromosomenscreenings generell bei Frauen ab einem gewissen Alter zulässig sein sollen oder nicht. Eine ethisch schwierige Einzelfallentscheidung liege hier gar nicht vor. Es sei allenfalls eine generelle ethische Frage, ob man Chromosomenscreenings zulassen möchte oder nicht. Für die Beantwortung allgemeiner ethischer Fragen sei aber der Gesetzgeber zuständig und nicht die Ethikkommission. Dies folge schon aus der Wesentlichkeitstheorie. Schließlich komme noch hinzu, dass es durchaus offen sei, ob einer älteren Frau ohne genetische Vorbelastung überhaupt eine zustimmende Bewilligung nach § 3a Abs. 2 ESchG erteilt werden könne. § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG greife nur, wenn man erstens für diese Bestimmung keinen Anlass für die Untersuchung außer dem Alter verlange und eine Chromosomenanomalie, die allein durch das Alter bedingt ist, als „Schädigung“ des Embryos zu verstehen ist. Dies werde in der Literatur nur von einer Mindermeinung vertreten (Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 3a, Rn. 45; im Ergebnis wohl auch Scheffler, ZVL 2011, 9, 12 mit Fußnote 34). Die überwiegende Ansicht verlange aber konkrete Anhaltspunkte oder Indikationen und würde einer „alten“ Frau ohne Erbbelastung allein wegen ihres Alters keinen Ausnahmegrund im Sinne von § 3a Abs. 2 ESchG gestatten, mit der Folge, dass man die Frau dazu zwinge, eine unsinnige Schwangerschaft auf gut Glück auszuprobieren und das geringe Zeitfenster, das sie noch habe, sich dann auch noch zu schließen drohe. Auch der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass es verfassungsrechtlich bedenklich wäre, einschlägig vorbelasteten Paaren es praktisch unmöglich zu machen, eigene genetisch gesunde Kinder zu bekommen (BT-Drs. 17/5451, S. 3). Dies könne für nicht genetisch vorbelastete Eltern nicht anders sein. Für die Ärzte sei die Norm eine enorme Einschränkung ihrer aus ärztlicher Sicht richtig empfundenen Behandlungsmöglichkeiten. Für die Eltern sei es ein massiver Eingriff in ihr Grundrecht, die auf einfache Weise erreichbaren Informationen über ihr gezeugtes Embryo zu erhalten. Es sei wertungswidersprüchlich, eine Untersuchung, die isoliert an der Eizelle und am Embryo im Mutterleib rechtlich fraglos zulässig sei, an einem Reagenzglasembryo massiv einzuschränken. Die Behauptung, die Polkörperdiagnostik sei mit der hier relevanten Trophektodermbiopsie nicht zu vergleichen, weil eine Eizelle und nicht eine Zelle eines Embryos untersucht würde, sei formal richtig, materiell aber nicht. Sie übersehe, dass es auch bei der Polkörperdiagnostik um eine Selektionsentscheidung - bezogen auf schon existente Embryos - und nicht nur um Eizellen gehe. Das Schutzgut sei der Sache nach der Schutz von entwicklungsfähigen Embryonen. Bei § 8 ESchG fließe die Frage der Entwicklungsfähigkeit in die Definition der Embryonen ein und bei § 3a Abs. 2 ESchG dadurch, dass er bei den nicht entwicklungsfähigen Embryonen einen Ausnahmetatbestand schaffe. Bei der Trophektodermbiopsie zwecks Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung gehe es gerade um die Feststellung der Entwicklungsfähigkeit, aber in einer Form, die § 3a Abs. 1 ESchG wegen des technischen Fortschritts nicht mehr erfasse.

Sofern der Verwaltungsakt vom 2. Juni 2015 rechtswidrig sei, sei er aufzuheben. Damit entfielen auch die Gegenstände für die sofortige Vollziehung und für die Zwangsmittelandrohung gemäß Ziffer III. Aus dem gleichen Grund sei dann auch der Bescheid vom 10. Februar 2016, mit dem ein weiteres Zwangsgeld angedroht wurde, aufzuheben.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 7. September 2016 wird geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2015 wird in Ziffer I. 1 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2016 wird aufgehoben.

Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2018 nahm die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses zur Berufungsbegründung im Wesentlichen dahingehend Stellung, dass diese die von der Klägerin beabsichtigte Technik nach dem zu gewinnenden Untersuchungsobjekt und nach dem Untersuchungszweck beschreibe. Sie präge den Begriff der Trophektodermbiopsie auch unter Beachtung des von der Klägerin damit verfolgten Zwecks. Aus biologischer bzw. medizinischer Sicht stelle der Begriff der Trophektodermbiopsie nur darauf ab, in welchem Entwicklungsstadium und an welcher Position einem Embryo Zellen entnommen würden, um diese anschließend zu untersuchen und nicht darauf, worauf und wie die entnommenen Zellen untersucht würden. Der Begriff der Trophektodermbiopsie schließe also andere Untersuchungszwecke als das Feststellen von (häufig) durch das mütterliche Alter bedingten Chromosomenstörungen nicht aus. § 3a Abs. 1 ESchG differenziere jedenfalls seinem Wortlaut nach nicht zwischen dem Preimplantation Genetic Screening und einer PID im engeren Sinne, vielmehr definiere das Gesetz beide Techniken als PID. Die dafür vorausgesetzte genetische Untersuchung sei nicht im Embryonenschutzgesetz definiert, allerdings sei wohl die Definition des Gendiagnostikgesetzes (GenDG) verwendbar, die bei der genetischen Analyse als einer Form der genetischen Untersuchung (§ 3 Nr. 1 GenDG ) sowohl am Chromosom ansetzt (§ 3 Nr. 2 Buchst. a GenDG) als auch an der DNA (§ 3 Nr. 2 Buchst. b GenDG ).

Nach der Darstellung der Entstehungsgeschichte des § 3a ESchG in der Berufungsbegründung habe der Gesetzgeber mit § 3a ESchG allein die Situation geregelt, die der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde gelegen habe. Diese als „Sachverhalt“ überschriebene Wertung sei nicht unbedingt zu übernehmen. Der Angeklagte der vom Bundesgerichtshof entschiedenen drei Fälle, habe für Präimplantationsdiagnostiken jeweils „pluripotente, d.h. nicht zu einem lebensfähigen Organismus entwicklungsfähige Trophoblastzellen“ (BGH, a.a.O., Rn. 4) verwendet. Der Bundesgerichtshof habe zwischen solchen Zellen und totipotenten Zellen unterschieden, wobei er davon ausgegangen sei, dass Hintergrund der Strafbarkeit einer PID an totipotenten Zellen sei, dass ihre Entnahme oder Untersuchung den Embryo schädigen könnte (BGH a.a.O., Rn. 22 ff.). Der Bundesgerichtshof habe angenommen, der Angeklagte habe Zellen entnommen, die in einem späteren Stadium die Placenta bilden würden, weswegen der Embryo(-blast) selbst nicht betroffen sei (BGH a.a.O., Rn. 23). Von einer gewissen Spezialisierung sei er also trotz der festgestellten Pluripotenz der betroffenen Zellen ausgegangen. Der Angeklagte der vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fälle habe Zellen von Embryonen untersucht, bei denen bei einem Elternteil eine (balancierte) Translokation vorgelegen habe. Deren Vererbung habe die Gefahr der Entstehung von Chromosomenaberrationen beinhaltet. Diese seien „Erbkrankheiten“, denen der Gesetzgeber mit einer bedingten Erlaubnis der PID habe gestatten wollen, vorzubeugen. Mit der Einfügung des § 3a ESchG habe der Gesetzgeber nach Auffassung der Landesanwaltschaft eine Grundsatzentscheidung treffen und nicht nur einen einzelnen Fall regeln oder eine vom Bundesgerichtshof festgestellte Strafbarkeitslücke füllen wollen.

Es sei fraglich, ob man mit der Berufungsbegründung sagen könne, dass murale Trophektodermzellen „deutlich weiter vom späteren Menschen entfernt“ seien als pluripotente Zellen. Denn im zeitlichen Ablauf der Entwicklung einer totipotenten Zelle zum Menschen sei das Stadium, in dem bereits murale Trophektodermzellen vorhanden seien, dem späteren Menschen näher. Zu der Argumentation, es scheine nicht fair zu sein, im Zusammenhang mit einer strafbegründenden Interpretation unter Zellen eines Embryos alle, auch murale Zellen, zu verstehen, im Rahmen eines Rechtfertigungsgrundes den gleichen Begriff dann aber einschränkend auszulegen und totipotente Zellen hier auszunehmen, sei zu sagen, dass eine einschränkende Auslegung im Rahmen eines Rechtfertigungsgrundes gar nicht nötig sei, weil eine Untersuchung totipotenter Zellen bereits nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 ESchG nicht erlaubt wäre. Die Abspaltung einer totipotenten Zelle zum Zweck einer Diagnostik bedeute zudem ein nach § 6 Abs. 1 ESchG verbotenes Klonen (vgl. BGH, Urteil v. 6.7.2010 - 5 StR 386/09 - juris Rn. 22). Totipotente Zellen würden vom Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG nicht ausgenommen, um eine teleologische Reduktion zu erreichen, sondern um sie strengeren Vorschriften des Embryonenschutzgesetzes ohne Rechtfertigungsmöglichkeit zu unterwerfen bzw. um klarzustellen, dass sie diesen strengeren Vorschriften unterworfen seien. Der Wortlaut „Zellen eines Embryos“ erscheine vollkommen eindeutig auch auf murale Trophektodermzellen bezogen.

Soweit argumentiert werde, dass der Gesetzgeber nur eine vom Bundesgerichtshof diagnostizierte Gesetzeslücke habe schließen wollen, und an eine Technik, die an muralen Trophektodermzellen ansetze, 2011 gar nicht gedacht habe, werde angemerkt, dass eben weil 2011 die Biopsie und Untersuchung muraler Trophektodermzellen noch nicht bekannt gewesen sei, als Ansatzpunkt der PID notwendigerweise nur pluripotente Zellen genannt werden konnten. Es sei stets um eine Abgrenzung in Richtung totipotenter Zellen und nicht um eine Abgrenzung in Richtung weiter ausdifferenzierter Zellen gegangen, weil die Untersuchung nach dem damaligen Stand der medizinischen Technik nicht an letzteren habe durchgeführt werden können. Diese Umstände aus der Historie widerlegten, dass es dem Gesetzgeber allein auf eine bestimmte Art von Zellen angekommen sei. Daneben sei der Gesetzgeber bis zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu einem großen Teil der Ansicht gewesen, dass die PID im ESchG mitgeregelt, nämlich als Fall des § 2 Abs. 1 ESchG , verboten sei. Er habe daher eine Grundsatzentscheidung treffen wollen. Soweit in der Berufungsbegründung auf den Zweck einer trennscharfen Regelung, die das Präimplantationsdiagnostikgesetz habe bieten wollen, verwiesen werde, sei festzustellen, dass auf eine Trennschärfe, wie sie insbesondere durch eine Indikationenliste hätte erreicht werden können, ausdrücklich verzichtet worden sei. Der Gesetzgeber habe vielmehr Begriffe mit erst noch in der Rechtsanwendung zu präzisierenden oder auch verschiebbaren Grenzen wie „schwerwiegende Erbkrankheit“ oder „schwerwiegende Schädigung“ bevorzugt. Auch dies dürfte vor dem Hintergrund geschehen sein, eine Grundsatzentscheidung zu treffen, die nicht ständiger Überarbeitung bedürfe. Die Textpassage aus der Gesetzesbegründung „die Notwendigkeit die PID gesetzlich zu regeln, reiche allerdings nur insoweit, wie es die Legitimierung des Grundrechtseingriffs gebiete“ (BT-Drs. 17/5451, S. 7 (II.)) sei kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber nicht all das, was begrifflich unter PID gefasst werden könne, habe regeln wollen. Sie sei vielmehr in Bezug auf die zuvor erwähnten Grundrechtspositionen Beteiligter zu verstehen, mit denen die zukünftigen Eltern gemeint sein dürften, aber auch, wie sich aus den folgenden Sätzen ergebe, Ärzte, die Invitro-Fertilisationen durchführten. Deren Gewissensentscheidung, einen geschädigten Embryo nicht zu implantieren bzw. sich überhaupt erst in eine Situation zu begeben, die eine dahingehende Entscheidung erfordere, habe der Gesetzgeber nicht unterbinden wollen. Er betone daher die Freiwilligkeit der PID. Ein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber nicht jede denkbare Form der PID habe in die Regelung einbeziehen wollen, finde sich in diesem Kontext nicht.

Soweit die Rechtsauffassung der Klägerin sekundär auch auf § 2 Nr. 3 PIDV gestützt werde, sei angemerkt, dass diese Definition § 3 Nr. 1 StZG entnommen sei. Sie habe nur sicherstellen sollen, dass Untersuchungen an Zellen im Rahmen der Verordnung nur an pluripotenten und nicht an totipotenten Zellen durchgeführt werden dürften (BR-Drs. 717/12, S. 16). Es sei nicht erkennbar, inwiefern man dem Verordnungsgeber eine Einschränkungsabsicht unterstellen könne. In § 3a Abs. 3 Satz 3 Nrn. 1 bis 4 ESchG sei ausgeführt, was näher vom Verordnungsgeber zu bestimmen sei. Eine Definition der Zellen eines Embryos gehöre nicht dazu. Auch mit den Anforderungen an die Meldung in § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 PIDV habe nicht erst definiert werden müssen, was unter PID selbst zu verstehen sei. Der Gesetzgeber habe dies vielmehr in § 3a Abs. 1 ESchG unmittelbar geregelt. Dies unterstelle auch die von der Berufungsbegründung zitierte Passage aus der Bundestagsdrucksache.

Totipotente Zellen seien an sich Zellen eines Embryos im Sinne von § 3a ESchG. Die Ausnahme vom Verbot bzw. von der Strafbarkeit der PID könne bei totipotenten Zellen schon wegen § 2 Abs. 1 ESchG und § 6 Abs. 1 ESchG nicht zur Anwendung kommen. Daher sei es kein weites oder extensives Verständnis des Begriffs der Zellen eines Embryos, wenn totipotente Zellen vom Anwendungsbereich des § 3a ESchG insgesamt ausgenommen würden. Dem Argument, die Technik sei seit dem BGH-Urteil fortgeschritten, sei entgegen zu halten, dass der Gesetzgeber mit dem Präimplantationsdiagnostikgesetz nicht auf eine bestimmte Technik oder ein bestimmtes Entwicklungsstadium des Embryos abstelle, sondern auf eine bestimmte Situation - die anstehende Selektionsentscheidung -, die bei der einen wie der anderen Technik vorliege. Die Selektionssituation sei einer der zentralen Aspekte der Bundestagsdebatten zur Präimplantationsdiagnostik gewesen.

Der Gesetzgeber habe die Überlegung, die Abnahme der Fertilität von Frauen in höherem Alter könne durch ein Chromosomenscreening ausgeglichen und so die Erfolgsrate der extrakorporalen Befruchtung erhöht werden, durchaus vor Augen gehabt. Der Entwurf eines Präimplantationsdiagnostikgesetzes, der schließlich im Wesentlichen Gesetz wurde, weise auf (neu entstandene) Chromosomenanomalien als häufigste Ursache einer Fehl- oder Totgeburt hin (BT-Drs. 17/5451, S. 8). Das statistisch höhere Risiko älterer Frauen, ein Kind mit einer Chromosomenaberration (insbesondere Trisomie 21) zu bekommen, sei allgemein bekannt gewesen, desgleichen ihr höheres Fehlgeburtsrisiko (unter Verweis auf Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, A.IV. Rn. 199). Der Gesetzgeber habe auch für diese Situation die PID in § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG grundsätzlich vorgesehen, aber eben unter den gleichen Voraussetzungen wie bei Risiken aufgrund der genetischen Disposition eines oder beider Elternteile. Was er nicht gewollt habe, sei gewesen, dass Frauen ab einem bestimmten Alter bei Kinderwunsch zu einer Invitro-Fertilisation mit PID verpflichtet oder auch nur indirekt aufgefordert würden. Darauf laufe allerdings die Argumentation der Berufungsbegründung hinaus, wenn sie unter anderem meine, eine Regelung, die Ärzte dazu zwinge, Patientinnen zu einer Ethikkommission zu schicken, die ein gewisses Alter überschritten hätten, sei fragwürdig. Auch hier, wo die Berufungsbegründung die Notwendigkeit einer restriktiven Interpretation des § 3a ESchG dahingehend sieht, ihn gar nicht anzuwenden, sei die Einzelfallentscheidung einer Ethikkommission vorgesehen und möglich. Zu den Umständen des jeweiligen Einzelfalls gehörten etwa das konkrete Alter der Frau und ihr Gesundheitszustand, ob sie schon Kinder habe und inwieweit diese gesund seien, ob sie Fehlgeburten oder fehlgeschlagene Invitro-Fertilisationsversuche hinter sich habe, die Dringlichkeit des Kinderwunsches und die Partnerschaft, in der sie lebe. Der Berufungsbegründung sei an diesem Punkt darin zuzustimmen, dass für die Beantwortung allgemeiner ethischer Fragen der Gesetzgeber zuständig sei. Mit § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG habe der Gesetzgeber jedoch die Entscheidung getroffen, auch in den Fällen, dass eine Frau über 38 Jahre sich ein Kind nur nach PID wünsche, die Zulässigkeit der PID von der zustimmenden Bewertung einer Ethikkommission abhängig gemacht werde. Mit der PID werde eine von der Berufungsbegründung kritisch gesehene „Schwangerschaft auf Probe“ vermieden zugunsten einer „Fertilisierung auf Probe“, die ihrerseits Belastungen bedeute.

Die Berufungsbegründung kennzeichne als Schutzgut des Embryonenschutzgesetzes entwicklungsfähige Embryonen. § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG definiere jedoch nicht das Schutzgut des Embryonenschutzgesetzes, sondern setze es voraus. Diese Bestimmung spreche im Gegensatz zur Berufungsbegründung nicht von nicht entwicklungsfähigen Embryonen, sondern von der Wahrscheinlichkeit einer Tot- oder Fehlgeburt, setze eine gewisse Entwicklung also gerade voraus. Das Abstellen auf die Entwicklungsfähigkeit in der Berufungsbegründung ähnele eher dem Entwurf eines Gesetzes zur begrenzten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (BT-Drs. 17/5452), der nicht Gesetz geworden sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich vollumfänglich den Ausführungen der Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses an und verweist auf ihre Äußerungen im Berufungszulassungsverfahren. Dort hatte sie ausgeführt, dass der Gesetzgeber eine Grundsatzentscheidung bezüglich der PID habe treffen und nicht lediglich den vom BGH entschiedenen Fall regeln wollen. Das wesentliche ethische und rechtliche Problem, das der Gesetzgeber habe regeln wollen, sei, dass ein Embryo nach einer PID möglicherweise nicht implantiert werde und absterbe. Da es für die Frage der Implantation/Nichtimplantation nicht darauf ankomme, welche Zellen entnommen würden, sondern nur auf das Untersuchungsergebnis, habe sich durch die Weiterentwicklung der Untersuchungstechnik auch nichts an dem grundlegenden ethischen Problem geändert. Der Wortlaut des § 3a Abs. 1 ESchG lasse keine Einschränkung auf pluripotente Zellen erkennen. Schließlich liege auch bei „älteren Frauen“ kein „völlig anderer Fall“ vor, da es auch hier zu einer Selektion von Embryonen komme. Eine einschränkende Auslegung von „Zellen eines Embryos“ könne auch nicht aus Sinn und Zweck der Vorschrift gefolgert werden. Denn auch wenn ein Aneuploidiescreening negativ ausfalle, werde der Embryo verworfen. Selbst wenn nur euploide Embryonen entwicklungsfähig seien, bedeute dies nicht, dass andere nicht dem Schutz des ESchG unterstünden. Denn § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG sehe gerade für solche Fälle eine Indikation vor.

Mit Schreiben vom 22. Juni 2018 bat der Senat die Landesanwaltschaft Bayern um Einholung einer Stellungnahme der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik zu der Frage, ob diese die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG für erfüllt ansieht, wenn aufgrund des Alters der Frau bzw. deren Eizelle ein erhöhtes Risiko für eine Tot- oder Fehlgeburt besteht oder ob ihrer Auffassung nach darüber hinaus auch eine medizinische Indikation für eine Tot- oder Fehlgeburt bestehen muss, wie zum Beispiel etwa eine bereits einmal erfolgte Totoder Fehlgeburt. Wenn möglich wurde auch um eine Stellungnahme dazu gebeten, ob die anderen in Deutschland eingerichteten Ethikkommissionen diese Frage gleich oder abweichend beurteilen. Außerdem wurde darum gebeten mitzuteilen, ob der Ethikkommission in der Vergangenheit bereits Fälle zur Entscheidung vorgelegen haben, in denen eine PID nur zur Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung der befruchteten Eizelle beantragt wurde und wie die Ethikkommission in diesen Fällen entschieden hat.

Die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik nahm mit Schriftsatz vom 6. August 2018 dahingehend Stellung, dass sie für die Ermittlung der hohen Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG auf die individuelle Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer Tot- oder Fehlgeburt im Vergleich zur gleichaltrigen weiblichen Durchschnittsbevölkerung abstelle. Diese Wahrscheinlichkeit müsse im konkreten Einzelfall signifikant erhöht sein. Allein das Alter der Frau, von der die Eizelle stamme, reiche nicht aus. Auch bei Satz 2 müssten für die Annahme der hohen Wahrscheinlichkeit bereits vor der Untersuchung konkrete individualisierbare Anhaltspunkte für einen Schwangerschaftsverlauf im Sinne des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG vorliegen. Dies könnten unter anderem Reifestörungen der Keimzelle oder auch bereits erlittene Tot- oder Fehlgeburten sein. Häufigste Ursache einer Totoder Fehlgeburt seien spontan entstehende chromosomale Fehlverteilungen in den elterlichen Keimzellen. In den meisten Fällen liege eine Aneuploidie der Eizelle vor. Bei jüngeren Frauen werde eine Aneuploidierate der Eizellen von 20% bis 40% angenommen. Mit zunehmendem mütterlichem Alter steige die Wahrscheinlichkeit einer Aneuploidie der Eizelle. In der Regel führten diese Chromosomenstörungen zu einem Frühabort. Vor allem aber Embryonen mit einer Trisomie 13, 18 oder 21 oder einer zahlenmäßigen Auffälligkeit der Geschlechtschromosomen könnten sich auch über die 12. Schwangerschaftswoche hinaus weiterentwickeln. In diesen Fällen ende die Schwangerschaft nicht zwangsläufig in einer Fehlgeburt, wenngleich auch die Wahrscheinlichkeit hierfür erhöht sei. Die mit erhöhtem mütterlichem Alter steigende Aneuploidierate führe ferner dazu, dass sich aus einer befruchteten Eizelle immer seltener überhaupt eine Schwangerschaft entwickeln könne. Es werde darauf hingewiesen, dass gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 PIDV bei jeder Entscheidung alle im konkreten Einzelfall maßgeblichen psychischen, sozialen oder ethischen Gesichtspunkte berücksichtigt würden, sodass auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG als erfüllt angesehen werde, keine allgemein gültige Antwort gegeben werden könne. Ergänzend teilte die Landesanwaltschaft Bayern mit Schreiben vom 6. August 2018 mit, dass bei der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik bisher rund 110 Anträge eingingen, welche auf die Indikation des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG gestützt worden seien. Viele davon seien von Frauen mit erhöhtem mütterlichem Alter gestellt worden, bei Weitem aber nicht alle. Die PID allein zur Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung der befruchteten Eizelle sei nur in wenigen Fällen so explizit beantragt worden, auch wenn dieser Hintergrund bei mehreren Anträgen durchaus angeklungen habe.

Auf die daneben beim Senat eingegangenen Stellungnahmen der übrigen Ethikkommissionen für PID wird Bezug genommen.

Die Klägerin nahm hierzu dahingehend Stellung, dass aus der Stellungnahme der Ethikkommission hervorgehe, dass es bei dem vorliegenden Rechtstreit nicht mehr darum gehe, ob die Klägerin die Ethikkommission zu beteiligen habe oder nicht, sondern darum, ob es generell in Deutschland erlaubt oder verboten sei, bei älteren Frauen ohne signifikante Auffälligkeiten eine ausreichende Anzahl von Blastozysten zu erzeugen und zu untersuchen mit dem Ziel, ob eine schwangerschaftstaugliche Blastozyste vorliege oder nicht. Bei dieser Auslegung bewirke § 3a Abs. 1, Abs. 2 ESchG einen erheblichen Grundrechtseingriff. Der Wunsch, Kinder zu bekommen, sei grundrechtlich geschützt (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG). Die Entscheidung, bestehende medizinische Möglichkeiten zur Realisierung dieses Wunsches heranzuziehen, sei ebenfalls grundrechtlich geschützt. Ein generelles Verbot des Aneuploidiescreenings in Form der Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern bilde einen Grundrechtseingriff. Das Gewicht dieses Grundrechtseingriffs sei enorm hoch. Das Verbot bewirke eine nachhaltige Verschlechterung der Realisierungschancen einer Schwangerschaft für eine Vielzahl von Grundrechtsträgern. In einer großen Zahl von Fallgestaltungen führe dies beim gegenwärtigen medizinischen Stand zum vollständigen Verlust der Möglichkeit der Herbeiführung einer Schwangerschaft im relevanten Alter. Die zur Rechtfertigung herangezogenen Gemeinwohlgründe müssten ein erhebliches Gewicht besitzen, was aber nicht der Fall sei. Denn die Untersuchung berühre nicht in besonderer Weise Gemeinwohlbelange, insbesondere nicht erheblich den objektiven Gehalt anderer Grundrechte. Blastozysten, die nicht fähig seien, eine Schwangerschaft herbeizuführen, seien je nach dogmatischer Position eventuell noch vom objektiven Gehalt der Grundrechte von Art. 1 Abs. 1 GG oder Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG bzw. eventuell von Art. 2 Abs. 2 GG erfasst. Das Rechtfertigungsgewicht des Schutzgutes „nicht schwangerschaftsgeeignete Blastozysten“ sei aber gering. Ein substantieller Grundrechtsschutz setze zwar vermutlich noch nicht die Einnistung, aber doch zumindest die Fähigkeit zur Einnistung voraus. Es fehle daher an einem ausreichenden Gemeinwohlgrund zur Rechtfertigung dieses Eingriffs. Es liege daher nahe, im Rahmen des verfassungskonformen bzw. verfassungsfreundlichen Auslegens den § 3a Abs. 1 ESchG so zu interpretieren, dass die Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern nicht erfasst werde. Der Gesetzgeber selbst habe die PID nur soweit beschränken wollen, wie es die Legitimation des Grundrechtseingriffs gebiete. Darüber hinaus sei der Grundrechtseingriff zu schwergewichtig, als dass das eingreifende Gesetz hinreichend bestimmt sein müsste, um diesen zu rechtfertigen. Dies sei bei § 3a ESchG nicht der Fall. Das Ergebnis sei auch gesetzessystematisch in sich unsinnig. Der Gesetzgeber habe mit § 3 Abs. 2 Satz 2 ESchG Blastozysten, die nicht lebensfähig seien, in gewisser Weise für weniger schutzwürdig erklärt, als Blastozysten, die lebensfähige Schwangerschaften nach sich zögen. Daher würde es sehr überraschen, wenn der Gesetzgeber in den Fallgestaltungen, in denen die Blastozysten nicht einmal zu einer Schwangerschaft führen könnten, nun einen noch höheren Schutz vorsehen würde. Niste sich eine Blastozyste nicht ein, liege weder eine Fehl- noch eine Totgeburt nach der in der Gesetzesbegründung enthaltenen Definition (BT-Drs. 17/5451, S. 8) vor. Eine nicht erfolgreich verlaufende Schwangerschaft und eine nicht zustande kommende Schwangerschaft seien daher zwei deutlich unterschiedliche Ereignisse.

Es gebe jedoch eine winzige Teilmenge, bei der es um die Fallgestaltung einer ethischen Entscheidung im weiteren Sinne gehe und bei der die Situation im Zusammenhang mit ovariellem Altern äußerlich betrachtet ähnlich aussehe wie die Fälle mit einer erblichen Belastung. Diese spiele in der Praxis jedoch keine sehr große Rolle. Die verantwortliche Ärztin der Klägerin könne sich nicht entsinnen, einen solchen Fall in ihrer bisherigen Praxis schon einmal gesehen zu haben. Es handele sich um den Fall der Trisomie 21. Es gebe eine statistisch seltene, aber vorkommende erbliche Belastung mit einer Trisomie 21, die in aller Regel zu einer Totgeburt führe, aber in wenigen Fällen auch zu einer Lebendgeburt führen könne. Eltern mit Translokationen, auch einer Translokation, an der das Chromosom 21 beteiligt sei, hätten ein exorbitant hohes Risiko für Fehlgeburten und ein erhöhtes Risiko für ein Kind mit einer T21 und gehörten zu den eindeutigen PID-Fällen mit einer elterlichen Vorerkrankung i.S.v. § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG (und auch des Satzes 2). Andererseits sei auch denkbar, dass im Rahmen eines ovariellen Alterns ebenfalls eine Trisomie 21 erzeugt werde (freie T21). In der Regel trete nicht nur eine Trisomie auf, sodass die Blastozyste in der Regel nicht schwangerschaftstauglich sei. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern eine isolierte Trisomie 21 auftrete, bei der zumindest die Schwangerschaft möglich sei und auch eine Lebendgeburt erwartet werden könne. Die betroffenen Blastozysten sähen in beiden Fällen vergleichbar aus, die behandelnde Ärztin wisse aber aufgrund des Verfahrens und den vorausgehenden Untersuchungen, ob es sich um eine erblich bedingte Trisomie 21 handele. Überspitzt formuliert werde im erblich belasteten Fall die Blastozyste mit der Trisomie 21 gesucht, um sie nicht einzusetzen, bei der Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern werde sie gesucht, weil sie zu der Gruppe der Blastozysten gehöre, die wenigstens zu einer Schwangerschaft führen könnte.

Nehme man an, es würde der Klägerin gelingen, bei einer 40-jährigen Frau 50 Eizellen zu stimulieren und sie zu zehn Blastozysten werden zu lassen (in der Praxis sei die Zahl in der Regel geringer) und würde sie nun alle zehn untersuchen und käme zu dem Ergebnis, dass acht Blastozysten nicht zu einer Schwangerschaft führen würden, eine mit einer Trisomie 21 belastet wäre, die aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer Fehl- oder Totgeburt oder vielleicht auch zu einer Lebendgeburt mit einem behinderten Leben führen würde, und bei einer Blastozyste mit einer Lebendgeburt ohne Behinderung zu rechnen wäre. In diesem Fallbeispiel hätte die Untersuchung mit dem Zweck, die acht Blastozysten von den zwei anderen zu unterscheiden nach Ansicht der Klägerin nichts mit dem zu tun, was § 3a Abs. 1 ESchG verbieten möchte. Von den dann bestehenden Wahlmöglichkeiten habe nur die Wahlmöglichkeit, nur die Blastozyste einzusetzen, die die begründete Hoffnung in sich trage, unbelastetes Leben zu erzeugen, mit der Auswahlentscheidung zu tun, die der Gesetzgeber mit § 3a ESchG habe regulieren wollen. Denn nur hier würde zwischen möglichen Schwangerschaften unterschieden und ein wenig Gott gespielt. Würde man diese Auswahlentscheidung an eine Entscheidung der Ethikkommission binden oder sie der Klägerin untersagen, wäre der Gesetzeszweck von § 3a Abs. 1 ESchG auf jeden Fall erreicht, ohne dass der Klägerin die eigentliche Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellem Altern wirklich eingeschränkt wäre. In der Praxis spiele diese Frage keine relevante Rolle.

Zur Frage der von der Klägerin eingesetzten Technik wurde ausgeführt, dass sich diese von der in dem vom BGH entschiedenen Fall eingesetzten Technik unterscheide. Dort seien pluripotente Zellen herangezogen und mithilfe der Fluoreszenzinsitu-Hybridisierung (FISH) untersucht worden. Bei der Klägerin würden murale Trophektodermzellen mittels des Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. In den letzten Jahren habe sie eine Comparative Genomic Hybridisation (CGH) herangezogen. Die eingesetzte Technik unterscheide nicht zwingend danach, ob es um ein Chromosomenscreening zwecks Auffindung von Blastozysten, die zu Tot- oder Fehlgeburten führen oder um eine Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern gehe. Dennoch sei es eine andere Technik als die im BGH-Fall eingesetzte.

Die Landesanwaltschaft Bayern führte hierzu aus, bei einem Aneuploidiescreening würde sich auch zeigen, ob grundsätzlich einer Weiterentwicklung zugängliche und damit schwangerschaftstaugliche Embryonen mit der Trisomie 13, der Trisomie 16, der Trisomie 18, der Trisomie 21 oder einer Monosomie X vorlägen. Blastozysten mit einem derartigen Befund würden von der Klägerin wohl kaum zur Übertragung vorgeschlagen werden bzw. würden die Frauen, die sich in einer Kinderwunschbehandlung befänden, den Transfer ablehnen. Sie bezweifle, dass allein der von der Klägerin als „völlig untergeordnet“ dargestellte Fall zu Auswahlentscheidungen führen würde.

Die Klägerin erwiderte darauf unter Vertiefung ihres Standpunktes, dass mit einem Trisomie 21 belastete Blastozysten eine Geburtswahrscheinlichkeit von 2% besäßen. Bei den Trisomien 13 und 18 liege die Wahrscheinlichkeit bei 0,5%, bei den Trisomien 23 und 16 werde kein Kind geboren.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Akten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sowie die Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 29. November 2018 Bezug genommen.

Gründe

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, aufgrund der Konkretisierung des Zulassungsantrags in der Antragsbegründung, die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2015 (M 18 K 15.2602) und die Anfechtungsklage gegen die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes im Bescheid vom 10. Februar 2016 (M 18 K 16.1370). Die erstinstanzlich noch unter dem letztgenannten Aktenzeichen des Verwaltungsgerichts München erhobene Feststellungsklage auf Feststellung, dass das im Bescheid vom 2. Juni 2015 unter Ziffer III angedrohte Zwangsgeld nicht fällig geworden sei, wurde bereits im Zulassungsverfahren ausweislich der Begründung des Zulassungsantrags nicht weiter verfolgt und war damit nicht mehr Gegenstand des Zulassungswie des Berufungsverfahrens.

In der Berufungsbegründung vom 15. Februar 2018 hat die Klägerin zudem ausgeführt, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit nicht angegriffen werde, als dieses die Klage für unzulässig erklärt habe. Dies betraf die Anfechtungsklage gegen die Ziffer I.2 des Bescheids vom 2. Juni 2015. Nachdem in der Begründung des Zulassungsantrags die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2015 noch vollständig zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden war, stellt diese Einschränkung eine Rücknahme der Berufung dar. Diese war nach § 126 VwGO ohne die Zustimmung der Beklagten möglich, da die Anträge noch nicht gestellt waren. Insoweit war das Verfahren daher nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog einzustellen und nach § 126 Abs. 3 Satz 2 VwGO über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.

Im Übrigen, also soweit sich die Berufung gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Anfechtungsklage gegen Ziffer I.1 des Bescheids vom 2. Juni 2015 und gegen die Entscheidung über die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 10. Februar 2016 (Androhung eines weiteren Zwangsgelds) richtet, ist die Berufung zulässig, aber unbegründet.

1. Ziffer I.1 des Bescheids der Beklagten vom 2. Juni 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Darin wurde der Klägerin untersagt, in ihrer Münchner Zweigniederlassung Trophektodermbiopsien durchzuführen und dieses Verbot wurde unter die auflösende Bedingung gestellt, dass die bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik in jedem Einzelfall eine zustimmende Bewertung abgegeben hat.

Dabei versteht der Bescheid den Begriff „Trophektodermbiopsie" über den eigentlichen Wortsinn von „Biopsie" (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl. 2002, Stichwort: Biopsie) hinaus dahin, dass damit nicht nur die Entnahme einer Zelle des Trophektoderms, sondern auch deren genetische Untersuchung gemeint ist. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Bescheid nebeneinander und ohne erkennbare Differenzierung von „Trophektodermbiopsie" und „Trophektoderm Diagnostik" spricht und ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Die Untersagung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Bayerischen Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) in Verbindung mit § 3a Abs. 4 des Embryonenschutzgesetzes (ESchG). Danach können die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu unterbinden. Die Landeshauptstadt München ist nach Art. 6 LStVG örtlich zuständige Sicherheitsbehörde. Die Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG entgegen § 3a Abs. 3 Satz 1 ESchG ist nach § 3a Abs. 4 ESchG eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu 50.000,00 € geahndet werden kann. Verstöße gegen formelle Rechtmäßigkeitsbestimmungen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Entgegen der Argumentation der Klägerin ist die Anordnung auch materiell rechtmäßig. Die von der Klägerin beabsichtigte Untersuchung muraler Trophektodermzellen ist unabhängig vom mit der Untersuchung verfolgten Zweck eine Untersuchung der Zellen eines Embryos im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG. Damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen einer PID nach § 3a Abs. 1 ESchG erfüllt. Da die Klägerin diese Untersuchungen ohne vorherige zustimmende Bewertung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik durchführen will, liegt auch ein Verstoß gegen § 3a Abs. 3 Satz 1 (konkret Nr. 2) ESchG vor, sodass der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit des § 3a Abs. 4 ESchG erfüllt wird.

a) Zunächst ist festzuhalten, dass die Blastozysten, denen die zu untersuchenden Zellen entnommen werden, bereits Embryonen im Sinne von § 8 Abs. 1 ESchG darstellen. Was unter einem Embryo im Sinne des Embryonenschutzgesetzes zu verstehen ist, regelt § 8 Abs. 1 ESchG. Danach gilt als Embryo einerseits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an (1. Alt.), andererseits aber auch jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle (2. Alt.). Der Gesetzgeber hat sich mit dieser Legaldefinition für einen sehr früh einsetzenden strafrechtlichen Schutz des Embryos entschieden (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 8 ESchG Rn. 1), der bereits mit dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung beginnt. Dieses Stadium haben die von der Klägerin ins Auge gefassten Blastozysten offensichtlich bereits überschritten. Ob die jeweilige Blastozyste fähig ist, sich in die Gebärmutter einzunisten, ist insoweit unerheblich. Denn, wie das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (S. 12, unter Verweis auf den Beschluss des Senats vom 27.10.2015 - 20 CS 15.1904 - juris Rn. 20) überzeugend ausgeführt hat, ist Entwicklungsfähigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 Var. 1 ESchG (nur) die Fähigkeit der befruchteten Eizelle zur Zellteilung (vgl. auch Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 8 Rn. 21). Hat die befruchtete Eizelle ihre Fähigkeit zur Zellteilung bereits dadurch eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie das Blastozystenstadium (vgl. Deutscher Ethikrat, Stellungnahme, BT-Drs. 17/5210, S. 4) erreicht hat, so ist sie unabhängig von ihrer Fähigkeit zur Einnistung in die Gebärmutter oder zur Herbeiführung einer Schwangerschaft jedenfalls Embryo im Sinne von § 8 ESchG.

b) Entgegen der Argumentation der Klägerin sind „Zellen eines Embryo" im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG nicht nur pluripotente Zellen (ebenso Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 3a, Rn. 17). Vielmehr umfasst § 3a Abs. 1 ESchG jede Art von Zellen, die zum Embryo in seiner im Zeitpunkt der Entnahme (Biopsie) der untersuchten Zellen von der Umgebung des Embryos abgrenzbaren Form gehören. Bei einer Biopsie im Blastozystenstadium, wie sie die Klägerin beabsichtigt, gehören daher zu den „Zellen eines Embryos" im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG alle Zellen dieser Blastozyste. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat (S. 12/13 seines Urteils) sind auch murale Trophektodermzellen - unabhängig vom Grad ihrer Ausdifferenzierung - im Zeitpunkt der von der Klägerin vorgesehenen Biopsie noch Teil des Embryos im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG, da sie noch Teil der von der Zona pellicuda begrenzten Einheit sind. Zum Embryo in diesem Sinn gehören im hier interessierenden Zustand vor dem intrauterinen Transfer auch die Zellen des Trophektoderms, die für seine spätere Lebenserhaltung relevant sind und später zu einem Teil der Plazenta oder zu den Eihäuten werden. Ob diese Zellen (noch) totipotent, pluripotent oder nicht mehr pluripotent sind, ist im Rahmen des § 3a Abs. 1 ESchG ohne Bedeutung.

Dies ergibt die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG. Die Auslegung hat grundsätzlich nach den anerkannten Auslegungsmethoden (Wortlaut, Historie, Systematik, Telos) zu erfolgen, wobei der Wortlaut der Norm Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung markiert (allgemeine Meinung, vgl. BVerwG, U.v. 29.06.1992 - 6 C 11/92 - NVwZ 1993, 270, 271; U.v. 28.6.2018 - 2 C 14/17 - juris Rn. 20 m.w.N.).

aa) Die Klägerin will aus dem Wortlaut des § 3a Abs. 1 ESchG, der von der Untersuchung der „Zellen eines Embryos" spricht, schließen, dass damit eine Einschränkung auf bestimmte Zellen verbunden sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Denn, da ein Embryo im Sinne von § 8 Abs. 1 ESchG aus Zellen besteht, ist eine genetische Untersuchung im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG immer die Untersuchung der „Zellen eines Embryos". Der Senat kann daher aus der Verwendung des Begriffs „Zellen eines Embryos" in § 3a Abs. 1 ESchG entgegen der Argumentation der Klägerin schon keine einschränkende Absicht des Gesetzgebers hin auf bestimmte Zellen erkennen.

Der Zusatz „Zellen eines Embryos" dient in § 3a Abs. 1 ESchG tatsächlich allein der Umschreibung des Objekts der genetischen Untersuchung, die vom Gesetzgeber in § 3a Abs. 1 ESchG als Präimplantationsdiagnostik definiert wird. Gegenstand dieser genetischen Untersuchung sind eben die Zellen eines Embryos und nicht der gesamte Embryo, denn bei der genetischen Untersuchung werden die untersuchten Zellen zerstört (vgl. auch Deutscher Ethikrat, Stellungnahme, BT-Drs. 17/5210, S. 4). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in der Berufungsbegründung gezogenen Parallele mit § 7 Abs. 1 Nr. 2 ESchG. Zwar ist dort ähnlich wie in § 3a Abs. 1 ESchG, wo der Terminus „Zellen eines Embryos" verwendet wird, von den „Zellen des Embryos" die Rede. Diese Formulierung dient dort aber allein der sprachlichen Klarstellung, dass es sich bei der in der mit dem menschlichen Embryo verbundenen Zelle enthaltenen Erbinformation um eine andere handelt, als in den Zellen dieses Embryos vorhanden ist. Inwiefern dies für die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG von Bedeutung sein kann, leuchtet nicht ein und wird in der Berufungsbegründung auch nicht näher dargelegt.

Eine andere Wortlautauslegung lässt sich entgegen der Berufungsbegründung auch nicht damit begründen, dass die Formulierung „Zellen eines Embryo" deshalb gewählt worden sei, weil eine Untersuchung totipotenter Zellen „nach fast einhelliger Ansicht" gemäß § 2 und § 6 ESchG schon immer verboten gewesen sei und diese daher bei § 3a Abs. 1 ESchG nicht erfasst würden. Hintergrund dessen sei, bei totipotenten Zellen die Rechtfertigungsmöglichkeit gemäß § 3a Abs. 2 ESchG kategorisch auszuschließen. Zu diesem Zweck werde der Normtext des § 3a Abs. 1 ESchG teleologisch reduziert. Diese Argumentation lässt einerseits außer Acht, dass der Wortlaut des § 3a Abs. 1 ESchG keinen Ansatzpunkt für eine einschränkende Auslegung von „Zellen eines Embryos" gibt. Aus ihm lassen sich keine Hinweise dafür ableiten, dass eine bestimmte Art von Zellen nicht „Zellen eines Embryos" sind. Daneben ergibt sich das Ergebnis, dass die Untersuchung von totipotenten Zellen ungeachtet des Rechtfertigungsgrunds des § 3a Abs. 2 ESchG strafbar ist, auch ohne eine solche teleologische Reduktion. Denn schon aufgrund seiner systematischen Stellung in dem allein die Strafbarkeit der PID regelnden § 3a ESchG verbietet sich eine Anwendung des Rechtfertigungsgrundes nach § 3a Abs. 2 ESchG auf die bei einer Entnahme bzw. Untersuchung totipotenter Zellen einschlägigen §§ 2 und 6 ESchG. Eine teleologische Reduktion des § 3a Abs. 1 ESchG ist dafür nicht notwendig. Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben. Denn die Frage, ob die Entnahme und/oder Untersuchung totipotenter Zellen nach anderen Bestimmungen des ESchG strafbar ist, kann keine Bedeutung für die Auslegung des Begriffs „Zellen eines Embryos" in § 3a Abs. 1 ESchG haben. Auch die Frage, ob § 3a Abs. 2 ESchG auch bei anderen Straftatbeständen des ESchG auf der Rechtfertigungsebene Berücksichtigung finden kann, ist für die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG ohne Bedeutung.

Da die Wortlautauslegung keinen Anhaltspunkt für den Ausschluss von totipotenten Zellen aus dem Begriff der „Zellen eines Embryos" i.S.v. § 3a Abs. 1 ESchG gibt, geht die weitergehende Argumentation der Klägerin, dass aus dem Ausschluss der totipotenten Zellen aus dem Anwendungsbereich des § 3a ESchG geschlossen werden müsse, dass nicht mehr pluripotente Zellen nicht „Zellen eines Embryos" seien, ins Leere. Daneben ist eine solche Auslegung mit dem Wortlaut der Bestimmung nicht vereinbar, da dieser (wie bereits ausgeführt) keinerlei Ansatzpunkt dafür enthält, dass eine bestimmte Art von Zellen nicht „Zellen eines Embryos" sind. Es ist vielmehr eindeutig, dass auch die hier in Frage stehenden muralen Trophektodermzellen - ungeachtet der Frage, ob sie tatsächlich, wie von der Klägerin vertreten, nicht mehr pluripotent sind, was von der Beklagten und der Landesanwaltschaft Bayern bezweifelt wird (vgl. die Niederschrift über die mündliche Verhandlung v. 29. November 2018) - jedenfalls „Zellen eines Embryos" sind.

Die Wortlautauslegung hat damit zum Ergebnis, dass nach ihr die Untersuchung einer Zelle des Embryos, egal welcher Art, für das Vorliegen einer PID nach § 3a Abs. 1 ESchG ausreichend ist. Pluripotente Zellen werden weder in § 3a Abs. 1 noch in § 8 Abs. 1 ESchG erwähnt. Für die Wortlautauslegung sind diese daher in keiner Weise relevant.

bb) Aber auch die historische Gesetzesauslegung gibt für die von der Klägerin behauptete Begrenzung des Begriffs der „Zellen eines Embryos" auf pluripotente Zellen nichts her. Insbesondere lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, dass mit dem mit Wirkung vom 8. Dezember 2011 in das Embryonenschutzgesetz eingefügten § 3a ESchG allein der im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 2010 (5 StR 386/09) entschiedene und für nicht strafbar erkannte Sachverhalt einer Regelung zugeführt werden sollte. Im Gegenteil lässt sich aus der Gesetzesbegründung klar ableiten, dass es dem Gesetzgeber darum ging, eine über den vom BGH entschiedenen Fall hinausgehende grundsätzliche Regelung der PID zu treffen.

Einerseits führt die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5451, S. 2, unter „A. Problem") aus, dass der BGH mit seinem Urteil vom 6.7.2010 festgestellt habe, dass die PID „unter bestimmten Voraussetzungen" straffrei sei. Damit stehe fest, dass die PID in der vom BGH zu entscheidenden Konstellation nicht strafbar sei. Eine eindeutige gesetzgeberische Grundentscheidung, ob und inwieweit die PID in Deutschland Anwendung finden solle, stehe jedoch aus. Der Gesetzentwurf weist also bereits eingangs darauf hin, dass eine Grundsatzentscheidung „ausstehe". Auch in den weiteren Ausführungen (A Allgemeiner Teil, I., BT-Drs. 17/5451, S. 7) wird zwar auf das BGH-Urteil verwiesen, es findet sich aber wiederum keine Aussage, dass gerade dieser Fall geregelt werden sollte. Im Gegenteil wird unter II. ausgeführt, dass es nur in bestimmten Fällen medizinisch vertretbar sei, künstlich gezeugte Embryonen (…) zu untersuchen. Der Gesetzgeber sei gehalten, Rechtssicherheit zu schaffen. Weiter unten führt die Gesetzesbegründung unter III. aus, dass der Entwurf dem Ziel diene, durch eine ausdrückliche Bestimmung im Embryonenschutzgesetz die gesetzliche Grundlage für eine eng begrenzte Anwendung der PID zu schaffen (BT-Drs. 17/5451, S. 7).

Zielrichtung des Gesetzentwurfs war also die Schaffung von Rechtssicherheit im Sinne einer Grundsatzentscheidung; eine Begrenzung auf den vom BGH entschiedenen Fall lässt sich nicht erkennen. Das Urteil des BGH hat, auch wenn es letztlich der Auslöser für das Tätigwerden des Gesetzgebers war, über den Wortlaut der Gesetzesbegründung hinaus keine Bedeutung.

Die nach der Auffassung der Klägerin allein von § 3a Abs. 1 ESchG erfassten pluripotenten Zellen werden zudem (ebenso wie in der Bestimmung selbst) in der Begründung des Gesetzentwurfs nicht erwähnt. Dies deutet darauf hin, dass die Frage, ob die im Rahmen einer PID untersuchten Zellen pluripotent oder nicht (mehr) sind, für den historischen Gesetzgeber nicht von Bedeutung war. Dementsprechend ist es auch für die historische Auslegung der Bestimmung nicht relevant, ob der Gesetzgeber bei der Beschlussfassung über den Gesetzentwurf daran gedacht hat, dass präimplantationsdiagnostische Untersuchungen zu diesem Zeitpunkt oder künftig auch an nicht mehr pluripotenten Zellen vorgenommen werden könnten.

Nicht nachvollziehbar ist insbesondere das Argument der Klägerin, eine Erwähnung der pluripotenten Zellen sei nur unterblieben, weil deren Definition, wie § 2 PIDV zeige, zu lang für ein Parlamentsgesetz gewesen wäre. Tatsächlich zeigt der Blick auf § 2 Nr. 3 PIDV, dass die dort formulierte (im Übrigen für die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG schon aus Gründen der Normhierarchie nicht relevante) Definition der Zellen i. S. d. § 2 Nr. 1 und 2 PIDV keine besondere Länge hat. Insbesondere im Vergleich zu anderen Legaldefinitionen ist nicht erkennbar, dass eine derartige Definition, wäre sie denn vom Gesetzgeber gewollt gewesen, nicht auch im Gesetz hätte erfolgen können.

cc) Aus der Systematik des Embryonenschutzgesetzes lässt sich nichts für die Position der Klägerin, dass nur pluripotente Zellen Gegenstand einer PID nach § 3a Abs. 1 ESchG sein können, ableiten. Insbesondere kann die Klägerin, wie bereits das Verwaltungsgericht in seinem Urteil überzeugend ausgeführt hat (vgl. VG München, U.v. 7.9.2016 - M 18 K 15.2602 und M 18 K M 18 K 16.1370 - juris Rn. 46), sich nicht auf § 2 Nr. 3 PIDV berufen. Dieser definiert die Zellen im Sinne von § 2 Nr. 1 und 2 PIDV als Stammzellen, die (a) einem in vitro erzeugten Embryo entnommen worden sind und die die Fähigkeit besitzen, sich in entsprechender Umgebung selbst durch Zellteilung zu vermehren und die (b) sich selbst oder deren Tochterzellen sich unter geeigneten Bedingungen zu Zellen unterschiedlicher Spezialisierung, jedoch nicht zu einem Individuum zu entwickeln vermögen. Die Formulierung entspricht (bis auf die Untergliederung in (a) und (b)) wörtlich der Definition der pluripotenten Stammzellen in § 3 Nr. 1 StZG, wiederholt aber diesen Begriff nicht.

(1) Die Bestimmung nimmt durch die Formulierung im 2. HS von Nr. 3 lit. b), dass die Zellen sich nicht zu einem Individuum zu entwickeln vermögen, einerseits (insoweit zwischen den Beteiligten unstreitig) eine Abgrenzung von den totipotenten Zellen vor und stellt für die PIDV klar, dass totipotente Zellen keine Zellen eines Embryos im Sinne von § 2 Nr. 1 PIDV sind (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 3a ESchG, Rn. 6; Plesse/Spegele, Bayerisches Ärzteblatt 2015, 182; BR-Drs. 717/12, 16). Aus der Wortlautidentität mit § 3 Nr. 1 StZG leitet ein Teil der Literatur daneben eine Begrenzung auf die dort legaldefinierten pluripotenten (Stamm-)Zellen ab (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 3a ESchG, Rn. 6; Frommel, JZ 2013, 488, 489f; Frommel et al., JRE 2013, 6, 12ff.), womit nicht mehr pluripotente Trophektodermzellen (geht man mit der Klägerin davon aus, dass diese bereits ihre Pluripotenz verloren haben) von der Begriffsbestimmung ausgenommen wären. Gegen diese Auffassung spricht schon, dass in § 2 Nr. 3 PIDV - anders als in § 3 Nr. 1 StZG - von pluripotenten Zellen nicht die Rede ist. Für sich genommen stellt § 2 Nr. 3 lit. b), 2. HS PIDV nur klar, dass totipotente Zellen nicht von § 2 Nr. 1 und 2 PIDV erfasst sind. Im Übrigen verlangt § 2 Nr. 3 PIDV nur, dass die Fähigkeit, sich unter geeigneten Bedingungen zu Zellen unterschiedlicher Spezialisierung zu entwickeln, bestehen muss. Dass damit murale Trophektodermzellen, die sich ausgehend vom Blastozystenstadium, in dem sie entnommen werden, wohl auch noch weiter ausdifferenzieren, wenn auch vielleicht nicht mehr in so unterschiedlicher Weise wie pluripotente Zellen, ausgeschlossen wären, erscheint jedenfalls fraglich. Hierfür spricht im Übrigen auch, dass auch die Begründung der PIDV nur davon spricht, § 2 PIDV „in Anlehnung" an § 3 Nr. 1 StZG zu formulieren. Insbesondere bei fehlender Wortlautidentität bedeutet eine „Anlehnung" an eine andere Norm aber nicht, dass beide Bestimmungen den gleichen Inhalt haben.

Ungeachtet der Tatsache, dass die Begründung einer Verordnung für die Auslegung der ihr zugrunde liegenden Ermächtigungsnorm schon aus systematischen Gründen keine Bedeutung haben kann, ergibt sich aber entgegen der Klägerin aus dieser nicht, dass eine Einschränkung des Begriffs der Zellen eines Embryos im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG überhaupt vom Verordnungsgeber beabsichtigt war. Denn die Verordnungsbegründung spricht nur davon, dass mit der Formulierung sichergestellt sei, dass die Untersuchung an pluripotenten und nicht an totipotenten Zellen durchgeführt werde (BR-Drs. 717/12, 16). Sie dient daher nach der Vorstellung des Verordnungsgebers der Abgrenzung gegenüber der Untersuchung totipotenter Zellen. Eine Einschränkung bezüglich nicht mehr pluripotenter Zellen war vom Verordnungsgeber hingegen nicht vorgesehen (ebenso BayVGH, B.v. 27.10.2015 - 20 CS 15.1904 - juris, Rn. 21).

(2) Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben, da der Verordnungsgeber der PIDV zu einer so verstandenen Definition der Zellen eines Embryos im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG durch das ESchG gar nicht ermächtigt war. § 2 Nr. 3 lit. b) PIDV geht, sieht man darin eine Einschränkung des Begriffs „Zellen eines Embryos" nach § 3a Abs. 1 ESchG, über die in § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG erteilte Ermächtigung hinaus und wäre daher insoweit unwirksam. Er kann daher für die Auslegung des § 3a ESchG keine Bedeutung haben. Denn § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG ermächtigt den Verordnungsgeber nur zur Regelung des Näheren bzgl. der Zulassung der PID-Zentren (Nr. 1), der verfahrensmäßigen Anforderungen an das Verfahren vor den Ethikkommissionen (Nr. 2), hinsichtlich der Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle (Nr. 3) und zu den Anforderungen an die Meldung der im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen (Nr. 4). Über diese abschließend genannten und klar abgrenzbaren Bereiche hinaus erlaubt § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG dem Verordnungsgeber eine Regelung nicht. Eine Ermächtigung zu einer Definition des Begriffs der Präimplantationsdiagnostik oder der „Zellen eines Embryos" im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG ist damit nicht verbunden.

Weiter lässt sich eine Verordnungsermächtigung zur Definition des Begriffs „Zellen eines Embryos" entgegen der Argumentation der Klägerin im Berufungsverfahren nicht aus § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 ESchG (Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der PID durchgeführten Maßnahmen) ableiten. Denn nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG muss eine Verordnungsermächtigung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt sein (vgl. Mann in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 80, Rn. 23 ff; Uhle in Beck-OK GG, 39. Edition Stand 15.11.2018, Art. 80, Rn. 19). Dass mit den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen auch eine Definition der Zellen eines Embryos, die überhaupt Gegenstand einer PID sein können, verbunden ist, geht aus § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 ESchG nicht, geschweige denn hinreichend klar hervor. Die Argumentation der Klägerin berücksichtigt den Wortlaut der Ermächtigungsnorm nicht und missachtet dessen Inhalt.

Soweit die Klägerin argumentiert, aus der Gesetzesbegründung gehe hervor, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers mit der Verordnung nach § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG der § 3a ESchG allgemein konkretisiert werden sollte, übersieht sie, dass die von ihr zitierte Begründung (BT-Drs. 17/5451, S. 8) nicht die Fassung des § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG betrifft, die Gesetz geworden ist, sondern die ursprünglich im Gesetzentwurf enthaltene Fassung, die nur lautete: „Das Nähere wird durch Verordnung der Bundesregierung geregelt." Erst in der Ausschussberatung erhielt § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG die dann Gesetz gewordene Fassung (vgl. BT-Drs. 17/6400), dies insbesondere deshalb, um dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot zu genügen (a.a.O. S. 14). Von einem Auftrag zur allgemeinen Konkretisierung des § 3a ESchG an den Verordnungsgeber kann daher auch nach der Gesetzesbegründung nicht die Rede sein.

(3) Dessen ungeachtet würde eine Verordnungsermächtigung, die dem Verordnungsgeber überließe zu definieren, was unter den „Zellen eines Embryos" im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG zu verstehen ist, gegen die Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, B.v. 27.11.1990 - 1 BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130, 142 [juris Rn. 39 m.w.N.], vgl. Kirchhof in Maunz/Dürig, GG, 84. EL August 2018, Art. 83, Rn. 33ff; Mann in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 80 Rn. 21 f m.w.N.) verstoßen. Danach verpflichten Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen. Wie weit der Gesetzgeber die für den fraglichen Lebensbereich erforderlichen Leitlinien selbst bestimmen muss, richtet sich maßgeblich nach dessen Grundrechtsbezug. Eine Pflicht dazu besteht, wenn miteinander konkurrierende grundrechtliche Freiheitsrechte aufeinandertreffen und deren jeweilige Grenzen fließend und nur schwer auszumachen sind. Bei der Präimplantationsdiagnostik treffen das Lebensrecht und der Menschenwürdeschutz des in vitro erzeugten Embryos und die allgemeine Handlungsfreiheit der Mutter bzw. der Eltern sowie die Berufsfreiheit der Präimplantationsdiagnostiken durchführenden Ärzte bzw. Labors aufeinander (vgl. hierzu weiter unten). Die Regelung der PID erfolgt daher in einem Bereich, in dem konkurrierende Freiheitsrechte aufeinandertreffen. Die Frage, welcher Art die im Rahmen der PID zu untersuchenden Zellen sein können, stellt eine für deren Anwendungsbereich und für die Reichweite des strafrechtlichen Verbotes des § 3a Abs. 1 ESchG grundlegende Frage dar, sodass sie im Sinne der dargestellten Rechtsprechung als „wesentlich" anzusehen ist (ebenso Plesse/Spegele, Bayerisches Ärzteblatt 2015, 182). Eine weitergehende Vertiefung erübrigt sich, da es hierauf für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich ankommt, da § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG dem Verordnungsgeber, wie oben dargestellt, bereits eine solche Ermächtigung nicht erteilt.

dd) Schließlich widersprechen auch Sinn und Zweck der Regelung einer Auslegung von „Zellen eines Embryos" dahingehend, dass nicht mehr pluripotente Trophektodermzellen aus dem Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG ausgenommen wären.

Die Klägerin will die Untersuchung nicht mehr pluripotenter Trophektodermzellen aus dem Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG ausnehmen, da diese sich von den dem Gesetzgeber vorschwebenden pluripotenten Zellen fundamental unterschieden, sodass eine Anwendung des § 3a ESchG nach dem Zweck der Regelung nicht gerechtfertigt sei. Dies trifft aber nicht zu.

Denn Zweck des durch § 3a ESchG geschaffenen Verbots der PID mit „eng begrenzten Ausnahmen" (BT-Drs. 17/5451, S. 8, linke Spalte) ist der Schutz des Embryos in vitro vor einer Nichtimplantation aufgrund einer genetischen Untersuchung und dem darauffolgenden Absterben lassen (Verwerfung) (BT-Drs. 17/5451, S. 7 und 8). Dafür spielt es aber keine Rolle, ob die Verwerfung aufgrund der Untersuchung einer totipotenten, pluripotenten oder nicht mehr pluripotenten Zelle erfolgt. Denn in allen diesen Fällen ist das Ergebnis für das betroffene Schutzgut gleich, nämlich dass der Embryo nicht eingepflanzt wird und abstirbt (Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 3a Rn. 17). Dementsprechend weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die grundlegende ethische Frage, ob der jeweilige Embryo nach der Untersuchung wegen deren Ergebnis implantiert wird oder nicht, sich unabhängig von der Art der untersuchten Zellen stellt.

Dass es bei den von der Klägerin geplanten/durchgeführten Untersuchungen, die diese nach ihrem Vortrag sowohl im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als auch im Berufungsverfahren allein auf den Zweck der Feststellung der Entwicklungsfähigkeit des Embryos aufgrund des ovariellen Alterns bzw. des Alters der Frau, von der die Eizelle stammt, beschränken will, zu derartigen Selektionsentscheidungen kommen kann, steht zur Überzeugung des Senats fest. Die Klägerin versucht zwar, dies mit der Argumentation, sie suche nach einer entwicklungsfähigen, euploiden Zelle, und die nicht ausgewählten Embryonen wären ja ohnehin nicht entwicklungsfähig bzw. würden zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen, zu widerlegen. Jedoch kann es auch nach ihrem eigenen Vortrag zu Selektionsentscheidungen kommen.

Denn die von der Klägerin geplanten genetischen Untersuchungen des Chromosomenmaterials der entnommenen muralen Trophektodermzellen zielen auf die Feststellung von bei ihnen vorhandenen Chromosomenaberrationen, von Aneuploidien. Diese führen neben der mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit vorliegenden fehlenden Entwicklungsfähigkeit in Einzelfällen aber auch zu einer grundsätzlich, wenn auch mit einer geringen statistischen Wahrscheinlichkeit positiv verlaufenden Schwangerschaft, die jedoch zu einem behinderten Kind führt. Das wird von der Klägerin ausdrücklich zugestanden für den Fall einer isolierten, „freien" Trisomie 21 (vgl. die Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2018). Ähnliches gilt (wenn auch zum Teil mit einer noch geringeren Wahrscheinlichkeit) für die ebenfalls mit der von der Klägerin durchzuführenden Methode feststellbaren Trisomien 8, 13 und 18 und für Veränderungen für Geschlechtschromosomen wie dem Klinefelter-Syndrom oder der Monosomie X (Grüber/de Gruisbourne/Pömsl, Präimplantationsdiagnostik in Deutschland, Handreichung des Instituts Mensch, Ethik und Wissenschaft gGmbH, verfügbar unter: www.imew.de, zuletzt recherchiert am 10.1.2019, S. 9 und 32/33), die jedoch regelmäßig mit vergleichsweise schweren Behinderungen einhergehen. Alle diese Fehlverteilungen von Chromosomen können mit der Untersuchungsmethode der Klägerin festgestellt werden. Wird eine derartige Fehlverteilung festgestellt, kann diese Anlass zu einer Verwerfung des Embryos aus diesem Grunde geben. Ob diese von dem durchführenden Labor wie der Klägerin oder von dem Labor auf ausdrückliche Anweisung der Mutter bzw. der Eltern des in vitro erzeugten Embryos durchgeführt wird, ist insoweit unerheblich. Daher kommt es auch nicht darauf an, dass die Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung angab, die Entscheidung über die Einpflanzung bzw. Nichteinpflanzung eines Embryos, bei dem eine Aneuploidie festgestellt worden ist, der Mutter überlässt. Mit dem Anlass für eine Selektion wird gerade die in der Begründung des Gesetzentwurfs unter Ziffer A III. genannte Konstellation relevant (BT-Drs. 17/5451, S. 7, rechte Spalte): „Bei der Abwägung zwischen den Ängsten und Nöten der Betroffenen und ethischen Bedenken gegen die Nichtimplantation eines schwer geschädigten Embryos trifft dieser Gesetzentwurf eine Entscheidung zugunsten der betroffenen Frau. (…) Über die Durchführung der PID ist jedoch in jedem Einzelfall gesondert zu entscheiden." Die Wahrscheinlichkeit oder Häufigkeit, in der es bei den von der Klägerin geplanten Untersuchungen zu einer solchen möglichen Selektionsentscheidung kommt, ist dabei unerheblich. Maßgeblich ist allein, dass diese Möglichkeit aufgrund der Untersuchung besteht. Gerade diese Selektionsentscheidung wollte der Gesetzgeber aber von einer im Einzelfall zu treffenden Entscheidung der Ethikkommission abhängig machen.

Dass die von der Klägerin vertretene Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG zu mit dem Gesetzeszweck keinesfalls vereinbaren Ergebnissen führen würde, zeigt auch die folgende Überlegung: Würden nämlich nicht mehr pluripotente Zellen, die einer Blastozyste entnommen werden, schon keine „Zellen eines Embryos" i.S.v. § 3a Abs. 1 ESchG sein, dann wäre die genetische Untersuchung dieser Zellen nicht nach dieser Bestimmung verboten und müsste auch nicht erst durch eine Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik erlaubt werden. Damit wären genetische Untersuchungen dieser Zellen auch über die eng begrenzten Rechtfertigungsgründe des § 3 Abs. 2 ESchG hinaus erlaubt. Die Klägerin könnte an diesen Zellen alle möglichen genetischen Untersuchungen und nicht nur die nach ihrem Vortrag bezweckten bzgl. des ovariellen Alterns vornehmen, ohne dabei an die Rechtfertigungsgründe des § 3a Abs. 2 ESchG oder eine Entscheidung einer Ethikkommission gebunden zu sein. Auch die nach § 3a Abs. 3 Satz 2 ESchG zu befolgenden Meldeund Dokumentationspflichten würden hierfür dann nicht anwendbar sein. Einer Selektion von Embryonen, die der Gesetzgeber auf wenige Fälle begrenzen wollte, wäre damit Tür und Tor geöffnet.

c) Rechtlich unerheblich ist, dass die Klägerin die von ihr entnommenen muralen Trophektodermzellen allein mit dem Ziel untersuchen will festzustellen, ob die jeweiligen Embryonen die Fähigkeit haben, sich in der Gebärmutter einzunisten und eine Schwangerschaft herbeizuführen. Denn die Legaldefinition der PID in § 3a Abs. 1 ESchG differenziert nicht nach den mit ihr verfolgten Zwecken. Vielmehr definiert sie die PID allein nach ihrem Objekt (Zellen eines Embryos vor seinem intrauterinen Transfer) und der Methode der Untersuchung (genetische Untersuchung). Damit besteht auch kein Einfallstor für eine Auslegung nach dem Zweck der Untersuchung mit der Folge, dass auch für eine verfassungskonforme Auslegung kein Raum ist. Denn das Gebot der verfassungskonformen Auslegung verlangt (nur), dass von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz im Einklang steht. Diese muss jedoch durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt sein (BVerwG, U.v. 28.6.2018 - 2 C 14/17 - juris Rn. 20 m.w.N.), was hier bei der von der Klägerin vertretenen Auslegung gerade nicht der Fall ist.

Daneben sprechen aber auch Sinn und Zweck des § 3a ESchG dagegen, die Untersuchung von Zellen eines Embryos mit dem Ziel, die Fähigkeit dieser Embryonen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft aus der Regelung auszunehmen. Denn würde man § 3a Abs. 1 ESchG abhängig vom Zweck der jeweiligen Untersuchung unterschiedlich auslegen, würden die „freigestellten" Untersuchungen, die nicht dem Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG unterfielen, keinerlei rechtlichen Anforderungen unterliegen. Damit wären auch die vom Gesetzgeber vorgesehenen „flankierenden" Maßnahmen, wie insbesondere die Melde- und Dokumentationspflichten nach § 3a Abs. 3 Satz 2 ESchG nicht anwendbar. Diese Untersuchungen wären dann in keiner Weise im Embryonenschutzgesetz geregelt. Insbesondere würde auch nicht bundesweit dokumentiert, wie viele derartige Untersuchungen stattfänden. Eine Kontrolle, ob diese Vorgaben eingehalten werden oder ob die Untersuchungen auf andere Zwecke ausgedehnt wurden, wäre nicht möglich. Hinzu käme, dass auch „Zufallsfunde", die bei der vorgenommenen Untersuchung bekannt würden, nach denen aber gar nicht gesucht worden sei, nicht geregelt wären (vgl. hierzu Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 3a Rn. 57 ff.).

d) Die von der Klägerin an den biopsierten muralen Trophektodermzellen geplanten bzw. durchgeführten Untersuchungen sind genetische Untersuchungen im Sinne von

§ 3a Abs. 1 ESchG.

Unter genetischen Untersuchungen werden allgemein sowohl molekulargenetische als auch zytogenetische (chromosomale) Untersuchungen verstanden (vgl. zu den Einzelheiten Deutscher Ethikrat, Stellungnahme zur Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5210, S. 7f; auch Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 3a, Rn. 18, der die Definition in § GenDG für „im wesentlichen" auf § 3a übertragbar hält). Die von der Klägerin angewandten Untersuchungsverfahren „Next Generation Sequencing" bzw. „array Comparative Genomic Hydridisation" (aCGH) (vgl. zu letzterem Deutschen Ethikrat, BT-Drs. 17/5210, S. 7) dienen der Feststellung chromosomaler Fehlverteilungen, stellen zytogenetische Verfahren dar und sind daher genetische Untersuchungen im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 3a ESchG, Rn. 9). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

e) Die dargestellte Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG widerspricht nicht dem Verfassungsrecht. Sie verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG und ist im Einklang mit den betroffenen Grundrechten.

aa) Art. 103 Abs. 2 GG enthält ein an den Gesetzgeber gerichtetes Bestimmtheitsgebot. Dieser ist gehalten, Strafgesetze so genau zu formulieren, dass sich für den Bürger die Grenze des straffreien Raums möglichst schon aus dem Gesetz ergibt (BVerfG, U.v. 5.2.2004 - 2 BvR 2029/01 - NJW 2004, 739). Er hat die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Tatbestände sich aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen (BVerfG, B.v. 2.6.2010 - 2 BvR 2559/08 u.a. - BVerfGE 126, 170, 196).

Ein Verstoß gegen dieses Gebot durch § 3a Abs. 1 ESchG ist nicht erkennbar. Was „Zellen eines Embryos" in diesem Sinne sind, ergibt sich nach einer Auslegung anhand der anerkannten Auslegungsmethoden eindeutig aus dem Gesetz (s.o.). Entgegen der Argumentation in der Berufungsbegründung kann auch keine Rede davon sein, dass die von der Beklagten vorgenommene (zutreffende) Auslegung des Gesetzes zu einer Ausweitung der Strafbarkeit führt.

bb) Die Entscheidung eines Paares, von den Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin Gebrauch zu machen und neben einer invitro-Fertilisation auch eine Präimplantationsdiagnostik an den in vitro erzeugten Embryonen durchführen zu lassen, stellt ein grundrechtlich geschütztes Verhalten dar. Es fällt, wie die Klägerin zutreffend anmerkt, in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. zu den verschiedenen dogmatischen Ansätzen, unter welches Grundrecht dieses Handeln zu fassen ist: Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, Art. 6 Rn. 1 m.w.N.), und zwar in ihrer abwehrrechtlichen Komponente. Die Grundrechtsträger haben im Rahmen ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit ein grundsätzliches Recht auf Wahrnehmung der nicht verbotenen, medizinisch angebotenen Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin.

Durch das Verbot der PID in § 3a Abs. 1 ESchG wird in das Grundrecht eingegriffen, indem den potentiellen Eltern verboten wird, bei einer in vitro Fertilisation von der medizinischen Möglichkeit einer PID Gebrauch zu machen.

Dieser Eingriff ist jedoch gerechtfertigt. Ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit kann nach Art. 2 Abs. 1 GG durch die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz gerechtfertigt sein. Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts alle Rechtsnormen, die formell und materiell mit der Verfassung im Einklang stehen (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, B.v. 25. 1. 2011 - 1 BvR 918/10 - BVerfGE 128, 193, 206).

§ 3a Abs. 1 ESchG gehört zur verfassungsmäßigen Ordnung. Das Verbot der PID ist formell (hierzu (1)) und materiell verfassungsgemäß. Es ist durch das Recht des Embryos auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (hierzu (2)) und den Schutz seiner Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG (hierzu (3)) gerechtfertigt. Das Verbot aus diesen Gründen stellt sich auch als verhältnismäßig dar (hierzu (4)).

(1) § 3a Abs. 1 ESchG ist formell verfassungsgemäß. Die Gesetzgebungskompetenz hierfür ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 (Strafrecht) und Nr. 26 (medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, Untersuchung von Erbinformationen). Verstöße gegen formelle Bestimmungen des Gesetzgebungsverfahrens sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Bestimmung ist auch materiell verfassungsgemäß. Das strafbewehrte Verbot der PID dient dem Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit des Embryos in vitro und dem Schutz seiner Menschenwürde und ist auch verhältnismäßig.

(2) Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wird durch eine PID nur berührt, wenn der Schutz dieser Bestimmung sich bereits auf den Embryo in vitro, also vor der Nidation, bezieht. Das Bundesverfassungsgericht hat sich hierzu - sieht man von den beiden die vorliegende Problematik nicht unmittelbar betreffenden Entscheidungen zum Abtreibungsrecht (U.v. 25.2.1975 - 1 BvF 1/74 u.a. - BVerfGE 39, 1 ff; U.v. 28.9.1993 - 2 BvF 2/90 -BVerfGE 88, 203 ff) ab - bislang nicht geäußert. Im Rahmen der äußerst umfangreichen (vgl. die Nachweise bei Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, B.IV Rn. 42, Fn. 275 und Rn. 50; Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, Art. 2 GG Rn. 19 ff.; Böckenförde-Wunderlich, Präimplantationsdiagnostik als Rechtsproblem, Tübingen 2002, S. 156 ff.; Rohrer, Menschenwürde am Lebensanfang und am Lebensende und strafrechtlicher Lebensschutz, Berlin 2012, S. 88 ff.; Weschka, Präimplantationsdiagnostik, Stammzellforschung und therapeutisches Klonen: Status und Schutz des menschlichen Embryos vor den Herausforderungen der modernen Biomedizin, Berlin 2010, S. 151 ff., jeweils m.w.N.) Diskussion der Frage, ob sich der Schutz des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bereits auf den Embryo in vitro bezieht und dieser mithin bereits als lebend in diesem Sinne zu sehen ist, wird zentral mit den Begriffen der Potentialität, Identität, Kontinuität und dem sogenannten Speziesargument argumentiert (vgl. die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5210, S. 13 ff., SKIP-Kriterien, vgl. Bundesärztekammer, Memorandum zur PID, 17.2.2011, S. 6). Dabei bedeutet das Speziesargument, dass dem Embryo bereits deshalb Lebensschutz zukommt, weil er von der genetischen Ausstattung her der menschlichen Spezies zugehörig ist (vgl. die Nachweise bei Weschka, Präimplantationsdiagnostik, S. 191). Unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität wird argumentiert, dass der Entwicklungsprozess hin zum Menschen ein kontinuierlicher Vorgang sei, der keine scharfen Einschnitte aufweise und eine genaue Abgrenzung von verschiedenen Entwicklungsstufen des menschlichen Lebens nicht zulasse. Er sei auch nicht mit der Geburt beendet, da die für die menschliche Persönlichkeit spezifischen Bewusstseinsphänomene zum Teil erst längere Zeit nach der Geburt aufträten (BVerfG, U.v. 25.2.1975 - 1 BvR 1/74 u.a. - BVerfGE 39, 1, 37 [juris Rn. 136]; vgl. dazu die weitergehenden Nachweise bei Weschka, a.a.O., S. 193). Mit dem Identitätsargument wird umschrieben, dass der Embryo bereits im frühesten Stadium identisch mit dem Menschen sei, aus dem er sich entwickle, und daher ebenso wie dieser zu schützen sei (vgl. Weschka, a.a.O., S. 200 m.w.N.). Und schließlich wird unter dem Potentialitätsargument darauf hingewiesen, dass bereits die befruchtete Eizelle ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung alles enthalte, was für die Entwicklung zum vollständigen Menschen notwendig sei (vgl. Weschka, a.a.O., S. 196 m.w.N.). Zwar wird in der Diskussion hinsichtlich des Embryos in vitro darauf hingewiesen, dass das Kontinuitätsargument scheinbar nicht greife, da für die weitere Entwicklung die Einpflanzung in die Gebärmutter und damit ein Tätigwerden eines Menschen notwendig sei. Ein geringerer Schutz des Embryos in vitro kann jedoch daraus bereits aus dem Grunde nicht abgeleitet werden, da ansonsten der verfassungsrechtliche Lebensschutz zur Disposition des Implantierenden stehen würde (Rohrer, Menschenwürde, S. 110). Im Ergebnis geht daher die wohl überwiegende Meinung in der Literatur davon aus, dass auch der Embryo in vitro von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützt ist (vgl. u.a. Müller-Terpitz, a.a.O., Art. 2 GG, Rn. 21 f, insbesondere 22; Hillgruber, Präimplantationsdiagnostik, in Spieker/Hillgruber/Gärditz, Die Würde des Embryos, Paderborn 2012, S. 62; Rohrer, Menschenwürde, S. 105, 110, 126).

Das strafbewehrte Verbot des § 3a Abs. 1 ESchG dient dem Schutz des Lebens des Embryos in vitro, da es eine mögliche Verwerfung des Embryos infolge einer PID verhindert.

(3) Auch die Frage, ob der Embryo in vitro bereits Träger des Menschenwürdegrundrechts ist, ist aus den im wesentlichen gleichen Gründen, wie sie zum Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ausgeführt wurden, umstritten. Auch insoweit ist aber richtigerweise davon auszugehen, dass er bereits Grundrechtsträger ist.

Hinzu kommt hier als weiteres Argument, dass, auch wenn man davon ausginge, dass ein Embryo erst ab der Nidation, also ab der erfolgreichen Einpflanzung in der Gebärmutter Grundrechtsträger sein könne, für seinen Schutz die objektivrechtliche Dimension des Menschenwürdegrundrechts nach Art. 1 Abs. 1 GG streiten würde: Denn, wenn die öffentliche Gewalt humanes Leben zu schützen verpflichtet ist, ohne dass dieses Leben eigene, subjektive Lebensrechte besitzt, so kann dies nur über den objektiven Gewährleistungsgehalt des Art. 1 Abs. 1 GG erfolgen. Objektivrechtliche Vorfelder und Nachwirkungen des subjektiven Lebensschutzes sind grundsätzlich anerkannt (vgl. Di Fabio in Maunz/Dürig, GG, 43. Ergänzungslieferung, Februar 2004, Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 28; ähnlich Zippelius in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 73. Ergänzungslieferung 1995, Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2, Rn. 29).

Das Verbot des § 3a ESchG dient damit auch dem Schutz der Menschenwürde der nach Durchführung einer PID von einer Verwerfung bedrohten Embryonen in vitro.

(4) § 3a Abs. 1 ESchG stellt verwaltungsrechtlich ein repressives Verbot mit einem in Absatz 2 geregelten Befreiungsvorbehalt dar. Bei einem solchen verbietet der Gesetzgeber generell ein bestimmtes Verhalten als unerwünscht, gestattet aber, dass in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine Befreiung von diesem Verbot erteilt wird. Abzugrenzen ist es von der präventiven Kontrollerlaubnis. Dort verbietet der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten nicht, weil es generell unterbleiben soll, sondern um vorweg prüfen zu können, ob die einzelnen materiellen Anforderungen eingehalten werden (vgl. zum Ganzen: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 9 Rn. 51 ff, insb. 55).

Aus der Gesetzesbegründung zu § 3a ESchG lässt sich ablesen, dass die PID vom Gesetzgeber nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erlaubt werden sollte (BT-Drs. 17/5451, S. 3, 7 und 8). Daneben wird darin ausgeführt, dass ein absolutes Verbot gegen die Verhältnismäßigkeit verstoßen würde. Weiterhin wird auf den Eingriff in Grundrechtspositionen verwiesen (BT-Drs. 17/5451, S. 7). Damit hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er grundsätzlich die PID verbieten und nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulassen wollte. Das Verständnis als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt entspricht auch der gesetzlichen Regelungssystematik. § 3a ESchG spricht in seinem Absatz 1 zunächst die Strafbarkeit der PID aus. Im Anschluss daran werden in Absatz 2 zwei eng begrenzte Möglichkeiten genannt, in denen diese Strafbarkeit wieder entfällt. Allerdings wird nicht die Tatbestandsmäßigkeit der Straftat ausgeschlossen, sondern nur die nachrangige Rechtswidrigkeit beseitigt. Auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3a Abs. 2 ESchG vorliegen, stellt die durchgeführte PID eine tatbestandsmäßige Straftat dar.

Dieses Verbot mit Befreiungsvorbehalt ist verhältnismäßig. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu den insoweit zu beachtenden Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit ausgeführt, dass, während bei einer an sich erlaubten Tätigkeit die Voraussetzungen für Vorbehalte ganz allgemein enger zu ziehen sind, der Gesetzgeber bei Gefahr bringenden Betätigungen freier gestellt sei. Gemessen an Art und Bedeutung des zu schützenden Rechtsguts und dem Grad seiner Gefährdung müsse der Eingriff in die Betätigungsfreiheit geeignet und erforderlich sein, das in Betracht stehende öffentliche Interesse zu fördern oder zu schützen und dürfe als Mittel zum Zweck nicht schlechthin außer Verhältnis stehen (BVerwG, U.v. 3.10.1972 - I C 36.68 BVerwGE 41, 1 [juris Rn. 28]).

Das grundsätzliche Verbot der PID in § 3a Abs. 1 ESchG dient dem Schutz des Lebens und der Menschenwürde des in vitro befruchteten Embryos. Dabei handelt es sich wie bei Leben und Menschenwürde immer um ein sehr hochrangiges Schutzgut. Daran ändert auch die Argumentation der Klägerin, der Gesetzgeber habe mit § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG deutlich gemacht, dass er die Lebensfähigkeit von Blastozysten für nicht irrelevant halte und nicht lebensfähige Blastozysten in gewisser Weise für weniger schutzwürdig erklärt, nichts. Denn vorliegend geht es allein um die Frage, ob vor der Durchführung einer PID die Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik beteiligt werden muss. § 3a Abs. 2 ESchG ist allein im Rahmen dieser Entscheidung von Bedeutung. Dementsprechend kann aus dieser Bestimmung auch kein Argument dafür abgeleitet werden, die Entscheidung über die genetische Untersuchung bestimmter Embryonen unabhängig von der Entscheidung der Ethikkommission zuzulassen und die Entscheidung über die Durchführung der PID gerade nicht mehr vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 1 oder 2 ESchG abhängig zu machen. Das Verbot zielt darauf ab, den in vitro erzeugten Embryo nicht der Gefahr, aufgrund einer durchgeführten PID verworfen zu werden, auszusetzen. Hierzu ist es auch grundsätzlich geeignet. Ein milderes, ebenso effektives Mittel als das Verbot mit Befreiungsvorbehalt ist nicht ersichtlich. Daran ändert auch die Argumentation der Klägerin nichts, dass mit der Untersuchung ja nur festgestellt werden solle, ob die jeweilige in vitro befruchtete Eizelle die Fähigkeit zur Einnistung in die Gebärmutter und zur Herbeiführung einer Schwangerschaft hat; bei den aufgrund dieser Untersuchung zu verwerfenden Eizellen würde ja gerade keine Schwangerschaft entstehen bzw. eine Fehlgeburt erfolgen. Denn die Untersuchung zielt primär auf die Feststellung von Chromosomenaberrationen ab. Festgestellt werden können auch solche Chromosomenaberrationen, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine Schwangerschaft und nachfolgend ein lebensfähiges Kind mit einer Trisomie auslösen, wie die Klägerin selbst für den (von ihr allerdings als selten eingestuften) Fall einer freien Trisomie 21 zugesteht. Aus ihrem eigenen Vortrag ergibt sich zudem, dass eine solche Möglichkeit (wenn auch in erheblich geringerem Maße) auch für den Fall einer Trisomie 13 oder 18 besteht. In diesen mehr oder weniger häufigen Fällen bestünde die Gefahr einer Verwerfung aufgrund des Untersuchungsergebnisses. Ein milderes Mittel als das grundsätzliche Verbot mit Befreiungsvorbehalt für diese Gruppe ist nicht ersichtlich. Eine nachträgliche Antragstellung im Fall eines derartigen Untersuchungsergebnisses, wie sie die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 4. September 2018 anreißt, wäre dagegen nicht praktikabel. Schließlich ist der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der potentiellen Eltern auch angemessen. Denn in § 3a Abs. 2 ESchG ist eine Befreiungsmöglichkeit in den dort geregelten Fällen nach einer im Einzelfall erfolgenden positiven Bewertung der Ethikkommission gerade vorgesehen.

cc) § 3a Abs. 1 ESchG verletzt auch nicht die Berufsfreiheit der auf dem Gebiet der PID tätigen Ärzte oder von Laboren wie der Klägerin (zur Grundrechtsträgerschaft von juristischen Personen des Privatrechts vgl. Mann in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 37ff.). Zwar führt das Verbot der PID zu einem Eingriff in den einheitlichen Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG, da die Durchführung von Präimplantationsdiagnostiken nicht bzw. nicht in dem Umfang, wie es ohne § 3a Abs. 1 ESchG möglich wäre, zum Gegenstand einer beruflichen Tätigkeit gemacht werden kann. Dieser Eingriff ist aber jedenfalls gerechtfertigt. Der Regelungsvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst das gesamte Grundrecht der Berufsfreiheit (Ruffert in Beck-OK GG, 39. Edition Stand 15.11.2018, Art. 12 Rn. 73 m.w.N.). Die gesetzliche Regelung des Art. 3a Abs. 1 GG ist auch verhältnismäßig. Ob sie nach der 3-Stufen-Lehre des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, U.v. 11.6.1958 - 1 BvR 596/56 -. BVerfGE 7, 377) als Berufsausübungsregelung oder objektive Berufswahlregelung anzusehen ist, kann letztlich dahin gestellt bleiben. Betrachtet man sie nämlich als Berufsausübungsregelung, so kommt sie von ihren Auswirkungen her einem Eingriff in die Berufswahlfreiheit nahe (BVerfG, Urteil vom 23. 3. 1960 - 1 BvR 216/51 - BVerfGE 11, 33, 44) und ist daher nur gerechtfertigt, wenn Allgemeininteressen von solchem Gewicht bestehen, dass sie Vorrang vor der beruflichen Beeinträchtigung haben. Dies ist nach den obigen Ausführungen aufgrund der Bedeutung für den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit sowie der Würde des Embryos in vitro der Fall.

Ob diese Möglichkeit insbesondere im Hinblick auf die betroffenen Grundrechte der potentiellen Eltern richtig wahrgenommen wird, ist im vorliegenden Fall jedoch nicht entscheidungserheblich, da es hier nur um das Verbot, Präimplantationsdiagnostiken ohne vorherige Beteiligung der Ethikkommission durchzuführen, geht. Dementsprechend kommt es vorliegend auch nicht auf die klägerseits geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Auslegung des § 3a Abs. 2 ESchG an.

Im Ergebnis ist die von der Beklagten ausgesprochene Untersagung in Ziffer I.1 des Bescheids vom 2. Juni 2015 rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in eigenen Rechten. Die Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht ist somit nicht zu beanstanden und die Berufung insoweit zurückzuweisen.

2. Auch die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2016, mit dem der Klägerin ein weiteres, höheres Zwangsgeld angedroht wurde ist zulässig, aber unbegründet.

Der Grundverwaltungsakt, die Untersagung vom 2. Juni 2015, war aufgrund des Beschlusses des Senats vom 27. Oktober 2015 (20 CS 15.1904 - juris) sofort vollziehbar und im Übrigen auch rechtmäßig (s. oben). Nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG ist eine erneute Androhung eines Zwangsgeldes nur dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung erfolglos geblieben ist. Hier war die Zuwiderhandlung der Klägerin gegen den Grundverwaltungsakt am 4. November 2015 nachgewiesen. Ergänzend wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des verwaltungsgerichtlichen Urteils verwiesen.

Damit war die Berufung auch insoweit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich hinsichtlich der zurückgenommenen Berufung aus § 155 Abs. 2 VwGO, im Übrigen aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision war nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da die Frage, ob eine Präimplantationsdiagnostik zu dem Zweck, die Fähigkeit eines Embryos zur Einnistung in die Gebärmutter aufgrund des ovariellen Alterns der Eizelle festzustellen, von § 3a Abs. 1 ESchG erfasst ist, grundsätzliche Bedeutung hat.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Entlassung aus dem Amt als hauptberufliche Vizepräsidentin der beigeladenen Universität durch das beklagte Ministerium.

2

Die Klägerin war von 1998 bis 2006 Regierungsdirektorin an der Brandenburgisch Technischen Universität Co. und von 2006 bis 2012 hauptberufliche Vizepräsidentin im Beamtenverhältnis auf Zeit an der Technischen Universität Cl.

3

Nach vorheriger Wahl durch den (Hochschul-)Senat der Beigeladenen wurde die Klägerin für den Zeitraum von April 2012 bis März 2018 unter Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Zeit zur hauptberuflichen Vizepräsidentin der beigeladenen Hochschule ernannt. Außer ihr gehörten dem Präsidium der Beigeladenen eine Präsidentin und zwei nebenberufliche Vizepräsidenten an. Die Klägerin war u.a. für die Bereiche Haushalt, Personal und Justiziariat verantwortlich; als für die Finanzverwaltung zuständiges Präsidiumsmitglied war sie außerdem Beauftragte für den Haushalt.

4

Im Januar 2013 wählte der Senat der Beigeladenen alle vier Mitglieder des Präsidiums ab. Im Folgemonat beschloss der Hochschulrat der Beigeladenen, die Abwahlvorschläge des Senats nicht zu bestätigen. Im März traten die Präsidentin und die nebenberuflichen Vizepräsidenten von ihren Ämtern zurück; der Beklagte entließ diese drei Präsidiumsmitglieder noch im März jeweils aus dem Beamtenverhältnis auf Zeit bzw. aus dem Amt. Im April befasste sich der Senat mit der Entscheidung des Hochschulrats, den Entlassungsvorschlag nicht zu bestätigen. Er bestätigte seine eigene Abwahlentscheidung und bat das beklagte Ministerium, dem Entlassungsvorschlag zu folgen.

5

Der Beklagte hörte die Klägerin an und entließ sie sodann mit Bescheid vom 26. Juni 2013.

6

Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Die Klage sei als Anfechtungsklage zulässig, obwohl die Stelle der Klägerin zwischenzeitlich neu besetzt worden sei; die Anfechtung der Entlassung der Klägerin habe sich dadurch nicht erledigt. Die Klage sei aber unbegründet, weil die Entlassungsverfügung rechtmäßig sei.

8

Die Klägerin könne - erstens - nicht erfolgreich geltend machen, ihre Entlassung sei schon deshalb rechtswidrig, weil die gesetzliche Regelung zur Abwahl und Entlassung hauptberuflicher Vizepräsidenten als Verstoß gegen das Lebenszeitprinzip des Art. 33 Abs. 5 GG verfassungswidrig sei. Denn die Klägerin sei durch eine Wahl als Akt demokratischer Willensbildung, der nur befristet wirke, in ihr Amt gelangt. Außerdem sei sie vollberechtigtes Mitglied des Leitungsorgans Präsidium gewesen und deshalb nicht primär mit der Hochschulverwaltung betraut gewesen, sondern habe als Mitglied des Präsidiums selbst hochschulpolitische Entscheidungen treffen können. Beides unterscheide sie von dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall des brandenburgischen Hochschulkanzlers.

9

Die Entlassung der Klägerin sei - zweitens - auch nicht wegen etwaiger Mängel im Abwahlvorgang rechtswidrig. Zum einen sei die Mitwirkung eines Personalratsmitglieds bei der Abwahl nach § 46 VwVfG unbeachtlich, da auch ohne dessen Stimme die für die Abwahl erforderliche Dreiviertelmehrheit in jedem Fall erreicht worden wäre. Zum anderen sei die Entlassungsverfügung auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Abwahlentscheidung entgegen der maßgeblichen Regelung ohne Bestätigung durch den Hochschulrat geblieben sei. Die Wissenschaftsfreiheit wäre strukturell gefährdet, wenn sich die Abwahlentscheidung des Senats als dem mehrheitlich mit Hochschullehrern besetzten Organ der Hochschule nicht durchsetzen würde, sondern dem mehrheitlich mit Externen besetzten Hochschulrat ein Vetorecht zukäme. Wenn der Hochschulrat einen mit Dreiviertelmehrheit beschlossenen Abwahlvorschlag des Senats nicht bestätige, sei in verfassungskonformer Auslegung der Senat befugt, unter Auseinandersetzung mit dem Votum des Hochschulrats erneut zu entscheiden und mit Dreiviertelmehrheit die endgültige und für das Ministerium verbindliche Abwahl zu beschließen.

10

Mit der bereits vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision beantragt die Klägerin,

die Urteile des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. März 2017 und des Verwaltungsgerichts Hannover vom 15. September 2015 sowie den Bescheid des Beklagten vom 26. Juni 2013 aufzuheben.

11

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

12

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angegriffene Berufungsurteil zu der auch gegenwärtig noch zulässigen Klage (1.) beruht auf einer Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1, § 191 Abs. 2 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG), nämlich auf einem Verstoß gegen §§ 40 und 48 Niedersächsisches Hochschulgesetz (NHG) in ihrer hier maßgeblichen Fassung (2.) und § 1 Abs. 1 Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz (NVwVfG) i.V.m. 46 VwVfG (3.).

14

1. Die Klage ist unverändert zulässig. Weder die nach der Entlassung der Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Zeit erfolgte Ernennung eines Nachfolgers noch der Umstand, dass inzwischen auch die Amtszeit der Klägerin abgelaufen ist, haben eine Erledigung der Entlassungsverfügung bewirkt; von dieser gehen weiterhin jedenfalls besoldungs- und versorgungsrechtliche Rechtswirkungen aus.

15

2. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, §§ 40 und 48 NHG a.F. seien einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich, wonach der Senat der Hochschule ein verbeamtetes Präsidiumsmitglied auch ohne die in § 40 Satz 2 NHG a.F. vorgesehene Bestätigung durch den Hochschulrat entlassen kann, überschreitet die Grenzen verfassungskonformer Auslegung.

16

§ 40 NHG in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung der Neubekanntmachung vom 26. Februar 2007 (GVBl. S. 69 - NHG 2007) lautete wie folgt: "Der Senat kann mit einer Mehrheit von drei Vierteln seiner Mitglieder einzelne Mitglieder des Präsidiums abwählen und damit deren Entlassung vorschlagen. Der Vorschlag bedarf der Bestätigung des Hochschulrats." Gemäß § 48 Abs. 1 NHG in der Fassung des Gesetzes vom 10. Juni 2010 (GVBl. S. 242 - NHG 2010) ernennt oder bestellt und entlässt das Fachministerium die Mitglieder des Präsidiums.

17

a) § 127 Nr. 2 BRRG, der nach § 63 Abs. 3 BeamtStG fortgilt, ermöglicht die Revision bei einer Verletzung von Landesrecht, sofern es sich um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis handelt. Eine Klage aus dem Beamtenverhältnis ist eine solche, bei der der Streit um ein sich aus einem konkreten Beamtenverhältnis ergebendes Rechtsverhältnis eines Beamten geht (BVerwG, Beschluss vom 9. Juli 1965 - 8 B 44.63 - Buchholz 230 § 127 BRRG Nr. 13 S. 21). Aus dem Anknüpfungspunkt im Beamtenverhältnis folgt, dass es um Normen gehen muss, die - ungeachtet ihrer formalgesetzlichen Einbindung (hier: im Landeshochschulgesetz) - materiell dem Landesbeamtenrecht zuzuordnen sind; dies ist insbesondere der Fall, wenn die Regelung Auswirkungen auf das Statusverhältnis des Beamten entfalten kann (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2016 - 2 C 18.15 - Buchholz 421.20 HochschulR Nr. 58 Rn. 27). § 48 NHG a.F. regelt die dienstrechtliche Befugnis zur Entlassung eines Beamten auf Zeit, berührt also dessen Statusverhältnis und ist somit unmittelbarer dienstrechtlicher Natur. Die Auslegung dieser Bestimmung im Berufungsurteil ist revisibel. Dies gilt auch für die Auslegung des § 40 NHG a.F., denn die verfassungskonforme Auslegung von Landesrecht anhand von Bundesverfassungsrecht ist als Anwendung von Bundesrecht revisibel, d.h. das Revisionsgericht ist dabei nicht an die Auslegung durch die Vorinstanz gebunden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 1994 - 1 C 18.91 - BVerwGE 96, 293 <294>).

18

b) §§ 40 und 48 Abs. 1 NHG a.F. enthalten eine gestufte Regelung für die Abwahl und Entlassung von Mitgliedern des Präsidiums: In einem ersten Schritt kann der Senat - auf dessen Vorschlag das betreffende Präsidiumsmitglied für die Dauer von sechs Jahren in ein Beamtenverhältnis auf Zeit ernannt worden war (§ 38 Abs. 2 bis 4 und § 39 Abs. 1 NHG) - mit einer Mehrheit von drei Vierteln seiner Mitglieder das Präsidiumsmitglied abwählen und damit dessen Entlassung vorschlagen. In einem zweiten Schritt bedarf dieser Entlassungsvorschlag der Bestätigung durch den Hochschulrat. Dem schließt sich dann in einem dritten Schritt die Entscheidung des Fachministeriums über die Entlassung des Präsidiumsmitglieds aus dessen Beamtenverhältnis auf Zeit an.

19

Die Auslegung im Berufungsurteil, wonach der zweite Schritt des dreistufigen Verfahrens - die Bestätigung des Entlassungsvorschlags durch den Hochschulrat - im Wege verfassungskonformer Auslegung entbehrlich sein kann, überschreitet die Grenzen verfassungskonformer Auslegung.

20

c) Das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Eine Norm ist daher nur dann für verfassungswidrig zu erklären, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, so ist diese geboten. Auch im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf aber der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden. Die zur Vermeidung eines Nichtigkeitsausspruchs gefundene Interpretation muss daher eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung sein. Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich damit grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Er fordert mithin eine verfassungskonforme Auslegung der Norm, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt. Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <274> und vom 6. Juni 2018 - 1 BvL 7/14 u.a. - NZA 2018, 774, Rn. 72 ff., jeweils m.w.N.; BVerwG, Vorlagebeschluss vom 18. Juni 2015 - 2 C 49.13 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 132 Rn. 104 f. und Urteil vom 21. April 2016 - 2 C 13.15 - BVerwGE 155, 35 Rn. 29).

21

Im vorliegenden Fall ist bereits der Wortlaut der Norm (§ 40 Satz 2 NHG a.F.) als Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung eindeutig dahingehend, dass die Entlassung eines Präsidiumsmitglieds nur nach vorheriger Bestätigung des Entlassungsvorschlags des Senats durch den Hochschulrat zulässig ist. Dieser Wortlaut des Gesetzes entspricht auch dem im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen des historischen Gesetzgebers:

22

So bedurfte gemäß der Vorgängerregelung des § 63c Abs. 5 und 6 NHG in der Fassung vom 26. Februar 2006 (GVBl. S. 69) ein Vorschlag des Senats zur Abwahl von Präsidiumsmitgliedern nur dann einer Bestätigung durch den Hochschulrat, wenn der Senat den Abwahlvorschlag mit weniger als drei Vierteln seiner Mitglieder beschlossen hatte. In § 40 NHG a.F. regelte der Gesetzgeber sodann, dass (auch) ein mit Dreiviertelmehrheit beschlossener Abwahlvorschlag der Bestätigung durch den Hochschulrat bedarf. Eine solche Ausdehnung der Mitwirkungsrechte des Hochschulrats lässt gerade nicht darauf schließen, dass der Gesetzgeber eine Regelung schaffen wollte, wonach der Senat sich über die Verweigerung der Bestätigung durch den Hochschulrat hinwegsetzen kann.

23

Außerdem wurde bei der Schaffung von § 40 NHG a.F. das für einen Abwahlvorschlag erforderliche Quorum im Senat von einer Zweidrittelmehrheit in eine Dreiviertelmehrheit geändert. Auch dies lässt nicht darauf schließen, dass der Gesetzgeber die Absicht hatte, eine Regelung zu schaffen, wonach sich der Senat über den Hochschulrat hinwegsetzen kann - etwa als Ausgleich für die höheren Anforderungen an die Mehrheit im Senat.

24

Nach den Gesetzesmaterialien ist vielmehr davon auszugehen, dass die Erhöhung der im Senat notwendigen Mehrheit ein Kompromiss gegenüber einer vollständigen Abschaffung des Abwahlrechts des Senats war. Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Landesregierung (CDU/FDP) sah noch vor, das Abwahlrecht des Senats zu streichen (LT-Drs. 15/2670 S. 18). Laut der Begründung des Gesetzentwurfs sollte dies dazu dienen, "während der Amtszeit der Präsidiumsmitglieder die gesetzlich festgelegten Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten klarer zur Geltung zu bringen", denn "die Amtszeit der Präsidiumsmitglieder [sei] grundsätzlich zeitlich begrenzt, sodass bereits die wiederkehrende Wahl für die notwendige Balance zwischen den Organen sorgt" (LT-Drs. 15/2670 S. 56). Der Ausschuss für Wissenschaft und Kultur empfahl dem Landtag allerdings, den Gesetzentwurf der Landesregierung mit Änderungen anzunehmen, zu denen ein Abwahlrecht mit Dreiviertelmehrheit gehörte, wie es daraufhin in § 40 NHG a.F. auch geregelt wurde (LT-Drs. 15/3281). Dies beruhte auf einem Vorschlag der Regierungsfraktionen (Berichterstatterin MdL Graschtat, mündlicher Bericht, LT, 15. WP, 103. Plenarsitzung vom 8. November 2006, StenBer S. 12048, sowie schriftlicher Bericht, LT-Drs. 15/3505 S. 18). Die Abgeordnete Trost erklärte dazu für die CDU-Fraktion: "Der Gesetzentwurf sah vor, dass sowohl [...] Präsidenten als auch [...] Dekane für die Zeit ihrer Wahl nicht durch Abwahl ihres Amtes enthoben werden können. Hintergrund dieser Maßnahme ... war nach Ausführungen des Fachministeriums das Ziel, die Präsidien und Dekane zu stärken und unabhängiger zu machen. Vor dem Hintergrund, dass dieser Personenkreis oft unattraktive und harte Entscheidungen an der Hochschule oder sogar im eigenen Fachbereich durchsetzen muss, ist das nachvollziehbar. Wir können den Ausführungen des Ministeriums durchaus folgen. Jedoch halten wir es für eine demokratisch legitimierte Hochschule für durchaus sinnvoll, eine Abwahlmöglichkeit zu eröffnen. Unsere Auffassung wurde uns in der Anhörung seitens der Hochschulpräsidenten mehrfach bestätigt. Aus diesem Grund haben wir beschlossen, dass der Senat mit einer Mehrheit von drei Vierteln seiner Mitglieder das Präsidium abwählen und dessen Entlassung vorschlagen kann. Der Vorschlag bedarf in diesem Fall der Zustimmung des Hochschulrates" (MdL Trost, LT, 15. WP, 103. Plenarsitzung vom 8. November 2006, StenBer S. 12040). Der Abgeordnete Zielke ergänzte für die FDP-Fraktion: "Wir haben uns dafür eingesetzt und unsere Koalitionspartner auch davon überzeugen können, dass die Präsidenten der Hochschulen nicht nur gewählt werden, sondern entgegen dem Regierungsentwurf im Notfall auch abgewählt werden können, wenn auch mit einer hohen Hürde für die Abwahl; denn eine Präsidentin oder ein Präsident soll führen können und nicht bei jeder unpopulären Entscheidung um den Job fürchten müssen" (MdL Zielke, LT, 15. WP, 103. Plenarsitzung vom 8. November 2006, StenBer S. 12047).

25

Schließlich lässt auch die Begründung zum Gesetzentwurf von § 40 NHG 2015 nicht darauf schließen, dass der historische Gesetzgeber bereits mit § 40 Satz 1 und 2 NHG a.F. eine Regelung schaffen wollte, wonach sich der Senat über den Hochschulrat hinwegsetzen kann. Die im Gesetzentwurf der Landesregierung (LT-Drs. 17/3949 S. 23) enthaltene Annahme, dass es sich bei § 40 Satz 3 und 4 NHG 2015 - wonach dann, wenn der Hochschulrat den Vorschlag des Senats nicht bestätigt, der Senat einen Einigungsversuch in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Hochschulrat unternimmt und bei dessen Erfolglosigkeit der Senat mit einer Mehrheit von drei Vierteln der Mitglieder abschließend über den Vorschlag entscheidet - lediglich um eine Klarstellung der bestehenden Rechtslage handelte, fand keine Entsprechung im parlamentarischen Verfahren. Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien bestand im Landtag jedenfalls kein Konsens darüber, dass die Rechte des Senats nur klargestellt und nicht gestärkt würden. Dies gilt insbesondere für die Regierungsfraktionen; der Abgeordnete Holtz erklärte für die (Regierungs-)Fraktion der Grünen noch in der abschließenden Beratung im Plenum: "Der Senat als Ort akademischer Selbstbestimmung wird gestärkt, indem er künftig das Letztentscheidungsrecht bei der Abwahl von Präsidiumsmitgliedern hat" (MdL Holtz, LT, 17. WP, 81. Plenarsitzung vom 14. Dezember 2015, StenBer S. 7966).

26

Eine verfassungskonforme Auslegung ist demgemäß angesichts des eindeutigen Wortlauts des Gesetzes und des diesem entsprechenden Willens des historischen Gesetzgebers ausgeschlossen.

27

Aus dem vom Beklagten angeführten Urteil des erkennenden Senats zur Übernahme eines Hochschullehrers bei Überführung einer Hochschule in die Trägerschaft einer Stiftung (BVerwG, Urteil vom 26. November 2009 - 2 C 15.08 - BVerwGE 135, 286 Rn. 29, 43 ff.) ergibt sich nichts anderes. Zwar heißt es dort in Übereinstimmung mit der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass dem Gesetzgeber bei der Regelung der Hochschulorganisation eine verfassungsrechtliche Grenze insoweit gesetzt ist, als eine strukturelle Gefährdung der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten freien wissenschaftlichen Betätigung vermieden werden muss. Unter anderem bei Personalentscheidungen müsse der Gruppe der Hochschullehrer zumindest ein maßgebender, in Fragen der Forschung ein ausschlaggebender Einfluss eingeräumt werden, was bei der vorgesehenen Aufgabenübertragung auf den Stiftungsrat erfordere, dass dem Senat ein dauerhaft ausschlaggebender Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Stiftungsrats eingeräumt werde und bei der Entscheidung des Fachministeriums über die Entlassung eines Mitglieds des Stiftungsrats aus wichtigem Grund dem Votum des Senats maßgebende Bedeutung zukommen müsse (BVerwG, Urteil vom 26. November 2009 - 2 C 15.08 - BVerwGE 135, 286 Rn. 51 ff.). Abgesehen davon, dass es sich um eine deutlich andere Fallkonstellation als im vorliegenden Fall handelte (im Stiftungsmodell kommt dem Stiftungsrat die Funktion zu, die im Streitfall der des Ministeriums entspricht), kommt in diesem Urteil gerade nicht zum Ausdruck - und kann aus den vorgenannten Gründen auch nicht zum Ausdruck kommen -, dass auch ein eindeutiger gesetzgeberischer Wille im Wege verfassungskonformer Auslegung überwunden werden könne. Vielmehr sollte den verfassungsrechtlichen Erfordernissen bei der Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffes - bei einem gerade nicht eindeutigen Gesetzeswortlaut - Rechnung getragen werden.

28

d) Ob und wieweit die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) es erfordert, dass der Senat die Möglichkeit haben muss, eine Nichtbestätigung seines Entlassungsvorschlags bezüglich eines Präsidiumsmitglieds zu überwinden, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Die Entlassung eines Beamten als statutsbeendende Maßnahme bedarf - sofern sie nach den Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG überhaupt zulässig ist - stets einer gesetzlichen Grundlage; nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es "eine der wichtigsten von Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Regeln des Beamtenrechts [...], daß [...] jede Beendigung des Beamtenverhältnisses nur unter gesetzlich geregelten Voraussetzungen und Formen zulässig ist" (BVerfG, Beschluss vom 2. Dezember 1958 - 1 BvL 27/55 - BVerfGE 8, 332 <352 f.>). Im Übrigen wäre die Frage, ob im vorliegenden Fall ein Zeitbeamtenverhältnis zulässig ist und inwieweit die Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG auch Abwahl- und ggf. Entlassungsbefugnisse des Senats gegenüber Präsidiumsmitgliedern gebietet, insbesondere nach den Maßgaben des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 2018 - 2 BvL 10/16 - (NVwZ 2018, 1044, insbesondere Rn. 80) zu beurteilen.

29

3. Das angegriffene Berufungsurteil beruht außerdem auf einer Verletzung von § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 46 VwVfG.

30

Die Teilnahme des Personalratsmitglieds K. an der Sitzung des Senats der Beigeladenen vom März 2013 verstieß gegen deren Grundordnung. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts scheidet die Anwendung von § 46 VwVfG auf diesen Verfahrensfehler aus.

31

Gemäß § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines nicht nichtigen Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Dass die von der Klägerin als Verstoß gegen die Grundordnung der Beigeladenen gerügte Teilnahme des Personalratsmitglieds K. an der Sitzung des Senats im Januar 2013 die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat, ist nicht offensichtlich.

32

Ein Verstoß gegen Verfahrens-, Form- oder Zuständigkeitsvorschriften war nur dann offensichtlich ohne Einfluss auf die Entscheidung in der Sache, wenn das Gericht zweifelsfrei davon ausgehen kann, dass die Entscheidung ohne den Fehler genauso ausgefallen wäre. Ein Kausalzusammenhang ist zu bejahen, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den angenommenen Verfahrensmangel die Entscheidung anders ausgefallen wäre (BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1984 - 4 C 58.81 - BVerwGE 69, 256 <270>). Eine fehlerfreie Abwägungs- oder Ermessensentscheidung ist nicht gewährleistet, wenn an der Entscheidung ein Amtsträger mitgewirkt hat, der nach den geltenden Vorschriften nicht hätte mitwirken dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1987 - 4 C 9.86 - BVerwGE 78, 347 <356>). Eine kollegial zu treffende Ermessensentscheidung kann schon dadurch anders ausfallen, dass eine Person durch ihre Teilnahme an der Beratung Einfluss auf die anderen Organmitglieder ausüben und diese zu einem abweichenden Abstimmungsverhalten veranlassen kann (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 26. Mai 2014 - 19 B 203/14 - NWVBl 2015, 157 <160> m.w.N.).

33

Dementsprechend bestand auch im Fall der Klägerin die Möglichkeit, dass das Personalratsmitglied K. durch seine Teilnahme an der Sitzung des Senats insbesondere im Januar 2013 die Entscheidung bezüglich der Abwahl und Entlassung der Klägerin beeinflusste, indem er Einfluss auf die anderen Senatsmitglieder ausübte. Das Berufungsgericht hat keine entgegenstehenden Feststellungen getroffen, sondern hierzu im Wesentlichen nur die Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts referiert, wonach es, "selbst wenn Herr [K.] für die Abwahl gestimmt haben sollte, [...] für die Dreiviertelmehrheit nicht mehr auf seine Stimme angekommen [sei]". Diese Feststellung betrifft indes nur den Zählwert der Stimme von Herrn K. bei der Abstimmung und nicht den Einfluss, den er schon durch seine Sitzungsteilnahme auf das Abstimmungsverhalten im Senat nehmen konnte.

34

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene hat keine Kosten zu tragen, weil sie keine Anträge gestellt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO) und keinen Anspruch auf Kostenerstattung, weil sie sich nicht durch Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, so dass eine Kostenerstattung nicht der Billigkeit entspräche (§ 162 Abs. 3 VwGO).

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

Wer es unternimmt, eine menschliche Eizelle mit einer Samenzelle künstlich zu befruchten, die nach dem in ihr enthaltenen Geschlechtschromosom ausgewählt worden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Dies gilt nicht, wenn die Auswahl der Samenzelle durch einen Arzt dazu dient, das Kind vor der Erkrankung an einer Muskeldystrophie vom Typ Duchenne oder einer ähnlich schwerwiegenden geschlechtsgebundenen Erbkrankheit zu bewahren, und die dem Kind drohende Erkrankung von der nach Landesrecht zuständigen Stelle als entsprechend schwerwiegend anerkannt worden ist.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

Wer es unternimmt, eine menschliche Eizelle mit einer Samenzelle künstlich zu befruchten, die nach dem in ihr enthaltenen Geschlechtschromosom ausgewählt worden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Dies gilt nicht, wenn die Auswahl der Samenzelle durch einen Arzt dazu dient, das Kind vor der Erkrankung an einer Muskeldystrophie vom Typ Duchenne oder einer ähnlich schwerwiegenden geschlechtsgebundenen Erbkrankheit zu bewahren, und die dem Kind drohende Erkrankung von der nach Landesrecht zuständigen Stelle als entsprechend schwerwiegend anerkannt worden ist.

(1) Als Embryo im Sinne dieses Gesetzes gilt bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag.

(2) In den ersten vierundzwanzig Stunden nach der Kernverschmelzung gilt die befruchtete menschliche Eizelle als entwicklungsfähig, es sei denn, daß schon vor Ablauf dieses Zeitraums festgestellt wird, daß sich diese nicht über das Einzellstadium hinaus zu entwickeln vermag.

(3) Keimbahnzellen im Sinne dieses Gesetzes sind alle Zellen, die in einer Zell-Linie von der befruchteten Eizelle bis zu den Ei- und Samenzellen des aus ihr hervorgegangenen Menschen führen, ferner die Eizelle vom Einbringen oder Eindringen der Samenzelle an bis zu der mit der Kernverschmelzung abgeschlossenen Befruchtung.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

Wer es unternimmt, eine menschliche Eizelle mit einer Samenzelle künstlich zu befruchten, die nach dem in ihr enthaltenen Geschlechtschromosom ausgewählt worden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Dies gilt nicht, wenn die Auswahl der Samenzelle durch einen Arzt dazu dient, das Kind vor der Erkrankung an einer Muskeldystrophie vom Typ Duchenne oder einer ähnlich schwerwiegenden geschlechtsgebundenen Erbkrankheit zu bewahren, und die dem Kind drohende Erkrankung von der nach Landesrecht zuständigen Stelle als entsprechend schwerwiegend anerkannt worden ist.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

(1) Eine genetische Untersuchung darf vorgeburtlich nur zu medizinischen Zwecken und nur vorgenommen werden, soweit die Untersuchung auf bestimmte genetische Eigenschaften des Embryos oder Fötus abzielt, die nach dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik seine Gesundheit während der Schwangerschaft oder nach der Geburt beeinträchtigen, oder wenn eine Behandlung des Embryos oder Fötus mit einem Arzneimittel vorgesehen ist, dessen Wirkung durch bestimmte genetische Eigenschaften beeinflusst wird und die Schwangere nach § 9 aufgeklärt worden ist und diese nach § 8 Abs. 1 eingewilligt hat. Wird anlässlich einer Untersuchung nach Satz 1 oder einer sonstigen vorgeburtlichen Untersuchung das Geschlecht eines Embryos oder Fötus festgestellt, kann dies der Schwangeren mit ihrer Einwilligung nach Ablauf der zwölften Schwangerschaftswoche mitgeteilt werden.

(2) Eine vorgeburtliche genetische Untersuchung, die darauf abzielt, genetische Eigenschaften des Embryos oder des Fötus für eine Erkrankung festzustellen, die nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres ausbricht, darf nicht vorgenommen werden.

(3) Vor einer vorgeburtlichen genetischen Untersuchung und nach Vorliegen des Untersuchungsergebnisses ist die Schwangere entsprechend § 10 Abs. 2 und 3 genetisch zu beraten und ergänzend auf den Beratungsanspruch nach § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes hinzuweisen; der Inhalt der Beratung ist zu dokumentieren.

(4) Wird die vorgeburtliche genetische Untersuchung bei einer Schwangeren vorgenommen, die nicht in der Lage ist, Wesen, Bedeutung und Tragweite der vorgeburtlichen genetischen Untersuchung zu erkennen und ihren Willen hiernach auszurichten, findet § 14 Abs. 1 Nr. 2 und 3 Anwendung. Die genetische Untersuchung darf nur vorgenommen werden, wenn zuvor

1.
der Vertreter der Schwangeren nach § 9 aufgeklärt worden ist,
2.
eine Ärztin oder ein Arzt, die oder der die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 und 3 erfüllt, den Vertreter entsprechend Absatz 2 genetisch beraten und
3.
der Vertreter nach § 8 Abs. 1 eingewilligt hat.
Die §§ 1627 und 1821 Absatz 2 bis 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden Anwendung.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

Tenor

I. Das Verfahren wird, soweit die Berufung zurückgenommen wurde, eingestellt.

II. Die Berufung wird im Übrigen zurückgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit der ihr die Durchführung von Trophektodermbiopsien ohne eine zustimmende Bewertung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik (PID) untersagt wurde. Daneben wendet sie sich gegen einen weiteren Bescheid der Beklagten, mit dem ihr für den Fall der Zuwiderhandlung gegen den obigen Bescheid ein (erhöhtes) Zwangsgeld angedroht wurde.

Die Klägerin betreibt in m … die Zweigniederlassung ... (im Folgenden: …) und führte dort in der Vergangenheit Trophektodermbiopsien durch.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2014 beantragte das … die Zulassung als Präimplantationsdiagnostikzentrum im Sinne von § 3 Präimplantationsdiagnostikverordnung (PIDV) beim Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP).

Mit Bescheid vom 2. Juni 2015 untersagte die Beklagte der Klägerin nach vorheriger Anhörung, in der Zweigniederlassung … Trophektodermbiopsien durchzuführen, ohne dass 1. die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik in jedem Einzelfall eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und 2. das … über eine Zulassung als Zentrum für Präimplantationsdiagnostik gemäß § 3a Embryonenschutzgesetz (ESchG) durch das Bayerische StMGP verfügt (Ziff. I). In Ziffer II wurde die sofortige Vollziehung der Ziffer I angeordnet und in Ziffer III wurde im Falle des Verstoßes gegen Ziffer I für jeden Einzelfall ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 € angedroht.

Hiergegen ließ die Klägerin fristgerecht Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben (M 18 K 15.2602).

Unter dem 30. Juni 2015 wurde dem … vom StMPG die beantragte Zulassung als Zentrum für Präimplantationsdiagnostik erteilt.

Mit Schreiben der Beklagten vom 10. Februar 2016 wurde das im Bescheid vom 2. Juni 2015 angedrohte Zwangsgeld für fällig erklärt und ein erneutes Zwangsgeld im Falle des Verstoßes gegen Ziffer I des Bescheides vom 2. Juni 2015 in Höhe von 20.000,00 € angedroht. Das Fälligstellen des Zwangsgelds und die erneute Androhung eines höheren Zwangsgeldes wurde dahingehend begründet, dass ein Paar von der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik eine nachträgliche Zustimmung zu einer durch die Klägerin bereits durchgeführten Trophektodermbiopsie habe erlangen wollen. Es habe angegeben, erst durch die Krankenkasse darauf aufmerksam gemacht worden zu sein, dass eine vorherige zustimmende Bewertung der Ethikkommission für die bereits vorgenommene Untersuchung notwendig gewesen wäre. Es sei dahingehend nicht von der Klägerin aufgeklärt worden. Die erneute Zwangsgeldandrohung sei bezüglich der Höhe angemessen, da die Wirksamkeit des Zwangsmittels wegen eines erheblichen finanziellen Interesses an der Untersuchung, der Haltung der Klägerin und ihrer finanziellen Situation nur so sichergestellt werden könne.

Hiergegen ließ die Klägerin mit am 22. März 2016 beim Verwaltungsgericht München eingegangenem Schriftsatz Klage (M 18 K 16.1370) erheben.

Mit Urteil vom 7. September 2016 wies das Verwaltungsgericht die Klagen ab. In der Begründung führte es aus, dass die Klage gegen den Bescheid vom 2. Juni 2015 insoweit unzulässig sei, als sie sich gegen Ziffer I.2 des Bescheids richte, da mit Erteilung der Zulassung als Präimplantationsdiagnostik-Zentrum insoweit das Rechtsschutzbedürfnis entfallen sei. Die Klägerin habe das Anfechtungsbegehren auf den Untersuchungszweck der Feststellung der Entwicklungsfähigkeit von Embryonen begrenzt. Insoweit sei die Klage unbegründet. Auch Trophektodermbiopsien zur Bestimmung der Entwicklungsfähigkeit des Embryos fielen unter den Begriff der PID nach § 3a ESchG. Dass eine genetische Untersuchung in vitro vor dem intrauterinen Transfer vorliege, sei unstreitig. Die Untersuchung an den muralen Trophektodermzellen einer Blastozyste werde auch an Zellen eines Embryos nach § 3a Abs. 1 ESchG vorgenommen. Die Blastozyste, an der die Untersuchung durchgeführt werde, sei ein Embryo im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei bezüglich des Merkmals der Entwicklungsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 ESchG nicht darauf abzustellen, ob der Embryo sich in die Gebärmutter einnisten könne, oder ob eine Fehl- oder Totgeburt in Zukunft zu erwarten sei. Entwicklungsfähigkeit in diesem Sinne sei die Fähigkeit der befruchteten Eizelle zur Zellteilung (unter Verweis auf BayVGH, B.v. 27.10.2015 - 20 CS 15.1904 - juris Rn. 20). Einerseits ergebe sich das bereits aus der Formulierung des § 8 Abs. 2 ESchG, wonach die befruchtete Eizelle bereits in den ersten 24 Stunden ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung als Embryo „gelte“, es sei denn, es lasse sich nachweisen, dass die befruchtete Eizelle nicht fähig sei, sich über das Einzellstadium hinaus zu entwickeln. In gesetzessystematischer Hinsicht sei aus § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG ein Rechtfertigungsgrund für eine PID zu entnehmen, die durchgeführt werde, um festzustellen, dass eine schwere Schädigung des Embryos vorliege, die zu einer Totoder Fehlgeburt führen werde. Wenn die Annahme der Entwicklungsfähigkeit darauf gestützt werde, dass eine Tot- oder Fehlgeburt zu erwarten sei, läge bereits kein Embryo im Sinne des § 8 Abs. 1 Variante 1 ESchG vor. Dann wäre § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG als eigener Rechtfertigungsgrund aber sinnentleert, da bereits mangels Vorliegen einer tatbestandsmäßigen PID eine Rechtfertigung nicht erforderlich wäre. Die muralen Trophektodermzellen seien auch Zellen eines Embryos im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG. Auch wenn sie bereits weiter ausdifferenziert seien, seien sie dennoch Teil des Embryos im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG, da sie noch eine mit der Zona pellucida begrenzte Einheit darstellten. Zum Embryo im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG gehörten, zumindest im Zustand vor seiner Einpflanzung, auch die Zellen, die für seine spätere Lebenserhaltung relevant seien. Nur weil bereits eine Ausdifferenzierung zwischen den Zellen innerhalb des Embryoblast, die zum zukünftigen Säugling bzw. der zukünftigen Plazenta würden, stattgefunden habe, könne eine Begrenzung der Eigenschaft als Embryo auf diejenigen Zellen, die der spätere Säugling würden, nicht erfolgen. Die missverständliche Formulierung in § 2 Nr. 3 PIDV ändere hieran nichts (unter Verweis auf BayVGH a.a.O., Rn. 21). Auf die Pluripotenz oder Ausdifferenzierung der muralen Trophektodermzellen komme es jedoch nicht maßgeblich an, da entgegen der klägerischen Ansicht eine einengende Konkretisierung des Begriffs „Zelle eines Embryos“ gemäß § 3a Abs. 1 ESchG durch die Verordnung nicht möglich sei. Denn nach der Ermächtigungsgrundlage der Verordnung in § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG habe der Verordnungsgeber nur über die dort geregelten Punkte Entscheidungen treffen dürfen. Eine Konkretisierung der Begriffsdefinition sei in der Ermächtigungsgrundlage nicht enthalten gewesen. Des Weiteren sei auch aus dem Anwendungsbereich nach § 1 PIDV ersichtlich, dass der Verordnungsgeber lediglich die in § 3a Abs. 3 Satz 3 Nrn. 1 bis 4 ESchG benannten Punkte habe regeln und nicht darüber hinaus den Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG habe einschränken wollen. Die Argumentation, dass lediglich Trophektodermzellen entnommen würden und deshalb das Schutzgut des § 3a Abs. 1 ESchG nicht berührt werde, sei nicht nachvollziehbar. Das wichtigste Schutzgut in Bezug auf Untersuchungen vor einer künstlichen Befruchtung sei die Verhinderung von ungerechtfertigten und nicht überwachten Selektionsentscheidungen zwischen mehreren Embryonen. Dieses Schutzgut werde durch das Anliegen der Klägerin, Trophektodermbiopsien zur Feststellung der Entwicklungsfähigkeit der Embryonen ohne das Einhalten der Anforderungen nach § 3a Abs. 2 und 3 ESchG durchzuführen, unterminiert.

Die Feststellungsklage bezüglich der Fälligstellung des Zwangsgeldes im Schreiben vom 10. Februar 2016 sei zulässig, jedoch unbegründet. Gleiches gelte für die Anfechtungsklage gegen die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes. Für die Rechtmäßigkeit der erneuten Zwangsgeldandrohung komme es nicht maßgeblich auf die Darlegung des Verstoßes gegen die ursprüngliche Zwangsgeldandrohung an, da das erste Zwangsgeld mit dem Verstoß von Gesetzes wegen fällig werde. Eine erneute Androhung sei nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG erst zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung erfolglos geblieben sei. Dies sei hier der Fall. Auch die Höhe des Zwangsgeldes sei entgegen der Ansicht der Klägerin angemessen. Um den nötigen Nachdruck zu erzielen, solle das Zwangsgeld so bemessen werden, dass der Pflichtige keinen Vorteil aus der Nichterfüllung der Anordnung ziehen könne. Hierbei stehe der Behörde innerhalb des gesetzlichen Rahmens ein weiter Entscheidungsspielraum zu, bei dem die Umstände des Einzelfalls und die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigen seien. Eine Begründung für die geschätzte Höhe des wirtschaftlichen Interesses sei regelmäßig nicht erforderlich. Die Verdopplung der Höhe des angedrohten Zwangsgeldes gegenüber einer erfolglos gebliebenen Erstandrohung entspreche üblicher und anerkannter Verwaltungspraxis. Dass die Beklagte das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Durchführung der Trophektodermbiopsien erheblich höher als von dieser angegeben einschätze, werde nicht beanstandet. Bei einer Untersuchung von sechs Blastozysten verdiene die Klägerin ausweislich der vorgelegten Rechnung des Ehepaares S. über 3.500,00 €. Da die Klägerin eines der wenigen Labore deutschlandweit besitze, die die vorgenannte Untersuchung anböten bzw. angeboten hätten, könne bezweifelt werden, ob lediglich acht derartige Untersuchungen im Jahr von der Klägerin vorgenommen würden bzw. worden seien.

Der Senat hat die von der Klägerin beantragte Berufung mit Beschluss vom 1. Februar 2018 zugelassen, weil die Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Zur Begründung der Berufung führt die Klägerin aus, dass sie der Auffassung sei, eine bestimmte Form der genetischen Untersuchung eines Embryos falle nicht unter § 3a ESchG. Dies sei die Trophektodermbiopsie, bei der im Blastozystenstadium (etwa fünf Tage nach der Befruchtung) sogenannte murale Trophektodermzellen (nicht: Trophoblastzellen) entnommen und untersucht würden. Murale Trophektodermzellen seien Zellen, die in der Blastozyste dem Embryoblast gegenüber lägen und selbst die Fähigkeit, sich zu einem Menschen zu entwickeln, verloren hätten. Sie hätten die Funktion, sich zu den künftigen Eihäuten zu entwickeln. Sie seien unstreitig keine pluripotenten Zellen und schon gar keine totipotenten Zellen. Die Untersuchung, die die Klägerin beabsichtige, ziele darauf ab, festzustellen, ob diese Blastozyste aufgrund des Alters der Mutter nicht mehr entwicklungsfähig sei. Die altersbedingte Entwicklungsschwäche beruhe auf einer numerischen Chromosomenaberration, bei der einzelne Chromosomen zusätzlich zum üblichen Chromosomensatz vorhanden seien oder fehlten. Die Rate fortlaufender Schwangerschaften sinke von ca. 50% bei Frauen im Alter von weniger als 30 Jahren über 38% bei Frauen im Alter von 30 bis 35 Jahren und 31% bei Frauen im Alter von 35 bis 37 Jahren auf 20% bei Frauen im Alter von 39 bis 41 Jahren. Gleichzeitig steige die Rate der Fehlgeburten von 19% pro eingetretener Schwangerschaft bei jungen Frauen kontinuierlich auf 36% bei Frauen im Alter von 37 bis 39 Jahren. Im Rahmen einer künstlichen Befruchtung liege die Fehlgeburtsrate pro Transfer bei 10% bis 15%. Bei der Trophektodermbiopsie zur Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung würden vereinfacht gesprochen von den muralen Trophektodermzellen die Chromosomen gezählt („Aneuploidie-Screening“ oder „Chromosomen-Screening“). Zur Erkennung des Entwicklungspotentials von Embryonen würden Aneuploidien (numerische Abweichungen von der normalen Chromosomenzahl) überprüft, die mit steigendem mütterlichen Alter immer häufiger würden, und nur Embryonen mit einem normalen Chromosomensatz würden zum Transfer empfohlen. Aneuploidien führten entweder nicht zu einer Implantation, zu Fehl- oder Totgeburten oder mit einer geringen Wahrscheinlichkeit (kleiner als 2%) - z.B. im Falle einer Trisomie 21 - zur Geburt eines Kindes beispielsweise mit Down-Syndrom. Mit der Untersuchung würde mittels genetischer Untersuchung ein Vorgang fortgesetzt, der bei der künstlichen Befruchtung teilweise auch ohne genetische Untersuchung vorgenommen werde. So würden manche Formen von Entwicklungsunfähigkeit schon ohne genetische Untersuchung erkannt und führten dazu, dass diese Embryonen nicht übertragen würden. Von dieser Untersuchung sei die PID im engeren Sinn zu unterscheiden. Sie bilde ein aufwendiges Verfahren, da zunächst Proben von Familienmitgliedern genommen werden müssten, um dann den genetischen Fingerabdruck des Embryos zu bestimmen, der mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zur Erkrankung führe. Bei der PID im engeren Sinne würden Erbkrankheiten im engeren Sinne offen gelegt, ebenso würde häufig die DNA kontrolliert.

Der Bescheid vom 2. Juni 2015 sei hinsichtlich der Anordnung I.1 rechtswidrig, da die gesetzlichen Voraussetzungen einer Untersagungsverfügung nicht vorlägen. Die Untersagungsverfügung gemäß Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 LStVG sei rechtswidrig, da die Durchführung der Trophektodermbiopsie keiner zustimmenden Bewertung der Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik bedürfe und daher deren Durchführung ohne entsprechende Zustimmung keine Ordnungswidrigkeit darstelle und auch keine Gefährdung für Leib oder Leben im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Nr. 3 LStVG bestehe. Die Klägerin weigere sich, freiwillig das Verfahren gemäß § 3a Abs. 2 ESchG durchzuführen nur für Fallgestaltungen, bei denen sie auf murale Trophektodermzellen zwecks Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung zugreife. § 3a ESchG sei auf diesen Fall nicht anwendbar, sodass die Untersagungsverfügung rechtswidrig sei.

§ 3a ESchG sei nur auf eine Untersuchung von pluripotenten Zellen und nicht auch auf die Untersuchung von muralen Trophektodermzellen anwendbar. § 3a Abs. 1 ESchG stelle die Untersuchung von „Zellen eines Embryos“ unter Strafe, ohne den Begriff „Zelle“ zu definieren. Nach der Wortlautauslegung ergebe sich, dass mit der Wendung „Zellen eines Embryos“ nicht jede Untersuchung eines Embryos gemeint sei. Vielmehr sei eine Einschränkung beabsichtigt. Die Bezeichnung „Wer Zellen eines Embryos“ untersuche, werde in der Literatur teilweise als eine überflüssige Konkretisierung verstanden, da der Embryo sowieso nur aus Zellen und noch nicht aus Organen bestünde. Eine Auslegung, die den Normteil „Zellen eines Embryos“ aber genauso verstehe, wie wenn dort „Embryo“ stünde, obwohl der Gesetzgeber erkennbar eine bestimmte Form der Untersuchung habe regeln wollen, weil er gemeint habe, eine Gesetzeslücke schließen zu müssen, werde dem Normtext nicht gerecht. Dass der Gesetzgeber mit dieser Passage eine Einschränkung habe vornehmen wollen, könne nicht ernsthaft fraglich sein. Neben § 3a ESchG spreche er auch in § 7 Abs. 1 Nr. 2 ESchG von „Zellen des Embryos“. In beiden Wendungen werde bewusst ein Teil des Embryos rechtlich erfasst, was man schlecht interpretatorisch ignorieren könne. Weiter sei die Wendung „Zellen eines Embryos“ in § 3a Abs. 1 ESchG vor dem Hintergrund gewählt worden, dass eine PID im weiteren Sinne an totipotenten Zellen nach fast einhelliger Ansicht gemäß § 2 ESchG und § 6 ESchG schon immer verboten gewesen sei und daher die totipotenten Zellen bei § 3a Abs. 2 ESchG nicht erfasst würden. Hintergrund dieser Argumentation sei, dass man bei totipotenten Zellen die Rechtfertigungsmöglichkeit gemäß § 3a Abs. 2 ESchG kategorisch ausschließen wolle. In den Augen der Klägerin würde die Frage, ob totipotente Zellen „Zellen eines Embryos“ sein könnten, ein ganz zentrales Argument für die Frage der Auslegung von § 3a ESchG darstellen. Wenn man mit der ganz überwiegenden Ansicht totipotente Zellen vom Anwendungsbereich des § 3a ESchG ausscheide und dazu den Normtext von § 3a Abs. 1 ESchG teleologisch reduziere, sage man der Sache nach, dass die Entscheidung des Gesetzgebers gemäß § 3a ESchG, eine Untersuchung eines Embryos unter bestimmten Voraussetzungen zuzulassen, nicht für totipotente Zellen gelte, da diese deutlich näher am späteren Menschen dran seien als die pluripotenten Zellen, auf die sich § 3a Abs. 2 ESchG beziehe. Daraus folge konsequenter Weise im Umkehrschluss, dass man aus dem Verbot einer PID an pluripotenten Zellen nicht auf ein Verbot einer PID an muralen Trophektodermzellen schließen könne, weil die muralen Trophektodermzellen nun einmal deutlich weiter vom späteren Menschen entfernt seien als pluripotente Zellen. Systematisch könne man zwar darauf hinweisen, totipotente Zellen könnten von § 3a ESchG nicht erfasst sein, da sie gemäß § 8 ESchG schon als „Embryo“ definiert seien. An dem Argument, dass die Wertung des Ausschlusses der totipotenten Zellen einerseits und von pluripotenten Zellen andererseits aus dem Anwendungsbereich des § 3a ESchG gleich bleibe, ändere dies dennoch nichts. Darüber hinaus sei der Verweis auf § 8 ESchG auch von geringem Gewicht, da das Embryonenschutzgesetz erkennbar totipotente Zellen auch als Zellen des Embryos bezeichne. Ansonsten wäre es erlaubt, entgegen § 7 Abs. 1 Nr. 2 ESchG mit einem menschlichen Embryo eine Zelle zu verbinden, die eine andere Erbinformation als „totipotente Zellen“ des Embryos enthält mit dem Hinweis, totipotente Zellen seien ja keine Zellen, sondern der Embryo selbst. Der Passus „Erbinformation als die Zellen des Embryos“ meine ersichtlich auch Erbinformation einer totipotenten Zelle eines Embryos.

Dass der Gesetzgeber auf die pluripotenten Zellen abziele werde deutlich, wenn man berücksichtige, dass im Falle des Bundesgerichtshofs eine Untersuchung an pluripotenten Zellen vorgelegen habe. § 3a ESchG solle genau die vom Bundesgerichtshof diagnostizierte Lücke schließen. Das sei am Normtext von § 3a ESchG deutlich zu sehen. Es werde bestätigt durch die Plenardebatte und die Ausschussdebatte. Der Bezug auf pluripotente Zellen liege deshalb nahe, weil zur damaligen Zeit die Technik noch nicht so weit gewesen sei, die Trophektodermbiopsie an muralen Trophektodermzellen durchzuführen. Der Gesetzgeber habe nur die genetische Untersuchung an pluripotenten Zellen gekannt. Nun gebe es die Technik, die an murale Trophektodermzellen anknüpfe. Daran habe der Gesetzgeber im Jahre 2011 noch nicht gedacht.

Der Gesetzgeber habe eine trennscharfe Regelung treffen und nicht all das, was begrifflich unter PID gefasst werden könne, verbieten wollen. So heiße es in der Gesetzesbegründung: „Die Notwendigkeit, die PID gesetzlich zu regeln, reicht allerdings nur insoweit, wie es die Legitimierung des Grundrechtseingriffs gebietet.“ (BT-Drs. 17/5451, S. 7, 2. Spalte oben). Der Gesetzgeber habe in § 3a ESchG nicht einfach „pluripotente Zellen“ geschrieben, weil, wie sich aus § 2 PIDV ergebe, deren Definition für ein Parlamentsgesetz zu lang gewesen wäre. Es sei ohnehin klar gewesen, welche Zellen man gemeint habe, nämlich diejenigen Zellen, die dem Fall des Bundesgerichtshofs zugrunde gelegen hätten. Als Zwischenergebnis sei festzuhalten, dass „Zellen eines Embryos“ im Sinne von § 3a ESchG nur pluripotente Zellen und nicht murale Trophektodermzellen seien. Dieses Ergebnis folge auch aus § 2 PIDV. Dieser wiederhole aber nur, was die systematischhistorische Auslegung des § 3a ESchG selbst ergebe. Die Konkretisierung durch § 2 PIDV sei nicht unbeachtlich. Nach § 2 PIDV sei Präimplantationsdiagnostik nur die genetische Untersuchung pluripotenter Zellen, nicht aber die von totipotenten Zellen und auch nicht von muralen Trophektodermzellen. In der Begründung der Verordnung werde ausgeführt, dass die Begriffsbestimmung für Zellen in Nr. 3 angelehnt sei an die Definition von „pluripotenten Stammzellen“ in § 3 Nr. 1 des Stammzellengesetzes (StZG). Damit sei sichergestellt, dass Untersuchungen an Zellen im Rahmen der Verordnung nur an pluripotenten und nicht an totipotenten Zellen durchgeführt werden dürften. Insoweit werde das bereits nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 PIDV bestehende Verbot der missbräuchlichen Verwendung von totipotenten Zellen eines Embryos bekräftigt (BR-Drs. 717/12, S. 16). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Beschluss vom 27. Oktober 2015 daraus geschlossen, dass der Verordnungsgeber den Zellbegriff nicht auf pluripotente Zellen habe beschränken wollen, eine Auslegung, die mit dem Text der Begründung nicht richtig zusammenpasse. Sie stehe zudem konträr zu der Entstehungsgeschichte, bei der es um pluripotente Zellen gegangen sei. Die Definition in § 2 PIDV setze sich auch nicht in Widerspruch zu § 8 ESchG. § 2 PIDV beziehe sich auf die Definition der Zelle, § 8 ESchG beziehe sich auf die Definition des Embryos. Entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts München überschreite die Definition auch nicht die Verordnungsermächtigung nach § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG. Zwar ermächtige § 3a Abs. 3 ESchG nicht ausdrücklich dazu, den Begriff der Zelle zu definieren, mittelbar aber schon. Gemäß § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 ESchG beziehe sich die Verordnung auf die Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der PID durchgeführten Maßnahmen. Für diese Umsetzung müsse klar sein, was genau unter PID zu verstehen sei. Daher erfasse die Ermächtigung gemäß § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG auch eine nähere Begriffsbestimmung der PID selbst. Eindeutig werde dies, wenn man die Motive hinzuziehe. Der Gesetzgeber habe mit der Verordnung § 3a ESchG insgesamt konkretisieren wollen, dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5451, S. 8). Bedenken nach Art. 103 Abs. 2 GG bestünden schon deshalb nicht, da die hier relevante Definition im Gegensatz zur Auslegung des Verwaltungsgerichts die Strafbarkeit einschränke und Art. 103 Abs. 2 GG nur die strafbegründeten Normen dem strengen Bestimmtheitsgebot unterwerfe.

Das angegriffene Urteil, der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und die wohl überwiegende Ansicht in der Literatur wollten den Begriff „Zellen eines Embryos“ dennoch nicht nur auf pluripotente Zellen beziehen. Begründet werde dies damit, dass der Gesetzgeber die PID vollständig habe verbieten wollen, der Fall der Untersuchung an muralen Trophektodermzellen sei mit der Untersuchung an pluripotenten Zellen vergleichbar und ansonsten wäre der Anwendungsbereich stark reduziert. Diese Argumentation überzeuge nicht. Einerseits sei es unfair, wenn die Normen nur zu Lasten der Fortpflanzungsmedizin ausgelegt würden dahingehend, dass „totipotente Zellen“ nicht Zellen eines Embryos im Sinne von § 3a ESchG sein könnten mit der Folge, dass die Ausnahmegründe von § 3a Abs. 2 ESchG auch bei ihnen greifen könnten, andererseits aber murale Trophektodermzellen im Sinne eines weiten Verständnisses des Begriffs unter § 3a ESchG fielen. Daneben habe der Gesetzgeber nicht jede Selektionsentscheidung verbieten wollen. Der Gesetzgeber habe die Entscheidung getroffen, die der Bundesgerichtshof vermisst habe, und die habe sich eindeutig nur auf die Untersuchung von pluripotenten Zellen bezogen. Weiter sei eine so großzügige Auslegung von § 3a ESchG wegen Art. 103 Abs. 2 GG problematisch. Die verwaltungsrechtlichen Folgen des § 3a Abs. 1 ESchG knüpften an die Strafnorm des § 3a ESchG an und müssten daher in der Auslegung den Anforderungen einer Auslegung von Strafnormen genügen. Die Auslegung, dass murale Trophektodermzellen „Zellen eines Embryos“ seien, sei eine klare Ausdehnung der Strafentscheidung, die der Gesetzgeber getroffen habe, zu der weder die Literatur noch die Rechtsprechung richtig legitimiert seien. Der Gesetzgeber habe sich bewusst auf die Situation bezogen, die beim Bundesgerichtshof vorgelegen habe. Die Technik sei nun weiter, die Entscheidung mithin nicht notwendig übertragbar. Das Argument, die Untersuchung an muralen Trophektodermzellen sei mit der Untersuchung an pluripotenten Zellen funktional gleichzusetzen, greife nicht. Der Unterschied zwischen totipotenten Zellen und pluripotenten Zellen einerseits und der zwischen pluripotenten Zellen und muralen Trophektodermzellen andererseits sei so fundamental, dass man eine Regelung, die sich auf pluripotente Zellen beziehe, nicht ohne weiteres auf murale Trophektodermzellen beziehen könne. Es sei offen, ob der Gesetzgeber die Fälle, um die es bei der Trophektodermbiopsie der Klägerin gehe, wirklich verboten hätte, wenn er sie gekannt hätte. Den Umstand, dass man die rapide Abnahme der Fertilität der Frauen im höheren Alter durch ein Chromosomenscreening ausgleichen und daher die Erfolgsrate der extrakorporalen Befruchtung erhöhen könne, habe der Gesetzgeber nicht vor Augen gehabt. Dies sei an der geführten Debatte klar zu erkennen, bei der es immer nur um vorbelastete Eltern oder eine vergleichbare Erbkrankheit, die ohne Vorbelastung auftreten könne, gegangen sei. Es sei ein völlig anderer Fall, ob man einer „alten“ Frau gestatte, auch ohne Erbkrankheitsveranlagung mittels eines Chromosomenscreenings unter mehreren Embryonen dasjenige auszusuchen, bei dem die größte Chance eines Erfolgs bestehe, oder ob man regeln wolle, unter welchen Bedingungen Eltern prüfen dürften, ob das künftige Kind frei von Erbkrankheiten und eventuell weitergehend „gesund und darüber hinaus auch noch klug“ sein werde. Die Entscheidung des Gesetzgebers in § 3a ESchG sei sowohl vom Anknüpfungspunkt als auch vom Zweck der Untersuchung von den Untersuchungen der Klägerin so weit entfernt, dass dessen Anwendung materiell nicht gerechtfertigt sei.

Darüber hinaus bestehe schon deshalb kein Grund, § 3a ESchG weit auszulegen, weil die Norm massiv in Grundrechte eingreife und schon von daher eng auszulegen sei. Für all die Frauen, die in höherem Alter eine künstliche Befruchtung anstrebten und denen nur eine genetische Untersuchung an pluripotenten Zellen zur Verfügung stehe, sei die Einhaltung des Verfahrens nach § 3a Abs. 2 ESchG eine Zumutung, der Vorbehalt der Ethikkommission nicht passend. Denn bei einem Chromosomenscreening könne die Kommission gar keine Entscheidung über den Einzelfall treffen. Sie könne nur entscheiden, ob Chromosomenscreenings generell bei Frauen ab einem gewissen Alter zulässig sein sollen oder nicht. Eine ethisch schwierige Einzelfallentscheidung liege hier gar nicht vor. Es sei allenfalls eine generelle ethische Frage, ob man Chromosomenscreenings zulassen möchte oder nicht. Für die Beantwortung allgemeiner ethischer Fragen sei aber der Gesetzgeber zuständig und nicht die Ethikkommission. Dies folge schon aus der Wesentlichkeitstheorie. Schließlich komme noch hinzu, dass es durchaus offen sei, ob einer älteren Frau ohne genetische Vorbelastung überhaupt eine zustimmende Bewilligung nach § 3a Abs. 2 ESchG erteilt werden könne. § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG greife nur, wenn man erstens für diese Bestimmung keinen Anlass für die Untersuchung außer dem Alter verlange und eine Chromosomenanomalie, die allein durch das Alter bedingt ist, als „Schädigung“ des Embryos zu verstehen ist. Dies werde in der Literatur nur von einer Mindermeinung vertreten (Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 3a, Rn. 45; im Ergebnis wohl auch Scheffler, ZVL 2011, 9, 12 mit Fußnote 34). Die überwiegende Ansicht verlange aber konkrete Anhaltspunkte oder Indikationen und würde einer „alten“ Frau ohne Erbbelastung allein wegen ihres Alters keinen Ausnahmegrund im Sinne von § 3a Abs. 2 ESchG gestatten, mit der Folge, dass man die Frau dazu zwinge, eine unsinnige Schwangerschaft auf gut Glück auszuprobieren und das geringe Zeitfenster, das sie noch habe, sich dann auch noch zu schließen drohe. Auch der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass es verfassungsrechtlich bedenklich wäre, einschlägig vorbelasteten Paaren es praktisch unmöglich zu machen, eigene genetisch gesunde Kinder zu bekommen (BT-Drs. 17/5451, S. 3). Dies könne für nicht genetisch vorbelastete Eltern nicht anders sein. Für die Ärzte sei die Norm eine enorme Einschränkung ihrer aus ärztlicher Sicht richtig empfundenen Behandlungsmöglichkeiten. Für die Eltern sei es ein massiver Eingriff in ihr Grundrecht, die auf einfache Weise erreichbaren Informationen über ihr gezeugtes Embryo zu erhalten. Es sei wertungswidersprüchlich, eine Untersuchung, die isoliert an der Eizelle und am Embryo im Mutterleib rechtlich fraglos zulässig sei, an einem Reagenzglasembryo massiv einzuschränken. Die Behauptung, die Polkörperdiagnostik sei mit der hier relevanten Trophektodermbiopsie nicht zu vergleichen, weil eine Eizelle und nicht eine Zelle eines Embryos untersucht würde, sei formal richtig, materiell aber nicht. Sie übersehe, dass es auch bei der Polkörperdiagnostik um eine Selektionsentscheidung - bezogen auf schon existente Embryos - und nicht nur um Eizellen gehe. Das Schutzgut sei der Sache nach der Schutz von entwicklungsfähigen Embryonen. Bei § 8 ESchG fließe die Frage der Entwicklungsfähigkeit in die Definition der Embryonen ein und bei § 3a Abs. 2 ESchG dadurch, dass er bei den nicht entwicklungsfähigen Embryonen einen Ausnahmetatbestand schaffe. Bei der Trophektodermbiopsie zwecks Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung gehe es gerade um die Feststellung der Entwicklungsfähigkeit, aber in einer Form, die § 3a Abs. 1 ESchG wegen des technischen Fortschritts nicht mehr erfasse.

Sofern der Verwaltungsakt vom 2. Juni 2015 rechtswidrig sei, sei er aufzuheben. Damit entfielen auch die Gegenstände für die sofortige Vollziehung und für die Zwangsmittelandrohung gemäß Ziffer III. Aus dem gleichen Grund sei dann auch der Bescheid vom 10. Februar 2016, mit dem ein weiteres Zwangsgeld angedroht wurde, aufzuheben.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 7. September 2016 wird geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2015 wird in Ziffer I. 1 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2016 wird aufgehoben.

Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2018 nahm die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses zur Berufungsbegründung im Wesentlichen dahingehend Stellung, dass diese die von der Klägerin beabsichtigte Technik nach dem zu gewinnenden Untersuchungsobjekt und nach dem Untersuchungszweck beschreibe. Sie präge den Begriff der Trophektodermbiopsie auch unter Beachtung des von der Klägerin damit verfolgten Zwecks. Aus biologischer bzw. medizinischer Sicht stelle der Begriff der Trophektodermbiopsie nur darauf ab, in welchem Entwicklungsstadium und an welcher Position einem Embryo Zellen entnommen würden, um diese anschließend zu untersuchen und nicht darauf, worauf und wie die entnommenen Zellen untersucht würden. Der Begriff der Trophektodermbiopsie schließe also andere Untersuchungszwecke als das Feststellen von (häufig) durch das mütterliche Alter bedingten Chromosomenstörungen nicht aus. § 3a Abs. 1 ESchG differenziere jedenfalls seinem Wortlaut nach nicht zwischen dem Preimplantation Genetic Screening und einer PID im engeren Sinne, vielmehr definiere das Gesetz beide Techniken als PID. Die dafür vorausgesetzte genetische Untersuchung sei nicht im Embryonenschutzgesetz definiert, allerdings sei wohl die Definition des Gendiagnostikgesetzes (GenDG) verwendbar, die bei der genetischen Analyse als einer Form der genetischen Untersuchung (§ 3 Nr. 1 GenDG ) sowohl am Chromosom ansetzt (§ 3 Nr. 2 Buchst. a GenDG) als auch an der DNA (§ 3 Nr. 2 Buchst. b GenDG ).

Nach der Darstellung der Entstehungsgeschichte des § 3a ESchG in der Berufungsbegründung habe der Gesetzgeber mit § 3a ESchG allein die Situation geregelt, die der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde gelegen habe. Diese als „Sachverhalt“ überschriebene Wertung sei nicht unbedingt zu übernehmen. Der Angeklagte der vom Bundesgerichtshof entschiedenen drei Fälle, habe für Präimplantationsdiagnostiken jeweils „pluripotente, d.h. nicht zu einem lebensfähigen Organismus entwicklungsfähige Trophoblastzellen“ (BGH, a.a.O., Rn. 4) verwendet. Der Bundesgerichtshof habe zwischen solchen Zellen und totipotenten Zellen unterschieden, wobei er davon ausgegangen sei, dass Hintergrund der Strafbarkeit einer PID an totipotenten Zellen sei, dass ihre Entnahme oder Untersuchung den Embryo schädigen könnte (BGH a.a.O., Rn. 22 ff.). Der Bundesgerichtshof habe angenommen, der Angeklagte habe Zellen entnommen, die in einem späteren Stadium die Placenta bilden würden, weswegen der Embryo(-blast) selbst nicht betroffen sei (BGH a.a.O., Rn. 23). Von einer gewissen Spezialisierung sei er also trotz der festgestellten Pluripotenz der betroffenen Zellen ausgegangen. Der Angeklagte der vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fälle habe Zellen von Embryonen untersucht, bei denen bei einem Elternteil eine (balancierte) Translokation vorgelegen habe. Deren Vererbung habe die Gefahr der Entstehung von Chromosomenaberrationen beinhaltet. Diese seien „Erbkrankheiten“, denen der Gesetzgeber mit einer bedingten Erlaubnis der PID habe gestatten wollen, vorzubeugen. Mit der Einfügung des § 3a ESchG habe der Gesetzgeber nach Auffassung der Landesanwaltschaft eine Grundsatzentscheidung treffen und nicht nur einen einzelnen Fall regeln oder eine vom Bundesgerichtshof festgestellte Strafbarkeitslücke füllen wollen.

Es sei fraglich, ob man mit der Berufungsbegründung sagen könne, dass murale Trophektodermzellen „deutlich weiter vom späteren Menschen entfernt“ seien als pluripotente Zellen. Denn im zeitlichen Ablauf der Entwicklung einer totipotenten Zelle zum Menschen sei das Stadium, in dem bereits murale Trophektodermzellen vorhanden seien, dem späteren Menschen näher. Zu der Argumentation, es scheine nicht fair zu sein, im Zusammenhang mit einer strafbegründenden Interpretation unter Zellen eines Embryos alle, auch murale Zellen, zu verstehen, im Rahmen eines Rechtfertigungsgrundes den gleichen Begriff dann aber einschränkend auszulegen und totipotente Zellen hier auszunehmen, sei zu sagen, dass eine einschränkende Auslegung im Rahmen eines Rechtfertigungsgrundes gar nicht nötig sei, weil eine Untersuchung totipotenter Zellen bereits nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 ESchG nicht erlaubt wäre. Die Abspaltung einer totipotenten Zelle zum Zweck einer Diagnostik bedeute zudem ein nach § 6 Abs. 1 ESchG verbotenes Klonen (vgl. BGH, Urteil v. 6.7.2010 - 5 StR 386/09 - juris Rn. 22). Totipotente Zellen würden vom Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG nicht ausgenommen, um eine teleologische Reduktion zu erreichen, sondern um sie strengeren Vorschriften des Embryonenschutzgesetzes ohne Rechtfertigungsmöglichkeit zu unterwerfen bzw. um klarzustellen, dass sie diesen strengeren Vorschriften unterworfen seien. Der Wortlaut „Zellen eines Embryos“ erscheine vollkommen eindeutig auch auf murale Trophektodermzellen bezogen.

Soweit argumentiert werde, dass der Gesetzgeber nur eine vom Bundesgerichtshof diagnostizierte Gesetzeslücke habe schließen wollen, und an eine Technik, die an muralen Trophektodermzellen ansetze, 2011 gar nicht gedacht habe, werde angemerkt, dass eben weil 2011 die Biopsie und Untersuchung muraler Trophektodermzellen noch nicht bekannt gewesen sei, als Ansatzpunkt der PID notwendigerweise nur pluripotente Zellen genannt werden konnten. Es sei stets um eine Abgrenzung in Richtung totipotenter Zellen und nicht um eine Abgrenzung in Richtung weiter ausdifferenzierter Zellen gegangen, weil die Untersuchung nach dem damaligen Stand der medizinischen Technik nicht an letzteren habe durchgeführt werden können. Diese Umstände aus der Historie widerlegten, dass es dem Gesetzgeber allein auf eine bestimmte Art von Zellen angekommen sei. Daneben sei der Gesetzgeber bis zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu einem großen Teil der Ansicht gewesen, dass die PID im ESchG mitgeregelt, nämlich als Fall des § 2 Abs. 1 ESchG , verboten sei. Er habe daher eine Grundsatzentscheidung treffen wollen. Soweit in der Berufungsbegründung auf den Zweck einer trennscharfen Regelung, die das Präimplantationsdiagnostikgesetz habe bieten wollen, verwiesen werde, sei festzustellen, dass auf eine Trennschärfe, wie sie insbesondere durch eine Indikationenliste hätte erreicht werden können, ausdrücklich verzichtet worden sei. Der Gesetzgeber habe vielmehr Begriffe mit erst noch in der Rechtsanwendung zu präzisierenden oder auch verschiebbaren Grenzen wie „schwerwiegende Erbkrankheit“ oder „schwerwiegende Schädigung“ bevorzugt. Auch dies dürfte vor dem Hintergrund geschehen sein, eine Grundsatzentscheidung zu treffen, die nicht ständiger Überarbeitung bedürfe. Die Textpassage aus der Gesetzesbegründung „die Notwendigkeit die PID gesetzlich zu regeln, reiche allerdings nur insoweit, wie es die Legitimierung des Grundrechtseingriffs gebiete“ (BT-Drs. 17/5451, S. 7 (II.)) sei kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber nicht all das, was begrifflich unter PID gefasst werden könne, habe regeln wollen. Sie sei vielmehr in Bezug auf die zuvor erwähnten Grundrechtspositionen Beteiligter zu verstehen, mit denen die zukünftigen Eltern gemeint sein dürften, aber auch, wie sich aus den folgenden Sätzen ergebe, Ärzte, die Invitro-Fertilisationen durchführten. Deren Gewissensentscheidung, einen geschädigten Embryo nicht zu implantieren bzw. sich überhaupt erst in eine Situation zu begeben, die eine dahingehende Entscheidung erfordere, habe der Gesetzgeber nicht unterbinden wollen. Er betone daher die Freiwilligkeit der PID. Ein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber nicht jede denkbare Form der PID habe in die Regelung einbeziehen wollen, finde sich in diesem Kontext nicht.

Soweit die Rechtsauffassung der Klägerin sekundär auch auf § 2 Nr. 3 PIDV gestützt werde, sei angemerkt, dass diese Definition § 3 Nr. 1 StZG entnommen sei. Sie habe nur sicherstellen sollen, dass Untersuchungen an Zellen im Rahmen der Verordnung nur an pluripotenten und nicht an totipotenten Zellen durchgeführt werden dürften (BR-Drs. 717/12, S. 16). Es sei nicht erkennbar, inwiefern man dem Verordnungsgeber eine Einschränkungsabsicht unterstellen könne. In § 3a Abs. 3 Satz 3 Nrn. 1 bis 4 ESchG sei ausgeführt, was näher vom Verordnungsgeber zu bestimmen sei. Eine Definition der Zellen eines Embryos gehöre nicht dazu. Auch mit den Anforderungen an die Meldung in § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 PIDV habe nicht erst definiert werden müssen, was unter PID selbst zu verstehen sei. Der Gesetzgeber habe dies vielmehr in § 3a Abs. 1 ESchG unmittelbar geregelt. Dies unterstelle auch die von der Berufungsbegründung zitierte Passage aus der Bundestagsdrucksache.

Totipotente Zellen seien an sich Zellen eines Embryos im Sinne von § 3a ESchG. Die Ausnahme vom Verbot bzw. von der Strafbarkeit der PID könne bei totipotenten Zellen schon wegen § 2 Abs. 1 ESchG und § 6 Abs. 1 ESchG nicht zur Anwendung kommen. Daher sei es kein weites oder extensives Verständnis des Begriffs der Zellen eines Embryos, wenn totipotente Zellen vom Anwendungsbereich des § 3a ESchG insgesamt ausgenommen würden. Dem Argument, die Technik sei seit dem BGH-Urteil fortgeschritten, sei entgegen zu halten, dass der Gesetzgeber mit dem Präimplantationsdiagnostikgesetz nicht auf eine bestimmte Technik oder ein bestimmtes Entwicklungsstadium des Embryos abstelle, sondern auf eine bestimmte Situation - die anstehende Selektionsentscheidung -, die bei der einen wie der anderen Technik vorliege. Die Selektionssituation sei einer der zentralen Aspekte der Bundestagsdebatten zur Präimplantationsdiagnostik gewesen.

Der Gesetzgeber habe die Überlegung, die Abnahme der Fertilität von Frauen in höherem Alter könne durch ein Chromosomenscreening ausgeglichen und so die Erfolgsrate der extrakorporalen Befruchtung erhöht werden, durchaus vor Augen gehabt. Der Entwurf eines Präimplantationsdiagnostikgesetzes, der schließlich im Wesentlichen Gesetz wurde, weise auf (neu entstandene) Chromosomenanomalien als häufigste Ursache einer Fehl- oder Totgeburt hin (BT-Drs. 17/5451, S. 8). Das statistisch höhere Risiko älterer Frauen, ein Kind mit einer Chromosomenaberration (insbesondere Trisomie 21) zu bekommen, sei allgemein bekannt gewesen, desgleichen ihr höheres Fehlgeburtsrisiko (unter Verweis auf Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, A.IV. Rn. 199). Der Gesetzgeber habe auch für diese Situation die PID in § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG grundsätzlich vorgesehen, aber eben unter den gleichen Voraussetzungen wie bei Risiken aufgrund der genetischen Disposition eines oder beider Elternteile. Was er nicht gewollt habe, sei gewesen, dass Frauen ab einem bestimmten Alter bei Kinderwunsch zu einer Invitro-Fertilisation mit PID verpflichtet oder auch nur indirekt aufgefordert würden. Darauf laufe allerdings die Argumentation der Berufungsbegründung hinaus, wenn sie unter anderem meine, eine Regelung, die Ärzte dazu zwinge, Patientinnen zu einer Ethikkommission zu schicken, die ein gewisses Alter überschritten hätten, sei fragwürdig. Auch hier, wo die Berufungsbegründung die Notwendigkeit einer restriktiven Interpretation des § 3a ESchG dahingehend sieht, ihn gar nicht anzuwenden, sei die Einzelfallentscheidung einer Ethikkommission vorgesehen und möglich. Zu den Umständen des jeweiligen Einzelfalls gehörten etwa das konkrete Alter der Frau und ihr Gesundheitszustand, ob sie schon Kinder habe und inwieweit diese gesund seien, ob sie Fehlgeburten oder fehlgeschlagene Invitro-Fertilisationsversuche hinter sich habe, die Dringlichkeit des Kinderwunsches und die Partnerschaft, in der sie lebe. Der Berufungsbegründung sei an diesem Punkt darin zuzustimmen, dass für die Beantwortung allgemeiner ethischer Fragen der Gesetzgeber zuständig sei. Mit § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG habe der Gesetzgeber jedoch die Entscheidung getroffen, auch in den Fällen, dass eine Frau über 38 Jahre sich ein Kind nur nach PID wünsche, die Zulässigkeit der PID von der zustimmenden Bewertung einer Ethikkommission abhängig gemacht werde. Mit der PID werde eine von der Berufungsbegründung kritisch gesehene „Schwangerschaft auf Probe“ vermieden zugunsten einer „Fertilisierung auf Probe“, die ihrerseits Belastungen bedeute.

Die Berufungsbegründung kennzeichne als Schutzgut des Embryonenschutzgesetzes entwicklungsfähige Embryonen. § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG definiere jedoch nicht das Schutzgut des Embryonenschutzgesetzes, sondern setze es voraus. Diese Bestimmung spreche im Gegensatz zur Berufungsbegründung nicht von nicht entwicklungsfähigen Embryonen, sondern von der Wahrscheinlichkeit einer Tot- oder Fehlgeburt, setze eine gewisse Entwicklung also gerade voraus. Das Abstellen auf die Entwicklungsfähigkeit in der Berufungsbegründung ähnele eher dem Entwurf eines Gesetzes zur begrenzten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (BT-Drs. 17/5452), der nicht Gesetz geworden sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich vollumfänglich den Ausführungen der Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses an und verweist auf ihre Äußerungen im Berufungszulassungsverfahren. Dort hatte sie ausgeführt, dass der Gesetzgeber eine Grundsatzentscheidung bezüglich der PID habe treffen und nicht lediglich den vom BGH entschiedenen Fall regeln wollen. Das wesentliche ethische und rechtliche Problem, das der Gesetzgeber habe regeln wollen, sei, dass ein Embryo nach einer PID möglicherweise nicht implantiert werde und absterbe. Da es für die Frage der Implantation/Nichtimplantation nicht darauf ankomme, welche Zellen entnommen würden, sondern nur auf das Untersuchungsergebnis, habe sich durch die Weiterentwicklung der Untersuchungstechnik auch nichts an dem grundlegenden ethischen Problem geändert. Der Wortlaut des § 3a Abs. 1 ESchG lasse keine Einschränkung auf pluripotente Zellen erkennen. Schließlich liege auch bei „älteren Frauen“ kein „völlig anderer Fall“ vor, da es auch hier zu einer Selektion von Embryonen komme. Eine einschränkende Auslegung von „Zellen eines Embryos“ könne auch nicht aus Sinn und Zweck der Vorschrift gefolgert werden. Denn auch wenn ein Aneuploidiescreening negativ ausfalle, werde der Embryo verworfen. Selbst wenn nur euploide Embryonen entwicklungsfähig seien, bedeute dies nicht, dass andere nicht dem Schutz des ESchG unterstünden. Denn § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG sehe gerade für solche Fälle eine Indikation vor.

Mit Schreiben vom 22. Juni 2018 bat der Senat die Landesanwaltschaft Bayern um Einholung einer Stellungnahme der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik zu der Frage, ob diese die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG für erfüllt ansieht, wenn aufgrund des Alters der Frau bzw. deren Eizelle ein erhöhtes Risiko für eine Tot- oder Fehlgeburt besteht oder ob ihrer Auffassung nach darüber hinaus auch eine medizinische Indikation für eine Tot- oder Fehlgeburt bestehen muss, wie zum Beispiel etwa eine bereits einmal erfolgte Totoder Fehlgeburt. Wenn möglich wurde auch um eine Stellungnahme dazu gebeten, ob die anderen in Deutschland eingerichteten Ethikkommissionen diese Frage gleich oder abweichend beurteilen. Außerdem wurde darum gebeten mitzuteilen, ob der Ethikkommission in der Vergangenheit bereits Fälle zur Entscheidung vorgelegen haben, in denen eine PID nur zur Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung der befruchteten Eizelle beantragt wurde und wie die Ethikkommission in diesen Fällen entschieden hat.

Die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik nahm mit Schriftsatz vom 6. August 2018 dahingehend Stellung, dass sie für die Ermittlung der hohen Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG auf die individuelle Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer Tot- oder Fehlgeburt im Vergleich zur gleichaltrigen weiblichen Durchschnittsbevölkerung abstelle. Diese Wahrscheinlichkeit müsse im konkreten Einzelfall signifikant erhöht sein. Allein das Alter der Frau, von der die Eizelle stamme, reiche nicht aus. Auch bei Satz 2 müssten für die Annahme der hohen Wahrscheinlichkeit bereits vor der Untersuchung konkrete individualisierbare Anhaltspunkte für einen Schwangerschaftsverlauf im Sinne des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG vorliegen. Dies könnten unter anderem Reifestörungen der Keimzelle oder auch bereits erlittene Tot- oder Fehlgeburten sein. Häufigste Ursache einer Totoder Fehlgeburt seien spontan entstehende chromosomale Fehlverteilungen in den elterlichen Keimzellen. In den meisten Fällen liege eine Aneuploidie der Eizelle vor. Bei jüngeren Frauen werde eine Aneuploidierate der Eizellen von 20% bis 40% angenommen. Mit zunehmendem mütterlichem Alter steige die Wahrscheinlichkeit einer Aneuploidie der Eizelle. In der Regel führten diese Chromosomenstörungen zu einem Frühabort. Vor allem aber Embryonen mit einer Trisomie 13, 18 oder 21 oder einer zahlenmäßigen Auffälligkeit der Geschlechtschromosomen könnten sich auch über die 12. Schwangerschaftswoche hinaus weiterentwickeln. In diesen Fällen ende die Schwangerschaft nicht zwangsläufig in einer Fehlgeburt, wenngleich auch die Wahrscheinlichkeit hierfür erhöht sei. Die mit erhöhtem mütterlichem Alter steigende Aneuploidierate führe ferner dazu, dass sich aus einer befruchteten Eizelle immer seltener überhaupt eine Schwangerschaft entwickeln könne. Es werde darauf hingewiesen, dass gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 PIDV bei jeder Entscheidung alle im konkreten Einzelfall maßgeblichen psychischen, sozialen oder ethischen Gesichtspunkte berücksichtigt würden, sodass auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG als erfüllt angesehen werde, keine allgemein gültige Antwort gegeben werden könne. Ergänzend teilte die Landesanwaltschaft Bayern mit Schreiben vom 6. August 2018 mit, dass bei der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik bisher rund 110 Anträge eingingen, welche auf die Indikation des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG gestützt worden seien. Viele davon seien von Frauen mit erhöhtem mütterlichem Alter gestellt worden, bei Weitem aber nicht alle. Die PID allein zur Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung der befruchteten Eizelle sei nur in wenigen Fällen so explizit beantragt worden, auch wenn dieser Hintergrund bei mehreren Anträgen durchaus angeklungen habe.

Auf die daneben beim Senat eingegangenen Stellungnahmen der übrigen Ethikkommissionen für PID wird Bezug genommen.

Die Klägerin nahm hierzu dahingehend Stellung, dass aus der Stellungnahme der Ethikkommission hervorgehe, dass es bei dem vorliegenden Rechtstreit nicht mehr darum gehe, ob die Klägerin die Ethikkommission zu beteiligen habe oder nicht, sondern darum, ob es generell in Deutschland erlaubt oder verboten sei, bei älteren Frauen ohne signifikante Auffälligkeiten eine ausreichende Anzahl von Blastozysten zu erzeugen und zu untersuchen mit dem Ziel, ob eine schwangerschaftstaugliche Blastozyste vorliege oder nicht. Bei dieser Auslegung bewirke § 3a Abs. 1, Abs. 2 ESchG einen erheblichen Grundrechtseingriff. Der Wunsch, Kinder zu bekommen, sei grundrechtlich geschützt (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG). Die Entscheidung, bestehende medizinische Möglichkeiten zur Realisierung dieses Wunsches heranzuziehen, sei ebenfalls grundrechtlich geschützt. Ein generelles Verbot des Aneuploidiescreenings in Form der Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern bilde einen Grundrechtseingriff. Das Gewicht dieses Grundrechtseingriffs sei enorm hoch. Das Verbot bewirke eine nachhaltige Verschlechterung der Realisierungschancen einer Schwangerschaft für eine Vielzahl von Grundrechtsträgern. In einer großen Zahl von Fallgestaltungen führe dies beim gegenwärtigen medizinischen Stand zum vollständigen Verlust der Möglichkeit der Herbeiführung einer Schwangerschaft im relevanten Alter. Die zur Rechtfertigung herangezogenen Gemeinwohlgründe müssten ein erhebliches Gewicht besitzen, was aber nicht der Fall sei. Denn die Untersuchung berühre nicht in besonderer Weise Gemeinwohlbelange, insbesondere nicht erheblich den objektiven Gehalt anderer Grundrechte. Blastozysten, die nicht fähig seien, eine Schwangerschaft herbeizuführen, seien je nach dogmatischer Position eventuell noch vom objektiven Gehalt der Grundrechte von Art. 1 Abs. 1 GG oder Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG bzw. eventuell von Art. 2 Abs. 2 GG erfasst. Das Rechtfertigungsgewicht des Schutzgutes „nicht schwangerschaftsgeeignete Blastozysten“ sei aber gering. Ein substantieller Grundrechtsschutz setze zwar vermutlich noch nicht die Einnistung, aber doch zumindest die Fähigkeit zur Einnistung voraus. Es fehle daher an einem ausreichenden Gemeinwohlgrund zur Rechtfertigung dieses Eingriffs. Es liege daher nahe, im Rahmen des verfassungskonformen bzw. verfassungsfreundlichen Auslegens den § 3a Abs. 1 ESchG so zu interpretieren, dass die Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern nicht erfasst werde. Der Gesetzgeber selbst habe die PID nur soweit beschränken wollen, wie es die Legitimation des Grundrechtseingriffs gebiete. Darüber hinaus sei der Grundrechtseingriff zu schwergewichtig, als dass das eingreifende Gesetz hinreichend bestimmt sein müsste, um diesen zu rechtfertigen. Dies sei bei § 3a ESchG nicht der Fall. Das Ergebnis sei auch gesetzessystematisch in sich unsinnig. Der Gesetzgeber habe mit § 3 Abs. 2 Satz 2 ESchG Blastozysten, die nicht lebensfähig seien, in gewisser Weise für weniger schutzwürdig erklärt, als Blastozysten, die lebensfähige Schwangerschaften nach sich zögen. Daher würde es sehr überraschen, wenn der Gesetzgeber in den Fallgestaltungen, in denen die Blastozysten nicht einmal zu einer Schwangerschaft führen könnten, nun einen noch höheren Schutz vorsehen würde. Niste sich eine Blastozyste nicht ein, liege weder eine Fehl- noch eine Totgeburt nach der in der Gesetzesbegründung enthaltenen Definition (BT-Drs. 17/5451, S. 8) vor. Eine nicht erfolgreich verlaufende Schwangerschaft und eine nicht zustande kommende Schwangerschaft seien daher zwei deutlich unterschiedliche Ereignisse.

Es gebe jedoch eine winzige Teilmenge, bei der es um die Fallgestaltung einer ethischen Entscheidung im weiteren Sinne gehe und bei der die Situation im Zusammenhang mit ovariellem Altern äußerlich betrachtet ähnlich aussehe wie die Fälle mit einer erblichen Belastung. Diese spiele in der Praxis jedoch keine sehr große Rolle. Die verantwortliche Ärztin der Klägerin könne sich nicht entsinnen, einen solchen Fall in ihrer bisherigen Praxis schon einmal gesehen zu haben. Es handele sich um den Fall der Trisomie 21. Es gebe eine statistisch seltene, aber vorkommende erbliche Belastung mit einer Trisomie 21, die in aller Regel zu einer Totgeburt führe, aber in wenigen Fällen auch zu einer Lebendgeburt führen könne. Eltern mit Translokationen, auch einer Translokation, an der das Chromosom 21 beteiligt sei, hätten ein exorbitant hohes Risiko für Fehlgeburten und ein erhöhtes Risiko für ein Kind mit einer T21 und gehörten zu den eindeutigen PID-Fällen mit einer elterlichen Vorerkrankung i.S.v. § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG (und auch des Satzes 2). Andererseits sei auch denkbar, dass im Rahmen eines ovariellen Alterns ebenfalls eine Trisomie 21 erzeugt werde (freie T21). In der Regel trete nicht nur eine Trisomie auf, sodass die Blastozyste in der Regel nicht schwangerschaftstauglich sei. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern eine isolierte Trisomie 21 auftrete, bei der zumindest die Schwangerschaft möglich sei und auch eine Lebendgeburt erwartet werden könne. Die betroffenen Blastozysten sähen in beiden Fällen vergleichbar aus, die behandelnde Ärztin wisse aber aufgrund des Verfahrens und den vorausgehenden Untersuchungen, ob es sich um eine erblich bedingte Trisomie 21 handele. Überspitzt formuliert werde im erblich belasteten Fall die Blastozyste mit der Trisomie 21 gesucht, um sie nicht einzusetzen, bei der Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern werde sie gesucht, weil sie zu der Gruppe der Blastozysten gehöre, die wenigstens zu einer Schwangerschaft führen könnte.

Nehme man an, es würde der Klägerin gelingen, bei einer 40-jährigen Frau 50 Eizellen zu stimulieren und sie zu zehn Blastozysten werden zu lassen (in der Praxis sei die Zahl in der Regel geringer) und würde sie nun alle zehn untersuchen und käme zu dem Ergebnis, dass acht Blastozysten nicht zu einer Schwangerschaft führen würden, eine mit einer Trisomie 21 belastet wäre, die aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer Fehl- oder Totgeburt oder vielleicht auch zu einer Lebendgeburt mit einem behinderten Leben führen würde, und bei einer Blastozyste mit einer Lebendgeburt ohne Behinderung zu rechnen wäre. In diesem Fallbeispiel hätte die Untersuchung mit dem Zweck, die acht Blastozysten von den zwei anderen zu unterscheiden nach Ansicht der Klägerin nichts mit dem zu tun, was § 3a Abs. 1 ESchG verbieten möchte. Von den dann bestehenden Wahlmöglichkeiten habe nur die Wahlmöglichkeit, nur die Blastozyste einzusetzen, die die begründete Hoffnung in sich trage, unbelastetes Leben zu erzeugen, mit der Auswahlentscheidung zu tun, die der Gesetzgeber mit § 3a ESchG habe regulieren wollen. Denn nur hier würde zwischen möglichen Schwangerschaften unterschieden und ein wenig Gott gespielt. Würde man diese Auswahlentscheidung an eine Entscheidung der Ethikkommission binden oder sie der Klägerin untersagen, wäre der Gesetzeszweck von § 3a Abs. 1 ESchG auf jeden Fall erreicht, ohne dass der Klägerin die eigentliche Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellem Altern wirklich eingeschränkt wäre. In der Praxis spiele diese Frage keine relevante Rolle.

Zur Frage der von der Klägerin eingesetzten Technik wurde ausgeführt, dass sich diese von der in dem vom BGH entschiedenen Fall eingesetzten Technik unterscheide. Dort seien pluripotente Zellen herangezogen und mithilfe der Fluoreszenzinsitu-Hybridisierung (FISH) untersucht worden. Bei der Klägerin würden murale Trophektodermzellen mittels des Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. In den letzten Jahren habe sie eine Comparative Genomic Hybridisation (CGH) herangezogen. Die eingesetzte Technik unterscheide nicht zwingend danach, ob es um ein Chromosomenscreening zwecks Auffindung von Blastozysten, die zu Tot- oder Fehlgeburten führen oder um eine Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern gehe. Dennoch sei es eine andere Technik als die im BGH-Fall eingesetzte.

Die Landesanwaltschaft Bayern führte hierzu aus, bei einem Aneuploidiescreening würde sich auch zeigen, ob grundsätzlich einer Weiterentwicklung zugängliche und damit schwangerschaftstaugliche Embryonen mit der Trisomie 13, der Trisomie 16, der Trisomie 18, der Trisomie 21 oder einer Monosomie X vorlägen. Blastozysten mit einem derartigen Befund würden von der Klägerin wohl kaum zur Übertragung vorgeschlagen werden bzw. würden die Frauen, die sich in einer Kinderwunschbehandlung befänden, den Transfer ablehnen. Sie bezweifle, dass allein der von der Klägerin als „völlig untergeordnet“ dargestellte Fall zu Auswahlentscheidungen führen würde.

Die Klägerin erwiderte darauf unter Vertiefung ihres Standpunktes, dass mit einem Trisomie 21 belastete Blastozysten eine Geburtswahrscheinlichkeit von 2% besäßen. Bei den Trisomien 13 und 18 liege die Wahrscheinlichkeit bei 0,5%, bei den Trisomien 23 und 16 werde kein Kind geboren.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Akten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sowie die Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 29. November 2018 Bezug genommen.

Gründe

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, aufgrund der Konkretisierung des Zulassungsantrags in der Antragsbegründung, die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2015 (M 18 K 15.2602) und die Anfechtungsklage gegen die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes im Bescheid vom 10. Februar 2016 (M 18 K 16.1370). Die erstinstanzlich noch unter dem letztgenannten Aktenzeichen des Verwaltungsgerichts München erhobene Feststellungsklage auf Feststellung, dass das im Bescheid vom 2. Juni 2015 unter Ziffer III angedrohte Zwangsgeld nicht fällig geworden sei, wurde bereits im Zulassungsverfahren ausweislich der Begründung des Zulassungsantrags nicht weiter verfolgt und war damit nicht mehr Gegenstand des Zulassungswie des Berufungsverfahrens.

In der Berufungsbegründung vom 15. Februar 2018 hat die Klägerin zudem ausgeführt, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit nicht angegriffen werde, als dieses die Klage für unzulässig erklärt habe. Dies betraf die Anfechtungsklage gegen die Ziffer I.2 des Bescheids vom 2. Juni 2015. Nachdem in der Begründung des Zulassungsantrags die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2015 noch vollständig zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden war, stellt diese Einschränkung eine Rücknahme der Berufung dar. Diese war nach § 126 VwGO ohne die Zustimmung der Beklagten möglich, da die Anträge noch nicht gestellt waren. Insoweit war das Verfahren daher nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog einzustellen und nach § 126 Abs. 3 Satz 2 VwGO über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.

Im Übrigen, also soweit sich die Berufung gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Anfechtungsklage gegen Ziffer I.1 des Bescheids vom 2. Juni 2015 und gegen die Entscheidung über die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 10. Februar 2016 (Androhung eines weiteren Zwangsgelds) richtet, ist die Berufung zulässig, aber unbegründet.

1. Ziffer I.1 des Bescheids der Beklagten vom 2. Juni 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Darin wurde der Klägerin untersagt, in ihrer Münchner Zweigniederlassung Trophektodermbiopsien durchzuführen und dieses Verbot wurde unter die auflösende Bedingung gestellt, dass die bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik in jedem Einzelfall eine zustimmende Bewertung abgegeben hat.

Dabei versteht der Bescheid den Begriff „Trophektodermbiopsie" über den eigentlichen Wortsinn von „Biopsie" (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl. 2002, Stichwort: Biopsie) hinaus dahin, dass damit nicht nur die Entnahme einer Zelle des Trophektoderms, sondern auch deren genetische Untersuchung gemeint ist. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Bescheid nebeneinander und ohne erkennbare Differenzierung von „Trophektodermbiopsie" und „Trophektoderm Diagnostik" spricht und ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Die Untersagung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Bayerischen Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) in Verbindung mit § 3a Abs. 4 des Embryonenschutzgesetzes (ESchG). Danach können die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu unterbinden. Die Landeshauptstadt München ist nach Art. 6 LStVG örtlich zuständige Sicherheitsbehörde. Die Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG entgegen § 3a Abs. 3 Satz 1 ESchG ist nach § 3a Abs. 4 ESchG eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu 50.000,00 € geahndet werden kann. Verstöße gegen formelle Rechtmäßigkeitsbestimmungen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Entgegen der Argumentation der Klägerin ist die Anordnung auch materiell rechtmäßig. Die von der Klägerin beabsichtigte Untersuchung muraler Trophektodermzellen ist unabhängig vom mit der Untersuchung verfolgten Zweck eine Untersuchung der Zellen eines Embryos im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG. Damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen einer PID nach § 3a Abs. 1 ESchG erfüllt. Da die Klägerin diese Untersuchungen ohne vorherige zustimmende Bewertung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik durchführen will, liegt auch ein Verstoß gegen § 3a Abs. 3 Satz 1 (konkret Nr. 2) ESchG vor, sodass der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit des § 3a Abs. 4 ESchG erfüllt wird.

a) Zunächst ist festzuhalten, dass die Blastozysten, denen die zu untersuchenden Zellen entnommen werden, bereits Embryonen im Sinne von § 8 Abs. 1 ESchG darstellen. Was unter einem Embryo im Sinne des Embryonenschutzgesetzes zu verstehen ist, regelt § 8 Abs. 1 ESchG. Danach gilt als Embryo einerseits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an (1. Alt.), andererseits aber auch jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle (2. Alt.). Der Gesetzgeber hat sich mit dieser Legaldefinition für einen sehr früh einsetzenden strafrechtlichen Schutz des Embryos entschieden (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 8 ESchG Rn. 1), der bereits mit dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung beginnt. Dieses Stadium haben die von der Klägerin ins Auge gefassten Blastozysten offensichtlich bereits überschritten. Ob die jeweilige Blastozyste fähig ist, sich in die Gebärmutter einzunisten, ist insoweit unerheblich. Denn, wie das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (S. 12, unter Verweis auf den Beschluss des Senats vom 27.10.2015 - 20 CS 15.1904 - juris Rn. 20) überzeugend ausgeführt hat, ist Entwicklungsfähigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 Var. 1 ESchG (nur) die Fähigkeit der befruchteten Eizelle zur Zellteilung (vgl. auch Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 8 Rn. 21). Hat die befruchtete Eizelle ihre Fähigkeit zur Zellteilung bereits dadurch eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie das Blastozystenstadium (vgl. Deutscher Ethikrat, Stellungnahme, BT-Drs. 17/5210, S. 4) erreicht hat, so ist sie unabhängig von ihrer Fähigkeit zur Einnistung in die Gebärmutter oder zur Herbeiführung einer Schwangerschaft jedenfalls Embryo im Sinne von § 8 ESchG.

b) Entgegen der Argumentation der Klägerin sind „Zellen eines Embryo" im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG nicht nur pluripotente Zellen (ebenso Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 3a, Rn. 17). Vielmehr umfasst § 3a Abs. 1 ESchG jede Art von Zellen, die zum Embryo in seiner im Zeitpunkt der Entnahme (Biopsie) der untersuchten Zellen von der Umgebung des Embryos abgrenzbaren Form gehören. Bei einer Biopsie im Blastozystenstadium, wie sie die Klägerin beabsichtigt, gehören daher zu den „Zellen eines Embryos" im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG alle Zellen dieser Blastozyste. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat (S. 12/13 seines Urteils) sind auch murale Trophektodermzellen - unabhängig vom Grad ihrer Ausdifferenzierung - im Zeitpunkt der von der Klägerin vorgesehenen Biopsie noch Teil des Embryos im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG, da sie noch Teil der von der Zona pellicuda begrenzten Einheit sind. Zum Embryo in diesem Sinn gehören im hier interessierenden Zustand vor dem intrauterinen Transfer auch die Zellen des Trophektoderms, die für seine spätere Lebenserhaltung relevant sind und später zu einem Teil der Plazenta oder zu den Eihäuten werden. Ob diese Zellen (noch) totipotent, pluripotent oder nicht mehr pluripotent sind, ist im Rahmen des § 3a Abs. 1 ESchG ohne Bedeutung.

Dies ergibt die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG. Die Auslegung hat grundsätzlich nach den anerkannten Auslegungsmethoden (Wortlaut, Historie, Systematik, Telos) zu erfolgen, wobei der Wortlaut der Norm Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung markiert (allgemeine Meinung, vgl. BVerwG, U.v. 29.06.1992 - 6 C 11/92 - NVwZ 1993, 270, 271; U.v. 28.6.2018 - 2 C 14/17 - juris Rn. 20 m.w.N.).

aa) Die Klägerin will aus dem Wortlaut des § 3a Abs. 1 ESchG, der von der Untersuchung der „Zellen eines Embryos" spricht, schließen, dass damit eine Einschränkung auf bestimmte Zellen verbunden sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Denn, da ein Embryo im Sinne von § 8 Abs. 1 ESchG aus Zellen besteht, ist eine genetische Untersuchung im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG immer die Untersuchung der „Zellen eines Embryos". Der Senat kann daher aus der Verwendung des Begriffs „Zellen eines Embryos" in § 3a Abs. 1 ESchG entgegen der Argumentation der Klägerin schon keine einschränkende Absicht des Gesetzgebers hin auf bestimmte Zellen erkennen.

Der Zusatz „Zellen eines Embryos" dient in § 3a Abs. 1 ESchG tatsächlich allein der Umschreibung des Objekts der genetischen Untersuchung, die vom Gesetzgeber in § 3a Abs. 1 ESchG als Präimplantationsdiagnostik definiert wird. Gegenstand dieser genetischen Untersuchung sind eben die Zellen eines Embryos und nicht der gesamte Embryo, denn bei der genetischen Untersuchung werden die untersuchten Zellen zerstört (vgl. auch Deutscher Ethikrat, Stellungnahme, BT-Drs. 17/5210, S. 4). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in der Berufungsbegründung gezogenen Parallele mit § 7 Abs. 1 Nr. 2 ESchG. Zwar ist dort ähnlich wie in § 3a Abs. 1 ESchG, wo der Terminus „Zellen eines Embryos" verwendet wird, von den „Zellen des Embryos" die Rede. Diese Formulierung dient dort aber allein der sprachlichen Klarstellung, dass es sich bei der in der mit dem menschlichen Embryo verbundenen Zelle enthaltenen Erbinformation um eine andere handelt, als in den Zellen dieses Embryos vorhanden ist. Inwiefern dies für die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG von Bedeutung sein kann, leuchtet nicht ein und wird in der Berufungsbegründung auch nicht näher dargelegt.

Eine andere Wortlautauslegung lässt sich entgegen der Berufungsbegründung auch nicht damit begründen, dass die Formulierung „Zellen eines Embryo" deshalb gewählt worden sei, weil eine Untersuchung totipotenter Zellen „nach fast einhelliger Ansicht" gemäß § 2 und § 6 ESchG schon immer verboten gewesen sei und diese daher bei § 3a Abs. 1 ESchG nicht erfasst würden. Hintergrund dessen sei, bei totipotenten Zellen die Rechtfertigungsmöglichkeit gemäß § 3a Abs. 2 ESchG kategorisch auszuschließen. Zu diesem Zweck werde der Normtext des § 3a Abs. 1 ESchG teleologisch reduziert. Diese Argumentation lässt einerseits außer Acht, dass der Wortlaut des § 3a Abs. 1 ESchG keinen Ansatzpunkt für eine einschränkende Auslegung von „Zellen eines Embryos" gibt. Aus ihm lassen sich keine Hinweise dafür ableiten, dass eine bestimmte Art von Zellen nicht „Zellen eines Embryos" sind. Daneben ergibt sich das Ergebnis, dass die Untersuchung von totipotenten Zellen ungeachtet des Rechtfertigungsgrunds des § 3a Abs. 2 ESchG strafbar ist, auch ohne eine solche teleologische Reduktion. Denn schon aufgrund seiner systematischen Stellung in dem allein die Strafbarkeit der PID regelnden § 3a ESchG verbietet sich eine Anwendung des Rechtfertigungsgrundes nach § 3a Abs. 2 ESchG auf die bei einer Entnahme bzw. Untersuchung totipotenter Zellen einschlägigen §§ 2 und 6 ESchG. Eine teleologische Reduktion des § 3a Abs. 1 ESchG ist dafür nicht notwendig. Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben. Denn die Frage, ob die Entnahme und/oder Untersuchung totipotenter Zellen nach anderen Bestimmungen des ESchG strafbar ist, kann keine Bedeutung für die Auslegung des Begriffs „Zellen eines Embryos" in § 3a Abs. 1 ESchG haben. Auch die Frage, ob § 3a Abs. 2 ESchG auch bei anderen Straftatbeständen des ESchG auf der Rechtfertigungsebene Berücksichtigung finden kann, ist für die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG ohne Bedeutung.

Da die Wortlautauslegung keinen Anhaltspunkt für den Ausschluss von totipotenten Zellen aus dem Begriff der „Zellen eines Embryos" i.S.v. § 3a Abs. 1 ESchG gibt, geht die weitergehende Argumentation der Klägerin, dass aus dem Ausschluss der totipotenten Zellen aus dem Anwendungsbereich des § 3a ESchG geschlossen werden müsse, dass nicht mehr pluripotente Zellen nicht „Zellen eines Embryos" seien, ins Leere. Daneben ist eine solche Auslegung mit dem Wortlaut der Bestimmung nicht vereinbar, da dieser (wie bereits ausgeführt) keinerlei Ansatzpunkt dafür enthält, dass eine bestimmte Art von Zellen nicht „Zellen eines Embryos" sind. Es ist vielmehr eindeutig, dass auch die hier in Frage stehenden muralen Trophektodermzellen - ungeachtet der Frage, ob sie tatsächlich, wie von der Klägerin vertreten, nicht mehr pluripotent sind, was von der Beklagten und der Landesanwaltschaft Bayern bezweifelt wird (vgl. die Niederschrift über die mündliche Verhandlung v. 29. November 2018) - jedenfalls „Zellen eines Embryos" sind.

Die Wortlautauslegung hat damit zum Ergebnis, dass nach ihr die Untersuchung einer Zelle des Embryos, egal welcher Art, für das Vorliegen einer PID nach § 3a Abs. 1 ESchG ausreichend ist. Pluripotente Zellen werden weder in § 3a Abs. 1 noch in § 8 Abs. 1 ESchG erwähnt. Für die Wortlautauslegung sind diese daher in keiner Weise relevant.

bb) Aber auch die historische Gesetzesauslegung gibt für die von der Klägerin behauptete Begrenzung des Begriffs der „Zellen eines Embryos" auf pluripotente Zellen nichts her. Insbesondere lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, dass mit dem mit Wirkung vom 8. Dezember 2011 in das Embryonenschutzgesetz eingefügten § 3a ESchG allein der im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 2010 (5 StR 386/09) entschiedene und für nicht strafbar erkannte Sachverhalt einer Regelung zugeführt werden sollte. Im Gegenteil lässt sich aus der Gesetzesbegründung klar ableiten, dass es dem Gesetzgeber darum ging, eine über den vom BGH entschiedenen Fall hinausgehende grundsätzliche Regelung der PID zu treffen.

Einerseits führt die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5451, S. 2, unter „A. Problem") aus, dass der BGH mit seinem Urteil vom 6.7.2010 festgestellt habe, dass die PID „unter bestimmten Voraussetzungen" straffrei sei. Damit stehe fest, dass die PID in der vom BGH zu entscheidenden Konstellation nicht strafbar sei. Eine eindeutige gesetzgeberische Grundentscheidung, ob und inwieweit die PID in Deutschland Anwendung finden solle, stehe jedoch aus. Der Gesetzentwurf weist also bereits eingangs darauf hin, dass eine Grundsatzentscheidung „ausstehe". Auch in den weiteren Ausführungen (A Allgemeiner Teil, I., BT-Drs. 17/5451, S. 7) wird zwar auf das BGH-Urteil verwiesen, es findet sich aber wiederum keine Aussage, dass gerade dieser Fall geregelt werden sollte. Im Gegenteil wird unter II. ausgeführt, dass es nur in bestimmten Fällen medizinisch vertretbar sei, künstlich gezeugte Embryonen (…) zu untersuchen. Der Gesetzgeber sei gehalten, Rechtssicherheit zu schaffen. Weiter unten führt die Gesetzesbegründung unter III. aus, dass der Entwurf dem Ziel diene, durch eine ausdrückliche Bestimmung im Embryonenschutzgesetz die gesetzliche Grundlage für eine eng begrenzte Anwendung der PID zu schaffen (BT-Drs. 17/5451, S. 7).

Zielrichtung des Gesetzentwurfs war also die Schaffung von Rechtssicherheit im Sinne einer Grundsatzentscheidung; eine Begrenzung auf den vom BGH entschiedenen Fall lässt sich nicht erkennen. Das Urteil des BGH hat, auch wenn es letztlich der Auslöser für das Tätigwerden des Gesetzgebers war, über den Wortlaut der Gesetzesbegründung hinaus keine Bedeutung.

Die nach der Auffassung der Klägerin allein von § 3a Abs. 1 ESchG erfassten pluripotenten Zellen werden zudem (ebenso wie in der Bestimmung selbst) in der Begründung des Gesetzentwurfs nicht erwähnt. Dies deutet darauf hin, dass die Frage, ob die im Rahmen einer PID untersuchten Zellen pluripotent oder nicht (mehr) sind, für den historischen Gesetzgeber nicht von Bedeutung war. Dementsprechend ist es auch für die historische Auslegung der Bestimmung nicht relevant, ob der Gesetzgeber bei der Beschlussfassung über den Gesetzentwurf daran gedacht hat, dass präimplantationsdiagnostische Untersuchungen zu diesem Zeitpunkt oder künftig auch an nicht mehr pluripotenten Zellen vorgenommen werden könnten.

Nicht nachvollziehbar ist insbesondere das Argument der Klägerin, eine Erwähnung der pluripotenten Zellen sei nur unterblieben, weil deren Definition, wie § 2 PIDV zeige, zu lang für ein Parlamentsgesetz gewesen wäre. Tatsächlich zeigt der Blick auf § 2 Nr. 3 PIDV, dass die dort formulierte (im Übrigen für die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG schon aus Gründen der Normhierarchie nicht relevante) Definition der Zellen i. S. d. § 2 Nr. 1 und 2 PIDV keine besondere Länge hat. Insbesondere im Vergleich zu anderen Legaldefinitionen ist nicht erkennbar, dass eine derartige Definition, wäre sie denn vom Gesetzgeber gewollt gewesen, nicht auch im Gesetz hätte erfolgen können.

cc) Aus der Systematik des Embryonenschutzgesetzes lässt sich nichts für die Position der Klägerin, dass nur pluripotente Zellen Gegenstand einer PID nach § 3a Abs. 1 ESchG sein können, ableiten. Insbesondere kann die Klägerin, wie bereits das Verwaltungsgericht in seinem Urteil überzeugend ausgeführt hat (vgl. VG München, U.v. 7.9.2016 - M 18 K 15.2602 und M 18 K M 18 K 16.1370 - juris Rn. 46), sich nicht auf § 2 Nr. 3 PIDV berufen. Dieser definiert die Zellen im Sinne von § 2 Nr. 1 und 2 PIDV als Stammzellen, die (a) einem in vitro erzeugten Embryo entnommen worden sind und die die Fähigkeit besitzen, sich in entsprechender Umgebung selbst durch Zellteilung zu vermehren und die (b) sich selbst oder deren Tochterzellen sich unter geeigneten Bedingungen zu Zellen unterschiedlicher Spezialisierung, jedoch nicht zu einem Individuum zu entwickeln vermögen. Die Formulierung entspricht (bis auf die Untergliederung in (a) und (b)) wörtlich der Definition der pluripotenten Stammzellen in § 3 Nr. 1 StZG, wiederholt aber diesen Begriff nicht.

(1) Die Bestimmung nimmt durch die Formulierung im 2. HS von Nr. 3 lit. b), dass die Zellen sich nicht zu einem Individuum zu entwickeln vermögen, einerseits (insoweit zwischen den Beteiligten unstreitig) eine Abgrenzung von den totipotenten Zellen vor und stellt für die PIDV klar, dass totipotente Zellen keine Zellen eines Embryos im Sinne von § 2 Nr. 1 PIDV sind (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 3a ESchG, Rn. 6; Plesse/Spegele, Bayerisches Ärzteblatt 2015, 182; BR-Drs. 717/12, 16). Aus der Wortlautidentität mit § 3 Nr. 1 StZG leitet ein Teil der Literatur daneben eine Begrenzung auf die dort legaldefinierten pluripotenten (Stamm-)Zellen ab (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 3a ESchG, Rn. 6; Frommel, JZ 2013, 488, 489f; Frommel et al., JRE 2013, 6, 12ff.), womit nicht mehr pluripotente Trophektodermzellen (geht man mit der Klägerin davon aus, dass diese bereits ihre Pluripotenz verloren haben) von der Begriffsbestimmung ausgenommen wären. Gegen diese Auffassung spricht schon, dass in § 2 Nr. 3 PIDV - anders als in § 3 Nr. 1 StZG - von pluripotenten Zellen nicht die Rede ist. Für sich genommen stellt § 2 Nr. 3 lit. b), 2. HS PIDV nur klar, dass totipotente Zellen nicht von § 2 Nr. 1 und 2 PIDV erfasst sind. Im Übrigen verlangt § 2 Nr. 3 PIDV nur, dass die Fähigkeit, sich unter geeigneten Bedingungen zu Zellen unterschiedlicher Spezialisierung zu entwickeln, bestehen muss. Dass damit murale Trophektodermzellen, die sich ausgehend vom Blastozystenstadium, in dem sie entnommen werden, wohl auch noch weiter ausdifferenzieren, wenn auch vielleicht nicht mehr in so unterschiedlicher Weise wie pluripotente Zellen, ausgeschlossen wären, erscheint jedenfalls fraglich. Hierfür spricht im Übrigen auch, dass auch die Begründung der PIDV nur davon spricht, § 2 PIDV „in Anlehnung" an § 3 Nr. 1 StZG zu formulieren. Insbesondere bei fehlender Wortlautidentität bedeutet eine „Anlehnung" an eine andere Norm aber nicht, dass beide Bestimmungen den gleichen Inhalt haben.

Ungeachtet der Tatsache, dass die Begründung einer Verordnung für die Auslegung der ihr zugrunde liegenden Ermächtigungsnorm schon aus systematischen Gründen keine Bedeutung haben kann, ergibt sich aber entgegen der Klägerin aus dieser nicht, dass eine Einschränkung des Begriffs der Zellen eines Embryos im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG überhaupt vom Verordnungsgeber beabsichtigt war. Denn die Verordnungsbegründung spricht nur davon, dass mit der Formulierung sichergestellt sei, dass die Untersuchung an pluripotenten und nicht an totipotenten Zellen durchgeführt werde (BR-Drs. 717/12, 16). Sie dient daher nach der Vorstellung des Verordnungsgebers der Abgrenzung gegenüber der Untersuchung totipotenter Zellen. Eine Einschränkung bezüglich nicht mehr pluripotenter Zellen war vom Verordnungsgeber hingegen nicht vorgesehen (ebenso BayVGH, B.v. 27.10.2015 - 20 CS 15.1904 - juris, Rn. 21).

(2) Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben, da der Verordnungsgeber der PIDV zu einer so verstandenen Definition der Zellen eines Embryos im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG durch das ESchG gar nicht ermächtigt war. § 2 Nr. 3 lit. b) PIDV geht, sieht man darin eine Einschränkung des Begriffs „Zellen eines Embryos" nach § 3a Abs. 1 ESchG, über die in § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG erteilte Ermächtigung hinaus und wäre daher insoweit unwirksam. Er kann daher für die Auslegung des § 3a ESchG keine Bedeutung haben. Denn § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG ermächtigt den Verordnungsgeber nur zur Regelung des Näheren bzgl. der Zulassung der PID-Zentren (Nr. 1), der verfahrensmäßigen Anforderungen an das Verfahren vor den Ethikkommissionen (Nr. 2), hinsichtlich der Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle (Nr. 3) und zu den Anforderungen an die Meldung der im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen (Nr. 4). Über diese abschließend genannten und klar abgrenzbaren Bereiche hinaus erlaubt § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG dem Verordnungsgeber eine Regelung nicht. Eine Ermächtigung zu einer Definition des Begriffs der Präimplantationsdiagnostik oder der „Zellen eines Embryos" im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG ist damit nicht verbunden.

Weiter lässt sich eine Verordnungsermächtigung zur Definition des Begriffs „Zellen eines Embryos" entgegen der Argumentation der Klägerin im Berufungsverfahren nicht aus § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 ESchG (Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der PID durchgeführten Maßnahmen) ableiten. Denn nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG muss eine Verordnungsermächtigung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt sein (vgl. Mann in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 80, Rn. 23 ff; Uhle in Beck-OK GG, 39. Edition Stand 15.11.2018, Art. 80, Rn. 19). Dass mit den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen auch eine Definition der Zellen eines Embryos, die überhaupt Gegenstand einer PID sein können, verbunden ist, geht aus § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 ESchG nicht, geschweige denn hinreichend klar hervor. Die Argumentation der Klägerin berücksichtigt den Wortlaut der Ermächtigungsnorm nicht und missachtet dessen Inhalt.

Soweit die Klägerin argumentiert, aus der Gesetzesbegründung gehe hervor, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers mit der Verordnung nach § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG der § 3a ESchG allgemein konkretisiert werden sollte, übersieht sie, dass die von ihr zitierte Begründung (BT-Drs. 17/5451, S. 8) nicht die Fassung des § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG betrifft, die Gesetz geworden ist, sondern die ursprünglich im Gesetzentwurf enthaltene Fassung, die nur lautete: „Das Nähere wird durch Verordnung der Bundesregierung geregelt." Erst in der Ausschussberatung erhielt § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG die dann Gesetz gewordene Fassung (vgl. BT-Drs. 17/6400), dies insbesondere deshalb, um dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot zu genügen (a.a.O. S. 14). Von einem Auftrag zur allgemeinen Konkretisierung des § 3a ESchG an den Verordnungsgeber kann daher auch nach der Gesetzesbegründung nicht die Rede sein.

(3) Dessen ungeachtet würde eine Verordnungsermächtigung, die dem Verordnungsgeber überließe zu definieren, was unter den „Zellen eines Embryos" im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG zu verstehen ist, gegen die Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, B.v. 27.11.1990 - 1 BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130, 142 [juris Rn. 39 m.w.N.], vgl. Kirchhof in Maunz/Dürig, GG, 84. EL August 2018, Art. 83, Rn. 33ff; Mann in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 80 Rn. 21 f m.w.N.) verstoßen. Danach verpflichten Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen. Wie weit der Gesetzgeber die für den fraglichen Lebensbereich erforderlichen Leitlinien selbst bestimmen muss, richtet sich maßgeblich nach dessen Grundrechtsbezug. Eine Pflicht dazu besteht, wenn miteinander konkurrierende grundrechtliche Freiheitsrechte aufeinandertreffen und deren jeweilige Grenzen fließend und nur schwer auszumachen sind. Bei der Präimplantationsdiagnostik treffen das Lebensrecht und der Menschenwürdeschutz des in vitro erzeugten Embryos und die allgemeine Handlungsfreiheit der Mutter bzw. der Eltern sowie die Berufsfreiheit der Präimplantationsdiagnostiken durchführenden Ärzte bzw. Labors aufeinander (vgl. hierzu weiter unten). Die Regelung der PID erfolgt daher in einem Bereich, in dem konkurrierende Freiheitsrechte aufeinandertreffen. Die Frage, welcher Art die im Rahmen der PID zu untersuchenden Zellen sein können, stellt eine für deren Anwendungsbereich und für die Reichweite des strafrechtlichen Verbotes des § 3a Abs. 1 ESchG grundlegende Frage dar, sodass sie im Sinne der dargestellten Rechtsprechung als „wesentlich" anzusehen ist (ebenso Plesse/Spegele, Bayerisches Ärzteblatt 2015, 182). Eine weitergehende Vertiefung erübrigt sich, da es hierauf für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich ankommt, da § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG dem Verordnungsgeber, wie oben dargestellt, bereits eine solche Ermächtigung nicht erteilt.

dd) Schließlich widersprechen auch Sinn und Zweck der Regelung einer Auslegung von „Zellen eines Embryos" dahingehend, dass nicht mehr pluripotente Trophektodermzellen aus dem Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG ausgenommen wären.

Die Klägerin will die Untersuchung nicht mehr pluripotenter Trophektodermzellen aus dem Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG ausnehmen, da diese sich von den dem Gesetzgeber vorschwebenden pluripotenten Zellen fundamental unterschieden, sodass eine Anwendung des § 3a ESchG nach dem Zweck der Regelung nicht gerechtfertigt sei. Dies trifft aber nicht zu.

Denn Zweck des durch § 3a ESchG geschaffenen Verbots der PID mit „eng begrenzten Ausnahmen" (BT-Drs. 17/5451, S. 8, linke Spalte) ist der Schutz des Embryos in vitro vor einer Nichtimplantation aufgrund einer genetischen Untersuchung und dem darauffolgenden Absterben lassen (Verwerfung) (BT-Drs. 17/5451, S. 7 und 8). Dafür spielt es aber keine Rolle, ob die Verwerfung aufgrund der Untersuchung einer totipotenten, pluripotenten oder nicht mehr pluripotenten Zelle erfolgt. Denn in allen diesen Fällen ist das Ergebnis für das betroffene Schutzgut gleich, nämlich dass der Embryo nicht eingepflanzt wird und abstirbt (Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 3a Rn. 17). Dementsprechend weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die grundlegende ethische Frage, ob der jeweilige Embryo nach der Untersuchung wegen deren Ergebnis implantiert wird oder nicht, sich unabhängig von der Art der untersuchten Zellen stellt.

Dass es bei den von der Klägerin geplanten/durchgeführten Untersuchungen, die diese nach ihrem Vortrag sowohl im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als auch im Berufungsverfahren allein auf den Zweck der Feststellung der Entwicklungsfähigkeit des Embryos aufgrund des ovariellen Alterns bzw. des Alters der Frau, von der die Eizelle stammt, beschränken will, zu derartigen Selektionsentscheidungen kommen kann, steht zur Überzeugung des Senats fest. Die Klägerin versucht zwar, dies mit der Argumentation, sie suche nach einer entwicklungsfähigen, euploiden Zelle, und die nicht ausgewählten Embryonen wären ja ohnehin nicht entwicklungsfähig bzw. würden zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen, zu widerlegen. Jedoch kann es auch nach ihrem eigenen Vortrag zu Selektionsentscheidungen kommen.

Denn die von der Klägerin geplanten genetischen Untersuchungen des Chromosomenmaterials der entnommenen muralen Trophektodermzellen zielen auf die Feststellung von bei ihnen vorhandenen Chromosomenaberrationen, von Aneuploidien. Diese führen neben der mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit vorliegenden fehlenden Entwicklungsfähigkeit in Einzelfällen aber auch zu einer grundsätzlich, wenn auch mit einer geringen statistischen Wahrscheinlichkeit positiv verlaufenden Schwangerschaft, die jedoch zu einem behinderten Kind führt. Das wird von der Klägerin ausdrücklich zugestanden für den Fall einer isolierten, „freien" Trisomie 21 (vgl. die Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2018). Ähnliches gilt (wenn auch zum Teil mit einer noch geringeren Wahrscheinlichkeit) für die ebenfalls mit der von der Klägerin durchzuführenden Methode feststellbaren Trisomien 8, 13 und 18 und für Veränderungen für Geschlechtschromosomen wie dem Klinefelter-Syndrom oder der Monosomie X (Grüber/de Gruisbourne/Pömsl, Präimplantationsdiagnostik in Deutschland, Handreichung des Instituts Mensch, Ethik und Wissenschaft gGmbH, verfügbar unter: www.imew.de, zuletzt recherchiert am 10.1.2019, S. 9 und 32/33), die jedoch regelmäßig mit vergleichsweise schweren Behinderungen einhergehen. Alle diese Fehlverteilungen von Chromosomen können mit der Untersuchungsmethode der Klägerin festgestellt werden. Wird eine derartige Fehlverteilung festgestellt, kann diese Anlass zu einer Verwerfung des Embryos aus diesem Grunde geben. Ob diese von dem durchführenden Labor wie der Klägerin oder von dem Labor auf ausdrückliche Anweisung der Mutter bzw. der Eltern des in vitro erzeugten Embryos durchgeführt wird, ist insoweit unerheblich. Daher kommt es auch nicht darauf an, dass die Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung angab, die Entscheidung über die Einpflanzung bzw. Nichteinpflanzung eines Embryos, bei dem eine Aneuploidie festgestellt worden ist, der Mutter überlässt. Mit dem Anlass für eine Selektion wird gerade die in der Begründung des Gesetzentwurfs unter Ziffer A III. genannte Konstellation relevant (BT-Drs. 17/5451, S. 7, rechte Spalte): „Bei der Abwägung zwischen den Ängsten und Nöten der Betroffenen und ethischen Bedenken gegen die Nichtimplantation eines schwer geschädigten Embryos trifft dieser Gesetzentwurf eine Entscheidung zugunsten der betroffenen Frau. (…) Über die Durchführung der PID ist jedoch in jedem Einzelfall gesondert zu entscheiden." Die Wahrscheinlichkeit oder Häufigkeit, in der es bei den von der Klägerin geplanten Untersuchungen zu einer solchen möglichen Selektionsentscheidung kommt, ist dabei unerheblich. Maßgeblich ist allein, dass diese Möglichkeit aufgrund der Untersuchung besteht. Gerade diese Selektionsentscheidung wollte der Gesetzgeber aber von einer im Einzelfall zu treffenden Entscheidung der Ethikkommission abhängig machen.

Dass die von der Klägerin vertretene Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG zu mit dem Gesetzeszweck keinesfalls vereinbaren Ergebnissen führen würde, zeigt auch die folgende Überlegung: Würden nämlich nicht mehr pluripotente Zellen, die einer Blastozyste entnommen werden, schon keine „Zellen eines Embryos" i.S.v. § 3a Abs. 1 ESchG sein, dann wäre die genetische Untersuchung dieser Zellen nicht nach dieser Bestimmung verboten und müsste auch nicht erst durch eine Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik erlaubt werden. Damit wären genetische Untersuchungen dieser Zellen auch über die eng begrenzten Rechtfertigungsgründe des § 3 Abs. 2 ESchG hinaus erlaubt. Die Klägerin könnte an diesen Zellen alle möglichen genetischen Untersuchungen und nicht nur die nach ihrem Vortrag bezweckten bzgl. des ovariellen Alterns vornehmen, ohne dabei an die Rechtfertigungsgründe des § 3a Abs. 2 ESchG oder eine Entscheidung einer Ethikkommission gebunden zu sein. Auch die nach § 3a Abs. 3 Satz 2 ESchG zu befolgenden Meldeund Dokumentationspflichten würden hierfür dann nicht anwendbar sein. Einer Selektion von Embryonen, die der Gesetzgeber auf wenige Fälle begrenzen wollte, wäre damit Tür und Tor geöffnet.

c) Rechtlich unerheblich ist, dass die Klägerin die von ihr entnommenen muralen Trophektodermzellen allein mit dem Ziel untersuchen will festzustellen, ob die jeweiligen Embryonen die Fähigkeit haben, sich in der Gebärmutter einzunisten und eine Schwangerschaft herbeizuführen. Denn die Legaldefinition der PID in § 3a Abs. 1 ESchG differenziert nicht nach den mit ihr verfolgten Zwecken. Vielmehr definiert sie die PID allein nach ihrem Objekt (Zellen eines Embryos vor seinem intrauterinen Transfer) und der Methode der Untersuchung (genetische Untersuchung). Damit besteht auch kein Einfallstor für eine Auslegung nach dem Zweck der Untersuchung mit der Folge, dass auch für eine verfassungskonforme Auslegung kein Raum ist. Denn das Gebot der verfassungskonformen Auslegung verlangt (nur), dass von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz im Einklang steht. Diese muss jedoch durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt sein (BVerwG, U.v. 28.6.2018 - 2 C 14/17 - juris Rn. 20 m.w.N.), was hier bei der von der Klägerin vertretenen Auslegung gerade nicht der Fall ist.

Daneben sprechen aber auch Sinn und Zweck des § 3a ESchG dagegen, die Untersuchung von Zellen eines Embryos mit dem Ziel, die Fähigkeit dieser Embryonen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft aus der Regelung auszunehmen. Denn würde man § 3a Abs. 1 ESchG abhängig vom Zweck der jeweiligen Untersuchung unterschiedlich auslegen, würden die „freigestellten" Untersuchungen, die nicht dem Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG unterfielen, keinerlei rechtlichen Anforderungen unterliegen. Damit wären auch die vom Gesetzgeber vorgesehenen „flankierenden" Maßnahmen, wie insbesondere die Melde- und Dokumentationspflichten nach § 3a Abs. 3 Satz 2 ESchG nicht anwendbar. Diese Untersuchungen wären dann in keiner Weise im Embryonenschutzgesetz geregelt. Insbesondere würde auch nicht bundesweit dokumentiert, wie viele derartige Untersuchungen stattfänden. Eine Kontrolle, ob diese Vorgaben eingehalten werden oder ob die Untersuchungen auf andere Zwecke ausgedehnt wurden, wäre nicht möglich. Hinzu käme, dass auch „Zufallsfunde", die bei der vorgenommenen Untersuchung bekannt würden, nach denen aber gar nicht gesucht worden sei, nicht geregelt wären (vgl. hierzu Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 3a Rn. 57 ff.).

d) Die von der Klägerin an den biopsierten muralen Trophektodermzellen geplanten bzw. durchgeführten Untersuchungen sind genetische Untersuchungen im Sinne von

§ 3a Abs. 1 ESchG.

Unter genetischen Untersuchungen werden allgemein sowohl molekulargenetische als auch zytogenetische (chromosomale) Untersuchungen verstanden (vgl. zu den Einzelheiten Deutscher Ethikrat, Stellungnahme zur Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5210, S. 7f; auch Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 3a, Rn. 18, der die Definition in § GenDG für „im wesentlichen" auf § 3a übertragbar hält). Die von der Klägerin angewandten Untersuchungsverfahren „Next Generation Sequencing" bzw. „array Comparative Genomic Hydridisation" (aCGH) (vgl. zu letzterem Deutschen Ethikrat, BT-Drs. 17/5210, S. 7) dienen der Feststellung chromosomaler Fehlverteilungen, stellen zytogenetische Verfahren dar und sind daher genetische Untersuchungen im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 3a ESchG, Rn. 9). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

e) Die dargestellte Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG widerspricht nicht dem Verfassungsrecht. Sie verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG und ist im Einklang mit den betroffenen Grundrechten.

aa) Art. 103 Abs. 2 GG enthält ein an den Gesetzgeber gerichtetes Bestimmtheitsgebot. Dieser ist gehalten, Strafgesetze so genau zu formulieren, dass sich für den Bürger die Grenze des straffreien Raums möglichst schon aus dem Gesetz ergibt (BVerfG, U.v. 5.2.2004 - 2 BvR 2029/01 - NJW 2004, 739). Er hat die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Tatbestände sich aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen (BVerfG, B.v. 2.6.2010 - 2 BvR 2559/08 u.a. - BVerfGE 126, 170, 196).

Ein Verstoß gegen dieses Gebot durch § 3a Abs. 1 ESchG ist nicht erkennbar. Was „Zellen eines Embryos" in diesem Sinne sind, ergibt sich nach einer Auslegung anhand der anerkannten Auslegungsmethoden eindeutig aus dem Gesetz (s.o.). Entgegen der Argumentation in der Berufungsbegründung kann auch keine Rede davon sein, dass die von der Beklagten vorgenommene (zutreffende) Auslegung des Gesetzes zu einer Ausweitung der Strafbarkeit führt.

bb) Die Entscheidung eines Paares, von den Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin Gebrauch zu machen und neben einer invitro-Fertilisation auch eine Präimplantationsdiagnostik an den in vitro erzeugten Embryonen durchführen zu lassen, stellt ein grundrechtlich geschütztes Verhalten dar. Es fällt, wie die Klägerin zutreffend anmerkt, in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. zu den verschiedenen dogmatischen Ansätzen, unter welches Grundrecht dieses Handeln zu fassen ist: Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, Art. 6 Rn. 1 m.w.N.), und zwar in ihrer abwehrrechtlichen Komponente. Die Grundrechtsträger haben im Rahmen ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit ein grundsätzliches Recht auf Wahrnehmung der nicht verbotenen, medizinisch angebotenen Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin.

Durch das Verbot der PID in § 3a Abs. 1 ESchG wird in das Grundrecht eingegriffen, indem den potentiellen Eltern verboten wird, bei einer in vitro Fertilisation von der medizinischen Möglichkeit einer PID Gebrauch zu machen.

Dieser Eingriff ist jedoch gerechtfertigt. Ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit kann nach Art. 2 Abs. 1 GG durch die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz gerechtfertigt sein. Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts alle Rechtsnormen, die formell und materiell mit der Verfassung im Einklang stehen (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, B.v. 25. 1. 2011 - 1 BvR 918/10 - BVerfGE 128, 193, 206).

§ 3a Abs. 1 ESchG gehört zur verfassungsmäßigen Ordnung. Das Verbot der PID ist formell (hierzu (1)) und materiell verfassungsgemäß. Es ist durch das Recht des Embryos auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (hierzu (2)) und den Schutz seiner Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG (hierzu (3)) gerechtfertigt. Das Verbot aus diesen Gründen stellt sich auch als verhältnismäßig dar (hierzu (4)).

(1) § 3a Abs. 1 ESchG ist formell verfassungsgemäß. Die Gesetzgebungskompetenz hierfür ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 (Strafrecht) und Nr. 26 (medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, Untersuchung von Erbinformationen). Verstöße gegen formelle Bestimmungen des Gesetzgebungsverfahrens sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Bestimmung ist auch materiell verfassungsgemäß. Das strafbewehrte Verbot der PID dient dem Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit des Embryos in vitro und dem Schutz seiner Menschenwürde und ist auch verhältnismäßig.

(2) Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wird durch eine PID nur berührt, wenn der Schutz dieser Bestimmung sich bereits auf den Embryo in vitro, also vor der Nidation, bezieht. Das Bundesverfassungsgericht hat sich hierzu - sieht man von den beiden die vorliegende Problematik nicht unmittelbar betreffenden Entscheidungen zum Abtreibungsrecht (U.v. 25.2.1975 - 1 BvF 1/74 u.a. - BVerfGE 39, 1 ff; U.v. 28.9.1993 - 2 BvF 2/90 -BVerfGE 88, 203 ff) ab - bislang nicht geäußert. Im Rahmen der äußerst umfangreichen (vgl. die Nachweise bei Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, B.IV Rn. 42, Fn. 275 und Rn. 50; Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, Art. 2 GG Rn. 19 ff.; Böckenförde-Wunderlich, Präimplantationsdiagnostik als Rechtsproblem, Tübingen 2002, S. 156 ff.; Rohrer, Menschenwürde am Lebensanfang und am Lebensende und strafrechtlicher Lebensschutz, Berlin 2012, S. 88 ff.; Weschka, Präimplantationsdiagnostik, Stammzellforschung und therapeutisches Klonen: Status und Schutz des menschlichen Embryos vor den Herausforderungen der modernen Biomedizin, Berlin 2010, S. 151 ff., jeweils m.w.N.) Diskussion der Frage, ob sich der Schutz des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bereits auf den Embryo in vitro bezieht und dieser mithin bereits als lebend in diesem Sinne zu sehen ist, wird zentral mit den Begriffen der Potentialität, Identität, Kontinuität und dem sogenannten Speziesargument argumentiert (vgl. die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5210, S. 13 ff., SKIP-Kriterien, vgl. Bundesärztekammer, Memorandum zur PID, 17.2.2011, S. 6). Dabei bedeutet das Speziesargument, dass dem Embryo bereits deshalb Lebensschutz zukommt, weil er von der genetischen Ausstattung her der menschlichen Spezies zugehörig ist (vgl. die Nachweise bei Weschka, Präimplantationsdiagnostik, S. 191). Unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität wird argumentiert, dass der Entwicklungsprozess hin zum Menschen ein kontinuierlicher Vorgang sei, der keine scharfen Einschnitte aufweise und eine genaue Abgrenzung von verschiedenen Entwicklungsstufen des menschlichen Lebens nicht zulasse. Er sei auch nicht mit der Geburt beendet, da die für die menschliche Persönlichkeit spezifischen Bewusstseinsphänomene zum Teil erst längere Zeit nach der Geburt aufträten (BVerfG, U.v. 25.2.1975 - 1 BvR 1/74 u.a. - BVerfGE 39, 1, 37 [juris Rn. 136]; vgl. dazu die weitergehenden Nachweise bei Weschka, a.a.O., S. 193). Mit dem Identitätsargument wird umschrieben, dass der Embryo bereits im frühesten Stadium identisch mit dem Menschen sei, aus dem er sich entwickle, und daher ebenso wie dieser zu schützen sei (vgl. Weschka, a.a.O., S. 200 m.w.N.). Und schließlich wird unter dem Potentialitätsargument darauf hingewiesen, dass bereits die befruchtete Eizelle ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung alles enthalte, was für die Entwicklung zum vollständigen Menschen notwendig sei (vgl. Weschka, a.a.O., S. 196 m.w.N.). Zwar wird in der Diskussion hinsichtlich des Embryos in vitro darauf hingewiesen, dass das Kontinuitätsargument scheinbar nicht greife, da für die weitere Entwicklung die Einpflanzung in die Gebärmutter und damit ein Tätigwerden eines Menschen notwendig sei. Ein geringerer Schutz des Embryos in vitro kann jedoch daraus bereits aus dem Grunde nicht abgeleitet werden, da ansonsten der verfassungsrechtliche Lebensschutz zur Disposition des Implantierenden stehen würde (Rohrer, Menschenwürde, S. 110). Im Ergebnis geht daher die wohl überwiegende Meinung in der Literatur davon aus, dass auch der Embryo in vitro von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützt ist (vgl. u.a. Müller-Terpitz, a.a.O., Art. 2 GG, Rn. 21 f, insbesondere 22; Hillgruber, Präimplantationsdiagnostik, in Spieker/Hillgruber/Gärditz, Die Würde des Embryos, Paderborn 2012, S. 62; Rohrer, Menschenwürde, S. 105, 110, 126).

Das strafbewehrte Verbot des § 3a Abs. 1 ESchG dient dem Schutz des Lebens des Embryos in vitro, da es eine mögliche Verwerfung des Embryos infolge einer PID verhindert.

(3) Auch die Frage, ob der Embryo in vitro bereits Träger des Menschenwürdegrundrechts ist, ist aus den im wesentlichen gleichen Gründen, wie sie zum Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ausgeführt wurden, umstritten. Auch insoweit ist aber richtigerweise davon auszugehen, dass er bereits Grundrechtsträger ist.

Hinzu kommt hier als weiteres Argument, dass, auch wenn man davon ausginge, dass ein Embryo erst ab der Nidation, also ab der erfolgreichen Einpflanzung in der Gebärmutter Grundrechtsträger sein könne, für seinen Schutz die objektivrechtliche Dimension des Menschenwürdegrundrechts nach Art. 1 Abs. 1 GG streiten würde: Denn, wenn die öffentliche Gewalt humanes Leben zu schützen verpflichtet ist, ohne dass dieses Leben eigene, subjektive Lebensrechte besitzt, so kann dies nur über den objektiven Gewährleistungsgehalt des Art. 1 Abs. 1 GG erfolgen. Objektivrechtliche Vorfelder und Nachwirkungen des subjektiven Lebensschutzes sind grundsätzlich anerkannt (vgl. Di Fabio in Maunz/Dürig, GG, 43. Ergänzungslieferung, Februar 2004, Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 28; ähnlich Zippelius in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 73. Ergänzungslieferung 1995, Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2, Rn. 29).

Das Verbot des § 3a ESchG dient damit auch dem Schutz der Menschenwürde der nach Durchführung einer PID von einer Verwerfung bedrohten Embryonen in vitro.

(4) § 3a Abs. 1 ESchG stellt verwaltungsrechtlich ein repressives Verbot mit einem in Absatz 2 geregelten Befreiungsvorbehalt dar. Bei einem solchen verbietet der Gesetzgeber generell ein bestimmtes Verhalten als unerwünscht, gestattet aber, dass in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine Befreiung von diesem Verbot erteilt wird. Abzugrenzen ist es von der präventiven Kontrollerlaubnis. Dort verbietet der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten nicht, weil es generell unterbleiben soll, sondern um vorweg prüfen zu können, ob die einzelnen materiellen Anforderungen eingehalten werden (vgl. zum Ganzen: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 9 Rn. 51 ff, insb. 55).

Aus der Gesetzesbegründung zu § 3a ESchG lässt sich ablesen, dass die PID vom Gesetzgeber nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erlaubt werden sollte (BT-Drs. 17/5451, S. 3, 7 und 8). Daneben wird darin ausgeführt, dass ein absolutes Verbot gegen die Verhältnismäßigkeit verstoßen würde. Weiterhin wird auf den Eingriff in Grundrechtspositionen verwiesen (BT-Drs. 17/5451, S. 7). Damit hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er grundsätzlich die PID verbieten und nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulassen wollte. Das Verständnis als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt entspricht auch der gesetzlichen Regelungssystematik. § 3a ESchG spricht in seinem Absatz 1 zunächst die Strafbarkeit der PID aus. Im Anschluss daran werden in Absatz 2 zwei eng begrenzte Möglichkeiten genannt, in denen diese Strafbarkeit wieder entfällt. Allerdings wird nicht die Tatbestandsmäßigkeit der Straftat ausgeschlossen, sondern nur die nachrangige Rechtswidrigkeit beseitigt. Auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3a Abs. 2 ESchG vorliegen, stellt die durchgeführte PID eine tatbestandsmäßige Straftat dar.

Dieses Verbot mit Befreiungsvorbehalt ist verhältnismäßig. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu den insoweit zu beachtenden Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit ausgeführt, dass, während bei einer an sich erlaubten Tätigkeit die Voraussetzungen für Vorbehalte ganz allgemein enger zu ziehen sind, der Gesetzgeber bei Gefahr bringenden Betätigungen freier gestellt sei. Gemessen an Art und Bedeutung des zu schützenden Rechtsguts und dem Grad seiner Gefährdung müsse der Eingriff in die Betätigungsfreiheit geeignet und erforderlich sein, das in Betracht stehende öffentliche Interesse zu fördern oder zu schützen und dürfe als Mittel zum Zweck nicht schlechthin außer Verhältnis stehen (BVerwG, U.v. 3.10.1972 - I C 36.68 BVerwGE 41, 1 [juris Rn. 28]).

Das grundsätzliche Verbot der PID in § 3a Abs. 1 ESchG dient dem Schutz des Lebens und der Menschenwürde des in vitro befruchteten Embryos. Dabei handelt es sich wie bei Leben und Menschenwürde immer um ein sehr hochrangiges Schutzgut. Daran ändert auch die Argumentation der Klägerin, der Gesetzgeber habe mit § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG deutlich gemacht, dass er die Lebensfähigkeit von Blastozysten für nicht irrelevant halte und nicht lebensfähige Blastozysten in gewisser Weise für weniger schutzwürdig erklärt, nichts. Denn vorliegend geht es allein um die Frage, ob vor der Durchführung einer PID die Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik beteiligt werden muss. § 3a Abs. 2 ESchG ist allein im Rahmen dieser Entscheidung von Bedeutung. Dementsprechend kann aus dieser Bestimmung auch kein Argument dafür abgeleitet werden, die Entscheidung über die genetische Untersuchung bestimmter Embryonen unabhängig von der Entscheidung der Ethikkommission zuzulassen und die Entscheidung über die Durchführung der PID gerade nicht mehr vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 1 oder 2 ESchG abhängig zu machen. Das Verbot zielt darauf ab, den in vitro erzeugten Embryo nicht der Gefahr, aufgrund einer durchgeführten PID verworfen zu werden, auszusetzen. Hierzu ist es auch grundsätzlich geeignet. Ein milderes, ebenso effektives Mittel als das Verbot mit Befreiungsvorbehalt ist nicht ersichtlich. Daran ändert auch die Argumentation der Klägerin nichts, dass mit der Untersuchung ja nur festgestellt werden solle, ob die jeweilige in vitro befruchtete Eizelle die Fähigkeit zur Einnistung in die Gebärmutter und zur Herbeiführung einer Schwangerschaft hat; bei den aufgrund dieser Untersuchung zu verwerfenden Eizellen würde ja gerade keine Schwangerschaft entstehen bzw. eine Fehlgeburt erfolgen. Denn die Untersuchung zielt primär auf die Feststellung von Chromosomenaberrationen ab. Festgestellt werden können auch solche Chromosomenaberrationen, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine Schwangerschaft und nachfolgend ein lebensfähiges Kind mit einer Trisomie auslösen, wie die Klägerin selbst für den (von ihr allerdings als selten eingestuften) Fall einer freien Trisomie 21 zugesteht. Aus ihrem eigenen Vortrag ergibt sich zudem, dass eine solche Möglichkeit (wenn auch in erheblich geringerem Maße) auch für den Fall einer Trisomie 13 oder 18 besteht. In diesen mehr oder weniger häufigen Fällen bestünde die Gefahr einer Verwerfung aufgrund des Untersuchungsergebnisses. Ein milderes Mittel als das grundsätzliche Verbot mit Befreiungsvorbehalt für diese Gruppe ist nicht ersichtlich. Eine nachträgliche Antragstellung im Fall eines derartigen Untersuchungsergebnisses, wie sie die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 4. September 2018 anreißt, wäre dagegen nicht praktikabel. Schließlich ist der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der potentiellen Eltern auch angemessen. Denn in § 3a Abs. 2 ESchG ist eine Befreiungsmöglichkeit in den dort geregelten Fällen nach einer im Einzelfall erfolgenden positiven Bewertung der Ethikkommission gerade vorgesehen.

cc) § 3a Abs. 1 ESchG verletzt auch nicht die Berufsfreiheit der auf dem Gebiet der PID tätigen Ärzte oder von Laboren wie der Klägerin (zur Grundrechtsträgerschaft von juristischen Personen des Privatrechts vgl. Mann in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 37ff.). Zwar führt das Verbot der PID zu einem Eingriff in den einheitlichen Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG, da die Durchführung von Präimplantationsdiagnostiken nicht bzw. nicht in dem Umfang, wie es ohne § 3a Abs. 1 ESchG möglich wäre, zum Gegenstand einer beruflichen Tätigkeit gemacht werden kann. Dieser Eingriff ist aber jedenfalls gerechtfertigt. Der Regelungsvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst das gesamte Grundrecht der Berufsfreiheit (Ruffert in Beck-OK GG, 39. Edition Stand 15.11.2018, Art. 12 Rn. 73 m.w.N.). Die gesetzliche Regelung des Art. 3a Abs. 1 GG ist auch verhältnismäßig. Ob sie nach der 3-Stufen-Lehre des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, U.v. 11.6.1958 - 1 BvR 596/56 -. BVerfGE 7, 377) als Berufsausübungsregelung oder objektive Berufswahlregelung anzusehen ist, kann letztlich dahin gestellt bleiben. Betrachtet man sie nämlich als Berufsausübungsregelung, so kommt sie von ihren Auswirkungen her einem Eingriff in die Berufswahlfreiheit nahe (BVerfG, Urteil vom 23. 3. 1960 - 1 BvR 216/51 - BVerfGE 11, 33, 44) und ist daher nur gerechtfertigt, wenn Allgemeininteressen von solchem Gewicht bestehen, dass sie Vorrang vor der beruflichen Beeinträchtigung haben. Dies ist nach den obigen Ausführungen aufgrund der Bedeutung für den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit sowie der Würde des Embryos in vitro der Fall.

Ob diese Möglichkeit insbesondere im Hinblick auf die betroffenen Grundrechte der potentiellen Eltern richtig wahrgenommen wird, ist im vorliegenden Fall jedoch nicht entscheidungserheblich, da es hier nur um das Verbot, Präimplantationsdiagnostiken ohne vorherige Beteiligung der Ethikkommission durchzuführen, geht. Dementsprechend kommt es vorliegend auch nicht auf die klägerseits geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Auslegung des § 3a Abs. 2 ESchG an.

Im Ergebnis ist die von der Beklagten ausgesprochene Untersagung in Ziffer I.1 des Bescheids vom 2. Juni 2015 rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in eigenen Rechten. Die Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht ist somit nicht zu beanstanden und die Berufung insoweit zurückzuweisen.

2. Auch die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2016, mit dem der Klägerin ein weiteres, höheres Zwangsgeld angedroht wurde ist zulässig, aber unbegründet.

Der Grundverwaltungsakt, die Untersagung vom 2. Juni 2015, war aufgrund des Beschlusses des Senats vom 27. Oktober 2015 (20 CS 15.1904 - juris) sofort vollziehbar und im Übrigen auch rechtmäßig (s. oben). Nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG ist eine erneute Androhung eines Zwangsgeldes nur dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung erfolglos geblieben ist. Hier war die Zuwiderhandlung der Klägerin gegen den Grundverwaltungsakt am 4. November 2015 nachgewiesen. Ergänzend wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des verwaltungsgerichtlichen Urteils verwiesen.

Damit war die Berufung auch insoweit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich hinsichtlich der zurückgenommenen Berufung aus § 155 Abs. 2 VwGO, im Übrigen aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision war nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da die Frage, ob eine Präimplantationsdiagnostik zu dem Zweck, die Fähigkeit eines Embryos zur Einnistung in die Gebärmutter aufgrund des ovariellen Alterns der Eizelle festzustellen, von § 3a Abs. 1 ESchG erfasst ist, grundsätzliche Bedeutung hat.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

Wer es unternimmt, eine menschliche Eizelle mit einer Samenzelle künstlich zu befruchten, die nach dem in ihr enthaltenen Geschlechtschromosom ausgewählt worden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Dies gilt nicht, wenn die Auswahl der Samenzelle durch einen Arzt dazu dient, das Kind vor der Erkrankung an einer Muskeldystrophie vom Typ Duchenne oder einer ähnlich schwerwiegenden geschlechtsgebundenen Erbkrankheit zu bewahren, und die dem Kind drohende Erkrankung von der nach Landesrecht zuständigen Stelle als entsprechend schwerwiegend anerkannt worden ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

I. Das Verfahren wird, soweit die Berufung zurückgenommen wurde, eingestellt.

II. Die Berufung wird im Übrigen zurückgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit der ihr die Durchführung von Trophektodermbiopsien ohne eine zustimmende Bewertung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik (PID) untersagt wurde. Daneben wendet sie sich gegen einen weiteren Bescheid der Beklagten, mit dem ihr für den Fall der Zuwiderhandlung gegen den obigen Bescheid ein (erhöhtes) Zwangsgeld angedroht wurde.

Die Klägerin betreibt in m … die Zweigniederlassung ... (im Folgenden: …) und führte dort in der Vergangenheit Trophektodermbiopsien durch.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2014 beantragte das … die Zulassung als Präimplantationsdiagnostikzentrum im Sinne von § 3 Präimplantationsdiagnostikverordnung (PIDV) beim Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP).

Mit Bescheid vom 2. Juni 2015 untersagte die Beklagte der Klägerin nach vorheriger Anhörung, in der Zweigniederlassung … Trophektodermbiopsien durchzuführen, ohne dass 1. die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik in jedem Einzelfall eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und 2. das … über eine Zulassung als Zentrum für Präimplantationsdiagnostik gemäß § 3a Embryonenschutzgesetz (ESchG) durch das Bayerische StMGP verfügt (Ziff. I). In Ziffer II wurde die sofortige Vollziehung der Ziffer I angeordnet und in Ziffer III wurde im Falle des Verstoßes gegen Ziffer I für jeden Einzelfall ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 € angedroht.

Hiergegen ließ die Klägerin fristgerecht Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben (M 18 K 15.2602).

Unter dem 30. Juni 2015 wurde dem … vom StMPG die beantragte Zulassung als Zentrum für Präimplantationsdiagnostik erteilt.

Mit Schreiben der Beklagten vom 10. Februar 2016 wurde das im Bescheid vom 2. Juni 2015 angedrohte Zwangsgeld für fällig erklärt und ein erneutes Zwangsgeld im Falle des Verstoßes gegen Ziffer I des Bescheides vom 2. Juni 2015 in Höhe von 20.000,00 € angedroht. Das Fälligstellen des Zwangsgelds und die erneute Androhung eines höheren Zwangsgeldes wurde dahingehend begründet, dass ein Paar von der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik eine nachträgliche Zustimmung zu einer durch die Klägerin bereits durchgeführten Trophektodermbiopsie habe erlangen wollen. Es habe angegeben, erst durch die Krankenkasse darauf aufmerksam gemacht worden zu sein, dass eine vorherige zustimmende Bewertung der Ethikkommission für die bereits vorgenommene Untersuchung notwendig gewesen wäre. Es sei dahingehend nicht von der Klägerin aufgeklärt worden. Die erneute Zwangsgeldandrohung sei bezüglich der Höhe angemessen, da die Wirksamkeit des Zwangsmittels wegen eines erheblichen finanziellen Interesses an der Untersuchung, der Haltung der Klägerin und ihrer finanziellen Situation nur so sichergestellt werden könne.

Hiergegen ließ die Klägerin mit am 22. März 2016 beim Verwaltungsgericht München eingegangenem Schriftsatz Klage (M 18 K 16.1370) erheben.

Mit Urteil vom 7. September 2016 wies das Verwaltungsgericht die Klagen ab. In der Begründung führte es aus, dass die Klage gegen den Bescheid vom 2. Juni 2015 insoweit unzulässig sei, als sie sich gegen Ziffer I.2 des Bescheids richte, da mit Erteilung der Zulassung als Präimplantationsdiagnostik-Zentrum insoweit das Rechtsschutzbedürfnis entfallen sei. Die Klägerin habe das Anfechtungsbegehren auf den Untersuchungszweck der Feststellung der Entwicklungsfähigkeit von Embryonen begrenzt. Insoweit sei die Klage unbegründet. Auch Trophektodermbiopsien zur Bestimmung der Entwicklungsfähigkeit des Embryos fielen unter den Begriff der PID nach § 3a ESchG. Dass eine genetische Untersuchung in vitro vor dem intrauterinen Transfer vorliege, sei unstreitig. Die Untersuchung an den muralen Trophektodermzellen einer Blastozyste werde auch an Zellen eines Embryos nach § 3a Abs. 1 ESchG vorgenommen. Die Blastozyste, an der die Untersuchung durchgeführt werde, sei ein Embryo im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei bezüglich des Merkmals der Entwicklungsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 ESchG nicht darauf abzustellen, ob der Embryo sich in die Gebärmutter einnisten könne, oder ob eine Fehl- oder Totgeburt in Zukunft zu erwarten sei. Entwicklungsfähigkeit in diesem Sinne sei die Fähigkeit der befruchteten Eizelle zur Zellteilung (unter Verweis auf BayVGH, B.v. 27.10.2015 - 20 CS 15.1904 - juris Rn. 20). Einerseits ergebe sich das bereits aus der Formulierung des § 8 Abs. 2 ESchG, wonach die befruchtete Eizelle bereits in den ersten 24 Stunden ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung als Embryo „gelte“, es sei denn, es lasse sich nachweisen, dass die befruchtete Eizelle nicht fähig sei, sich über das Einzellstadium hinaus zu entwickeln. In gesetzessystematischer Hinsicht sei aus § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG ein Rechtfertigungsgrund für eine PID zu entnehmen, die durchgeführt werde, um festzustellen, dass eine schwere Schädigung des Embryos vorliege, die zu einer Totoder Fehlgeburt führen werde. Wenn die Annahme der Entwicklungsfähigkeit darauf gestützt werde, dass eine Tot- oder Fehlgeburt zu erwarten sei, läge bereits kein Embryo im Sinne des § 8 Abs. 1 Variante 1 ESchG vor. Dann wäre § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG als eigener Rechtfertigungsgrund aber sinnentleert, da bereits mangels Vorliegen einer tatbestandsmäßigen PID eine Rechtfertigung nicht erforderlich wäre. Die muralen Trophektodermzellen seien auch Zellen eines Embryos im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG. Auch wenn sie bereits weiter ausdifferenziert seien, seien sie dennoch Teil des Embryos im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG, da sie noch eine mit der Zona pellucida begrenzte Einheit darstellten. Zum Embryo im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG gehörten, zumindest im Zustand vor seiner Einpflanzung, auch die Zellen, die für seine spätere Lebenserhaltung relevant seien. Nur weil bereits eine Ausdifferenzierung zwischen den Zellen innerhalb des Embryoblast, die zum zukünftigen Säugling bzw. der zukünftigen Plazenta würden, stattgefunden habe, könne eine Begrenzung der Eigenschaft als Embryo auf diejenigen Zellen, die der spätere Säugling würden, nicht erfolgen. Die missverständliche Formulierung in § 2 Nr. 3 PIDV ändere hieran nichts (unter Verweis auf BayVGH a.a.O., Rn. 21). Auf die Pluripotenz oder Ausdifferenzierung der muralen Trophektodermzellen komme es jedoch nicht maßgeblich an, da entgegen der klägerischen Ansicht eine einengende Konkretisierung des Begriffs „Zelle eines Embryos“ gemäß § 3a Abs. 1 ESchG durch die Verordnung nicht möglich sei. Denn nach der Ermächtigungsgrundlage der Verordnung in § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG habe der Verordnungsgeber nur über die dort geregelten Punkte Entscheidungen treffen dürfen. Eine Konkretisierung der Begriffsdefinition sei in der Ermächtigungsgrundlage nicht enthalten gewesen. Des Weiteren sei auch aus dem Anwendungsbereich nach § 1 PIDV ersichtlich, dass der Verordnungsgeber lediglich die in § 3a Abs. 3 Satz 3 Nrn. 1 bis 4 ESchG benannten Punkte habe regeln und nicht darüber hinaus den Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG habe einschränken wollen. Die Argumentation, dass lediglich Trophektodermzellen entnommen würden und deshalb das Schutzgut des § 3a Abs. 1 ESchG nicht berührt werde, sei nicht nachvollziehbar. Das wichtigste Schutzgut in Bezug auf Untersuchungen vor einer künstlichen Befruchtung sei die Verhinderung von ungerechtfertigten und nicht überwachten Selektionsentscheidungen zwischen mehreren Embryonen. Dieses Schutzgut werde durch das Anliegen der Klägerin, Trophektodermbiopsien zur Feststellung der Entwicklungsfähigkeit der Embryonen ohne das Einhalten der Anforderungen nach § 3a Abs. 2 und 3 ESchG durchzuführen, unterminiert.

Die Feststellungsklage bezüglich der Fälligstellung des Zwangsgeldes im Schreiben vom 10. Februar 2016 sei zulässig, jedoch unbegründet. Gleiches gelte für die Anfechtungsklage gegen die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes. Für die Rechtmäßigkeit der erneuten Zwangsgeldandrohung komme es nicht maßgeblich auf die Darlegung des Verstoßes gegen die ursprüngliche Zwangsgeldandrohung an, da das erste Zwangsgeld mit dem Verstoß von Gesetzes wegen fällig werde. Eine erneute Androhung sei nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG erst zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung erfolglos geblieben sei. Dies sei hier der Fall. Auch die Höhe des Zwangsgeldes sei entgegen der Ansicht der Klägerin angemessen. Um den nötigen Nachdruck zu erzielen, solle das Zwangsgeld so bemessen werden, dass der Pflichtige keinen Vorteil aus der Nichterfüllung der Anordnung ziehen könne. Hierbei stehe der Behörde innerhalb des gesetzlichen Rahmens ein weiter Entscheidungsspielraum zu, bei dem die Umstände des Einzelfalls und die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigen seien. Eine Begründung für die geschätzte Höhe des wirtschaftlichen Interesses sei regelmäßig nicht erforderlich. Die Verdopplung der Höhe des angedrohten Zwangsgeldes gegenüber einer erfolglos gebliebenen Erstandrohung entspreche üblicher und anerkannter Verwaltungspraxis. Dass die Beklagte das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Durchführung der Trophektodermbiopsien erheblich höher als von dieser angegeben einschätze, werde nicht beanstandet. Bei einer Untersuchung von sechs Blastozysten verdiene die Klägerin ausweislich der vorgelegten Rechnung des Ehepaares S. über 3.500,00 €. Da die Klägerin eines der wenigen Labore deutschlandweit besitze, die die vorgenannte Untersuchung anböten bzw. angeboten hätten, könne bezweifelt werden, ob lediglich acht derartige Untersuchungen im Jahr von der Klägerin vorgenommen würden bzw. worden seien.

Der Senat hat die von der Klägerin beantragte Berufung mit Beschluss vom 1. Februar 2018 zugelassen, weil die Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Zur Begründung der Berufung führt die Klägerin aus, dass sie der Auffassung sei, eine bestimmte Form der genetischen Untersuchung eines Embryos falle nicht unter § 3a ESchG. Dies sei die Trophektodermbiopsie, bei der im Blastozystenstadium (etwa fünf Tage nach der Befruchtung) sogenannte murale Trophektodermzellen (nicht: Trophoblastzellen) entnommen und untersucht würden. Murale Trophektodermzellen seien Zellen, die in der Blastozyste dem Embryoblast gegenüber lägen und selbst die Fähigkeit, sich zu einem Menschen zu entwickeln, verloren hätten. Sie hätten die Funktion, sich zu den künftigen Eihäuten zu entwickeln. Sie seien unstreitig keine pluripotenten Zellen und schon gar keine totipotenten Zellen. Die Untersuchung, die die Klägerin beabsichtige, ziele darauf ab, festzustellen, ob diese Blastozyste aufgrund des Alters der Mutter nicht mehr entwicklungsfähig sei. Die altersbedingte Entwicklungsschwäche beruhe auf einer numerischen Chromosomenaberration, bei der einzelne Chromosomen zusätzlich zum üblichen Chromosomensatz vorhanden seien oder fehlten. Die Rate fortlaufender Schwangerschaften sinke von ca. 50% bei Frauen im Alter von weniger als 30 Jahren über 38% bei Frauen im Alter von 30 bis 35 Jahren und 31% bei Frauen im Alter von 35 bis 37 Jahren auf 20% bei Frauen im Alter von 39 bis 41 Jahren. Gleichzeitig steige die Rate der Fehlgeburten von 19% pro eingetretener Schwangerschaft bei jungen Frauen kontinuierlich auf 36% bei Frauen im Alter von 37 bis 39 Jahren. Im Rahmen einer künstlichen Befruchtung liege die Fehlgeburtsrate pro Transfer bei 10% bis 15%. Bei der Trophektodermbiopsie zur Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung würden vereinfacht gesprochen von den muralen Trophektodermzellen die Chromosomen gezählt („Aneuploidie-Screening“ oder „Chromosomen-Screening“). Zur Erkennung des Entwicklungspotentials von Embryonen würden Aneuploidien (numerische Abweichungen von der normalen Chromosomenzahl) überprüft, die mit steigendem mütterlichen Alter immer häufiger würden, und nur Embryonen mit einem normalen Chromosomensatz würden zum Transfer empfohlen. Aneuploidien führten entweder nicht zu einer Implantation, zu Fehl- oder Totgeburten oder mit einer geringen Wahrscheinlichkeit (kleiner als 2%) - z.B. im Falle einer Trisomie 21 - zur Geburt eines Kindes beispielsweise mit Down-Syndrom. Mit der Untersuchung würde mittels genetischer Untersuchung ein Vorgang fortgesetzt, der bei der künstlichen Befruchtung teilweise auch ohne genetische Untersuchung vorgenommen werde. So würden manche Formen von Entwicklungsunfähigkeit schon ohne genetische Untersuchung erkannt und führten dazu, dass diese Embryonen nicht übertragen würden. Von dieser Untersuchung sei die PID im engeren Sinn zu unterscheiden. Sie bilde ein aufwendiges Verfahren, da zunächst Proben von Familienmitgliedern genommen werden müssten, um dann den genetischen Fingerabdruck des Embryos zu bestimmen, der mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zur Erkrankung führe. Bei der PID im engeren Sinne würden Erbkrankheiten im engeren Sinne offen gelegt, ebenso würde häufig die DNA kontrolliert.

Der Bescheid vom 2. Juni 2015 sei hinsichtlich der Anordnung I.1 rechtswidrig, da die gesetzlichen Voraussetzungen einer Untersagungsverfügung nicht vorlägen. Die Untersagungsverfügung gemäß Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 LStVG sei rechtswidrig, da die Durchführung der Trophektodermbiopsie keiner zustimmenden Bewertung der Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik bedürfe und daher deren Durchführung ohne entsprechende Zustimmung keine Ordnungswidrigkeit darstelle und auch keine Gefährdung für Leib oder Leben im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Nr. 3 LStVG bestehe. Die Klägerin weigere sich, freiwillig das Verfahren gemäß § 3a Abs. 2 ESchG durchzuführen nur für Fallgestaltungen, bei denen sie auf murale Trophektodermzellen zwecks Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung zugreife. § 3a ESchG sei auf diesen Fall nicht anwendbar, sodass die Untersagungsverfügung rechtswidrig sei.

§ 3a ESchG sei nur auf eine Untersuchung von pluripotenten Zellen und nicht auch auf die Untersuchung von muralen Trophektodermzellen anwendbar. § 3a Abs. 1 ESchG stelle die Untersuchung von „Zellen eines Embryos“ unter Strafe, ohne den Begriff „Zelle“ zu definieren. Nach der Wortlautauslegung ergebe sich, dass mit der Wendung „Zellen eines Embryos“ nicht jede Untersuchung eines Embryos gemeint sei. Vielmehr sei eine Einschränkung beabsichtigt. Die Bezeichnung „Wer Zellen eines Embryos“ untersuche, werde in der Literatur teilweise als eine überflüssige Konkretisierung verstanden, da der Embryo sowieso nur aus Zellen und noch nicht aus Organen bestünde. Eine Auslegung, die den Normteil „Zellen eines Embryos“ aber genauso verstehe, wie wenn dort „Embryo“ stünde, obwohl der Gesetzgeber erkennbar eine bestimmte Form der Untersuchung habe regeln wollen, weil er gemeint habe, eine Gesetzeslücke schließen zu müssen, werde dem Normtext nicht gerecht. Dass der Gesetzgeber mit dieser Passage eine Einschränkung habe vornehmen wollen, könne nicht ernsthaft fraglich sein. Neben § 3a ESchG spreche er auch in § 7 Abs. 1 Nr. 2 ESchG von „Zellen des Embryos“. In beiden Wendungen werde bewusst ein Teil des Embryos rechtlich erfasst, was man schlecht interpretatorisch ignorieren könne. Weiter sei die Wendung „Zellen eines Embryos“ in § 3a Abs. 1 ESchG vor dem Hintergrund gewählt worden, dass eine PID im weiteren Sinne an totipotenten Zellen nach fast einhelliger Ansicht gemäß § 2 ESchG und § 6 ESchG schon immer verboten gewesen sei und daher die totipotenten Zellen bei § 3a Abs. 2 ESchG nicht erfasst würden. Hintergrund dieser Argumentation sei, dass man bei totipotenten Zellen die Rechtfertigungsmöglichkeit gemäß § 3a Abs. 2 ESchG kategorisch ausschließen wolle. In den Augen der Klägerin würde die Frage, ob totipotente Zellen „Zellen eines Embryos“ sein könnten, ein ganz zentrales Argument für die Frage der Auslegung von § 3a ESchG darstellen. Wenn man mit der ganz überwiegenden Ansicht totipotente Zellen vom Anwendungsbereich des § 3a ESchG ausscheide und dazu den Normtext von § 3a Abs. 1 ESchG teleologisch reduziere, sage man der Sache nach, dass die Entscheidung des Gesetzgebers gemäß § 3a ESchG, eine Untersuchung eines Embryos unter bestimmten Voraussetzungen zuzulassen, nicht für totipotente Zellen gelte, da diese deutlich näher am späteren Menschen dran seien als die pluripotenten Zellen, auf die sich § 3a Abs. 2 ESchG beziehe. Daraus folge konsequenter Weise im Umkehrschluss, dass man aus dem Verbot einer PID an pluripotenten Zellen nicht auf ein Verbot einer PID an muralen Trophektodermzellen schließen könne, weil die muralen Trophektodermzellen nun einmal deutlich weiter vom späteren Menschen entfernt seien als pluripotente Zellen. Systematisch könne man zwar darauf hinweisen, totipotente Zellen könnten von § 3a ESchG nicht erfasst sein, da sie gemäß § 8 ESchG schon als „Embryo“ definiert seien. An dem Argument, dass die Wertung des Ausschlusses der totipotenten Zellen einerseits und von pluripotenten Zellen andererseits aus dem Anwendungsbereich des § 3a ESchG gleich bleibe, ändere dies dennoch nichts. Darüber hinaus sei der Verweis auf § 8 ESchG auch von geringem Gewicht, da das Embryonenschutzgesetz erkennbar totipotente Zellen auch als Zellen des Embryos bezeichne. Ansonsten wäre es erlaubt, entgegen § 7 Abs. 1 Nr. 2 ESchG mit einem menschlichen Embryo eine Zelle zu verbinden, die eine andere Erbinformation als „totipotente Zellen“ des Embryos enthält mit dem Hinweis, totipotente Zellen seien ja keine Zellen, sondern der Embryo selbst. Der Passus „Erbinformation als die Zellen des Embryos“ meine ersichtlich auch Erbinformation einer totipotenten Zelle eines Embryos.

Dass der Gesetzgeber auf die pluripotenten Zellen abziele werde deutlich, wenn man berücksichtige, dass im Falle des Bundesgerichtshofs eine Untersuchung an pluripotenten Zellen vorgelegen habe. § 3a ESchG solle genau die vom Bundesgerichtshof diagnostizierte Lücke schließen. Das sei am Normtext von § 3a ESchG deutlich zu sehen. Es werde bestätigt durch die Plenardebatte und die Ausschussdebatte. Der Bezug auf pluripotente Zellen liege deshalb nahe, weil zur damaligen Zeit die Technik noch nicht so weit gewesen sei, die Trophektodermbiopsie an muralen Trophektodermzellen durchzuführen. Der Gesetzgeber habe nur die genetische Untersuchung an pluripotenten Zellen gekannt. Nun gebe es die Technik, die an murale Trophektodermzellen anknüpfe. Daran habe der Gesetzgeber im Jahre 2011 noch nicht gedacht.

Der Gesetzgeber habe eine trennscharfe Regelung treffen und nicht all das, was begrifflich unter PID gefasst werden könne, verbieten wollen. So heiße es in der Gesetzesbegründung: „Die Notwendigkeit, die PID gesetzlich zu regeln, reicht allerdings nur insoweit, wie es die Legitimierung des Grundrechtseingriffs gebietet.“ (BT-Drs. 17/5451, S. 7, 2. Spalte oben). Der Gesetzgeber habe in § 3a ESchG nicht einfach „pluripotente Zellen“ geschrieben, weil, wie sich aus § 2 PIDV ergebe, deren Definition für ein Parlamentsgesetz zu lang gewesen wäre. Es sei ohnehin klar gewesen, welche Zellen man gemeint habe, nämlich diejenigen Zellen, die dem Fall des Bundesgerichtshofs zugrunde gelegen hätten. Als Zwischenergebnis sei festzuhalten, dass „Zellen eines Embryos“ im Sinne von § 3a ESchG nur pluripotente Zellen und nicht murale Trophektodermzellen seien. Dieses Ergebnis folge auch aus § 2 PIDV. Dieser wiederhole aber nur, was die systematischhistorische Auslegung des § 3a ESchG selbst ergebe. Die Konkretisierung durch § 2 PIDV sei nicht unbeachtlich. Nach § 2 PIDV sei Präimplantationsdiagnostik nur die genetische Untersuchung pluripotenter Zellen, nicht aber die von totipotenten Zellen und auch nicht von muralen Trophektodermzellen. In der Begründung der Verordnung werde ausgeführt, dass die Begriffsbestimmung für Zellen in Nr. 3 angelehnt sei an die Definition von „pluripotenten Stammzellen“ in § 3 Nr. 1 des Stammzellengesetzes (StZG). Damit sei sichergestellt, dass Untersuchungen an Zellen im Rahmen der Verordnung nur an pluripotenten und nicht an totipotenten Zellen durchgeführt werden dürften. Insoweit werde das bereits nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 PIDV bestehende Verbot der missbräuchlichen Verwendung von totipotenten Zellen eines Embryos bekräftigt (BR-Drs. 717/12, S. 16). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Beschluss vom 27. Oktober 2015 daraus geschlossen, dass der Verordnungsgeber den Zellbegriff nicht auf pluripotente Zellen habe beschränken wollen, eine Auslegung, die mit dem Text der Begründung nicht richtig zusammenpasse. Sie stehe zudem konträr zu der Entstehungsgeschichte, bei der es um pluripotente Zellen gegangen sei. Die Definition in § 2 PIDV setze sich auch nicht in Widerspruch zu § 8 ESchG. § 2 PIDV beziehe sich auf die Definition der Zelle, § 8 ESchG beziehe sich auf die Definition des Embryos. Entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts München überschreite die Definition auch nicht die Verordnungsermächtigung nach § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG. Zwar ermächtige § 3a Abs. 3 ESchG nicht ausdrücklich dazu, den Begriff der Zelle zu definieren, mittelbar aber schon. Gemäß § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 ESchG beziehe sich die Verordnung auf die Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der PID durchgeführten Maßnahmen. Für diese Umsetzung müsse klar sein, was genau unter PID zu verstehen sei. Daher erfasse die Ermächtigung gemäß § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG auch eine nähere Begriffsbestimmung der PID selbst. Eindeutig werde dies, wenn man die Motive hinzuziehe. Der Gesetzgeber habe mit der Verordnung § 3a ESchG insgesamt konkretisieren wollen, dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5451, S. 8). Bedenken nach Art. 103 Abs. 2 GG bestünden schon deshalb nicht, da die hier relevante Definition im Gegensatz zur Auslegung des Verwaltungsgerichts die Strafbarkeit einschränke und Art. 103 Abs. 2 GG nur die strafbegründeten Normen dem strengen Bestimmtheitsgebot unterwerfe.

Das angegriffene Urteil, der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und die wohl überwiegende Ansicht in der Literatur wollten den Begriff „Zellen eines Embryos“ dennoch nicht nur auf pluripotente Zellen beziehen. Begründet werde dies damit, dass der Gesetzgeber die PID vollständig habe verbieten wollen, der Fall der Untersuchung an muralen Trophektodermzellen sei mit der Untersuchung an pluripotenten Zellen vergleichbar und ansonsten wäre der Anwendungsbereich stark reduziert. Diese Argumentation überzeuge nicht. Einerseits sei es unfair, wenn die Normen nur zu Lasten der Fortpflanzungsmedizin ausgelegt würden dahingehend, dass „totipotente Zellen“ nicht Zellen eines Embryos im Sinne von § 3a ESchG sein könnten mit der Folge, dass die Ausnahmegründe von § 3a Abs. 2 ESchG auch bei ihnen greifen könnten, andererseits aber murale Trophektodermzellen im Sinne eines weiten Verständnisses des Begriffs unter § 3a ESchG fielen. Daneben habe der Gesetzgeber nicht jede Selektionsentscheidung verbieten wollen. Der Gesetzgeber habe die Entscheidung getroffen, die der Bundesgerichtshof vermisst habe, und die habe sich eindeutig nur auf die Untersuchung von pluripotenten Zellen bezogen. Weiter sei eine so großzügige Auslegung von § 3a ESchG wegen Art. 103 Abs. 2 GG problematisch. Die verwaltungsrechtlichen Folgen des § 3a Abs. 1 ESchG knüpften an die Strafnorm des § 3a ESchG an und müssten daher in der Auslegung den Anforderungen einer Auslegung von Strafnormen genügen. Die Auslegung, dass murale Trophektodermzellen „Zellen eines Embryos“ seien, sei eine klare Ausdehnung der Strafentscheidung, die der Gesetzgeber getroffen habe, zu der weder die Literatur noch die Rechtsprechung richtig legitimiert seien. Der Gesetzgeber habe sich bewusst auf die Situation bezogen, die beim Bundesgerichtshof vorgelegen habe. Die Technik sei nun weiter, die Entscheidung mithin nicht notwendig übertragbar. Das Argument, die Untersuchung an muralen Trophektodermzellen sei mit der Untersuchung an pluripotenten Zellen funktional gleichzusetzen, greife nicht. Der Unterschied zwischen totipotenten Zellen und pluripotenten Zellen einerseits und der zwischen pluripotenten Zellen und muralen Trophektodermzellen andererseits sei so fundamental, dass man eine Regelung, die sich auf pluripotente Zellen beziehe, nicht ohne weiteres auf murale Trophektodermzellen beziehen könne. Es sei offen, ob der Gesetzgeber die Fälle, um die es bei der Trophektodermbiopsie der Klägerin gehe, wirklich verboten hätte, wenn er sie gekannt hätte. Den Umstand, dass man die rapide Abnahme der Fertilität der Frauen im höheren Alter durch ein Chromosomenscreening ausgleichen und daher die Erfolgsrate der extrakorporalen Befruchtung erhöhen könne, habe der Gesetzgeber nicht vor Augen gehabt. Dies sei an der geführten Debatte klar zu erkennen, bei der es immer nur um vorbelastete Eltern oder eine vergleichbare Erbkrankheit, die ohne Vorbelastung auftreten könne, gegangen sei. Es sei ein völlig anderer Fall, ob man einer „alten“ Frau gestatte, auch ohne Erbkrankheitsveranlagung mittels eines Chromosomenscreenings unter mehreren Embryonen dasjenige auszusuchen, bei dem die größte Chance eines Erfolgs bestehe, oder ob man regeln wolle, unter welchen Bedingungen Eltern prüfen dürften, ob das künftige Kind frei von Erbkrankheiten und eventuell weitergehend „gesund und darüber hinaus auch noch klug“ sein werde. Die Entscheidung des Gesetzgebers in § 3a ESchG sei sowohl vom Anknüpfungspunkt als auch vom Zweck der Untersuchung von den Untersuchungen der Klägerin so weit entfernt, dass dessen Anwendung materiell nicht gerechtfertigt sei.

Darüber hinaus bestehe schon deshalb kein Grund, § 3a ESchG weit auszulegen, weil die Norm massiv in Grundrechte eingreife und schon von daher eng auszulegen sei. Für all die Frauen, die in höherem Alter eine künstliche Befruchtung anstrebten und denen nur eine genetische Untersuchung an pluripotenten Zellen zur Verfügung stehe, sei die Einhaltung des Verfahrens nach § 3a Abs. 2 ESchG eine Zumutung, der Vorbehalt der Ethikkommission nicht passend. Denn bei einem Chromosomenscreening könne die Kommission gar keine Entscheidung über den Einzelfall treffen. Sie könne nur entscheiden, ob Chromosomenscreenings generell bei Frauen ab einem gewissen Alter zulässig sein sollen oder nicht. Eine ethisch schwierige Einzelfallentscheidung liege hier gar nicht vor. Es sei allenfalls eine generelle ethische Frage, ob man Chromosomenscreenings zulassen möchte oder nicht. Für die Beantwortung allgemeiner ethischer Fragen sei aber der Gesetzgeber zuständig und nicht die Ethikkommission. Dies folge schon aus der Wesentlichkeitstheorie. Schließlich komme noch hinzu, dass es durchaus offen sei, ob einer älteren Frau ohne genetische Vorbelastung überhaupt eine zustimmende Bewilligung nach § 3a Abs. 2 ESchG erteilt werden könne. § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG greife nur, wenn man erstens für diese Bestimmung keinen Anlass für die Untersuchung außer dem Alter verlange und eine Chromosomenanomalie, die allein durch das Alter bedingt ist, als „Schädigung“ des Embryos zu verstehen ist. Dies werde in der Literatur nur von einer Mindermeinung vertreten (Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 3a, Rn. 45; im Ergebnis wohl auch Scheffler, ZVL 2011, 9, 12 mit Fußnote 34). Die überwiegende Ansicht verlange aber konkrete Anhaltspunkte oder Indikationen und würde einer „alten“ Frau ohne Erbbelastung allein wegen ihres Alters keinen Ausnahmegrund im Sinne von § 3a Abs. 2 ESchG gestatten, mit der Folge, dass man die Frau dazu zwinge, eine unsinnige Schwangerschaft auf gut Glück auszuprobieren und das geringe Zeitfenster, das sie noch habe, sich dann auch noch zu schließen drohe. Auch der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass es verfassungsrechtlich bedenklich wäre, einschlägig vorbelasteten Paaren es praktisch unmöglich zu machen, eigene genetisch gesunde Kinder zu bekommen (BT-Drs. 17/5451, S. 3). Dies könne für nicht genetisch vorbelastete Eltern nicht anders sein. Für die Ärzte sei die Norm eine enorme Einschränkung ihrer aus ärztlicher Sicht richtig empfundenen Behandlungsmöglichkeiten. Für die Eltern sei es ein massiver Eingriff in ihr Grundrecht, die auf einfache Weise erreichbaren Informationen über ihr gezeugtes Embryo zu erhalten. Es sei wertungswidersprüchlich, eine Untersuchung, die isoliert an der Eizelle und am Embryo im Mutterleib rechtlich fraglos zulässig sei, an einem Reagenzglasembryo massiv einzuschränken. Die Behauptung, die Polkörperdiagnostik sei mit der hier relevanten Trophektodermbiopsie nicht zu vergleichen, weil eine Eizelle und nicht eine Zelle eines Embryos untersucht würde, sei formal richtig, materiell aber nicht. Sie übersehe, dass es auch bei der Polkörperdiagnostik um eine Selektionsentscheidung - bezogen auf schon existente Embryos - und nicht nur um Eizellen gehe. Das Schutzgut sei der Sache nach der Schutz von entwicklungsfähigen Embryonen. Bei § 8 ESchG fließe die Frage der Entwicklungsfähigkeit in die Definition der Embryonen ein und bei § 3a Abs. 2 ESchG dadurch, dass er bei den nicht entwicklungsfähigen Embryonen einen Ausnahmetatbestand schaffe. Bei der Trophektodermbiopsie zwecks Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung gehe es gerade um die Feststellung der Entwicklungsfähigkeit, aber in einer Form, die § 3a Abs. 1 ESchG wegen des technischen Fortschritts nicht mehr erfasse.

Sofern der Verwaltungsakt vom 2. Juni 2015 rechtswidrig sei, sei er aufzuheben. Damit entfielen auch die Gegenstände für die sofortige Vollziehung und für die Zwangsmittelandrohung gemäß Ziffer III. Aus dem gleichen Grund sei dann auch der Bescheid vom 10. Februar 2016, mit dem ein weiteres Zwangsgeld angedroht wurde, aufzuheben.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 7. September 2016 wird geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2015 wird in Ziffer I. 1 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2016 wird aufgehoben.

Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2018 nahm die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses zur Berufungsbegründung im Wesentlichen dahingehend Stellung, dass diese die von der Klägerin beabsichtigte Technik nach dem zu gewinnenden Untersuchungsobjekt und nach dem Untersuchungszweck beschreibe. Sie präge den Begriff der Trophektodermbiopsie auch unter Beachtung des von der Klägerin damit verfolgten Zwecks. Aus biologischer bzw. medizinischer Sicht stelle der Begriff der Trophektodermbiopsie nur darauf ab, in welchem Entwicklungsstadium und an welcher Position einem Embryo Zellen entnommen würden, um diese anschließend zu untersuchen und nicht darauf, worauf und wie die entnommenen Zellen untersucht würden. Der Begriff der Trophektodermbiopsie schließe also andere Untersuchungszwecke als das Feststellen von (häufig) durch das mütterliche Alter bedingten Chromosomenstörungen nicht aus. § 3a Abs. 1 ESchG differenziere jedenfalls seinem Wortlaut nach nicht zwischen dem Preimplantation Genetic Screening und einer PID im engeren Sinne, vielmehr definiere das Gesetz beide Techniken als PID. Die dafür vorausgesetzte genetische Untersuchung sei nicht im Embryonenschutzgesetz definiert, allerdings sei wohl die Definition des Gendiagnostikgesetzes (GenDG) verwendbar, die bei der genetischen Analyse als einer Form der genetischen Untersuchung (§ 3 Nr. 1 GenDG ) sowohl am Chromosom ansetzt (§ 3 Nr. 2 Buchst. a GenDG) als auch an der DNA (§ 3 Nr. 2 Buchst. b GenDG ).

Nach der Darstellung der Entstehungsgeschichte des § 3a ESchG in der Berufungsbegründung habe der Gesetzgeber mit § 3a ESchG allein die Situation geregelt, die der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde gelegen habe. Diese als „Sachverhalt“ überschriebene Wertung sei nicht unbedingt zu übernehmen. Der Angeklagte der vom Bundesgerichtshof entschiedenen drei Fälle, habe für Präimplantationsdiagnostiken jeweils „pluripotente, d.h. nicht zu einem lebensfähigen Organismus entwicklungsfähige Trophoblastzellen“ (BGH, a.a.O., Rn. 4) verwendet. Der Bundesgerichtshof habe zwischen solchen Zellen und totipotenten Zellen unterschieden, wobei er davon ausgegangen sei, dass Hintergrund der Strafbarkeit einer PID an totipotenten Zellen sei, dass ihre Entnahme oder Untersuchung den Embryo schädigen könnte (BGH a.a.O., Rn. 22 ff.). Der Bundesgerichtshof habe angenommen, der Angeklagte habe Zellen entnommen, die in einem späteren Stadium die Placenta bilden würden, weswegen der Embryo(-blast) selbst nicht betroffen sei (BGH a.a.O., Rn. 23). Von einer gewissen Spezialisierung sei er also trotz der festgestellten Pluripotenz der betroffenen Zellen ausgegangen. Der Angeklagte der vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fälle habe Zellen von Embryonen untersucht, bei denen bei einem Elternteil eine (balancierte) Translokation vorgelegen habe. Deren Vererbung habe die Gefahr der Entstehung von Chromosomenaberrationen beinhaltet. Diese seien „Erbkrankheiten“, denen der Gesetzgeber mit einer bedingten Erlaubnis der PID habe gestatten wollen, vorzubeugen. Mit der Einfügung des § 3a ESchG habe der Gesetzgeber nach Auffassung der Landesanwaltschaft eine Grundsatzentscheidung treffen und nicht nur einen einzelnen Fall regeln oder eine vom Bundesgerichtshof festgestellte Strafbarkeitslücke füllen wollen.

Es sei fraglich, ob man mit der Berufungsbegründung sagen könne, dass murale Trophektodermzellen „deutlich weiter vom späteren Menschen entfernt“ seien als pluripotente Zellen. Denn im zeitlichen Ablauf der Entwicklung einer totipotenten Zelle zum Menschen sei das Stadium, in dem bereits murale Trophektodermzellen vorhanden seien, dem späteren Menschen näher. Zu der Argumentation, es scheine nicht fair zu sein, im Zusammenhang mit einer strafbegründenden Interpretation unter Zellen eines Embryos alle, auch murale Zellen, zu verstehen, im Rahmen eines Rechtfertigungsgrundes den gleichen Begriff dann aber einschränkend auszulegen und totipotente Zellen hier auszunehmen, sei zu sagen, dass eine einschränkende Auslegung im Rahmen eines Rechtfertigungsgrundes gar nicht nötig sei, weil eine Untersuchung totipotenter Zellen bereits nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 ESchG nicht erlaubt wäre. Die Abspaltung einer totipotenten Zelle zum Zweck einer Diagnostik bedeute zudem ein nach § 6 Abs. 1 ESchG verbotenes Klonen (vgl. BGH, Urteil v. 6.7.2010 - 5 StR 386/09 - juris Rn. 22). Totipotente Zellen würden vom Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG nicht ausgenommen, um eine teleologische Reduktion zu erreichen, sondern um sie strengeren Vorschriften des Embryonenschutzgesetzes ohne Rechtfertigungsmöglichkeit zu unterwerfen bzw. um klarzustellen, dass sie diesen strengeren Vorschriften unterworfen seien. Der Wortlaut „Zellen eines Embryos“ erscheine vollkommen eindeutig auch auf murale Trophektodermzellen bezogen.

Soweit argumentiert werde, dass der Gesetzgeber nur eine vom Bundesgerichtshof diagnostizierte Gesetzeslücke habe schließen wollen, und an eine Technik, die an muralen Trophektodermzellen ansetze, 2011 gar nicht gedacht habe, werde angemerkt, dass eben weil 2011 die Biopsie und Untersuchung muraler Trophektodermzellen noch nicht bekannt gewesen sei, als Ansatzpunkt der PID notwendigerweise nur pluripotente Zellen genannt werden konnten. Es sei stets um eine Abgrenzung in Richtung totipotenter Zellen und nicht um eine Abgrenzung in Richtung weiter ausdifferenzierter Zellen gegangen, weil die Untersuchung nach dem damaligen Stand der medizinischen Technik nicht an letzteren habe durchgeführt werden können. Diese Umstände aus der Historie widerlegten, dass es dem Gesetzgeber allein auf eine bestimmte Art von Zellen angekommen sei. Daneben sei der Gesetzgeber bis zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu einem großen Teil der Ansicht gewesen, dass die PID im ESchG mitgeregelt, nämlich als Fall des § 2 Abs. 1 ESchG , verboten sei. Er habe daher eine Grundsatzentscheidung treffen wollen. Soweit in der Berufungsbegründung auf den Zweck einer trennscharfen Regelung, die das Präimplantationsdiagnostikgesetz habe bieten wollen, verwiesen werde, sei festzustellen, dass auf eine Trennschärfe, wie sie insbesondere durch eine Indikationenliste hätte erreicht werden können, ausdrücklich verzichtet worden sei. Der Gesetzgeber habe vielmehr Begriffe mit erst noch in der Rechtsanwendung zu präzisierenden oder auch verschiebbaren Grenzen wie „schwerwiegende Erbkrankheit“ oder „schwerwiegende Schädigung“ bevorzugt. Auch dies dürfte vor dem Hintergrund geschehen sein, eine Grundsatzentscheidung zu treffen, die nicht ständiger Überarbeitung bedürfe. Die Textpassage aus der Gesetzesbegründung „die Notwendigkeit die PID gesetzlich zu regeln, reiche allerdings nur insoweit, wie es die Legitimierung des Grundrechtseingriffs gebiete“ (BT-Drs. 17/5451, S. 7 (II.)) sei kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber nicht all das, was begrifflich unter PID gefasst werden könne, habe regeln wollen. Sie sei vielmehr in Bezug auf die zuvor erwähnten Grundrechtspositionen Beteiligter zu verstehen, mit denen die zukünftigen Eltern gemeint sein dürften, aber auch, wie sich aus den folgenden Sätzen ergebe, Ärzte, die Invitro-Fertilisationen durchführten. Deren Gewissensentscheidung, einen geschädigten Embryo nicht zu implantieren bzw. sich überhaupt erst in eine Situation zu begeben, die eine dahingehende Entscheidung erfordere, habe der Gesetzgeber nicht unterbinden wollen. Er betone daher die Freiwilligkeit der PID. Ein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber nicht jede denkbare Form der PID habe in die Regelung einbeziehen wollen, finde sich in diesem Kontext nicht.

Soweit die Rechtsauffassung der Klägerin sekundär auch auf § 2 Nr. 3 PIDV gestützt werde, sei angemerkt, dass diese Definition § 3 Nr. 1 StZG entnommen sei. Sie habe nur sicherstellen sollen, dass Untersuchungen an Zellen im Rahmen der Verordnung nur an pluripotenten und nicht an totipotenten Zellen durchgeführt werden dürften (BR-Drs. 717/12, S. 16). Es sei nicht erkennbar, inwiefern man dem Verordnungsgeber eine Einschränkungsabsicht unterstellen könne. In § 3a Abs. 3 Satz 3 Nrn. 1 bis 4 ESchG sei ausgeführt, was näher vom Verordnungsgeber zu bestimmen sei. Eine Definition der Zellen eines Embryos gehöre nicht dazu. Auch mit den Anforderungen an die Meldung in § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 PIDV habe nicht erst definiert werden müssen, was unter PID selbst zu verstehen sei. Der Gesetzgeber habe dies vielmehr in § 3a Abs. 1 ESchG unmittelbar geregelt. Dies unterstelle auch die von der Berufungsbegründung zitierte Passage aus der Bundestagsdrucksache.

Totipotente Zellen seien an sich Zellen eines Embryos im Sinne von § 3a ESchG. Die Ausnahme vom Verbot bzw. von der Strafbarkeit der PID könne bei totipotenten Zellen schon wegen § 2 Abs. 1 ESchG und § 6 Abs. 1 ESchG nicht zur Anwendung kommen. Daher sei es kein weites oder extensives Verständnis des Begriffs der Zellen eines Embryos, wenn totipotente Zellen vom Anwendungsbereich des § 3a ESchG insgesamt ausgenommen würden. Dem Argument, die Technik sei seit dem BGH-Urteil fortgeschritten, sei entgegen zu halten, dass der Gesetzgeber mit dem Präimplantationsdiagnostikgesetz nicht auf eine bestimmte Technik oder ein bestimmtes Entwicklungsstadium des Embryos abstelle, sondern auf eine bestimmte Situation - die anstehende Selektionsentscheidung -, die bei der einen wie der anderen Technik vorliege. Die Selektionssituation sei einer der zentralen Aspekte der Bundestagsdebatten zur Präimplantationsdiagnostik gewesen.

Der Gesetzgeber habe die Überlegung, die Abnahme der Fertilität von Frauen in höherem Alter könne durch ein Chromosomenscreening ausgeglichen und so die Erfolgsrate der extrakorporalen Befruchtung erhöht werden, durchaus vor Augen gehabt. Der Entwurf eines Präimplantationsdiagnostikgesetzes, der schließlich im Wesentlichen Gesetz wurde, weise auf (neu entstandene) Chromosomenanomalien als häufigste Ursache einer Fehl- oder Totgeburt hin (BT-Drs. 17/5451, S. 8). Das statistisch höhere Risiko älterer Frauen, ein Kind mit einer Chromosomenaberration (insbesondere Trisomie 21) zu bekommen, sei allgemein bekannt gewesen, desgleichen ihr höheres Fehlgeburtsrisiko (unter Verweis auf Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, A.IV. Rn. 199). Der Gesetzgeber habe auch für diese Situation die PID in § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG grundsätzlich vorgesehen, aber eben unter den gleichen Voraussetzungen wie bei Risiken aufgrund der genetischen Disposition eines oder beider Elternteile. Was er nicht gewollt habe, sei gewesen, dass Frauen ab einem bestimmten Alter bei Kinderwunsch zu einer Invitro-Fertilisation mit PID verpflichtet oder auch nur indirekt aufgefordert würden. Darauf laufe allerdings die Argumentation der Berufungsbegründung hinaus, wenn sie unter anderem meine, eine Regelung, die Ärzte dazu zwinge, Patientinnen zu einer Ethikkommission zu schicken, die ein gewisses Alter überschritten hätten, sei fragwürdig. Auch hier, wo die Berufungsbegründung die Notwendigkeit einer restriktiven Interpretation des § 3a ESchG dahingehend sieht, ihn gar nicht anzuwenden, sei die Einzelfallentscheidung einer Ethikkommission vorgesehen und möglich. Zu den Umständen des jeweiligen Einzelfalls gehörten etwa das konkrete Alter der Frau und ihr Gesundheitszustand, ob sie schon Kinder habe und inwieweit diese gesund seien, ob sie Fehlgeburten oder fehlgeschlagene Invitro-Fertilisationsversuche hinter sich habe, die Dringlichkeit des Kinderwunsches und die Partnerschaft, in der sie lebe. Der Berufungsbegründung sei an diesem Punkt darin zuzustimmen, dass für die Beantwortung allgemeiner ethischer Fragen der Gesetzgeber zuständig sei. Mit § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG habe der Gesetzgeber jedoch die Entscheidung getroffen, auch in den Fällen, dass eine Frau über 38 Jahre sich ein Kind nur nach PID wünsche, die Zulässigkeit der PID von der zustimmenden Bewertung einer Ethikkommission abhängig gemacht werde. Mit der PID werde eine von der Berufungsbegründung kritisch gesehene „Schwangerschaft auf Probe“ vermieden zugunsten einer „Fertilisierung auf Probe“, die ihrerseits Belastungen bedeute.

Die Berufungsbegründung kennzeichne als Schutzgut des Embryonenschutzgesetzes entwicklungsfähige Embryonen. § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG definiere jedoch nicht das Schutzgut des Embryonenschutzgesetzes, sondern setze es voraus. Diese Bestimmung spreche im Gegensatz zur Berufungsbegründung nicht von nicht entwicklungsfähigen Embryonen, sondern von der Wahrscheinlichkeit einer Tot- oder Fehlgeburt, setze eine gewisse Entwicklung also gerade voraus. Das Abstellen auf die Entwicklungsfähigkeit in der Berufungsbegründung ähnele eher dem Entwurf eines Gesetzes zur begrenzten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (BT-Drs. 17/5452), der nicht Gesetz geworden sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich vollumfänglich den Ausführungen der Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses an und verweist auf ihre Äußerungen im Berufungszulassungsverfahren. Dort hatte sie ausgeführt, dass der Gesetzgeber eine Grundsatzentscheidung bezüglich der PID habe treffen und nicht lediglich den vom BGH entschiedenen Fall regeln wollen. Das wesentliche ethische und rechtliche Problem, das der Gesetzgeber habe regeln wollen, sei, dass ein Embryo nach einer PID möglicherweise nicht implantiert werde und absterbe. Da es für die Frage der Implantation/Nichtimplantation nicht darauf ankomme, welche Zellen entnommen würden, sondern nur auf das Untersuchungsergebnis, habe sich durch die Weiterentwicklung der Untersuchungstechnik auch nichts an dem grundlegenden ethischen Problem geändert. Der Wortlaut des § 3a Abs. 1 ESchG lasse keine Einschränkung auf pluripotente Zellen erkennen. Schließlich liege auch bei „älteren Frauen“ kein „völlig anderer Fall“ vor, da es auch hier zu einer Selektion von Embryonen komme. Eine einschränkende Auslegung von „Zellen eines Embryos“ könne auch nicht aus Sinn und Zweck der Vorschrift gefolgert werden. Denn auch wenn ein Aneuploidiescreening negativ ausfalle, werde der Embryo verworfen. Selbst wenn nur euploide Embryonen entwicklungsfähig seien, bedeute dies nicht, dass andere nicht dem Schutz des ESchG unterstünden. Denn § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG sehe gerade für solche Fälle eine Indikation vor.

Mit Schreiben vom 22. Juni 2018 bat der Senat die Landesanwaltschaft Bayern um Einholung einer Stellungnahme der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik zu der Frage, ob diese die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG für erfüllt ansieht, wenn aufgrund des Alters der Frau bzw. deren Eizelle ein erhöhtes Risiko für eine Tot- oder Fehlgeburt besteht oder ob ihrer Auffassung nach darüber hinaus auch eine medizinische Indikation für eine Tot- oder Fehlgeburt bestehen muss, wie zum Beispiel etwa eine bereits einmal erfolgte Totoder Fehlgeburt. Wenn möglich wurde auch um eine Stellungnahme dazu gebeten, ob die anderen in Deutschland eingerichteten Ethikkommissionen diese Frage gleich oder abweichend beurteilen. Außerdem wurde darum gebeten mitzuteilen, ob der Ethikkommission in der Vergangenheit bereits Fälle zur Entscheidung vorgelegen haben, in denen eine PID nur zur Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung der befruchteten Eizelle beantragt wurde und wie die Ethikkommission in diesen Fällen entschieden hat.

Die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik nahm mit Schriftsatz vom 6. August 2018 dahingehend Stellung, dass sie für die Ermittlung der hohen Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG auf die individuelle Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer Tot- oder Fehlgeburt im Vergleich zur gleichaltrigen weiblichen Durchschnittsbevölkerung abstelle. Diese Wahrscheinlichkeit müsse im konkreten Einzelfall signifikant erhöht sein. Allein das Alter der Frau, von der die Eizelle stamme, reiche nicht aus. Auch bei Satz 2 müssten für die Annahme der hohen Wahrscheinlichkeit bereits vor der Untersuchung konkrete individualisierbare Anhaltspunkte für einen Schwangerschaftsverlauf im Sinne des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG vorliegen. Dies könnten unter anderem Reifestörungen der Keimzelle oder auch bereits erlittene Tot- oder Fehlgeburten sein. Häufigste Ursache einer Totoder Fehlgeburt seien spontan entstehende chromosomale Fehlverteilungen in den elterlichen Keimzellen. In den meisten Fällen liege eine Aneuploidie der Eizelle vor. Bei jüngeren Frauen werde eine Aneuploidierate der Eizellen von 20% bis 40% angenommen. Mit zunehmendem mütterlichem Alter steige die Wahrscheinlichkeit einer Aneuploidie der Eizelle. In der Regel führten diese Chromosomenstörungen zu einem Frühabort. Vor allem aber Embryonen mit einer Trisomie 13, 18 oder 21 oder einer zahlenmäßigen Auffälligkeit der Geschlechtschromosomen könnten sich auch über die 12. Schwangerschaftswoche hinaus weiterentwickeln. In diesen Fällen ende die Schwangerschaft nicht zwangsläufig in einer Fehlgeburt, wenngleich auch die Wahrscheinlichkeit hierfür erhöht sei. Die mit erhöhtem mütterlichem Alter steigende Aneuploidierate führe ferner dazu, dass sich aus einer befruchteten Eizelle immer seltener überhaupt eine Schwangerschaft entwickeln könne. Es werde darauf hingewiesen, dass gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 PIDV bei jeder Entscheidung alle im konkreten Einzelfall maßgeblichen psychischen, sozialen oder ethischen Gesichtspunkte berücksichtigt würden, sodass auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG als erfüllt angesehen werde, keine allgemein gültige Antwort gegeben werden könne. Ergänzend teilte die Landesanwaltschaft Bayern mit Schreiben vom 6. August 2018 mit, dass bei der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik bisher rund 110 Anträge eingingen, welche auf die Indikation des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG gestützt worden seien. Viele davon seien von Frauen mit erhöhtem mütterlichem Alter gestellt worden, bei Weitem aber nicht alle. Die PID allein zur Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung der befruchteten Eizelle sei nur in wenigen Fällen so explizit beantragt worden, auch wenn dieser Hintergrund bei mehreren Anträgen durchaus angeklungen habe.

Auf die daneben beim Senat eingegangenen Stellungnahmen der übrigen Ethikkommissionen für PID wird Bezug genommen.

Die Klägerin nahm hierzu dahingehend Stellung, dass aus der Stellungnahme der Ethikkommission hervorgehe, dass es bei dem vorliegenden Rechtstreit nicht mehr darum gehe, ob die Klägerin die Ethikkommission zu beteiligen habe oder nicht, sondern darum, ob es generell in Deutschland erlaubt oder verboten sei, bei älteren Frauen ohne signifikante Auffälligkeiten eine ausreichende Anzahl von Blastozysten zu erzeugen und zu untersuchen mit dem Ziel, ob eine schwangerschaftstaugliche Blastozyste vorliege oder nicht. Bei dieser Auslegung bewirke § 3a Abs. 1, Abs. 2 ESchG einen erheblichen Grundrechtseingriff. Der Wunsch, Kinder zu bekommen, sei grundrechtlich geschützt (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG). Die Entscheidung, bestehende medizinische Möglichkeiten zur Realisierung dieses Wunsches heranzuziehen, sei ebenfalls grundrechtlich geschützt. Ein generelles Verbot des Aneuploidiescreenings in Form der Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern bilde einen Grundrechtseingriff. Das Gewicht dieses Grundrechtseingriffs sei enorm hoch. Das Verbot bewirke eine nachhaltige Verschlechterung der Realisierungschancen einer Schwangerschaft für eine Vielzahl von Grundrechtsträgern. In einer großen Zahl von Fallgestaltungen führe dies beim gegenwärtigen medizinischen Stand zum vollständigen Verlust der Möglichkeit der Herbeiführung einer Schwangerschaft im relevanten Alter. Die zur Rechtfertigung herangezogenen Gemeinwohlgründe müssten ein erhebliches Gewicht besitzen, was aber nicht der Fall sei. Denn die Untersuchung berühre nicht in besonderer Weise Gemeinwohlbelange, insbesondere nicht erheblich den objektiven Gehalt anderer Grundrechte. Blastozysten, die nicht fähig seien, eine Schwangerschaft herbeizuführen, seien je nach dogmatischer Position eventuell noch vom objektiven Gehalt der Grundrechte von Art. 1 Abs. 1 GG oder Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG bzw. eventuell von Art. 2 Abs. 2 GG erfasst. Das Rechtfertigungsgewicht des Schutzgutes „nicht schwangerschaftsgeeignete Blastozysten“ sei aber gering. Ein substantieller Grundrechtsschutz setze zwar vermutlich noch nicht die Einnistung, aber doch zumindest die Fähigkeit zur Einnistung voraus. Es fehle daher an einem ausreichenden Gemeinwohlgrund zur Rechtfertigung dieses Eingriffs. Es liege daher nahe, im Rahmen des verfassungskonformen bzw. verfassungsfreundlichen Auslegens den § 3a Abs. 1 ESchG so zu interpretieren, dass die Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern nicht erfasst werde. Der Gesetzgeber selbst habe die PID nur soweit beschränken wollen, wie es die Legitimation des Grundrechtseingriffs gebiete. Darüber hinaus sei der Grundrechtseingriff zu schwergewichtig, als dass das eingreifende Gesetz hinreichend bestimmt sein müsste, um diesen zu rechtfertigen. Dies sei bei § 3a ESchG nicht der Fall. Das Ergebnis sei auch gesetzessystematisch in sich unsinnig. Der Gesetzgeber habe mit § 3 Abs. 2 Satz 2 ESchG Blastozysten, die nicht lebensfähig seien, in gewisser Weise für weniger schutzwürdig erklärt, als Blastozysten, die lebensfähige Schwangerschaften nach sich zögen. Daher würde es sehr überraschen, wenn der Gesetzgeber in den Fallgestaltungen, in denen die Blastozysten nicht einmal zu einer Schwangerschaft führen könnten, nun einen noch höheren Schutz vorsehen würde. Niste sich eine Blastozyste nicht ein, liege weder eine Fehl- noch eine Totgeburt nach der in der Gesetzesbegründung enthaltenen Definition (BT-Drs. 17/5451, S. 8) vor. Eine nicht erfolgreich verlaufende Schwangerschaft und eine nicht zustande kommende Schwangerschaft seien daher zwei deutlich unterschiedliche Ereignisse.

Es gebe jedoch eine winzige Teilmenge, bei der es um die Fallgestaltung einer ethischen Entscheidung im weiteren Sinne gehe und bei der die Situation im Zusammenhang mit ovariellem Altern äußerlich betrachtet ähnlich aussehe wie die Fälle mit einer erblichen Belastung. Diese spiele in der Praxis jedoch keine sehr große Rolle. Die verantwortliche Ärztin der Klägerin könne sich nicht entsinnen, einen solchen Fall in ihrer bisherigen Praxis schon einmal gesehen zu haben. Es handele sich um den Fall der Trisomie 21. Es gebe eine statistisch seltene, aber vorkommende erbliche Belastung mit einer Trisomie 21, die in aller Regel zu einer Totgeburt führe, aber in wenigen Fällen auch zu einer Lebendgeburt führen könne. Eltern mit Translokationen, auch einer Translokation, an der das Chromosom 21 beteiligt sei, hätten ein exorbitant hohes Risiko für Fehlgeburten und ein erhöhtes Risiko für ein Kind mit einer T21 und gehörten zu den eindeutigen PID-Fällen mit einer elterlichen Vorerkrankung i.S.v. § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG (und auch des Satzes 2). Andererseits sei auch denkbar, dass im Rahmen eines ovariellen Alterns ebenfalls eine Trisomie 21 erzeugt werde (freie T21). In der Regel trete nicht nur eine Trisomie auf, sodass die Blastozyste in der Regel nicht schwangerschaftstauglich sei. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern eine isolierte Trisomie 21 auftrete, bei der zumindest die Schwangerschaft möglich sei und auch eine Lebendgeburt erwartet werden könne. Die betroffenen Blastozysten sähen in beiden Fällen vergleichbar aus, die behandelnde Ärztin wisse aber aufgrund des Verfahrens und den vorausgehenden Untersuchungen, ob es sich um eine erblich bedingte Trisomie 21 handele. Überspitzt formuliert werde im erblich belasteten Fall die Blastozyste mit der Trisomie 21 gesucht, um sie nicht einzusetzen, bei der Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern werde sie gesucht, weil sie zu der Gruppe der Blastozysten gehöre, die wenigstens zu einer Schwangerschaft führen könnte.

Nehme man an, es würde der Klägerin gelingen, bei einer 40-jährigen Frau 50 Eizellen zu stimulieren und sie zu zehn Blastozysten werden zu lassen (in der Praxis sei die Zahl in der Regel geringer) und würde sie nun alle zehn untersuchen und käme zu dem Ergebnis, dass acht Blastozysten nicht zu einer Schwangerschaft führen würden, eine mit einer Trisomie 21 belastet wäre, die aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer Fehl- oder Totgeburt oder vielleicht auch zu einer Lebendgeburt mit einem behinderten Leben führen würde, und bei einer Blastozyste mit einer Lebendgeburt ohne Behinderung zu rechnen wäre. In diesem Fallbeispiel hätte die Untersuchung mit dem Zweck, die acht Blastozysten von den zwei anderen zu unterscheiden nach Ansicht der Klägerin nichts mit dem zu tun, was § 3a Abs. 1 ESchG verbieten möchte. Von den dann bestehenden Wahlmöglichkeiten habe nur die Wahlmöglichkeit, nur die Blastozyste einzusetzen, die die begründete Hoffnung in sich trage, unbelastetes Leben zu erzeugen, mit der Auswahlentscheidung zu tun, die der Gesetzgeber mit § 3a ESchG habe regulieren wollen. Denn nur hier würde zwischen möglichen Schwangerschaften unterschieden und ein wenig Gott gespielt. Würde man diese Auswahlentscheidung an eine Entscheidung der Ethikkommission binden oder sie der Klägerin untersagen, wäre der Gesetzeszweck von § 3a Abs. 1 ESchG auf jeden Fall erreicht, ohne dass der Klägerin die eigentliche Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellem Altern wirklich eingeschränkt wäre. In der Praxis spiele diese Frage keine relevante Rolle.

Zur Frage der von der Klägerin eingesetzten Technik wurde ausgeführt, dass sich diese von der in dem vom BGH entschiedenen Fall eingesetzten Technik unterscheide. Dort seien pluripotente Zellen herangezogen und mithilfe der Fluoreszenzinsitu-Hybridisierung (FISH) untersucht worden. Bei der Klägerin würden murale Trophektodermzellen mittels des Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. In den letzten Jahren habe sie eine Comparative Genomic Hybridisation (CGH) herangezogen. Die eingesetzte Technik unterscheide nicht zwingend danach, ob es um ein Chromosomenscreening zwecks Auffindung von Blastozysten, die zu Tot- oder Fehlgeburten führen oder um eine Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern gehe. Dennoch sei es eine andere Technik als die im BGH-Fall eingesetzte.

Die Landesanwaltschaft Bayern führte hierzu aus, bei einem Aneuploidiescreening würde sich auch zeigen, ob grundsätzlich einer Weiterentwicklung zugängliche und damit schwangerschaftstaugliche Embryonen mit der Trisomie 13, der Trisomie 16, der Trisomie 18, der Trisomie 21 oder einer Monosomie X vorlägen. Blastozysten mit einem derartigen Befund würden von der Klägerin wohl kaum zur Übertragung vorgeschlagen werden bzw. würden die Frauen, die sich in einer Kinderwunschbehandlung befänden, den Transfer ablehnen. Sie bezweifle, dass allein der von der Klägerin als „völlig untergeordnet“ dargestellte Fall zu Auswahlentscheidungen führen würde.

Die Klägerin erwiderte darauf unter Vertiefung ihres Standpunktes, dass mit einem Trisomie 21 belastete Blastozysten eine Geburtswahrscheinlichkeit von 2% besäßen. Bei den Trisomien 13 und 18 liege die Wahrscheinlichkeit bei 0,5%, bei den Trisomien 23 und 16 werde kein Kind geboren.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Akten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sowie die Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 29. November 2018 Bezug genommen.

Gründe

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, aufgrund der Konkretisierung des Zulassungsantrags in der Antragsbegründung, die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2015 (M 18 K 15.2602) und die Anfechtungsklage gegen die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes im Bescheid vom 10. Februar 2016 (M 18 K 16.1370). Die erstinstanzlich noch unter dem letztgenannten Aktenzeichen des Verwaltungsgerichts München erhobene Feststellungsklage auf Feststellung, dass das im Bescheid vom 2. Juni 2015 unter Ziffer III angedrohte Zwangsgeld nicht fällig geworden sei, wurde bereits im Zulassungsverfahren ausweislich der Begründung des Zulassungsantrags nicht weiter verfolgt und war damit nicht mehr Gegenstand des Zulassungswie des Berufungsverfahrens.

In der Berufungsbegründung vom 15. Februar 2018 hat die Klägerin zudem ausgeführt, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit nicht angegriffen werde, als dieses die Klage für unzulässig erklärt habe. Dies betraf die Anfechtungsklage gegen die Ziffer I.2 des Bescheids vom 2. Juni 2015. Nachdem in der Begründung des Zulassungsantrags die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2015 noch vollständig zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden war, stellt diese Einschränkung eine Rücknahme der Berufung dar. Diese war nach § 126 VwGO ohne die Zustimmung der Beklagten möglich, da die Anträge noch nicht gestellt waren. Insoweit war das Verfahren daher nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog einzustellen und nach § 126 Abs. 3 Satz 2 VwGO über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.

Im Übrigen, also soweit sich die Berufung gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Anfechtungsklage gegen Ziffer I.1 des Bescheids vom 2. Juni 2015 und gegen die Entscheidung über die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 10. Februar 2016 (Androhung eines weiteren Zwangsgelds) richtet, ist die Berufung zulässig, aber unbegründet.

1. Ziffer I.1 des Bescheids der Beklagten vom 2. Juni 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Darin wurde der Klägerin untersagt, in ihrer Münchner Zweigniederlassung Trophektodermbiopsien durchzuführen und dieses Verbot wurde unter die auflösende Bedingung gestellt, dass die bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik in jedem Einzelfall eine zustimmende Bewertung abgegeben hat.

Dabei versteht der Bescheid den Begriff „Trophektodermbiopsie" über den eigentlichen Wortsinn von „Biopsie" (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl. 2002, Stichwort: Biopsie) hinaus dahin, dass damit nicht nur die Entnahme einer Zelle des Trophektoderms, sondern auch deren genetische Untersuchung gemeint ist. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Bescheid nebeneinander und ohne erkennbare Differenzierung von „Trophektodermbiopsie" und „Trophektoderm Diagnostik" spricht und ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Die Untersagung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Bayerischen Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) in Verbindung mit § 3a Abs. 4 des Embryonenschutzgesetzes (ESchG). Danach können die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu unterbinden. Die Landeshauptstadt München ist nach Art. 6 LStVG örtlich zuständige Sicherheitsbehörde. Die Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG entgegen § 3a Abs. 3 Satz 1 ESchG ist nach § 3a Abs. 4 ESchG eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu 50.000,00 € geahndet werden kann. Verstöße gegen formelle Rechtmäßigkeitsbestimmungen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Entgegen der Argumentation der Klägerin ist die Anordnung auch materiell rechtmäßig. Die von der Klägerin beabsichtigte Untersuchung muraler Trophektodermzellen ist unabhängig vom mit der Untersuchung verfolgten Zweck eine Untersuchung der Zellen eines Embryos im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG. Damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen einer PID nach § 3a Abs. 1 ESchG erfüllt. Da die Klägerin diese Untersuchungen ohne vorherige zustimmende Bewertung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik durchführen will, liegt auch ein Verstoß gegen § 3a Abs. 3 Satz 1 (konkret Nr. 2) ESchG vor, sodass der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit des § 3a Abs. 4 ESchG erfüllt wird.

a) Zunächst ist festzuhalten, dass die Blastozysten, denen die zu untersuchenden Zellen entnommen werden, bereits Embryonen im Sinne von § 8 Abs. 1 ESchG darstellen. Was unter einem Embryo im Sinne des Embryonenschutzgesetzes zu verstehen ist, regelt § 8 Abs. 1 ESchG. Danach gilt als Embryo einerseits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an (1. Alt.), andererseits aber auch jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle (2. Alt.). Der Gesetzgeber hat sich mit dieser Legaldefinition für einen sehr früh einsetzenden strafrechtlichen Schutz des Embryos entschieden (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 8 ESchG Rn. 1), der bereits mit dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung beginnt. Dieses Stadium haben die von der Klägerin ins Auge gefassten Blastozysten offensichtlich bereits überschritten. Ob die jeweilige Blastozyste fähig ist, sich in die Gebärmutter einzunisten, ist insoweit unerheblich. Denn, wie das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (S. 12, unter Verweis auf den Beschluss des Senats vom 27.10.2015 - 20 CS 15.1904 - juris Rn. 20) überzeugend ausgeführt hat, ist Entwicklungsfähigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 Var. 1 ESchG (nur) die Fähigkeit der befruchteten Eizelle zur Zellteilung (vgl. auch Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 8 Rn. 21). Hat die befruchtete Eizelle ihre Fähigkeit zur Zellteilung bereits dadurch eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie das Blastozystenstadium (vgl. Deutscher Ethikrat, Stellungnahme, BT-Drs. 17/5210, S. 4) erreicht hat, so ist sie unabhängig von ihrer Fähigkeit zur Einnistung in die Gebärmutter oder zur Herbeiführung einer Schwangerschaft jedenfalls Embryo im Sinne von § 8 ESchG.

b) Entgegen der Argumentation der Klägerin sind „Zellen eines Embryo" im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG nicht nur pluripotente Zellen (ebenso Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 3a, Rn. 17). Vielmehr umfasst § 3a Abs. 1 ESchG jede Art von Zellen, die zum Embryo in seiner im Zeitpunkt der Entnahme (Biopsie) der untersuchten Zellen von der Umgebung des Embryos abgrenzbaren Form gehören. Bei einer Biopsie im Blastozystenstadium, wie sie die Klägerin beabsichtigt, gehören daher zu den „Zellen eines Embryos" im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG alle Zellen dieser Blastozyste. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat (S. 12/13 seines Urteils) sind auch murale Trophektodermzellen - unabhängig vom Grad ihrer Ausdifferenzierung - im Zeitpunkt der von der Klägerin vorgesehenen Biopsie noch Teil des Embryos im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG, da sie noch Teil der von der Zona pellicuda begrenzten Einheit sind. Zum Embryo in diesem Sinn gehören im hier interessierenden Zustand vor dem intrauterinen Transfer auch die Zellen des Trophektoderms, die für seine spätere Lebenserhaltung relevant sind und später zu einem Teil der Plazenta oder zu den Eihäuten werden. Ob diese Zellen (noch) totipotent, pluripotent oder nicht mehr pluripotent sind, ist im Rahmen des § 3a Abs. 1 ESchG ohne Bedeutung.

Dies ergibt die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG. Die Auslegung hat grundsätzlich nach den anerkannten Auslegungsmethoden (Wortlaut, Historie, Systematik, Telos) zu erfolgen, wobei der Wortlaut der Norm Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung markiert (allgemeine Meinung, vgl. BVerwG, U.v. 29.06.1992 - 6 C 11/92 - NVwZ 1993, 270, 271; U.v. 28.6.2018 - 2 C 14/17 - juris Rn. 20 m.w.N.).

aa) Die Klägerin will aus dem Wortlaut des § 3a Abs. 1 ESchG, der von der Untersuchung der „Zellen eines Embryos" spricht, schließen, dass damit eine Einschränkung auf bestimmte Zellen verbunden sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Denn, da ein Embryo im Sinne von § 8 Abs. 1 ESchG aus Zellen besteht, ist eine genetische Untersuchung im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG immer die Untersuchung der „Zellen eines Embryos". Der Senat kann daher aus der Verwendung des Begriffs „Zellen eines Embryos" in § 3a Abs. 1 ESchG entgegen der Argumentation der Klägerin schon keine einschränkende Absicht des Gesetzgebers hin auf bestimmte Zellen erkennen.

Der Zusatz „Zellen eines Embryos" dient in § 3a Abs. 1 ESchG tatsächlich allein der Umschreibung des Objekts der genetischen Untersuchung, die vom Gesetzgeber in § 3a Abs. 1 ESchG als Präimplantationsdiagnostik definiert wird. Gegenstand dieser genetischen Untersuchung sind eben die Zellen eines Embryos und nicht der gesamte Embryo, denn bei der genetischen Untersuchung werden die untersuchten Zellen zerstört (vgl. auch Deutscher Ethikrat, Stellungnahme, BT-Drs. 17/5210, S. 4). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in der Berufungsbegründung gezogenen Parallele mit § 7 Abs. 1 Nr. 2 ESchG. Zwar ist dort ähnlich wie in § 3a Abs. 1 ESchG, wo der Terminus „Zellen eines Embryos" verwendet wird, von den „Zellen des Embryos" die Rede. Diese Formulierung dient dort aber allein der sprachlichen Klarstellung, dass es sich bei der in der mit dem menschlichen Embryo verbundenen Zelle enthaltenen Erbinformation um eine andere handelt, als in den Zellen dieses Embryos vorhanden ist. Inwiefern dies für die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG von Bedeutung sein kann, leuchtet nicht ein und wird in der Berufungsbegründung auch nicht näher dargelegt.

Eine andere Wortlautauslegung lässt sich entgegen der Berufungsbegründung auch nicht damit begründen, dass die Formulierung „Zellen eines Embryo" deshalb gewählt worden sei, weil eine Untersuchung totipotenter Zellen „nach fast einhelliger Ansicht" gemäß § 2 und § 6 ESchG schon immer verboten gewesen sei und diese daher bei § 3a Abs. 1 ESchG nicht erfasst würden. Hintergrund dessen sei, bei totipotenten Zellen die Rechtfertigungsmöglichkeit gemäß § 3a Abs. 2 ESchG kategorisch auszuschließen. Zu diesem Zweck werde der Normtext des § 3a Abs. 1 ESchG teleologisch reduziert. Diese Argumentation lässt einerseits außer Acht, dass der Wortlaut des § 3a Abs. 1 ESchG keinen Ansatzpunkt für eine einschränkende Auslegung von „Zellen eines Embryos" gibt. Aus ihm lassen sich keine Hinweise dafür ableiten, dass eine bestimmte Art von Zellen nicht „Zellen eines Embryos" sind. Daneben ergibt sich das Ergebnis, dass die Untersuchung von totipotenten Zellen ungeachtet des Rechtfertigungsgrunds des § 3a Abs. 2 ESchG strafbar ist, auch ohne eine solche teleologische Reduktion. Denn schon aufgrund seiner systematischen Stellung in dem allein die Strafbarkeit der PID regelnden § 3a ESchG verbietet sich eine Anwendung des Rechtfertigungsgrundes nach § 3a Abs. 2 ESchG auf die bei einer Entnahme bzw. Untersuchung totipotenter Zellen einschlägigen §§ 2 und 6 ESchG. Eine teleologische Reduktion des § 3a Abs. 1 ESchG ist dafür nicht notwendig. Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben. Denn die Frage, ob die Entnahme und/oder Untersuchung totipotenter Zellen nach anderen Bestimmungen des ESchG strafbar ist, kann keine Bedeutung für die Auslegung des Begriffs „Zellen eines Embryos" in § 3a Abs. 1 ESchG haben. Auch die Frage, ob § 3a Abs. 2 ESchG auch bei anderen Straftatbeständen des ESchG auf der Rechtfertigungsebene Berücksichtigung finden kann, ist für die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG ohne Bedeutung.

Da die Wortlautauslegung keinen Anhaltspunkt für den Ausschluss von totipotenten Zellen aus dem Begriff der „Zellen eines Embryos" i.S.v. § 3a Abs. 1 ESchG gibt, geht die weitergehende Argumentation der Klägerin, dass aus dem Ausschluss der totipotenten Zellen aus dem Anwendungsbereich des § 3a ESchG geschlossen werden müsse, dass nicht mehr pluripotente Zellen nicht „Zellen eines Embryos" seien, ins Leere. Daneben ist eine solche Auslegung mit dem Wortlaut der Bestimmung nicht vereinbar, da dieser (wie bereits ausgeführt) keinerlei Ansatzpunkt dafür enthält, dass eine bestimmte Art von Zellen nicht „Zellen eines Embryos" sind. Es ist vielmehr eindeutig, dass auch die hier in Frage stehenden muralen Trophektodermzellen - ungeachtet der Frage, ob sie tatsächlich, wie von der Klägerin vertreten, nicht mehr pluripotent sind, was von der Beklagten und der Landesanwaltschaft Bayern bezweifelt wird (vgl. die Niederschrift über die mündliche Verhandlung v. 29. November 2018) - jedenfalls „Zellen eines Embryos" sind.

Die Wortlautauslegung hat damit zum Ergebnis, dass nach ihr die Untersuchung einer Zelle des Embryos, egal welcher Art, für das Vorliegen einer PID nach § 3a Abs. 1 ESchG ausreichend ist. Pluripotente Zellen werden weder in § 3a Abs. 1 noch in § 8 Abs. 1 ESchG erwähnt. Für die Wortlautauslegung sind diese daher in keiner Weise relevant.

bb) Aber auch die historische Gesetzesauslegung gibt für die von der Klägerin behauptete Begrenzung des Begriffs der „Zellen eines Embryos" auf pluripotente Zellen nichts her. Insbesondere lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, dass mit dem mit Wirkung vom 8. Dezember 2011 in das Embryonenschutzgesetz eingefügten § 3a ESchG allein der im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 2010 (5 StR 386/09) entschiedene und für nicht strafbar erkannte Sachverhalt einer Regelung zugeführt werden sollte. Im Gegenteil lässt sich aus der Gesetzesbegründung klar ableiten, dass es dem Gesetzgeber darum ging, eine über den vom BGH entschiedenen Fall hinausgehende grundsätzliche Regelung der PID zu treffen.

Einerseits führt die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5451, S. 2, unter „A. Problem") aus, dass der BGH mit seinem Urteil vom 6.7.2010 festgestellt habe, dass die PID „unter bestimmten Voraussetzungen" straffrei sei. Damit stehe fest, dass die PID in der vom BGH zu entscheidenden Konstellation nicht strafbar sei. Eine eindeutige gesetzgeberische Grundentscheidung, ob und inwieweit die PID in Deutschland Anwendung finden solle, stehe jedoch aus. Der Gesetzentwurf weist also bereits eingangs darauf hin, dass eine Grundsatzentscheidung „ausstehe". Auch in den weiteren Ausführungen (A Allgemeiner Teil, I., BT-Drs. 17/5451, S. 7) wird zwar auf das BGH-Urteil verwiesen, es findet sich aber wiederum keine Aussage, dass gerade dieser Fall geregelt werden sollte. Im Gegenteil wird unter II. ausgeführt, dass es nur in bestimmten Fällen medizinisch vertretbar sei, künstlich gezeugte Embryonen (…) zu untersuchen. Der Gesetzgeber sei gehalten, Rechtssicherheit zu schaffen. Weiter unten führt die Gesetzesbegründung unter III. aus, dass der Entwurf dem Ziel diene, durch eine ausdrückliche Bestimmung im Embryonenschutzgesetz die gesetzliche Grundlage für eine eng begrenzte Anwendung der PID zu schaffen (BT-Drs. 17/5451, S. 7).

Zielrichtung des Gesetzentwurfs war also die Schaffung von Rechtssicherheit im Sinne einer Grundsatzentscheidung; eine Begrenzung auf den vom BGH entschiedenen Fall lässt sich nicht erkennen. Das Urteil des BGH hat, auch wenn es letztlich der Auslöser für das Tätigwerden des Gesetzgebers war, über den Wortlaut der Gesetzesbegründung hinaus keine Bedeutung.

Die nach der Auffassung der Klägerin allein von § 3a Abs. 1 ESchG erfassten pluripotenten Zellen werden zudem (ebenso wie in der Bestimmung selbst) in der Begründung des Gesetzentwurfs nicht erwähnt. Dies deutet darauf hin, dass die Frage, ob die im Rahmen einer PID untersuchten Zellen pluripotent oder nicht (mehr) sind, für den historischen Gesetzgeber nicht von Bedeutung war. Dementsprechend ist es auch für die historische Auslegung der Bestimmung nicht relevant, ob der Gesetzgeber bei der Beschlussfassung über den Gesetzentwurf daran gedacht hat, dass präimplantationsdiagnostische Untersuchungen zu diesem Zeitpunkt oder künftig auch an nicht mehr pluripotenten Zellen vorgenommen werden könnten.

Nicht nachvollziehbar ist insbesondere das Argument der Klägerin, eine Erwähnung der pluripotenten Zellen sei nur unterblieben, weil deren Definition, wie § 2 PIDV zeige, zu lang für ein Parlamentsgesetz gewesen wäre. Tatsächlich zeigt der Blick auf § 2 Nr. 3 PIDV, dass die dort formulierte (im Übrigen für die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG schon aus Gründen der Normhierarchie nicht relevante) Definition der Zellen i. S. d. § 2 Nr. 1 und 2 PIDV keine besondere Länge hat. Insbesondere im Vergleich zu anderen Legaldefinitionen ist nicht erkennbar, dass eine derartige Definition, wäre sie denn vom Gesetzgeber gewollt gewesen, nicht auch im Gesetz hätte erfolgen können.

cc) Aus der Systematik des Embryonenschutzgesetzes lässt sich nichts für die Position der Klägerin, dass nur pluripotente Zellen Gegenstand einer PID nach § 3a Abs. 1 ESchG sein können, ableiten. Insbesondere kann die Klägerin, wie bereits das Verwaltungsgericht in seinem Urteil überzeugend ausgeführt hat (vgl. VG München, U.v. 7.9.2016 - M 18 K 15.2602 und M 18 K M 18 K 16.1370 - juris Rn. 46), sich nicht auf § 2 Nr. 3 PIDV berufen. Dieser definiert die Zellen im Sinne von § 2 Nr. 1 und 2 PIDV als Stammzellen, die (a) einem in vitro erzeugten Embryo entnommen worden sind und die die Fähigkeit besitzen, sich in entsprechender Umgebung selbst durch Zellteilung zu vermehren und die (b) sich selbst oder deren Tochterzellen sich unter geeigneten Bedingungen zu Zellen unterschiedlicher Spezialisierung, jedoch nicht zu einem Individuum zu entwickeln vermögen. Die Formulierung entspricht (bis auf die Untergliederung in (a) und (b)) wörtlich der Definition der pluripotenten Stammzellen in § 3 Nr. 1 StZG, wiederholt aber diesen Begriff nicht.

(1) Die Bestimmung nimmt durch die Formulierung im 2. HS von Nr. 3 lit. b), dass die Zellen sich nicht zu einem Individuum zu entwickeln vermögen, einerseits (insoweit zwischen den Beteiligten unstreitig) eine Abgrenzung von den totipotenten Zellen vor und stellt für die PIDV klar, dass totipotente Zellen keine Zellen eines Embryos im Sinne von § 2 Nr. 1 PIDV sind (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 3a ESchG, Rn. 6; Plesse/Spegele, Bayerisches Ärzteblatt 2015, 182; BR-Drs. 717/12, 16). Aus der Wortlautidentität mit § 3 Nr. 1 StZG leitet ein Teil der Literatur daneben eine Begrenzung auf die dort legaldefinierten pluripotenten (Stamm-)Zellen ab (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 3a ESchG, Rn. 6; Frommel, JZ 2013, 488, 489f; Frommel et al., JRE 2013, 6, 12ff.), womit nicht mehr pluripotente Trophektodermzellen (geht man mit der Klägerin davon aus, dass diese bereits ihre Pluripotenz verloren haben) von der Begriffsbestimmung ausgenommen wären. Gegen diese Auffassung spricht schon, dass in § 2 Nr. 3 PIDV - anders als in § 3 Nr. 1 StZG - von pluripotenten Zellen nicht die Rede ist. Für sich genommen stellt § 2 Nr. 3 lit. b), 2. HS PIDV nur klar, dass totipotente Zellen nicht von § 2 Nr. 1 und 2 PIDV erfasst sind. Im Übrigen verlangt § 2 Nr. 3 PIDV nur, dass die Fähigkeit, sich unter geeigneten Bedingungen zu Zellen unterschiedlicher Spezialisierung zu entwickeln, bestehen muss. Dass damit murale Trophektodermzellen, die sich ausgehend vom Blastozystenstadium, in dem sie entnommen werden, wohl auch noch weiter ausdifferenzieren, wenn auch vielleicht nicht mehr in so unterschiedlicher Weise wie pluripotente Zellen, ausgeschlossen wären, erscheint jedenfalls fraglich. Hierfür spricht im Übrigen auch, dass auch die Begründung der PIDV nur davon spricht, § 2 PIDV „in Anlehnung" an § 3 Nr. 1 StZG zu formulieren. Insbesondere bei fehlender Wortlautidentität bedeutet eine „Anlehnung" an eine andere Norm aber nicht, dass beide Bestimmungen den gleichen Inhalt haben.

Ungeachtet der Tatsache, dass die Begründung einer Verordnung für die Auslegung der ihr zugrunde liegenden Ermächtigungsnorm schon aus systematischen Gründen keine Bedeutung haben kann, ergibt sich aber entgegen der Klägerin aus dieser nicht, dass eine Einschränkung des Begriffs der Zellen eines Embryos im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG überhaupt vom Verordnungsgeber beabsichtigt war. Denn die Verordnungsbegründung spricht nur davon, dass mit der Formulierung sichergestellt sei, dass die Untersuchung an pluripotenten und nicht an totipotenten Zellen durchgeführt werde (BR-Drs. 717/12, 16). Sie dient daher nach der Vorstellung des Verordnungsgebers der Abgrenzung gegenüber der Untersuchung totipotenter Zellen. Eine Einschränkung bezüglich nicht mehr pluripotenter Zellen war vom Verordnungsgeber hingegen nicht vorgesehen (ebenso BayVGH, B.v. 27.10.2015 - 20 CS 15.1904 - juris, Rn. 21).

(2) Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben, da der Verordnungsgeber der PIDV zu einer so verstandenen Definition der Zellen eines Embryos im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG durch das ESchG gar nicht ermächtigt war. § 2 Nr. 3 lit. b) PIDV geht, sieht man darin eine Einschränkung des Begriffs „Zellen eines Embryos" nach § 3a Abs. 1 ESchG, über die in § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG erteilte Ermächtigung hinaus und wäre daher insoweit unwirksam. Er kann daher für die Auslegung des § 3a ESchG keine Bedeutung haben. Denn § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG ermächtigt den Verordnungsgeber nur zur Regelung des Näheren bzgl. der Zulassung der PID-Zentren (Nr. 1), der verfahrensmäßigen Anforderungen an das Verfahren vor den Ethikkommissionen (Nr. 2), hinsichtlich der Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle (Nr. 3) und zu den Anforderungen an die Meldung der im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen (Nr. 4). Über diese abschließend genannten und klar abgrenzbaren Bereiche hinaus erlaubt § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG dem Verordnungsgeber eine Regelung nicht. Eine Ermächtigung zu einer Definition des Begriffs der Präimplantationsdiagnostik oder der „Zellen eines Embryos" im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG ist damit nicht verbunden.

Weiter lässt sich eine Verordnungsermächtigung zur Definition des Begriffs „Zellen eines Embryos" entgegen der Argumentation der Klägerin im Berufungsverfahren nicht aus § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 ESchG (Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der PID durchgeführten Maßnahmen) ableiten. Denn nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG muss eine Verordnungsermächtigung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt sein (vgl. Mann in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 80, Rn. 23 ff; Uhle in Beck-OK GG, 39. Edition Stand 15.11.2018, Art. 80, Rn. 19). Dass mit den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen auch eine Definition der Zellen eines Embryos, die überhaupt Gegenstand einer PID sein können, verbunden ist, geht aus § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 ESchG nicht, geschweige denn hinreichend klar hervor. Die Argumentation der Klägerin berücksichtigt den Wortlaut der Ermächtigungsnorm nicht und missachtet dessen Inhalt.

Soweit die Klägerin argumentiert, aus der Gesetzesbegründung gehe hervor, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers mit der Verordnung nach § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG der § 3a ESchG allgemein konkretisiert werden sollte, übersieht sie, dass die von ihr zitierte Begründung (BT-Drs. 17/5451, S. 8) nicht die Fassung des § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG betrifft, die Gesetz geworden ist, sondern die ursprünglich im Gesetzentwurf enthaltene Fassung, die nur lautete: „Das Nähere wird durch Verordnung der Bundesregierung geregelt." Erst in der Ausschussberatung erhielt § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG die dann Gesetz gewordene Fassung (vgl. BT-Drs. 17/6400), dies insbesondere deshalb, um dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot zu genügen (a.a.O. S. 14). Von einem Auftrag zur allgemeinen Konkretisierung des § 3a ESchG an den Verordnungsgeber kann daher auch nach der Gesetzesbegründung nicht die Rede sein.

(3) Dessen ungeachtet würde eine Verordnungsermächtigung, die dem Verordnungsgeber überließe zu definieren, was unter den „Zellen eines Embryos" im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG zu verstehen ist, gegen die Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, B.v. 27.11.1990 - 1 BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130, 142 [juris Rn. 39 m.w.N.], vgl. Kirchhof in Maunz/Dürig, GG, 84. EL August 2018, Art. 83, Rn. 33ff; Mann in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 80 Rn. 21 f m.w.N.) verstoßen. Danach verpflichten Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen. Wie weit der Gesetzgeber die für den fraglichen Lebensbereich erforderlichen Leitlinien selbst bestimmen muss, richtet sich maßgeblich nach dessen Grundrechtsbezug. Eine Pflicht dazu besteht, wenn miteinander konkurrierende grundrechtliche Freiheitsrechte aufeinandertreffen und deren jeweilige Grenzen fließend und nur schwer auszumachen sind. Bei der Präimplantationsdiagnostik treffen das Lebensrecht und der Menschenwürdeschutz des in vitro erzeugten Embryos und die allgemeine Handlungsfreiheit der Mutter bzw. der Eltern sowie die Berufsfreiheit der Präimplantationsdiagnostiken durchführenden Ärzte bzw. Labors aufeinander (vgl. hierzu weiter unten). Die Regelung der PID erfolgt daher in einem Bereich, in dem konkurrierende Freiheitsrechte aufeinandertreffen. Die Frage, welcher Art die im Rahmen der PID zu untersuchenden Zellen sein können, stellt eine für deren Anwendungsbereich und für die Reichweite des strafrechtlichen Verbotes des § 3a Abs. 1 ESchG grundlegende Frage dar, sodass sie im Sinne der dargestellten Rechtsprechung als „wesentlich" anzusehen ist (ebenso Plesse/Spegele, Bayerisches Ärzteblatt 2015, 182). Eine weitergehende Vertiefung erübrigt sich, da es hierauf für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich ankommt, da § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG dem Verordnungsgeber, wie oben dargestellt, bereits eine solche Ermächtigung nicht erteilt.

dd) Schließlich widersprechen auch Sinn und Zweck der Regelung einer Auslegung von „Zellen eines Embryos" dahingehend, dass nicht mehr pluripotente Trophektodermzellen aus dem Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG ausgenommen wären.

Die Klägerin will die Untersuchung nicht mehr pluripotenter Trophektodermzellen aus dem Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG ausnehmen, da diese sich von den dem Gesetzgeber vorschwebenden pluripotenten Zellen fundamental unterschieden, sodass eine Anwendung des § 3a ESchG nach dem Zweck der Regelung nicht gerechtfertigt sei. Dies trifft aber nicht zu.

Denn Zweck des durch § 3a ESchG geschaffenen Verbots der PID mit „eng begrenzten Ausnahmen" (BT-Drs. 17/5451, S. 8, linke Spalte) ist der Schutz des Embryos in vitro vor einer Nichtimplantation aufgrund einer genetischen Untersuchung und dem darauffolgenden Absterben lassen (Verwerfung) (BT-Drs. 17/5451, S. 7 und 8). Dafür spielt es aber keine Rolle, ob die Verwerfung aufgrund der Untersuchung einer totipotenten, pluripotenten oder nicht mehr pluripotenten Zelle erfolgt. Denn in allen diesen Fällen ist das Ergebnis für das betroffene Schutzgut gleich, nämlich dass der Embryo nicht eingepflanzt wird und abstirbt (Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 3a Rn. 17). Dementsprechend weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die grundlegende ethische Frage, ob der jeweilige Embryo nach der Untersuchung wegen deren Ergebnis implantiert wird oder nicht, sich unabhängig von der Art der untersuchten Zellen stellt.

Dass es bei den von der Klägerin geplanten/durchgeführten Untersuchungen, die diese nach ihrem Vortrag sowohl im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als auch im Berufungsverfahren allein auf den Zweck der Feststellung der Entwicklungsfähigkeit des Embryos aufgrund des ovariellen Alterns bzw. des Alters der Frau, von der die Eizelle stammt, beschränken will, zu derartigen Selektionsentscheidungen kommen kann, steht zur Überzeugung des Senats fest. Die Klägerin versucht zwar, dies mit der Argumentation, sie suche nach einer entwicklungsfähigen, euploiden Zelle, und die nicht ausgewählten Embryonen wären ja ohnehin nicht entwicklungsfähig bzw. würden zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen, zu widerlegen. Jedoch kann es auch nach ihrem eigenen Vortrag zu Selektionsentscheidungen kommen.

Denn die von der Klägerin geplanten genetischen Untersuchungen des Chromosomenmaterials der entnommenen muralen Trophektodermzellen zielen auf die Feststellung von bei ihnen vorhandenen Chromosomenaberrationen, von Aneuploidien. Diese führen neben der mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit vorliegenden fehlenden Entwicklungsfähigkeit in Einzelfällen aber auch zu einer grundsätzlich, wenn auch mit einer geringen statistischen Wahrscheinlichkeit positiv verlaufenden Schwangerschaft, die jedoch zu einem behinderten Kind führt. Das wird von der Klägerin ausdrücklich zugestanden für den Fall einer isolierten, „freien" Trisomie 21 (vgl. die Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2018). Ähnliches gilt (wenn auch zum Teil mit einer noch geringeren Wahrscheinlichkeit) für die ebenfalls mit der von der Klägerin durchzuführenden Methode feststellbaren Trisomien 8, 13 und 18 und für Veränderungen für Geschlechtschromosomen wie dem Klinefelter-Syndrom oder der Monosomie X (Grüber/de Gruisbourne/Pömsl, Präimplantationsdiagnostik in Deutschland, Handreichung des Instituts Mensch, Ethik und Wissenschaft gGmbH, verfügbar unter: www.imew.de, zuletzt recherchiert am 10.1.2019, S. 9 und 32/33), die jedoch regelmäßig mit vergleichsweise schweren Behinderungen einhergehen. Alle diese Fehlverteilungen von Chromosomen können mit der Untersuchungsmethode der Klägerin festgestellt werden. Wird eine derartige Fehlverteilung festgestellt, kann diese Anlass zu einer Verwerfung des Embryos aus diesem Grunde geben. Ob diese von dem durchführenden Labor wie der Klägerin oder von dem Labor auf ausdrückliche Anweisung der Mutter bzw. der Eltern des in vitro erzeugten Embryos durchgeführt wird, ist insoweit unerheblich. Daher kommt es auch nicht darauf an, dass die Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung angab, die Entscheidung über die Einpflanzung bzw. Nichteinpflanzung eines Embryos, bei dem eine Aneuploidie festgestellt worden ist, der Mutter überlässt. Mit dem Anlass für eine Selektion wird gerade die in der Begründung des Gesetzentwurfs unter Ziffer A III. genannte Konstellation relevant (BT-Drs. 17/5451, S. 7, rechte Spalte): „Bei der Abwägung zwischen den Ängsten und Nöten der Betroffenen und ethischen Bedenken gegen die Nichtimplantation eines schwer geschädigten Embryos trifft dieser Gesetzentwurf eine Entscheidung zugunsten der betroffenen Frau. (…) Über die Durchführung der PID ist jedoch in jedem Einzelfall gesondert zu entscheiden." Die Wahrscheinlichkeit oder Häufigkeit, in der es bei den von der Klägerin geplanten Untersuchungen zu einer solchen möglichen Selektionsentscheidung kommt, ist dabei unerheblich. Maßgeblich ist allein, dass diese Möglichkeit aufgrund der Untersuchung besteht. Gerade diese Selektionsentscheidung wollte der Gesetzgeber aber von einer im Einzelfall zu treffenden Entscheidung der Ethikkommission abhängig machen.

Dass die von der Klägerin vertretene Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG zu mit dem Gesetzeszweck keinesfalls vereinbaren Ergebnissen führen würde, zeigt auch die folgende Überlegung: Würden nämlich nicht mehr pluripotente Zellen, die einer Blastozyste entnommen werden, schon keine „Zellen eines Embryos" i.S.v. § 3a Abs. 1 ESchG sein, dann wäre die genetische Untersuchung dieser Zellen nicht nach dieser Bestimmung verboten und müsste auch nicht erst durch eine Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik erlaubt werden. Damit wären genetische Untersuchungen dieser Zellen auch über die eng begrenzten Rechtfertigungsgründe des § 3 Abs. 2 ESchG hinaus erlaubt. Die Klägerin könnte an diesen Zellen alle möglichen genetischen Untersuchungen und nicht nur die nach ihrem Vortrag bezweckten bzgl. des ovariellen Alterns vornehmen, ohne dabei an die Rechtfertigungsgründe des § 3a Abs. 2 ESchG oder eine Entscheidung einer Ethikkommission gebunden zu sein. Auch die nach § 3a Abs. 3 Satz 2 ESchG zu befolgenden Meldeund Dokumentationspflichten würden hierfür dann nicht anwendbar sein. Einer Selektion von Embryonen, die der Gesetzgeber auf wenige Fälle begrenzen wollte, wäre damit Tür und Tor geöffnet.

c) Rechtlich unerheblich ist, dass die Klägerin die von ihr entnommenen muralen Trophektodermzellen allein mit dem Ziel untersuchen will festzustellen, ob die jeweiligen Embryonen die Fähigkeit haben, sich in der Gebärmutter einzunisten und eine Schwangerschaft herbeizuführen. Denn die Legaldefinition der PID in § 3a Abs. 1 ESchG differenziert nicht nach den mit ihr verfolgten Zwecken. Vielmehr definiert sie die PID allein nach ihrem Objekt (Zellen eines Embryos vor seinem intrauterinen Transfer) und der Methode der Untersuchung (genetische Untersuchung). Damit besteht auch kein Einfallstor für eine Auslegung nach dem Zweck der Untersuchung mit der Folge, dass auch für eine verfassungskonforme Auslegung kein Raum ist. Denn das Gebot der verfassungskonformen Auslegung verlangt (nur), dass von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz im Einklang steht. Diese muss jedoch durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt sein (BVerwG, U.v. 28.6.2018 - 2 C 14/17 - juris Rn. 20 m.w.N.), was hier bei der von der Klägerin vertretenen Auslegung gerade nicht der Fall ist.

Daneben sprechen aber auch Sinn und Zweck des § 3a ESchG dagegen, die Untersuchung von Zellen eines Embryos mit dem Ziel, die Fähigkeit dieser Embryonen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft aus der Regelung auszunehmen. Denn würde man § 3a Abs. 1 ESchG abhängig vom Zweck der jeweiligen Untersuchung unterschiedlich auslegen, würden die „freigestellten" Untersuchungen, die nicht dem Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG unterfielen, keinerlei rechtlichen Anforderungen unterliegen. Damit wären auch die vom Gesetzgeber vorgesehenen „flankierenden" Maßnahmen, wie insbesondere die Melde- und Dokumentationspflichten nach § 3a Abs. 3 Satz 2 ESchG nicht anwendbar. Diese Untersuchungen wären dann in keiner Weise im Embryonenschutzgesetz geregelt. Insbesondere würde auch nicht bundesweit dokumentiert, wie viele derartige Untersuchungen stattfänden. Eine Kontrolle, ob diese Vorgaben eingehalten werden oder ob die Untersuchungen auf andere Zwecke ausgedehnt wurden, wäre nicht möglich. Hinzu käme, dass auch „Zufallsfunde", die bei der vorgenommenen Untersuchung bekannt würden, nach denen aber gar nicht gesucht worden sei, nicht geregelt wären (vgl. hierzu Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 3a Rn. 57 ff.).

d) Die von der Klägerin an den biopsierten muralen Trophektodermzellen geplanten bzw. durchgeführten Untersuchungen sind genetische Untersuchungen im Sinne von

§ 3a Abs. 1 ESchG.

Unter genetischen Untersuchungen werden allgemein sowohl molekulargenetische als auch zytogenetische (chromosomale) Untersuchungen verstanden (vgl. zu den Einzelheiten Deutscher Ethikrat, Stellungnahme zur Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5210, S. 7f; auch Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 3a, Rn. 18, der die Definition in § GenDG für „im wesentlichen" auf § 3a übertragbar hält). Die von der Klägerin angewandten Untersuchungsverfahren „Next Generation Sequencing" bzw. „array Comparative Genomic Hydridisation" (aCGH) (vgl. zu letzterem Deutschen Ethikrat, BT-Drs. 17/5210, S. 7) dienen der Feststellung chromosomaler Fehlverteilungen, stellen zytogenetische Verfahren dar und sind daher genetische Untersuchungen im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 3a ESchG, Rn. 9). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

e) Die dargestellte Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG widerspricht nicht dem Verfassungsrecht. Sie verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG und ist im Einklang mit den betroffenen Grundrechten.

aa) Art. 103 Abs. 2 GG enthält ein an den Gesetzgeber gerichtetes Bestimmtheitsgebot. Dieser ist gehalten, Strafgesetze so genau zu formulieren, dass sich für den Bürger die Grenze des straffreien Raums möglichst schon aus dem Gesetz ergibt (BVerfG, U.v. 5.2.2004 - 2 BvR 2029/01 - NJW 2004, 739). Er hat die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Tatbestände sich aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen (BVerfG, B.v. 2.6.2010 - 2 BvR 2559/08 u.a. - BVerfGE 126, 170, 196).

Ein Verstoß gegen dieses Gebot durch § 3a Abs. 1 ESchG ist nicht erkennbar. Was „Zellen eines Embryos" in diesem Sinne sind, ergibt sich nach einer Auslegung anhand der anerkannten Auslegungsmethoden eindeutig aus dem Gesetz (s.o.). Entgegen der Argumentation in der Berufungsbegründung kann auch keine Rede davon sein, dass die von der Beklagten vorgenommene (zutreffende) Auslegung des Gesetzes zu einer Ausweitung der Strafbarkeit führt.

bb) Die Entscheidung eines Paares, von den Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin Gebrauch zu machen und neben einer invitro-Fertilisation auch eine Präimplantationsdiagnostik an den in vitro erzeugten Embryonen durchführen zu lassen, stellt ein grundrechtlich geschütztes Verhalten dar. Es fällt, wie die Klägerin zutreffend anmerkt, in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. zu den verschiedenen dogmatischen Ansätzen, unter welches Grundrecht dieses Handeln zu fassen ist: Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, Art. 6 Rn. 1 m.w.N.), und zwar in ihrer abwehrrechtlichen Komponente. Die Grundrechtsträger haben im Rahmen ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit ein grundsätzliches Recht auf Wahrnehmung der nicht verbotenen, medizinisch angebotenen Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin.

Durch das Verbot der PID in § 3a Abs. 1 ESchG wird in das Grundrecht eingegriffen, indem den potentiellen Eltern verboten wird, bei einer in vitro Fertilisation von der medizinischen Möglichkeit einer PID Gebrauch zu machen.

Dieser Eingriff ist jedoch gerechtfertigt. Ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit kann nach Art. 2 Abs. 1 GG durch die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz gerechtfertigt sein. Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts alle Rechtsnormen, die formell und materiell mit der Verfassung im Einklang stehen (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, B.v. 25. 1. 2011 - 1 BvR 918/10 - BVerfGE 128, 193, 206).

§ 3a Abs. 1 ESchG gehört zur verfassungsmäßigen Ordnung. Das Verbot der PID ist formell (hierzu (1)) und materiell verfassungsgemäß. Es ist durch das Recht des Embryos auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (hierzu (2)) und den Schutz seiner Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG (hierzu (3)) gerechtfertigt. Das Verbot aus diesen Gründen stellt sich auch als verhältnismäßig dar (hierzu (4)).

(1) § 3a Abs. 1 ESchG ist formell verfassungsgemäß. Die Gesetzgebungskompetenz hierfür ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 (Strafrecht) und Nr. 26 (medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, Untersuchung von Erbinformationen). Verstöße gegen formelle Bestimmungen des Gesetzgebungsverfahrens sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Bestimmung ist auch materiell verfassungsgemäß. Das strafbewehrte Verbot der PID dient dem Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit des Embryos in vitro und dem Schutz seiner Menschenwürde und ist auch verhältnismäßig.

(2) Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wird durch eine PID nur berührt, wenn der Schutz dieser Bestimmung sich bereits auf den Embryo in vitro, also vor der Nidation, bezieht. Das Bundesverfassungsgericht hat sich hierzu - sieht man von den beiden die vorliegende Problematik nicht unmittelbar betreffenden Entscheidungen zum Abtreibungsrecht (U.v. 25.2.1975 - 1 BvF 1/74 u.a. - BVerfGE 39, 1 ff; U.v. 28.9.1993 - 2 BvF 2/90 -BVerfGE 88, 203 ff) ab - bislang nicht geäußert. Im Rahmen der äußerst umfangreichen (vgl. die Nachweise bei Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, B.IV Rn. 42, Fn. 275 und Rn. 50; Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, Art. 2 GG Rn. 19 ff.; Böckenförde-Wunderlich, Präimplantationsdiagnostik als Rechtsproblem, Tübingen 2002, S. 156 ff.; Rohrer, Menschenwürde am Lebensanfang und am Lebensende und strafrechtlicher Lebensschutz, Berlin 2012, S. 88 ff.; Weschka, Präimplantationsdiagnostik, Stammzellforschung und therapeutisches Klonen: Status und Schutz des menschlichen Embryos vor den Herausforderungen der modernen Biomedizin, Berlin 2010, S. 151 ff., jeweils m.w.N.) Diskussion der Frage, ob sich der Schutz des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bereits auf den Embryo in vitro bezieht und dieser mithin bereits als lebend in diesem Sinne zu sehen ist, wird zentral mit den Begriffen der Potentialität, Identität, Kontinuität und dem sogenannten Speziesargument argumentiert (vgl. die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5210, S. 13 ff., SKIP-Kriterien, vgl. Bundesärztekammer, Memorandum zur PID, 17.2.2011, S. 6). Dabei bedeutet das Speziesargument, dass dem Embryo bereits deshalb Lebensschutz zukommt, weil er von der genetischen Ausstattung her der menschlichen Spezies zugehörig ist (vgl. die Nachweise bei Weschka, Präimplantationsdiagnostik, S. 191). Unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität wird argumentiert, dass der Entwicklungsprozess hin zum Menschen ein kontinuierlicher Vorgang sei, der keine scharfen Einschnitte aufweise und eine genaue Abgrenzung von verschiedenen Entwicklungsstufen des menschlichen Lebens nicht zulasse. Er sei auch nicht mit der Geburt beendet, da die für die menschliche Persönlichkeit spezifischen Bewusstseinsphänomene zum Teil erst längere Zeit nach der Geburt aufträten (BVerfG, U.v. 25.2.1975 - 1 BvR 1/74 u.a. - BVerfGE 39, 1, 37 [juris Rn. 136]; vgl. dazu die weitergehenden Nachweise bei Weschka, a.a.O., S. 193). Mit dem Identitätsargument wird umschrieben, dass der Embryo bereits im frühesten Stadium identisch mit dem Menschen sei, aus dem er sich entwickle, und daher ebenso wie dieser zu schützen sei (vgl. Weschka, a.a.O., S. 200 m.w.N.). Und schließlich wird unter dem Potentialitätsargument darauf hingewiesen, dass bereits die befruchtete Eizelle ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung alles enthalte, was für die Entwicklung zum vollständigen Menschen notwendig sei (vgl. Weschka, a.a.O., S. 196 m.w.N.). Zwar wird in der Diskussion hinsichtlich des Embryos in vitro darauf hingewiesen, dass das Kontinuitätsargument scheinbar nicht greife, da für die weitere Entwicklung die Einpflanzung in die Gebärmutter und damit ein Tätigwerden eines Menschen notwendig sei. Ein geringerer Schutz des Embryos in vitro kann jedoch daraus bereits aus dem Grunde nicht abgeleitet werden, da ansonsten der verfassungsrechtliche Lebensschutz zur Disposition des Implantierenden stehen würde (Rohrer, Menschenwürde, S. 110). Im Ergebnis geht daher die wohl überwiegende Meinung in der Literatur davon aus, dass auch der Embryo in vitro von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützt ist (vgl. u.a. Müller-Terpitz, a.a.O., Art. 2 GG, Rn. 21 f, insbesondere 22; Hillgruber, Präimplantationsdiagnostik, in Spieker/Hillgruber/Gärditz, Die Würde des Embryos, Paderborn 2012, S. 62; Rohrer, Menschenwürde, S. 105, 110, 126).

Das strafbewehrte Verbot des § 3a Abs. 1 ESchG dient dem Schutz des Lebens des Embryos in vitro, da es eine mögliche Verwerfung des Embryos infolge einer PID verhindert.

(3) Auch die Frage, ob der Embryo in vitro bereits Träger des Menschenwürdegrundrechts ist, ist aus den im wesentlichen gleichen Gründen, wie sie zum Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ausgeführt wurden, umstritten. Auch insoweit ist aber richtigerweise davon auszugehen, dass er bereits Grundrechtsträger ist.

Hinzu kommt hier als weiteres Argument, dass, auch wenn man davon ausginge, dass ein Embryo erst ab der Nidation, also ab der erfolgreichen Einpflanzung in der Gebärmutter Grundrechtsträger sein könne, für seinen Schutz die objektivrechtliche Dimension des Menschenwürdegrundrechts nach Art. 1 Abs. 1 GG streiten würde: Denn, wenn die öffentliche Gewalt humanes Leben zu schützen verpflichtet ist, ohne dass dieses Leben eigene, subjektive Lebensrechte besitzt, so kann dies nur über den objektiven Gewährleistungsgehalt des Art. 1 Abs. 1 GG erfolgen. Objektivrechtliche Vorfelder und Nachwirkungen des subjektiven Lebensschutzes sind grundsätzlich anerkannt (vgl. Di Fabio in Maunz/Dürig, GG, 43. Ergänzungslieferung, Februar 2004, Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 28; ähnlich Zippelius in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 73. Ergänzungslieferung 1995, Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2, Rn. 29).

Das Verbot des § 3a ESchG dient damit auch dem Schutz der Menschenwürde der nach Durchführung einer PID von einer Verwerfung bedrohten Embryonen in vitro.

(4) § 3a Abs. 1 ESchG stellt verwaltungsrechtlich ein repressives Verbot mit einem in Absatz 2 geregelten Befreiungsvorbehalt dar. Bei einem solchen verbietet der Gesetzgeber generell ein bestimmtes Verhalten als unerwünscht, gestattet aber, dass in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine Befreiung von diesem Verbot erteilt wird. Abzugrenzen ist es von der präventiven Kontrollerlaubnis. Dort verbietet der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten nicht, weil es generell unterbleiben soll, sondern um vorweg prüfen zu können, ob die einzelnen materiellen Anforderungen eingehalten werden (vgl. zum Ganzen: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 9 Rn. 51 ff, insb. 55).

Aus der Gesetzesbegründung zu § 3a ESchG lässt sich ablesen, dass die PID vom Gesetzgeber nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erlaubt werden sollte (BT-Drs. 17/5451, S. 3, 7 und 8). Daneben wird darin ausgeführt, dass ein absolutes Verbot gegen die Verhältnismäßigkeit verstoßen würde. Weiterhin wird auf den Eingriff in Grundrechtspositionen verwiesen (BT-Drs. 17/5451, S. 7). Damit hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er grundsätzlich die PID verbieten und nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulassen wollte. Das Verständnis als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt entspricht auch der gesetzlichen Regelungssystematik. § 3a ESchG spricht in seinem Absatz 1 zunächst die Strafbarkeit der PID aus. Im Anschluss daran werden in Absatz 2 zwei eng begrenzte Möglichkeiten genannt, in denen diese Strafbarkeit wieder entfällt. Allerdings wird nicht die Tatbestandsmäßigkeit der Straftat ausgeschlossen, sondern nur die nachrangige Rechtswidrigkeit beseitigt. Auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3a Abs. 2 ESchG vorliegen, stellt die durchgeführte PID eine tatbestandsmäßige Straftat dar.

Dieses Verbot mit Befreiungsvorbehalt ist verhältnismäßig. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu den insoweit zu beachtenden Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit ausgeführt, dass, während bei einer an sich erlaubten Tätigkeit die Voraussetzungen für Vorbehalte ganz allgemein enger zu ziehen sind, der Gesetzgeber bei Gefahr bringenden Betätigungen freier gestellt sei. Gemessen an Art und Bedeutung des zu schützenden Rechtsguts und dem Grad seiner Gefährdung müsse der Eingriff in die Betätigungsfreiheit geeignet und erforderlich sein, das in Betracht stehende öffentliche Interesse zu fördern oder zu schützen und dürfe als Mittel zum Zweck nicht schlechthin außer Verhältnis stehen (BVerwG, U.v. 3.10.1972 - I C 36.68 BVerwGE 41, 1 [juris Rn. 28]).

Das grundsätzliche Verbot der PID in § 3a Abs. 1 ESchG dient dem Schutz des Lebens und der Menschenwürde des in vitro befruchteten Embryos. Dabei handelt es sich wie bei Leben und Menschenwürde immer um ein sehr hochrangiges Schutzgut. Daran ändert auch die Argumentation der Klägerin, der Gesetzgeber habe mit § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG deutlich gemacht, dass er die Lebensfähigkeit von Blastozysten für nicht irrelevant halte und nicht lebensfähige Blastozysten in gewisser Weise für weniger schutzwürdig erklärt, nichts. Denn vorliegend geht es allein um die Frage, ob vor der Durchführung einer PID die Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik beteiligt werden muss. § 3a Abs. 2 ESchG ist allein im Rahmen dieser Entscheidung von Bedeutung. Dementsprechend kann aus dieser Bestimmung auch kein Argument dafür abgeleitet werden, die Entscheidung über die genetische Untersuchung bestimmter Embryonen unabhängig von der Entscheidung der Ethikkommission zuzulassen und die Entscheidung über die Durchführung der PID gerade nicht mehr vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 1 oder 2 ESchG abhängig zu machen. Das Verbot zielt darauf ab, den in vitro erzeugten Embryo nicht der Gefahr, aufgrund einer durchgeführten PID verworfen zu werden, auszusetzen. Hierzu ist es auch grundsätzlich geeignet. Ein milderes, ebenso effektives Mittel als das Verbot mit Befreiungsvorbehalt ist nicht ersichtlich. Daran ändert auch die Argumentation der Klägerin nichts, dass mit der Untersuchung ja nur festgestellt werden solle, ob die jeweilige in vitro befruchtete Eizelle die Fähigkeit zur Einnistung in die Gebärmutter und zur Herbeiführung einer Schwangerschaft hat; bei den aufgrund dieser Untersuchung zu verwerfenden Eizellen würde ja gerade keine Schwangerschaft entstehen bzw. eine Fehlgeburt erfolgen. Denn die Untersuchung zielt primär auf die Feststellung von Chromosomenaberrationen ab. Festgestellt werden können auch solche Chromosomenaberrationen, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine Schwangerschaft und nachfolgend ein lebensfähiges Kind mit einer Trisomie auslösen, wie die Klägerin selbst für den (von ihr allerdings als selten eingestuften) Fall einer freien Trisomie 21 zugesteht. Aus ihrem eigenen Vortrag ergibt sich zudem, dass eine solche Möglichkeit (wenn auch in erheblich geringerem Maße) auch für den Fall einer Trisomie 13 oder 18 besteht. In diesen mehr oder weniger häufigen Fällen bestünde die Gefahr einer Verwerfung aufgrund des Untersuchungsergebnisses. Ein milderes Mittel als das grundsätzliche Verbot mit Befreiungsvorbehalt für diese Gruppe ist nicht ersichtlich. Eine nachträgliche Antragstellung im Fall eines derartigen Untersuchungsergebnisses, wie sie die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 4. September 2018 anreißt, wäre dagegen nicht praktikabel. Schließlich ist der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der potentiellen Eltern auch angemessen. Denn in § 3a Abs. 2 ESchG ist eine Befreiungsmöglichkeit in den dort geregelten Fällen nach einer im Einzelfall erfolgenden positiven Bewertung der Ethikkommission gerade vorgesehen.

cc) § 3a Abs. 1 ESchG verletzt auch nicht die Berufsfreiheit der auf dem Gebiet der PID tätigen Ärzte oder von Laboren wie der Klägerin (zur Grundrechtsträgerschaft von juristischen Personen des Privatrechts vgl. Mann in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 37ff.). Zwar führt das Verbot der PID zu einem Eingriff in den einheitlichen Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG, da die Durchführung von Präimplantationsdiagnostiken nicht bzw. nicht in dem Umfang, wie es ohne § 3a Abs. 1 ESchG möglich wäre, zum Gegenstand einer beruflichen Tätigkeit gemacht werden kann. Dieser Eingriff ist aber jedenfalls gerechtfertigt. Der Regelungsvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst das gesamte Grundrecht der Berufsfreiheit (Ruffert in Beck-OK GG, 39. Edition Stand 15.11.2018, Art. 12 Rn. 73 m.w.N.). Die gesetzliche Regelung des Art. 3a Abs. 1 GG ist auch verhältnismäßig. Ob sie nach der 3-Stufen-Lehre des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, U.v. 11.6.1958 - 1 BvR 596/56 -. BVerfGE 7, 377) als Berufsausübungsregelung oder objektive Berufswahlregelung anzusehen ist, kann letztlich dahin gestellt bleiben. Betrachtet man sie nämlich als Berufsausübungsregelung, so kommt sie von ihren Auswirkungen her einem Eingriff in die Berufswahlfreiheit nahe (BVerfG, Urteil vom 23. 3. 1960 - 1 BvR 216/51 - BVerfGE 11, 33, 44) und ist daher nur gerechtfertigt, wenn Allgemeininteressen von solchem Gewicht bestehen, dass sie Vorrang vor der beruflichen Beeinträchtigung haben. Dies ist nach den obigen Ausführungen aufgrund der Bedeutung für den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit sowie der Würde des Embryos in vitro der Fall.

Ob diese Möglichkeit insbesondere im Hinblick auf die betroffenen Grundrechte der potentiellen Eltern richtig wahrgenommen wird, ist im vorliegenden Fall jedoch nicht entscheidungserheblich, da es hier nur um das Verbot, Präimplantationsdiagnostiken ohne vorherige Beteiligung der Ethikkommission durchzuführen, geht. Dementsprechend kommt es vorliegend auch nicht auf die klägerseits geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Auslegung des § 3a Abs. 2 ESchG an.

Im Ergebnis ist die von der Beklagten ausgesprochene Untersagung in Ziffer I.1 des Bescheids vom 2. Juni 2015 rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in eigenen Rechten. Die Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht ist somit nicht zu beanstanden und die Berufung insoweit zurückzuweisen.

2. Auch die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2016, mit dem der Klägerin ein weiteres, höheres Zwangsgeld angedroht wurde ist zulässig, aber unbegründet.

Der Grundverwaltungsakt, die Untersagung vom 2. Juni 2015, war aufgrund des Beschlusses des Senats vom 27. Oktober 2015 (20 CS 15.1904 - juris) sofort vollziehbar und im Übrigen auch rechtmäßig (s. oben). Nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG ist eine erneute Androhung eines Zwangsgeldes nur dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung erfolglos geblieben ist. Hier war die Zuwiderhandlung der Klägerin gegen den Grundverwaltungsakt am 4. November 2015 nachgewiesen. Ergänzend wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des verwaltungsgerichtlichen Urteils verwiesen.

Damit war die Berufung auch insoweit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich hinsichtlich der zurückgenommenen Berufung aus § 155 Abs. 2 VwGO, im Übrigen aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision war nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da die Frage, ob eine Präimplantationsdiagnostik zu dem Zweck, die Fähigkeit eines Embryos zur Einnistung in die Gebärmutter aufgrund des ovariellen Alterns der Eizelle festzustellen, von § 3a Abs. 1 ESchG erfasst ist, grundsätzliche Bedeutung hat.

(1) Der Tatbestand des § 218 ist nicht verwirklicht, wenn

1.
die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen,
2.
der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen wird und
3.
seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.

(2) Der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig, wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann.

(3) Die Voraussetzungen des Absatzes 2 gelten bei einem Schwangerschaftsabbruch, der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommen wird, auch als erfüllt, wenn nach ärztlicher Erkenntnis an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach den §§ 176 bis 178 des Strafgesetzbuches begangen worden ist, dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß die Schwangerschaft auf der Tat beruht, und seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.

(4) Die Schwangere ist nicht nach § 218 strafbar, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach Beratung (§ 219) von einem Arzt vorgenommen worden ist und seit der Empfängnis nicht mehr als zweiundzwanzig Wochen verstrichen sind. Das Gericht kann von Strafe nach § 218 absehen, wenn die Schwangere sich zur Zeit des Eingriffs in besonderer Bedrängnis befunden hat.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

(1) Der Tatbestand des § 218 ist nicht verwirklicht, wenn

1.
die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen,
2.
der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen wird und
3.
seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.

(2) Der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig, wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann.

(3) Die Voraussetzungen des Absatzes 2 gelten bei einem Schwangerschaftsabbruch, der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommen wird, auch als erfüllt, wenn nach ärztlicher Erkenntnis an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach den §§ 176 bis 178 des Strafgesetzbuches begangen worden ist, dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß die Schwangerschaft auf der Tat beruht, und seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.

(4) Die Schwangere ist nicht nach § 218 strafbar, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach Beratung (§ 219) von einem Arzt vorgenommen worden ist und seit der Empfängnis nicht mehr als zweiundzwanzig Wochen verstrichen sind. Das Gericht kann von Strafe nach § 218 absehen, wenn die Schwangere sich zur Zeit des Eingriffs in besonderer Bedrängnis befunden hat.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

Wer es unternimmt, eine menschliche Eizelle mit einer Samenzelle künstlich zu befruchten, die nach dem in ihr enthaltenen Geschlechtschromosom ausgewählt worden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Dies gilt nicht, wenn die Auswahl der Samenzelle durch einen Arzt dazu dient, das Kind vor der Erkrankung an einer Muskeldystrophie vom Typ Duchenne oder einer ähnlich schwerwiegenden geschlechtsgebundenen Erbkrankheit zu bewahren, und die dem Kind drohende Erkrankung von der nach Landesrecht zuständigen Stelle als entsprechend schwerwiegend anerkannt worden ist.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

(1) Der Tatbestand des § 218 ist nicht verwirklicht, wenn

1.
die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen,
2.
der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen wird und
3.
seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.

(2) Der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig, wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann.

(3) Die Voraussetzungen des Absatzes 2 gelten bei einem Schwangerschaftsabbruch, der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommen wird, auch als erfüllt, wenn nach ärztlicher Erkenntnis an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach den §§ 176 bis 178 des Strafgesetzbuches begangen worden ist, dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß die Schwangerschaft auf der Tat beruht, und seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.

(4) Die Schwangere ist nicht nach § 218 strafbar, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach Beratung (§ 219) von einem Arzt vorgenommen worden ist und seit der Empfängnis nicht mehr als zweiundzwanzig Wochen verstrichen sind. Das Gericht kann von Strafe nach § 218 absehen, wenn die Schwangere sich zur Zeit des Eingriffs in besonderer Bedrängnis befunden hat.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

(1) Der Tatbestand des § 218 ist nicht verwirklicht, wenn

1.
die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen,
2.
der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen wird und
3.
seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.

(2) Der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig, wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann.

(3) Die Voraussetzungen des Absatzes 2 gelten bei einem Schwangerschaftsabbruch, der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommen wird, auch als erfüllt, wenn nach ärztlicher Erkenntnis an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach den §§ 176 bis 178 des Strafgesetzbuches begangen worden ist, dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß die Schwangerschaft auf der Tat beruht, und seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.

(4) Die Schwangere ist nicht nach § 218 strafbar, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach Beratung (§ 219) von einem Arzt vorgenommen worden ist und seit der Empfängnis nicht mehr als zweiundzwanzig Wochen verstrichen sind. Das Gericht kann von Strafe nach § 218 absehen, wenn die Schwangere sich zur Zeit des Eingriffs in besonderer Bedrängnis befunden hat.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

(1) Die Ethikkommission übermittelt der Antragsberechtigten innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Vorliegen der nach § 5 Absatz 2 erforderlichen Angaben und vollständigen Unterlagen ihre schriftliche Entscheidung über den Antrag auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik.

(2) Die Ethikkommissionen können zur Prüfung eines Antrags auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik und der dafür eingereichten Unterlagen

1.
eigene wissenschaftliche Erkenntnisse verwerten,
2.
Sachverständige beiziehen, die mit der Gesundheitsschädigung, die Gegenstand des zu prüfenden Antrags ist, Erfahrung haben,
3.
Gutachten anfordern oder
4.
die Antragsberechtigte mündlich anhören.
Die Ethikkommissionen sind verpflichtet, in den Fällen von Satz 1 Nummer 2 und 3 die personenbezogenen Daten zu anonymisieren oder, solange eine Anonymisierung zur Erlangung der notwendigen Erkenntnisse noch nicht möglich ist, zu pseudonymisieren.

(3) Ärztinnen und Ärzte sind von der Prüfung eines Antrags auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik ausgeschlossen, wenn sie im Fall einer zustimmenden Bewertung des Antrags die Präimplantationsdiagnostik durchführen, an der künstlichen Befruchtung beteiligt sein werden oder in dem Zentrum, in dem die Präimplantationsdiagnostik oder die künstliche Befruchtung durchgeführt werden soll, tätig sind.

(4) Die Ethikkommissionen haben den Antrag auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik zustimmend zu bewerten, wenn sie nach Prüfung der in § 5 Absatz 2 genannten Angaben und Unterlagen unter Berücksichtigung der im konkreten Einzelfall maßgeblichen psychischen, sozialen und ethischen Gesichtspunkte zu dem Ergebnis kommen, dass die in § 3a Absatz 2 des Embryonenschutzgesetzes genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Sie treffen ihre Entscheidung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der stimmberechtigten Mitglieder.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.

(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.

(3) Der Bundesrat kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlaß von Rechtsverordnungen zuleiten, die seiner Zustimmung bedürfen.

(4) Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Der Gegenstandswert der Tätigkeit der Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin wird auf 120.000 € (in Worten: einhundertzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Kläger begehrt seine Ernennung zum Regierungsinspektoranwärter im Beamtenverhältnis auf Widerruf und seine Einstellung in den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes im Bundesnachrichtendienst (BND).

2

Nachdem der Kläger das Auswahlverfahren für eine Zulassung zum Vorbereitungsdienst auf einem vorderen Listenplatz erfolgreich absolviert hatte, teilte ihm der Personalbereich des BND unter dem 2. April 2014 mit, dass - vorbehaltlich weiterer Voraussetzungen - eine Einstellung des Klägers beabsichtigt sei. Sodann erhielt der Kläger unter dem 27. August 2014 die Mitteilung des Personalbereichs des BND, dass nicht alle am Verfahren beteiligten Stellen im BND seiner Einstellung zugestimmt hätten. Auf zunächst telefonische, dann schriftliche Nachfrage wurde ihm - ohne nähere Begründung - bedeutet, dass gegen ihn Sicherheitsbedenken i.S.v. § 5 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes (SÜG) bestünden.

3

Der Kläger hat Widerspruch erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel seiner Einstellung beim BND beantragt. Den Eilantrag hat er im Erörterungstermin vor dem Vorsitzenden des Senats am 14. Oktober 2014 zurückgenommen. In diesem Termin hat der Sitzungsvertreter der Beklagten erklärt, dass diese zum Schutz der Auskunftspersonen und Erkenntnisquellen sowie aus prinzipiellen Gründen des Schutzes des Verfahrens der Erkenntnisgewinnung des BND nicht bereit sei, die Anhaltspunkte offenzulegen, aufgrund derer sie ein Sicherheitsrisiko in einer Tätigkeit des Klägers beim BND sehe.

4

In dem daraufhin ergangenen zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2014 hat die Beklagte ausgeführt, der BND sei gegenüber Einstellungsbewerbern nicht verpflichtet, seine ablehnende Entscheidung zu begründen und das Sicherheitsrisiko näher zu erläutern.

5

Mit seiner am 6. November 2014 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Einstellungsbegehren weiter. Die Ablehnung seiner Bewerbung sei bereits wegen der unterbliebenen Anhörung sowie wegen der fehlenden Begründung des vom BND angenommenen Sicherheitsrisikos rechtswidrig. Aufgrund des gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verbürgten effektiven Rechtsschutzes müsse es einem Bewerber beim BND möglich sein, eine ablehnende Einstellungsentscheidung wenigstens im Großen und Ganzen so überprüfen zu können, dass er über die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes sachgerecht entscheiden könne.

6

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 27. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn zum nächstmöglichen Termin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Regierungsinspektoranwärter zu ernennen und in den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst im Bundesnachrichtendienst einzustellen.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie verteidigt ihre ablehnende Haltung, dem Kläger die von ihr gesehenen Anhaltspunkte für die Annahme eines Sicherheitsrisikos zu eröffnen. Würde bekannt, wie der BND bei Einstellungsbewerbern deren sicherheitsrechtliche Eignung überprüfe, würde es ausländischen Nachrichtendiensten erleichtert, Personen in den BND einzuschleusen, und der BND könnte in der Folge nicht mehr auf die bisherigen Ermittlungsmethoden zurückgreifen. Die damit verbundene Einschränkung effektiven Rechtsschutzes sei gerechtfertigt; Letzterer werde im Rahmen eines ggf. durchzuführenden "in-camera"-Verfahrens gemäß § 99 Abs. 2 VwGO in gebotenem Maße gewahrt.

II

9

Gemäß § 86 Abs. 1 und § 99 Abs. 1 VwGO ist der Beklagten die (vollständige) Vorlage derjenigen Aktenbestandteile aufzugeben, aus denen sich die von ihr gesehenen tatsächlichen Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko i.S.v. § 5 und § 14 Abs. 3 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes - Sicherheitsüberprüfungsgesetzes - (SÜG) vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867, zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011, BGBl. I S. 2576) bei einer Tätigkeit des Klägers beim BND ergeben. Die Vorlage dieser Aktenbestandteile ist für eine Entscheidung im vorliegenden Verfahren entscheidungserheblich, weil der Senat nur so über das Rechtsschutzbegehren des Klägers - zumindest hinsichtlich des Neubescheidungsbegehrens (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) - befinden kann. Im Einzelnen:

10

Der Kläger kann aus Art. 33 Abs. 2 GG beanspruchen, dass über seine Bewerbung, ihn unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Regierungsinspektoranwärter zu ernennen und in den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst im BND einzustellen, nur unter Beachtung der in dieser Vorschrift für allein maßgeblich erklärten Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung entschieden wird (stRspr; vgl. etwa Urteile vom 29. November 2012 - 2 C 6.11 - BVerwGE 145, 185 Rn. 10 und vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14 Rn. 15 m.w.N.). Zur Eignung in diesem Sinne zählt auch die sicherheitsrechtliche Eignung (BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2011 - 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 Rn. 27).

11

Der BND als eine im Kernbereich nachrichtendienstlicher Tätigkeiten operierende Behörde ist durch Gesetz insgesamt zum Sicherheitsbereich erklärt worden (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 und § 10 Nr. 3 SÜG; dazu BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 - 2 A 1.12 - ZBR 2014, 416 Rn. 33). Daher ist es grundsätzlich unbedenklich, wenn durch das Sicherheitsüberprüfungsgesetz im Einzelnen näher bestimmt wird, dass mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nur Personen betraut werden dürfen (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 SÜG), die sich erfolgreich einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen haben (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SÜG), d.h. bei denen kein Sicherheitsrisiko i.S.v. § 5 Abs. 1 SÜG festgestellt worden ist (BVerwG, Urteile vom 15. Februar 1989 - 6 A 2.87 - BVerwGE 81, 258 <260 ff.> und vom 31. März 2011 - 2 A 3.09 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 24 Rn. 24 ff.). Da somit keine Verwendung für Mitarbeiter beim BND ohne Sicherheitsüberprüfung möglich ist, bewirkt die Feststellung eines Sicherheitsrisikos bei Einstellungsbewerbern für die Laufbahn des gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes im BND einen generellen Eignungsmangel.

12

Ein Sicherheitsrisiko liegt gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 SÜG vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen (Nr. 1), eine besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste, insbesondere die Besorgnis der Erpressbarkeit, begründen (Nr. 2) oder Zweifel am Bekenntnis des Betroffenen zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung begründen (Nr. 3).

13

Die gerichtliche Überprüfung der Entscheidung über das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos i.S.d. §§ 5 und 14 SÜG unterliegt gerichtlicher Kontrolle (1.), jedoch erfolgt diese wegen des der Beklagten insoweit eingeräumten Beurteilungsspielraums nur in eingeschränktem Umfang (2.). Entgegen der Ansicht des Klägers leidet die ablehnende Entscheidung der Beklagten weder an einem Anhörungs- noch an einem Begründungsmangel (3.). Eine Überprüfung, ob die Beklagte bei der Annahme eines Sicherheitsrisikos i.S.v. § 5 SÜG im Falle des Klägers von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, ist dem Senat nur möglich, wenn er Kenntnis von denjenigen bislang nicht vorgelegten Aktenbestandteilen hat, aus denen die Beklagte ein solches Sicherheitsrisiko herleitet (4).

14

1. Der Schutz nachrichtendienstlicher Tätigkeit geht nicht so weit, dass die Entscheidung über die sicherheitsrechtliche Eignung i.S.v. §§ 5 und 14 SÜG einer gerichtlichen Kontrolle gänzlich entzogen wäre; dies wäre mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht vereinbar.

15

a) Gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG steht jedem, der geltend macht, durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt zu sein, der Rechtsweg offen. Damit wird sowohl der Zugang zu den Gerichten als auch die Wirksamkeit des Rechtsschutzes garantiert. Aus der Garantie effektiven Rechtsschutzes folgt grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, das angegriffene Verwaltungshandeln in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <20> m.w.N.).

16

Allerdings ergibt sich die materiell geschützte Rechtsposition nicht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG selbst, sondern wird darin vorausgesetzt (BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 u.a. - BVerfGE 84, 34 <49>). Neben den verfassungsrechtlichen Gewährleistungen bestimmt das jeweilige Fachrecht, welche Rechte der Einzelne geltend machen kann. Der Gesetzgeber befindet unter Beachtung der Grundrechte darüber, unter welchen Voraussetzungen dem Bürger ein Recht zustehen kann und welchen Inhalt es haben soll (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2005 - 2 BvR 2236/04 - BVerfGE 113, 273 <310>).

17

Beruht die Entscheidung der Verwaltung auf der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, ist deren Konkretisierung grundsätzlich Sache der Gerichte, die die Rechtsanwendung der Exekutive uneingeschränkt nachzuprüfen haben. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes schließt indes durch den Gesetzgeber eröffnete Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume, die die Durchführung der Rechtskontrolle durch die Gerichte einschränken, nicht aus. Gerichtliche Kontrolle kann nicht weiter reichen als die materielle Bindung der Instanz, deren Entscheidung überprüft werden soll; sie endet deshalb dort, wo das materielle Recht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise das Entscheidungsverhalten nicht vollständig determiniert und der Verwaltung einen Einschätzungs- oder Beurteilungsspielraum belässt (BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2006 - 1 BvR 2530/04 - BVerfGE 116, 1 <18>). Ob eine behördliche Letztentscheidungsbefugnis besteht, muss sich ausdrücklich aus dem Gesetz ergeben oder durch Auslegung hinreichend deutlich zu ermitteln sein (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <20, 22>). Das gilt erst recht, wenn - darüber hinausgehend - eine gerichtliche Kontrolle des Verwaltungshandelns gänzlich ausgeschlossen sein soll.

18

b) Hiervon ausgehend kann weder der Verfassung noch dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz entnommen werden, dass der zuständigen Stelle bei der Entscheidung über das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos gemäß §§ 5 und 14 SÜG ein behördliches Letztentscheidungsrecht unter Ausschluss jeglicher gerichtlicher Kontrolle eingeräumt werden sollte.

19

Eine solche Exemtion, d.h. eine gänzliche Herausnahme der Sicherheitsüberprüfung von gerichtlicher Kontrolle, durch die Verfassung selbst existiert nicht. Wo das Grundgesetz eine Ausnahme von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG für notwendig erachtet hat, ist dies in der Verfassung ausdrücklich geregelt (vgl. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG für die Einrichtung der sog. G 10-Kommission und Art. 44 Abs. 4 Satz 1 GG für Beschlüsse eines Untersuchungsausschusses). Die dem in Art. 45d GG vorgesehenen Gremium (Parlamentarisches Kontrollgremium) zugewiesene Aufgabe der Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Bundes betrifft eben diese Tätigkeit selbst und nicht die - auch für weitere Bereiche der Verwaltung einschließlich der Bundeswehr vorgeschriebene - Sicherheitsüberprüfung gemäß §§ 5 und 14 SÜG.

20

Auch dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz selbst kann - ausdrücklich oder durch Auslegung - eine solche Exemtion nicht entnommen werden. Indem § 5 Abs. 1 SÜG die Parameter für ein Sicherheitsrisiko bestimmt, bringt das Gesetz vielmehr zum Ausdruck, dass die zuständige Stelle kein freies Entscheidungsrecht besitzt, sondern ihre Prüfung und Entscheidung gesetzlich determiniert ist. Die in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SÜG vorgegebenen unbestimmten Rechtsbegriffe unterliegen daher gerichtlicher Überprüfung und sind in der Rechtsprechung durch zahlreiche Entscheidungen konkretisiert worden.

21

2. Allerdings ist der Umfang dieser gerichtlichen Kontrolle wegen des der Beklagten insoweit eingeräumten Beurteilungsspielraums eingeschränkt.

22

a) Die Garantie effektiven Rechtsschutzes schließt - wie dargestellt - eine Bindung der rechtsprechenden Gewalt an tatsächliche oder rechtliche Feststellungen und Wertungen seitens anderer Gewalten nicht aus, wenn dem materiellen Recht ausdrücklich oder im Wege der Auslegung mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden kann, dass es der Verwaltung einen Einschätzungs- oder Beurteilungsspielraum belässt (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <22> m.w.N.). Solche Einschätzungs- und Beurteilungsspielräume der Verwaltung sind von den Gerichten vielfach und in verschiedenen Rechtsgebieten anerkannt worden. Maßgeblich dafür waren wiederum unterschiedliche - teils miteinander kombinierte - Gründe und Kriterien (vgl. etwa die Zusammenstellung bei Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 114 Rn. 59 ff.). So ist ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum der Verwaltung angenommen worden bei Verwaltungsentscheidungen, bei denen auch politische Vorgaben und Bewertungen von Bedeutung sind, etwa im Bereich der Außenpolitik (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1981 - 7 C 60.79 - BVerwGE 62, 11 <15 f.> und Beschluss vom 6. März 1997 - 3 B 178.96 - Buchholz 11 Art. 32 GG Nr. 2 S. 1), oder wenn die Entscheidung Ausdruck und Ergebnis einer komplexen Abwägung verschiedener Belange ist (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 28. November 2007 - 6 C 42.06 - BVerwGE 130, 39 Rn. 28 ff. ), wenn die Entscheidung eine prognostische Risikobewertung erfordert (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1985 - 7 C 65.82 - BVerwGE 72, 300 <316> ) oder wenn die Entscheidung maßgeblich von fachspezifischen, besondere Sachkunde oder Erfahrungen voraussetzenden Wertungen bestimmt wird (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 64 ff. ).

23

b) Ein derartiger Beurteilungsspielraum ist auch bei der Entscheidung über das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos i.S.v. §§ 5 und 14 Abs. 3 SÜG anzuerkennen.

24

Hierfür spricht zunächst schon im Ausgangspunkt, dass die sicherheitsrechtliche Eignung für die hier streitige Einstellung beim BND ein Teilaspekt der (umfassend verstandenen) dienstrechtlichen Eignung i.S.v. Art. 33 Abs. 2 GG ist. Mit den dort genannten Kriterien der "Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung" wird dem Dienstherrn ein prognostisches Urteil über einen allein nach diesen Kriterien zu bewertenden Bewerber um ein öffentliches Amt zugewiesen, das einer gerichtlichen Kontrolle nur in eingeschränktem Umfang zugänglich ist (stRspr; vgl. nur BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <296>; Kammerbeschlüsse vom 29. Mai 2002 - 2 BvR 732/99 - NVwZ 2002, 1368 und vom 11. Mai 2011 - 2 BvR 764/11 - BVerfGK 18, 423 <427>; vgl. zur abweichenden Lage bei der einer Sachverständigenbeurteilung zugänglichen gesundheitlichen Eignung BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 12.11 - BVerwGE 147, 244 Rn. 24 ff.).

25

Für die Annahme eines derartigen Beurteilungsspielraums auch bei der Sicherheitsüberprüfung nach §§ 5 und 14 Abs. 3 SÜG sprechen zudem sowohl der Wortlaut des Gesetzes als auch Inhalt und Charakter der Entscheidung.

26

Das Gesetz weist der zuständigen Stelle die Bewertung der über die zu überprüfende Person gewonnenen Erkenntnisse auf Grund einer am Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalles zu (§ 14 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SÜG). Für die hiernach zu treffende umfassende Würdigung aller Belange enthält das Gesetz eine Vorrangklausel, derzufolge im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen hat (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG). Damit räumt das Gesetz der zuständigen Stelle bei der Prüfung und Abwägung der Zweifel eine fachliche Einschätzungsprärogative ein, welches Gewicht den staatlichen Sicherheitsinteressen - bezogen auf die jeweils in Rede stehende sicherheitsempfindliche Tätigkeit - im Verhältnis zu anderen Belangen beizumessen ist. Diese fachliche Einschätzungsprärogative ist vornehmlich geprägt durch Aspekte der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 4 Abs. 2 SÜG), der Herstellung und Erhaltung ihrer Verteidigungsbereitschaft (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 2 SÜG) und ihrer Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 14 SÜG). Diese Aspekte betreffen angesichts ihrer ständigen Wandelbarkeit und Abhängigkeit von (sicherheits- und verteidigungs-)politischen Rahmenbedingungen Sachbereiche von hoher Komplexität und besonderer Dynamik, bei deren Überprüfung die Gerichte an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stoßen. Das rechtfertigt es, dem zuständigen und mit einer speziellen fachlichen Expertise ausgestatteten Teil der Exekutive einen Beurteilungsspielraum einzuräumen (Beschluss vom 21. Juli 2011 - 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 Rn. 32 m.w.N.). Die staatlichen Gerichte verfügen nicht über die Sachkompetenz, diese Frage anders oder besser als die Exekutive zu beurteilen. Deren Einschätzungen werden vielfach einer Beweiserhebung, etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, nicht zugänglich sein.

27

Dies wird besonders augenfällig, je mehr in die Sicherheitsüberprüfung auch politische Einschätzungen einfließen, etwa wenn die ablehnende Entscheidung darauf beruht, dass der zu Überprüfende, sein Ehegatte oder Lebenspartner aus einem Staat stammen oder dorthin Beziehungen haben, bei denen nach Feststellung des Bundesministeriums des Innern als Nationale Sicherheitsbehörde besondere Sicherheitsrisiken zu besorgen sind (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 SÜG). Welche Staaten dies jeweils aktuell sind, unterliegt ständiger Änderung und wechselnder (sicherheits-)politischer Einschätzung.

28

Auch die in § 5 Abs. 1 SÜG genannten materiellen Kriterien enthalten mit den Tatbestandsmerkmalen der tatsächlichen "Anhaltspunkte" und "Zweifel" Parameter, die nicht auf objektiv feststehende Tatsachen abstellen, sondern - dahinter zurückbleibend - Bewertungen ausreichen lassen, die von subjektiven Einschätzungen abhängen.

29

Die Annahme eines dergestalt begründeten Beurteilungsspielraums bedeutet nicht, dass der Verwaltung insoweit Freiräume ohne gerichtliche Kontrolle zugebilligt würden. Auch die Überprüfung behördlicher Einschätzungsprärogativen ist wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz, nämlich bezogen auf die Einhaltung der (oben dargestellten) rechtlichen Grenzen des behördlichen Einschätzungsspielraums, und genügt damit den verfassungsrechtlichen Erfordernissen (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2005 - 2 BvR 2236/04 - BVerfGE 113, 273 <310>; BVerwG, Urteile vom 19. März 1998 - 2 C 5.97 - BVerwGE 106, 263 <266 f.> und vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 67, jeweils m.w.N.). Das dokumentiert nicht zuletzt die Rechtsprechung des 1. Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts, die trotz des eingeschränkten Kontrollmaßstabs Sicherheitsüberprüfungsentscheidungen bei Soldaten vielfach beanstandet hat (vgl. etwa Beschluss vom 21. Juli 2011 - 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 Rn. 34, vgl. ferner die Darstellung der umfangreichen Kasuistik bei Deiseroth, juris-Praxis-Report BVerwG 9/2008 zu BVerwG 1 WB 59.06, sub C.). Der Prüfungsmaßstab bei der gerichtlichen Kontrolle behördlicher Einschätzungsprärogativen trägt lediglich in Ansatz und Umfang den Sachgegebenheiten Rechnung, die sich aus der jeweiligen materiellen Rechtslage ergeben.

30

Soweit der Senat zuletzt angenommen hat, die Entscheidung gemäß §§ 5 und 14 Abs. 3 SÜG unterliege voller gerichtlicher Nachprüfung (BVerwG, Urteil vom 31. März 2011 - 2 A 3.09 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 24 Rn. 36 ff.), hält er daran nicht mehr fest. Die dort gegebene Begründung, es handele sich um eine - wie auch sonst gerichtlich überprüfbare - Prognose im Bereich der Gefahrenabwehr, reicht für sich nicht aus und wird - wie dargestellt - dem wertenden, auf besonderer Sachkunde beruhenden, ein Sicherheitsrisiko abschätzenden und dabei auch politische Vorgaben und Einschätzungen einschließenden Charakter der Entscheidung nicht gerecht. Vielmehr folgt der Senat der ständigen Rechtsprechung des 1. Wehrdienstsenats, der seit jeher einen Beurteilungsspielraum der zuständigen Stelle annimmt (BVerwG, Beschlüsse vom 12. Januar 1983 - 1 WB 60.79 - BVerwGE 76, 52 <53>, vom 11. März 2008 - 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 Rn. 24 und vom 21. Juli 2011 - 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 Rn. 24 ff.; ebenso der 6. Senat, Urteil vom 15. Februar 1989 - 6 A 2.87 - BVerwGE 81, 258 <264> und zuvor auch der 2. Senat, Beschluss vom 1. Oktober 2009 - 2 VR 6.09 - juris Rn. 15 f.).

31

Hiernach ist die gerichtliche Kontrolle auf das - auch sonst in Fällen eines Beurteilungs- oder Einschätzungsspielraums anerkannte - Prüfprogramm beschränkt, nämlich ob die zuständige Stelle von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr; vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 2011 - 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 Rn. 24 ff. und zuletzt vom 21. Mai 2015 - 1 WB 54.14 - DokBer 2015, 233 Rn. 31).

32

3. Mit Blick auf die zuletzt angesprochene Einhaltung von Verfahrensvorschriften ist die im Streitfall ergangene abschließende Entscheidung über die Sicherheitsüberprüfung des Klägers gemäß §§ 5 und 14 Abs. 3 SÜG - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht deshalb rechtlich zu beanstanden, weil sie ohne Anhörung des Klägers ergangen ist und ihm gegenüber auch nicht (näher) begründet worden ist. Von beiden Erfordernissen ist die Beklagte befreit.

33

a) Zwar ist dem Betroffenen vor Ablehnung der Zulassung zu einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit grundsätzlich Gelegenheit zu geben, sich persönlich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 6 Abs. 1 Satz 1 SÜG). Die Anhörung unterbleibt jedoch gemäß § 6 Abs. 1 Satz 4 SÜG, wenn sie einen erheblichen Nachteil für die Sicherheit des Bundes oder eines Landes zur Folge hätte, insbesondere bei Sicherheitsüberprüfungen der Bewerber bei den Nachrichtendiensten des Bundes. Hiernach sieht das Gesetz für die hier gegebene Fallkonstellation ausdrücklich vor, dass der BND von der Pflicht zur Anhörung des Betroffenen befreit ist. Hintergrund dieser gesetzlichen Festlegung ist, dass gegnerische Dienste versuchen, durch gesteuerte Bewerbungen nachrichtendienstlich verstrickter Personen den Erkenntnisstand der deutschen Nachrichtendienste bzw. deren Einstellungspraxis auszuforschen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum SÜG, BT-Drs. 12/4891 S. 21; Denneborg, Kommentar zum Sicherheitsüberprüfungsrecht, Stand: Juni 2015, § 6 SÜG Rn. 11; Warg, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 6 SÜG Rn. 17).

34

b) Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, ihre Entscheidung, dass sie in der Person des Klägers ein Sicherheitsrisiko i.S.v. §§ 5 und 14 Abs. 3 SÜG sieht, näher zu begründen. Dies folgt aus Systematik sowie Sinn und Zweck der insoweit zu betrachtenden Vorschriften:

35

Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 SÜG unterrichtet die mitwirkende Behörde die zuständige Stelle schriftlich unter Darlegung der Gründe und ihrer Bewertung, wenn sie zu dem Ergebnis kommt, dass ein Sicherheitsrisiko vorliegt. Dem Betroffenen dagegen wird gemäß § 14 Abs. 4 SÜG nur mitgeteilt, dass seine Betrauung mit der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit abgelehnt wird. Aus dieser differenzierenden Regelung muss geschlossen werden, dass eine nähere Begründung des Ergebnisses der Sicherheitsüberprüfung dem Betroffenen gegenüber nicht erforderlich ist. Für diese Auslegung spricht auch die Ausnahme von der Anhörungspflicht bei Bewerbungen bei den Nachrichtendiensten des Bundes (§ 6 Abs. 1 Satz 4 SÜG). Der damit verfolgte Zweck, eine Ausforschung des Erkenntnisstandes des BND bzw. dessen Einstellungspraxis zu vermeiden (s.o. Rn. 33), würde unterlaufen und wäre nicht zu erreichen, wenn im Rahmen der Begründung der ablehnenden Mitteilung an den Bewerber diesem letztlich doch diejenigen Erkenntnisse für die Annahme eines Sicherheitsrisikos bekannt würden, deren Offenlegung mit der Ausnahme von der Anhörungspflicht gerade vermieden werden soll.

36

Für dieses Ergebnis spricht auch die Regelung über den eingeschränkten Auskunftsanspruch und die Befreiung von der Angabe einer Begründung für die Auskunftsverweigerung gemäß § 23 Abs. 3 und 4 SÜG: Gemäß § 23 Abs. 1 SÜG hat die zuständige oder mitwirkende Stelle einem Betroffenen unentgeltlich Auskunft zu erteilen, welche Daten über ihn im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung gespeichert wurden. Die Auskunftserteilung unterbleibt gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 2 SÜG, soweit die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde und deswegen das Interesse des Anfragenden an der Auskunftserteilung zurücktreten muss. Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 SÜG keiner Begründung, soweit durch die Mitteilung der tatsächlichen und rechtlichen Gründe, auf die die Entscheidung gestützt wird, der mit der Auskunftsverweigerung verfolgte Zweck gefährdet würde. In diesem Fall sind die Gründe der Auskunftsverweigerung aktenkundig zu machen (§ 23 Abs. 4 Satz 2 SÜG) und die anfragende Person auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass sie sich an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann (§ 23 Abs. 4 Satz 3 SÜG). Dass der Betroffene nach diesen Bestimmungen keinen Anspruch auf eine Begründung über die Auskunftsverweigerung hat, bestätigt als gesetzgeberische Wertung auch im vorliegenden Zusammenhang, dass ein Bewerber beim BND keinen Anspruch auf eine (nähere) Begründung des negativen Ergebnisses seiner Sicherheitsüberprüfung hat.

37

4. Zum oben (Rn. 31) dargestellten gerichtlichen Prüfprogramm gehört weiter, ob die zuständige Stelle in tatsächlicher Hinsicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 2011 - 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 Rn. 24 ff. und zuletzt vom 21. Mai 2015 - 1 WB 54.14 - DokBer 2015, 233 Rn. 31). Ob dies der Fall ist, kann der Senat auf der Grundlage der ihm derzeit von der Beklagten vorgelegten Akten nicht entscheiden.

38

Im Streitfall macht der Kläger geltend, dass es an "tatsächlichen Anhaltspunkten" i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SÜG fehle, die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen könnten. Der Kläger kann sich seine Ablehnung nicht erklären. Da die Beklagte sich weigert, ihre Annahme auch nur ansatzweise offen zu legen, ist es ihm - mangels jeglichen Anhaltspunktes - nicht möglich, die gegen ihn angeführten Sicherheitsbedenken ggf. richtigzustellen oder zu widerlegen. Dies betrifft den Kern seines Anspruchs auf gerichtlichen Rechtsschutz zur Durchsetzung seines subjektiven Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG.

39

a) Aus den bislang dem Gericht vorgelegten Akten lässt sich nicht entnehmen, worin die "tatsächlichen Anhaltspunkte" liegen, aus denen die Beklagte ihre Sicherheitsbedenken gegen den Kläger herleitet. Es handelt sich um unvollständige, zusammengestellte Aktenheftungen, die ersichtlich - neben einzelnen Schwärzungen (Beiakte I, blauer Hefter, Bl. 59) - die über den Kläger gesammelten Erkenntnisse nicht vollständig enthalten. Letzteres zeigt sich u.a. an "geweissten", aus leeren Blättern bestehenden Seiten (vgl. Beiakte 1, orange-farbener Hefter, Bl. 73 bis 84). Soweit sich aus den Heftungen der Beiakte II ergibt, dass gegen den Kläger in der Vergangenheit drei staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren anhängig waren, die sämtlich gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sind, ist weder von der Beklagten dargetan noch sonst ersichtlich, dass allein in diesem Umstand die Annahme eines Sicherheitsrisikos in Bezug auf die Person des Klägers gesehen worden ist.

40

b) Der Senat benötigt die Vorlage der vollständigen, um die im Tenor bezeichneten Bestandteile ergänzten Verwaltungsvorgänge für die Entscheidung über das Rechtsschutzbegehren des Klägers. Dem steht nicht entgegen, dass der Erfolg des auf Ernennung zum Regierungsinspektoranwärter und Einstellung beim BND gerichteten Verpflichtungsantrags noch von weiteren Voraussetzungen (außer einem positiven Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung) abhängt, z.B. vom Vorhandensein einer besetzbaren Planstelle. Jedenfalls für die Entscheidung über das in dem Verpflichtungsantrag (mit-)enthaltene Begehren, im Falle fehlender Spruchreife die Beklagte zu verpflichten, über seine Bewerbung auf Einstellung beim BND unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), bedarf der Senat der Kenntnis der angeforderten Aktenbestandteile.

41

c) Die Beklagte beruft sich für ihre bisherige Weigerung, ihre Sicherheitsbedenken in Bezug auf die Person des Klägers offenzulegen, unter anderem auf die bereits erwähnte Regelung, wonach die Offenlegung von über einen Bewerber im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung gespeicherten Daten unterbleibt, wenn dies dem Wohl des Bundes i.S.v. § 23 Abs. 3 Nr. 2 SÜG Nachteile bereiten würde. Damit macht die Beklagte der Sache nach fachgesetzliche Geheimhaltungsgründe geltend, die deckungsgleich sind mit den Kriterien, die eine Verweigerung der Aktenvorlage gemäß § 99 Abs. 2 VwGO rechtfertigen können. Sollte die Beklagte bei ihrer Weigerung bleiben, ihre Sicherheitsbedenken in Bezug auf die Person des Klägers offenzulegen, wird sie eine § 99 Abs. 2 VwGO genügende (Ermessens-)Entscheidung über die Verweigerung der Aktenvorlage und deren Umfang zu treffen haben.

42

d) Sollte die Beklagte eine Sperrentscheidung gemäß § 99 Abs. 2 VwGO treffen, ist auch diese Erklärung dem Gericht innerhalb der im Tenor gesetzten Frist vorzulegen, damit das Verfahren vor dem Fachsenat gemäß § 189 VwGO eingeleitet werden kann.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Der Gegenstandswert der Tätigkeit der Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin wird auf 120.000 € (in Worten: einhundertzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Tatbestand

1

Mit Schreiben vom 30. Mai 2013 (im Folgenden: Aufforderungsschreiben) leitete die Europäische Kommission das Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2013/4000 gegen die Bundesrepublik Deutschland ein. Gegenstand dieses Verfahrens ist die Vereinbarkeit des deutschen Luftverkehrsrechts mit dem Unionsrecht. Der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung, begehrt im Hinblick auf die von mehreren seiner Mitglieder erhobenen Klagen gegen die Festlegung von Flugverfahren für An- und Abflüge zum und vom (zukünftigen) Flughafen Berlin-Brandenburg Einsicht in das Aufforderungsschreiben.

2

Den hierauf gerichteten Antrag des Klägers lehnte die Beklagte ab, nachdem die Europäische Kommission im Rahmen eines Konsultationsverfahrens nach Art. 5 der Verordnung (EG) 1049/2001 der Herausgabe des Dokuments nicht zugestimmt hatte. Der Widerspruch des Klägers blieb ebenso erfolglos wie seine Klage vor dem Verwaltungsgericht. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dem vom Kläger begehrten Informationszugang stehe § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG entgegen. Der dort verwendete Begriff der internationalen Beziehungen umfasse auch die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu zwischen- oder überstaatlichen Organisationen wie der Europäischen Union. Die Herausgabe des Aufforderungsschreibens hätte nachteilige Auswirkungen im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG. Insoweit komme der Beklagten ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu, dessen rechtliche Grenzen gewahrt seien. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Europäische Kommission den an sie gerichteten Antrag auf Einsicht in das Aufforderungsschreiben ebenfalls abgelehnt habe und diese Entscheidung vom Europäischen Gericht bestätigt worden sei. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe des Schreibens sei nicht gegeben. Der Kläger könne sein Begehren auch nicht auf Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK stützen.

3

Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Die Beziehungen zur Europäischen Union seien keine außenpolitischen Beziehungen. Die Mitgliedstaaten stünden innerhalb der Europäischen Union, deren integrierter Teil sie seien. Bei der Interpretation des Begriffs der "internationalen Beziehungen" dürfe nicht auf die Sichtweise der informationspflichtigen Stellen der Bundesrepublik Deutschland abgestellt werden. Soweit das Berufungsgericht der Beklagten hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "nachteilige Auswirkungen" einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum zubillige, verstoße dies gegen Verfassungs- und Unionsrecht. Das Berufungsurteil verletze ferner Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und leide unter mehreren Verfahrensfehlern.

4

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. September 2015, das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. März 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Akteneinsicht in das Aufforderungsschreiben der Europäischen Kommission an die Bundesrepublik Deutschland zur Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens Nr. 2013/4000 vom 30. Mai 2013 zu gewähren und eine Kopie davon zur Verfügung zu stellen,

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

5

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

6

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Berufungsurteil verstößt nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen; die Verfahrensrügen des Klägers greifen nicht durch.

8

1. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dem auf § 3 Abs. 1 Satz 1 des Umweltinformationsgesetzes (UIG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. Oktober 2014 (BGBl. I S. 1643) gestützten Anspruch des Klägers auf Informationszugang stehe der Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG entgegen, verletzt kein Bundesrecht. Nach dieser Vorschrift ist ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen unter anderem abzulehnen, soweit deren Bekanntwerden nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen hätte, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.

9

a) Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union bestehen internationale Beziehungen im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG.

10

aa) Der Wortlaut der Vorschrift ist für dieses Verständnis offen. Der Begriff der internationalen Beziehungen umfasst nicht nur das Verhältnis zu fremden Staaten, sondern auch sonstige Beziehungen, die über das rein Innerstaatliche hinausgehen und als über- oder zwischenstaatlich anzusehen sind. Dabei kommt es nicht im Einzelnen darauf an, ob diese Beziehungen mit den Begriffen "innenpolitisch" oder "außenpolitisch" zutreffend beschrieben werden könnten, denn sie überschreiten jedenfalls die Grenzen des rein Nationalen. Letzteres gilt auch, soweit die Europäische Union als supranationale Organisation bezeichnet wird.

11

bb) Systematische Erwägungen und die Gesetzgebungsgeschichte weisen in dieselbe Richtung.

12

aaa) Die unions- und völkervertragsrechtlichen Grundlagen des Umweltinformationsgesetzes führen zu einem an völkerrechtliche Rechtsbeziehungen anknüpfenden Verständnis der "internationalen Beziehungen". Sie bestehen danach zwischen Völkerrechtssubjekten, zu denen die Europäische Union ebenso wie ihre Mitgliedstaaten gehören (vgl. Karg, in: Gersdorf/Paal, Beck OK Informations- und Medienrecht, § 8 UIG Rn. 25; Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Februar 2016, § 8 UIG Rn. 10; Schomerus, Informationsansprüche im Atom- und Strahlenschutzrecht, 2010, S. 204).

13

Das Umweltinformationsgesetz setzt die Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. L 41 S. 26) um. Nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/4/EG können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt wird, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen hätte. Die Richtlinie 2003/4/EG stützt sich ihrerseits, wie sich aus ihrem fünften Erwägungsgrund ergibt, auf die Aarhus-Konvention, nach deren Art. 4 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b der Informationszugang ebenfalls abgelehnt werden kann, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen auf die "internationalen Beziehungen" ("international relations"/"les relations internationales") hätte. Bei der Auslegung der Richtlinie 2003/4/EG sind der Wortlaut und das Ziel der Aarhus-Konvention zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-279/12 [ECLI:EU:C:2013:853], Fish Legal - Rn. 37).

14

Der Begriff der "internationalen Beziehungen" ist zwar in der Aarhus-Konvention nicht definiert, soll aber von den Vertragsparteien im Einklang mit dem Völkerrecht ausgelegt werden (vgl. UNECE, The Aarhus Convention - An Implementation Guide, 2. Aufl. 2014, S. 86; dieser Leitfaden kann zur Auslegung der Aarhus-Konvention herangezogen werden, vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-279/12 - Rn. 38). Unter "Völkerrecht" ist die Gesamtheit der in den Beziehungen zwischen Völkerrechtssubjekten anwendbaren Grundsätze und Regeln zu verstehen; es betrifft mithin nicht nur Staaten und "historische" Völkerrechtssubjekte, sondern auch internationale Organisationen (vgl. Heintschel von Heinegg, in: Epping/Hillgruber/Beck, OK GG, Stand 1. Juni 2016, Art. 25 Rn. 1; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Stand Dezember 2015, Art. 25 Rn. 14).

15

bbb) Die Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Zwar ist in den Materialien zur ersten Fassung des Umweltinformationsgesetzes davon die Rede, dass die internationalen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland durch den Zugang zu Informationen "über die Umwelt in fremden Staaten", die bei inländischen Behörden vorhanden seien, berührt werden könnten und der Informationsanspruch insoweit ausgeschlossen werde, um die Beziehungen zu "fremden Staaten" nicht zu belasten (BR-Drs. 797/93 S. 32). Dem lässt sich jedoch nicht die Aussage entnehmen, dass die Vorschrift ausschließlich Beziehungen zu fremden Staaten, nicht aber - trotz entsprechender Schutzbedürftigkeit und identischer Interessenlage auf Seiten der Beteiligten - Beziehungen zu anderen Völkerrechtssubjekten, die keine "Staaten" sind, erfassen sollte.

16

ccc) § 3 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen (Informationsfreiheitsgesetz -IFG) vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) schließt im Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes den Informationszugang ebenfalls aus, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben kann. Der Gesetzgeber des Informationsfreiheitsgesetzes hat den internationalen Beziehungen im Sinne des § 3 Nr. 1 Buchst. a IFG die Beziehungen zu "zwischen- sowie überstaatlichen Organisationen, etwa der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen" ausdrücklich zugeordnet (BT-Drs. 15/4493 S. 9). In den Materialien des Gesetzes zur Neugestaltung des Umweltinformationsgesetzes, das in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Informationsfreiheitsgesetz erlassen wurde, findet sich hingegen zu dem Begriff keine Aussage (BT-Drs. 15/3406 S. 18). Dieses Schweigen des Gesetzgebers steht einem gleichgerichteten Verständnis des Begriffs in beiden Normen nicht entgegen, sondern spricht im Gegenteil dafür. Andernfalls hätte es nahegelegen, unterschiedliche Formulierungen in den beiden Gesetzen vorzunehmen, um ein differenzierendes Verständnis der Ausschlussgründe zum Ausdruck zu bringen. Auch der unionsrechtliche Hintergrund des Umweltinformationsgesetzes, den das Informationsfreiheitsgesetz nicht aufweist, erfordert - wie bereits dargelegt - keine abweichende Auslegung.

17

cc) Anderes folgt auch nicht aus dem abweichenden Verständnis des Begriffs der "internationalen Beziehungen" in der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145 S. 43). Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Spiegelstrich 3 dieser Verordnung verweigern die Organe den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung die internationalen Beziehungen beeinträchtigt würden. Dieser Begriff der internationalen Beziehungen umfasst nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts nicht die Kommunikation zwischen einem Mitgliedstaat und der Kommission im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens, weil andernfalls entgegen dem Zweck der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 ein Großteil der in den Tätigkeitsbereichen der Union verwendeten Dokumente dem Informationszugang der Öffentlichkeit entzogen würde (EuG, Urteil vom 14. Februar 2012 - T-59/09 [ECLI:EU:T:2012:75], Deutschland/Kommission - Rn. 64 f.).

18

Dies nötigt aber nicht dazu, § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG entsprechend auszulegen und die Beziehungen zur Europäischen Union im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens vom Anwendungsbereich der Norm auszuschließen. Der Begriff der internationalen Beziehungen ist, soweit er sich in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Spiegelstrich 3 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 findet, ein Begriff des Unionsrechts, der unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs, in dem er steht, ausgelegt werden muss; seine Bedeutung kann folglich nicht davon abhängen, welchen Inhalt er nach mitgliedstaatlichen Bestimmungen und den ihnen zugrunde liegenden Regelungen hat (EuG, Urteil vom 14. Februar 2012 - T-59/09 - Rn. 62). Die Begriffe des nationalen Rechts und die des Unionsrechts können nämlich miteinander übereinstimmen, einander ergänzen oder auch der gegenseitigen Bezugnahme dienen (EuG, Urteil vom 14. Februar 2012 - T-59/09 - Rn. 67).

19

Davon ausgehend ist es vorliegend geboten, den Begriff der internationalen Beziehungen in § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG im Sinne einer solchen Ergänzung weiter zu verstehen als in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Spiegelstrich 3 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001. Anders könnte dem Regelungsanliegen der Ausnahmevorschrift des Art. 4 Abs. 2 Spiegelstrich 3 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 im nationalen Recht nicht Rechnung getragen werden.

20

Nach dieser Vorschrift ist der Zugang zu einem Dokument zu verweigern, durch dessen Verbreitung der Schutz von Untersuchungstätigkeiten beeinträchtigt würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung. Die in Art. 4 Abs. 2 Spiegelstrich 3 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme greift zwar nicht schon dann ein, wenn das angeforderte Dokument eine "Untersuchungstätigkeit" betrifft, sondern erst, wenn der Zweck der Untersuchungstätigkeiten tatsächlich beeinträchtigt wird, der darin besteht, einen Mitgliedstaat zur Einhaltung des Unionsrechts anzuhalten. Eine solche Beeinträchtigung und damit eine Ausnahme vom Informationszugang kann bei bestimmten Dokumenten auch ohne Prüfung der Umstände des Einzelfalls angenommen werden. Dies ist bei Dokumenten aus einem Vertragsverletzungsverfahren der Fall, bei denen zu vermuten ist, dass ihre Verbreitung während des vorgerichtlichen Verfahrens dessen Charakter verändern und seinen Ablauf beeinträchtigen könnte und somit der Schutz des Zwecks der Untersuchungstätigkeit ebenfalls beeinträchtigt würde (vgl. EuGH, Urteile vom 14. November 2013 - C-514/11 P und C-605/11 P [ECLI:EU:C:2013:738], LPN und Finnland/Kommission - Rn. 65, und vom 16. Juli 2015 - C-612/13 P [ECLI:EU:C:2015:486], ClientEarth/Kommission - Rn. 72 ff.). Auf dieser unionsrechtlichen Grundlage hat das Europäische Gericht die Klage des Klägers auf Einsicht in das Aufforderungsschreiben gegen die Kommission abgewiesen (EuG, Beschluss vom 2. September 2014 - T-538/13 [ECLI:EU:T:2014:738], Verein Natura Havel e.V. und Hans-Peter Vierhaus/Kommission).

21

Gebietet das Unionsrecht, den Zugang zu einem Aufforderungsschreiben während eines laufendenden Vertragsverletzungsverfahrens im Regelfall zu verweigern, um den Zweck dieses Verfahrens nicht zu beeinträchtigen, muss sich die Interpretation des nationalen Rechts an diesen Vorgaben orientieren. Dies gilt umso mehr, als auch Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 das nationale Recht und das Unionsrecht miteinander verknüpft. Geht einem Mitgliedstaat ein Antrag auf ein in seinem Besitz befindliches Dokument zu, das von einem Organ der Union stammt, so ist grundsätzlich das in der Vorschrift vorgesehene Konsultationsverfahren zwischen dem Mitgliedstaat und der Union durchzuführen, um eine Entscheidung zu ermöglichen, die die Verwirklichung der Ziele der Verordnung nicht beeinträchtigt. Im Bereich des Umweltinformationsgesetzes kann eine derartige Beeinträchtigung nur durch eine mit dem Unionsrecht harmonisierte Auslegung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG vermieden werden, da das Umweltinformationsgesetz, die Richtlinie 2003/4/EG und die Aarhus-Konvention den in Art. 4 Abs. 2 Spiegelstrich 3 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausschlussgrund des Schutzes von Untersuchungstätigkeiten nicht kennen. Dieses Verständnis steht angesichts der unionsrechtlichen Prägung des Begriffs der internationalen Beziehungen mit dem Gebot der engen Auslegung der Ausnahmegründe (Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 und 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/4/EG) im Einklang, welches eine an der Systematik des Unionsrechts orientierte Auslegung nicht hindert.

22

dd) Das dargestellte Verständnis des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG entspricht schließlich auch dem Sinn der Vorschrift, deren Schutzziele die Belange der Bundesrepublik Deutschland sowie das Vertrauensverhältnis zu anderen Völkerrechtssubjekten sind (Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 8 UIG Rn. 10). Dieses Vertrauensverhältnis würde gestört, wenn Informationen entgegen dem ausdrücklichen Willen der Europäischen Kommission oder eines anderen Organs der Union weiterzugeben wären. Die Berücksichtigung der Haltung des betroffenen Organs der Union führt auch nicht zu dem von der Revision befürchteten faktischen "Vetorecht", da die von § 8 Abs. 1 Satz 1 a.E. UIG vorgeschriebene Abwägung mit dem Bekanntmachungsinteresse Raum für die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls lässt.

23

ee) Vor diesem Hintergrund ist ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV im Hinblick auf die Auslegung der Richtlinie 2003/4/EG nicht erforderlich. Eine Vorlage ist entbehrlich, wenn die aufgeworfene Frage nicht relevant ist, wenn die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits vom Europäischen Gerichtshof ausgelegt wurde oder wenn die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt. Ob ein solcher Fall gegeben ist, muss unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Unionsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Union beurteilt werden (EuGH, Urteil vom 9. September 2015 - C-160/14 [ECLI:EU:C:2015:565], Ferreira da Silva e Brito - Rn. 38 f. m.w.N.).

24

aaa) Soweit der Kläger geklärt wissen will, ob Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2003/4/EG es untersage, bei der Auslegung des Begriffs der "internationalen Beziehungen" auf den Standpunkt der informationspflichtigen Stellen der Bundesrepublik Deutschland abzustellen, knüpft dies an die Erwägung der Vorinstanzen an, dass sich § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG wie das Umweltinformationsgesetz insgesamt an informationspflichtige Stellen der Bundesrepublik Deutschland wende. Es komme daher nicht darauf an, ob die innergemeinschaftlichen Beziehungen nach dem Unionsrecht oder vom Blickwinkel der Organe der Union aus Außenpolitik seien; abzustellen sei auf die Sichtweise der nationalen Stellen.

25

Diese Frage ist überwiegend schon nicht entscheidungserheblich. Auf das Begriffspaar "Innenpolitik - Außenpolitik" kommt es bei der Auslegung des Begriffs "internationale Beziehungen" nicht an; maßgeblich ist vielmehr, ob die fragliche Beziehung die Grenzen des rein Nationalen und Innerstaatlichen überschreitet.

26

Im Übrigen kann hier an der Auslegung des Unionsrechts kein Zweifel bestehen, weil - wie bereits dargelegt - der Begriff der internationalen Beziehungen im nationalen Recht unabhängig von dem gleichlautenden Begriff in der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 zu verstehen ist (vgl. dazu auch tho Pesch, EuZW 2012, 51 <53 ff.>) und Raum für gegenseitige Ergänzung zum Schutz eines öffentlichen Interesses lässt (EuG, Urteil vom 14. Februar 2012 - T-59/09 - Rn. 62 und 67). Das öffentliche Interesse liegt hier in der Vertraulichkeit der vorgerichtlichen Phase eines Vertragsverletzungsverfahrens, die durch nationale Rechtsvorschriften zu gewährleisten ist, und kann nur im Rahmen des Ausschlussgrundes der Beeinträchtigung internationaler Beziehungen zur Geltung gebracht werden.

27

bbb) Es besteht auch kein vernünftiger Zweifel hinsichtlich der Beantwortung der weiteren von der Revision aufgeworfenen Frage, ob diejenige Auslegungsvariante des Begriffs der internationalen Beziehungen zu wählen sei, welche die Beziehungen zur Europäischen Union nicht umfasst. Sie ist im Hinblick auf den gebotenen Vertraulichkeitsschutz eindeutig zu verneinen.

28

b) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht ferner angenommen, dass eine Bekanntgabe des Aufforderungsschreibens nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG hätte.

29

aa) Ebenso wie § 3 Nr. 1 Buchst. a IFG (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 1 Rn. 13 ff.) eröffnet § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG den informationspflichtigen Stellen einen Beurteilungsspielraum bei der Beantwortung der Frage, was nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen sind. Dieser Beurteilungsspielraum ist verfassungsrechtlich zulässig; er lässt sich - wie es Art. 19 Abs. 4 GG gebietet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <22>) - aus der gesetzlichen Vorschrift hinreichend deutlich ermitteln und beruht auf einem hinreichend gewichtigen Sachgrund.

30

aaa) Das Grundgesetz räumt der Bundesregierung einen grundsätzlich weit bemessenen Spielraum eigener Gestaltung im Bereich des Auswärtigen ein, innerhalb dessen die Bundesregierung die Ziele und die zu ihrer Erreichung verfolgte Strategie bestimmt. Welche Ziele mit welcher Strategie verfolgt werden, entzieht sich mangels hierfür bestehender rechtlicher Kriterien weithin einer gerichtlichen Kontrolle. Gleiches gilt für die Frage, wann und unter welchen Umständen ein Nachteil für diese Ziele und Strategien eintritt (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 1 Rn. 13 ff.).

31

Diese Grundsätze beanspruchen nicht nur im Verhältnis zu ausländischen Staaten, sondern auch im Hinblick auf die Beziehungen zur Europäischen Union Geltung. Denn für die Beziehungen zur Europäischen Union besteht eine entsprechende Interessenlage seitens der Bundesregierung wie im zwischenstaatlichen Verhältnis.

32

bbb) Art. 23 GG führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Zwar folgt aus dieser Norm, dass die Prärogative, welche die Verfassung der Bundesregierung in auswärtigen Angelegenheiten zubilligt, nicht uneingeschränkt auf das Verhältnis zur Europäischen Union übertragen werden kann (vgl. Streinz, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 23 Rn. 104). Doch steht die Bestimmung von Zielen und Strategien der Politik auch in Angelegenheiten der Europäischen Union nach wie vor in erster Linie der Bundesregierung zu, so dass die Gründe, die für einen Beurteilungsspielraum der Regierung sprechen, insoweit ebenfalls Geltung beanspruchen. Die in Art. 23 GG vorgesehene Mitwirkung weiterer Verfassungsorgane ändert hieran nichts, weil die den jeweiligen Mitwirkungsakten zugrunde liegenden Motive und Zielsetzungen ebenfalls nicht an rechtliche Kriterien gebunden und einer gerichtlichen Kontrolle überwiegend nicht zugänglich sind.

33

ccc) Die Bejahung eines Beurteilungsspielraums verstößt auch nicht - wie die Revision meint - gegen Unionsrecht. Es besteht daher keine Veranlassung, dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob die Annahme eines Beurteilungsspielraums hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "nachteilige Auswirkungen" mit Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2003/4/EG vereinbar ist.

34

Behördliche Beurteilungsspielräume sind in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs etwa für Situationen komplexer Bewertungen, die mit prognostischen Elementen verbunden sind, anerkannt (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-84/12 [ECLI:EU:C:2013:862], Koushkaki - Rn. 56 ff.). Die Frage, ob nachteilige Auswirkungen auf die Beziehungen zur Europäischen Union zu befürchten sind, ist ebenfalls von Komplexität und prognostischen Elementen geprägt und entzieht sich weithin einer Steuerung nach Maßgabe rechtlicher Kriterien.

35

Im Übrigen hat der Europäische Gerichtshof die Frage des erforderlichen Umfangs der gerichtlichen Überprüfung anknüpfend an Art. 6 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2003/4/EG bereits geklärt (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2015 - C-71/14 [ECLI:EU:C:2015:656], East Sussex County Council - Rn. 51 ff.). Nach der genannten Vorschrift stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Antragsteller Zugang zu einem Überprüfungsverfahren hat, in dessen Rahmen die Handlungen oder Unterlassungen der Behörde überprüft werden können. Die Festlegung des Umfangs der gerichtlichen Überprüfung bleibt den Mitgliedstaaten überlassen. Dabei dürfen die Verfahrensmodalitäten des einschlägigen Rechtsbehelfs nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die entsprechender innerstaatlicher Rechtsbehelfe (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Im Hinblick auf den Effektivitätsgrundsatz ist dabei zu berücksichtigen, dass der Unionsgesetzgeber mit der Richtlinie gewährleisten wollte, dass jede natürliche oder juristische Person ein Recht auf Zugang zu Umweltinformationen hat, ohne hierfür ein Interesse geltend machen zu müssen. Die Ausübung der von der Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte wird indessen nicht allein dadurch, dass das gerichtliche Überprüfungsverfahren keine umfassende Nachprüfung ermöglicht, praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert. Jedoch muss es dem nationalen Gericht möglich sein, die maßgebenden Grundsätze und Vorschriften des Unionsrechts tatsächlich anzuwenden. Ist Letzteres zu bejahen, so steht eine beschränkte gerichtliche Kontrolle der Beurteilung tatsächlicher Fragen im Einklang mit dem Unionsrecht.

36

Gemessen an diesen Maßstäben besteht kein vernünftiger Zweifel an der Vereinbarkeit der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung des Tatbestandsmerkmals "nachteilige Auswirkungen" mit dem Unionsrecht. Es handelt sich dabei um eine bestimmte tatsächliche Frage, deren Prüfung sich aus sachlichen, auf dem spezifischen Charakter internationaler Beziehungen beruhenden Gründen auf die Einhaltung bestimmter Grenzen beschränkt. Auch bei Anerkennung des Beurteilungsspielraums, der sich nur auf eine von mehreren Voraussetzungen des Ausschlussgrundes bezieht, kann die uneingeschränkte Wahrung der Rechte aus der Richtlinie sichergestellt und berücksichtigt werden, ob den unionsrechtlichen Anliegen hinreichend Rechnung getragen wurde.

37

bb) Die gerichtliche Prüfung des Vorliegens nachteiliger Auswirkungen hat sich daher darauf zu beschränken, ob die Beklagte von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ihre Prognose einleuchtend begründet und keine offensichtlich fehlerhafte, insbesondere in sich widersprüchliche Einschätzung getroffen hat (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 1 Rn. 20). Diese Fragen hat das Berufungsgericht bejaht und sich in diesem Zusammenhang unter anderem maßgeblich daran orientiert, dass das Unionsrecht einer Weitergabe der Informationen entgegensteht. Das ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

38

c) Das Berufungsurteil verstößt ferner nicht gegen Bundesrecht, soweit das Oberverwaltungsgericht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe des Aufforderungsschreibens verneint und dies maßgeblich darauf gestützt hat, dass weder die konkreten Umstände des Vertragsverletzungsverfahrens noch die Stellung des Klägers als anerkannte Umweltvereinigung zu einem Überwiegen öffentlicher Interessen zu seinen Gunsten führen.

39

2. Das Berufungsurteil verletzt nicht Art. 10 Abs. 1 Satz 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vom 4. November 1950 (BGBl. 1952 II S. 686). Danach hat jede Person unter anderem das Recht, Informationen ohne behördliche Eingriffe zu empfangen.

40

a) Die Vorschrift kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte grundsätzlich nicht so verstanden werden, dass sie dem Staat die Pflicht auferlegt, Informationen zu geben. Nur ausnahmsweise kann etwas anderes gelten, wenn der Staat in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse über ein Informationsmonopol verfügt oder eine Informationsquelle aus anderen rechtlichen Gründen zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist. Selbst dann verbietet Art. 10 EMRK lediglich eine willkürliche, zensurähnliche Verhinderung des Informationszugangs, die insbesondere eine angemessene Presseberichterstattung unmöglich macht (BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 - BVerwGE 151, 1 Rn. 34). Werden Informationen von einer Nichtregierungsorganisation begehrt, die die Rolle eines "social" oder "public watchdog" innehat, sind gleichwohl Einschränkungen des Zugangsanspruchs auf gesetzlicher Grundlage konventionsrechtlich zulässig (vgl. EGMR, Urteil vom 25. Juni 2013 - 48135/06, Youth Initiative for Human Rights/Serbien - EuGRZ 2014, 520 Rn. 20, 25; Wirtz/Brink, NVwZ 2015, 1166 <1171 f.>)

41

b) Das Berufungsurteil hält einer Überprüfung an diesen Maßstäben stand.

42

aa) Die Versagung des Informationszugangs stellt keine willkürliche oder zensurähnliche Maßnahme dar. Auf diese Ausnahme kann sich der Kläger schon deswegen nicht ohne Weiteres berufen, weil er in seiner Rolle als Jedermann, nicht aber im Rahmen einer Presseberichterstattung den Auskunftsanspruch geltend macht. Ihre Voraussetzungen liegen aber auch in der Sache nicht vor. Eine willkürliche Handhabung des Ausschlussgrundes leitet die Revision daraus ab, dass die Beklagte die Geheimhaltungserfordernisse in einer Vielzahl von Fällen selbst missachte. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt (UA S. 14), dass dieser Vorwurf nicht zutreffe. Zwar sei gelegentlich das Bekanntwerden von Unterlagen aus noch anhängigen Vertragsverletzungsverfahren zu beklagen, doch fördere die Beklagte dies nicht, sondern trete derartigem Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter mit disziplinarischen Mitteln entgegen. Diese Feststellung, an die der Senat mangels durchgreifender Verfahrensrügen gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO), steht der Annahme einer willkürlichen, nicht an sachgerechten Kriterien orientierten oder gar zensurähnlichen Handhabung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG durch die Beklagte entgegen.

43

bb) Auch im Übrigen liegt kein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 EMRK vor. Eine Einschränkung des Informationszugangs auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG ist, wie von Art. 10 Abs. 2 EMRK verlangt, gesetzlich vorgesehen und auch in einer demokratischen Gesellschaft zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen notwendig, da Vertraulichkeit für reibungslos funktionierende internationale Beziehungen von entscheidender Bedeutung ist (vgl. EGMR, Urteil vom 10. Dezember 2007 - 69698/01, Stoll/Schweiz - NJW-RR 2008, 1141 Rn. 126).

44

3. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen nicht durch. Von einer Begründung sieht der Senat ab (§ 144 Abs. 7 Satz 1 VwGO).

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

I. Das Verfahren wird, soweit die Berufung zurückgenommen wurde, eingestellt.

II. Die Berufung wird im Übrigen zurückgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit der ihr die Durchführung von Trophektodermbiopsien ohne eine zustimmende Bewertung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik (PID) untersagt wurde. Daneben wendet sie sich gegen einen weiteren Bescheid der Beklagten, mit dem ihr für den Fall der Zuwiderhandlung gegen den obigen Bescheid ein (erhöhtes) Zwangsgeld angedroht wurde.

Die Klägerin betreibt in m … die Zweigniederlassung ... (im Folgenden: …) und führte dort in der Vergangenheit Trophektodermbiopsien durch.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2014 beantragte das … die Zulassung als Präimplantationsdiagnostikzentrum im Sinne von § 3 Präimplantationsdiagnostikverordnung (PIDV) beim Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP).

Mit Bescheid vom 2. Juni 2015 untersagte die Beklagte der Klägerin nach vorheriger Anhörung, in der Zweigniederlassung … Trophektodermbiopsien durchzuführen, ohne dass 1. die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik in jedem Einzelfall eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und 2. das … über eine Zulassung als Zentrum für Präimplantationsdiagnostik gemäß § 3a Embryonenschutzgesetz (ESchG) durch das Bayerische StMGP verfügt (Ziff. I). In Ziffer II wurde die sofortige Vollziehung der Ziffer I angeordnet und in Ziffer III wurde im Falle des Verstoßes gegen Ziffer I für jeden Einzelfall ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 € angedroht.

Hiergegen ließ die Klägerin fristgerecht Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben (M 18 K 15.2602).

Unter dem 30. Juni 2015 wurde dem … vom StMPG die beantragte Zulassung als Zentrum für Präimplantationsdiagnostik erteilt.

Mit Schreiben der Beklagten vom 10. Februar 2016 wurde das im Bescheid vom 2. Juni 2015 angedrohte Zwangsgeld für fällig erklärt und ein erneutes Zwangsgeld im Falle des Verstoßes gegen Ziffer I des Bescheides vom 2. Juni 2015 in Höhe von 20.000,00 € angedroht. Das Fälligstellen des Zwangsgelds und die erneute Androhung eines höheren Zwangsgeldes wurde dahingehend begründet, dass ein Paar von der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik eine nachträgliche Zustimmung zu einer durch die Klägerin bereits durchgeführten Trophektodermbiopsie habe erlangen wollen. Es habe angegeben, erst durch die Krankenkasse darauf aufmerksam gemacht worden zu sein, dass eine vorherige zustimmende Bewertung der Ethikkommission für die bereits vorgenommene Untersuchung notwendig gewesen wäre. Es sei dahingehend nicht von der Klägerin aufgeklärt worden. Die erneute Zwangsgeldandrohung sei bezüglich der Höhe angemessen, da die Wirksamkeit des Zwangsmittels wegen eines erheblichen finanziellen Interesses an der Untersuchung, der Haltung der Klägerin und ihrer finanziellen Situation nur so sichergestellt werden könne.

Hiergegen ließ die Klägerin mit am 22. März 2016 beim Verwaltungsgericht München eingegangenem Schriftsatz Klage (M 18 K 16.1370) erheben.

Mit Urteil vom 7. September 2016 wies das Verwaltungsgericht die Klagen ab. In der Begründung führte es aus, dass die Klage gegen den Bescheid vom 2. Juni 2015 insoweit unzulässig sei, als sie sich gegen Ziffer I.2 des Bescheids richte, da mit Erteilung der Zulassung als Präimplantationsdiagnostik-Zentrum insoweit das Rechtsschutzbedürfnis entfallen sei. Die Klägerin habe das Anfechtungsbegehren auf den Untersuchungszweck der Feststellung der Entwicklungsfähigkeit von Embryonen begrenzt. Insoweit sei die Klage unbegründet. Auch Trophektodermbiopsien zur Bestimmung der Entwicklungsfähigkeit des Embryos fielen unter den Begriff der PID nach § 3a ESchG. Dass eine genetische Untersuchung in vitro vor dem intrauterinen Transfer vorliege, sei unstreitig. Die Untersuchung an den muralen Trophektodermzellen einer Blastozyste werde auch an Zellen eines Embryos nach § 3a Abs. 1 ESchG vorgenommen. Die Blastozyste, an der die Untersuchung durchgeführt werde, sei ein Embryo im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei bezüglich des Merkmals der Entwicklungsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 ESchG nicht darauf abzustellen, ob der Embryo sich in die Gebärmutter einnisten könne, oder ob eine Fehl- oder Totgeburt in Zukunft zu erwarten sei. Entwicklungsfähigkeit in diesem Sinne sei die Fähigkeit der befruchteten Eizelle zur Zellteilung (unter Verweis auf BayVGH, B.v. 27.10.2015 - 20 CS 15.1904 - juris Rn. 20). Einerseits ergebe sich das bereits aus der Formulierung des § 8 Abs. 2 ESchG, wonach die befruchtete Eizelle bereits in den ersten 24 Stunden ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung als Embryo „gelte“, es sei denn, es lasse sich nachweisen, dass die befruchtete Eizelle nicht fähig sei, sich über das Einzellstadium hinaus zu entwickeln. In gesetzessystematischer Hinsicht sei aus § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG ein Rechtfertigungsgrund für eine PID zu entnehmen, die durchgeführt werde, um festzustellen, dass eine schwere Schädigung des Embryos vorliege, die zu einer Totoder Fehlgeburt führen werde. Wenn die Annahme der Entwicklungsfähigkeit darauf gestützt werde, dass eine Tot- oder Fehlgeburt zu erwarten sei, läge bereits kein Embryo im Sinne des § 8 Abs. 1 Variante 1 ESchG vor. Dann wäre § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG als eigener Rechtfertigungsgrund aber sinnentleert, da bereits mangels Vorliegen einer tatbestandsmäßigen PID eine Rechtfertigung nicht erforderlich wäre. Die muralen Trophektodermzellen seien auch Zellen eines Embryos im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG. Auch wenn sie bereits weiter ausdifferenziert seien, seien sie dennoch Teil des Embryos im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG, da sie noch eine mit der Zona pellucida begrenzte Einheit darstellten. Zum Embryo im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG gehörten, zumindest im Zustand vor seiner Einpflanzung, auch die Zellen, die für seine spätere Lebenserhaltung relevant seien. Nur weil bereits eine Ausdifferenzierung zwischen den Zellen innerhalb des Embryoblast, die zum zukünftigen Säugling bzw. der zukünftigen Plazenta würden, stattgefunden habe, könne eine Begrenzung der Eigenschaft als Embryo auf diejenigen Zellen, die der spätere Säugling würden, nicht erfolgen. Die missverständliche Formulierung in § 2 Nr. 3 PIDV ändere hieran nichts (unter Verweis auf BayVGH a.a.O., Rn. 21). Auf die Pluripotenz oder Ausdifferenzierung der muralen Trophektodermzellen komme es jedoch nicht maßgeblich an, da entgegen der klägerischen Ansicht eine einengende Konkretisierung des Begriffs „Zelle eines Embryos“ gemäß § 3a Abs. 1 ESchG durch die Verordnung nicht möglich sei. Denn nach der Ermächtigungsgrundlage der Verordnung in § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG habe der Verordnungsgeber nur über die dort geregelten Punkte Entscheidungen treffen dürfen. Eine Konkretisierung der Begriffsdefinition sei in der Ermächtigungsgrundlage nicht enthalten gewesen. Des Weiteren sei auch aus dem Anwendungsbereich nach § 1 PIDV ersichtlich, dass der Verordnungsgeber lediglich die in § 3a Abs. 3 Satz 3 Nrn. 1 bis 4 ESchG benannten Punkte habe regeln und nicht darüber hinaus den Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG habe einschränken wollen. Die Argumentation, dass lediglich Trophektodermzellen entnommen würden und deshalb das Schutzgut des § 3a Abs. 1 ESchG nicht berührt werde, sei nicht nachvollziehbar. Das wichtigste Schutzgut in Bezug auf Untersuchungen vor einer künstlichen Befruchtung sei die Verhinderung von ungerechtfertigten und nicht überwachten Selektionsentscheidungen zwischen mehreren Embryonen. Dieses Schutzgut werde durch das Anliegen der Klägerin, Trophektodermbiopsien zur Feststellung der Entwicklungsfähigkeit der Embryonen ohne das Einhalten der Anforderungen nach § 3a Abs. 2 und 3 ESchG durchzuführen, unterminiert.

Die Feststellungsklage bezüglich der Fälligstellung des Zwangsgeldes im Schreiben vom 10. Februar 2016 sei zulässig, jedoch unbegründet. Gleiches gelte für die Anfechtungsklage gegen die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes. Für die Rechtmäßigkeit der erneuten Zwangsgeldandrohung komme es nicht maßgeblich auf die Darlegung des Verstoßes gegen die ursprüngliche Zwangsgeldandrohung an, da das erste Zwangsgeld mit dem Verstoß von Gesetzes wegen fällig werde. Eine erneute Androhung sei nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG erst zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung erfolglos geblieben sei. Dies sei hier der Fall. Auch die Höhe des Zwangsgeldes sei entgegen der Ansicht der Klägerin angemessen. Um den nötigen Nachdruck zu erzielen, solle das Zwangsgeld so bemessen werden, dass der Pflichtige keinen Vorteil aus der Nichterfüllung der Anordnung ziehen könne. Hierbei stehe der Behörde innerhalb des gesetzlichen Rahmens ein weiter Entscheidungsspielraum zu, bei dem die Umstände des Einzelfalls und die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigen seien. Eine Begründung für die geschätzte Höhe des wirtschaftlichen Interesses sei regelmäßig nicht erforderlich. Die Verdopplung der Höhe des angedrohten Zwangsgeldes gegenüber einer erfolglos gebliebenen Erstandrohung entspreche üblicher und anerkannter Verwaltungspraxis. Dass die Beklagte das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Durchführung der Trophektodermbiopsien erheblich höher als von dieser angegeben einschätze, werde nicht beanstandet. Bei einer Untersuchung von sechs Blastozysten verdiene die Klägerin ausweislich der vorgelegten Rechnung des Ehepaares S. über 3.500,00 €. Da die Klägerin eines der wenigen Labore deutschlandweit besitze, die die vorgenannte Untersuchung anböten bzw. angeboten hätten, könne bezweifelt werden, ob lediglich acht derartige Untersuchungen im Jahr von der Klägerin vorgenommen würden bzw. worden seien.

Der Senat hat die von der Klägerin beantragte Berufung mit Beschluss vom 1. Februar 2018 zugelassen, weil die Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Zur Begründung der Berufung führt die Klägerin aus, dass sie der Auffassung sei, eine bestimmte Form der genetischen Untersuchung eines Embryos falle nicht unter § 3a ESchG. Dies sei die Trophektodermbiopsie, bei der im Blastozystenstadium (etwa fünf Tage nach der Befruchtung) sogenannte murale Trophektodermzellen (nicht: Trophoblastzellen) entnommen und untersucht würden. Murale Trophektodermzellen seien Zellen, die in der Blastozyste dem Embryoblast gegenüber lägen und selbst die Fähigkeit, sich zu einem Menschen zu entwickeln, verloren hätten. Sie hätten die Funktion, sich zu den künftigen Eihäuten zu entwickeln. Sie seien unstreitig keine pluripotenten Zellen und schon gar keine totipotenten Zellen. Die Untersuchung, die die Klägerin beabsichtige, ziele darauf ab, festzustellen, ob diese Blastozyste aufgrund des Alters der Mutter nicht mehr entwicklungsfähig sei. Die altersbedingte Entwicklungsschwäche beruhe auf einer numerischen Chromosomenaberration, bei der einzelne Chromosomen zusätzlich zum üblichen Chromosomensatz vorhanden seien oder fehlten. Die Rate fortlaufender Schwangerschaften sinke von ca. 50% bei Frauen im Alter von weniger als 30 Jahren über 38% bei Frauen im Alter von 30 bis 35 Jahren und 31% bei Frauen im Alter von 35 bis 37 Jahren auf 20% bei Frauen im Alter von 39 bis 41 Jahren. Gleichzeitig steige die Rate der Fehlgeburten von 19% pro eingetretener Schwangerschaft bei jungen Frauen kontinuierlich auf 36% bei Frauen im Alter von 37 bis 39 Jahren. Im Rahmen einer künstlichen Befruchtung liege die Fehlgeburtsrate pro Transfer bei 10% bis 15%. Bei der Trophektodermbiopsie zur Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung würden vereinfacht gesprochen von den muralen Trophektodermzellen die Chromosomen gezählt („Aneuploidie-Screening“ oder „Chromosomen-Screening“). Zur Erkennung des Entwicklungspotentials von Embryonen würden Aneuploidien (numerische Abweichungen von der normalen Chromosomenzahl) überprüft, die mit steigendem mütterlichen Alter immer häufiger würden, und nur Embryonen mit einem normalen Chromosomensatz würden zum Transfer empfohlen. Aneuploidien führten entweder nicht zu einer Implantation, zu Fehl- oder Totgeburten oder mit einer geringen Wahrscheinlichkeit (kleiner als 2%) - z.B. im Falle einer Trisomie 21 - zur Geburt eines Kindes beispielsweise mit Down-Syndrom. Mit der Untersuchung würde mittels genetischer Untersuchung ein Vorgang fortgesetzt, der bei der künstlichen Befruchtung teilweise auch ohne genetische Untersuchung vorgenommen werde. So würden manche Formen von Entwicklungsunfähigkeit schon ohne genetische Untersuchung erkannt und führten dazu, dass diese Embryonen nicht übertragen würden. Von dieser Untersuchung sei die PID im engeren Sinn zu unterscheiden. Sie bilde ein aufwendiges Verfahren, da zunächst Proben von Familienmitgliedern genommen werden müssten, um dann den genetischen Fingerabdruck des Embryos zu bestimmen, der mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zur Erkrankung führe. Bei der PID im engeren Sinne würden Erbkrankheiten im engeren Sinne offen gelegt, ebenso würde häufig die DNA kontrolliert.

Der Bescheid vom 2. Juni 2015 sei hinsichtlich der Anordnung I.1 rechtswidrig, da die gesetzlichen Voraussetzungen einer Untersagungsverfügung nicht vorlägen. Die Untersagungsverfügung gemäß Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 LStVG sei rechtswidrig, da die Durchführung der Trophektodermbiopsie keiner zustimmenden Bewertung der Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik bedürfe und daher deren Durchführung ohne entsprechende Zustimmung keine Ordnungswidrigkeit darstelle und auch keine Gefährdung für Leib oder Leben im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Nr. 3 LStVG bestehe. Die Klägerin weigere sich, freiwillig das Verfahren gemäß § 3a Abs. 2 ESchG durchzuführen nur für Fallgestaltungen, bei denen sie auf murale Trophektodermzellen zwecks Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung zugreife. § 3a ESchG sei auf diesen Fall nicht anwendbar, sodass die Untersagungsverfügung rechtswidrig sei.

§ 3a ESchG sei nur auf eine Untersuchung von pluripotenten Zellen und nicht auch auf die Untersuchung von muralen Trophektodermzellen anwendbar. § 3a Abs. 1 ESchG stelle die Untersuchung von „Zellen eines Embryos“ unter Strafe, ohne den Begriff „Zelle“ zu definieren. Nach der Wortlautauslegung ergebe sich, dass mit der Wendung „Zellen eines Embryos“ nicht jede Untersuchung eines Embryos gemeint sei. Vielmehr sei eine Einschränkung beabsichtigt. Die Bezeichnung „Wer Zellen eines Embryos“ untersuche, werde in der Literatur teilweise als eine überflüssige Konkretisierung verstanden, da der Embryo sowieso nur aus Zellen und noch nicht aus Organen bestünde. Eine Auslegung, die den Normteil „Zellen eines Embryos“ aber genauso verstehe, wie wenn dort „Embryo“ stünde, obwohl der Gesetzgeber erkennbar eine bestimmte Form der Untersuchung habe regeln wollen, weil er gemeint habe, eine Gesetzeslücke schließen zu müssen, werde dem Normtext nicht gerecht. Dass der Gesetzgeber mit dieser Passage eine Einschränkung habe vornehmen wollen, könne nicht ernsthaft fraglich sein. Neben § 3a ESchG spreche er auch in § 7 Abs. 1 Nr. 2 ESchG von „Zellen des Embryos“. In beiden Wendungen werde bewusst ein Teil des Embryos rechtlich erfasst, was man schlecht interpretatorisch ignorieren könne. Weiter sei die Wendung „Zellen eines Embryos“ in § 3a Abs. 1 ESchG vor dem Hintergrund gewählt worden, dass eine PID im weiteren Sinne an totipotenten Zellen nach fast einhelliger Ansicht gemäß § 2 ESchG und § 6 ESchG schon immer verboten gewesen sei und daher die totipotenten Zellen bei § 3a Abs. 2 ESchG nicht erfasst würden. Hintergrund dieser Argumentation sei, dass man bei totipotenten Zellen die Rechtfertigungsmöglichkeit gemäß § 3a Abs. 2 ESchG kategorisch ausschließen wolle. In den Augen der Klägerin würde die Frage, ob totipotente Zellen „Zellen eines Embryos“ sein könnten, ein ganz zentrales Argument für die Frage der Auslegung von § 3a ESchG darstellen. Wenn man mit der ganz überwiegenden Ansicht totipotente Zellen vom Anwendungsbereich des § 3a ESchG ausscheide und dazu den Normtext von § 3a Abs. 1 ESchG teleologisch reduziere, sage man der Sache nach, dass die Entscheidung des Gesetzgebers gemäß § 3a ESchG, eine Untersuchung eines Embryos unter bestimmten Voraussetzungen zuzulassen, nicht für totipotente Zellen gelte, da diese deutlich näher am späteren Menschen dran seien als die pluripotenten Zellen, auf die sich § 3a Abs. 2 ESchG beziehe. Daraus folge konsequenter Weise im Umkehrschluss, dass man aus dem Verbot einer PID an pluripotenten Zellen nicht auf ein Verbot einer PID an muralen Trophektodermzellen schließen könne, weil die muralen Trophektodermzellen nun einmal deutlich weiter vom späteren Menschen entfernt seien als pluripotente Zellen. Systematisch könne man zwar darauf hinweisen, totipotente Zellen könnten von § 3a ESchG nicht erfasst sein, da sie gemäß § 8 ESchG schon als „Embryo“ definiert seien. An dem Argument, dass die Wertung des Ausschlusses der totipotenten Zellen einerseits und von pluripotenten Zellen andererseits aus dem Anwendungsbereich des § 3a ESchG gleich bleibe, ändere dies dennoch nichts. Darüber hinaus sei der Verweis auf § 8 ESchG auch von geringem Gewicht, da das Embryonenschutzgesetz erkennbar totipotente Zellen auch als Zellen des Embryos bezeichne. Ansonsten wäre es erlaubt, entgegen § 7 Abs. 1 Nr. 2 ESchG mit einem menschlichen Embryo eine Zelle zu verbinden, die eine andere Erbinformation als „totipotente Zellen“ des Embryos enthält mit dem Hinweis, totipotente Zellen seien ja keine Zellen, sondern der Embryo selbst. Der Passus „Erbinformation als die Zellen des Embryos“ meine ersichtlich auch Erbinformation einer totipotenten Zelle eines Embryos.

Dass der Gesetzgeber auf die pluripotenten Zellen abziele werde deutlich, wenn man berücksichtige, dass im Falle des Bundesgerichtshofs eine Untersuchung an pluripotenten Zellen vorgelegen habe. § 3a ESchG solle genau die vom Bundesgerichtshof diagnostizierte Lücke schließen. Das sei am Normtext von § 3a ESchG deutlich zu sehen. Es werde bestätigt durch die Plenardebatte und die Ausschussdebatte. Der Bezug auf pluripotente Zellen liege deshalb nahe, weil zur damaligen Zeit die Technik noch nicht so weit gewesen sei, die Trophektodermbiopsie an muralen Trophektodermzellen durchzuführen. Der Gesetzgeber habe nur die genetische Untersuchung an pluripotenten Zellen gekannt. Nun gebe es die Technik, die an murale Trophektodermzellen anknüpfe. Daran habe der Gesetzgeber im Jahre 2011 noch nicht gedacht.

Der Gesetzgeber habe eine trennscharfe Regelung treffen und nicht all das, was begrifflich unter PID gefasst werden könne, verbieten wollen. So heiße es in der Gesetzesbegründung: „Die Notwendigkeit, die PID gesetzlich zu regeln, reicht allerdings nur insoweit, wie es die Legitimierung des Grundrechtseingriffs gebietet.“ (BT-Drs. 17/5451, S. 7, 2. Spalte oben). Der Gesetzgeber habe in § 3a ESchG nicht einfach „pluripotente Zellen“ geschrieben, weil, wie sich aus § 2 PIDV ergebe, deren Definition für ein Parlamentsgesetz zu lang gewesen wäre. Es sei ohnehin klar gewesen, welche Zellen man gemeint habe, nämlich diejenigen Zellen, die dem Fall des Bundesgerichtshofs zugrunde gelegen hätten. Als Zwischenergebnis sei festzuhalten, dass „Zellen eines Embryos“ im Sinne von § 3a ESchG nur pluripotente Zellen und nicht murale Trophektodermzellen seien. Dieses Ergebnis folge auch aus § 2 PIDV. Dieser wiederhole aber nur, was die systematischhistorische Auslegung des § 3a ESchG selbst ergebe. Die Konkretisierung durch § 2 PIDV sei nicht unbeachtlich. Nach § 2 PIDV sei Präimplantationsdiagnostik nur die genetische Untersuchung pluripotenter Zellen, nicht aber die von totipotenten Zellen und auch nicht von muralen Trophektodermzellen. In der Begründung der Verordnung werde ausgeführt, dass die Begriffsbestimmung für Zellen in Nr. 3 angelehnt sei an die Definition von „pluripotenten Stammzellen“ in § 3 Nr. 1 des Stammzellengesetzes (StZG). Damit sei sichergestellt, dass Untersuchungen an Zellen im Rahmen der Verordnung nur an pluripotenten und nicht an totipotenten Zellen durchgeführt werden dürften. Insoweit werde das bereits nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 PIDV bestehende Verbot der missbräuchlichen Verwendung von totipotenten Zellen eines Embryos bekräftigt (BR-Drs. 717/12, S. 16). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Beschluss vom 27. Oktober 2015 daraus geschlossen, dass der Verordnungsgeber den Zellbegriff nicht auf pluripotente Zellen habe beschränken wollen, eine Auslegung, die mit dem Text der Begründung nicht richtig zusammenpasse. Sie stehe zudem konträr zu der Entstehungsgeschichte, bei der es um pluripotente Zellen gegangen sei. Die Definition in § 2 PIDV setze sich auch nicht in Widerspruch zu § 8 ESchG. § 2 PIDV beziehe sich auf die Definition der Zelle, § 8 ESchG beziehe sich auf die Definition des Embryos. Entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts München überschreite die Definition auch nicht die Verordnungsermächtigung nach § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG. Zwar ermächtige § 3a Abs. 3 ESchG nicht ausdrücklich dazu, den Begriff der Zelle zu definieren, mittelbar aber schon. Gemäß § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 ESchG beziehe sich die Verordnung auf die Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der PID durchgeführten Maßnahmen. Für diese Umsetzung müsse klar sein, was genau unter PID zu verstehen sei. Daher erfasse die Ermächtigung gemäß § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG auch eine nähere Begriffsbestimmung der PID selbst. Eindeutig werde dies, wenn man die Motive hinzuziehe. Der Gesetzgeber habe mit der Verordnung § 3a ESchG insgesamt konkretisieren wollen, dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5451, S. 8). Bedenken nach Art. 103 Abs. 2 GG bestünden schon deshalb nicht, da die hier relevante Definition im Gegensatz zur Auslegung des Verwaltungsgerichts die Strafbarkeit einschränke und Art. 103 Abs. 2 GG nur die strafbegründeten Normen dem strengen Bestimmtheitsgebot unterwerfe.

Das angegriffene Urteil, der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und die wohl überwiegende Ansicht in der Literatur wollten den Begriff „Zellen eines Embryos“ dennoch nicht nur auf pluripotente Zellen beziehen. Begründet werde dies damit, dass der Gesetzgeber die PID vollständig habe verbieten wollen, der Fall der Untersuchung an muralen Trophektodermzellen sei mit der Untersuchung an pluripotenten Zellen vergleichbar und ansonsten wäre der Anwendungsbereich stark reduziert. Diese Argumentation überzeuge nicht. Einerseits sei es unfair, wenn die Normen nur zu Lasten der Fortpflanzungsmedizin ausgelegt würden dahingehend, dass „totipotente Zellen“ nicht Zellen eines Embryos im Sinne von § 3a ESchG sein könnten mit der Folge, dass die Ausnahmegründe von § 3a Abs. 2 ESchG auch bei ihnen greifen könnten, andererseits aber murale Trophektodermzellen im Sinne eines weiten Verständnisses des Begriffs unter § 3a ESchG fielen. Daneben habe der Gesetzgeber nicht jede Selektionsentscheidung verbieten wollen. Der Gesetzgeber habe die Entscheidung getroffen, die der Bundesgerichtshof vermisst habe, und die habe sich eindeutig nur auf die Untersuchung von pluripotenten Zellen bezogen. Weiter sei eine so großzügige Auslegung von § 3a ESchG wegen Art. 103 Abs. 2 GG problematisch. Die verwaltungsrechtlichen Folgen des § 3a Abs. 1 ESchG knüpften an die Strafnorm des § 3a ESchG an und müssten daher in der Auslegung den Anforderungen einer Auslegung von Strafnormen genügen. Die Auslegung, dass murale Trophektodermzellen „Zellen eines Embryos“ seien, sei eine klare Ausdehnung der Strafentscheidung, die der Gesetzgeber getroffen habe, zu der weder die Literatur noch die Rechtsprechung richtig legitimiert seien. Der Gesetzgeber habe sich bewusst auf die Situation bezogen, die beim Bundesgerichtshof vorgelegen habe. Die Technik sei nun weiter, die Entscheidung mithin nicht notwendig übertragbar. Das Argument, die Untersuchung an muralen Trophektodermzellen sei mit der Untersuchung an pluripotenten Zellen funktional gleichzusetzen, greife nicht. Der Unterschied zwischen totipotenten Zellen und pluripotenten Zellen einerseits und der zwischen pluripotenten Zellen und muralen Trophektodermzellen andererseits sei so fundamental, dass man eine Regelung, die sich auf pluripotente Zellen beziehe, nicht ohne weiteres auf murale Trophektodermzellen beziehen könne. Es sei offen, ob der Gesetzgeber die Fälle, um die es bei der Trophektodermbiopsie der Klägerin gehe, wirklich verboten hätte, wenn er sie gekannt hätte. Den Umstand, dass man die rapide Abnahme der Fertilität der Frauen im höheren Alter durch ein Chromosomenscreening ausgleichen und daher die Erfolgsrate der extrakorporalen Befruchtung erhöhen könne, habe der Gesetzgeber nicht vor Augen gehabt. Dies sei an der geführten Debatte klar zu erkennen, bei der es immer nur um vorbelastete Eltern oder eine vergleichbare Erbkrankheit, die ohne Vorbelastung auftreten könne, gegangen sei. Es sei ein völlig anderer Fall, ob man einer „alten“ Frau gestatte, auch ohne Erbkrankheitsveranlagung mittels eines Chromosomenscreenings unter mehreren Embryonen dasjenige auszusuchen, bei dem die größte Chance eines Erfolgs bestehe, oder ob man regeln wolle, unter welchen Bedingungen Eltern prüfen dürften, ob das künftige Kind frei von Erbkrankheiten und eventuell weitergehend „gesund und darüber hinaus auch noch klug“ sein werde. Die Entscheidung des Gesetzgebers in § 3a ESchG sei sowohl vom Anknüpfungspunkt als auch vom Zweck der Untersuchung von den Untersuchungen der Klägerin so weit entfernt, dass dessen Anwendung materiell nicht gerechtfertigt sei.

Darüber hinaus bestehe schon deshalb kein Grund, § 3a ESchG weit auszulegen, weil die Norm massiv in Grundrechte eingreife und schon von daher eng auszulegen sei. Für all die Frauen, die in höherem Alter eine künstliche Befruchtung anstrebten und denen nur eine genetische Untersuchung an pluripotenten Zellen zur Verfügung stehe, sei die Einhaltung des Verfahrens nach § 3a Abs. 2 ESchG eine Zumutung, der Vorbehalt der Ethikkommission nicht passend. Denn bei einem Chromosomenscreening könne die Kommission gar keine Entscheidung über den Einzelfall treffen. Sie könne nur entscheiden, ob Chromosomenscreenings generell bei Frauen ab einem gewissen Alter zulässig sein sollen oder nicht. Eine ethisch schwierige Einzelfallentscheidung liege hier gar nicht vor. Es sei allenfalls eine generelle ethische Frage, ob man Chromosomenscreenings zulassen möchte oder nicht. Für die Beantwortung allgemeiner ethischer Fragen sei aber der Gesetzgeber zuständig und nicht die Ethikkommission. Dies folge schon aus der Wesentlichkeitstheorie. Schließlich komme noch hinzu, dass es durchaus offen sei, ob einer älteren Frau ohne genetische Vorbelastung überhaupt eine zustimmende Bewilligung nach § 3a Abs. 2 ESchG erteilt werden könne. § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG greife nur, wenn man erstens für diese Bestimmung keinen Anlass für die Untersuchung außer dem Alter verlange und eine Chromosomenanomalie, die allein durch das Alter bedingt ist, als „Schädigung“ des Embryos zu verstehen ist. Dies werde in der Literatur nur von einer Mindermeinung vertreten (Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 3a, Rn. 45; im Ergebnis wohl auch Scheffler, ZVL 2011, 9, 12 mit Fußnote 34). Die überwiegende Ansicht verlange aber konkrete Anhaltspunkte oder Indikationen und würde einer „alten“ Frau ohne Erbbelastung allein wegen ihres Alters keinen Ausnahmegrund im Sinne von § 3a Abs. 2 ESchG gestatten, mit der Folge, dass man die Frau dazu zwinge, eine unsinnige Schwangerschaft auf gut Glück auszuprobieren und das geringe Zeitfenster, das sie noch habe, sich dann auch noch zu schließen drohe. Auch der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass es verfassungsrechtlich bedenklich wäre, einschlägig vorbelasteten Paaren es praktisch unmöglich zu machen, eigene genetisch gesunde Kinder zu bekommen (BT-Drs. 17/5451, S. 3). Dies könne für nicht genetisch vorbelastete Eltern nicht anders sein. Für die Ärzte sei die Norm eine enorme Einschränkung ihrer aus ärztlicher Sicht richtig empfundenen Behandlungsmöglichkeiten. Für die Eltern sei es ein massiver Eingriff in ihr Grundrecht, die auf einfache Weise erreichbaren Informationen über ihr gezeugtes Embryo zu erhalten. Es sei wertungswidersprüchlich, eine Untersuchung, die isoliert an der Eizelle und am Embryo im Mutterleib rechtlich fraglos zulässig sei, an einem Reagenzglasembryo massiv einzuschränken. Die Behauptung, die Polkörperdiagnostik sei mit der hier relevanten Trophektodermbiopsie nicht zu vergleichen, weil eine Eizelle und nicht eine Zelle eines Embryos untersucht würde, sei formal richtig, materiell aber nicht. Sie übersehe, dass es auch bei der Polkörperdiagnostik um eine Selektionsentscheidung - bezogen auf schon existente Embryos - und nicht nur um Eizellen gehe. Das Schutzgut sei der Sache nach der Schutz von entwicklungsfähigen Embryonen. Bei § 8 ESchG fließe die Frage der Entwicklungsfähigkeit in die Definition der Embryonen ein und bei § 3a Abs. 2 ESchG dadurch, dass er bei den nicht entwicklungsfähigen Embryonen einen Ausnahmetatbestand schaffe. Bei der Trophektodermbiopsie zwecks Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung gehe es gerade um die Feststellung der Entwicklungsfähigkeit, aber in einer Form, die § 3a Abs. 1 ESchG wegen des technischen Fortschritts nicht mehr erfasse.

Sofern der Verwaltungsakt vom 2. Juni 2015 rechtswidrig sei, sei er aufzuheben. Damit entfielen auch die Gegenstände für die sofortige Vollziehung und für die Zwangsmittelandrohung gemäß Ziffer III. Aus dem gleichen Grund sei dann auch der Bescheid vom 10. Februar 2016, mit dem ein weiteres Zwangsgeld angedroht wurde, aufzuheben.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 7. September 2016 wird geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2015 wird in Ziffer I. 1 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2016 wird aufgehoben.

Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2018 nahm die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses zur Berufungsbegründung im Wesentlichen dahingehend Stellung, dass diese die von der Klägerin beabsichtigte Technik nach dem zu gewinnenden Untersuchungsobjekt und nach dem Untersuchungszweck beschreibe. Sie präge den Begriff der Trophektodermbiopsie auch unter Beachtung des von der Klägerin damit verfolgten Zwecks. Aus biologischer bzw. medizinischer Sicht stelle der Begriff der Trophektodermbiopsie nur darauf ab, in welchem Entwicklungsstadium und an welcher Position einem Embryo Zellen entnommen würden, um diese anschließend zu untersuchen und nicht darauf, worauf und wie die entnommenen Zellen untersucht würden. Der Begriff der Trophektodermbiopsie schließe also andere Untersuchungszwecke als das Feststellen von (häufig) durch das mütterliche Alter bedingten Chromosomenstörungen nicht aus. § 3a Abs. 1 ESchG differenziere jedenfalls seinem Wortlaut nach nicht zwischen dem Preimplantation Genetic Screening und einer PID im engeren Sinne, vielmehr definiere das Gesetz beide Techniken als PID. Die dafür vorausgesetzte genetische Untersuchung sei nicht im Embryonenschutzgesetz definiert, allerdings sei wohl die Definition des Gendiagnostikgesetzes (GenDG) verwendbar, die bei der genetischen Analyse als einer Form der genetischen Untersuchung (§ 3 Nr. 1 GenDG ) sowohl am Chromosom ansetzt (§ 3 Nr. 2 Buchst. a GenDG) als auch an der DNA (§ 3 Nr. 2 Buchst. b GenDG ).

Nach der Darstellung der Entstehungsgeschichte des § 3a ESchG in der Berufungsbegründung habe der Gesetzgeber mit § 3a ESchG allein die Situation geregelt, die der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde gelegen habe. Diese als „Sachverhalt“ überschriebene Wertung sei nicht unbedingt zu übernehmen. Der Angeklagte der vom Bundesgerichtshof entschiedenen drei Fälle, habe für Präimplantationsdiagnostiken jeweils „pluripotente, d.h. nicht zu einem lebensfähigen Organismus entwicklungsfähige Trophoblastzellen“ (BGH, a.a.O., Rn. 4) verwendet. Der Bundesgerichtshof habe zwischen solchen Zellen und totipotenten Zellen unterschieden, wobei er davon ausgegangen sei, dass Hintergrund der Strafbarkeit einer PID an totipotenten Zellen sei, dass ihre Entnahme oder Untersuchung den Embryo schädigen könnte (BGH a.a.O., Rn. 22 ff.). Der Bundesgerichtshof habe angenommen, der Angeklagte habe Zellen entnommen, die in einem späteren Stadium die Placenta bilden würden, weswegen der Embryo(-blast) selbst nicht betroffen sei (BGH a.a.O., Rn. 23). Von einer gewissen Spezialisierung sei er also trotz der festgestellten Pluripotenz der betroffenen Zellen ausgegangen. Der Angeklagte der vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fälle habe Zellen von Embryonen untersucht, bei denen bei einem Elternteil eine (balancierte) Translokation vorgelegen habe. Deren Vererbung habe die Gefahr der Entstehung von Chromosomenaberrationen beinhaltet. Diese seien „Erbkrankheiten“, denen der Gesetzgeber mit einer bedingten Erlaubnis der PID habe gestatten wollen, vorzubeugen. Mit der Einfügung des § 3a ESchG habe der Gesetzgeber nach Auffassung der Landesanwaltschaft eine Grundsatzentscheidung treffen und nicht nur einen einzelnen Fall regeln oder eine vom Bundesgerichtshof festgestellte Strafbarkeitslücke füllen wollen.

Es sei fraglich, ob man mit der Berufungsbegründung sagen könne, dass murale Trophektodermzellen „deutlich weiter vom späteren Menschen entfernt“ seien als pluripotente Zellen. Denn im zeitlichen Ablauf der Entwicklung einer totipotenten Zelle zum Menschen sei das Stadium, in dem bereits murale Trophektodermzellen vorhanden seien, dem späteren Menschen näher. Zu der Argumentation, es scheine nicht fair zu sein, im Zusammenhang mit einer strafbegründenden Interpretation unter Zellen eines Embryos alle, auch murale Zellen, zu verstehen, im Rahmen eines Rechtfertigungsgrundes den gleichen Begriff dann aber einschränkend auszulegen und totipotente Zellen hier auszunehmen, sei zu sagen, dass eine einschränkende Auslegung im Rahmen eines Rechtfertigungsgrundes gar nicht nötig sei, weil eine Untersuchung totipotenter Zellen bereits nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 ESchG nicht erlaubt wäre. Die Abspaltung einer totipotenten Zelle zum Zweck einer Diagnostik bedeute zudem ein nach § 6 Abs. 1 ESchG verbotenes Klonen (vgl. BGH, Urteil v. 6.7.2010 - 5 StR 386/09 - juris Rn. 22). Totipotente Zellen würden vom Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG nicht ausgenommen, um eine teleologische Reduktion zu erreichen, sondern um sie strengeren Vorschriften des Embryonenschutzgesetzes ohne Rechtfertigungsmöglichkeit zu unterwerfen bzw. um klarzustellen, dass sie diesen strengeren Vorschriften unterworfen seien. Der Wortlaut „Zellen eines Embryos“ erscheine vollkommen eindeutig auch auf murale Trophektodermzellen bezogen.

Soweit argumentiert werde, dass der Gesetzgeber nur eine vom Bundesgerichtshof diagnostizierte Gesetzeslücke habe schließen wollen, und an eine Technik, die an muralen Trophektodermzellen ansetze, 2011 gar nicht gedacht habe, werde angemerkt, dass eben weil 2011 die Biopsie und Untersuchung muraler Trophektodermzellen noch nicht bekannt gewesen sei, als Ansatzpunkt der PID notwendigerweise nur pluripotente Zellen genannt werden konnten. Es sei stets um eine Abgrenzung in Richtung totipotenter Zellen und nicht um eine Abgrenzung in Richtung weiter ausdifferenzierter Zellen gegangen, weil die Untersuchung nach dem damaligen Stand der medizinischen Technik nicht an letzteren habe durchgeführt werden können. Diese Umstände aus der Historie widerlegten, dass es dem Gesetzgeber allein auf eine bestimmte Art von Zellen angekommen sei. Daneben sei der Gesetzgeber bis zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu einem großen Teil der Ansicht gewesen, dass die PID im ESchG mitgeregelt, nämlich als Fall des § 2 Abs. 1 ESchG , verboten sei. Er habe daher eine Grundsatzentscheidung treffen wollen. Soweit in der Berufungsbegründung auf den Zweck einer trennscharfen Regelung, die das Präimplantationsdiagnostikgesetz habe bieten wollen, verwiesen werde, sei festzustellen, dass auf eine Trennschärfe, wie sie insbesondere durch eine Indikationenliste hätte erreicht werden können, ausdrücklich verzichtet worden sei. Der Gesetzgeber habe vielmehr Begriffe mit erst noch in der Rechtsanwendung zu präzisierenden oder auch verschiebbaren Grenzen wie „schwerwiegende Erbkrankheit“ oder „schwerwiegende Schädigung“ bevorzugt. Auch dies dürfte vor dem Hintergrund geschehen sein, eine Grundsatzentscheidung zu treffen, die nicht ständiger Überarbeitung bedürfe. Die Textpassage aus der Gesetzesbegründung „die Notwendigkeit die PID gesetzlich zu regeln, reiche allerdings nur insoweit, wie es die Legitimierung des Grundrechtseingriffs gebiete“ (BT-Drs. 17/5451, S. 7 (II.)) sei kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber nicht all das, was begrifflich unter PID gefasst werden könne, habe regeln wollen. Sie sei vielmehr in Bezug auf die zuvor erwähnten Grundrechtspositionen Beteiligter zu verstehen, mit denen die zukünftigen Eltern gemeint sein dürften, aber auch, wie sich aus den folgenden Sätzen ergebe, Ärzte, die Invitro-Fertilisationen durchführten. Deren Gewissensentscheidung, einen geschädigten Embryo nicht zu implantieren bzw. sich überhaupt erst in eine Situation zu begeben, die eine dahingehende Entscheidung erfordere, habe der Gesetzgeber nicht unterbinden wollen. Er betone daher die Freiwilligkeit der PID. Ein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber nicht jede denkbare Form der PID habe in die Regelung einbeziehen wollen, finde sich in diesem Kontext nicht.

Soweit die Rechtsauffassung der Klägerin sekundär auch auf § 2 Nr. 3 PIDV gestützt werde, sei angemerkt, dass diese Definition § 3 Nr. 1 StZG entnommen sei. Sie habe nur sicherstellen sollen, dass Untersuchungen an Zellen im Rahmen der Verordnung nur an pluripotenten und nicht an totipotenten Zellen durchgeführt werden dürften (BR-Drs. 717/12, S. 16). Es sei nicht erkennbar, inwiefern man dem Verordnungsgeber eine Einschränkungsabsicht unterstellen könne. In § 3a Abs. 3 Satz 3 Nrn. 1 bis 4 ESchG sei ausgeführt, was näher vom Verordnungsgeber zu bestimmen sei. Eine Definition der Zellen eines Embryos gehöre nicht dazu. Auch mit den Anforderungen an die Meldung in § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 PIDV habe nicht erst definiert werden müssen, was unter PID selbst zu verstehen sei. Der Gesetzgeber habe dies vielmehr in § 3a Abs. 1 ESchG unmittelbar geregelt. Dies unterstelle auch die von der Berufungsbegründung zitierte Passage aus der Bundestagsdrucksache.

Totipotente Zellen seien an sich Zellen eines Embryos im Sinne von § 3a ESchG. Die Ausnahme vom Verbot bzw. von der Strafbarkeit der PID könne bei totipotenten Zellen schon wegen § 2 Abs. 1 ESchG und § 6 Abs. 1 ESchG nicht zur Anwendung kommen. Daher sei es kein weites oder extensives Verständnis des Begriffs der Zellen eines Embryos, wenn totipotente Zellen vom Anwendungsbereich des § 3a ESchG insgesamt ausgenommen würden. Dem Argument, die Technik sei seit dem BGH-Urteil fortgeschritten, sei entgegen zu halten, dass der Gesetzgeber mit dem Präimplantationsdiagnostikgesetz nicht auf eine bestimmte Technik oder ein bestimmtes Entwicklungsstadium des Embryos abstelle, sondern auf eine bestimmte Situation - die anstehende Selektionsentscheidung -, die bei der einen wie der anderen Technik vorliege. Die Selektionssituation sei einer der zentralen Aspekte der Bundestagsdebatten zur Präimplantationsdiagnostik gewesen.

Der Gesetzgeber habe die Überlegung, die Abnahme der Fertilität von Frauen in höherem Alter könne durch ein Chromosomenscreening ausgeglichen und so die Erfolgsrate der extrakorporalen Befruchtung erhöht werden, durchaus vor Augen gehabt. Der Entwurf eines Präimplantationsdiagnostikgesetzes, der schließlich im Wesentlichen Gesetz wurde, weise auf (neu entstandene) Chromosomenanomalien als häufigste Ursache einer Fehl- oder Totgeburt hin (BT-Drs. 17/5451, S. 8). Das statistisch höhere Risiko älterer Frauen, ein Kind mit einer Chromosomenaberration (insbesondere Trisomie 21) zu bekommen, sei allgemein bekannt gewesen, desgleichen ihr höheres Fehlgeburtsrisiko (unter Verweis auf Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, A.IV. Rn. 199). Der Gesetzgeber habe auch für diese Situation die PID in § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG grundsätzlich vorgesehen, aber eben unter den gleichen Voraussetzungen wie bei Risiken aufgrund der genetischen Disposition eines oder beider Elternteile. Was er nicht gewollt habe, sei gewesen, dass Frauen ab einem bestimmten Alter bei Kinderwunsch zu einer Invitro-Fertilisation mit PID verpflichtet oder auch nur indirekt aufgefordert würden. Darauf laufe allerdings die Argumentation der Berufungsbegründung hinaus, wenn sie unter anderem meine, eine Regelung, die Ärzte dazu zwinge, Patientinnen zu einer Ethikkommission zu schicken, die ein gewisses Alter überschritten hätten, sei fragwürdig. Auch hier, wo die Berufungsbegründung die Notwendigkeit einer restriktiven Interpretation des § 3a ESchG dahingehend sieht, ihn gar nicht anzuwenden, sei die Einzelfallentscheidung einer Ethikkommission vorgesehen und möglich. Zu den Umständen des jeweiligen Einzelfalls gehörten etwa das konkrete Alter der Frau und ihr Gesundheitszustand, ob sie schon Kinder habe und inwieweit diese gesund seien, ob sie Fehlgeburten oder fehlgeschlagene Invitro-Fertilisationsversuche hinter sich habe, die Dringlichkeit des Kinderwunsches und die Partnerschaft, in der sie lebe. Der Berufungsbegründung sei an diesem Punkt darin zuzustimmen, dass für die Beantwortung allgemeiner ethischer Fragen der Gesetzgeber zuständig sei. Mit § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG habe der Gesetzgeber jedoch die Entscheidung getroffen, auch in den Fällen, dass eine Frau über 38 Jahre sich ein Kind nur nach PID wünsche, die Zulässigkeit der PID von der zustimmenden Bewertung einer Ethikkommission abhängig gemacht werde. Mit der PID werde eine von der Berufungsbegründung kritisch gesehene „Schwangerschaft auf Probe“ vermieden zugunsten einer „Fertilisierung auf Probe“, die ihrerseits Belastungen bedeute.

Die Berufungsbegründung kennzeichne als Schutzgut des Embryonenschutzgesetzes entwicklungsfähige Embryonen. § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG definiere jedoch nicht das Schutzgut des Embryonenschutzgesetzes, sondern setze es voraus. Diese Bestimmung spreche im Gegensatz zur Berufungsbegründung nicht von nicht entwicklungsfähigen Embryonen, sondern von der Wahrscheinlichkeit einer Tot- oder Fehlgeburt, setze eine gewisse Entwicklung also gerade voraus. Das Abstellen auf die Entwicklungsfähigkeit in der Berufungsbegründung ähnele eher dem Entwurf eines Gesetzes zur begrenzten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (BT-Drs. 17/5452), der nicht Gesetz geworden sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich vollumfänglich den Ausführungen der Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses an und verweist auf ihre Äußerungen im Berufungszulassungsverfahren. Dort hatte sie ausgeführt, dass der Gesetzgeber eine Grundsatzentscheidung bezüglich der PID habe treffen und nicht lediglich den vom BGH entschiedenen Fall regeln wollen. Das wesentliche ethische und rechtliche Problem, das der Gesetzgeber habe regeln wollen, sei, dass ein Embryo nach einer PID möglicherweise nicht implantiert werde und absterbe. Da es für die Frage der Implantation/Nichtimplantation nicht darauf ankomme, welche Zellen entnommen würden, sondern nur auf das Untersuchungsergebnis, habe sich durch die Weiterentwicklung der Untersuchungstechnik auch nichts an dem grundlegenden ethischen Problem geändert. Der Wortlaut des § 3a Abs. 1 ESchG lasse keine Einschränkung auf pluripotente Zellen erkennen. Schließlich liege auch bei „älteren Frauen“ kein „völlig anderer Fall“ vor, da es auch hier zu einer Selektion von Embryonen komme. Eine einschränkende Auslegung von „Zellen eines Embryos“ könne auch nicht aus Sinn und Zweck der Vorschrift gefolgert werden. Denn auch wenn ein Aneuploidiescreening negativ ausfalle, werde der Embryo verworfen. Selbst wenn nur euploide Embryonen entwicklungsfähig seien, bedeute dies nicht, dass andere nicht dem Schutz des ESchG unterstünden. Denn § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG sehe gerade für solche Fälle eine Indikation vor.

Mit Schreiben vom 22. Juni 2018 bat der Senat die Landesanwaltschaft Bayern um Einholung einer Stellungnahme der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik zu der Frage, ob diese die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG für erfüllt ansieht, wenn aufgrund des Alters der Frau bzw. deren Eizelle ein erhöhtes Risiko für eine Tot- oder Fehlgeburt besteht oder ob ihrer Auffassung nach darüber hinaus auch eine medizinische Indikation für eine Tot- oder Fehlgeburt bestehen muss, wie zum Beispiel etwa eine bereits einmal erfolgte Totoder Fehlgeburt. Wenn möglich wurde auch um eine Stellungnahme dazu gebeten, ob die anderen in Deutschland eingerichteten Ethikkommissionen diese Frage gleich oder abweichend beurteilen. Außerdem wurde darum gebeten mitzuteilen, ob der Ethikkommission in der Vergangenheit bereits Fälle zur Entscheidung vorgelegen haben, in denen eine PID nur zur Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung der befruchteten Eizelle beantragt wurde und wie die Ethikkommission in diesen Fällen entschieden hat.

Die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik nahm mit Schriftsatz vom 6. August 2018 dahingehend Stellung, dass sie für die Ermittlung der hohen Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG auf die individuelle Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer Tot- oder Fehlgeburt im Vergleich zur gleichaltrigen weiblichen Durchschnittsbevölkerung abstelle. Diese Wahrscheinlichkeit müsse im konkreten Einzelfall signifikant erhöht sein. Allein das Alter der Frau, von der die Eizelle stamme, reiche nicht aus. Auch bei Satz 2 müssten für die Annahme der hohen Wahrscheinlichkeit bereits vor der Untersuchung konkrete individualisierbare Anhaltspunkte für einen Schwangerschaftsverlauf im Sinne des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG vorliegen. Dies könnten unter anderem Reifestörungen der Keimzelle oder auch bereits erlittene Tot- oder Fehlgeburten sein. Häufigste Ursache einer Totoder Fehlgeburt seien spontan entstehende chromosomale Fehlverteilungen in den elterlichen Keimzellen. In den meisten Fällen liege eine Aneuploidie der Eizelle vor. Bei jüngeren Frauen werde eine Aneuploidierate der Eizellen von 20% bis 40% angenommen. Mit zunehmendem mütterlichem Alter steige die Wahrscheinlichkeit einer Aneuploidie der Eizelle. In der Regel führten diese Chromosomenstörungen zu einem Frühabort. Vor allem aber Embryonen mit einer Trisomie 13, 18 oder 21 oder einer zahlenmäßigen Auffälligkeit der Geschlechtschromosomen könnten sich auch über die 12. Schwangerschaftswoche hinaus weiterentwickeln. In diesen Fällen ende die Schwangerschaft nicht zwangsläufig in einer Fehlgeburt, wenngleich auch die Wahrscheinlichkeit hierfür erhöht sei. Die mit erhöhtem mütterlichem Alter steigende Aneuploidierate führe ferner dazu, dass sich aus einer befruchteten Eizelle immer seltener überhaupt eine Schwangerschaft entwickeln könne. Es werde darauf hingewiesen, dass gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 PIDV bei jeder Entscheidung alle im konkreten Einzelfall maßgeblichen psychischen, sozialen oder ethischen Gesichtspunkte berücksichtigt würden, sodass auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG als erfüllt angesehen werde, keine allgemein gültige Antwort gegeben werden könne. Ergänzend teilte die Landesanwaltschaft Bayern mit Schreiben vom 6. August 2018 mit, dass bei der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik bisher rund 110 Anträge eingingen, welche auf die Indikation des § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG gestützt worden seien. Viele davon seien von Frauen mit erhöhtem mütterlichem Alter gestellt worden, bei Weitem aber nicht alle. Die PID allein zur Erkennung einer altersbedingten Entwicklungshemmung der befruchteten Eizelle sei nur in wenigen Fällen so explizit beantragt worden, auch wenn dieser Hintergrund bei mehreren Anträgen durchaus angeklungen habe.

Auf die daneben beim Senat eingegangenen Stellungnahmen der übrigen Ethikkommissionen für PID wird Bezug genommen.

Die Klägerin nahm hierzu dahingehend Stellung, dass aus der Stellungnahme der Ethikkommission hervorgehe, dass es bei dem vorliegenden Rechtstreit nicht mehr darum gehe, ob die Klägerin die Ethikkommission zu beteiligen habe oder nicht, sondern darum, ob es generell in Deutschland erlaubt oder verboten sei, bei älteren Frauen ohne signifikante Auffälligkeiten eine ausreichende Anzahl von Blastozysten zu erzeugen und zu untersuchen mit dem Ziel, ob eine schwangerschaftstaugliche Blastozyste vorliege oder nicht. Bei dieser Auslegung bewirke § 3a Abs. 1, Abs. 2 ESchG einen erheblichen Grundrechtseingriff. Der Wunsch, Kinder zu bekommen, sei grundrechtlich geschützt (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG). Die Entscheidung, bestehende medizinische Möglichkeiten zur Realisierung dieses Wunsches heranzuziehen, sei ebenfalls grundrechtlich geschützt. Ein generelles Verbot des Aneuploidiescreenings in Form der Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern bilde einen Grundrechtseingriff. Das Gewicht dieses Grundrechtseingriffs sei enorm hoch. Das Verbot bewirke eine nachhaltige Verschlechterung der Realisierungschancen einer Schwangerschaft für eine Vielzahl von Grundrechtsträgern. In einer großen Zahl von Fallgestaltungen führe dies beim gegenwärtigen medizinischen Stand zum vollständigen Verlust der Möglichkeit der Herbeiführung einer Schwangerschaft im relevanten Alter. Die zur Rechtfertigung herangezogenen Gemeinwohlgründe müssten ein erhebliches Gewicht besitzen, was aber nicht der Fall sei. Denn die Untersuchung berühre nicht in besonderer Weise Gemeinwohlbelange, insbesondere nicht erheblich den objektiven Gehalt anderer Grundrechte. Blastozysten, die nicht fähig seien, eine Schwangerschaft herbeizuführen, seien je nach dogmatischer Position eventuell noch vom objektiven Gehalt der Grundrechte von Art. 1 Abs. 1 GG oder Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG bzw. eventuell von Art. 2 Abs. 2 GG erfasst. Das Rechtfertigungsgewicht des Schutzgutes „nicht schwangerschaftsgeeignete Blastozysten“ sei aber gering. Ein substantieller Grundrechtsschutz setze zwar vermutlich noch nicht die Einnistung, aber doch zumindest die Fähigkeit zur Einnistung voraus. Es fehle daher an einem ausreichenden Gemeinwohlgrund zur Rechtfertigung dieses Eingriffs. Es liege daher nahe, im Rahmen des verfassungskonformen bzw. verfassungsfreundlichen Auslegens den § 3a Abs. 1 ESchG so zu interpretieren, dass die Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern nicht erfasst werde. Der Gesetzgeber selbst habe die PID nur soweit beschränken wollen, wie es die Legitimation des Grundrechtseingriffs gebiete. Darüber hinaus sei der Grundrechtseingriff zu schwergewichtig, als dass das eingreifende Gesetz hinreichend bestimmt sein müsste, um diesen zu rechtfertigen. Dies sei bei § 3a ESchG nicht der Fall. Das Ergebnis sei auch gesetzessystematisch in sich unsinnig. Der Gesetzgeber habe mit § 3 Abs. 2 Satz 2 ESchG Blastozysten, die nicht lebensfähig seien, in gewisser Weise für weniger schutzwürdig erklärt, als Blastozysten, die lebensfähige Schwangerschaften nach sich zögen. Daher würde es sehr überraschen, wenn der Gesetzgeber in den Fallgestaltungen, in denen die Blastozysten nicht einmal zu einer Schwangerschaft führen könnten, nun einen noch höheren Schutz vorsehen würde. Niste sich eine Blastozyste nicht ein, liege weder eine Fehl- noch eine Totgeburt nach der in der Gesetzesbegründung enthaltenen Definition (BT-Drs. 17/5451, S. 8) vor. Eine nicht erfolgreich verlaufende Schwangerschaft und eine nicht zustande kommende Schwangerschaft seien daher zwei deutlich unterschiedliche Ereignisse.

Es gebe jedoch eine winzige Teilmenge, bei der es um die Fallgestaltung einer ethischen Entscheidung im weiteren Sinne gehe und bei der die Situation im Zusammenhang mit ovariellem Altern äußerlich betrachtet ähnlich aussehe wie die Fälle mit einer erblichen Belastung. Diese spiele in der Praxis jedoch keine sehr große Rolle. Die verantwortliche Ärztin der Klägerin könne sich nicht entsinnen, einen solchen Fall in ihrer bisherigen Praxis schon einmal gesehen zu haben. Es handele sich um den Fall der Trisomie 21. Es gebe eine statistisch seltene, aber vorkommende erbliche Belastung mit einer Trisomie 21, die in aller Regel zu einer Totgeburt führe, aber in wenigen Fällen auch zu einer Lebendgeburt führen könne. Eltern mit Translokationen, auch einer Translokation, an der das Chromosom 21 beteiligt sei, hätten ein exorbitant hohes Risiko für Fehlgeburten und ein erhöhtes Risiko für ein Kind mit einer T21 und gehörten zu den eindeutigen PID-Fällen mit einer elterlichen Vorerkrankung i.S.v. § 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG (und auch des Satzes 2). Andererseits sei auch denkbar, dass im Rahmen eines ovariellen Alterns ebenfalls eine Trisomie 21 erzeugt werde (freie T21). In der Regel trete nicht nur eine Trisomie auf, sodass die Blastozyste in der Regel nicht schwangerschaftstauglich sei. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern eine isolierte Trisomie 21 auftrete, bei der zumindest die Schwangerschaft möglich sei und auch eine Lebendgeburt erwartet werden könne. Die betroffenen Blastozysten sähen in beiden Fällen vergleichbar aus, die behandelnde Ärztin wisse aber aufgrund des Verfahrens und den vorausgehenden Untersuchungen, ob es sich um eine erblich bedingte Trisomie 21 handele. Überspitzt formuliert werde im erblich belasteten Fall die Blastozyste mit der Trisomie 21 gesucht, um sie nicht einzusetzen, bei der Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern werde sie gesucht, weil sie zu der Gruppe der Blastozysten gehöre, die wenigstens zu einer Schwangerschaft führen könnte.

Nehme man an, es würde der Klägerin gelingen, bei einer 40-jährigen Frau 50 Eizellen zu stimulieren und sie zu zehn Blastozysten werden zu lassen (in der Praxis sei die Zahl in der Regel geringer) und würde sie nun alle zehn untersuchen und käme zu dem Ergebnis, dass acht Blastozysten nicht zu einer Schwangerschaft führen würden, eine mit einer Trisomie 21 belastet wäre, die aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer Fehl- oder Totgeburt oder vielleicht auch zu einer Lebendgeburt mit einem behinderten Leben führen würde, und bei einer Blastozyste mit einer Lebendgeburt ohne Behinderung zu rechnen wäre. In diesem Fallbeispiel hätte die Untersuchung mit dem Zweck, die acht Blastozysten von den zwei anderen zu unterscheiden nach Ansicht der Klägerin nichts mit dem zu tun, was § 3a Abs. 1 ESchG verbieten möchte. Von den dann bestehenden Wahlmöglichkeiten habe nur die Wahlmöglichkeit, nur die Blastozyste einzusetzen, die die begründete Hoffnung in sich trage, unbelastetes Leben zu erzeugen, mit der Auswahlentscheidung zu tun, die der Gesetzgeber mit § 3a ESchG habe regulieren wollen. Denn nur hier würde zwischen möglichen Schwangerschaften unterschieden und ein wenig Gott gespielt. Würde man diese Auswahlentscheidung an eine Entscheidung der Ethikkommission binden oder sie der Klägerin untersagen, wäre der Gesetzeszweck von § 3a Abs. 1 ESchG auf jeden Fall erreicht, ohne dass der Klägerin die eigentliche Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellem Altern wirklich eingeschränkt wäre. In der Praxis spiele diese Frage keine relevante Rolle.

Zur Frage der von der Klägerin eingesetzten Technik wurde ausgeführt, dass sich diese von der in dem vom BGH entschiedenen Fall eingesetzten Technik unterscheide. Dort seien pluripotente Zellen herangezogen und mithilfe der Fluoreszenzinsitu-Hybridisierung (FISH) untersucht worden. Bei der Klägerin würden murale Trophektodermzellen mittels des Next Generation Sequencing (NGS) untersucht. In den letzten Jahren habe sie eine Comparative Genomic Hybridisation (CGH) herangezogen. Die eingesetzte Technik unterscheide nicht zwingend danach, ob es um ein Chromosomenscreening zwecks Auffindung von Blastozysten, die zu Tot- oder Fehlgeburten führen oder um eine Trophektodermbiopsie im Zusammenhang mit dem ovariellen Altern gehe. Dennoch sei es eine andere Technik als die im BGH-Fall eingesetzte.

Die Landesanwaltschaft Bayern führte hierzu aus, bei einem Aneuploidiescreening würde sich auch zeigen, ob grundsätzlich einer Weiterentwicklung zugängliche und damit schwangerschaftstaugliche Embryonen mit der Trisomie 13, der Trisomie 16, der Trisomie 18, der Trisomie 21 oder einer Monosomie X vorlägen. Blastozysten mit einem derartigen Befund würden von der Klägerin wohl kaum zur Übertragung vorgeschlagen werden bzw. würden die Frauen, die sich in einer Kinderwunschbehandlung befänden, den Transfer ablehnen. Sie bezweifle, dass allein der von der Klägerin als „völlig untergeordnet“ dargestellte Fall zu Auswahlentscheidungen führen würde.

Die Klägerin erwiderte darauf unter Vertiefung ihres Standpunktes, dass mit einem Trisomie 21 belastete Blastozysten eine Geburtswahrscheinlichkeit von 2% besäßen. Bei den Trisomien 13 und 18 liege die Wahrscheinlichkeit bei 0,5%, bei den Trisomien 23 und 16 werde kein Kind geboren.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Akten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sowie die Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 29. November 2018 Bezug genommen.

Gründe

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, aufgrund der Konkretisierung des Zulassungsantrags in der Antragsbegründung, die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2015 (M 18 K 15.2602) und die Anfechtungsklage gegen die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes im Bescheid vom 10. Februar 2016 (M 18 K 16.1370). Die erstinstanzlich noch unter dem letztgenannten Aktenzeichen des Verwaltungsgerichts München erhobene Feststellungsklage auf Feststellung, dass das im Bescheid vom 2. Juni 2015 unter Ziffer III angedrohte Zwangsgeld nicht fällig geworden sei, wurde bereits im Zulassungsverfahren ausweislich der Begründung des Zulassungsantrags nicht weiter verfolgt und war damit nicht mehr Gegenstand des Zulassungswie des Berufungsverfahrens.

In der Berufungsbegründung vom 15. Februar 2018 hat die Klägerin zudem ausgeführt, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit nicht angegriffen werde, als dieses die Klage für unzulässig erklärt habe. Dies betraf die Anfechtungsklage gegen die Ziffer I.2 des Bescheids vom 2. Juni 2015. Nachdem in der Begründung des Zulassungsantrags die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2015 noch vollständig zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden war, stellt diese Einschränkung eine Rücknahme der Berufung dar. Diese war nach § 126 VwGO ohne die Zustimmung der Beklagten möglich, da die Anträge noch nicht gestellt waren. Insoweit war das Verfahren daher nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog einzustellen und nach § 126 Abs. 3 Satz 2 VwGO über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.

Im Übrigen, also soweit sich die Berufung gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Anfechtungsklage gegen Ziffer I.1 des Bescheids vom 2. Juni 2015 und gegen die Entscheidung über die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 10. Februar 2016 (Androhung eines weiteren Zwangsgelds) richtet, ist die Berufung zulässig, aber unbegründet.

1. Ziffer I.1 des Bescheids der Beklagten vom 2. Juni 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Darin wurde der Klägerin untersagt, in ihrer Münchner Zweigniederlassung Trophektodermbiopsien durchzuführen und dieses Verbot wurde unter die auflösende Bedingung gestellt, dass die bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik in jedem Einzelfall eine zustimmende Bewertung abgegeben hat.

Dabei versteht der Bescheid den Begriff „Trophektodermbiopsie" über den eigentlichen Wortsinn von „Biopsie" (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl. 2002, Stichwort: Biopsie) hinaus dahin, dass damit nicht nur die Entnahme einer Zelle des Trophektoderms, sondern auch deren genetische Untersuchung gemeint ist. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Bescheid nebeneinander und ohne erkennbare Differenzierung von „Trophektodermbiopsie" und „Trophektoderm Diagnostik" spricht und ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Die Untersagung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Bayerischen Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) in Verbindung mit § 3a Abs. 4 des Embryonenschutzgesetzes (ESchG). Danach können die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu unterbinden. Die Landeshauptstadt München ist nach Art. 6 LStVG örtlich zuständige Sicherheitsbehörde. Die Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG entgegen § 3a Abs. 3 Satz 1 ESchG ist nach § 3a Abs. 4 ESchG eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu 50.000,00 € geahndet werden kann. Verstöße gegen formelle Rechtmäßigkeitsbestimmungen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Entgegen der Argumentation der Klägerin ist die Anordnung auch materiell rechtmäßig. Die von der Klägerin beabsichtigte Untersuchung muraler Trophektodermzellen ist unabhängig vom mit der Untersuchung verfolgten Zweck eine Untersuchung der Zellen eines Embryos im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG. Damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen einer PID nach § 3a Abs. 1 ESchG erfüllt. Da die Klägerin diese Untersuchungen ohne vorherige zustimmende Bewertung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik durchführen will, liegt auch ein Verstoß gegen § 3a Abs. 3 Satz 1 (konkret Nr. 2) ESchG vor, sodass der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit des § 3a Abs. 4 ESchG erfüllt wird.

a) Zunächst ist festzuhalten, dass die Blastozysten, denen die zu untersuchenden Zellen entnommen werden, bereits Embryonen im Sinne von § 8 Abs. 1 ESchG darstellen. Was unter einem Embryo im Sinne des Embryonenschutzgesetzes zu verstehen ist, regelt § 8 Abs. 1 ESchG. Danach gilt als Embryo einerseits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an (1. Alt.), andererseits aber auch jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle (2. Alt.). Der Gesetzgeber hat sich mit dieser Legaldefinition für einen sehr früh einsetzenden strafrechtlichen Schutz des Embryos entschieden (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 8 ESchG Rn. 1), der bereits mit dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung beginnt. Dieses Stadium haben die von der Klägerin ins Auge gefassten Blastozysten offensichtlich bereits überschritten. Ob die jeweilige Blastozyste fähig ist, sich in die Gebärmutter einzunisten, ist insoweit unerheblich. Denn, wie das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (S. 12, unter Verweis auf den Beschluss des Senats vom 27.10.2015 - 20 CS 15.1904 - juris Rn. 20) überzeugend ausgeführt hat, ist Entwicklungsfähigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 Var. 1 ESchG (nur) die Fähigkeit der befruchteten Eizelle zur Zellteilung (vgl. auch Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 8 Rn. 21). Hat die befruchtete Eizelle ihre Fähigkeit zur Zellteilung bereits dadurch eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie das Blastozystenstadium (vgl. Deutscher Ethikrat, Stellungnahme, BT-Drs. 17/5210, S. 4) erreicht hat, so ist sie unabhängig von ihrer Fähigkeit zur Einnistung in die Gebärmutter oder zur Herbeiführung einer Schwangerschaft jedenfalls Embryo im Sinne von § 8 ESchG.

b) Entgegen der Argumentation der Klägerin sind „Zellen eines Embryo" im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG nicht nur pluripotente Zellen (ebenso Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 3a, Rn. 17). Vielmehr umfasst § 3a Abs. 1 ESchG jede Art von Zellen, die zum Embryo in seiner im Zeitpunkt der Entnahme (Biopsie) der untersuchten Zellen von der Umgebung des Embryos abgrenzbaren Form gehören. Bei einer Biopsie im Blastozystenstadium, wie sie die Klägerin beabsichtigt, gehören daher zu den „Zellen eines Embryos" im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG alle Zellen dieser Blastozyste. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat (S. 12/13 seines Urteils) sind auch murale Trophektodermzellen - unabhängig vom Grad ihrer Ausdifferenzierung - im Zeitpunkt der von der Klägerin vorgesehenen Biopsie noch Teil des Embryos im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG, da sie noch Teil der von der Zona pellicuda begrenzten Einheit sind. Zum Embryo in diesem Sinn gehören im hier interessierenden Zustand vor dem intrauterinen Transfer auch die Zellen des Trophektoderms, die für seine spätere Lebenserhaltung relevant sind und später zu einem Teil der Plazenta oder zu den Eihäuten werden. Ob diese Zellen (noch) totipotent, pluripotent oder nicht mehr pluripotent sind, ist im Rahmen des § 3a Abs. 1 ESchG ohne Bedeutung.

Dies ergibt die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG. Die Auslegung hat grundsätzlich nach den anerkannten Auslegungsmethoden (Wortlaut, Historie, Systematik, Telos) zu erfolgen, wobei der Wortlaut der Norm Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung markiert (allgemeine Meinung, vgl. BVerwG, U.v. 29.06.1992 - 6 C 11/92 - NVwZ 1993, 270, 271; U.v. 28.6.2018 - 2 C 14/17 - juris Rn. 20 m.w.N.).

aa) Die Klägerin will aus dem Wortlaut des § 3a Abs. 1 ESchG, der von der Untersuchung der „Zellen eines Embryos" spricht, schließen, dass damit eine Einschränkung auf bestimmte Zellen verbunden sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Denn, da ein Embryo im Sinne von § 8 Abs. 1 ESchG aus Zellen besteht, ist eine genetische Untersuchung im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG immer die Untersuchung der „Zellen eines Embryos". Der Senat kann daher aus der Verwendung des Begriffs „Zellen eines Embryos" in § 3a Abs. 1 ESchG entgegen der Argumentation der Klägerin schon keine einschränkende Absicht des Gesetzgebers hin auf bestimmte Zellen erkennen.

Der Zusatz „Zellen eines Embryos" dient in § 3a Abs. 1 ESchG tatsächlich allein der Umschreibung des Objekts der genetischen Untersuchung, die vom Gesetzgeber in § 3a Abs. 1 ESchG als Präimplantationsdiagnostik definiert wird. Gegenstand dieser genetischen Untersuchung sind eben die Zellen eines Embryos und nicht der gesamte Embryo, denn bei der genetischen Untersuchung werden die untersuchten Zellen zerstört (vgl. auch Deutscher Ethikrat, Stellungnahme, BT-Drs. 17/5210, S. 4). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in der Berufungsbegründung gezogenen Parallele mit § 7 Abs. 1 Nr. 2 ESchG. Zwar ist dort ähnlich wie in § 3a Abs. 1 ESchG, wo der Terminus „Zellen eines Embryos" verwendet wird, von den „Zellen des Embryos" die Rede. Diese Formulierung dient dort aber allein der sprachlichen Klarstellung, dass es sich bei der in der mit dem menschlichen Embryo verbundenen Zelle enthaltenen Erbinformation um eine andere handelt, als in den Zellen dieses Embryos vorhanden ist. Inwiefern dies für die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG von Bedeutung sein kann, leuchtet nicht ein und wird in der Berufungsbegründung auch nicht näher dargelegt.

Eine andere Wortlautauslegung lässt sich entgegen der Berufungsbegründung auch nicht damit begründen, dass die Formulierung „Zellen eines Embryo" deshalb gewählt worden sei, weil eine Untersuchung totipotenter Zellen „nach fast einhelliger Ansicht" gemäß § 2 und § 6 ESchG schon immer verboten gewesen sei und diese daher bei § 3a Abs. 1 ESchG nicht erfasst würden. Hintergrund dessen sei, bei totipotenten Zellen die Rechtfertigungsmöglichkeit gemäß § 3a Abs. 2 ESchG kategorisch auszuschließen. Zu diesem Zweck werde der Normtext des § 3a Abs. 1 ESchG teleologisch reduziert. Diese Argumentation lässt einerseits außer Acht, dass der Wortlaut des § 3a Abs. 1 ESchG keinen Ansatzpunkt für eine einschränkende Auslegung von „Zellen eines Embryos" gibt. Aus ihm lassen sich keine Hinweise dafür ableiten, dass eine bestimmte Art von Zellen nicht „Zellen eines Embryos" sind. Daneben ergibt sich das Ergebnis, dass die Untersuchung von totipotenten Zellen ungeachtet des Rechtfertigungsgrunds des § 3a Abs. 2 ESchG strafbar ist, auch ohne eine solche teleologische Reduktion. Denn schon aufgrund seiner systematischen Stellung in dem allein die Strafbarkeit der PID regelnden § 3a ESchG verbietet sich eine Anwendung des Rechtfertigungsgrundes nach § 3a Abs. 2 ESchG auf die bei einer Entnahme bzw. Untersuchung totipotenter Zellen einschlägigen §§ 2 und 6 ESchG. Eine teleologische Reduktion des § 3a Abs. 1 ESchG ist dafür nicht notwendig. Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben. Denn die Frage, ob die Entnahme und/oder Untersuchung totipotenter Zellen nach anderen Bestimmungen des ESchG strafbar ist, kann keine Bedeutung für die Auslegung des Begriffs „Zellen eines Embryos" in § 3a Abs. 1 ESchG haben. Auch die Frage, ob § 3a Abs. 2 ESchG auch bei anderen Straftatbeständen des ESchG auf der Rechtfertigungsebene Berücksichtigung finden kann, ist für die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG ohne Bedeutung.

Da die Wortlautauslegung keinen Anhaltspunkt für den Ausschluss von totipotenten Zellen aus dem Begriff der „Zellen eines Embryos" i.S.v. § 3a Abs. 1 ESchG gibt, geht die weitergehende Argumentation der Klägerin, dass aus dem Ausschluss der totipotenten Zellen aus dem Anwendungsbereich des § 3a ESchG geschlossen werden müsse, dass nicht mehr pluripotente Zellen nicht „Zellen eines Embryos" seien, ins Leere. Daneben ist eine solche Auslegung mit dem Wortlaut der Bestimmung nicht vereinbar, da dieser (wie bereits ausgeführt) keinerlei Ansatzpunkt dafür enthält, dass eine bestimmte Art von Zellen nicht „Zellen eines Embryos" sind. Es ist vielmehr eindeutig, dass auch die hier in Frage stehenden muralen Trophektodermzellen - ungeachtet der Frage, ob sie tatsächlich, wie von der Klägerin vertreten, nicht mehr pluripotent sind, was von der Beklagten und der Landesanwaltschaft Bayern bezweifelt wird (vgl. die Niederschrift über die mündliche Verhandlung v. 29. November 2018) - jedenfalls „Zellen eines Embryos" sind.

Die Wortlautauslegung hat damit zum Ergebnis, dass nach ihr die Untersuchung einer Zelle des Embryos, egal welcher Art, für das Vorliegen einer PID nach § 3a Abs. 1 ESchG ausreichend ist. Pluripotente Zellen werden weder in § 3a Abs. 1 noch in § 8 Abs. 1 ESchG erwähnt. Für die Wortlautauslegung sind diese daher in keiner Weise relevant.

bb) Aber auch die historische Gesetzesauslegung gibt für die von der Klägerin behauptete Begrenzung des Begriffs der „Zellen eines Embryos" auf pluripotente Zellen nichts her. Insbesondere lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, dass mit dem mit Wirkung vom 8. Dezember 2011 in das Embryonenschutzgesetz eingefügten § 3a ESchG allein der im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 2010 (5 StR 386/09) entschiedene und für nicht strafbar erkannte Sachverhalt einer Regelung zugeführt werden sollte. Im Gegenteil lässt sich aus der Gesetzesbegründung klar ableiten, dass es dem Gesetzgeber darum ging, eine über den vom BGH entschiedenen Fall hinausgehende grundsätzliche Regelung der PID zu treffen.

Einerseits führt die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5451, S. 2, unter „A. Problem") aus, dass der BGH mit seinem Urteil vom 6.7.2010 festgestellt habe, dass die PID „unter bestimmten Voraussetzungen" straffrei sei. Damit stehe fest, dass die PID in der vom BGH zu entscheidenden Konstellation nicht strafbar sei. Eine eindeutige gesetzgeberische Grundentscheidung, ob und inwieweit die PID in Deutschland Anwendung finden solle, stehe jedoch aus. Der Gesetzentwurf weist also bereits eingangs darauf hin, dass eine Grundsatzentscheidung „ausstehe". Auch in den weiteren Ausführungen (A Allgemeiner Teil, I., BT-Drs. 17/5451, S. 7) wird zwar auf das BGH-Urteil verwiesen, es findet sich aber wiederum keine Aussage, dass gerade dieser Fall geregelt werden sollte. Im Gegenteil wird unter II. ausgeführt, dass es nur in bestimmten Fällen medizinisch vertretbar sei, künstlich gezeugte Embryonen (…) zu untersuchen. Der Gesetzgeber sei gehalten, Rechtssicherheit zu schaffen. Weiter unten führt die Gesetzesbegründung unter III. aus, dass der Entwurf dem Ziel diene, durch eine ausdrückliche Bestimmung im Embryonenschutzgesetz die gesetzliche Grundlage für eine eng begrenzte Anwendung der PID zu schaffen (BT-Drs. 17/5451, S. 7).

Zielrichtung des Gesetzentwurfs war also die Schaffung von Rechtssicherheit im Sinne einer Grundsatzentscheidung; eine Begrenzung auf den vom BGH entschiedenen Fall lässt sich nicht erkennen. Das Urteil des BGH hat, auch wenn es letztlich der Auslöser für das Tätigwerden des Gesetzgebers war, über den Wortlaut der Gesetzesbegründung hinaus keine Bedeutung.

Die nach der Auffassung der Klägerin allein von § 3a Abs. 1 ESchG erfassten pluripotenten Zellen werden zudem (ebenso wie in der Bestimmung selbst) in der Begründung des Gesetzentwurfs nicht erwähnt. Dies deutet darauf hin, dass die Frage, ob die im Rahmen einer PID untersuchten Zellen pluripotent oder nicht (mehr) sind, für den historischen Gesetzgeber nicht von Bedeutung war. Dementsprechend ist es auch für die historische Auslegung der Bestimmung nicht relevant, ob der Gesetzgeber bei der Beschlussfassung über den Gesetzentwurf daran gedacht hat, dass präimplantationsdiagnostische Untersuchungen zu diesem Zeitpunkt oder künftig auch an nicht mehr pluripotenten Zellen vorgenommen werden könnten.

Nicht nachvollziehbar ist insbesondere das Argument der Klägerin, eine Erwähnung der pluripotenten Zellen sei nur unterblieben, weil deren Definition, wie § 2 PIDV zeige, zu lang für ein Parlamentsgesetz gewesen wäre. Tatsächlich zeigt der Blick auf § 2 Nr. 3 PIDV, dass die dort formulierte (im Übrigen für die Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG schon aus Gründen der Normhierarchie nicht relevante) Definition der Zellen i. S. d. § 2 Nr. 1 und 2 PIDV keine besondere Länge hat. Insbesondere im Vergleich zu anderen Legaldefinitionen ist nicht erkennbar, dass eine derartige Definition, wäre sie denn vom Gesetzgeber gewollt gewesen, nicht auch im Gesetz hätte erfolgen können.

cc) Aus der Systematik des Embryonenschutzgesetzes lässt sich nichts für die Position der Klägerin, dass nur pluripotente Zellen Gegenstand einer PID nach § 3a Abs. 1 ESchG sein können, ableiten. Insbesondere kann die Klägerin, wie bereits das Verwaltungsgericht in seinem Urteil überzeugend ausgeführt hat (vgl. VG München, U.v. 7.9.2016 - M 18 K 15.2602 und M 18 K M 18 K 16.1370 - juris Rn. 46), sich nicht auf § 2 Nr. 3 PIDV berufen. Dieser definiert die Zellen im Sinne von § 2 Nr. 1 und 2 PIDV als Stammzellen, die (a) einem in vitro erzeugten Embryo entnommen worden sind und die die Fähigkeit besitzen, sich in entsprechender Umgebung selbst durch Zellteilung zu vermehren und die (b) sich selbst oder deren Tochterzellen sich unter geeigneten Bedingungen zu Zellen unterschiedlicher Spezialisierung, jedoch nicht zu einem Individuum zu entwickeln vermögen. Die Formulierung entspricht (bis auf die Untergliederung in (a) und (b)) wörtlich der Definition der pluripotenten Stammzellen in § 3 Nr. 1 StZG, wiederholt aber diesen Begriff nicht.

(1) Die Bestimmung nimmt durch die Formulierung im 2. HS von Nr. 3 lit. b), dass die Zellen sich nicht zu einem Individuum zu entwickeln vermögen, einerseits (insoweit zwischen den Beteiligten unstreitig) eine Abgrenzung von den totipotenten Zellen vor und stellt für die PIDV klar, dass totipotente Zellen keine Zellen eines Embryos im Sinne von § 2 Nr. 1 PIDV sind (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 3a ESchG, Rn. 6; Plesse/Spegele, Bayerisches Ärzteblatt 2015, 182; BR-Drs. 717/12, 16). Aus der Wortlautidentität mit § 3 Nr. 1 StZG leitet ein Teil der Literatur daneben eine Begrenzung auf die dort legaldefinierten pluripotenten (Stamm-)Zellen ab (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 3a ESchG, Rn. 6; Frommel, JZ 2013, 488, 489f; Frommel et al., JRE 2013, 6, 12ff.), womit nicht mehr pluripotente Trophektodermzellen (geht man mit der Klägerin davon aus, dass diese bereits ihre Pluripotenz verloren haben) von der Begriffsbestimmung ausgenommen wären. Gegen diese Auffassung spricht schon, dass in § 2 Nr. 3 PIDV - anders als in § 3 Nr. 1 StZG - von pluripotenten Zellen nicht die Rede ist. Für sich genommen stellt § 2 Nr. 3 lit. b), 2. HS PIDV nur klar, dass totipotente Zellen nicht von § 2 Nr. 1 und 2 PIDV erfasst sind. Im Übrigen verlangt § 2 Nr. 3 PIDV nur, dass die Fähigkeit, sich unter geeigneten Bedingungen zu Zellen unterschiedlicher Spezialisierung zu entwickeln, bestehen muss. Dass damit murale Trophektodermzellen, die sich ausgehend vom Blastozystenstadium, in dem sie entnommen werden, wohl auch noch weiter ausdifferenzieren, wenn auch vielleicht nicht mehr in so unterschiedlicher Weise wie pluripotente Zellen, ausgeschlossen wären, erscheint jedenfalls fraglich. Hierfür spricht im Übrigen auch, dass auch die Begründung der PIDV nur davon spricht, § 2 PIDV „in Anlehnung" an § 3 Nr. 1 StZG zu formulieren. Insbesondere bei fehlender Wortlautidentität bedeutet eine „Anlehnung" an eine andere Norm aber nicht, dass beide Bestimmungen den gleichen Inhalt haben.

Ungeachtet der Tatsache, dass die Begründung einer Verordnung für die Auslegung der ihr zugrunde liegenden Ermächtigungsnorm schon aus systematischen Gründen keine Bedeutung haben kann, ergibt sich aber entgegen der Klägerin aus dieser nicht, dass eine Einschränkung des Begriffs der Zellen eines Embryos im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG überhaupt vom Verordnungsgeber beabsichtigt war. Denn die Verordnungsbegründung spricht nur davon, dass mit der Formulierung sichergestellt sei, dass die Untersuchung an pluripotenten und nicht an totipotenten Zellen durchgeführt werde (BR-Drs. 717/12, 16). Sie dient daher nach der Vorstellung des Verordnungsgebers der Abgrenzung gegenüber der Untersuchung totipotenter Zellen. Eine Einschränkung bezüglich nicht mehr pluripotenter Zellen war vom Verordnungsgeber hingegen nicht vorgesehen (ebenso BayVGH, B.v. 27.10.2015 - 20 CS 15.1904 - juris, Rn. 21).

(2) Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben, da der Verordnungsgeber der PIDV zu einer so verstandenen Definition der Zellen eines Embryos im Sinne des § 3a Abs. 1 ESchG durch das ESchG gar nicht ermächtigt war. § 2 Nr. 3 lit. b) PIDV geht, sieht man darin eine Einschränkung des Begriffs „Zellen eines Embryos" nach § 3a Abs. 1 ESchG, über die in § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG erteilte Ermächtigung hinaus und wäre daher insoweit unwirksam. Er kann daher für die Auslegung des § 3a ESchG keine Bedeutung haben. Denn § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG ermächtigt den Verordnungsgeber nur zur Regelung des Näheren bzgl. der Zulassung der PID-Zentren (Nr. 1), der verfahrensmäßigen Anforderungen an das Verfahren vor den Ethikkommissionen (Nr. 2), hinsichtlich der Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle (Nr. 3) und zu den Anforderungen an die Meldung der im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen (Nr. 4). Über diese abschließend genannten und klar abgrenzbaren Bereiche hinaus erlaubt § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG dem Verordnungsgeber eine Regelung nicht. Eine Ermächtigung zu einer Definition des Begriffs der Präimplantationsdiagnostik oder der „Zellen eines Embryos" im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG ist damit nicht verbunden.

Weiter lässt sich eine Verordnungsermächtigung zur Definition des Begriffs „Zellen eines Embryos" entgegen der Argumentation der Klägerin im Berufungsverfahren nicht aus § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 ESchG (Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der PID durchgeführten Maßnahmen) ableiten. Denn nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG muss eine Verordnungsermächtigung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt sein (vgl. Mann in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 80, Rn. 23 ff; Uhle in Beck-OK GG, 39. Edition Stand 15.11.2018, Art. 80, Rn. 19). Dass mit den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen auch eine Definition der Zellen eines Embryos, die überhaupt Gegenstand einer PID sein können, verbunden ist, geht aus § 3a Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 ESchG nicht, geschweige denn hinreichend klar hervor. Die Argumentation der Klägerin berücksichtigt den Wortlaut der Ermächtigungsnorm nicht und missachtet dessen Inhalt.

Soweit die Klägerin argumentiert, aus der Gesetzesbegründung gehe hervor, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers mit der Verordnung nach § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG der § 3a ESchG allgemein konkretisiert werden sollte, übersieht sie, dass die von ihr zitierte Begründung (BT-Drs. 17/5451, S. 8) nicht die Fassung des § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG betrifft, die Gesetz geworden ist, sondern die ursprünglich im Gesetzentwurf enthaltene Fassung, die nur lautete: „Das Nähere wird durch Verordnung der Bundesregierung geregelt." Erst in der Ausschussberatung erhielt § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG die dann Gesetz gewordene Fassung (vgl. BT-Drs. 17/6400), dies insbesondere deshalb, um dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot zu genügen (a.a.O. S. 14). Von einem Auftrag zur allgemeinen Konkretisierung des § 3a ESchG an den Verordnungsgeber kann daher auch nach der Gesetzesbegründung nicht die Rede sein.

(3) Dessen ungeachtet würde eine Verordnungsermächtigung, die dem Verordnungsgeber überließe zu definieren, was unter den „Zellen eines Embryos" im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG zu verstehen ist, gegen die Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, B.v. 27.11.1990 - 1 BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130, 142 [juris Rn. 39 m.w.N.], vgl. Kirchhof in Maunz/Dürig, GG, 84. EL August 2018, Art. 83, Rn. 33ff; Mann in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 80 Rn. 21 f m.w.N.) verstoßen. Danach verpflichten Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen. Wie weit der Gesetzgeber die für den fraglichen Lebensbereich erforderlichen Leitlinien selbst bestimmen muss, richtet sich maßgeblich nach dessen Grundrechtsbezug. Eine Pflicht dazu besteht, wenn miteinander konkurrierende grundrechtliche Freiheitsrechte aufeinandertreffen und deren jeweilige Grenzen fließend und nur schwer auszumachen sind. Bei der Präimplantationsdiagnostik treffen das Lebensrecht und der Menschenwürdeschutz des in vitro erzeugten Embryos und die allgemeine Handlungsfreiheit der Mutter bzw. der Eltern sowie die Berufsfreiheit der Präimplantationsdiagnostiken durchführenden Ärzte bzw. Labors aufeinander (vgl. hierzu weiter unten). Die Regelung der PID erfolgt daher in einem Bereich, in dem konkurrierende Freiheitsrechte aufeinandertreffen. Die Frage, welcher Art die im Rahmen der PID zu untersuchenden Zellen sein können, stellt eine für deren Anwendungsbereich und für die Reichweite des strafrechtlichen Verbotes des § 3a Abs. 1 ESchG grundlegende Frage dar, sodass sie im Sinne der dargestellten Rechtsprechung als „wesentlich" anzusehen ist (ebenso Plesse/Spegele, Bayerisches Ärzteblatt 2015, 182). Eine weitergehende Vertiefung erübrigt sich, da es hierauf für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich ankommt, da § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG dem Verordnungsgeber, wie oben dargestellt, bereits eine solche Ermächtigung nicht erteilt.

dd) Schließlich widersprechen auch Sinn und Zweck der Regelung einer Auslegung von „Zellen eines Embryos" dahingehend, dass nicht mehr pluripotente Trophektodermzellen aus dem Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG ausgenommen wären.

Die Klägerin will die Untersuchung nicht mehr pluripotenter Trophektodermzellen aus dem Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG ausnehmen, da diese sich von den dem Gesetzgeber vorschwebenden pluripotenten Zellen fundamental unterschieden, sodass eine Anwendung des § 3a ESchG nach dem Zweck der Regelung nicht gerechtfertigt sei. Dies trifft aber nicht zu.

Denn Zweck des durch § 3a ESchG geschaffenen Verbots der PID mit „eng begrenzten Ausnahmen" (BT-Drs. 17/5451, S. 8, linke Spalte) ist der Schutz des Embryos in vitro vor einer Nichtimplantation aufgrund einer genetischen Untersuchung und dem darauffolgenden Absterben lassen (Verwerfung) (BT-Drs. 17/5451, S. 7 und 8). Dafür spielt es aber keine Rolle, ob die Verwerfung aufgrund der Untersuchung einer totipotenten, pluripotenten oder nicht mehr pluripotenten Zelle erfolgt. Denn in allen diesen Fällen ist das Ergebnis für das betroffene Schutzgut gleich, nämlich dass der Embryo nicht eingepflanzt wird und abstirbt (Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 3a Rn. 17). Dementsprechend weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die grundlegende ethische Frage, ob der jeweilige Embryo nach der Untersuchung wegen deren Ergebnis implantiert wird oder nicht, sich unabhängig von der Art der untersuchten Zellen stellt.

Dass es bei den von der Klägerin geplanten/durchgeführten Untersuchungen, die diese nach ihrem Vortrag sowohl im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als auch im Berufungsverfahren allein auf den Zweck der Feststellung der Entwicklungsfähigkeit des Embryos aufgrund des ovariellen Alterns bzw. des Alters der Frau, von der die Eizelle stammt, beschränken will, zu derartigen Selektionsentscheidungen kommen kann, steht zur Überzeugung des Senats fest. Die Klägerin versucht zwar, dies mit der Argumentation, sie suche nach einer entwicklungsfähigen, euploiden Zelle, und die nicht ausgewählten Embryonen wären ja ohnehin nicht entwicklungsfähig bzw. würden zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen, zu widerlegen. Jedoch kann es auch nach ihrem eigenen Vortrag zu Selektionsentscheidungen kommen.

Denn die von der Klägerin geplanten genetischen Untersuchungen des Chromosomenmaterials der entnommenen muralen Trophektodermzellen zielen auf die Feststellung von bei ihnen vorhandenen Chromosomenaberrationen, von Aneuploidien. Diese führen neben der mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit vorliegenden fehlenden Entwicklungsfähigkeit in Einzelfällen aber auch zu einer grundsätzlich, wenn auch mit einer geringen statistischen Wahrscheinlichkeit positiv verlaufenden Schwangerschaft, die jedoch zu einem behinderten Kind führt. Das wird von der Klägerin ausdrücklich zugestanden für den Fall einer isolierten, „freien" Trisomie 21 (vgl. die Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2018). Ähnliches gilt (wenn auch zum Teil mit einer noch geringeren Wahrscheinlichkeit) für die ebenfalls mit der von der Klägerin durchzuführenden Methode feststellbaren Trisomien 8, 13 und 18 und für Veränderungen für Geschlechtschromosomen wie dem Klinefelter-Syndrom oder der Monosomie X (Grüber/de Gruisbourne/Pömsl, Präimplantationsdiagnostik in Deutschland, Handreichung des Instituts Mensch, Ethik und Wissenschaft gGmbH, verfügbar unter: www.imew.de, zuletzt recherchiert am 10.1.2019, S. 9 und 32/33), die jedoch regelmäßig mit vergleichsweise schweren Behinderungen einhergehen. Alle diese Fehlverteilungen von Chromosomen können mit der Untersuchungsmethode der Klägerin festgestellt werden. Wird eine derartige Fehlverteilung festgestellt, kann diese Anlass zu einer Verwerfung des Embryos aus diesem Grunde geben. Ob diese von dem durchführenden Labor wie der Klägerin oder von dem Labor auf ausdrückliche Anweisung der Mutter bzw. der Eltern des in vitro erzeugten Embryos durchgeführt wird, ist insoweit unerheblich. Daher kommt es auch nicht darauf an, dass die Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung angab, die Entscheidung über die Einpflanzung bzw. Nichteinpflanzung eines Embryos, bei dem eine Aneuploidie festgestellt worden ist, der Mutter überlässt. Mit dem Anlass für eine Selektion wird gerade die in der Begründung des Gesetzentwurfs unter Ziffer A III. genannte Konstellation relevant (BT-Drs. 17/5451, S. 7, rechte Spalte): „Bei der Abwägung zwischen den Ängsten und Nöten der Betroffenen und ethischen Bedenken gegen die Nichtimplantation eines schwer geschädigten Embryos trifft dieser Gesetzentwurf eine Entscheidung zugunsten der betroffenen Frau. (…) Über die Durchführung der PID ist jedoch in jedem Einzelfall gesondert zu entscheiden." Die Wahrscheinlichkeit oder Häufigkeit, in der es bei den von der Klägerin geplanten Untersuchungen zu einer solchen möglichen Selektionsentscheidung kommt, ist dabei unerheblich. Maßgeblich ist allein, dass diese Möglichkeit aufgrund der Untersuchung besteht. Gerade diese Selektionsentscheidung wollte der Gesetzgeber aber von einer im Einzelfall zu treffenden Entscheidung der Ethikkommission abhängig machen.

Dass die von der Klägerin vertretene Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG zu mit dem Gesetzeszweck keinesfalls vereinbaren Ergebnissen führen würde, zeigt auch die folgende Überlegung: Würden nämlich nicht mehr pluripotente Zellen, die einer Blastozyste entnommen werden, schon keine „Zellen eines Embryos" i.S.v. § 3a Abs. 1 ESchG sein, dann wäre die genetische Untersuchung dieser Zellen nicht nach dieser Bestimmung verboten und müsste auch nicht erst durch eine Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik erlaubt werden. Damit wären genetische Untersuchungen dieser Zellen auch über die eng begrenzten Rechtfertigungsgründe des § 3 Abs. 2 ESchG hinaus erlaubt. Die Klägerin könnte an diesen Zellen alle möglichen genetischen Untersuchungen und nicht nur die nach ihrem Vortrag bezweckten bzgl. des ovariellen Alterns vornehmen, ohne dabei an die Rechtfertigungsgründe des § 3a Abs. 2 ESchG oder eine Entscheidung einer Ethikkommission gebunden zu sein. Auch die nach § 3a Abs. 3 Satz 2 ESchG zu befolgenden Meldeund Dokumentationspflichten würden hierfür dann nicht anwendbar sein. Einer Selektion von Embryonen, die der Gesetzgeber auf wenige Fälle begrenzen wollte, wäre damit Tür und Tor geöffnet.

c) Rechtlich unerheblich ist, dass die Klägerin die von ihr entnommenen muralen Trophektodermzellen allein mit dem Ziel untersuchen will festzustellen, ob die jeweiligen Embryonen die Fähigkeit haben, sich in der Gebärmutter einzunisten und eine Schwangerschaft herbeizuführen. Denn die Legaldefinition der PID in § 3a Abs. 1 ESchG differenziert nicht nach den mit ihr verfolgten Zwecken. Vielmehr definiert sie die PID allein nach ihrem Objekt (Zellen eines Embryos vor seinem intrauterinen Transfer) und der Methode der Untersuchung (genetische Untersuchung). Damit besteht auch kein Einfallstor für eine Auslegung nach dem Zweck der Untersuchung mit der Folge, dass auch für eine verfassungskonforme Auslegung kein Raum ist. Denn das Gebot der verfassungskonformen Auslegung verlangt (nur), dass von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz im Einklang steht. Diese muss jedoch durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt sein (BVerwG, U.v. 28.6.2018 - 2 C 14/17 - juris Rn. 20 m.w.N.), was hier bei der von der Klägerin vertretenen Auslegung gerade nicht der Fall ist.

Daneben sprechen aber auch Sinn und Zweck des § 3a ESchG dagegen, die Untersuchung von Zellen eines Embryos mit dem Ziel, die Fähigkeit dieser Embryonen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft aus der Regelung auszunehmen. Denn würde man § 3a Abs. 1 ESchG abhängig vom Zweck der jeweiligen Untersuchung unterschiedlich auslegen, würden die „freigestellten" Untersuchungen, die nicht dem Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 ESchG unterfielen, keinerlei rechtlichen Anforderungen unterliegen. Damit wären auch die vom Gesetzgeber vorgesehenen „flankierenden" Maßnahmen, wie insbesondere die Melde- und Dokumentationspflichten nach § 3a Abs. 3 Satz 2 ESchG nicht anwendbar. Diese Untersuchungen wären dann in keiner Weise im Embryonenschutzgesetz geregelt. Insbesondere würde auch nicht bundesweit dokumentiert, wie viele derartige Untersuchungen stattfänden. Eine Kontrolle, ob diese Vorgaben eingehalten werden oder ob die Untersuchungen auf andere Zwecke ausgedehnt wurden, wäre nicht möglich. Hinzu käme, dass auch „Zufallsfunde", die bei der vorgenommenen Untersuchung bekannt würden, nach denen aber gar nicht gesucht worden sei, nicht geregelt wären (vgl. hierzu Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 3a Rn. 57 ff.).

d) Die von der Klägerin an den biopsierten muralen Trophektodermzellen geplanten bzw. durchgeführten Untersuchungen sind genetische Untersuchungen im Sinne von

§ 3a Abs. 1 ESchG.

Unter genetischen Untersuchungen werden allgemein sowohl molekulargenetische als auch zytogenetische (chromosomale) Untersuchungen verstanden (vgl. zu den Einzelheiten Deutscher Ethikrat, Stellungnahme zur Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5210, S. 7f; auch Taupitz in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, § 3a, Rn. 18, der die Definition in § GenDG für „im wesentlichen" auf § 3a übertragbar hält). Die von der Klägerin angewandten Untersuchungsverfahren „Next Generation Sequencing" bzw. „array Comparative Genomic Hydridisation" (aCGH) (vgl. zu letzterem Deutschen Ethikrat, BT-Drs. 17/5210, S. 7) dienen der Feststellung chromosomaler Fehlverteilungen, stellen zytogenetische Verfahren dar und sind daher genetische Untersuchungen im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG (Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 3a ESchG, Rn. 9). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

e) Die dargestellte Auslegung des § 3a Abs. 1 ESchG widerspricht nicht dem Verfassungsrecht. Sie verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG und ist im Einklang mit den betroffenen Grundrechten.

aa) Art. 103 Abs. 2 GG enthält ein an den Gesetzgeber gerichtetes Bestimmtheitsgebot. Dieser ist gehalten, Strafgesetze so genau zu formulieren, dass sich für den Bürger die Grenze des straffreien Raums möglichst schon aus dem Gesetz ergibt (BVerfG, U.v. 5.2.2004 - 2 BvR 2029/01 - NJW 2004, 739). Er hat die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Tatbestände sich aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen (BVerfG, B.v. 2.6.2010 - 2 BvR 2559/08 u.a. - BVerfGE 126, 170, 196).

Ein Verstoß gegen dieses Gebot durch § 3a Abs. 1 ESchG ist nicht erkennbar. Was „Zellen eines Embryos" in diesem Sinne sind, ergibt sich nach einer Auslegung anhand der anerkannten Auslegungsmethoden eindeutig aus dem Gesetz (s.o.). Entgegen der Argumentation in der Berufungsbegründung kann auch keine Rede davon sein, dass die von der Beklagten vorgenommene (zutreffende) Auslegung des Gesetzes zu einer Ausweitung der Strafbarkeit führt.

bb) Die Entscheidung eines Paares, von den Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin Gebrauch zu machen und neben einer invitro-Fertilisation auch eine Präimplantationsdiagnostik an den in vitro erzeugten Embryonen durchführen zu lassen, stellt ein grundrechtlich geschütztes Verhalten dar. Es fällt, wie die Klägerin zutreffend anmerkt, in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. zu den verschiedenen dogmatischen Ansätzen, unter welches Grundrecht dieses Handeln zu fassen ist: Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, Art. 6 Rn. 1 m.w.N.), und zwar in ihrer abwehrrechtlichen Komponente. Die Grundrechtsträger haben im Rahmen ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit ein grundsätzliches Recht auf Wahrnehmung der nicht verbotenen, medizinisch angebotenen Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin.

Durch das Verbot der PID in § 3a Abs. 1 ESchG wird in das Grundrecht eingegriffen, indem den potentiellen Eltern verboten wird, bei einer in vitro Fertilisation von der medizinischen Möglichkeit einer PID Gebrauch zu machen.

Dieser Eingriff ist jedoch gerechtfertigt. Ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit kann nach Art. 2 Abs. 1 GG durch die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz gerechtfertigt sein. Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts alle Rechtsnormen, die formell und materiell mit der Verfassung im Einklang stehen (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, B.v. 25. 1. 2011 - 1 BvR 918/10 - BVerfGE 128, 193, 206).

§ 3a Abs. 1 ESchG gehört zur verfassungsmäßigen Ordnung. Das Verbot der PID ist formell (hierzu (1)) und materiell verfassungsgemäß. Es ist durch das Recht des Embryos auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (hierzu (2)) und den Schutz seiner Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG (hierzu (3)) gerechtfertigt. Das Verbot aus diesen Gründen stellt sich auch als verhältnismäßig dar (hierzu (4)).

(1) § 3a Abs. 1 ESchG ist formell verfassungsgemäß. Die Gesetzgebungskompetenz hierfür ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 (Strafrecht) und Nr. 26 (medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, Untersuchung von Erbinformationen). Verstöße gegen formelle Bestimmungen des Gesetzgebungsverfahrens sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Bestimmung ist auch materiell verfassungsgemäß. Das strafbewehrte Verbot der PID dient dem Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit des Embryos in vitro und dem Schutz seiner Menschenwürde und ist auch verhältnismäßig.

(2) Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wird durch eine PID nur berührt, wenn der Schutz dieser Bestimmung sich bereits auf den Embryo in vitro, also vor der Nidation, bezieht. Das Bundesverfassungsgericht hat sich hierzu - sieht man von den beiden die vorliegende Problematik nicht unmittelbar betreffenden Entscheidungen zum Abtreibungsrecht (U.v. 25.2.1975 - 1 BvF 1/74 u.a. - BVerfGE 39, 1 ff; U.v. 28.9.1993 - 2 BvF 2/90 -BVerfGE 88, 203 ff) ab - bislang nicht geäußert. Im Rahmen der äußerst umfangreichen (vgl. die Nachweise bei Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl. 2014, B.IV Rn. 42, Fn. 275 und Rn. 50; Müller-Terpitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, Art. 2 GG Rn. 19 ff.; Böckenförde-Wunderlich, Präimplantationsdiagnostik als Rechtsproblem, Tübingen 2002, S. 156 ff.; Rohrer, Menschenwürde am Lebensanfang und am Lebensende und strafrechtlicher Lebensschutz, Berlin 2012, S. 88 ff.; Weschka, Präimplantationsdiagnostik, Stammzellforschung und therapeutisches Klonen: Status und Schutz des menschlichen Embryos vor den Herausforderungen der modernen Biomedizin, Berlin 2010, S. 151 ff., jeweils m.w.N.) Diskussion der Frage, ob sich der Schutz des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bereits auf den Embryo in vitro bezieht und dieser mithin bereits als lebend in diesem Sinne zu sehen ist, wird zentral mit den Begriffen der Potentialität, Identität, Kontinuität und dem sogenannten Speziesargument argumentiert (vgl. die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17/5210, S. 13 ff., SKIP-Kriterien, vgl. Bundesärztekammer, Memorandum zur PID, 17.2.2011, S. 6). Dabei bedeutet das Speziesargument, dass dem Embryo bereits deshalb Lebensschutz zukommt, weil er von der genetischen Ausstattung her der menschlichen Spezies zugehörig ist (vgl. die Nachweise bei Weschka, Präimplantationsdiagnostik, S. 191). Unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität wird argumentiert, dass der Entwicklungsprozess hin zum Menschen ein kontinuierlicher Vorgang sei, der keine scharfen Einschnitte aufweise und eine genaue Abgrenzung von verschiedenen Entwicklungsstufen des menschlichen Lebens nicht zulasse. Er sei auch nicht mit der Geburt beendet, da die für die menschliche Persönlichkeit spezifischen Bewusstseinsphänomene zum Teil erst längere Zeit nach der Geburt aufträten (BVerfG, U.v. 25.2.1975 - 1 BvR 1/74 u.a. - BVerfGE 39, 1, 37 [juris Rn. 136]; vgl. dazu die weitergehenden Nachweise bei Weschka, a.a.O., S. 193). Mit dem Identitätsargument wird umschrieben, dass der Embryo bereits im frühesten Stadium identisch mit dem Menschen sei, aus dem er sich entwickle, und daher ebenso wie dieser zu schützen sei (vgl. Weschka, a.a.O., S. 200 m.w.N.). Und schließlich wird unter dem Potentialitätsargument darauf hingewiesen, dass bereits die befruchtete Eizelle ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung alles enthalte, was für die Entwicklung zum vollständigen Menschen notwendig sei (vgl. Weschka, a.a.O., S. 196 m.w.N.). Zwar wird in der Diskussion hinsichtlich des Embryos in vitro darauf hingewiesen, dass das Kontinuitätsargument scheinbar nicht greife, da für die weitere Entwicklung die Einpflanzung in die Gebärmutter und damit ein Tätigwerden eines Menschen notwendig sei. Ein geringerer Schutz des Embryos in vitro kann jedoch daraus bereits aus dem Grunde nicht abgeleitet werden, da ansonsten der verfassungsrechtliche Lebensschutz zur Disposition des Implantierenden stehen würde (Rohrer, Menschenwürde, S. 110). Im Ergebnis geht daher die wohl überwiegende Meinung in der Literatur davon aus, dass auch der Embryo in vitro von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützt ist (vgl. u.a. Müller-Terpitz, a.a.O., Art. 2 GG, Rn. 21 f, insbesondere 22; Hillgruber, Präimplantationsdiagnostik, in Spieker/Hillgruber/Gärditz, Die Würde des Embryos, Paderborn 2012, S. 62; Rohrer, Menschenwürde, S. 105, 110, 126).

Das strafbewehrte Verbot des § 3a Abs. 1 ESchG dient dem Schutz des Lebens des Embryos in vitro, da es eine mögliche Verwerfung des Embryos infolge einer PID verhindert.

(3) Auch die Frage, ob der Embryo in vitro bereits Träger des Menschenwürdegrundrechts ist, ist aus den im wesentlichen gleichen Gründen, wie sie zum Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ausgeführt wurden, umstritten. Auch insoweit ist aber richtigerweise davon auszugehen, dass er bereits Grundrechtsträger ist.

Hinzu kommt hier als weiteres Argument, dass, auch wenn man davon ausginge, dass ein Embryo erst ab der Nidation, also ab der erfolgreichen Einpflanzung in der Gebärmutter Grundrechtsträger sein könne, für seinen Schutz die objektivrechtliche Dimension des Menschenwürdegrundrechts nach Art. 1 Abs. 1 GG streiten würde: Denn, wenn die öffentliche Gewalt humanes Leben zu schützen verpflichtet ist, ohne dass dieses Leben eigene, subjektive Lebensrechte besitzt, so kann dies nur über den objektiven Gewährleistungsgehalt des Art. 1 Abs. 1 GG erfolgen. Objektivrechtliche Vorfelder und Nachwirkungen des subjektiven Lebensschutzes sind grundsätzlich anerkannt (vgl. Di Fabio in Maunz/Dürig, GG, 43. Ergänzungslieferung, Februar 2004, Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 28; ähnlich Zippelius in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 73. Ergänzungslieferung 1995, Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2, Rn. 29).

Das Verbot des § 3a ESchG dient damit auch dem Schutz der Menschenwürde der nach Durchführung einer PID von einer Verwerfung bedrohten Embryonen in vitro.

(4) § 3a Abs. 1 ESchG stellt verwaltungsrechtlich ein repressives Verbot mit einem in Absatz 2 geregelten Befreiungsvorbehalt dar. Bei einem solchen verbietet der Gesetzgeber generell ein bestimmtes Verhalten als unerwünscht, gestattet aber, dass in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine Befreiung von diesem Verbot erteilt wird. Abzugrenzen ist es von der präventiven Kontrollerlaubnis. Dort verbietet der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten nicht, weil es generell unterbleiben soll, sondern um vorweg prüfen zu können, ob die einzelnen materiellen Anforderungen eingehalten werden (vgl. zum Ganzen: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 9 Rn. 51 ff, insb. 55).

Aus der Gesetzesbegründung zu § 3a ESchG lässt sich ablesen, dass die PID vom Gesetzgeber nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erlaubt werden sollte (BT-Drs. 17/5451, S. 3, 7 und 8). Daneben wird darin ausgeführt, dass ein absolutes Verbot gegen die Verhältnismäßigkeit verstoßen würde. Weiterhin wird auf den Eingriff in Grundrechtspositionen verwiesen (BT-Drs. 17/5451, S. 7). Damit hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er grundsätzlich die PID verbieten und nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulassen wollte. Das Verständnis als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt entspricht auch der gesetzlichen Regelungssystematik. § 3a ESchG spricht in seinem Absatz 1 zunächst die Strafbarkeit der PID aus. Im Anschluss daran werden in Absatz 2 zwei eng begrenzte Möglichkeiten genannt, in denen diese Strafbarkeit wieder entfällt. Allerdings wird nicht die Tatbestandsmäßigkeit der Straftat ausgeschlossen, sondern nur die nachrangige Rechtswidrigkeit beseitigt. Auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3a Abs. 2 ESchG vorliegen, stellt die durchgeführte PID eine tatbestandsmäßige Straftat dar.

Dieses Verbot mit Befreiungsvorbehalt ist verhältnismäßig. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu den insoweit zu beachtenden Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit ausgeführt, dass, während bei einer an sich erlaubten Tätigkeit die Voraussetzungen für Vorbehalte ganz allgemein enger zu ziehen sind, der Gesetzgeber bei Gefahr bringenden Betätigungen freier gestellt sei. Gemessen an Art und Bedeutung des zu schützenden Rechtsguts und dem Grad seiner Gefährdung müsse der Eingriff in die Betätigungsfreiheit geeignet und erforderlich sein, das in Betracht stehende öffentliche Interesse zu fördern oder zu schützen und dürfe als Mittel zum Zweck nicht schlechthin außer Verhältnis stehen (BVerwG, U.v. 3.10.1972 - I C 36.68 BVerwGE 41, 1 [juris Rn. 28]).

Das grundsätzliche Verbot der PID in § 3a Abs. 1 ESchG dient dem Schutz des Lebens und der Menschenwürde des in vitro befruchteten Embryos. Dabei handelt es sich wie bei Leben und Menschenwürde immer um ein sehr hochrangiges Schutzgut. Daran ändert auch die Argumentation der Klägerin, der Gesetzgeber habe mit § 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG deutlich gemacht, dass er die Lebensfähigkeit von Blastozysten für nicht irrelevant halte und nicht lebensfähige Blastozysten in gewisser Weise für weniger schutzwürdig erklärt, nichts. Denn vorliegend geht es allein um die Frage, ob vor der Durchführung einer PID die Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik beteiligt werden muss. § 3a Abs. 2 ESchG ist allein im Rahmen dieser Entscheidung von Bedeutung. Dementsprechend kann aus dieser Bestimmung auch kein Argument dafür abgeleitet werden, die Entscheidung über die genetische Untersuchung bestimmter Embryonen unabhängig von der Entscheidung der Ethikkommission zuzulassen und die Entscheidung über die Durchführung der PID gerade nicht mehr vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 1 oder 2 ESchG abhängig zu machen. Das Verbot zielt darauf ab, den in vitro erzeugten Embryo nicht der Gefahr, aufgrund einer durchgeführten PID verworfen zu werden, auszusetzen. Hierzu ist es auch grundsätzlich geeignet. Ein milderes, ebenso effektives Mittel als das Verbot mit Befreiungsvorbehalt ist nicht ersichtlich. Daran ändert auch die Argumentation der Klägerin nichts, dass mit der Untersuchung ja nur festgestellt werden solle, ob die jeweilige in vitro befruchtete Eizelle die Fähigkeit zur Einnistung in die Gebärmutter und zur Herbeiführung einer Schwangerschaft hat; bei den aufgrund dieser Untersuchung zu verwerfenden Eizellen würde ja gerade keine Schwangerschaft entstehen bzw. eine Fehlgeburt erfolgen. Denn die Untersuchung zielt primär auf die Feststellung von Chromosomenaberrationen ab. Festgestellt werden können auch solche Chromosomenaberrationen, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine Schwangerschaft und nachfolgend ein lebensfähiges Kind mit einer Trisomie auslösen, wie die Klägerin selbst für den (von ihr allerdings als selten eingestuften) Fall einer freien Trisomie 21 zugesteht. Aus ihrem eigenen Vortrag ergibt sich zudem, dass eine solche Möglichkeit (wenn auch in erheblich geringerem Maße) auch für den Fall einer Trisomie 13 oder 18 besteht. In diesen mehr oder weniger häufigen Fällen bestünde die Gefahr einer Verwerfung aufgrund des Untersuchungsergebnisses. Ein milderes Mittel als das grundsätzliche Verbot mit Befreiungsvorbehalt für diese Gruppe ist nicht ersichtlich. Eine nachträgliche Antragstellung im Fall eines derartigen Untersuchungsergebnisses, wie sie die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 4. September 2018 anreißt, wäre dagegen nicht praktikabel. Schließlich ist der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der potentiellen Eltern auch angemessen. Denn in § 3a Abs. 2 ESchG ist eine Befreiungsmöglichkeit in den dort geregelten Fällen nach einer im Einzelfall erfolgenden positiven Bewertung der Ethikkommission gerade vorgesehen.

cc) § 3a Abs. 1 ESchG verletzt auch nicht die Berufsfreiheit der auf dem Gebiet der PID tätigen Ärzte oder von Laboren wie der Klägerin (zur Grundrechtsträgerschaft von juristischen Personen des Privatrechts vgl. Mann in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 37ff.). Zwar führt das Verbot der PID zu einem Eingriff in den einheitlichen Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG, da die Durchführung von Präimplantationsdiagnostiken nicht bzw. nicht in dem Umfang, wie es ohne § 3a Abs. 1 ESchG möglich wäre, zum Gegenstand einer beruflichen Tätigkeit gemacht werden kann. Dieser Eingriff ist aber jedenfalls gerechtfertigt. Der Regelungsvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst das gesamte Grundrecht der Berufsfreiheit (Ruffert in Beck-OK GG, 39. Edition Stand 15.11.2018, Art. 12 Rn. 73 m.w.N.). Die gesetzliche Regelung des Art. 3a Abs. 1 GG ist auch verhältnismäßig. Ob sie nach der 3-Stufen-Lehre des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, U.v. 11.6.1958 - 1 BvR 596/56 -. BVerfGE 7, 377) als Berufsausübungsregelung oder objektive Berufswahlregelung anzusehen ist, kann letztlich dahin gestellt bleiben. Betrachtet man sie nämlich als Berufsausübungsregelung, so kommt sie von ihren Auswirkungen her einem Eingriff in die Berufswahlfreiheit nahe (BVerfG, Urteil vom 23. 3. 1960 - 1 BvR 216/51 - BVerfGE 11, 33, 44) und ist daher nur gerechtfertigt, wenn Allgemeininteressen von solchem Gewicht bestehen, dass sie Vorrang vor der beruflichen Beeinträchtigung haben. Dies ist nach den obigen Ausführungen aufgrund der Bedeutung für den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit sowie der Würde des Embryos in vitro der Fall.

Ob diese Möglichkeit insbesondere im Hinblick auf die betroffenen Grundrechte der potentiellen Eltern richtig wahrgenommen wird, ist im vorliegenden Fall jedoch nicht entscheidungserheblich, da es hier nur um das Verbot, Präimplantationsdiagnostiken ohne vorherige Beteiligung der Ethikkommission durchzuführen, geht. Dementsprechend kommt es vorliegend auch nicht auf die klägerseits geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Auslegung des § 3a Abs. 2 ESchG an.

Im Ergebnis ist die von der Beklagten ausgesprochene Untersagung in Ziffer I.1 des Bescheids vom 2. Juni 2015 rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in eigenen Rechten. Die Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht ist somit nicht zu beanstanden und die Berufung insoweit zurückzuweisen.

2. Auch die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2016, mit dem der Klägerin ein weiteres, höheres Zwangsgeld angedroht wurde ist zulässig, aber unbegründet.

Der Grundverwaltungsakt, die Untersagung vom 2. Juni 2015, war aufgrund des Beschlusses des Senats vom 27. Oktober 2015 (20 CS 15.1904 - juris) sofort vollziehbar und im Übrigen auch rechtmäßig (s. oben). Nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG ist eine erneute Androhung eines Zwangsgeldes nur dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung erfolglos geblieben ist. Hier war die Zuwiderhandlung der Klägerin gegen den Grundverwaltungsakt am 4. November 2015 nachgewiesen. Ergänzend wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des verwaltungsgerichtlichen Urteils verwiesen.

Damit war die Berufung auch insoweit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich hinsichtlich der zurückgenommenen Berufung aus § 155 Abs. 2 VwGO, im Übrigen aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision war nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da die Frage, ob eine Präimplantationsdiagnostik zu dem Zweck, die Fähigkeit eines Embryos zur Einnistung in die Gebärmutter aufgrund des ovariellen Alterns der Eizelle festzustellen, von § 3a Abs. 1 ESchG erfasst ist, grundsätzliche Bedeutung hat.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

(1) Die Ethikkommission übermittelt der Antragsberechtigten innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Vorliegen der nach § 5 Absatz 2 erforderlichen Angaben und vollständigen Unterlagen ihre schriftliche Entscheidung über den Antrag auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik.

(2) Die Ethikkommissionen können zur Prüfung eines Antrags auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik und der dafür eingereichten Unterlagen

1.
eigene wissenschaftliche Erkenntnisse verwerten,
2.
Sachverständige beiziehen, die mit der Gesundheitsschädigung, die Gegenstand des zu prüfenden Antrags ist, Erfahrung haben,
3.
Gutachten anfordern oder
4.
die Antragsberechtigte mündlich anhören.
Die Ethikkommissionen sind verpflichtet, in den Fällen von Satz 1 Nummer 2 und 3 die personenbezogenen Daten zu anonymisieren oder, solange eine Anonymisierung zur Erlangung der notwendigen Erkenntnisse noch nicht möglich ist, zu pseudonymisieren.

(3) Ärztinnen und Ärzte sind von der Prüfung eines Antrags auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik ausgeschlossen, wenn sie im Fall einer zustimmenden Bewertung des Antrags die Präimplantationsdiagnostik durchführen, an der künstlichen Befruchtung beteiligt sein werden oder in dem Zentrum, in dem die Präimplantationsdiagnostik oder die künstliche Befruchtung durchgeführt werden soll, tätig sind.

(4) Die Ethikkommissionen haben den Antrag auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik zustimmend zu bewerten, wenn sie nach Prüfung der in § 5 Absatz 2 genannten Angaben und Unterlagen unter Berücksichtigung der im konkreten Einzelfall maßgeblichen psychischen, sozialen und ethischen Gesichtspunkte zu dem Ergebnis kommen, dass die in § 3a Absatz 2 des Embryonenschutzgesetzes genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Sie treffen ihre Entscheidung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der stimmberechtigten Mitglieder.

(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.

(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.

(3) Der Bundesrat kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlaß von Rechtsverordnungen zuleiten, die seiner Zustimmung bedürfen.

(4) Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.

(2) Die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter können wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, welche die Gesetze bestimmen, vor Ablauf ihrer Amtszeit entlassen oder dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Die Gesetzgebung kann Altersgrenzen festsetzen, bei deren Erreichung auf Lebenszeit angestellte Richter in den Ruhestand treten. Bei Veränderung der Einrichtung der Gerichte oder ihrer Bezirke können Richter an ein anderes Gericht versetzt oder aus dem Amte entfernt werden, jedoch nur unter Belassung des vollen Gehaltes.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Der Gegenstandswert der Tätigkeit der Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin wird auf 120.000 € (in Worten: einhundertzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

(1) Die Ethikkommission übermittelt der Antragsberechtigten innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Vorliegen der nach § 5 Absatz 2 erforderlichen Angaben und vollständigen Unterlagen ihre schriftliche Entscheidung über den Antrag auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik.

(2) Die Ethikkommissionen können zur Prüfung eines Antrags auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik und der dafür eingereichten Unterlagen

1.
eigene wissenschaftliche Erkenntnisse verwerten,
2.
Sachverständige beiziehen, die mit der Gesundheitsschädigung, die Gegenstand des zu prüfenden Antrags ist, Erfahrung haben,
3.
Gutachten anfordern oder
4.
die Antragsberechtigte mündlich anhören.
Die Ethikkommissionen sind verpflichtet, in den Fällen von Satz 1 Nummer 2 und 3 die personenbezogenen Daten zu anonymisieren oder, solange eine Anonymisierung zur Erlangung der notwendigen Erkenntnisse noch nicht möglich ist, zu pseudonymisieren.

(3) Ärztinnen und Ärzte sind von der Prüfung eines Antrags auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik ausgeschlossen, wenn sie im Fall einer zustimmenden Bewertung des Antrags die Präimplantationsdiagnostik durchführen, an der künstlichen Befruchtung beteiligt sein werden oder in dem Zentrum, in dem die Präimplantationsdiagnostik oder die künstliche Befruchtung durchgeführt werden soll, tätig sind.

(4) Die Ethikkommissionen haben den Antrag auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik zustimmend zu bewerten, wenn sie nach Prüfung der in § 5 Absatz 2 genannten Angaben und Unterlagen unter Berücksichtigung der im konkreten Einzelfall maßgeblichen psychischen, sozialen und ethischen Gesichtspunkte zu dem Ergebnis kommen, dass die in § 3a Absatz 2 des Embryonenschutzgesetzes genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Sie treffen ihre Entscheidung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der stimmberechtigten Mitglieder.

(1) Die Ethikkommission wird zur Prüfung und Bewertung nach § 3a Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Embryonenschutzgesetzes nur auf schriftlichen Antrag der Frau, von der die Eizelle stammt (Antragsberechtigte), tätig.

(2) Der Antrag hat alle Angaben und Unterlagen zu enthalten, die die Ethikkommission für die Prüfung des Vorliegens der in § 3a Absatz 2 des Embryonenschutzgesetzes genannten Voraussetzungen benötigt. Vorzulegen sind:

1.
in den Fällen des § 3a Absatz 2 Satz 1 des Embryonenschutzgesetzes ein ärztlich-humangenetischer Befund über die genetische Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden, einschließlich der Bezeichnung der daraus hervorgehenden Erbkrankheit, Angaben zur Erkrankungswahrscheinlichkeit der Nachkommen sowie zu der zu erwartenden Krankheitsausprägung,
2.
ein Nachweis der schriftlichen Einwilligung der Antragsberechtigten nach § 8 Absatz 1 in die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung ihrer personenbezogenen Daten durch die Ethikkommission,
3.
ein Nachweis der schriftlichen Einwilligung des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, in die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner personenbezogenen Daten durch die Ethikkommission, soweit dessen personenbezogene Daten Gegenstand des Antrags sind,
4.
in den Fällen des § 3a Absatz 2 Satz 2 des Embryonenschutzgesetzes eine ärztliche Beurteilung der Annahme, dass eine schwerwiegende Schädigung des Embryos zu erwarten ist, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird,
5.
die Angabe des Zentrums, in dem die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden soll, einschließlich der Bestätigung, dass diese dort im Fall einer zustimmenden Bewertung durchgeführt werden wird,
6.
Angaben darüber, ob hinsichtlich des zur Bewertung vorgelegten Sachverhaltes bereits die Entscheidung einer anderen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik vorliegt, und, sofern eine solche Entscheidung vorliegt, eine Abschrift dieser Entscheidung.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

(1) Die Ethikkommission übermittelt der Antragsberechtigten innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Vorliegen der nach § 5 Absatz 2 erforderlichen Angaben und vollständigen Unterlagen ihre schriftliche Entscheidung über den Antrag auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik.

(2) Die Ethikkommissionen können zur Prüfung eines Antrags auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik und der dafür eingereichten Unterlagen

1.
eigene wissenschaftliche Erkenntnisse verwerten,
2.
Sachverständige beiziehen, die mit der Gesundheitsschädigung, die Gegenstand des zu prüfenden Antrags ist, Erfahrung haben,
3.
Gutachten anfordern oder
4.
die Antragsberechtigte mündlich anhören.
Die Ethikkommissionen sind verpflichtet, in den Fällen von Satz 1 Nummer 2 und 3 die personenbezogenen Daten zu anonymisieren oder, solange eine Anonymisierung zur Erlangung der notwendigen Erkenntnisse noch nicht möglich ist, zu pseudonymisieren.

(3) Ärztinnen und Ärzte sind von der Prüfung eines Antrags auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik ausgeschlossen, wenn sie im Fall einer zustimmenden Bewertung des Antrags die Präimplantationsdiagnostik durchführen, an der künstlichen Befruchtung beteiligt sein werden oder in dem Zentrum, in dem die Präimplantationsdiagnostik oder die künstliche Befruchtung durchgeführt werden soll, tätig sind.

(4) Die Ethikkommissionen haben den Antrag auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik zustimmend zu bewerten, wenn sie nach Prüfung der in § 5 Absatz 2 genannten Angaben und Unterlagen unter Berücksichtigung der im konkreten Einzelfall maßgeblichen psychischen, sozialen und ethischen Gesichtspunkte zu dem Ergebnis kommen, dass die in § 3a Absatz 2 des Embryonenschutzgesetzes genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Sie treffen ihre Entscheidung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der stimmberechtigten Mitglieder.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

(1) Die Länder richten für die für die Durchführung der Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren unabhängige interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik (Ethikkommissionen) ein. Dabei können die Länder auch gemeinsame Ethikkommissionen einrichten. Die Ethikkommissionen setzen sich aus vier Sachverständigen der Fachrichtung Medizin, jeweils einem oder einer Sachverständigen der Fachrichtungen Ethik und Recht sowie jeweils einem Vertreter der für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe behinderter Menschen auf Landesebene maßgeblichen Organisationen zusammen. Bei der Zusammensetzung der Ethikkommission hat die berufende Stelle Frauen und Männer mit dem Ziel ihrer gleichberechtigten Teilhabe zu berücksichtigen.

(2) Die Mitglieder der Ethikkommissionen sind in ihrer Meinungsbildung und Entscheidungsfindung unabhängig und nicht weisungsgebunden. Sie sind zur Vertraulichkeit und Verschwiegenheit verpflichtet.

(3) Die Ethikkommissionen erheben für ihre nach § 3a Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Embryonenschutzgesetzes festgelegte Tätigkeit Gebühren und Auslagen.

(4) Das Nähere zur Zusammensetzung, zu internen Verfahrensregelungen, zur Berufung der Mitglieder der Ethikkommissionen und zur Finanzierung der Ethikkommissionen wird durch Landesrecht bestimmt. Die Dauer der Berufung der Mitglieder der Ethikkommissionen ist zu befristen.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Länder richten für die für die Durchführung der Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren unabhängige interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik (Ethikkommissionen) ein. Dabei können die Länder auch gemeinsame Ethikkommissionen einrichten. Die Ethikkommissionen setzen sich aus vier Sachverständigen der Fachrichtung Medizin, jeweils einem oder einer Sachverständigen der Fachrichtungen Ethik und Recht sowie jeweils einem Vertreter der für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe behinderter Menschen auf Landesebene maßgeblichen Organisationen zusammen. Bei der Zusammensetzung der Ethikkommission hat die berufende Stelle Frauen und Männer mit dem Ziel ihrer gleichberechtigten Teilhabe zu berücksichtigen.

(2) Die Mitglieder der Ethikkommissionen sind in ihrer Meinungsbildung und Entscheidungsfindung unabhängig und nicht weisungsgebunden. Sie sind zur Vertraulichkeit und Verschwiegenheit verpflichtet.

(3) Die Ethikkommissionen erheben für ihre nach § 3a Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Embryonenschutzgesetzes festgelegte Tätigkeit Gebühren und Auslagen.

(4) Das Nähere zur Zusammensetzung, zu internen Verfahrensregelungen, zur Berufung der Mitglieder der Ethikkommissionen und zur Finanzierung der Ethikkommissionen wird durch Landesrecht bestimmt. Die Dauer der Berufung der Mitglieder der Ethikkommissionen ist zu befristen.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Der Gegenstandswert der Tätigkeit der Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin wird auf 120.000 € (in Worten: einhundertzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen immissionsschutzrechtliche Genehmigungen des Beklagten für die Errichtung und den Betrieb von drei Windenergieanlagen der Beigeladenen in den Gemeinden M. und E..

2

Die Windenergieanlagen sollen in zielförmig festgelegten Vorranggebieten für Windenergie des Regionalen Raumordnungsplanes (RROP) der Planungsgemeinschaft der Region T. errichtet werden. Zwischen ca. 10,4 km und ca. 11,0 km östlich der Standorte der geplanten Windenergieanlagen betreibt der Deutsche Wetterdienst (DWD), eine teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts der Klägerin, die im Jahr 1998 errichtete Wetterradaranlage N..

3

Im Jahr 2012 erteilte der Beklagte der Beigeladenen zu 2 eine Genehmigung für eine Windenergieanlage mit einer Nabenhöhe von 135,40 m und einem Rotordurchmesser von 101 m. Im Jahre 2012 beantragte die Beigeladene zu 2 eine Genehmigung für die Änderung der Nabenhöhe auf 149 m. Diesem Antrag trat der DWD entgegen: Der Windenergieanlage könne nur bei Einhaltung von Höhenbeschränkungen zugestimmt werden. Unter Zurückweisung dieser Einwendung erteilte der Beklagte auch die beantragte Änderungsgenehmigung.

4

Die Beigeladene zu 1 beantragte im Jahr 2011 eine Genehmigung für zwei Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von jeweils 138,38 m sowie einem Rotordurchmesser von 82 m. Auch diese beiden Anlagen genehmigte der Beklagte unter Zurückweisung der Einwendungen des DWD.

5

Die Widersprüche der Klägerin gegen die Genehmigungsbescheide blieben erfolglos.

6

Im Klageverfahren hat das Verwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten eingeholt zu der Frage, ob die Wetterradaranlage des DWD durch die geplanten Windenergieanlagen gestört werde und ob diese Störwirkung nach dem derzeitigen Stand der Technik durch geeignete Maßnahmen ausgeschlossen werden könne. Auf dieser Grundlage hat es die Klagen als unbegründet abgewiesen.

7

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Diese sei als Rechtsträgerin des DWD zur klageweisen Geltendmachung einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Wetterradarstation befugt. Die Klage sei aber unbegründet. Ein Entgegenstehen des öffentlichen Belangs des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB scheide zwar nicht bereits nach § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB aus; denn es könne nicht festgestellt werden, dass die Frage einer Störung der Funktionsfähigkeit der Wetterradaranlage des DWD durch Windenergieanlagen im Verfahren zur Aufstellung der Teilfortschreibung des RROP umfassend abgewogen worden sei. Der Betrieb der Windenergieanlagen führe auch zu einer - allerdings nicht besonders gewichtigen - Störung im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB. Gestützt auf die Aussagen des gerichtlich bestellten Sachverständigen hat das Oberverwaltungsgericht aber die Überzeugung gewonnen, dass damit kein "Entgegenstehen" dieses öffentlichen Belangs verbunden sei. Ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum komme dem DWD insoweit nicht zu, und zwar weder in Bezug auf das Vorliegen einer Störung der Funktionsfähigkeit der Wetterradaranlage noch in Bezug auf die Frage des Entgegenstehens einer solchen Störung. Der Betrieb der Windenergieanlagen werde nicht zu Abschattungseffekten führen, denen im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung des DWD ein nennenswertes Gewicht zukommen könne. Auch sei nicht zu erkennen, dass es zu Fehlechos in einem Ausmaß kommen werde, das geeignet wäre, die Qualität der aus den erhobenen Daten generierten Warnprodukte nennenswert negativ zu beeinflussen.

8

Die Klägerin macht mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision eine fehlerhafte Auslegung von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 i.V.m. § 35 Abs. 1 BauGB sowie einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung, Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 GG i.V.m. § 4 DWD-Gesetz, geltend, weil das Oberverwaltungsgericht unberücksichtigt gelassen habe, dass dem DWD bei der Beurteilung der Auswirkungen der festgestellten Störung ein Beurteilungsspielraum bzw. ein Letztentscheidungsrecht zustehen müsse.

9

Der Beklagte und die Beigeladenen verteidigen das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Im Einklang mit Bundesrecht ist das Oberverwaltungsgericht mit der Folge der Zurückweisung der Berufung davon ausgegangen, dass die Klage zulässig, aber unbegründet ist.

11

1. Die Klage ist zulässig.

12

Die Klagebefugnis der Klägerin, die als Sachurteilsvoraussetzung auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (BVerwG, Urteile vom 11. September 2014 - 4 CN 3.14 - Buchholz 406.12 § 10 BauNVO Nr. 5 Rn. 10 und vom 5. Mai 2015 - 9 C 12.14 - Buchholz 424.02 § 57 LwAnpG Nr. 2 Rn. 12), ergibt sich aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB. Der in der Vorschrift normierte öffentliche Belang - die Funktionsfähigkeit von Radaranlagen - dient nicht ausschließlich den Interessen der Allgemeinheit, sondern auch dem Schutz individueller Rechte (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 2009 - 4 C 3.08 - BVerwGE 133, 347 Rn. 22 ). Die Norm entfaltet Drittschutz zugunsten der Betreiber von Radaranlagen, die sie als bestimmten und abgrenzbaren Kreis von Begünstigten erkennen lässt.

13

Auch das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage liegt vor. Denn mit behördlichen Mitteln hätte der Streit über die vom Beklagten genehmigten Windenergieanlagen nicht beigelegt werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. März 1996 - 7 C 35.95 - BVerwGE 101, 47 <50>). Die von der Beigeladenen zu 2 in der mündlichen Verhandlung angeführte Möglichkeit des Erlasses technischer Normen oder normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften, etwa über einzuhaltende Mindestabstände zwischen Wetterradaranlagen und Windenergieanlagen, ist bereits mit Blick auf den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage kein gangbarer Weg zur Beilegung des Rechtsstreits.

14

2. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die Klage unbegründet ist, hält einer revisionsgerichtlichen Prüfung stand. Nach seinen tatrichterlichen Feststellungen steht dem im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierten Vorhaben der Beigeladenen der öffentliche Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB nicht entgegen.

15

a) § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB ist auf Wetterradaranlagen anwendbar. Der Begriff der "Radaranlagen" ist allgemein gehalten. Weder dem historischen Gesetzgeberwillen noch der Systematik des Gesetzes lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, den Begriff auf Radaranlagen mit militärischen oder sonstigen spezifischen Zweckbestimmungen einzuschränken (wohl a.A. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2016, § 35 Rn. 110a).

16

b) Das Oberverwaltungsgericht hat das Vorliegen einer Störung im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB bejaht. Entgegen der Kritik der Klägerin liegt dieser Entscheidung ein zutreffendes Begriffsverständnis zugrunde.

17

Das Oberverwaltungsgericht hat eine rechtserhebliche Störung der Funktionsfähigkeit im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB angenommen, wenn die Erzielung der (im Hinblick auf die Aufgabenstellung des DWD) erwünschten Ergebnisse verhindert, verschlechtert, verzögert oder spürbar erschwert wird (ebenso VGH München, Urteil vom 18. September 2015 - 22 B 14.1263 - BauR 2016, 243 LS 2 und S. 246 f.). Bundesrechtlich ist hiergegen nichts zu erinnern. Namentlich führt nicht bereits jede Beeinflussung der erhobenen Basisdaten zu einer Störung.

18

Für die in § 18a Abs. 1 LuftVG tatbestandlich vorausgesetzte Störung von Flugsicherungseinrichtungen hat der Senat (BVerwG, Urteil vom 7. April 2016 - 4 C 1.15 - NVwZ 2016, 1247 Rn. 13) entschieden, dass nicht jede beliebige Beeinflussung der Einrichtung als Störung zu qualifizieren ist. Eine Störung tritt erst ein, wenn die Beeinflussungen eine bestimmte Schwelle überschreiten und dadurch die Funktion der Anlage beeinträchtigen. Die Funktionsbeeinträchtigung ist mit Blick auf die Aufgabenstellung der Flugsicherung in § 27c Abs. 1 LuftVG zu bestimmen. Eine Störung ist danach gegeben, wenn die Funktion bauwerksbedingt in einem Maß beeinträchtigt wird, das sich auf die Aufgabenerfüllung auswirkt.

19

Diese Überlegungen lassen sich auf § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB übertragen. Das legt bereits der Wortlaut der Vorschrift nahe, der eine Störung der "Funktionsfähigkeit der Radaranlage" voraussetzt. Der Funktionsbegriff wäre zu eng gefasst, wollte man darunter lediglich die technische Funktion der Anlage - die Erfassung von Radarbasisdaten - und nicht auch die Funktion der Anlage für die Erledigung der Aufgaben des jeweiligen Betreibers verstehen. Dies bestätigt die Systematik des Gesetzes. Durch § 35 Abs. 3 BauGB soll die Außenbereichsverträglichkeit von Vorhaben am jeweiligen Standort sichergestellt werden. Unter den Begriff der "öffentlichen Belange" fallen deshalb alle Gesichtspunkte, die für das Bauen im Außenbereich rechtserheblich sein können (siehe etwa Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 35 Rn. 72). Rechtserheblich sind aber nur die hinter den in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft aufgeführten Belangen stehenden öffentlichen Zwecke.

20

Aus der von der Klägerin auch in diesem Zusammenhang angeführten Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drs. 15/2250 S. 55) ergibt sich nichts Gegenteiliges.

21

c) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Vorliegen einer Störung der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum steht dem DWD insoweit nicht zu.

22

aa) Die Voraussetzungen, unter denen Beurteilungsspielräume oder Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung ausnahmsweise anzuerkennen sind, sind in der Rechtsprechung geklärt.

23

Das auf effektiven Rechtsschutz gerichtete Verfahrensgrundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verpflichtet die Gerichte, die Verwaltungstätigkeit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich vollständig nachzuprüfen. Das schließt eine Bindung der rechtsprechenden Gewalt an tatsächliche oder rechtliche Feststellungen und Wertungen seitens anderer Gewalten hinsichtlich dessen, was im Einzelfall rechtens ist, im Grundsatz aus (BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 <49> und vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <20>). Das gilt auch im Anwendungsbereich unbestimmter Gesetzestatbestände und Rechtsbegriffe. Beruht die angefochtene Entscheidung hierauf, so ist deren Konkretisierung grundsätzlich ebenfalls Sache der Gerichte, die die Rechtsanwendung der Verwaltungsbehörden uneingeschränkt nachzuprüfen haben; die Regeln über die eingeschränkte Kontrolle des Verwaltungsermessens gelten nicht für die Auslegung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - a.a.O. S. 20 f. m.w.N.).

24

Das Gebot effektiven Rechtsschutzes schließt es indes nicht aus, dass gesetzlich eröffnete Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume sowie die Tatbestandswirkung von Exekutivakten die Rechtskontrolle durch die Gerichte einschränken. Gerichtliche Kontrolle endet dort, wo das materielle Recht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise das Entscheidungsverhalten nicht vollständig determiniert und der Verwaltung einen Einschätzungs- und Auswahlspielraum belässt. Ob dies der Fall ist, muss sich ausdrücklich aus dem Gesetz ergeben oder durch Auslegung hinreichend deutlich zu ermitteln sein. Demgegenüber kann es weder der Verwaltung noch den Gerichten überlassen werden, ohne gesetzliche Grundlage durch die Annahme behördlicher Letztentscheidungsrechte die Grenzen zwischen Gesetzesbindung und grundsätzlich umfassender Rechtskontrolle der Verwaltung zu verschieben (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - a.a.O. S. 22). Offengelassen hat das Bundesverfassungsgericht die Frage, ob gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbare Entscheidungsspielräume der Verwaltung ausnahmsweise auch ohne gesetzliche Grundlage von Verfassungs wegen dann zulässig sind, wenn eine weitergehende gerichtliche Kontrolle zweifelsfrei an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stieße.

25

bb) Gemessen hieran steht dem DWD im Rahmen der Anwendung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 i.V.m. § 35 Abs. 1 BauGB ein Beurteilungsspielraum oder eine fachliche Letztentscheidungsbefugnis nicht zu.

26

(1) Dem Gesetz lässt sich ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum des DWD nicht entnehmen.

27

Die Annahme eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums liegt schon deshalb fern, weil nicht der DWD, sondern die jeweilige Genehmigungsbehörde über die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Außenbereichsvorhabens entscheidet. Dem DWD steht insoweit - anders als dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung nach § 18a Abs. 1 Satz 2 LuftVG - weder eine Entscheidungsbefugnis zu noch hat die Stellungnahme des DWD im behördlichen Genehmigungsverfahren einen gesetzlich geregelten verfahrensrechtlichen Stellenwert, wie ihn § 18a Abs. 1 Satz 2 LuftVG der gutachtlichen Stellungnahme der Flugsicherungsorganisation zuerkennt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 7. April 2016 - 4 C 1.15 - NVwZ 2016, 1247 Rn. 24).

28

Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gesetz über den Deutschen Wetterdienst (DWD-Gesetz) vom 10. September 1998 (BGBl. I S. 2871). Ein Beurteilungsspielraum des DWD lässt sich den Aufgabenzuweisungen in § 4 DWD-Gesetz oder den Befugnissen des DWD nach § 5 DWD-Gesetz weder ausdrücklich noch im Wege der Auslegung entnehmen. Ein dahingehender gesetzgeberischer Wille erscheint auch unter chronologischen Gesichtspunkten ausgeschlossen. Denn das Gesetz über den Deutschen Wetterdienst trat bereits am 1. Januar 1999 in Kraft, wohingegen der öffentliche Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB erst mit dem Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau - EAG Bau) vom 24. Juni 2004 (BGBl. I S. 1359) in das Baugesetzbuch aufgenommen wurde. Bei Erlass des DWD-Gesetzes hatte der Gesetzgeber mithin keine Veranlassung, sich über einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum des DWD bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB Gedanken zu machen.

29

An dieser Situation hat sich durch das EAG Bau nichts geändert. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum EAG Bau sollte zwar mit der Erweiterung des Katalogs der öffentlichen Belange in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB "verdeutlicht" werden, dass "namentlich die Errichtung von Windenergieanlagen im Außenbereich nur zulässig ist, wenn das Vorhaben die Funktionsfähigkeit von Telekommunikations- und Radaranlagen nicht stört" (BT-Drs. 15/2250 S. 55). Der Gesetzgeber hat aber den öffentlichen Belang der Funktionsfähigkeit von Radaranlagen dem Entscheidungssystem der "nachvollziehenden Abwägung" und damit den durch die Rechtsprechung entwickelten Maßstäben unterstellt, die von der Genehmigungsbehörde grundsätzlich eine auf den Einzelfall ausgerichtete Gewichtsbestimmung verlangen, die gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar ist (BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2001 - 4 C 4.00 - BVerwGE 115, 17 <24>).

30

(2) Ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Einschätzungsspielraum des DWD rechtfertigt sich auch nicht aus den Funktionsgrenzen gerichtlicher Kontrolle.

31

(a) Auf die Fallgruppe der Risikoermittlung und -bewertung kann sich die Klägerin insoweit nicht mit Erfolg berufen.

32

Der Normstruktur des Atomgesetzes hat das Bundesverwaltungsgericht entnommen (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1985 - 7 C 65.82 - BVerwGE 72, 300 <315 f.>), dass die Exekutive die Verantwortung für die Risikoermittlung und -bewertung trägt und dass es nicht Sache der nachträglichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle sein kann, die der Exekutive zugewiesene Wertung wissenschaftlicher Streitfragen einschließlich der daraus folgenden Risikoabschätzung durch eigene Bewertungen zu ersetzen. Im Rahmen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB relevant ist indes allein die Beurteilung, welche Daten für die Aufgabenerledigung des DWD erforderlich sind und in welchem Maße und in welcher Weise windenergieanlagenbedingte technische Datenverluste oder -verfälschungen sich auf die Erfüllung dieser Aufgaben auswirken. Die Fragen lassen sich auf der Grundlage von Erfahrungswissen beurteilen, das mittelbar und einer fachwissenschaftlichen Überprüfung zugänglich ist. Mit Prognoseunsicherheiten oder Risikoermittlung hat dies wenig zu tun. Zu Recht hat sich das Oberverwaltungsgericht deshalb auf den Standpunkt gestellt, dass die besondere fachliche Expertise der Mitarbeiter des DWD deren Aussagen im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur in tatsächlicher Hinsicht ein besonderes Gewicht verleiht, diese nicht aber in rechtlicher Hinsicht binden.

33

Der Vorwurf der Klägerin, das Oberverwaltungsgericht habe dem besonderen Gewicht der fachlichen Aussagen des DWD im Rahmen der Sachverhaltsermittlung und -bewertung keinerlei Bedeutung beigemessen, ist unberechtigt. Dass sich die Klägerin mit ihrer Auffassung nicht durchsetzen konnte, ist eine tatrichterliche Würdigung, die der revisionsgerichtlichen Kontrolle nach § 137 Abs. 2 VwGO entzogen ist.

34

(b) Funktionsgrenzen gerichtlicher Kontrolle spielen auch in Anlehnung an die Rechtsfigur der naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative keine Rolle.

35

Grund für die Zuerkennung einer Einschätzungsprärogative ist der Umstand, dass es im Bereich des Naturschutzes regelmäßig um fachliche Bewertungen und Einschätzungen geht, für die normkonkretisierende Maßstäbe fehlen. Die Rechtsanwendung ist daher auf die Erkenntnisse der Fachwissenschaft und -praxis angewiesen, die sich aber nicht (immer) als eindeutige Erkenntnisgeber erweisen (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 4 C 1.12 - BVerwGE 147, 118 Rn. 15). In dieser Situation wären die Funktionsgrenzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit überschritten, wollte man ihr abverlangen, zwischen vertretbaren fachwissenschaftlichen Positionen zu entscheiden. Es ist weder Aufgabe der Verwaltungsgerichte, wissenschaftliche Streitfragen zu entscheiden, noch, eine solche Entscheidung durch die Erteilung von Forschungsaufträgen zu ermöglichen oder zu fördern (BVerwG, Urteil vom 7. April 2016 - 4 C 1.15 - NVwZ 2016, 1247 Rn. 24).

36

Von einer Situation wissenschaftlicher Unsicherheit ist das Oberverwaltungsgericht nicht ausgegangen. Eine ungesicherte fachwissenschaftliche Erkenntnislage hat es weder hinsichtlich der windenergieanlagenbedingten technischen Beeinflussung der Wetterradaranlage noch hinsichtlich der maßgeblichen Abläufe bei der Erstellung der Warnprodukte des DWD angenommen. Mit Verfahrensrügen sind diese tatrichterlichen Feststellungen nicht angegriffen; der Senat hat sie deshalb seiner Entscheidung als bindend zugrunde zu legen (§ 137 Abs. 2 VwGO).

37

d) Bundesrechtlich unbedenklich ist schließlich die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass mit der vorhabenbedingten Störung der Funktionsfähigkeit der Wetterradaranlage kein "Entgegenstehen" des öffentlichen Belangs nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB verbunden ist. Aus den vorgenannten Gründen steht dem DWD auch insoweit kein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.

38

Um feststellen zu können, ob der in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB genannte öffentliche Belang einem privilegierten Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB "entgegensteht", bedarf es nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich einer die gesetzlichen Vorgaben und Wertungen konkretisierenden "nachvollziehenden Abwägung" (grundlegend BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1967 - 4 C 86.66 - BVerwGE 28, 148 <151>; zu Ausnahmen vom Grundsatz BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 4 C 1.12 - BVerwGE 147, 118 Rn. 5; zum Begriff BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2001 - 4 C 4.00 - BVerwGE 115, 17 <24 f.>). Damit ist ein gerichtlich uneingeschränkt überprüfbarer Vorgang der Rechtsanwendung gemeint, der eine auf den Einzelfall ausgerichtete Gewichtsbestimmung verlangt: Ob sich die öffentlichen Belange im Einzelfall durchsetzen, ist eine Frage ihres jeweiligen Gewichts und der Abwägung mit dem Vorhaben, zu dem es konkret in Beziehung zu setzen ist. Dabei ist dem gesteigerten Durchsetzungsvermögen privilegierter Außenbereichsvorhaben gebührend Rechnung zu tragen.

39

In dieser Weise ist das Oberverwaltungsgericht vorgegangen. Die dagegen erhobenen Rügen der Klägerin bleiben erfolglos.

40

aa) Die Klägerin meint, das Oberverwaltungsgericht habe das besondere Gewicht der dem DWD gesetzlich zugewiesenen Aufgaben verkannt und deshalb missachtet, dass bereits eine mit Fehlwarnungen verbundene abstrakte Gefährdung für ein Entgegenstehen ausreiche. Diese Sichtweise geht fehl.

41

Ihr liegt ein Normverständnis zugrunde, das der Senat (BVerwG, Urteil vom 7. April 2016 - 4 C 1.15 - NVwZ 2016, 1247 Rn. 23) in Bezug auf § 18a Abs. 1 LuftVG als zutreffend erachtet hat. Die Vorschrift lässt es für ein Bauverbot ausreichen, dass Flugsicherungseinrichtungen bauwerksbedingt "gestört werden können". Sie verlangt bereits nach dem Wortlaut nicht die Gewissheit einer Störung; vielmehr reicht deren Möglichkeit. Eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit von Radaranlagen im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB führt dagegen weder ipso iure zu einem Bauverbot noch reicht eine - wie die Klägerin meint - abstrakte Gefährdung oder die bloße Möglichkeit einer Störung für die Unzulässigkeit des Vorhabens aus. Auch die im Gefahrenabwehrrecht gebräuchliche "Je-desto-Formel", die die Klägerin für einschlägig hält, führt nicht weiter. Für die Rechtsfolge des "Entgegenstehens" kommt es vielmehr darauf an, in welchem Maße die Aufgabenerfüllung des Trägers der Radaranlage konkret beeinträchtigt wird, mithin also auf das konkrete Gewicht des tatsächlich beeinträchtigten öffentlichen Belangs.

42

bb) Die nachvollziehende Abwägung des Oberverwaltungsgerichts ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil - wie die Klägerin meint - zugunsten der vom DWD vertretenen öffentlichen Belange hätte berücksichtigt werden müssen, dass der DWD bei der Standortwahl in einem weit höheren Maße eingeschränkt sei als die Beigeladenen hinsichtlich der Realisierung neuer Windenergieanlagen.

43

Dieser Einschätzung ist das Oberverwaltungsgericht mit nachvollziehbaren Gründen entgegengetreten. Es hat ihr entgegengehalten, im Rahmen der nachvollziehenden Abwägung könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass alle drei Windenergieanlagen in regionalplanerisch festgelegten Vorranggebieten für die Windenergie verwirklicht werden sollen, die für Windenergie gut geeignet seien, und dass wegen der Ausschlusswirkung der Konzentrationsflächenplanung nur eingeschränkte Ausweichmöglichkeiten für die Vorhabenträger existierten.

44

Dem Oberverwaltungsgericht ging es bei der Bezugnahme auf das regionalplanerische Vorranggebiet mit der Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erkennbar allein darum, gegen die von der Klägerin behauptete Ortsgebundenheit der Wetterradaranlage auch Gründe für die Ortsgebundenheit der Windenergieanlagen anzuführen. Eine von der Klägerin beanstandete unzulässige "Kompensation" öffentlicher Belange lag ersichtlich nicht in seiner Absicht.

45

cc) Unberechtigt ist schließlich die Kritik der Klägerin, das Oberverwaltungsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Wetterradaranlage des DWD schon vorhanden sei, während die Beigeladenen ihre Windenergieanlagen erst errichten wollten. Diesen Umstand hat das Oberverwaltungsgericht vielmehr ausdrücklich in seine Erwägungen eingestellt.

46

dd) Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht maßgeblich auf das Gewicht der konkreten Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit der Wetterradaranlage durch den Betrieb der genehmigten Windenergieanlagen abgestellt. Dabei ist es auf der Grundlage der Äußerungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen zu der Überzeugung gelangt, dass keine hinreichend gewichtige Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung des DWD und damit keine überwiegende Betroffenheit des von der Klägerin geltend gemachten öffentlichen Belangs aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB zu besorgen seien.

47

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Tatbestand

1

Die Klägerin, die öffentliche Mobilfunknetze nach dem GSM- und dem UMTS-Standard betreibt, wendet sich gegen eine Allgemeinverfügung der Bundesnetzagentur über die Vergabe weiterer Funkfrequenzen.

2

Die Frequenzausstattung der Klägerin und der drei anderen in Deutschland tätigen Mobilfunknetzbetreiber, die Mobilfunkdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbieten, ist unterschiedlich. Im Bereich der Frequenzen unter 1 GHz, die sich wegen ihrer physikalischen Ausbreitungseigenschaften besonders für die Versorgung in der Fläche eignen, verfügen die beiden sog. D-Netzbetreiber über jeweils 2 x 12,4 MHz (gepaart) im 900-MHz-Band, während den beiden sog. E-Netzbetreibern, darunter der Klägerin, dort nur 2 x 5 MHz (gepaart) zugeteilt sind. Im Bereich der Frequenzen über 1 GHz halten demgegenüber die E-Netzbetreiber ein größeres Spektrum als die D-Netzbetreiber.

3

Die Unterschiede haben im Wesentlichen historische Gründe: Mit dem Markteintritt der D-Netzbetreiber im Jahr 1990 wurde diesen zunächst das seinerzeit verfügbare Spektrum aus dem 900-MHz-Bereich zugeteilt. Für die 1993 bzw. 1997 in den Markt getretenen E-Netzbetreiber standen Frequenzen im Bereich unter 1 GHz nicht mehr zur Verfügung, sodass sie zunächst Frequenzen im 1800-MHz-Bereich erhielten. Nachdem im Jahr 2005 das Bundesministerium der Verteidigung auf die militärische Nutzung von Frequenzen im Bereich von 900 MHz (sog. E-GSM-Band) verzichtet hatte, entschied die Bundesnetzagentur, diese Frequenzen zu gleichen Teilen von je 2 x 5 MHz (gepaart) den E-Netzbetreibern zuzuteilen, die in entsprechendem Umfang auf Frequenzen aus dem Bereich 1800 MHz verzichteten.

4

Infolge dieses Verzichts, des Freiwerdens weiterer bislang militärisch genutzter Frequenzen und des Übergangs von analogem auf digitalen Fernsehrundfunk wurden in der Folgezeit zunächst weitere 270 MHz in den Bereichen 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz verfügbar, für die die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur die Durchführung eines Vergabeverfahrens in Form eines Versteigerungsverfahrens beschloss (Allgemeinverfügungen vom 19. Juni 2007, Vfg. 34/2007, ABl BNetzA S. 3115, und vom 7. April 2008, Vfg. 34/2008, ABl BNetzA S. 581). Nach Freiwerden weiterer 90 MHz, von denen 60 MHz auf den Frequenzbereich 800 MHz entfielen, erließ die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur schließlich die hier umstrittene Allgemeinverfügung vom 12. Oktober 2009 (Vfg. 59/2009, ABl BNetzA S. 3623). Darin entschied sie, die Vergabe der zuletzt freigewordenen Frequenzen mit dem bereits zuvor eingeleiteten Verfahren zur Vergabe von Frequenzen der Bereiche 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz zu verbinden (Teilentscheidung I). Die Allgemeinverfügung regelt des Weiteren die Anordnung des Vergabeverfahrens (Teilentscheidung II) sowie die Wahl des Vergabeverfahrens als Versteigerungsverfahren (Teilentscheidung III) und stellt Vergabebedingungen (Teilentscheidung IV) und Versteigerungsregeln (Teilentscheidung V) auf. Unter Nr. IV.3 i.V.m. Nr. V.1.5 enthält die Allgemeinverfügung eine Regelung über die Beschränkung der Bietrechte im 800-MHz-Bereich auf höchstens 2 x 20 MHz (gepaart) unter Anrechnung bestehender Frequenzausstattungen bei 900 MHz. Weiterhin sind unter Nr. IV.4 Frequenznutzungsbedingungen einschließlich des Versorgungsgrades bei der Frequenznutzung unter besonderer Berücksichtigung der Frequenzen im Bereich von 800 MHz festgelegt.

5

Die Klägerin hat gegen die Allgemeinverfügung vom 12. Oktober 2009 Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit folgender Begründung abgewiesen: Die Klage sei, soweit sie sich gegen die Anordnung und die Auswahl des Vergabeverfahrens sowie die darauf bezogenen Regeln in den Frequenzbereichen 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz richte, im Hinblick auf die Bestandskraft der vorangegangenen Verfügung vom 7. April 2008 unzulässig und im Übrigen unbegründet. Durch die Verfahrensverbindung werde die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Auch die Anordnung, dass der Zuteilung der Frequenzen ein Vergabeverfahren voranzugehen habe, sei rechtmäßig. Bei der Frage, ob für Frequenzzuteilungen in ausreichendem Umfang Frequenzen vorhanden seien, verfüge die Bundesnetzagentur über einen Beurteilungsspielraum. In dessen Rahmen sei das von der Behörde gefundene Ergebnis, dass die Nachfrage das zur Verfügung stehende Spektrum übersteige, nicht zu beanstanden. Die Vergabeanordnung sei auch frei von Ermessensfehlern. Rechtmäßig sei ferner die Anordnung, das Vergabeverfahren als Versteigerungsverfahren durchzuführen. Auch insoweit komme der Bundesnetzagentur ein Beurteilungsspielraum zu. Dieser sei auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass zuvor GSM-Lizenzen ohne Durchführung eines Versteigerungsverfahrens zugeteilt worden seien, nicht überschritten. Schließlich hielten auch die Festlegungen und Regeln des Vergabeverfahrens sowie die Versteigerungsregeln, soweit sie von der Klägerin angegriffen worden seien, der Überprüfung stand. Bei der Frage, ob und in welchem Umfang Bietrechte zu beschränken seien, habe die Bundesnetzagentur innerhalb des ihr auch insofern zustehenden Beurteilungsspielraums unter Abwägung des Interesses der E-Netzbetreiber an einer Bereinigung der ungleichen Wettbewerbssituation, des Interesses der D-Netzbetreiber an Zugang zu ausreichendem Spektrum für die Flächenversorgung und etwaigen Chancen für einen Neueinsteiger eine sachgerechte Regelung getroffen. Die Klägerin könne nicht verlangen, dass der von ihr für notwendig erachtete vollständige Ausgleich der Frequenzausstattungen Vorrang vor allen anderen Belangen habe.

6

Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend: Die Bundesnetzagentur habe mit der angefochtenen Allgemeinverfügung eine Sachentscheidung mit neuem Regelungsgehalt getroffen. Für die Verfahrensverbindung fehle es allerdings an der erforderlichen Gleichwertigkeit der verbundenen Verfahren, da die umstrittenen Regelungen durch die Auswechselung ihres Bezugsgegenstandes eine inhaltlich andere Bedeutung erhalten hätten als zuvor. Rechtswidrig sei auch die Anordnung des Vergabeverfahrens. Das Verwaltungsgericht habe der Bundesnetzagentur zu Unrecht einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Feststellung einer Frequenzknappheit zugebilligt. Jedenfalls aber seien der Behörde Beurteilungsfehler in Bezug auf die Bedarfsermittlung unterlaufen. Überdies leide die Vergabeanordnung an einem Ermessensausfall. Zu beanstanden sei ferner die Entscheidung der Bundesnetzagentur, das Vergabeverfahren als Versteigerungsverfahren durchzuführen. Auch insoweit sei die Annahme eines Beurteilungsspielraums fehlerhaft. Jedenfalls begegne das Versteigerungsverfahren unter den hier gegebenen Umständen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, da auf demselben sachlich und räumlich relevanten Markt bereits Frequenzen ohne vorherige Durchführung eines Versteigerungsverfahrens zugeteilt worden seien. Schließlich seien die Regeln des Vergabeverfahrens und die Versteigerungsregeln defizitär, weil die Beklagte weitergehende Beschränkungen zulasten der D-Netzbetreiber hätte anordnen müssen. Die angegriffene Bietrechtsbeschränkung im 800-MHz-Band habe es den D-Netzbetreibern ermöglicht, dort so viele Frequenzen zu erwerben, dass der Rest für die beiden E-Netzbetreiber nicht ausgereicht habe. Es sei von Anfang an vorhersehbar gewesen, dass einer der beiden kleineren Netzbetreiber bei der Versteigerung dieser Frequenzen leer ausgehen werde. Unvertretbar sei die Entscheidung der Bundesnetzagentur insbesondere deshalb, weil die Bietrechte der ohnehin schon privilegierten D-Netzbetreiber bei der Anrechnung der bestehenden Frequenzausstattung im 900-MHz-Band aufgerundet worden seien; jedenfalls hätten die ihnen zugestandenen Bietrechte mit einem Verzicht auf Nutzungsrechte im Frequenzbereich von 900 MHz verknüpft werden müssen.

7

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts

1. die Entscheidung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur vom 12. Oktober 2009 hinsichtlich der Teilentscheidungen zu I, II und III aufzuheben,

2. hilfsweise zu 1.:

die Entscheidung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur vom 12. Oktober 2009 im Hinblick auf Nr. IV.3.2 Satz 3 dahingehend aufzuheben und abzuändern, dass die Bietrechte der D-Netzbetreiber auf "2 x 5 MHz (gepaart) im Bereich von 800 MHz" festgesetzt werden, sowie im Hinblick auf Nr. V.1.5 Satz 4 dahingehend aufzuheben und abzuändern, dass für die D-Netzbetreiber die "maximalen Bietberechtigungen in Lot Ratings im Bereich von 800 MHz" auf "2" festgesetzt werden,

3. hilfsweise zu 2.:

die Entscheidung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur vom 12. Oktober 2009 im Hinblick auf Nr. IV.3.2 Satz 3 sowie V.1.5 Satz 4 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Nr. IV.3.2 und V.1.5 der angefochtenen Entscheidungen dahingehend zu ändern, dass die D-Netzbetreiber nur dann Bietrechte im Umfang von 2 x 10 MHz und damit korrespondierende Lot Ratings im Frequenzbereich 800 MHz ausüben dürfen, wenn sie auf je 2 x 2,4 MHz im Frequenzbereich 900 MHz verzichten,

4. hilfsweise zu 2. und 3.:

die Beklagte unter Aufhebung der Teilentscheidungen zu IV und V der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur vom 12. Oktober 2009 zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Teilentscheidung zu IV und V neu zu entscheiden,

5. hilfsweise zu 4.:

die Entscheidung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur vom 12. Oktober 2009 hinsichtlich der Teilentscheidungen zu IV und V aufzuheben.

8

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht, soweit es die Klage hinsichtlich der mit dem Hauptantrag angegriffenen Teilentscheidungen zu I, II und III der Allgemeinverfügung vom 12. Oktober 2009 abgewiesen hat, und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat nicht möglich, da es an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen fehlt. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

11

1. Die Klage ist mit dem Hauptantrag zulässig.

12

a) Die Anfechtungsklage gegen die genannten Teilentscheidungen ist in vollem Umfang statthaft. Dies gilt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch insoweit, als bereits die - von der Klägerin nicht angegriffene - Allgemeinverfügung vom 7. April 2008 bestimmte Regelungen in Bezug auf die Frequenzbereiche 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz inhaltsgleich mit der Allgemeinverfügung vom 12. Oktober 2009 getroffen hatte. Die Auslegung der hier angefochtenen Allgemeinverfügung, zu der im Hinblick auf die die Problematik nicht erschöpfenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts der Senat selbst berechtigt ist (Urteil vom 14. Februar 2007 - BVerwG 6 C 28.05 - Buchholz 442.066 § 150 TKG Nr. 3 Rn. 24), ergibt, dass es sich insgesamt um eine neue Sachentscheidung und nicht lediglich um eine wiederholende Verfügung handelt. Durch die Verbindung des seinerzeit bereits eingeleiteten Vergabeverfahrens für Frequenzen der Bereiche von 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz mit der Vergabe der neu hinzugetretenen Frequenzen der Bereiche 800 MHz und 1,8 GHz sollte der Frequenzzugang flexibilisiert und die Entstehung künstlicher Frequenzknappheiten vermieden werden. Dadurch ist insgesamt ein neuer Verfahrensgegenstand entstanden, sodass auch wortgleich übernommene Bestimmungen einen neuen Regelungsgehalt aufweisen. Demgemäß hat sich die Bundesnetzagentur in den Gründen der Vergabeanordnung wie auch der übrigen angefochtenen Teilentscheidungen mit den im Anhörungsverfahren erhobenen Einwänden insgesamt und nicht nur im Hinblick auf die neu einbezogenen Frequenzen sachlich auseinandergesetzt. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf die Befugnis der Bundesnetzagentur, durch zweckmäßige Zusammenfassung mehrerer Beschlusskammerentscheidungen in einer Allgemeinverfügung bzw. durch ihre Aufteilung auf mehrere Allgemeinverfügungen die Rahmenbedingungen für die Inanspruchnahme von Rechtsschutz zu beeinflussen (s. Urteil des Senats vom 1. September 2009 - BVerwG 6 C 4.09 - BVerwGE 134, 368 Rn. 27 = Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 1), verfängt demgegenüber nicht. Diese Befugnis bezieht sich auf eine "horizontale" Abschichtung einzelner Teilentscheidungen, nicht aber auf eine "vertikale" Aufspaltung nach Frequenzbereichen, die im Anfechtungsrechtsstreit praktisch kaum lösbare Probleme aufwerfen würde.

13

b) Die Klägerin ist in Bezug auf die ersten drei Teilentscheidungen der angefochtenen Allgemeinverfügung klagebefugt, denn sie kann im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, in ihren Rechten verletzt zu sein. Die Vergabeanordnung (§ 55 Abs. 9 Satz 1 TKG) wandelt den Anspruch auf Einzelzuteilung von Frequenzen (§ 55 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 TKG) in einen Anspruch auf chancengleiche Teilnahme am Vergabeverfahren um. Daher ist ein Unternehmen wie die Klägerin, das einen noch nicht bestandskräftig abgelehnten Antrag auf Einzelzuteilung gestellt hat, im Hinblick auf die in den geltend gemachten Zuteilungsanspruch eingreifende Vergabeanordnung klagebefugt, wenn - wie hier - deren Rechtswidrigkeit nach dem Klagevorbringen zumindest möglich erscheint und auch der behauptete Einzelzuteilungsanspruch ohne die umstrittene Vergabeanordnung nicht ausgeschlossen ist (Urteil vom 1. September 2009 a.a.O. Rn. 16 f.). Ebenso wird die materielle Rechtsposition der Klägerin durch die Auswahl des Versteigerungsverfahrens berührt, da diese den Frequenzzugang auf einen Erwerb im Wege des Höchstgebotes verengt (Urteil vom 1. September 2009 a.a.O. Rn. 19); auch insoweit scheidet eine subjektive Rechtsverletzung jedenfalls nicht von vornherein aus.

14

c) Auf die Anordnung der Bundesnetzagentur über die Durchführung des Vergabeverfahrens und die Auswahl der Verfahrensart findet § 44a VwGO, wonach Rechtsschutz nur im Zusammenhang mit der abschließenden Sachentscheidung in Anspruch genommen werden kann, keine Anwendung (Urteil vom 1. September 2009 a.a.O. Rn. 22).

15

d) Soweit aufgrund der im Frühjahr 2010 durchgeführten Auktion bereits Frequenzzuteilungen an diejenigen ausgesprochen worden sind, die die Höchstgebote abgegeben hatten, beseitigt dies nicht das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für die Anfechtung der hier umstrittenen Allgemeinverfügung. Die Klägerin trägt hinsichtlich der im gestuften Verfahren (vgl. Urteil vom 1. September 2009 a.a.O. Rn. 25) ergangenen Teilentscheidungen eine Anfechtungslast, da sie sich sonst deren Bestandskraft in einem etwaigen Rechtsstreit gegen die Frequenzzuteilungen entgegenhalten lassen müsste.

16

2. Die Begründung, mit der das Verwaltungsgericht die Klage hinsichtlich des Hauptantrages abgewiesen hat, hält der Überprüfung nicht stand. Zwar wäre das angefochtene Urteil - auch hinsichtlich des für unzulässig erachteten Teils des Klagebegehrens - im Ergebnis zutreffend (§ 144 Abs. 4 VwGO), wenn die Klage sich insgesamt als unbegründet erwiese. Ein dahingehender Ausspruch ist dem Senat aber auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht möglich.

17

a) Die Entscheidung der Bundesnetzagentur, die Vergabe der zuletzt freigewordenen Frequenzen der Bereiche 800 MHz und 1,8 GHz mit der Vergabe der schon länger verfügbaren Frequenzen der Bereiche 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz zu einem gemeinsamen Verfahren zu verbinden (Teilentscheidung I), ist der gerichtlichen Überprüfung nicht isoliert, sondern nur gemeinsam mit der Vergabeanordnung (Teilentscheidung II) zugänglich, auf die sich der Verbindungsbeschluss bezieht. Ob die Verbindung der Vergabeverfahren im Hinblick auf die von der Bundesnetzagentur erwarteten Beschleunigungs- und Synergieeffekte zur optimalen Erreichung der bei der Frequenzordnung zu beachtenden Regulierungsziele (§ 52 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 TKG) geeignet und mit dem drittschützenden Diskriminierungsverbot (§ 55 Abs. 1 Satz 3 TKG) vereinbar ist, hängt wesentlich davon ab, ob für die Gesamtheit der verbundenen Frequenzen die Voraussetzungen gegeben sind, die das Gesetz an den Erlass einer Vergabeanordnung knüpft.

18

b) Eine Vergabeanordnung kann gemäß § 55 Abs. 9 Satz 1 i.V.m. § 61 TKG nach Anhörung der betroffenen Kreise erlassen werden, wenn für Frequenzzuteilungen nicht in ausreichendem Umfang verfügbare Frequenzen vorhanden oder für bestimmte Frequenzen mehrere Anträge gestellt sind. Ob die Voraussetzungen für den Erlass einer Vergabeanordnung im vorliegenden Fall erfüllt sind, kann der Senat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen (aa); bejahendenfalls liegt ein Ermessensfehler der Bundesnetzagentur nicht vor (bb).

19

aa) Die in beiden Alternativen des § 55 Abs. 9 Satz 1 TKG vorausgesetzte Frequenzknappheit kann sich entweder aus der bereits feststehenden Tatsache eines Antragsüberhangs (§ 55 Abs. 9 Satz 1 Alt. 2) oder aus der Prognose einer mangelnden Verfügbarkeit von Frequenzen ergeben (§ 55 Abs. 9 Satz 1 Alt. 1; s. auch Urteil vom 26. Januar 2011 - BVerwG 6 C 2.10 - juris Rn. 25; Marwinski, in: Arndt/Fetzer/Scherer, TKG 2008, § 55 Rn. 44). Unter Berücksichtigung des Gesetzeswortlautes wie auch des systematischen Zusammenhangs der beiden Fallvarianten des § 55 Abs. 9 Satz 1 TKG bezieht sich die zuletzt erwähnte Prognose darauf, dass im Zuteilungszeitpunkt eine das verfügbare Frequenzspektrum übersteigende Anzahl von Zuteilungsanträgen gestellt sein wird. Grundlage dieser Prognose ist die Feststellung eines überschießenden Frequenzbedarfs. Bei dieser Feststellung als solcher steht der Bundesnetzagentur ein Beurteilungsspielraum nicht zu.

20

Eine mit einer Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle verbundene Befugnis zur Letztentscheidung wird der Verwaltung dort zuerkannt, wo ihr das materielle Recht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise Entscheidungen abverlangt, ohne dafür hinreichend bestimmte Entscheidungsprogramme vorzugeben. Unbestimmte Rechtsbegriffe, die für sich genommen einen Beurteilungsspielraum nicht begründen, können unter Umständen wegen hoher Komplexität oder besonderer Dynamik der geregelten Materie so vage und ihre Konkretisierung im Nachvollzug der Verwaltungsentscheidung so schwierig sein, dass die gerichtliche Kontrolle an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stößt (stRspr; s. nur BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 1992 - 1 BvR 167/87 - BVerfGE 88, 40 <61>; Urteil vom 20. Februar 2001 - 2 BvR 1444/00 - BVerfGE 103, 142 <156 f.>; Kammerbeschluss vom 10. Dezember 2009 - 1 BvR 3151/07 - NVwZ 2010, 435 <437 f.>; BVerwG, Urteil vom 2. April 2008 - BVerwG 6 C 15.07 - BVerwGE 131, 41 Rn. 20 = Buchholz 442.066 § 10 TKG Nr. 1; jeweils m.w.N.). Dabei steht der Umstand, dass eine Verwaltungsentscheidung mit einer Grundrechtsbeeinträchtigung verbunden ist, der Annahme einer Letztentscheidungsermächtigung nicht entgegen; die Rechtfertigungsanforderungen steigen aber mit der Intensität des Grundrechtseingriffs (BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Dezember 2009 a.a.O. S. 440). Eine der Verwaltung übertragene Letztentscheidungsbefugnis bezieht sich überdies grundsätzlich nicht auf die Feststellung der für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen. Bei ihnen ist die gerichtliche Überprüfung darauf zu erstrecken, ob sie wirklich vorliegen, und nicht nur darauf, ob sie von der Behörde in vertretbarer Weise angenommen worden sind (BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Dezember 2009 a.a.O. S. 438; BVerwG, Urteil vom 2. April 2008 a.a.O. Rn. 21 m.w.N.).

21

Daran gemessen rechtfertigt die Feststellung eines Bedarfsüberhangs als Grundlage für die Prognose, dass mit einer die verfügbaren Frequenzen übersteigenden Anzahl von Anträge zu rechnen ist (§ 55 Abs. 9 Satz 1 Alt. 1 TKG), für sich genommen nicht die Anerkennung eines Beurteilungsspielraums. Anders als bei der Prognose selbst, die die Bewertung eines ausreichenden Frequenzumfangs zur Erbringung von Leistungen in einem wettbewerblichen Umfeld einschließt, zählt die Bedarfsfeststellung als solche zu der entscheidungserheblichen Tatsachengrundlage, die wirklich gegeben und nicht nur vertretbar angenommen worden sein muss. Die Vergabeanordnung mit der Frequenzversteigerung als Regelfolge (§ 61 Abs. 2 Satz 1 TKG) stellt sich als eine objektive Berufszulassungsschranke dar, die nur als Konsequenz einer durch Frequenzbewirtschaftung zu bewältigenden Knappheitssituation mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist. Aufgrund der mit dem Vergabeverfahren verbundenen Kosten und Risiken für alle Antragsteller ist dieses Verfahren nur gerechtfertigt, wenn ein Bedarfsüberhang an Frequenzen tatsächlich besteht (Geppert, in: BeckTKG, 2. Aufl. 2000, § 10 Rn. 6; Selmer, in: NVwZ 2003, 1304 <1310>). Hierfür steht in Gestalt des förmlichen Bedarfsermittlungsverfahrens, bei dem die Bundesnetzagentur zur Vorbereitung ihrer Entscheidung über den Erlass einer Vergabeanordnung öffentlich dazu auffordert, innerhalb einer angemessenen Frist Bedarfsmeldungen in Bezug auf die fraglichen Frequenzen einzureichen, ein in der Praxis erprobtes, aussagekräftiges Verfahren zur Verfügung, das zudem den unionsrechtlich vorgegebenen Kriterien der Objektivität, Transparenz und Diskriminierungsfreiheit genügt (Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste - Rahmenrichtlinie, RRL - und Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 2 sowie Erwägungsgrund 12 der Richtlinie 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste - Genehmigungsrichtlinie, GRL -; vgl. dazu Geppert a.a.O.; Wegmann, in: BerlKommTKG, 2. Aufl. 2009, § 55 Rn. 51; Kroke, in: Wilms/Masing/Jochum, TKG, § 55 Rn. 72; Göddel, in: Beck TKG, 3. Aufl. 2006, § 55 Rn. 11). Zwar ist ein förmliches Bedarfsermittlungsverfahren in § 55 Abs. 9 TKG nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Wird es - wie hier - nicht (zeitnah) vor dem Erlass der Vergabeanordnung durchgeführt, ist die Bundesnetzagentur aber jedenfalls gehalten, auf Erkenntnisse zurückzugreifen, die eine vergleichbare Gewähr für die zutreffende Erfassung des aktuellen Frequenzbedarfs bieten und somit als Grundlage für die Prognose einer (nicht) ausreichenden Verfügbarkeit von Frequenzen nicht weniger geeignet sind.

22

Im vorliegenden Fall hat die Bundesnetzagentur anstelle einer aktuellen Bedarfsermittlung auf eine Mischung von Erkenntnissen aus teilweise lange zurückliegenden Bedarfsabfragen bezüglich einzelner der - nunmehr zur gemeinsamen Vergabe zusammengefassten - Frequenzspektren, bestimmten neueren Bedarfsmeldungen und eigenen Bedarfsabschätzungen zurückgegriffen. In dieser Konstellation hätte sich das Verwaltungsgericht eine eigene Überzeugung darüber bilden müssen, ob ein Bedarfsüberhang auf dieser Grundlage nachgewiesen ist. Diesen Anforderungen entspricht das angefochtene Urteil nicht vollständig. Denn es begnügt sich mit der Feststellung, dass der von der Bundesnetzagentur zugrunde gelegte Frequenzbedarf auf vertretbaren, auf Tatsachen gestützten Annahmen beruhe. Das Ermittlungsdefizit bezieht sich insbesondere auf die gerichtliche Kontrolle der nicht hinreichend begründeten Prämisse der Bundesnetzagentur, dass die bis in das Jahr 2005 rückreichenden Bedarfsmeldungen nach wie vor für "stabil" gehalten würden. Zudem wurde nicht näher untersucht, inwieweit das neu hinzugekommene Spektrum unterhalb von 1 GHz - insbesondere in Anbetracht der mit der Verfahrensverbindung bezweckten "Entschärfung des Bietwettbewerbs" (Allgemeinverfügung a.a.O. S. 3648) - Auswirkungen auf den angenommenen Bedarfsüberhang hinsichtlich der Frequenzen oberhalb von 1 GHz hat. Das Verwaltungsgericht hat zwar nicht verkannt, dass die mit der Verfahrensverbindung bewirkte Ausweitung des verfügbaren Frequenzspektrums eine etwa vorhandene Frequenzknappheit unter Umständen mildern kann, sich insoweit aber einer abschließenden eigenen Überprüfung enthalten. Da der Senat die fehlenden tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen nicht selbst vornehmen kann, muss das Verwaltungsgericht Gelegenheit erhalten, sie nachzuholen. Dabei wird es gegebenenfalls auch auf spätere Erkenntnisse, etwa über den tatsächlichen Ablauf und die Ergebnisse des Versteigerungsverfahrens, zurückgreifen können, soweit diese Hilfstatsachen nach seiner Überzeugung den Rückschluss auf einen bereits im Zeitpunkt des Erlasses der Vergabeanordnung bestehenden Bedarfsüberhang zulassen.

23

bb) Unter der Prämisse, dass die Knappheitsprognose der Bundesnetzagentur nach erneuter Überprüfung eine ausreichende tatsächliche Grundlage hat, ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Behörde beim Erlass der Vergabeanordnung ein Ermessensfehler nicht unterlaufen ist. Bei bestehender Knappheit schließt § 55 Abs. 9 Satz 1 TKG die Einzelzuteilung der betreffenden Frequenzen in der Regel aus. In einer solchen Situation ist die Ermessensentscheidung ("kann") der Bundesnetzagentur infolge der Grundrechtsbindung (Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG) und des unionsrechtlichen Diskriminierungsverbotes (Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 2, Art. 7 Abs. 3 GRL) regelmäßig im Sinne des Erlasses einer Vergabeanordnung vorgeprägt; nur ausnahmsweise darf unter Berücksichtigung der Regulierungsziele trotz Frequenzknappheit vom Erlass einer Vergabeanordnung abgesehen werden (Urteil vom 26. Januar 2011 a.a.O. Rn. 25 m.w.N.). Demgemäß bedarf es ausdrücklicher Ermessenserwägungen nicht im Regel-, sondern nur im Ausnahmefall.

24

Soweit sich die Klägerin für einen solchen Ausnahmefall auf das sog. GSM-Konzept der Bundesnetzagentur (Vfg. 88/2005 vom 21. November 2005, ABl BNetzA S. 1852) beruft, vermag dies nicht zu überzeugen. Wie vom Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt, hat dieses Konzept nicht die Qualität einer das Ermessen der Bundesnetzagentur für eine unbestimmte Vielzahl von Vergabefällen generell bindenden Ermessensrichtlinie, sondern es reagierte ausdrücklich nur auf die damals konkret entstandene Möglichkeit, die aus der militärischen Nutzung freigegebenen sog. E-GSM-Frequenzen zwischen 880 und 935 MHz für den digitalen zellularen Mobilfunk zur Verfügung zu stellen. Das GSM-Konzept regelte den Sonderfall einer Frequenzverlagerung durch Zuteilung dieser Frequenzen an die beiden E-Netzbetreiber Zug um Zug gegen die Rückgabe bisher von diesen genutzter Frequenzen aus dem 1,8-GHz-Band, deren Neuzuteilung ihrerseits einer späteren diskriminierungsfreien Vergabe vorbehalten wurde. Vor diesem Hintergrund trifft das Argument der Klägerin, das GSM-Konzept offenbare grundlegende Wertungen der Behörde im Zusammenhang mit der Zuteilung der für die Flächenversorgung geeigneten Frequenzen unterhalb von 1 GHz, nicht zu. Die Bundesnetzagentur ist in einem bestimmten historischen Einzelfall ausnahmsweise von dem bei Frequenzknappheit sonst gebotenen Vergabeverfahren abgewichen; daraus folgt unter keinem Gesichtspunkt, dass eine spätere Ermessensausübung, die dem gesetzlichen Regelfall folgt, ihrerseits besonders begründungsbedürftig wäre.

25

Auch der Hinweis der Klägerin auf die Richtlinie 2009/114/EG vom 16. September 2009 zur Änderung der Richtlinie 87/372/EWG führt nicht auf einen Ermessensfehler der Bundesnetzagentur. Mit der Änderungsrichtlinie wird eine Flexibilisierung der Nutzung des 900-MHz-Bandes zwischen 880 und 960 MHz bezweckt. Wie ihrem Art. 1 Abs. 1 sowie den Erwägungsgründen zu 2 bis 4 entnehmen ist, soll die Nutzung der genannten, gemeinschaftsweit zunächst technologiebezogen für die GSM-Nutzung zugewiesenen Frequenzen für andere terrestrische Systeme verfügbar gemacht werden; gemäß Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang zu untersuchen, ob aufgrund der bestehenden Zuteilung des 900-MHz-Bands Wettbewerbsverzerrungen wahrscheinlich sind, und diese durch geeignete und verhältnismäßige Maßnahmen zu beheben. Die Klägerin meint, dass die Bundesnetzagentur gemäß dem Normzweck dieser Bestimmung vorrangig eine unmittelbare Zuteilung der nunmehr verfügbaren 800-MHz-Frequenzen an die E-Netzbetreiber in Betracht zu ziehen hatte; dem ist das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung der Erwägungen der Bundesnetzagentur zu Recht nicht gefolgt. Die Behörde hat sich in ihrer zeitgleich mit der hier angefochtenen Allgemeinverfügung erlassenen Entscheidung vom 12. Oktober 2009 zur Flexibilisierung der Frequenznutzungsrechte für drahtlose Netzzugänge zum Angebot von Telekommunikationsdiensten (Vfg. 58/2009, ABl BNetzA S. 3575 <3603 ff.>) mit den Konsequenzen, die aus der geänderten GSM-Richtlinie sowohl für das 900-MHz-Band, in welchem ein etwa erforderlicher Ausgleich vorrangig stattzufinden hätte, als auch für die hier umstrittenen 800-MHz-Frequenzen zu ziehen sind, im Einzelnen auseinandergesetzt. Danach wurde im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung eine regulatorische Umverteilung des 900-MHz-Spektrums nicht für geboten erachtet, weil einerseits eine Wettbewerbsverzerrung im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie nicht vorliege, solange die D-Netzbetreiber ihre 900-MHz-Frequenzen weiterhin ausschließlich für GSM-Anwendungen nutzten, und andererseits nunmehr ein für die Flächenversorgung geeignetes Spektrum im Bereich von 800-MHz zur Verfügung stehe, zu dem (auch) die E-Netzbetreiber nach Maßgabe der Vergabebedingungen chancengleichen Zugang hätten. In Anbetracht des Umstandes, dass die Zweifel der Klägerin an der Geeignetheit der von der Bundesnetzagentur in die Vergabebedingungen aufgenommenen Bietrechtsbeschränkung die Vergabeanordnung als solche nicht in Frage stellen, waren bei dem - durch § 55 Abs. 9 TKG vorgeprägten - Erlass der Vergabeanordnung weitergehende Erwägungen nicht veranlasst.

26

c) Auch im Hinblick auf die Entscheidung der Bundesnetzagentur für die Durchführung eines Versteigerungsverfahrens (Teilentscheidung III) steht die Abweisung der Klage - selbst unter der Prämisse, dass die Vergabeanordnung rechtmäßig ist - nicht in vollem Umfang mit Bundesrecht in Einklang.

27

aa) Ein Vergabeverfahren kann gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 TKG als Versteigerungsverfahren oder als Ausschreibungsverfahren durchgeführt werden. Bei der danach vorzunehmenden Verfahrensbestimmung hat die Bundesnetzagentur zwar kein Ermessen, denn nach § 61 Abs. 2 Satz 1 TKG ist grundsätzlich das Versteigerungsverfahren durchzuführen, falls dieses Verfahren nicht ausnahmsweise ungeeignet zur Erreichung der Regulierungsziele ist. Im Hinblick auf diese Bewertung ist aber - auf der Tatbestandsseite der Norm - eine Einschätzungsprärogative der Bundesnetzagentur anzuerkennen. Sie rechtfertigt sich aus der Notwendigkeit, zur Bestimmung der Geeignetheit bzw. Ungeeignetheit des Versteigerungsverfahrens in eine komplexe Abwägung der Regulierungsziele einzutreten, was die Gewichtung und den Ausgleich gegenläufiger öffentlicher und privater Belange einschließt. Dementsprechend wird in Bezug auf § 61 Abs. 2 Satz 1 TKG ein Beurteilungsspielraum der Bundesnetzagentur im Schrifttum nahezu einhellig befürwortet (Kroke, in: Wilms/Masing/Jochum, TKG, § 61 Rn. 19; Jenny, in: Heun, HdbTKR, D Rn. 196; Spoerr, in: Trute/Spoerr/Bosch, TKG 2001, § 11 Rn. 16; Selmer, a.a.O. S. 1311; Koenig/Hasenkamp, K&R 2009, 696 <699>; vgl. auch Urteile vom 28. November 2007 - BVerwG 6 C 42.06 - BVerwGE 130, 39 Rn. 28 = Buchholz 442.066 § 132 TKG Nr. 1 und vom 2. April 2008 a.a.O. Rn. 47, jeweils zu § 21 Abs. 1 Satz 2 TKG).

28

Dieser Beurteilungsspielraum ist freilich zum einen dadurch eingeschränkt, dass § 61 Abs. 2 Satz 1 TKG ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Versteigerungsverfahrens vorgibt, also grundsätzlich von der Geeignetheit dieses Verfahrens zur Erreichung der Regulierungsziele ausgeht. Der Gesetzgeber unterstellt generalisierend, dass das erfolgreiche Gebot die Bereitschaft und die Fähigkeit belegt, die zuzuteilenden Frequenzen im marktwirtschaftlichen Wettbewerb optimal einzusetzen (BTDrucks 15/2316 S. 80). Eine gegenläufige Einschränkung ergibt sich aus § 61 Abs. 2 Satz 2 TKG. Dort heißt es mit Blick auf die ausnahmsweise fehlende Eignung des Versteigerungsverfahrens zur Sicherstellung der Regulierungsziele, dass dies - insbesondere - unter zwei alternativen Voraussetzungen der Fall sein kann, nämlich wenn entweder auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt, für den die Funkfrequenzen unter Beachtung des Frequenznutzungsplanes verwendet werden dürfen, bereits Frequenzen ohne vorherige Durchführung eines Versteigerungsverfahrens zugeteilt wurden oder ein Antragsteller für die zuzuteilenden Frequenzen eine gesetzlich begründete Präferenz geltend machen kann. Die beiden Fallbeispiele, die dadurch gekennzeichnet sind, dass das beispielhaft erläuterte Tatbestandsmerkmal - die Ungeeignetheit des Versteigerungsverfahrens - nicht (regelmäßig) vorliegt, sondern eben nur vorliegen "kann", sind weder abschließend noch zwingend (Jenny, a.a.O. Rn. 197). Die gesetzliche Regelung ist als ein qualifizierter Prüfauftrag in dem Sinne zu verstehen, dass die Bundesnetzagentur die Verfahrensart in den angesprochenen Fallkonstellationen mit Blick auf die Sicherstellung der Regulierungsziele einer detaillierten Eignungsprüfung zu unterziehen hat. Dabei führt das Vorliegen eines der beiden Regelbeispiele zwar nicht zu einer Umkehrung, wohl aber zu einer Aufhebung des in § 61 Abs. 2 Satz 1 TKG angelegten Regel-Ausnahme-Verhältnisses, so dass die Geeignetheit des Versteigerungsverfahrens in dieser Situation ohne gesetzliche Vorsteuerung anhand der Regulierungsziele zu beurteilen ist (so im Ergebnis auch Spoerr, a.a.O. Rn. 22 sowie Hahn/Hartl, in: Scheurle/Mayen, TKG, 2. Aufl. 2008, § 61 Rn. 11). Im vorliegenden Fall lässt sich aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht beurteilen, ob das Fallbeispiel des § 61 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 TKG vorliegt (1); von der Beantwortung dieser Frage hängt die Rechtmäßigkeit der von der Bundesnetzagentur getroffenen Entscheidung ab (2).

29

(1) Wie vom Verwaltungsgericht festgestellt und im Übrigen zwischen den Beteiligten nicht umstritten, wurden die zur Flächenversorgung besonders geeigneten Frequenzen aus dem 900-MHz-Bereich in der Vergangenheit ohne Versteigerungsverfahren zugeteilt: Die beiden D-Netzbetreiber haben ihr diesbezügliches Frequenzspektrum von jeweils 2 x 12,4 MHz (gepaart) Anfang der 1990er Jahre außerhalb einer Auktion erlangt. Auch die Frequenzausstattung der Klägerin und der anderen E-Netzbetreiberin im 900-MHz-Band von jeweils 2 x 5 MHz (gepaart) beruht nicht auf einer Versteigerung, sondern gemäß dem GSM-Konzept der Bundesnetzagentur auf den Frequenzverlagerungsbescheiden vom 3. Februar 2006. Demgegenüber hat sich die Bundesnetzagentur für ihre hier umstrittene Entscheidung zugunsten eines Versteigerungsverfahrens (auch) für die 800-MHz-Frequenzen, die den 900-MHz-Frequenzen in den Ausbreitungseigenschaften ähneln, auf den Schutzzweck des § 61 Abs. 2 Satz 2 TKG berufen, wettbewerbliche Benachteiligungen durch asymmetrische Marktzutrittsbedingungen zu verhindern: Auch unter Berücksichtigung bislang unterschiedlicher Marktzutrittsbedingungen seien symmetrische Bedingungen für den Frequenzzugang dann umso wichtiger, wenn Frequenzen für denselben sachlich und räumlich relevanten Markt gleichzeitig oder annähernd gleichzeitig vergeben würden (Allgemeinverfügung a.a.O. S. 3668).

30

Diese Argumentation ist insofern defizitär, als der sachlich und räumlich relevante Markt nicht hinreichend abgegrenzt worden ist. Der Begriff des relevanten Marktes in § 61 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 TKG entspricht dem Marktbegriff des § 10 Abs. 1 TKG und folgt dem sog. Bedarfsmarktkonzept (Jenny, a.a.O. Rn. 216; Kroke, a.a.O. Rn. 35; Koenig/Hasenkamp, a.a.O. S. 698). Während räumlich relevant das Gebiet ist, in dem die in Rede stehenden Produkte nachgefragt und vertrieben werden und die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind, kommt es für die Bestimmung des sachlich relevanten Marktes auf die funktionelle Austauschbarkeit der Produkte aus Nachfrager- und Anbietersicht an. Zu dem sachlich relevanten Markt gehören diejenigen Produkte, die wegen ihrer objektiven Merkmale, der Wettbewerbsbedingungen und der Struktur von Angebot und Nachfrage hinreichend austauschbar bzw. substituierbar sind; Produkte, die nur in geringem Maß oder nur relativ austauschbar sind, gehören regelmäßig nicht demselben Markt an (Urteile vom 2. April 2008 a.a.O. Rn. 26, vom 28. Januar 2009 - BVerwG 6 C 39.07 - Buchholz 442.066 § 10 TKG Nr. 3 Rn. 18; Beschluss vom 28. Januar 2010 - BVerwG 6 B 50.09 - Buchholz 442.066 § 135 TKG Nr. 1 Rn. 11; s. auch bereits Urteil vom 25. April 2001 - BVerwG 6 C 6.00 - BVerwGE 114, 160 <170 f.> = Buchholz 442.066 § 33 TKG Nr. 1 zu § 33 TKG 1996).

31

Die Vorgehensweise der Bundesnetzagentur genügt diesen Anforderungen nicht. Die Behörde hat den relevanten Markt, für den die zu vergebenden Frequenzen verwendet werden dürfen, in räumlicher Hinsicht als das Bundesgebiet und in sachlicher Hinsicht als den Markt für den drahtlosen Netzzugang zum Angebot von Telekommunikationsdiensten bestimmt (Nr. IV.2 der angefochtenen Allgemeinverfügung zu § 61 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 TKG). Zur Begründung der sachlichen Marktabgrenzung hat sie darauf verwiesen, der weit gefasste Markt entspreche den Widmungen der Frequenzbereiche im Frequenznutzungsplan; aufgrund der Flexibilisierung der Frequenznutzungsrechte bestehe die Möglichkeit, regulatorische Maßnahmen derart aufeinander abzustimmen, dass (sämtliche) Funkanwendungen zur flächendeckenden Versorgung mit schnellen Internetzugängen beitragen könnten (Allgemeinverfügung a.a.O. S. 3677). Damit hat die Behörde den Widmungsbereich der Frequenzen auf der Grundlage des Frequenznutzungsplans mit dem sachlich relevanten Markt gleichgesetzt, ohne das Nachfrager- und Anbieterverhalten empirisch zu ermitteln. Zwar kann die öffentlich-rechtliche Widmung der Frequenzen das Verhalten der Marktteilnehmer beeinflussen; dies ist jedoch auf der Grundlage des Bedarfsmarktkonzepts festzustellen (so die berechtigte Kritik von Koenig/Hasenkamp a.a.O.). Dass die Bundesnetzagentur die anerkannten Marktabgrenzungskriterien nicht hinreichend berücksichtigt hat, wird auch daran deutlich, dass sie an anderer Stelle, nämlich im Zusammenhang mit der Verfahrensverbindung, ausdrücklich klargestellt hat, dass es ihr "nicht auf die (...) Austauschbarkeit der 800-MHz-Frequenzen mit den weiteren zur Vergabe stehenden Frequenzen ankommt" (Allgemeinverfügung a.a.O. S. 3648), von denen sie sich nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts immerhin in ihren Ausbreitungseigenschaften wesentlich unterscheiden.

32

(2) Auf der Grundlage der noch vorzunehmenden Marktabgrenzung kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die von der Bundesnetzagentur vorgenommene Beurteilung der Geeignetheit des Versteigerungsverfahrens als unplausibel und damit wegen Überschreitung der Grenzen des Beurteilungsspielraums als rechtswidrig erweist. Abgesehen davon, dass die Behörde vom Regelvorrang des Versteigerungsverfahrens ausgegangen ist, der unter den Voraussetzungen des § 61 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 TKG entfiele, ist die gleichzeitige oder annähernd gleichzeitige Vergabe der Frequenzen auf "denselben sachlich und räumlich relevanten Markt" wesentlicher Bestandteil der Begründungserwägungen der Bundesnetzagentur (Allgemeinverfügung a.a.O. S. 3668). Die Entscheidungserheblichkeit der Marktabgrenzung entfällt auch nicht deshalb, weil jedenfalls als feststehend angenommen werden könnte, dass die seinerzeit zugeteilten, von der Klägerin vergleichsweise angeführten 900-MHz-Frequenzen einem heute nicht mehr bestehenden Markt (dem von der Beklagten sog. "GSM-Markt für Sprachtelefonie") zuzurechnen sind, dessen Identität mit dem heute bestehenden Markt oder den heute bestehenden Märkten für den drahtlosen Netzzugang zum Angebot von Telekommunikationsdiensten mit Gewissheit ausgeschlossen werden kann. Zwar dürfte unter dieser Prämisse gegen die am Schutzzweck des § 61 Abs. 2 Satz 2 TKG orientierte Argumentation der Bundesnetzagentur im Ergebnis nichts zu erinnern sein. Ob die Prämisse zutrifft, kann der Senat jedoch im Revisionsverfahren wegen der fehlenden tatsächlichen Feststellungen über die sachliche Marktabgrenzung nicht entscheiden. Die Feststellungen sind - nach Zurückverweisung der Sache - vom Verwaltungsgericht nachzuholen.

33

bb) Sollte sich die Beurteilung der Geeignetheit des Versteigerungsverfahrens durch die Bundesnetzagentur auch unter Berücksichtigung des ersten Fallbeispiels des § 61 Abs. 2 Satz 2 TKG im Ergebnis als zutreffend erweisen, greifen die weiteren Bedenken, die die Klägerin gegen die Geeignetheit des Versteigerungsverfahrens erhebt, nicht durch. Das zweite Fallbeispiel des § 61 Abs. 2 Satz 2 TKG (gesetzlich begründete Präferenz für die zuzuteilenden Frequenzen) liegt nicht vor; insbesondere lässt sich der Richtlinie 2009/114/EG vom 16. September 2009 nach den hierzu bereits oben angestellten Erwägungen eine derartige Präferenz nicht entnehmen. Wie schon vom Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, führt das Vorbringen der Klägerin im Hinblick auf die Regulierungsziele der Wahrung der Nutzer- und Verbraucherinteressen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG) und der Sicherung chancengleichen Wettbewerbs (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG) nicht auf einen Beurteilungsfehler der Bundesnetzagentur. Soweit die Behörde zur Erreichung der genannten Regulierungsziele auf die nähere Ausgestaltung der Vergabebedingungen und Auktionsregeln verwiesen hat (Allgemeinverfügung a.a.O. S. 3668), war sie daran auch in Anbetracht der dem § 61 TKG zu entnehmenden Verfahrensabstufung nicht gehindert, zumal ihr eine sachgerechte Zusammenfassung mehrerer Teilentscheidungen in einer Allgemeinverfügung unbenommen bleibt (Urteil des Senats vom 1. September 2009 a.a.O. Rn. 27). Im Übrigen stellen die Zweifel der Klägerin an der Rechtmäßigkeit einzelner Vergabebedingungen und Versteigerungsregeln nicht die gesetzlich vorgeprägte Entscheidung der Bundesnetzagentur für das Versteigerungsverfahren als solches in Frage.

34

d) Tragen nach alledem die vom Verwaltungsgericht bisher getroffenen Feststellungen seinen Ausspruch über die Abweisung der Klage hinsichtlich des Hauptantrages auch im Ergebnis nicht, kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Der Senat ist daran gehindert, seinen Ausspruch auf einzelne Frequenzbereiche zu beschränken. Denn nach dem Vorverständnis der Bundesnetzagentur, die die gemeinsame Vergabe aller in Rede stehenden Frequenzen unter regulatorischen Gesichtspunkten für geboten erachtet, kann die angefochtene Allgemeinverfügung im Falle ihrer teilweisen Rechtswidrigkeit nicht sinnvoller und rechtmäßiger Weise im Übrigen bestehen bleiben.

35

3. Im Hinblick auf die weiterhin anhängigen Hilfsanträge der Klägerin weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass gegen die klageabweisende Entscheidung des Verwaltungsgerichts insoweit von Bundesrechts wegen keine Bedenken bestehen.

36

a) Das Verwaltungsgericht hat die Rechtsgrundlage für die zwischen den Beteiligten umstrittene Regelung über die Beschränkung der Bietrechte (Nr. IV.3.2 und V.1.5 der angefochtenen Allgemeinverfügung) zu Recht in § 61 Abs. 5 Satz 1 TKG erblickt. Im Gegensatz zu den in § 61 Abs. 4 Satz 2 TKG näher bezeichneten Vergabebedingungen, zu denen zwar eine - hier nicht für erforderlich erachtete - Regelung über die Grundausstattung an Frequenzen zählen kann (§ 61 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3), nicht aber umgekehrt eine in einer Bietrechtsbeschränkung ausgedrückte Regelung über die Höchstausstattung, sind die Versteigerungsregeln in § 61 Abs. 5 Satz 1 TKG thematisch nicht näher umrissen. Das Gesetz legt lediglich allgemein fest, dass sie "objektiv, nachvollziehbar und diskriminierungsfrei sein und die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen berücksichtigen" müssen. Dies schließt auch eine Beschränkung der Bietrechte ein; sie kann bei ungleicher Marktmachtverteilung erforderlich sein, um das Regulierungsziel der Sicherstellung chancengleichen Wettbewerbs (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG) zu erreichen (Jenny, a.a.O. Rn. 221). Wie vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, erschließt sich dies mittelbar auch aus § 61 Abs. 3 Satz 1 TKG, wonach ein potentieller Bieter sogar ganz von der Teilnahme ausgeschlossen werden kann, wenn zu erwarten ist, dass dessen erfolgreiches Gebot den chancengleichen Wettbewerb auf dem betreffenden Markt gefährden würde. Der in der Bietrechtsbeschränkung liegende Teilausschluss lässt sich als "minus" zum vollständigen Ausschluss deuten (Koenig/ Hasenkamp, a.a.O. S. 700).

37

b) Bei der Aufstellung der Versteigerungsregeln, auch soweit sie sich auf eine Beschränkung der Bietrechte beziehen, steht der Bundesnetzagentur ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Ausgestaltungsspielraum zu. Das Gesetz sieht in § 61 Abs. 5 TKG davon ab, selbst die Versteigerungsregeln auszuformulieren, und begnügt sich, wie ausgeführt, mit allgemeinen Vorgaben für Regelungen, die im Einzelnen von der Bundesnetzagentur festzulegen sind. Die Versteigerungsregeln können daher innerhalb des gesetzlichen Rahmens unter Beachtung der Regulierungsziele (§ 52 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 TKG; s. auch Art. 7 Abs. 3 GRL i.V.m. Art. 8 RRL) unterschiedlich ausfallen, was eine komplexe Gesamtabwägung durch die Bundesnetzagentur erforderlich macht. In § 61 Abs. 5 Satz 1 TKG ist somit ein Ausgestaltungsspielraum - auf der Rechtsfolgenseite der Norm - zwingend angelegt (so auch Wegmann, in: BerlKommTKG, § 61 Rn. 35; Kroke, a.a.O. Rn. 44; Jenny, a.a.O. Rn. 245; Koenig/Hasenkamp, a.a.O. S. 700).

38

Die gerichtliche Kontrolle ist demgemäß darauf beschränkt, ob die Bundesnetzagentur - von der hier nicht problematischen Einhaltung der Verfahrensbestimmungen abgesehen - von einem richtigen Verständnis der gesetzlichen Begriffe ausgegangen ist, den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend in den Blick genommen hat und bei der eigentlichen Bewertung im Hinblick auf die in § 61 Abs. 5 Satz 1 TKG ausdrücklich hervorgehobenen Kriterien widerspruchsfrei und plausibel argumentiert und insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt hat.

39

c) An diesem Maßstab gemessen, hat das Verwaltungsgericht einen erheblichen Fehler bei der Ausgestaltung der umstrittenen Bietrechtsbeschränkung zu Recht nicht zu erkennen vermocht. Die Bewertungen der Bundesnetzagentur sind auf der Grundlage eines zutreffenden Rechtsverständnisses und eines vollständig berücksichtigten Sachverhaltes plausibel und willkürfrei.

40

Die "Marktasymmetrie" hinsichtlich der Frequenzausstattung der am Markt vorhandenen Mobilfunknetzbetreiber hat der Bundesnetzagentur ersichtlich ebenso vor Augen gestanden wie die Möglichkeit, dass angesichts eines insgesamt verfügbaren Spektrums an 800-MHz-Frequenzen von nur 2 x 30 MHz einer der E-Netzbetreiber leer ausgehen könnte. Sie hat sich aber aus sachgerechten und insgesamt vertretbaren Überlegungen gegen weitergehende Beschränkungen entschieden: Die Chance der D-Netzbetreiber, ihrerseits mindestens 2 x 10 MHz im 800-MHz-Band hinzuzuerwerben, sollte deshalb nicht weiter eingeschränkt werden, weil einerseits die normative Forderung nach breitbandigen Diensten zur Versorgung der Fläche (s. Nutzungsbestimmung 36 der Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung i.d.F. vom 14. Juli 2009, BGBl I S. 1809) die Bereitstellung ausreichend hoher und dadurch kostengünstig zu realisierender Kapazitäten gebiete, andererseits eine etwaige Zusammenlegung der bestehenden 900-MHz-Frequenzen der D-Netzbetreiber mit neu zu erwerbenden 800-MHz-Frequenzen technisch nicht gewährleistet sei (Allgemeinverfügung a.a.O. S. 3687 ff.). Die in diesem Zusammenhang von der Bundesnetzagentur getroffene und vom Verwaltungsgericht nachvollzogene tatsächliche Feststellung, dass die technische Option einer "Bandbreitenaggregation" im Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverfügung noch nicht zur Verfügung gestanden habe und auch nicht verlässlich prognostiziert werden könne, ist im Revisionsverfahren nicht substantiiert angegriffen worden.

41

Soweit die Klägerin einen Wertungswiderspruch darin erblicken will, dass die Bundesnetzagentur zwar eine Ausstattung von mindestens 2 x 10 MHz für technisch und wirtschaftlich sinnvoll erachtet, aber dennoch keine Grundausstattung gemäß § 61 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 TKG festgesetzt hat, ist auch dem nicht zu folgen. Bei der Grundausstattung durfte die Behörde vielmehr auf das wohlverstandene Eigeninteresse der Marktteilnehmer bauen und einer größtmöglichen Flexibilität im Hinblick auf die Vielzahl denkbarer Geschäftsmodelle den Vorrang geben (Allgemeinverfügung a.a.O. S. 3681 f.).

42

Den Einwand der Klägerin, dass die Spektrumskappe von 2 x 10 MHz der D-Netzbetreiber angesichts des anzurechnenden Frequenzbestandes von jeweils 2 x 12,4 MHz im 900-MHz-Band zu einer Aufrundung der Höchstausstattung führte, hat die Bundesnetzagentur berücksichtigt. Sie hat dies hingenommen, weil eine Abrundung zu einer faktischen Begrenzung der Bietrechte der D-Netzbetreiber auf nur 2 x 5 MHz geführt hätte, die aus den erwähnten technischen Gründen als mit dem Regulierungsziel der Förderung effizienter Infrastrukturinvestitionen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG) unvereinbar erachtet wurde (Allgemeinverfügung a.a.O. S. 3687 f.).

43

Schließlich hat sich die Bundesnetzagentur auch mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Spektrumskappe der D-Netzbetreiber bei jeweils 2 x 10 MHz davon abhängig gemacht werden sollte, dass Spektrum im Bereich von 900 MHz abgegeben wurde. Sie hat sich - auch aus Gründen des Vertrauensschutzes - dagegen entschieden, weil den Netzbetreibern eine Verlängerung ihrer GSM-Frequenznutzungsrechte bis 2016 eingeräumt worden sei, die unter einheitlichen Rahmenbedingungen eine effiziente Nutzung aller bestehenden 900-MHz-Frequenzen für GSM-Dienstleistungen weiterhin erwarten lasse (Allgemeinverfügung a.a.O. S. 3689 f.).

44

Diese Bewertungen sind jedenfalls vertretbar und lassen ein schlüssiges Handlungskonzept erkennen, das dem in § 52 Abs. 1 Satz 1 TKG besonders hervorgehobenen Gesichtspunkt der effizienten Frequenznutzung den Vorrang gegenüber kollidierenden anderen Belangen einräumt. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend bemerkt hat, kann die Klägerin nicht verlangen, dass der von ihr für notwendig erachtete vollständige Ausgleich der unterschiedlichen Frequenzausstattungen der Netzbetreiber sich von vornherein gegenüber allen anderen Belangen durchsetzen muss. Dass die Bundesnetzagentur die Gewichtung anders vorgenommen hat, macht das Ergebnis ihrer Abwägung nicht rechtswidrig.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen immissionsschutzrechtliche Genehmigungen des Beklagten für die Errichtung und den Betrieb von drei Windenergieanlagen der Beigeladenen in den Gemeinden M. und E..

2

Die Windenergieanlagen sollen in zielförmig festgelegten Vorranggebieten für Windenergie des Regionalen Raumordnungsplanes (RROP) der Planungsgemeinschaft der Region T. errichtet werden. Zwischen ca. 10,4 km und ca. 11,0 km östlich der Standorte der geplanten Windenergieanlagen betreibt der Deutsche Wetterdienst (DWD), eine teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts der Klägerin, die im Jahr 1998 errichtete Wetterradaranlage N..

3

Im Jahr 2012 erteilte der Beklagte der Beigeladenen zu 2 eine Genehmigung für eine Windenergieanlage mit einer Nabenhöhe von 135,40 m und einem Rotordurchmesser von 101 m. Im Jahre 2012 beantragte die Beigeladene zu 2 eine Genehmigung für die Änderung der Nabenhöhe auf 149 m. Diesem Antrag trat der DWD entgegen: Der Windenergieanlage könne nur bei Einhaltung von Höhenbeschränkungen zugestimmt werden. Unter Zurückweisung dieser Einwendung erteilte der Beklagte auch die beantragte Änderungsgenehmigung.

4

Die Beigeladene zu 1 beantragte im Jahr 2011 eine Genehmigung für zwei Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von jeweils 138,38 m sowie einem Rotordurchmesser von 82 m. Auch diese beiden Anlagen genehmigte der Beklagte unter Zurückweisung der Einwendungen des DWD.

5

Die Widersprüche der Klägerin gegen die Genehmigungsbescheide blieben erfolglos.

6

Im Klageverfahren hat das Verwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten eingeholt zu der Frage, ob die Wetterradaranlage des DWD durch die geplanten Windenergieanlagen gestört werde und ob diese Störwirkung nach dem derzeitigen Stand der Technik durch geeignete Maßnahmen ausgeschlossen werden könne. Auf dieser Grundlage hat es die Klagen als unbegründet abgewiesen.

7

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Diese sei als Rechtsträgerin des DWD zur klageweisen Geltendmachung einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Wetterradarstation befugt. Die Klage sei aber unbegründet. Ein Entgegenstehen des öffentlichen Belangs des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB scheide zwar nicht bereits nach § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB aus; denn es könne nicht festgestellt werden, dass die Frage einer Störung der Funktionsfähigkeit der Wetterradaranlage des DWD durch Windenergieanlagen im Verfahren zur Aufstellung der Teilfortschreibung des RROP umfassend abgewogen worden sei. Der Betrieb der Windenergieanlagen führe auch zu einer - allerdings nicht besonders gewichtigen - Störung im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB. Gestützt auf die Aussagen des gerichtlich bestellten Sachverständigen hat das Oberverwaltungsgericht aber die Überzeugung gewonnen, dass damit kein "Entgegenstehen" dieses öffentlichen Belangs verbunden sei. Ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum komme dem DWD insoweit nicht zu, und zwar weder in Bezug auf das Vorliegen einer Störung der Funktionsfähigkeit der Wetterradaranlage noch in Bezug auf die Frage des Entgegenstehens einer solchen Störung. Der Betrieb der Windenergieanlagen werde nicht zu Abschattungseffekten führen, denen im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung des DWD ein nennenswertes Gewicht zukommen könne. Auch sei nicht zu erkennen, dass es zu Fehlechos in einem Ausmaß kommen werde, das geeignet wäre, die Qualität der aus den erhobenen Daten generierten Warnprodukte nennenswert negativ zu beeinflussen.

8

Die Klägerin macht mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision eine fehlerhafte Auslegung von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 i.V.m. § 35 Abs. 1 BauGB sowie einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung, Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 GG i.V.m. § 4 DWD-Gesetz, geltend, weil das Oberverwaltungsgericht unberücksichtigt gelassen habe, dass dem DWD bei der Beurteilung der Auswirkungen der festgestellten Störung ein Beurteilungsspielraum bzw. ein Letztentscheidungsrecht zustehen müsse.

9

Der Beklagte und die Beigeladenen verteidigen das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Im Einklang mit Bundesrecht ist das Oberverwaltungsgericht mit der Folge der Zurückweisung der Berufung davon ausgegangen, dass die Klage zulässig, aber unbegründet ist.

11

1. Die Klage ist zulässig.

12

Die Klagebefugnis der Klägerin, die als Sachurteilsvoraussetzung auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (BVerwG, Urteile vom 11. September 2014 - 4 CN 3.14 - Buchholz 406.12 § 10 BauNVO Nr. 5 Rn. 10 und vom 5. Mai 2015 - 9 C 12.14 - Buchholz 424.02 § 57 LwAnpG Nr. 2 Rn. 12), ergibt sich aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB. Der in der Vorschrift normierte öffentliche Belang - die Funktionsfähigkeit von Radaranlagen - dient nicht ausschließlich den Interessen der Allgemeinheit, sondern auch dem Schutz individueller Rechte (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 2009 - 4 C 3.08 - BVerwGE 133, 347 Rn. 22 ). Die Norm entfaltet Drittschutz zugunsten der Betreiber von Radaranlagen, die sie als bestimmten und abgrenzbaren Kreis von Begünstigten erkennen lässt.

13

Auch das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage liegt vor. Denn mit behördlichen Mitteln hätte der Streit über die vom Beklagten genehmigten Windenergieanlagen nicht beigelegt werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. März 1996 - 7 C 35.95 - BVerwGE 101, 47 <50>). Die von der Beigeladenen zu 2 in der mündlichen Verhandlung angeführte Möglichkeit des Erlasses technischer Normen oder normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften, etwa über einzuhaltende Mindestabstände zwischen Wetterradaranlagen und Windenergieanlagen, ist bereits mit Blick auf den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage kein gangbarer Weg zur Beilegung des Rechtsstreits.

14

2. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die Klage unbegründet ist, hält einer revisionsgerichtlichen Prüfung stand. Nach seinen tatrichterlichen Feststellungen steht dem im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierten Vorhaben der Beigeladenen der öffentliche Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB nicht entgegen.

15

a) § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB ist auf Wetterradaranlagen anwendbar. Der Begriff der "Radaranlagen" ist allgemein gehalten. Weder dem historischen Gesetzgeberwillen noch der Systematik des Gesetzes lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, den Begriff auf Radaranlagen mit militärischen oder sonstigen spezifischen Zweckbestimmungen einzuschränken (wohl a.A. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2016, § 35 Rn. 110a).

16

b) Das Oberverwaltungsgericht hat das Vorliegen einer Störung im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB bejaht. Entgegen der Kritik der Klägerin liegt dieser Entscheidung ein zutreffendes Begriffsverständnis zugrunde.

17

Das Oberverwaltungsgericht hat eine rechtserhebliche Störung der Funktionsfähigkeit im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB angenommen, wenn die Erzielung der (im Hinblick auf die Aufgabenstellung des DWD) erwünschten Ergebnisse verhindert, verschlechtert, verzögert oder spürbar erschwert wird (ebenso VGH München, Urteil vom 18. September 2015 - 22 B 14.1263 - BauR 2016, 243 LS 2 und S. 246 f.). Bundesrechtlich ist hiergegen nichts zu erinnern. Namentlich führt nicht bereits jede Beeinflussung der erhobenen Basisdaten zu einer Störung.

18

Für die in § 18a Abs. 1 LuftVG tatbestandlich vorausgesetzte Störung von Flugsicherungseinrichtungen hat der Senat (BVerwG, Urteil vom 7. April 2016 - 4 C 1.15 - NVwZ 2016, 1247 Rn. 13) entschieden, dass nicht jede beliebige Beeinflussung der Einrichtung als Störung zu qualifizieren ist. Eine Störung tritt erst ein, wenn die Beeinflussungen eine bestimmte Schwelle überschreiten und dadurch die Funktion der Anlage beeinträchtigen. Die Funktionsbeeinträchtigung ist mit Blick auf die Aufgabenstellung der Flugsicherung in § 27c Abs. 1 LuftVG zu bestimmen. Eine Störung ist danach gegeben, wenn die Funktion bauwerksbedingt in einem Maß beeinträchtigt wird, das sich auf die Aufgabenerfüllung auswirkt.

19

Diese Überlegungen lassen sich auf § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB übertragen. Das legt bereits der Wortlaut der Vorschrift nahe, der eine Störung der "Funktionsfähigkeit der Radaranlage" voraussetzt. Der Funktionsbegriff wäre zu eng gefasst, wollte man darunter lediglich die technische Funktion der Anlage - die Erfassung von Radarbasisdaten - und nicht auch die Funktion der Anlage für die Erledigung der Aufgaben des jeweiligen Betreibers verstehen. Dies bestätigt die Systematik des Gesetzes. Durch § 35 Abs. 3 BauGB soll die Außenbereichsverträglichkeit von Vorhaben am jeweiligen Standort sichergestellt werden. Unter den Begriff der "öffentlichen Belange" fallen deshalb alle Gesichtspunkte, die für das Bauen im Außenbereich rechtserheblich sein können (siehe etwa Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 35 Rn. 72). Rechtserheblich sind aber nur die hinter den in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft aufgeführten Belangen stehenden öffentlichen Zwecke.

20

Aus der von der Klägerin auch in diesem Zusammenhang angeführten Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drs. 15/2250 S. 55) ergibt sich nichts Gegenteiliges.

21

c) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Vorliegen einer Störung der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum steht dem DWD insoweit nicht zu.

22

aa) Die Voraussetzungen, unter denen Beurteilungsspielräume oder Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung ausnahmsweise anzuerkennen sind, sind in der Rechtsprechung geklärt.

23

Das auf effektiven Rechtsschutz gerichtete Verfahrensgrundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verpflichtet die Gerichte, die Verwaltungstätigkeit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich vollständig nachzuprüfen. Das schließt eine Bindung der rechtsprechenden Gewalt an tatsächliche oder rechtliche Feststellungen und Wertungen seitens anderer Gewalten hinsichtlich dessen, was im Einzelfall rechtens ist, im Grundsatz aus (BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 <49> und vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <20>). Das gilt auch im Anwendungsbereich unbestimmter Gesetzestatbestände und Rechtsbegriffe. Beruht die angefochtene Entscheidung hierauf, so ist deren Konkretisierung grundsätzlich ebenfalls Sache der Gerichte, die die Rechtsanwendung der Verwaltungsbehörden uneingeschränkt nachzuprüfen haben; die Regeln über die eingeschränkte Kontrolle des Verwaltungsermessens gelten nicht für die Auslegung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - a.a.O. S. 20 f. m.w.N.).

24

Das Gebot effektiven Rechtsschutzes schließt es indes nicht aus, dass gesetzlich eröffnete Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume sowie die Tatbestandswirkung von Exekutivakten die Rechtskontrolle durch die Gerichte einschränken. Gerichtliche Kontrolle endet dort, wo das materielle Recht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise das Entscheidungsverhalten nicht vollständig determiniert und der Verwaltung einen Einschätzungs- und Auswahlspielraum belässt. Ob dies der Fall ist, muss sich ausdrücklich aus dem Gesetz ergeben oder durch Auslegung hinreichend deutlich zu ermitteln sein. Demgegenüber kann es weder der Verwaltung noch den Gerichten überlassen werden, ohne gesetzliche Grundlage durch die Annahme behördlicher Letztentscheidungsrechte die Grenzen zwischen Gesetzesbindung und grundsätzlich umfassender Rechtskontrolle der Verwaltung zu verschieben (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - a.a.O. S. 22). Offengelassen hat das Bundesverfassungsgericht die Frage, ob gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbare Entscheidungsspielräume der Verwaltung ausnahmsweise auch ohne gesetzliche Grundlage von Verfassungs wegen dann zulässig sind, wenn eine weitergehende gerichtliche Kontrolle zweifelsfrei an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stieße.

25

bb) Gemessen hieran steht dem DWD im Rahmen der Anwendung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 i.V.m. § 35 Abs. 1 BauGB ein Beurteilungsspielraum oder eine fachliche Letztentscheidungsbefugnis nicht zu.

26

(1) Dem Gesetz lässt sich ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum des DWD nicht entnehmen.

27

Die Annahme eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums liegt schon deshalb fern, weil nicht der DWD, sondern die jeweilige Genehmigungsbehörde über die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Außenbereichsvorhabens entscheidet. Dem DWD steht insoweit - anders als dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung nach § 18a Abs. 1 Satz 2 LuftVG - weder eine Entscheidungsbefugnis zu noch hat die Stellungnahme des DWD im behördlichen Genehmigungsverfahren einen gesetzlich geregelten verfahrensrechtlichen Stellenwert, wie ihn § 18a Abs. 1 Satz 2 LuftVG der gutachtlichen Stellungnahme der Flugsicherungsorganisation zuerkennt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 7. April 2016 - 4 C 1.15 - NVwZ 2016, 1247 Rn. 24).

28

Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gesetz über den Deutschen Wetterdienst (DWD-Gesetz) vom 10. September 1998 (BGBl. I S. 2871). Ein Beurteilungsspielraum des DWD lässt sich den Aufgabenzuweisungen in § 4 DWD-Gesetz oder den Befugnissen des DWD nach § 5 DWD-Gesetz weder ausdrücklich noch im Wege der Auslegung entnehmen. Ein dahingehender gesetzgeberischer Wille erscheint auch unter chronologischen Gesichtspunkten ausgeschlossen. Denn das Gesetz über den Deutschen Wetterdienst trat bereits am 1. Januar 1999 in Kraft, wohingegen der öffentliche Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB erst mit dem Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau - EAG Bau) vom 24. Juni 2004 (BGBl. I S. 1359) in das Baugesetzbuch aufgenommen wurde. Bei Erlass des DWD-Gesetzes hatte der Gesetzgeber mithin keine Veranlassung, sich über einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum des DWD bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB Gedanken zu machen.

29

An dieser Situation hat sich durch das EAG Bau nichts geändert. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum EAG Bau sollte zwar mit der Erweiterung des Katalogs der öffentlichen Belange in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB "verdeutlicht" werden, dass "namentlich die Errichtung von Windenergieanlagen im Außenbereich nur zulässig ist, wenn das Vorhaben die Funktionsfähigkeit von Telekommunikations- und Radaranlagen nicht stört" (BT-Drs. 15/2250 S. 55). Der Gesetzgeber hat aber den öffentlichen Belang der Funktionsfähigkeit von Radaranlagen dem Entscheidungssystem der "nachvollziehenden Abwägung" und damit den durch die Rechtsprechung entwickelten Maßstäben unterstellt, die von der Genehmigungsbehörde grundsätzlich eine auf den Einzelfall ausgerichtete Gewichtsbestimmung verlangen, die gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar ist (BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2001 - 4 C 4.00 - BVerwGE 115, 17 <24>).

30

(2) Ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Einschätzungsspielraum des DWD rechtfertigt sich auch nicht aus den Funktionsgrenzen gerichtlicher Kontrolle.

31

(a) Auf die Fallgruppe der Risikoermittlung und -bewertung kann sich die Klägerin insoweit nicht mit Erfolg berufen.

32

Der Normstruktur des Atomgesetzes hat das Bundesverwaltungsgericht entnommen (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1985 - 7 C 65.82 - BVerwGE 72, 300 <315 f.>), dass die Exekutive die Verantwortung für die Risikoermittlung und -bewertung trägt und dass es nicht Sache der nachträglichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle sein kann, die der Exekutive zugewiesene Wertung wissenschaftlicher Streitfragen einschließlich der daraus folgenden Risikoabschätzung durch eigene Bewertungen zu ersetzen. Im Rahmen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB relevant ist indes allein die Beurteilung, welche Daten für die Aufgabenerledigung des DWD erforderlich sind und in welchem Maße und in welcher Weise windenergieanlagenbedingte technische Datenverluste oder -verfälschungen sich auf die Erfüllung dieser Aufgaben auswirken. Die Fragen lassen sich auf der Grundlage von Erfahrungswissen beurteilen, das mittelbar und einer fachwissenschaftlichen Überprüfung zugänglich ist. Mit Prognoseunsicherheiten oder Risikoermittlung hat dies wenig zu tun. Zu Recht hat sich das Oberverwaltungsgericht deshalb auf den Standpunkt gestellt, dass die besondere fachliche Expertise der Mitarbeiter des DWD deren Aussagen im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur in tatsächlicher Hinsicht ein besonderes Gewicht verleiht, diese nicht aber in rechtlicher Hinsicht binden.

33

Der Vorwurf der Klägerin, das Oberverwaltungsgericht habe dem besonderen Gewicht der fachlichen Aussagen des DWD im Rahmen der Sachverhaltsermittlung und -bewertung keinerlei Bedeutung beigemessen, ist unberechtigt. Dass sich die Klägerin mit ihrer Auffassung nicht durchsetzen konnte, ist eine tatrichterliche Würdigung, die der revisionsgerichtlichen Kontrolle nach § 137 Abs. 2 VwGO entzogen ist.

34

(b) Funktionsgrenzen gerichtlicher Kontrolle spielen auch in Anlehnung an die Rechtsfigur der naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative keine Rolle.

35

Grund für die Zuerkennung einer Einschätzungsprärogative ist der Umstand, dass es im Bereich des Naturschutzes regelmäßig um fachliche Bewertungen und Einschätzungen geht, für die normkonkretisierende Maßstäbe fehlen. Die Rechtsanwendung ist daher auf die Erkenntnisse der Fachwissenschaft und -praxis angewiesen, die sich aber nicht (immer) als eindeutige Erkenntnisgeber erweisen (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 4 C 1.12 - BVerwGE 147, 118 Rn. 15). In dieser Situation wären die Funktionsgrenzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit überschritten, wollte man ihr abverlangen, zwischen vertretbaren fachwissenschaftlichen Positionen zu entscheiden. Es ist weder Aufgabe der Verwaltungsgerichte, wissenschaftliche Streitfragen zu entscheiden, noch, eine solche Entscheidung durch die Erteilung von Forschungsaufträgen zu ermöglichen oder zu fördern (BVerwG, Urteil vom 7. April 2016 - 4 C 1.15 - NVwZ 2016, 1247 Rn. 24).

36

Von einer Situation wissenschaftlicher Unsicherheit ist das Oberverwaltungsgericht nicht ausgegangen. Eine ungesicherte fachwissenschaftliche Erkenntnislage hat es weder hinsichtlich der windenergieanlagenbedingten technischen Beeinflussung der Wetterradaranlage noch hinsichtlich der maßgeblichen Abläufe bei der Erstellung der Warnprodukte des DWD angenommen. Mit Verfahrensrügen sind diese tatrichterlichen Feststellungen nicht angegriffen; der Senat hat sie deshalb seiner Entscheidung als bindend zugrunde zu legen (§ 137 Abs. 2 VwGO).

37

d) Bundesrechtlich unbedenklich ist schließlich die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass mit der vorhabenbedingten Störung der Funktionsfähigkeit der Wetterradaranlage kein "Entgegenstehen" des öffentlichen Belangs nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB verbunden ist. Aus den vorgenannten Gründen steht dem DWD auch insoweit kein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.

38

Um feststellen zu können, ob der in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB genannte öffentliche Belang einem privilegierten Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB "entgegensteht", bedarf es nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich einer die gesetzlichen Vorgaben und Wertungen konkretisierenden "nachvollziehenden Abwägung" (grundlegend BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1967 - 4 C 86.66 - BVerwGE 28, 148 <151>; zu Ausnahmen vom Grundsatz BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 4 C 1.12 - BVerwGE 147, 118 Rn. 5; zum Begriff BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2001 - 4 C 4.00 - BVerwGE 115, 17 <24 f.>). Damit ist ein gerichtlich uneingeschränkt überprüfbarer Vorgang der Rechtsanwendung gemeint, der eine auf den Einzelfall ausgerichtete Gewichtsbestimmung verlangt: Ob sich die öffentlichen Belange im Einzelfall durchsetzen, ist eine Frage ihres jeweiligen Gewichts und der Abwägung mit dem Vorhaben, zu dem es konkret in Beziehung zu setzen ist. Dabei ist dem gesteigerten Durchsetzungsvermögen privilegierter Außenbereichsvorhaben gebührend Rechnung zu tragen.

39

In dieser Weise ist das Oberverwaltungsgericht vorgegangen. Die dagegen erhobenen Rügen der Klägerin bleiben erfolglos.

40

aa) Die Klägerin meint, das Oberverwaltungsgericht habe das besondere Gewicht der dem DWD gesetzlich zugewiesenen Aufgaben verkannt und deshalb missachtet, dass bereits eine mit Fehlwarnungen verbundene abstrakte Gefährdung für ein Entgegenstehen ausreiche. Diese Sichtweise geht fehl.

41

Ihr liegt ein Normverständnis zugrunde, das der Senat (BVerwG, Urteil vom 7. April 2016 - 4 C 1.15 - NVwZ 2016, 1247 Rn. 23) in Bezug auf § 18a Abs. 1 LuftVG als zutreffend erachtet hat. Die Vorschrift lässt es für ein Bauverbot ausreichen, dass Flugsicherungseinrichtungen bauwerksbedingt "gestört werden können". Sie verlangt bereits nach dem Wortlaut nicht die Gewissheit einer Störung; vielmehr reicht deren Möglichkeit. Eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit von Radaranlagen im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB führt dagegen weder ipso iure zu einem Bauverbot noch reicht eine - wie die Klägerin meint - abstrakte Gefährdung oder die bloße Möglichkeit einer Störung für die Unzulässigkeit des Vorhabens aus. Auch die im Gefahrenabwehrrecht gebräuchliche "Je-desto-Formel", die die Klägerin für einschlägig hält, führt nicht weiter. Für die Rechtsfolge des "Entgegenstehens" kommt es vielmehr darauf an, in welchem Maße die Aufgabenerfüllung des Trägers der Radaranlage konkret beeinträchtigt wird, mithin also auf das konkrete Gewicht des tatsächlich beeinträchtigten öffentlichen Belangs.

42

bb) Die nachvollziehende Abwägung des Oberverwaltungsgerichts ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil - wie die Klägerin meint - zugunsten der vom DWD vertretenen öffentlichen Belange hätte berücksichtigt werden müssen, dass der DWD bei der Standortwahl in einem weit höheren Maße eingeschränkt sei als die Beigeladenen hinsichtlich der Realisierung neuer Windenergieanlagen.

43

Dieser Einschätzung ist das Oberverwaltungsgericht mit nachvollziehbaren Gründen entgegengetreten. Es hat ihr entgegengehalten, im Rahmen der nachvollziehenden Abwägung könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass alle drei Windenergieanlagen in regionalplanerisch festgelegten Vorranggebieten für die Windenergie verwirklicht werden sollen, die für Windenergie gut geeignet seien, und dass wegen der Ausschlusswirkung der Konzentrationsflächenplanung nur eingeschränkte Ausweichmöglichkeiten für die Vorhabenträger existierten.

44

Dem Oberverwaltungsgericht ging es bei der Bezugnahme auf das regionalplanerische Vorranggebiet mit der Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erkennbar allein darum, gegen die von der Klägerin behauptete Ortsgebundenheit der Wetterradaranlage auch Gründe für die Ortsgebundenheit der Windenergieanlagen anzuführen. Eine von der Klägerin beanstandete unzulässige "Kompensation" öffentlicher Belange lag ersichtlich nicht in seiner Absicht.

45

cc) Unberechtigt ist schließlich die Kritik der Klägerin, das Oberverwaltungsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Wetterradaranlage des DWD schon vorhanden sei, während die Beigeladenen ihre Windenergieanlagen erst errichten wollten. Diesen Umstand hat das Oberverwaltungsgericht vielmehr ausdrücklich in seine Erwägungen eingestellt.

46

dd) Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht maßgeblich auf das Gewicht der konkreten Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit der Wetterradaranlage durch den Betrieb der genehmigten Windenergieanlagen abgestellt. Dabei ist es auf der Grundlage der Äußerungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen zu der Überzeugung gelangt, dass keine hinreichend gewichtige Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung des DWD und damit keine überwiegende Betroffenheit des von der Klägerin geltend gemachten öffentlichen Belangs aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB zu besorgen seien.

47

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Tatbestand

1

Der Kläger beansprucht die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe als Studienrat und Schadensersatz wegen rechtsfehlerhafter Ablehnung seiner Bewerbung.

2

Der 1965 geborene Kläger ist seit 2006 als angestellter Berufsschullehrer in Niedersachsen tätig. Er ist an Multipler Sklerose erkrankt und hat einen Bandscheibenvorfall erlitten. Unter Berufung darauf lehnte die Beklagte seine Verbeamtung wegen fehlender gesundheitlicher Eignung ab. Der Kläger sei zwar gegenwärtig beschwerde- und symptomfrei. Es bestehe aber eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass er vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze dienstunfähig werde. Nach der Ablehnung ist ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt worden.

3

Auf die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende erstinstanzliche Urteil hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, über den Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe erneut zu entscheiden. Es hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, soweit das Verwaltungsgericht die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Verbeamtung und auf Schadensersatz wegen der Ablehnung der Bewerbung abgewiesen hat. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:

4

Die Beklagte habe ihren Beurteilungsspielraum für die gesundheitliche Eignung rechtsfehlerhaft ausgeübt. Die Eignung eines behinderten Beamtenbewerbers sei bereits dann anzunehmen, wenn sich nach der prognostischen Einschätzung des Dienstherrn eine dauernde vorzeitige Dienstunfähigkeit des Bewerbers mit einem überwiegenden Grad an Wahrscheinlichkeit ausschließen lasse. Der allgemeine Prognosemaßstab sei hier wegen der Behinderung abgesenkt. Die amtsärztlichen Stellungnahmen reichten nach ihrem Inhalt nicht aus, um eine derartige Prognose treffen zu können. Daher müsse die Beklagte auf verbesserter medizinischer Tatsachengrundlage erneut über den Übernahmeantrag des Klägers entscheiden. Ein Schadensersatzanspruch scheitere jedenfalls am fehlenden Verschulden. Der Beklagten könne kein Vorwurf gemacht werden, dass sie die Bewerbung auf der Grundlage des allgemeinen Prognosemaßstabs abgelehnt habe. Die Behinderung des Klägers sei erst im Nachhinein anerkannt worden.

5

Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er beantragt,

die Urteile des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. Januar 2011 und des Verwaltungsgerichts Hannover vom 27. Mai 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger in das Beamtenverhältnis auf Probe als Studienrat zu übernehmen, hilfsweise über den Antrag auf Übernahme unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden sowie die Beklagte zu verpflichten, den Kläger besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, als sei er am 1. März 2008, hilfsweise zu einem späteren Zeitpunkt, in das Beamtenverhältnis auf Probe als Studienrat übernommen worden.

6

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich an dem Verfahren und unterstützt die Rechtsauffassung der Beklagten.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers hat mit der Maßgabe der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht Erfolg (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO), soweit das Oberverwaltungsgericht seine Berufung gegen die Abweisung seines vorrangigen Klagebegehrens, die Beklagte zur Verbeamtung zu verpflichten, zurückgewiesen hat. Insoweit verstößt das Berufungsurteil gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

9

Die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung des Klägers sei gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbar, ist mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 des Beamtenstatusgesetzes vom 17. Juni 2008 - BeamtStG - nicht vereinbar. Auch ist diese Beurteilung anhand eines anderen als dem vom Oberverwaltungsgericht angewandten Prognosemaßstabs vorzunehmen. Erweist sich der Kläger als gesundheitlich geeignet, steht ihm ein Anspruch auf Verbeamtung zu, wenn er der fachlich am besten geeignete Bewerber für eine freie Stelle als Studienrat ist. Hierfür muss der insoweit bestehende Beurteilungsspielraum der für die Bewerberauswahl zuständigen Stelle auf Null reduziert sein. In Bezug auf die Schadensersatzklage hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu Recht zurückgewiesen.

10

1. Nach Art. 33 Abs. 2 GG und nach § 9 BeamtStG, der nach § 1 dieses Gesetzes für das Statusrecht der Landesbeamten unmittelbar gilt, sind Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. Geeignet in diesem Sinne ist nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist (BVerfG, Beschluss vom 21. Februar 1995 - 1 BvR 1397/93 - BVerfGE 92, 140 <151>). Bei der von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten Eignungsbeurteilung hat der Dienstherr daher immer auch eine Entscheidung darüber zu treffen, ob der Bewerber den Anforderungen des jeweiligen Amtes in gesundheitlicher Hinsicht entspricht (BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Dezember 2008 - 2 BvR 2571/07 - BVerfGK 14, 492 <496> = juris Rn. 11). Ist nach der körperlichen oder psychischen Konstitution eines Bewerbers die gesundheitliche Eignung nicht gegeben, kann er unabhängig von seiner fachlichen Eignung nicht verbeamtet werden. Er kann nicht in den Leistungsvergleich der Bewerber um die zur Vergabe stehenden Ämter einbezogen werden.

11

Zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung müssen die körperlichen und psychischen Veranlagungen des Bewerbers festgestellt und deren Auswirkungen auf sein Leistungsvermögen bestimmt werden. Diese Beurteilungsvorgänge erfordern in aller Regel besondere medizinische Sachkunde, über die nur ein Arzt verfügt. Dementsprechend sieht § 9 Abs. 2 i.V.m. § 45 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Beamtengesetzes vom 25. März 2009 - NBG - (Nds. GVBl S. 72) in der Fassung des Gesetzes vom 12. Dezember 2012 (Nds. GVBl S. 591) vor, dass die gesundheitliche Eignung aufgrund einer Untersuchung durch einen Amtsarzt oder einen beamteten Arzt festzustellen ist. Dieser muss gegebenenfalls einen Facharzt hinzuziehen. Die Notwendigkeit, einen Arzt hinzuzuziehen, bedeutet aber nicht, dass diesem die Entscheidungsverantwortung für das gesundheitliche Eignungsurteil übertragen werden darf. Vielmehr wird der Arzt als Sachverständiger tätig, auf dessen Hilfe der Dienstherr angewiesen ist, um die notwendigen Feststellungen treffen zu können. Der Dienstherr muss die ärztlichen Befunde und Schlussfolgerungen nachvollziehen und sich auf ihrer Grundlage ein eigenes Urteil bilden (Urteil vom 21. Juni 2007 - BVerwG 2 A 6.06 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 35 Rn. 22 f.).

12

Es obliegt dem Dienstherrn, die körperlichen Anforderungen der jeweiligen Laufbahn zu bestimmen. Hierbei steht ihm ein weiter Einschätzungsspielraum zu, bei dessen Wahrnehmung er sich am typischen Aufgabenbereich der Ämter der Laufbahn zu orientieren hat. Diese Vorgaben bilden den Maßstab, an dem die individuelle körperliche Leistungsfähigkeit der Bewerber zu messen ist (Urteil vom 21. Juni 2007 a.a.O.). Auf dieser Grundlage muss festgestellt werden, ob ein Bewerber, dessen Leistungsfähigkeit - etwa aufgrund eines chronischen Leidens - gemindert ist, den Anforderungen gewachsen ist, die die Ämter einer Laufbahn für die Dienstausübung stellen.

13

Die Beurteilung der Eignung eines Bewerbers für das von ihm angestrebte öffentliche Amt bezieht sich nicht nur auf den gegenwärtigen Stand, sondern auch auf die künftige Amtstätigkeit und enthält eine Prognose, die eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Bewerbers verlangt (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <296>). Die gesundheitliche Eignung eines im Zeitpunkt der Einstellungsuntersuchung dienstfähigen Beamtenbewerbers kann daher im Hinblick auf die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe oder eine chronische Erkrankung mit progredientem Verlauf verneint werden.

14

Die Prognose erfasst den Zeitraum bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze. Es kommt darauf an, ob der Beamtenbewerber voraussichtlich bis zu diesem Zeitpunkt Dienst leisten wird oder wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden muss.

15

Dieser Prognosezeitraum folgt aus den in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten hergebrachten Grundsätzen des Lebenszeit- und des Alimentationsprinzips. Diese Grundsätze verpflichten den Dienstherrn zur lebenslangen Versorgung der Ruhestandsbeamten. Daher verleihen sie dem Interesse des Dienstherrn an einem ausgewogenen zeitlichen Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit der Beamten einen verfassungsrechtlichen Stellenwert. Durch die Festlegung der Höchstaltersgrenze für die Verbeamtung und der Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand bringen Gesetz- und Verordnungsgeber zum Ausdruck, welche Lebensdienstzeit angemessen ist, um die Altersversorgung zu erdienen. Tritt der Beamte vor Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand, ist das Gleichgewicht zwischen Dienstzeit und Ruhestand verschoben, weil dem Dienstherrn die Arbeitskraft des Beamten zu früh verloren geht (Urteil vom 23. Februar 2012 - BVerwG 2 C 76.10 - BVerwGE 142, 59 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 54 jeweils Rn. 16 f.).

16

Der Ausschluss des Zugangs zum Beamtenverhältnis aus gesundheitlichen Gründen ungeachtet der fachlichen Eignung stellt eine Einschränkung der durch Art. 33 Abs. 2 GG geschützten Zugangsmöglichkeit dar, die einer subjektiven Berufswahlschranke im Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG entspricht (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 3 C 26.11 - NJW 2013, 1320 Rn. 15). Aufgrund dieser grundrechtlichen Bedeutung des Ausschlusses und des überaus langen, sich über Jahrzehnte erstreckenden Prognosezeitraums hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest, wonach der Eintritt der Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein muss (vgl. Urteile vom 17. Mai 1962 - BVerwG 2 C 87.59 - Buchholz 232 § 31 BBG Nr. 6; vom 25. Februar 1993 - BVerwG 2 C 27.90 - BVerwGE 92, 147 <149> und vom 18. Juli 2001 - BVerwG 2 A 5.00 - Buchholz 232 § 31 BBG Nr. 60 S. 2). Solange der Gesetzgeber keinen kürzeren Prognosezeitraum bestimmt, kann der Dienstherr die gesundheitliche Eignung aktuell dienstfähiger Bewerber nur verneinen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintreten wird.

17

Der bisherige Maßstab ist geeignet, Bewerber schon deshalb von dem Zugang zum Beamtenverhältnis auszuschließen, weil ihr gesundheitlicher Zustand vom Regelzustand abweicht. Dies gilt auch dann, wenn die Leistungsfähigkeit der Bewerber aktuell und auf absehbare Zeit nicht beeinträchtigt ist. Die negative Eignungsprognose ist in diesen Fällen bislang mit Typisierungen und statistischen Wahrscheinlichkeiten begründet worden, die weder einem Gegenbeweis noch einer nachträglichen Korrektur zugänglich sind (vgl. hierzu Höfling/Stockter, ZBR 2008, 17).

18

Dies belegt der Fall des derzeit uneingeschränkt leistungsfähigen Klägers: Die Einschätzung, er werde vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze dienstunfähig, beruht ausschließlich auf der Annahme, dass eine bestimmte Personengruppe - hier die Multiple-Sklerose-Erkrankten - in ihrer Gesamtheit ein erhöhtes Risiko vorzeitiger Dienstunfähigkeit aufweist.

19

Angesichts des sich über Jahrzehnte erstreckenden Prognosezeitraums und der Komplexität der medizinischen Prognosen sind Entscheidungen über die gesundheitliche Eignung eines Beamtenbewerbers mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Einschätzung der gesundheitlichen Entwicklung, sondern auch im Hinblick auf den medizinischen Fortschritt. Künftige Präventions- oder Heilmethoden können heute noch nicht einbezogen werden. Vielfach ist auch die Wechselwirkung und damit Ursächlichkeit einzelner Faktoren für das Risiko schwerwiegender Symptombildungen noch nicht sicher erforscht. Belastbare Studien zur korrelationsstatistischen Beziehung einzelner Risikofaktoren zur Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit liegen nur sehr eingeschränkt vor.

20

Schließlich kann nach gegenwärtigem Erkenntnisstand auch nicht davon ausgegangen werden, dass die vorzeitige Dienstunfähigkeit in nennenswertem Umfang auf Krankheiten zurückzuführen ist, die man zum Zeitpunkt der Einstellungsentscheidung hätte vorhersagen können (Nationaler Ethikrat, Prädiktive Gesundheitsinformationen bei Einstellungsuntersuchungen: Stellungnahme, 2005, S. 59). Regelmäßig geht die vorzeitige Dienstunfähigkeit daher auf erst nachträglich eintretende Umstände zurück.

21

Eine entsprechende Prognosebeurteilung setzt eine hinreichende Tatsachenbasis voraus. Die gegenwärtig vorhandene gesundheitliche Eignung kann wegen künftiger Entwicklungen nur verneint werden, wenn durch tatsächliche Anhaltspunkte belegt werden kann, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen ist.

22

Daher muss in aller Regel ein Mediziner eine fundierte medizinische Tatsachenbasis für die Prognose auf der Grundlage allgemeiner medizinischer Erkenntnisse und der gesundheitlichen Verfassung des Bewerbers erstellen. Er muss das Ausmaß der Einschränkungen feststellen und deren voraussichtliche Bedeutung für die Leistungsfähigkeit und für die Erfüllung der beruflichen Anforderungen medizinisch fundiert einschätzen. Dabei hat er verfügbare Erkenntnisse über den voraussichtlichen Verlauf chronischer Krankheiten auszuwerten und in Bezug zum gesundheitlichen Zustand des Bewerbers zu setzen.

23

Die medizinische Diagnose muss daher Anknüpfungs- und Befundtatsachen darstellen, die Untersuchungsmethoden erläutern und ihre Hypothesen sowie deren Grundlage offenlegen. Auf dieser Grundlage hat sie unter Ausschöpfung der vorhandenen Erkenntnisse zum Gesundheitszustand des Bewerbers eine Aussage über die voraussichtliche Entwicklung des Leistungsvermögens zu treffen, die den Dienstherrn in die Lage versetzt, die Rechtsfrage der gesundheitlichen Eignung im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG eigenverantwortlich zu beantworten (vgl. zur erforderlichen Prognosebasis auch BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 - BVerfGE 109, 133 <165>).

24

2. Die Verwaltungsgerichte haben über die gesundheitliche Eignung von Beamtenbewerbern zu entscheiden, ohne an tatsächliche oder rechtliche Wertungen des Dienstherrn gebunden zu sein; diesem steht insoweit kein Beurteilungsspielraum zu. Auch insoweit hält der Senat an seiner früheren Rechtsprechung nicht fest (vgl. Urteile 17. Mai 1962 - BVerwG 2 C 87.59 - Buchholz 232 § 31 BBG Nr. 6 S. 14 f. und vom 18. Juli 2001 - BVerwG 2 A 5.00 - Buchholz 232 § 31 BBG Nr. 60 S. 2).

25

Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG überträgt die Letztentscheidungsbefugnis für die Auslegung und Anwendung normativer Regelungen den Verwaltungsgerichten. Ein Beurteilungsspielraum der Verwaltung mit der Folge einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte muss zum einen normativ angelegt sein, d.h. sich durch Normauslegung ermitteln lassen. Zum anderen muss die Bestimmung des Bedeutungsgehalts einer Rechtsnorm so vage oder ihre fallbezogene Anwendung so schwierig sein, dass die gerichtliche Kontrolle wegen der hohen Komplexität oder der besonderen Dynamik der geregelten Materie an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stößt. Es reicht nicht aus, dass eine rechtliche Würdigung auf der Grundlage eines komplexen Sachverhalts zu treffen ist. Hinzu kommen muss, dass die Gerichte die Aufgabe, die entscheidungsrelevanten tatsächlichen Umstände festzustellen und rechtlich zu bewerten, selbst dann nicht bewältigen können, wenn sie im gebotenen Umfang auf die Sachkunde der Verwaltung zurückgreifen oder sich auf andere Weise sachverständiger Hilfe bedienen (BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 <49 f.> und vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <20 f.>; BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 - BVerwG 2 C 33.08 - BVerwGE 134, 108 = Buchholz 240 § 58a BBesG Nr. 2 jeweils Rn. 11).

26

Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die Prognose der gesundheitlichen Eignung von Beamtenbewerbern nicht erfüllt:

27

Der Spielraum des Dienstherrn bei der Bestimmung der gesundheitlichen Anforderungen für eine Laufbahn rechtfertigt keine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte bei der Beurteilung der daran anknüpfenden gesundheitlichen Eignung. Dabei ist der Gesundheitszustand des Beamtenbewerbers in Bezug zu den Anforderungen der Beamtenlaufbahn zu setzen. Es ist zu beurteilen, ob der Bewerber den Anforderungen genügt und ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich daran bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze mit überwiegender Wahrscheinlichkeit etwas ändert.

28

Wie dargestellt hat der Dienstherr die gesundheitliche Eignungsprognose auf der Grundlage einer fundierten medizinischen Tatsachengrundlage zu treffen. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass die Verwaltungsgerichte im Gegensatz zum Dienstherrn gehindert wären, sich auf dieser Grundlage ein eigenverantwortliches Urteil über die voraussichtliche Entwicklung des Gesundheitszustandes und die Erfüllung der dienstlichen Anforderungen zu bilden. Dementsprechend ist anerkannt, dass dem Dienstherrn für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit als Voraussetzung für die vorzeitige Versetzung eines Beamten in den Ruhestand kein Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. nur Urteil vom 26. März 2009 - BVerwG 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 25 jeweils Rn. 14 f.)

29

Dagegen besteht für die vergleichende fachliche Eignung der Bewerber ein Beurteilungsspielraum des Dienstherrn, der vor allem die Gewichtung der leistungsbezogenen Auswahlkriterien des Art. 33 Abs. 2 GG umfasst (Urteile vom 28. Oktober 2004 - BVerwG 2 C 23.03 - BVerwGE 122, 147 <150 f.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 30 S. 17 und vom 4. November 2010 - BVerwG 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 47 jeweils Rn. 45).

30

Der Senat kann auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht beurteilen, ob der Kläger gesundheitlich geeignet ist, um verbeamtet zu werden. Das Oberverwaltungsgericht wird nunmehr vor allem zu beurteilen haben, ob sich aufgrund der Multiplen Sklerose in der individuellen Situation des Klägers Anhaltspunkte ergeben, die den Eintritt der Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze überwiegend wahrscheinlich machen.

31

Im Falle seiner gesundheitlichen Eignung hat der Kläger einen Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe als Studienrat, wenn er sich bei der Bewerberauswahl für eine Beamtenstelle als Studienrat aufgrund eines Leistungsvergleichs als der am besten geeignete Bewerber erweist. Hierfür muss der Beurteilungsspielraum des Dienstherrn zugunsten des Klägers auf Null reduziert sein. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass dieser Spielraum aufgrund des Erfahrungsvorsprungs, den der Kläger durch seine berufliche Praxis als Lehrer erworben hat, jedenfalls eingeschränkt ist. Auch insoweit wird das Oberverwaltungsgericht gegebenenfalls die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.

32

Der Verbeamtung steht nicht entgegen, dass der Kläger im Laufe des gerichtlichen Verfahrens die Höchstaltersgrenze für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe überschritten hat (§ 16 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Laufbahnverordnung vom 30. März 2009 - NLVO - Nds. GVBl S. 118; geändert durch Verordnung vom 19. Mai 2010, Nds. GVBl S. 218). Zwar darf eine Verbeamtung nur vorgenommen werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Übernahme- oder Einstellungsanspruch vorliegen (Urteil vom 23. Februar 2012 - BVerwG 2 C 76.10 - BVerwGE 142, 59 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 54 jeweils Rn. 11).

33

Nach § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 NLVO können aber Ausnahmen von der Höchstaltersgrenze zugelassen werden, wenn sich der berufliche Werdegang eines Bewerbers aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen in einem Maß verzögert hat, das die Anwendung der Höchstaltersgrenze unbillig erscheinen ließe. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist angesichts der Tatsache, dass der Kläger seinen Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis noch vor Überschreitung der Altersgrenze gestellt hatte, das insoweit bestehende Ermessen für die Gewährung einer Ausnahme von der Altersgrenze auf Null reduziert, sollte sich die Ablehnung als rechtswidrig erweisen (vgl. Urteil vom 23. Februar 2012 a.a.O. jeweils Rn. 35).

34

3. Weitere Modifikationen der Eignungsanforderungen für Behinderte, die weder schwerbehindert noch schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind (§ 2 Abs. 3 SGB IX), sind verfassungsrechtlich nicht geboten.

35

Von dem vorstehend dargelegten Maßstab abweichende Erleichterungen für die Feststellung der gesundheitlichen Eignung von Beamtenbewerbern sind im nationalen Recht nur für schwerbehinderte Menschen vorgesehen. Nach § 128 Abs. 1 SGB IX sind die besonderen Vorschriften und Grundsätze für die Besetzung der Beamtenstellen so zu gestalten, dass die Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen gefördert und ein angemessener Anteil schwerbehinderter Menschen unter den Beamten erreicht wird. Dieser Gesetzgebungsauftrag ist von den Beamtengesetzgebern in Bund (vgl. § 9 Satz 2 BBG, § 5 Abs. 1 BLV) und Ländern aufgegriffen und in den Laufbahnverordnungen umgesetzt worden. Nach § 25 Nr. 13 NBG wird die Landesregierung ermächtigt, Ausgleichsmaßnahmen zugunsten von schwerbehinderten Menschen durch Verordnung zu regeln. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 der hierauf gestützten Laufbahnverordnung darf von schwerbehinderten Menschen bei der Einstellung nur das Mindestmaß körperlicher Eignung für die Wahrnehmung von Laufbahnaufgaben verlangt werden. In Nr. 3.4 der durch Beschluss der Landesregierung vom 9. November 2004 erlassenen Richtlinien zur gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter Menschen am Berufsleben im öffentlichen Dienst (Nds. MBl 2004 S. 783) wird dies dahin konkretisiert, dass die Eignung von schwerbehinderten Menschen im Allgemeinen auch dann noch als gegeben angesehen werden kann, wenn sie nur für die Wahrnehmung bestimmter Dienstposten der betreffenden Laufbahn geeignet sind.

36

Während grundsätzlich bei der Einstellung von Beamten die körperliche Eignung für die gesamte Laufbahn mit allen zu ihr gehörenden Ämtern und den diesen zugeordneten Dienstposten zu verlangen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <296>; BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 - BVerwG 2 VR 1.13 - juris Rn. 22 und 28 ff.), gilt dies bei Schwerbehinderten daher nicht. Hier wird nur das Mindestmaß körperlicher Eignung vorausgesetzt, so dass der Schwerbehinderte nicht für alle Dienstposten geeignet sein muss. Zu prüfen ist vielmehr, ob die körperliche Eignung ausreicht, um dem Bewerber irgendeine amtsangemessene Beschäftigung zuweisen zu können, die mit den dienstlichen Bedürfnissen in Einklang steht (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Dezember 2008 - 2 BvR 2571/07 - BVerfGK 14, 492 <496 f.> = juris Rn. 12; BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2007 - BVerwG 2 A 6.06 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 35 Rn. 28; Zängl, in: GKÖD, Stand August 2013, K § 8 Rn. 82a; Lemhöfer, in: Lemhöfer/Leppek, Das Laufbahnrecht der Bundesbeamten, Stand August 2012, BLV 2009 § 5 Rn. 8).

37

Kann ein schwerbehinderter Bewerber auch diese Anforderungen nicht erfüllen, scheidet eine Übernahme in das Beamtenverhältnis aus. Dies gilt auch in Ansehung der Gewährleistung des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, weil die Ungleichbehandlung dann auf zwingenden Gründen beruht. Fehlen einer Person gerade aufgrund ihrer Behinderung bestimmte geistige oder körperliche Fähigkeiten, die unerlässliche Voraussetzung für die Wahrnehmung eines Rechts sind, liegt in der Verweigerung dieses Rechts kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (BVerfG, Beschluss vom 19. Januar 1999 - 1 BvR 2161/94 - BVerfGE 99, 341 <357>; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - BVerwG 5 C 16.10 - BVerwGE 139, 135 Rn. 20 zu § 7 Abs. 1 AGG).

38

Die unterschiedliche Behandlung von schwerbehinderten Menschen im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB IX - sowie ggf. der ihnen nach § 2 Abs. 3 SGB IX gleichgestellten behinderten Menschen - gegenüber anderen Behinderten in Bezug auf die Einstellung in ein Beamtenverhältnis ist mit Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG vereinbar.

39

Die Besserstellung knüpft an das sachlich gerechtfertigte Kriterium der höheren Schutzbedürftigkeit dieser Personen an und stellt darauf ab, dass sie infolge ihrer Behinderung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht oder nur schwieriger erlangen können. Es ist daher folgerichtig, gerade diesem Personenkreis besondere Fürsorge im Verfahren der Einstellung in ein Beamtenverhältnis zukommen zu lassen. Die Personengruppen der Schwerbehinderten einerseits und der weniger schwer behinderten Menschen andererseits weisen wesentliche Unterschiede in Bezug auf den Regelungsgegenstand auf, sodass eine Gleichbehandlung aus Rechtsgründen nicht geboten ist. Aus diesem Grunde sehen § 128 Abs. 1 SGB IX sowie die verfahrensbezogene Vorschrift in § 82 Satz 2 SGB IX eine Bevorzugung dieser Personengruppe im Einstellungsverfahren ausdrücklich vor.

40

Entsprechende Privilegierungen für Menschen, die zwar Funktionseinbußen zu erleiden haben, deren Schweregrad aber nicht zur Annahme einer Schwerbehinderung ausreicht und die schwerbehinderten Menschen auch nicht gleichgestellt sind, sind auch nicht geboten. Diesem Personenkreis fehlt es an der die Schutzbedürftigkeit begründenden eingeschränkten Vermittlungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt (vgl. § 2 Abs. 3 SGB IX). Eine Einbeziehung der weniger schwer behinderten Menschen in die Privilegierungen hätte überdies eine Entwertung der für schwerbehinderte Menschen vorgesehenen Erleichterungen zur Folge, weil sie die Erfolgschancen dieser Bewerber im Wettbewerb um die Vergabe öffentlicher Ämter verschlechtern würde.

41

4. Die Anwendung des allgemeinen Prognosemaßstabs und Prognosezeitraums auf behinderte Bewerber, die nicht schwerbehindert oder Schwerbehinderten gleichgestellt sind, ist mit der Richtlinie 2000/78/EG des Rates der Europäischen Union vom 27. November 2000 - RL - (ABl EG Nr. L 303 S. 16) und dem diese Richtlinie umsetzenden Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006 - AGG - (BGBl I S. 1897) vereinbar.

42

Es kann offenbleiben, ob auch behinderte Menschen, die weder schwerbehindert noch schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX gleichgestellt sind, vom Begriff der Behinderung nach Art. 1 der RL erfasst werden. Wird dies bejaht, bewirkt die Anwendung des allgemeinen Prognosemaßstabs und Prognosezeitraums eine mittelbare Ungleichbehandlung dieser Gruppe (Art. 1, Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b und Art. 3 RL; § 7 i.V.m. § 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und § 3 Abs. 2 AGG).

43

Zwar knüpft die Prognose der gesundheitlichen Eignung nicht unmittelbar an die Behinderteneigenschaft an; vielmehr gelten die Anforderungen für behinderte und nicht behinderte Menschen gleichermaßen.

44

Dieser Personenkreis ist aber einem erhöhten Risiko ausgesetzt, wegen einer negativen gesundheitlichen Eignungsprognose nicht verbeamtet zu werden. Behinderungen haben regelmäßig zur Folge, dass die Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist oder Einschränkungen mit zunehmendem Alter zu erwarten sind. Dieses Risiko verwirklicht sich auch dann, wenn behinderten Bewerbern zwar nicht der Zugang zum Beruf, aber zu dessen Ausübung im Beamtenverhältnis verwehrt wird. Die mittelbare Ungleichbehandlung besteht hier darin, dass sich die Behinderung auf die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der RL (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG) auswirkt.

45

Die mittelbare Ungleichbehandlung stellt aber keine unionsrechtswidrige Diskriminierung dar, weil sie durch ein angemessenes Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL). Die Auslegung dieser Vorschrift durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ist wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts für die Auslegung des inhaltsgleichen § 3 Abs. 2 AGG verbindlich.

46

Angemessene Ziele im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der RL können sich insbesondere aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung ergeben; daneben kommt jedes weitere sozialpolitische Ziel in Betracht (EuGH, Urteil vom 13. September 2011 - Rs. C-447/09, Prigge u.a. - NJW 2011, 3209 Rn. 81). Die Mitgliedstaaten verfügen über einen weiten Spielraum bei der Wahl der Maßnahmen, die sie zur Erreichung eines angemessenen Ziels für erforderlich halten. Die Wahl kann auf politischen, wirtschaftlichen, sozialen, demografischen oder fiskalischen Erwägungen beruhen, wobei letztere für sich allein nicht ausreichen (EuGH, Urteil vom 21. Juli 2011 - Rs. C-159/10 und 160/10, Fuchs und Köhler - NVwZ 2011, 1249 Rn. 61, 73 f. und 80 f.). Die Angemessenheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme ist nachgewiesen, wenn sie im Hinblick auf das verfolgte Ziel nicht unvernünftig erscheint und auf Beweismittel gestützt ist, deren Beweiskraft das nationale Gericht zu beurteilen hat (EuGH, Urteil vom 21. Juli 2011 a.a.O. Rn. 83). Somit ist auch Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der RL Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Urteile vom 19. Februar 2009 - BVerwG 2 C 18.07 - BVerwGE 133, 143 = Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 6 jeweils Rn. 15 und vom 23. Februar 2012 - BVerwG 2 C 76.10 - BVerwGE 142, 59 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 54 jeweils Rn. 44).

47

Das Interesse des Dienstherrn an einem ausgewogenen Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestand der Beamten stellt ein angemessenes Ziel im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der RL dar. Dies folgt aus dem Zusammenhang zwischen der Dienstleistung der Beamten und den Versorgungsleistungen im Ruhestand. Wie oben dargelegt erdienen Beamte die lebenslange Versorgung während der aktiven Zeit. Die unionsrechtliche Anerkennung des daraus folgenden Interesses an einer adäquaten Lebensdienstzeit wird durch Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c der RL belegt, wonach Ungleichbehandlungen wegen des Alters insbesondere die Festlegung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand einschließen (Urteil vom 23. Februar 2012 a.a.O. jeweils Rn. 45).

48

Die Anwendung der allgemeinen Prognose für die gesundheitliche Eignung von Beamtenbewerbern auf behinderte Bewerber, die weder schwerbehindert noch Schwerbehinderten gleichgestellt sind, stellt eine geeignete und erforderliche Maßnahme dar, um eine angemessene, die lebenslange Versorgung rechtfertigende Lebensdienstzeit sicherzustellen.

49

Der zeitliche Bezugspunkt der Prognoseentscheidung ist - vorbehaltlich einer gesetzlichen Regelung - durch das Lebenszeit- und Alimentationsprinzip vorgegeben. Die hauptberufliche Beschäftigung auf Lebenszeit und das hiermit korrespondierende Alimentationsprinzip sind prägende Strukturmerkmale des Berufsbeamtentums (BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <263>). Sie bilden die Voraussetzung dafür, dass sich der Beamte ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und in rechtlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern, beitragen kann.

50

Das auf Lebenszeit angelegte Beamtenverhältnis, das Schutz vor Entlassung, amtsangemessene Besoldung und lebenslange Versorgung für den Beamten und seine Hinterbliebenen gewährleistet, rechtfertigt das Interesse des Dienstherrn an einem ausgewogenen zeitlichen Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit des Beamten (Urteil vom 23. Februar 2012 a.a.O. jeweils Rn. 16 sowie Rn. 45). Die Erhaltung einer unabhängigen Beamtenschaft stellt ein rechtmäßiges Ziel im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der RL dar. Darüber hinaus ist die Sicherung einer angemessenen Lebensdienstzeit auch aus fiskalischen Erwägungen geboten (vgl. zur Berücksichtigung der versicherungsmathematischen Bedeutung der Lebensarbeitszeit auch Art. 6 Abs. 2 der RL). Die Versorgungslast der pensionierten Beamten wird im Gegensatz zum umlagefinanzierten Rentenversicherungssystem in vollem Umfang aus dem Haushalt der Anstellungskörperschaft finanziert. Ein angemessenes Verhältnis zwischen aktiver Dienstzeit und Versorgungslast hat deshalb bei Beamten besonderes Gewicht.

51

Die Eignungsprognose mit dem dargestellten Inhalt ist auch eine verhältnismäßige Maßnahme zur Gewährleistung der bestmöglichen Besetzung öffentlicher Ämter.

52

Die Anforderung der gesundheitlichen Eignung ist erforderlich, weil andere Maßnahmen das Lebenszeitprinzip beeinträchtigen und daher nicht gleich wirksam im Hinblick auf das angestrebte Ziel sind.

53

Sie ist auch angemessen. Bei den Beamten typischerweise übertragenen hoheitlichen Tätigkeiten geht es um die Aufgabenbereiche des Funktionsvorbehalts aus Art. 33 Abs. 4 GG, deren Wahrnehmung - gerade im Interesse des gesetzesunterworfenen Bürgers - die besonderen Verlässlichkeits-, Stetigkeits- und Rechtsstaatlichkeitsgarantien des Beamtentums erfordern (BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 a.a.O. S. 261). Die besonderen Anforderungen an die Art und Qualität der Aufgabenerfüllung in diesen sensiblen Bereichen lassen es nicht zu, Abstriche von den Eignungsanforderungen zu machen und Bewerber einzustellen, deren vorzeitige Dienstunfähigkeit schon jetzt wahrscheinlich ist (vgl. zur Berücksichtigung der Art der Aufgaben und dem Ermessen der Mitgliedstaaten bei der Organisation ihrer öffentlichen Verwaltung EuGH, Urteil vom 8. September 2011 - Rs. C-177/10 - Slg. 2011, I-7907 Rn. 69 und 76; zum Interesse, eingestellte Beamte über einen hinreichend langen Zeitraum verwenden zu können, auch Urteil vom 12. Januar 2010 - Rs. C-229/08 - Slg. 2010, I-1 Rn. 43). Soweit - wie für die in Rede stehende Berufsgruppe der Lehrer - auch eine Tätigkeit als Tarifbeschäftigter möglich ist, betrifft die Ungleichbehandlung überdies nicht die Berufsausübung selbst, sondern nur deren rechtliche Ausgestaltung.

54

5. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Ersatz des Schadens zu, den er durch die rechtswidrige Ablehnung seiner Bewerbung erlitten hat. Es fehlt an dem hierfür erforderlichen Verschulden der Beklagten.

55

Ein derartiger Anspruch folgt nicht aus § 15 Abs. 1 AGG, weil der hierfür erforderliche Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen nicht vorliegt. Wie dargelegt ist die Anwendung des - herabgestuften - allgemeinen Prognosemaßstabs für die gesundheitliche Eignung auf diese Bewerbergruppe nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der RL (§ 3 Abs. 2 AGG) gerechtfertigt.

56

Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht auch ein Verschulden der Beklagten verneint (§ 15 Abs. 1 Satz 2 AGG). Sie hatte im Zeitpunkt der Ablehnung der Bewerbung des Klägers keinen Anlass, eine Behinderung anzunehmen. Weder hatte der Amtsarzt entsprechende Diagnosen getroffen noch hatte der Kläger einen Feststellungsbescheid vorgelegt (vgl. Beschluss vom 7. April 2011 - BVerwG 2 B 79.10 - juris Rn. 5).

57

Das Verschuldenserfordernis ist auch mit den Vorgaben des Rechts der Europäischen Union vereinbar. Art. 17 der RL schreibt keine bestimmten Sanktionen vor (EuGH, Urteil vom 25. April 2013 - Rs. C-81/12 - juris Rn. 60). Festgelegt ist lediglich, dass die Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen. Diesen Anforderungen genügt das nationale Recht, das in § 15 AGG ein abgestuftes Sanktionssystem etabliert (vgl. BTDrucks 16/1780 S. 38).

58

Nach § 15 Abs. 2 AGG werden Entschädigungsansprüche verschuldensunabhängig gewährt. Damit ist sichergestellt, dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot auch im Falle fehlenden Verschuldens nicht sanktionslos bleibt. Die Sanktionsregelung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist daher nicht ineffektiv: sie greift auch dann, wenn ein Vertretenmüssen des Arbeitgebers nicht nachgewiesen werden kann (vgl. hierzu EuGH, Urteile vom 8. November 1990 - Rs. C-177/88 - Slg. 1990, I-3941 Rn. 24 und vom 22. April 1997 - Rs. C-180/95 - Slg. 1997, I-2195 Rn. 22 zur Richtlinie 76/207/EWG). Das Haftungsmodell des § 15 AGG differenziert aber. Während der Arbeitgeber sich im Falle eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot einer Entschädigungszahlung nicht entziehen kann, wird die Verpflichtung zum Ersatz des materiellen Schadens - der erheblich höhere Beträge umfassen kann - an das hierfür im deutschen Schadensrecht generell erforderliche Vertretenmüssen (vgl. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) gebunden. Diese Abstufung entspricht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit (Art. 17 Satz 2 RL). Es wiegt ungleich schwerer und bedarf abschreckenderer Sanktionen, wenn ein Arbeitgeber den Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot zu vertreten hat oder sogar absichtlich begeht. Musste er dagegen bei seiner Entscheidung nicht vom Vorliegen einer Behinderung ausgehen, kann die Beschränkung einer Haftung auf eine Entschädigung für immaterielle Schäden nicht als unverhältnismäßig bewertet werden.

59

Schließlich hat der Kläger den Anspruch nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG geltend gemacht (vgl. zur Zulässigkeit der Fristenregelung EuGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - Rs. C-246/09, Bulicke - Slg. 2010, I-7003; BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - NJW 2013, 555; BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - BVerwG 5 C 16.10 - BVerwGE 139, 135 Rn. 32 und Beschluss vom 16. April 2013 - BVerwG 2 B 145.11 - juris Rn. 10). Die Beklagte hatte die Bewerbung mit Schreiben vom 31. Oktober 2006 unter Hinweis auf die gesundheitliche Verfassung des Klägers abgelehnt. Der Schriftsatz vom 21. November 2007, in dem der Kläger Schadensersatz verlangte, ging offensichtlich nach Ablauf der gesetzlichen Zweimonatsfrist ein.

60

Dem Kläger steht auch kein Schadensersatz wegen Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs nach Art. 33 Abs. 2 GG zu.

61

Dieser Anspruch steht auch einem Bewerber um die Verbeamtung zu, weil auch Einstellung und Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe an Art. 33 Abs. 2 GG zu messen sind. Ein Bewerber kann deshalb Ersatz des ihm durch Nichteinstellung entstandenen Schadens verlangen, wenn der Dienstherr bei der Vergabe eines Amtes den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruch des Bewerbers auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl schuldhaft verletzt hat, wenn diese Rechtsverletzung für die Nichteinstellung des Bewerbers kausal war und wenn der Bewerber es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (Urteil vom 25. Februar 2010 - BVerwG 2 C 22.09 - BVerwGE 136, 140 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 45 jeweils Rn. 16).

62

Auch insoweit fehlt es an einem Verschulden der Beklagten. Neben der Unkenntnis von der Behinderung des Klägers, die ihr nicht vorgeworfen werden kann, entsprach der angewandte Prognosemaßstab für die gesundheitliche Eignung dem damaligen Stand von Rechtsprechung und Schrifttum (Urteile vom 25. Februar 2010 a.a.O. jeweils Rn. 26 und vom 26. Januar 2012 - BVerwG 2 A 7.09 - BVerwGE 141, 361 Rn. 40).

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik Zellen des Embryos in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit genetisch untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik mit schriftlicher Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt, zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur

1.
nach Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der von der Frau gewünschten genetischen Untersuchung von Zellen der Embryonen, wobei die Aufklärung vor der Einholung der Einwilligung zu erfolgen hat,
2.
nachdem eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für Präimplantationsdiagnostik die Einhaltung der Voraussetzungen des Absatzes 2 geprüft und eine zustimmende Bewertung abgegeben hat und
3.
durch einen hierfür qualifizierten Arzt in für die Präimplantationsdiagnostik zugelassenen Zentren, die über die für die Durchführung der Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen,
vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen, einschließlich der von den Ethikkommissionen abgelehnten Fälle, werden von den zugelassenen Zentren an eine Zentralstelle in anonymisierter Form gemeldet und dort dokumentiert. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere
1.
zu der Anzahl und den Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, einschließlich der Qualifikation der dort tätigen Ärzte und der Dauer der Zulassung,
2.
zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik,
3.
zur Einrichtung und Ausgestaltung der Zentralstelle, der die Dokumentation von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen obliegt,
4.
zu den Anforderungen an die Meldung von im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen an die Zentralstelle und den Anforderungen an die Dokumentation.

(4) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 3 Satz 1 eine Präimplantationsdiagnostik vornimmt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(5) Kein Arzt ist verpflichtet, eine Maßnahme nach Absatz 2 durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Aus der Nichtmitwirkung darf kein Nachteil für den Betreffenden erwachsen.

(6) Die Bundesregierung erstellt alle vier Jahre einen Bericht über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik. Der Bericht enthält auf der Grundlage der zentralen Dokumentation und anonymisierter Daten die Zahl der jährlich durchgeführten Maßnahmen sowie eine wissenschaftliche Auswertung.