Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 30. Jan. 2019 - 16a D 17.65
Tenor
I. In Abänderung der Ziff. I des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 18. Oktober 2016 wird gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge um 1/5 auf fünf Jahre erkannt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts die Klage abzuweisen, hilfsweise auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen
die Berufung zurückzuweisen.
Gründe
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(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ein Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.
(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn der Täter einen nicht von ihm geforderten Vorteil sich versprechen läßt oder annimmt und die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme vorher genehmigt hat oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet und sie die Annahme genehmigt.
(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.
(1) Beamtinnen und Beamte dürfen, auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, keine Belohnungen, Geschenke oder sonstigen Vorteile für sich oder eine dritte Person in Bezug auf ihr Amt fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. Ausnahmen bedürfen der Zustimmung ihres gegenwärtigen oder letzten Dienstherrn.
(2) Wer gegen das in Absatz 1 genannte Verbot verstößt, hat das aufgrund des pflichtwidrigen Verhaltens Erlangte auf Verlangen dem Dienstherrn herauszugeben, soweit nicht die Einziehung von Taterträgen angeordnet worden oder es auf andere Weise auf den Staat übergegangen ist.
Die Leitung der Behörde entscheidet, wer den Medien Auskünfte erteilt.
(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt.
(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.
(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.
(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.
(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.
Das Oberverwaltungsgericht kann in dem Urteil über die Berufung auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug nehmen, wenn es sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfange zu eigen macht. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe kann es absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Gründe
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A.
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die sofortige Vollziehbarkeit einer Anordnung des Rektors der Hochschule Wismar, durch die der Beschwerdeführer, der am Fachbereich Bauingenieurwesen Professor für Vermessungskunde ist, angewiesen wurde, ab dem Sommersemester 2006 Lehrveranstaltungen im Grundlagenfach Darstellende Geometrie im Rahmen des Bachelorstudiengangs Bauingenieurwesen durchzuführen.
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I.
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1. Der Beschwerdeführer ist Diplom-Ingenieur für Vermessungswesen. Im August 1996 wurde er auf Vorschlag der Hochschule Wismar durch die Kultusministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern auf die C 2-Professur für Vermessungskunde des Fachbereichs Bauingenieurwesen der Hochschule Wismar berufen. Im Text der Stellenausschreibung hieß es:
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Die Vermessungskunde einschließlich der Photogrammetrie ist ganzheitlich im Studiengang Bauingenieurwesen zu vermitteln.
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Darüber hinaus müssten die Bewerberinnern und Bewerber
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… bereit und in der Lage sein, die jeweiligen Fachgebiete in Lehre und anwendungsbezogener Forschung zu vertreten. Es wird gleichfalls erwartet, dass sie nach Notwendigkeit auch Lehrveranstaltungen in den Grundlagenfächern des Fachbereichs übernehmen.
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In der Ruferteilung hieß es:
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Die Professur ist mit der Verpflichtung verbunden, das vorgenannte Lehrfach an der Fachhochschule durch Vorlesungen und Übungen zu vertreten.
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Neben der vorbehaltlichen Festsetzung der Lehrverpflichtung des Beschwerdeführers auf 18 Semesterwochenstunden wurde in der Ruferteilung außerdem ausgeführt:
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Eine Änderung oder Erweiterung Ihrer Amtspflichten im Rahmen des übertragenen Professorenamtes bleibt vorbehalten.
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Im Oktober 1996 wurde der Beschwerdeführer durch die Kultusministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern zum Professor an der Hochschule Wismar ernannt. In der Einweisung wurde die Verpflichtung des Beschwerdeführers festgehalten,
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… die mit dem Amt eines Professors verbundenen Aufgaben wahrzunehmen, insbesondere das Fach "Vermessungskunde" selbständig in Wissenschaft, Forschung und anwendungsbezogener Lehre zu vertreten sowie entsprechende Forschungs- und Entwicklungsvorhaben durchzuführen, soweit dies zur wissenschaftlichen Grundlegung und Weiterentwicklung der Ihnen obliegenden Lehre erforderlich ist.
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2. Mit Beschluss vom 10. März 2004 übertrug der Fachbereichsrat dem Beschwerdeführer ab dem Wintersemester 2004/2005 die Lehre für das Fach Darstellende Geometrie im Rahmen des Bachelorstudiengangs Bauingenieurwesen und führte zur Begründung aus, der Beschluss beruhe im Wesentlichen auf § 57 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Landeshochschulgesetz - LHG M-V) vom 5. Juli 2002 (GVOBl M-V S. 398). Danach nähmen die Hochschullehrer die ihrer Hochschule jeweils obliegenden Aufgaben in ihrem Fach nach näherer Ausgestaltung ihres Dienstverhältnisses zwar selbständig wahr, dies entbinde sie jedoch nicht von ihrer Verpflichtung, Lehrveranstaltungen ihrer Fächer in allen Studiengängen und allen Studienbereichen abzuhalten und die zur Sicherstellung des Lehrangebots gefassten Entscheidungen der Hochschulorgane auszuführen (§ 57 Abs. 2 LHG M-V). Ob das Fach Darstellende Geometrie inhaltlich zu der dem Beschwerdeführer obliegenden Lehre zähle, könne unberücksichtigt bleiben, da der Beschwerdeführer einerseits im Berufungsgespräch seine Bereitschaft zur Übernahme bekundet habe, andererseits das Abhalten von Lehrveranstaltungen aus dem Grundstudium ausweislich des Stellenausschreibungstextes eine Berufungsvoraussetzung gewesen sei. Die hiergegen nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage des Beschwerdeführers ist beim Verwaltungsgericht Schwerin noch anhängig.
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3. Mit Bescheid vom 20. Dezember 2005 wies der Rektor der Hochschule Wismar den Beschwerdeführer unter Anordnung der sofortigen Vollziehung an, gemäß dem Beschluss des Fachbereichsrats vom 10. März 2004 ab dem Sommersemester 2006 im Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen Lehrveranstaltungen im Grundlagenfach Darstellende Geometrie abzuhalten. Zur Begründung führte der Rektor aus, dass der Fachbereichsrat dem Beschwerdeführer diese Lehraufgabe den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend übertragen habe, weil dies zur Gewährleistung des in den Studienordnungen vorgesehenen Lehrangebots notwendig sei. Die Studienordnung im Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen sehe als Grundlagenmodul das Fach Darstellende Geometrie/Computer Aided Design (CAD) vor. Der Beschwerdeführer sei als Professor des Fachbereichs in der Lage, das Lehrangebot auszufüllen und nach Maßgabe seiner Lehrverpflichtung sowie unter Beachtung seines Dienstverhältnisses dazu auch geeignet und befähigt. Die bisherige Auslastung des Beschwerdeführers bei der Übernahme von Lehrverpflichtungen sei im Vergleich zu den am Fachbereich tätigen Kollegen weit unterdurchschnittlich und habe zuletzt unter 50 % gelegen. Die verbleibende Zeit bis zum Beginn des Sommersemesters reiche aus, um sich der besonderen Anstrengung der Aneignung und Vermittlung des bislang nicht vom Beschwerdeführer gelehrten Fachs zu stellen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertige sich aus dem überwiegenden öffentlichen Interesse an der Gewährleistung des studienplanmäßigen Studienangebots. Das persönliche Interesse des Beschwerdeführers daran, keine weiteren Aufgaben übernehmen zu wollen, müsse demgegenüber zurücktreten.
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4. Parallel zur Übertragung der Lehraufgaben in Darstellender Geometrie auf den Beschwerdeführer wurde die Professur des Beschwerdeführers auf Veranlassung der Hochschule durch Bescheid des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern vom 4. Mai 2005 gemäß § 57 Abs. 6 LHG M-V von "Vermessungskunde" in "Vermessungskunde, Darstellende Geometrie, Mathematik" umgewidmet. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2005 zurückgewiesen und die sofortige Vollziehung der Umwidmung angeordnet. Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der beim Verwaltungsgericht gegen die Umwidmung der Professur anhängig gemachten Klage gab das Verwaltungsgericht Schwerin mit Beschluss vom 3. März 2006 statt. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht unter anderem aus, dass die Hochschule grundsätzlich nicht dazu berechtigt sei, die Aufgaben eines Professors gegen dessen Willen dahingehend zu verändern, dass dieser ein anderes Fach in Forschung und Lehre zu vertreten habe. Während die dem Beschwerdeführer gegenüber erlassene Umwidmung hinsichtlich des zusätzlichen Fachs Mathematik dessen Recht am konkreten Professorenamt berühre, sei hinsichtlich der Darstellenden Geometrie jedoch fraglich, ob die Umwidmung überhaupt eine Erweiterung der Professur darstelle oder ob diese im Sinne einer Präzisierung des bisherigen Fachgebiets zu verstehen sei, weil sich die Darstellende Geometrie als Randwissenschaft noch der Vermessungskunde zurechnen lasse.
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5. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2005 erhobenen Widerspruchs lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. Februar 2006 als unbegründet ab. Die Anweisung des Rektors der Hochschule Wismar entspreche den Lehrverpflichtungen des Beschwerdeführers nach der durch Bescheid des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern mitgeteilten Umwidmung der vom Beschwerdeführer bislang innegehaltenen Professur "Vermessungskunde" bei der Hochschule Wismar in das Fach "Vermessungskunde, Darstellende Geometrie, Mathematik". Diese Umwidmung sei trotz der dagegen durch den Beschwerdeführer anhängig gemachten Klage aufgrund der im Widerspruchsbescheid erfolgten Anordnung sofort vollziehbar. Demgemäß habe der Beschwerdeführer seine Lehrverpflichtungen in der umgewidmeten Professur vorerst in vollem Umfang zu erfüllen.
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6. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht, mit der er die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Herleitung seiner Verpflichtung zur Übernahme der Lehre im Fach Darstellende Geometrie aus der Vollziehbarkeit der Umwidmung seiner Professur rügte und auf den zwischenzeitlich dazu ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 3. März 2006 verwies.
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7. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beschwerde mit Beschluss vom 29. August 2006 zurückgewiesen. Die umstrittene Maßnahme erweise sich als voraussichtlich rechtmäßig. Nach dem Sachverhalt, wie er von den Beteiligten bislang unterbreitet worden sei, gehe der Senat nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung davon aus, dass der Beschwerdeführer verpflichtet sei, die ihm übertragene Lehrveranstaltung abzuhalten, ohne dass es insoweit auf die Rechtmäßigkeit oder Vollziehbarkeit der erfolgten Umwidmung der Professur ankomme. Die Anweisung des Rektors finde ihre rechtliche Grundlage in § 32 Abs. 2 und § 57 LHG M-V. Danach übertrage der Fachbereich seinen in der Lehre tätigen Angehörigen im Rahmen der für das Dienstverhältnis geltenden Regelungen bestimmte Lehraufgaben, soweit das zur Gewährleistung des in den Studienordnungen vorgesehenen Lehrangebots notwendig sei. Die Hochschullehrer seien im Rahmen der für ihr Dienstverhältnis geltenden Regelungen berechtigt und verpflichtet, Lehrveranstaltungen ihrer Fächer in allen Studiengängen und allen Studienbereichen abzuhalten und die zur Sicherstellung des Lehrangebots gefassten Entscheidungen der Hochschulorgane auszuführen (vgl. § 57 Abs. 2 Satz 1 LHG M-V). Art und Umfang der von dem einzelnen Hochschullehrer wahrzunehmenden Aufgaben richteten sich unter Beachtung von § 57 Abs. 1 bis 4 LHG M-V nach der Ausgestaltung seines Dienstverhältnisses und der Funktionsbeschreibung der jeweiligen Stelle (§ 57 Abs. 6 Satz 1 LHG M-V). Die Aufgaben der einzelnen Professoren sollten fachlich möglichst breit festgelegt werden (§ 57 Abs. 6 Satz 2 LHG M-V). Die Festlegung müsse unter dem Vorbehalt einer Überprüfung in angemessenen Abständen stehen (§ 57 Abs. 6 Satz 3 LHG M-V). Diese Regelungen, welche die in § 43 HRG geregelte selbständige Wahrnehmung der einer Hochschule obliegenden Aufgaben in Wissenschaft, Forschung, Lehre und Weiterbildung durch die Hochschullehrer konkretisierten, seien einfachgesetzlicher Ausdruck der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verfassungsrechtlich verankerten Freiheit der Forschung und Lehre. Daneben normierten sie zugleich die sich aus dem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis ergebenden Pflichten der Hochschullehrer als Beamte, die in Art. 33 Abs. 5 GG ebenfalls verfassungsrechtlich verankert seien. Zu diesen dienstlichen Aufgaben zähle auch die Lehre. Zwar habe der Hochschullehrer auch ein Recht auf Lehre, könne jedoch wegen der Notwendigkeit der Abstimmung mit anderen Hochschullehrern sowie angesichts des - in Art. 12 Abs. 1 GG ebenfalls verfassungsrechtlich verankerten - Anspruchs der Studierenden auf Realisierung des erforderlichen Lehrangebots auch unter Berücksichtigung der Wissenschaftsfreiheit nicht völlig frei darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang er Lehrveranstaltungen durchführe.
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Die Koordination der verschiedenen an der Hochschule auftretenden rechtlich geschützten Interessen sei in erster Linie Sache des Lehrkörpers selbst. In den genannten landes- und bundesrechtlichen Vorschriften komme die Erwartung des jeweiligen Normgebers zum Ausdruck, die Hochschullehrer würden ihre Anteile an der Lehrleistung der Hochschule grundsätzlich selbst so bestimmen, dass das in der Studienordnung vorgesehene Lehrangebot abgedeckt werde. Nur wenn diese Selbstbestimmung nicht funktioniere, sei der Fachbereich berechtigt, Hochschullehrern notwendige Lehraufgaben zu übertragen. Dabei habe der Fachbereich allerdings den durch das jeweilige Dienstverhältnis des betroffenen Hochschullehrers vorgegebenen Rahmen zu beachten. Eine Aufgabenübertragung halte sich insoweit jedenfalls dann innerhalb dieses Rahmens, wenn sie von der in der Ruferteilung enthaltenen Funktionsbeschreibung abgedeckt sei, wobei diese im Interesse der Funktionstüchtigkeit der Hochschule und im Sinne ihrer ständigen Reformierungspflicht (§ 9 LHG M-V) nicht eng zu verstehen sei. Dies folge auch aus § 57 Abs. 6 Satz 2 LHG M-V, wonach die Aufgaben der einzelnen Professoren fachlich möglichst breit festgelegt sein sollten. Daraus folge, dass Hochschullehrer nicht auf den Kernbereich "ihres" Fachs beschränkt seien, sondern darüber hinaus auch in Materien eingesetzt werden könnten, die zugleich und eventuell auch im Schwerpunkt zu anderen Fächern gehörten.
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Unter Anwendung dieser Maßstäbe sei der Beschwerdeführer verpflichtet, die umstrittene Lehrveranstaltung abzuhalten. Bei der Darstellenden Geometrie handele es sich um ein nach der Studienordnung notwendiges Lehrangebot, das nicht anderweitig abgedeckt sei. Die Aufgabenübertragung halte sich auch im Rahmen der durch das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers vorgegebenen Regelungen. Zwar enthalte die Ruferteilung keine eigene Funktionsbeschreibung, beziehe sich aber ausdrücklich auf die Bewerbung des Beschwerdeführers, die auf einer von diesem selbst vorgelegten Stellenausschreibung basiere, so dass die darin enthaltenen Angaben zur Beschreibung der vom Beschwerdeführer ausgefüllten Funktion heranzuziehen seien. Aus der Ausschreibung ergebe sich die Verpflichtung, "die Vermessungskunde ... ganzheitlich im Studiengang Bauingenieurwesen zu vermitteln". Weiter heiße es, die Bewerber müssten bereit sein, die jeweiligen Fachgebiete in Lehre und anwendungsbezogener Forschung zu vertreten. Gleichfalls würde erwartet, "dass sie nach Notwendigkeit auch Lehrveranstaltungen in den Grundlagenfächern des Fachbereichs übernehmen". Schon die im Ausschreibungstext ausdrücklich geforderte ganzheitliche Vermittlung des Faches Vermessungskunde sei so auszulegen, dass der Beschwerdeführer zur Übernahme der ihm übertragenen Lehrveranstaltung im Fach Darstellende Geometrie verpflichtet sei, da die Darstellende Geometrie bei dem gebotenen weiten Verständnis ein Fach der Vermessungskunde darstelle. Das Grundlagenfach Darstellende Geometrie sei insoweit als Teil der Vermessungskunde zu bewerten. Dies folge auch aus einer Stellungnahme der Hochschule Neubrandenburg, der zufolge an drei Vergleichshochschulen im Studiengang Vermessungswesen Vorlesungen und Übungen im Fach Darstellende Geometrie vorgesehen seien. Der Beschwerdeführer habe seinerseits eingeräumt, in seinem eigenen Studium Vorlesungen in der Darstellenden Geometrie besucht zu haben. Außerdem sei die Darstellende Geometrie nach der im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Anweisung nur als Grundlagenfach zu übernehmen, so dass ergänzend auch auf die in der Ausschreibung geforderte Übernahme von Lehrveranstaltungen in den Grundlagenfächern des Fachbereichs verwiesen werden könne.Schließlich müsse sich der Beschwerdeführer auch vorhalten lassen, dass er sich ausdrücklich einverstanden erklärt habe, Vorlesungen in der Darstellenden Geometrie zu übernehmen, wenn seine Professur auf die Besoldungsgruppe C 3 angehoben würde.
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II.
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Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG. Die ursprünglich erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG hat der Beschwerdeführer im Laufe des Verfassungsbeschwerdeverfahrens zurückgezogen.
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1. Der Beschwerdeführer sieht sich durch die angegriffenen Entscheidungen in verfassungswidriger Weise dazu verpflichtet, mit der Darstellenden Geometrie im Studiengang Bauingenieurwesen ein ihm fremdes Fach zu unterrichten. Daraus resultiere sowohl eine Beeinträchtigung des Ansehens der Hochschule wie auch seiner eigenen Reputation. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhe allein auf einem unzulässigen Rückschluss aus der sofortigen Vollziehbarkeit der vor dem Verwaltungsgericht ebenfalls angegriffenen Umwidmung der Professur von "Vermessungskunde" in "Vermessungskunde, Darstellende Geometrie, Mathematik", die sich ihrerseits als rechtswidrig darstelle. Die von der Umwidmung unabhängige Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Darstellende Geometrie sei ein Teil des dem Beschwerdeführer obliegenden Faches Vermessungskunde, jedenfalls aber ein Grundlagenfach, welches er aufgrund seiner Professur neben der Vermessungskunde zu unterrichten verpflichtet sei, könne keinen Bestand haben. Die Darstellende Geometrie stelle weder im Kern- noch im Randbereich einen Teil des Faches Vermessungskunde dar. Vielmehr handele es sich bei der Darstellenden Geometrie und der Vermessungskunde um zwei unterschiedliche und voneinander unabhängige Disziplinen. Gegenstand der Darstellenden Geometrie sei es, dreidimensionale (räumliche) Objekte in der zweidimensionalen (Zeichen-)Ebene von mehreren Seiten (Grundriss, Aufriss, Seitenriss) so darzustellen, dass der Betrachter auf dem Papier ein vollkommenes Bild von ihnen erhalte. Damit das abgebildete Objekt in seinen geometrischen Einzelheiten und mit allen Maßen erkannt und erfasst werden könne, bediene sich die Darstellende Geometrie unterschiedlicher Perspektiven (Projektionen), etwa der Zentralprojektion, der schiefen und der orthogonalen Parallelprojektion sowie unterschiedlicher Abbildungsebenen, namentlich der Eintafel-, Zweitafel- oder der Dreitafelprojektion. Die Darstellende Geometrie sei daher eng mit der Architektur sowie dem Maschinenbau verbunden. Sie richte sich ausweislich der Beschreibung ihrer Methode und Aufgabe in den einschlägigen Lehrbüchern an den konstruierenden Ingenieur. Die Vermessungskunde bilde demgegenüber ihre Messergebnisse in Karten und Plänen nur im Grundriss, nicht aber räumliche Gebilde in mehreren zweidimensionalen Ebenen ab. Die Darstellung der Räumlichkeit spiele dabei regelmäßig keine Rolle. Zusätzliche Ebenen würden, anders als in der Darstellenden Geometrie, nicht eingeführt. Geländehöhen würden ausschließlich indirekt im Grundriss mittels Höhenlinien, gegebenenfalls unter Zusatz von Höhenangaben ausgewählter Geländepunkte abgebildet. Weder die Konstruktion noch die Darstellung der Höhenlinien bedürften eines Rückgriffs auf die Darstellende Geometrie. Folglich spiele die Darstellende Geometrie in der Ausbildung der Vermessungsingenieure auch keine tragende Rolle. An den Fachhochschulen, an denen die Darstellende Geometrie im Studiengang Vermessungswesen noch gelehrt werde, würde dies nicht von Vermessungsingenieuren, sondern von Mathematikern, Architekten oder Bauingenieuren durchgeführt. Die Lehrbücher zu beiden Fächern wiesen keine Wechselbezüglichkeit auf.
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Dem vom Oberverwaltungsgericht bezüglich der Zuordnung der Darstellenden Geometrie zum Fach Vermessungskunde zugrunde gelegten weiten Verständnis des Faches Vermessungskunde liege eine ihrerseits begründungsbedürftige und zweifelhafte Annahme zugrunde, die dazu führe, dass jedes fremde Fach, welches in die Ausbildung eines Faches hineinspiele, als Teil dieses Faches zu betrachten sei, den jeder Absolvent auch lehren können müsse. Für die Darstellende Geometrie im Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen besitze der Beschwerdeführer jedoch weder aufgrund seiner Ausbildung als Vermessungsingenieur noch aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen die notwendige fachliche Kompetenz und könne den Anforderungen und Erwartungen an einen Hochschullehrer nicht gerecht werden. Obwohl der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren substantiiert zum Verhältnis der beiden Fächer im Rahmen des Studiengangs Bauingenieurwesen vorgetragen habe, habe sich das Oberverwaltungsgericht mit dieser streitentscheidenden Frage unter Verstoß gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens nicht auseinandergesetzt. Vielmehr behaupte es ohne aussagekräftige, substantiierte und nachvollziehbare Begründung schlicht, dass es sich bei der Darstellenden Geometrie um einen Teil der Vermessungskunde handele. Eine Klärung der Frage des Verhältnisses von Darstellender Geometrie und Vermessungskunde hätte aber trotz des Charakters des Ausgangsverfahrens als Eilverfahren und der insoweit grundsätzlich nur gebotenen summarischen Prüfung des Sachverhalts stattfinden müssen.
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2. Er sei auch nicht verpflichtet, die Darstellende Geometrie als Grundlagenfach neben der Vermessungskunde zu unterrichten. Der ihm im Rahmen seiner Professur obliegende Aufgabenbereich beschränke sich vielmehr auf das Fach Vermessungskunde einschließlich der Photogrammetrie. Aus der Stellenausschreibung, die sich in allgemeiner Form an potenzielle Bewerber richte und die lediglich eine Informationsfunktion, nicht aber einen rechtlich bindenden Charakter besitze, lasse sich keine gegenteilige Bestimmung der mit dem konkreten Professorenamt einhergehenden Lehraufgaben heranziehen. Die in der Stellenausschreibung zum Ausdruck kommende unbestimmte Erwartung der Hochschule hinsichtlich der Übernahme von Lehrveranstaltungen aus einer Vielzahl von Grundlagenfächern sei zur Bestimmung der Lehrverpflichtung des Beschwerdeführers ungeeignet. Zum Grundstudium des damaligen Diplomstudiengangs sowie des heutigen Bachelorstudiengangs Bauingenieurwesen gehörten die Fächer Technische Mechanik, Informatik, Tragwerkslehre/Mauerwerksbau, Baustatik, Geotechnik, Bauphysik, Baukonstruktion, Bauinformatik, Baustoffkunde/Bauchemie, Mathematik, Hydromechanik/Hydrologie, Rechtsgrundlagen/Baurecht I, Vermessungskunde sowie Darstellende Geometrie/CAD. Es liege aus Gründen der Fachkompetenz auf der Hand, dass sich auch eine Verpflichtung zur Übernahme weiterer Grundlagenfächer für einen Professor für Vermessungskunde, der ausgebildeter Vermessungsingenieur sei, nicht auf jedes dieser Fächer beziehen könne. Vielmehr bedürfe es einer umfassenden und genauen Beschreibung einer Professur und der ihr zugeordneten Fächer in der Ruferteilung und Einweisungsverfügung sowie schon bei der einer Berufung vorangehenden Konzeption der Professorenstellen und ihrer Ausschreibung. Eine Professur für Vermessungskunde und Darstellende Geometrie habe die Hochschule aber gerade nicht ausgeschrieben. Auch seien dem Beschwerdeführer weder in der Ruferteilung noch in der Einweisungsverfügung durch das Ministerium neben der Vermessungskunde Lehraufgaben in anderen Grundlagenfächern übertragen worden. Die Übertragung des Faches Darstellende Geometrie auf den Beschwerdeführer liege somit außerhalb seiner Professur und stelle eine gegen sein Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 GG verstoßende Änderung seiner Dienstaufgaben dar.
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III.
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Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich die Hochschule Wismar, die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern, der Deutsche Hochschulverband, der Hochschullehrerbund, der Verband Hochschule und Wissenschaft und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft geäußert. Das Bundesverwaltungsgericht sowie die Oberverwaltungsgerichte beziehungsweise Verwaltungsgerichtshöfe der Bundesländer haben, sofern sie nicht von einer Stellungnahme abgesehen haben, auf eigene Entscheidungen, die sich mit den durch die Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen befassen, verwiesen.
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1. Die Hochschule Wismar hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.
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Die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig, da es der Beschwerdeführer im Hinblick auf die von ihm behauptete Gehörsverletzung unterlassen habe, gegen den angegriffenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts fristgerecht Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO zu erheben.
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Im Übrigen sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG liege nicht vor. Unter Berücksichtigung der gesetzlich normierten Aufgaben der Fachhochschulen, wonach die Fachhochschulen der Pflege und Entwicklung der Wissenschaften insbesondere durch anwendungsbezogene Lehre und Forschung dienten, sei bereits fraglich, ob die anwendungsbezogene Lehre hinsichtlich jeglichen Bereichs ohne weiteres in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 GG falle. Da die Lehrfreiheit der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse diene, könne sich nur derjenige auf die Wissenschaftsfreiheit berufen, der auf seinem Lehrgebiet auch eigenverantwortlich als Forscher tätig sei. Da es sich bei der dem Beschwerdeführer übertragenen Lehraufgabe im Fach Darstellende Geometrie um die anwendungsbezogene Vermittlung von Grundkenntnissen einer mathematischen Methodik im ersten Fachsemester des Studiengangs Bauingenieurwesen handele, die einen wissenschaftlichen Anspruch nicht erkennen lasse, bestünden erhebliche Zweifel, ob diese den besonderen Status der verfassungsrechtlichen Lehrfreiheit genieße. Jedenfalls aber lasse die Übertragung der Vorlesung im Fach Darstellende Geometrie die freien, unbeeinflussten und eigenverantwortlich gestalteten Inhalte der Lehre des Beschwerdeführers unberührt. Vorliegend gehe es lediglich um eine Veränderung der dem Beschwerdeführer innerhalb seines Dienstverhältnisses und der Funktionsbeschreibung seiner Professur obliegenden Aufgaben, deren Zulässigkeit sich nach einfachgesetzlichen Normen bestimme und der Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte vorbehalten bleiben müsse. Dabei halte sich die Übertragung der Lehre im Fach Darstellende Geometrie, wie sie sich aus der Ausschreibung, den Festlegungen im Rahmen der Berufungsverhandlung und der Einweisungsverfügung ergebe, innerhalb des für das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers maßgeblichen Rahmens. Das dem Beschwerdeführer übertragene Fach Vermessungskunde sei von vornherein durch die Lehre im Fachbereich Bauingenieurwesen funktionell dahingehend näher beschrieben gewesen, dass der für das Dienstverhältnis maßgebliche Rahmen neben dem Kernbereich Vermessungskunde auch die mit der Vermessungskunde im Zusammenhang stehenden weiteren Fächer umfasse.
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Die Darstellende Geometrie, welche zum Grundlagenwissen sowohl eines Vermessungsingenieurs wie eines Bauingenieurs gehöre, stelle sich im Verhältnis zur Vermessungskunde jedenfalls nicht als wesensfremd dar, sondern weise die für die Übertragung der Lehraufgabe erforderlichen Bezüge auf. Dies werde durch das Lehrangebot und die Beschreibung der Studieninhalte in entsprechenden Studiengängen an anderen Hochschulen belegt. Ausweislich der Ruferteilung und der Einweisungsverfügung sei dem Beschwerdeführer das Professorenamt vorbehaltlich einer Änderung oder Erweiterung der Amtspflichten übertragen worden. Auf aktuell vorhandenes Wissen im Fach Darstellende Geometrie komme es für die Frage der Grundrechtswidrigkeit der übertragenen Lehrverpflichtung nicht an, zumal der Beschwerdeführer, der selbst seine Bereitschaft zur Übernahme der Lehre im Fach Darstellende Geometrie erklärt und nie in Abrede gestellt habe, dass er nach kurzer Einarbeitungszeit das Fach Darstellende Geometrie lehren könne, grundsätzlich die fachliche Kompetenz zur Lehre des Grundlagenfachs Darstellende Geometrie im Studiengang Bauingenieurwesen besitze.
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2. Auch nach Ansicht der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Ob sich Fachhochschullehrer auf das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG berufen könnten, sei vom Bildungsauftrag der jeweiligen Fachhochschule und vom Charakter der dem Fachhochschullehrer dienstlich zugewiesenen Tätigkeit abhängig. Insofern müsse berücksichtigt werden, dass der Aufgabenbereich der Fachhochschulprofessoren in großem Umfang von der Lehrtätigkeit geprägt sei, bei der die reine Unterrichtstätigkeit, die keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben könne, überwiege. Am Schutz des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG könne die Lehrtätigkeit von Fachhochschulprofessoren nur insoweit teilhaben, als sie entweder eigene wissenschaftliche Erkenntnisse wiedergebe oder fremde Erkenntnisse kritisch-reflektiert verarbeite. Änderungen der Dienstaufgaben eines Professors dürften, solange diese nicht durch mit der Wissenschaftsfreiheit kollidierende Verfassungsbelange wie etwa die Organisationshoheit des Dienstherrn oder die Gewährleistung des Ausbildungsanspruchs der Studierenden gerechtfertigt seien, nur innerhalb eines Fachs vorgenommen werden. Wegen des Grundrechts auf Wissenschaftsfreiheit dürfe das übertragene Forschungs- und Lehrgebiet grundsätzlich nicht verändert werden. Demgegenüber hätten beamtete Fachhochschulprofessoren, auf die die allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätze anzuwenden seien, grundsätzlich keinen Anspruch auf die unveränderte Ausübung des ihnen einmal übertragenen Amtes im konkret-funktionellen Sinne.
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3. Der Deutsche Hochschulverband vertritt ebenfalls die Ansicht, dass die Lehre eines Fachhochschulprofessors nur dann dem verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unterfällt, wenn der Fachhochschulprofessor in dem Bereich, in dem er lehrt, eigenständige Forschungsleistungen erbringt. Angesichts der Höhe ihres Lehrdeputats könnten Fachhochschulprofessoren jedoch gar keine durch eigene wissenschaftliche Forschung gespeiste Lehre anbieten und täten dies in der Regel auch nicht. Trotz der mittlerweile in allen Bundesländern erfolgten Zuweisung der Forschung als Aufgabe der Fachhochschulen und der sich abzeichnenden Lösung der Fachhochschulforschung von der anwendungsbezogenen Lehrforschung handele es sich bei der zumal nur anwendungsorientierten Forschung schließlich nicht um eine Primäraufgabe der Fachhochschulen. Bezüglich der Modifikationen ihres Fachs bietet Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG Fachhochschullehrern nach Ansicht des Deutschen Hochschulverbandes daher keinen beziehungsweise allenfalls einen abgeschwächten Schutz. Für Fachhochschulprofessoren stehe die Lehre im Gegensatz zur zumal nur anwendungsorientierten Forschung signifikant im Vordergrund und nehme im Vergleich mit Universitäten einen geringeren Stellenwert ein. Vorliegend gehe es jedoch ohnehin um die nach einfachgesetzlichen Maßstäben zu entscheidende Frage, ob sich die Aufgabenübertragung noch im Rahmen der in der Ruferteilung enthaltenen Funktionsbeschreibung halte, wobei zu berücksichtigen sei, dass insbesondere Fachhochschulprofessoren hinsichtlich der Lehre eine gewisse Breite vertreten müssten.
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4. Demgegenüber sind der Hochschullehrerbund, der Verband Hochschule und Wissenschaft und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft der Auffassung, dass die in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgte Lehrfreiheit auch Fachhochschulprofessoren zustehe. In den vergangenen Jahren sei es zu einer weitgehenden Angleichung von Fachhochschulen und Universitäten gekommen. Dies zeige sich zunächst an bundes- und landeshochschulgesetzlichen Regelungen, die kaum noch zwischen verschiedenen Hochschularten differenzierten. Obgleich es sich hierbei um einfachgesetzliche Normierungen handele, sei in ihnen die Wiedergabe und Wiederholung der mit der Funktion im staatlich organisierten Wissenschaftsbetrieb verbundenen besonderen Schutz- und Teilhaberechte aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG auch für Fachhochschullehrer zu sehen. Daneben sei die stärkere Forschungsausrichtung der Fachhochschulen zu berücksichtigen, wobei es sich bei der den Fachhochschulen in den Landeshochschulgesetzen übertragenen anwendungsbezogenen Forschung und Entwicklung ebenso um Forschung im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG handele wie bei der an Universitäten angesiedelten Grundlagenforschung. Der Grundsatz der Einheit von Forschung und Lehre sei daher sowohl institutionell als auch in der Person des Fachhochschulprofessors verwirklicht. Schließlich meine der Anwendungsbezug der Lehre an Fachhochschulen nicht eine unreflektierte Vermittlung praktischer Kenntnisse und schematische Einübung beruflicher Fertigkeiten, sondern die kritische Durchleuchtung der gegenwärtigen Berufspraxis, das vergleichende und wertende Zusammenstellen fremder Forschungsergebnisse sowie die Ausrichtung auf Problemlösung und Aufgabenbewältigung in einer sich verändernden Berufswelt, was die Förderung von Kreativität und Innovationsfähigkeit im Rahmen anwendungsbezogener Lehre erfordere.
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Bezüglich der Frage, ob und inwieweit das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit Hochschullehrern ein Recht gewährt, kraft dessen sie einseitige Veränderungen ihres Aufgabenbereichs, insbesondere des von ihnen vertretenen Fachs, abwehren können, sind der Hochschullehrerbund, der Verband Hochschule und Wissenschaft und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft der Ansicht, dass auch ein Fachhochschulprofessor wegen des besonderen Schutzes aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG grundsätzlich ein Recht am konkret-funktionellen Amt habe. Die Veränderung des wissenschaftlichen Aufgabenbereichs eines Professors stelle einen grundsätzlich unzulässigen Eingriff in das durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützte Recht am konkret-funktionellen Amt dar, welches durch die Einweisungsverfügung und die Funktionsbeschreibung konkretisiert werde. Selbst in Fällen, in denen die fachliche Veränderung der dienstlichen Aufgaben erforderlich sei, um Grundrechte anderer zu schützen oder um anderen gewichtigen Gemeinschaftsinteressen Rechnung zu tragen, sei die Eingriffsbefugnis durch die wissenschaftliche Qualifikation eines Professors begrenzt.
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B.
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Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
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Der Beschwerdeführer hat den Rechtsweg gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erschöpft. Hierfür war im vorliegenden Fall eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts entbehrlich. Obwohl der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde zunächst auch eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG gerügt hat und daher die Anhörungsrüge an sich zum Rechtsweg zählt (vgl. BVerfGE 122, 190 <198>), steht das Unterlassen einer fachgerichtlichen Anhörungsrüge der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen, da er die Rüge einer Gehörsverletzung im Verfassungsbeschwerdeverfahren zurückgenommen hat.
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Dem Beschwerdeführer kommt im Verfassungsbeschwerdeverfahren eine Dispositionsfreiheit zu, die sich aus der Funktion des außerordentlichen Rechtsbehelfs der Verfassungsbeschwerde ergibt. Neben der Funktion, das objektive Verfassungsrecht zu wahren, auszulegen und fortzubilden (vgl. BVerfGE 33, 247 <258>; 79, 365 <367>; 85, 109 <113>; 98, 218 <242 f.>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 4. November 2009 - 1 BvR 2150/08 -, NJW 2010, S. 47 <48>), dient die Verfassungsbeschwerde primär dem individuellen Rechtsschutz für die Durchsetzung der in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG genannten Rechte. Der Gegenstand des Verfassungsbeschwerdeverfahrens bestimmt sich folglich, ausgehend von der subjektiven Beschwer, nach der behaupteten Verletzung eines der in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG genannten Rechte (vgl. BVerfGE 45, 63 <74 f.>; 96, 251 <257>). Auch nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde steht es dem Beschwerdeführer grundsätzlich frei, seinen Antrag zurückzunehmen oder seine Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Beide Erklärungen haben zur Folge, dass das Beschwerdebegehren nicht mehr zur Entscheidung steht (vgl. BVerfGE 85, 109 <113>; 98, 218 <242>; 106, 210 <213>). Aufgrund der Dispositionsfreiheit steht es dem Beschwerdeführer zudem frei, die von ihm erhobene Verfassungsbeschwerde auch nachträglich auf die Rüge bestimmter Grundrechtsverletzungen zu beschränken. Die Rücknahme der Rüge einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ist daher grundsätzlich möglich. Sie hat, wenn sie wirksam erklärt wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 13. Dezember 2007 - 1 BvR 2532/07 -, juris, Rn. 9 ff.), zur Folge, dass die Erschöpfung des Rechtswegs nicht von der Erhebung von Rechtsbehelfen abhängt, die der Beseitigung einer Gehörsverletzung dienen.
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Der Beschwerdeführer musste eine Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO auch nicht deshalb nach dem aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG abzuleitenden Grundsatz der Subsidiarität (vgl. BVerfGE 107, 395 <414>; 112, 50 <60>) erheben, weil bei einem Erfolg der Anhörungsrüge auch die weiteren mit der Verfassungsbeschwerde gerügten Grundrechtsverletzungen hätten beseitigt werden können. Jedenfalls ein nicht anwaltlich vertretener Beschwerdeführer kann nicht auf die Erhebung einer Anhörungsrüge verwiesen werden, wenn er in der Verfassungsbeschwerde zwar Art. 103 Abs. 1 GG als verletztes Verfassungsrecht benennt, der Sache nach aber keine Gehörsverletzung, sondern unzureichenden Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) rügt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 11. Februar 2009 - 1 BvR 3582/08 -, NZG 2009, S. 515). Unter diesen Umständen ist auszuschließen, dass eine Anhörungsrüge im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die geltend gemachte Grundrechtsverletzung beseitigt hätte. Offensichtlich aussichtslose fachgerichtliche Rechtsbehelfe müssen aber auch unter Berücksichtigung der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht erhoben werden.
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C.
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Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
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Der Beschwerdeführer kann sich zwar auf den Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG berufen und die Anweisungen hinsichtlich seiner Lehrtätigkeit berühren auch seine Grundrechtsposition (I). Die Verwaltungsgerichte haben im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes seine Grundrechtsposition aber noch ausreichend berücksichtigt und daher Art. 19 Abs. 4 GG nicht verletzt (II).
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I.
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Art. 5 Abs. 3 GG ist betroffen.
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1. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährt jedem, der in Wissenschaft, Forschung und Lehre tätig ist, ein Grundrecht auf freie wissenschaftliche Betätigung (vgl. BVerfGE 15, 256 <263 f.>; 88, 129 <136>). Als Abwehrrecht schützt das Grundrecht die wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe und gewährt dem einzelnen Wissenschaftler einen vorbehaltlos geschützten Freiraum (vgl. BVerfGE 35, 79 <112 f.>; 47, 327 <367>; 88, 129 <136>; 90, 1 <11 f.>). Kern der Wissenschaftsfreiheit ist für Hochschullehrer das Recht, ihr Fach in Forschung und Lehre zu vertreten (vgl. BVerfGE 35, 79 <147>; 122, 89 <105>).
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2. Auf dieses Recht können sich regelmäßig auch Hochschullehrer an einer Fachhochschule berufen.
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In welchen Einrichtungen, in welchem Umfang und bezogen auf welchen Fächerzuschnitt Personen amtlich damit betraut werden, wissenschaftlich eigenständig zu forschen und zu lehren, ist im Grundsatz eine Entscheidung des Gesetzgebers. Er ist hierbei nicht auf die Fortschreibung der tradierten Formen und Einrichtungen beschränkt. Soweit er Personen als Hochschullehrern die eigenständige Vertretung eines wissenschaftlichen Faches in Forschung und Lehre überträgt, fallen diese unter den Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG.
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a) Bezogen auf die damalige Rechtslage hat das Bundesverfassungsgericht es in seiner bisherigen Rechtsprechung ausdrücklich offen gelassen, ob und in welchem Umfang sich Fachhochschullehrer auf das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG berufen können (vgl. BVerfGE 61, 210 <237 ff.>; 64, 323 <353 ff.>). Es hat allerdings dabei auf die Wechselbeziehung dieser Frage mit den gesetzlich bestimmten Aufgaben der Fachhochschullehrer hingewiesen und so die Entwicklungsoffenheit des sachlichen Schutzbereichs der Wissenschaftsfreiheit hervorgehoben. In diesem Zusammenhang hat es bereits damals auch schon auf die verstärkten Forschungsaufgaben der Fachhochschulen, auf die fließenden Grenzen zwischen Forschung und Entwicklung sowie auf die gestiegenen Ansprüche an Fachhochschulen und an die Qualifikation der Fachhochschullehrer hingewiesen (vgl. BVerfGE 61, 210 <246 f.>). Auch für den materiellen Hochschullehrerbegriff hat das Bundesverfassungsgericht eine Entwicklungsoffenheit betont, um dadurch strukturellen, organisatorischen und auf die Anforderungen und Aufgaben von Hochschullehrern bezogenen Veränderungen im Hochschulwesen Rechnung tragen zu können (vgl. BVerfGE 47, 327 <392>).
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b) Bundes- und Landesgesetzgeber haben in den vergangenen Jahren Universitäten und Fachhochschulen einander angenähert. Das Hochschulrahmengesetz und die Landeshochschulgesetze unterscheiden grundsätzlich nicht mehr zwischen solchen Regelungen, die allein für Universitäten Geltung beanspruchen, und solchen Regelungen, die für andere Hochschularten gelten (vgl. § 1 Satz 1 HRG). Die wesentlichen Aufgaben und Ausbildungsziele werden für alle Hochschularten einheitlich normiert (§ 2 und § 29 Abs. 1 BWHG, Art. 2 und Art. 55 Abs. 1 BayHG, § 4 und § 21 Abs. 1 BerlHG, § 3 und § 16 Abs. 1 BbgHG, §§ 4 und 52 BremHG, §§ 3, 46 und 49 HmbHG, §§ 3 und 13 HeHG, § 3 und § 28 Abs. 1 LHG M-V, § 3 NdsHG, § 3 und § 58 Abs. 1 NRWHG, § 2 und § 16 Abs. 1 RPfHG, §§ 2 und 48 SaarUG, §§ 5 und 15 SäHG, §§ 3 und 6 LSAHG, § 3 und § 46 Abs. 1 SHHG, § 5 und § 40 Abs. 1 ThürHG). Die Freiheit von Forschung und Lehre wird, zumeist unter ausdrücklicher Nennung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, auch für Fachhochschulen garantiert (§ 3 Abs. 1 bis 3 BWHG, Art. 3 Abs. 1 bis 3 BayHG, § 5 Abs. 1 BerlHG, § 4 Abs. 1 und 2 BbgHG, § 7 Abs. 1 bis 3 BremHG, § 11 HmbHG, § 28 Satz 1 HeHG, § 5 Abs. 1 bis 3 LHG M-V, § 4 Abs. 1 und 2 NRWHG, § 3 Abs. 1 bis 3 RPfHG, § 3 Abs. 1 bis 3 SaarUG, § 4 SäHG, § 4 Abs. 1 bis 4 LSAHG, § 4 Abs. 1 bis 4 SHHG, § 7 Abs. 1 bis 3 ThürHG) und Fachhochschulen werden Forschungsaufgaben übertragen (§ 40 BWHG, Art. 2 Abs. 1 Satz 6 BayHG, § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 4 BerlHG, § 3 Abs. 1 Satz 1 und 4 BbgHG, § 4 Abs. 1 Satz 1 BremHG, § 4 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Nr. 2 HmbHG, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 3 Satz 4 HeHG, § 3 Abs. 1 Satz 1 und 4 LHG M-V, § 3 Abs. 4 Satz 2 NdsHG, § 3 Abs. 2 Satz 2 NRWHG, § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 RPfHG, § 2 Abs. 1 Satz 3 SaFHG, § 5 Abs. 1 Satz 2 SäHG, § 3 Abs. 11 Satz 2 LSAHG, § 94 Satz 3 SHHG, § 5 Abs. 1 Satz 2 und 4 ThürHG).
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Da Aufgaben der Hochschulen und Ziele des Studiums unabhängig von der Hochschulart normiert werden, lässt sich die vom Bundesverfassungsgericht in den Jahren 1982 und 1983 getroffene Feststellung, dass bei wissenschaftlichen Hochschulen die Pflege und Entwicklung der Wissenschaften durch Forschung und Lehre im Vordergrund stehen und dem Studierenden eine umfassende wissenschaftliche Ausbildung vermittelt werden soll, bei Fachhochschulen hingegen die Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit durch anwendungsbezogene Lehre vornehmliche Aufgabe ist (vgl. BVerfGE 61, 210 <244 f.>; 64, 323 <354 f.>; ähnlich auch: BayVerfGH, Entscheidung vom 8. Januar 1997 - Vf. 7-VII-96 -, NVwZ-RR 1997, S. 673 <674>), nicht mehr aufrechterhalten. Einerseits sind auch für die Universitäten Ausbildungsaufgaben zentral, so dass die Universitätslehre notwendig auf Prüfungsordnungen ausgerichtet und durch Studienpläne gesteuert wird, ohne dass dadurch der Wissenschaftscharakter der Lehre an Universitäten in Frage gestellt würde. Andererseits kann es ebenso wie bei Universitäten Aufgabe einer Fachhochschule oder der in ihr tätigen Professoren sein, ihren Studierenden im Rahmen der Ausbildungsaufgaben wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden zu vermitteln sowie sie zu wissenschaftlicher Arbeit zu befähigen.
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c) Auch weitere Annahmen bezüglich für den Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 3 GG erheblicher Unterschiede zwischen Universitäten und Fachhochschulen im Hinblick auf Rolle und Bedeutung der Forschung lassen sich angesichts gesetzlicher Neuerungen und faktischer Entwicklungen nicht mehr aufrechterhalten. In den Jahren 1982 beziehungsweise 1983 war die Feststellung, Fachhochschulen würden Forschungs- und Entwicklungsvorhaben nur im Rahmen ihres Ausbildungsauftrages vornehmen, während bei Universitäten die Forschung neben der wissenschaftlichen Grundlegung und Weiterentwicklung von Lehre und Studium ganz allgemein der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse diene (vgl. BVerfGE 61, 210 <244 f.>; 64, 323 <354 f.>), noch zutreffend. Gleiches gilt für die Aussage, der Gesetzgeber habe den Fachhochschulen Forschung zwar in einem bestimmten Rahmen gestattet, anders als wissenschaftlichen Hochschulen aber keinen Auftrag zur Forschung erteilt (vgl. BVerfGE 64, 323 <358 f.>), sowie für die Feststellung, die Betreuung mit Forschungsaufgaben sei insofern erheblich begrenzt, als sich das Forschungsspektrum der Fachhochschule allein an ihrem Ausbildungsauftrag orientiere (vgl. BVerfGE 64, 323 <359>). Heute gestattet die Mehrheit der Bundesländer in ihren Hochschulgesetzen den Fachhochschulen nicht lediglich zu forschen, Forschung wird den Fachhochschulen vielmehr als Aufgabe, teilweise sogar ohne funktionale Bindung an ihren Ausbildungsauftrag, ausdrücklich zugewiesen (vgl. hierzu m.w.N. Waldeyer, Das Recht der Fachhochschulen, in: Hailbronner/Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Bd. 2, Stand: Mai 2000, Rn. 11 ff.). Damit haben sich auch die dienstrechtlich vermittelten Aufgaben von Fachhochschullehrern inhaltlich erweitert. Allein das höhere Lehrdeputat und der daraus folgende geringere Freiraum für Forschung kann die Berufung des Fachhochschullehrers auf die Wissenschaftsfreiheit nicht ausschließen (vgl. BVerfGE 61, 210 <246>).
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d) Auch das Argument der unterschiedlichen Zulassungsvoraussetzungen für Studierende kann eine Herausnahme der Fachhochschulen aus dem Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit nicht länger rechtfertigen. Dass den Studierenden an Fachhochschulen mit Rücksicht auf ihren niedrigeren Bildungsabschluss keine wissenschaftliche Lehre erteilt werden könne (vgl. BVerfGE 64, 323 <357 f.>; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. November 1996 - 8 B 107.96 -, juris, Rn. 26), vermag angesichts der aktuellen gesetzlichen Regelungen nicht mehr zu überzeugen. Auf der rahmenrechtlichen Grundlage des § 27 Abs. 2 Satz 2 HRG haben mittlerweile alle Bundesländer beruflich qualifizierten Personen ohne Hochschulreife den Zugang zum Universitätsstudium eröffnet (§ 59 BWHG, Art. 45 BayHG, § 11 BerlHG, § 8 BbgHG, § 35 BremHG, § 38 HmbHG, § 54 Abs. 2 und 3 HeHG, § 18 Abs. 1 und § 19 LHG M-V, § 18 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 NdsHG, § 49 Abs. 6 NRWHG, § 65 Abs. 1 Satz 3 bis 5 RPfHG, § 69 Abs. 4 SaarUG, § 17 Abs. 2 und 5 SäHG, § 27 Abs. 4 SAHG, § 39 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 und 3 SHHG, § 63 ThürHG). Umgekehrt sind die gestiegenen Anforderungen an Fachhochschulstudierende daran ablesbar, dass unabhängig von der jeweiligen Hochschulart als Ziel von Lehre und Studium die Befähigung zu "selbständigem Denken" (§ 16 Abs. 1 BbgHG, § 15 Abs. 1 SäHG, § 6 Abs. 1 Satz 1 SAHG),zu "kritischem Denken" (§ 21 Abs. 1 BerlHG), zu "wissenschaftlich-kritischem Denken" (§ 13 Satz 1 HeHG, § 46 Satz 2 SaarFHG) oder zur "kritischen Einordnung wissenschaftlicher Erkenntnis" (§ 58 Abs. 1 NRWHG) formuliert wird.
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e) Schließlich haben sich Annäherungen zwischen Universitäten und Fachhochschulen im Zuge des so genannten Bologna-Prozesses ergeben, die erkennen lassen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers auch Fachhochschulen als wissenschaftliche Ausbildungsstätten angesehen werden sollen. Nach § 19 Abs. 1 HRG können alle Hochschulen "Studiengänge einrichten, die zu einem Bachelor- oder Bakkalaureusgrad und zu einem Master- oder Magistergrad führen". Die Regelstudienzeit ist dabei unabhängig von der Hochschulart einheitlich geregelt. Bei der Hochschulprüfung an Fachhochschulen oder in Fachhochschulstudiengängen muss nach § 18 Abs. 1 Satz 2 HRG lediglich der Diplomgrad mit dem Zusatz "Fachhochschule" ("FH") versehen werden.
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f) Auch der Grundsatz der Einheit von Forschung und Lehre führt nicht dazu, dass wissenschaftliche Lehre institutionell zwingend an Universitäten gebunden ist und Fachhochschullehrern das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit folglich nicht zustehen kann.
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Lehre im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist nicht nur, was sich als kommuniziertes Resultat eigener Forschung erweist (vgl. Denninger, in: ders. u.a., AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 5 Abs. 3 I, Rn. 29 f.; Hailbronner, Die Freiheit der Forschung und Lehre als Funktionsgrundrecht, 1979, S. 164 f.). Für den Fachhochschullehrer folgt die Anforderung, die Forschungs- und Erkenntnisentwicklungen auf seinem jeweiligen Wissenschaftsgebiet permanent zu verfolgen, zu reflektieren, kritisch zu hinterfragen und für seine Lehre didaktisch und methodisch zu verarbeiten, schon aus der Formulierung der für Fachhochschulen gesetzlich normierten Aufgaben und Ausbildungsziele (vgl. hierzu BVerfGE 55, 261 <270 f.>). Sowohl an Universitäten wie an Fachhochschulen sind darüber hinaus Unterrichtstätigkeiten, die bloße Wissensvermittlung darstellen und die Weitergabe eigener und fremder Forschungsergebnisse zumeist untrennbar miteinander verknüpft. Würde man wissenschaftliche Lehre nur dann annehmen, wenn sie sich als Resultat eigener Forschung darstellt, wäre auch ein Großteil der Lehre an Universitäten nicht als wissenschaftlich zu qualifizieren, was dem Grundrechtsschutz für die Freiheit der Lehre nicht gerecht würde.
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Im Übrigen lässt sich die Einheit von Forschung und Lehre bei Fachhochschullehrern nicht pauschal verneinen, weil die Landeshochschulgesetze den Fachhochschulen Forschung als Aufgabe übertragen haben. Dass es sich nicht nur bei der Grundlagenforschung, sondern auch bei anwendungsbezogener Forschung um wissenschaftliche Forschung im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG handelt, hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1982 festgestellt und sich in diesem Zusammenhang gegen einen restriktiven, statischen und abschließend definierten Forschungsbegriff gewendet. Forschung "war schon immer nicht nur reine Grundlagenforschung, sondern setzte auch an bestimmten praktischen Fragestellungen an" (vgl. BVerfGE 61, 210 <252>).
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3. Anweisungen hinsichtlich der Lehre gegenüber einem als selbständigen Wissenschaftler bestellten Hochschullehrer berühren dessen Recht, sein Fach in Forschung und Lehre zu vertreten, und damit seine in Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Wissenschaftsfreiheit.
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Dabei wird die Freiheit der Lehre für den Hochschullehrer durch sein konkretes Amt bestimmt (vgl. BVerfGE 35, 79 <147>; 122, 89 <105 f.>; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. September 2003 - 4 S 1636/01 -, juris, Rn. 21).
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a) Die Wissenschaftsfreiheit ist vorbehaltlos gewährleistet. Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in die Wissenschaftsfreiheit, wie bei anderen vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten, mit Rücksicht auf kollidierendes Verfassungsrecht eingegriffen werden (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 57, 70 <99>), wobei es grundsätzlich auch insoweit einer gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl. BVerfGE 83, 130 <142>; 107, 104 <120>; 122, 89 <107>).
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Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit des Hochschullehrers können insbesondere durch das Ziel der - ihrerseits durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten - Erhaltung und Förderung der Funktionsfähigkeit der Hochschulen sowie des Schutzes anderer Grundrechtsträger gerechtfertigt sein (vgl. BVerfGE 55, 37 <68 f.>; 95, 193 <212>; 111, 333 <353 f.>; 122, 89 <114>). Insbesondere müssen die Universitäten und Fachbereiche ihre Aufgaben in Lehre und Forschung erfüllen können (vgl. BVerfGE 35, 79 <122>; 55, 37 <68 f.>; 122, 89 <114>). Zu berücksichtigen sind auch die in Art. 12 Abs. 1 GG verbürgten Grundrechtspositionen der Studierenden, da die Hochschulen nicht nur der Pflege der Wissenschaften dienen, sondern auch die Funktion von Ausbildungsstätten für bestimmte Berufe haben (vgl. BVerfGE 35, 79 <121 f.>; 55, 37 <68 f.>; 93, 85 <95>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Erstens Senats vom 7. August 2007 - 1 BvR 2667/05 -, NVwZ-RR 2008, S. 33 <33 f.>)
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b) Da die Lehre zu den dienstlichen Pflichten der Hochschulprofessoren gehört, sind Entscheidungen der zuständigen Hochschulorgane über die inhaltliche, zeitliche und örtliche Koordination der von der Hochschule anzubietenden Lehre und über die Verteilung und Übernahme von Lehrverpflichtungen grundsätzlich zulässig (vgl. BVerfGE 93, 85 <98>). Dabei genießt die auf Eigeninitiative und Freiwilligkeit beruhende Selbstkoordination der dem Fachbereich angehörigen Professoren als milderes Mittel den Vorrang gegenüber der Fremdbestimmung durch die zuständigen Hochschulorgane; erst wenn eine kollegiale Einigung nicht zustande kommt, weil beispielsweise keiner der unter Berücksichtigung ihres Dienstverhältnisses und nach Maßgabe ihrer Lehrverpflichtungen in Betracht kommenden Hochschullehrer zur Übernahme einer Lehrveranstaltung bereit ist, kann zur Deckung des notwendigen Lehrangebots eine einseitige Anweisung zur Durchführung der Lehrveranstaltung ergehen (vgl. BVerfGE 35, 79 <129>).
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c) Anordnungen hinsichtlich der vom Hochschullehrer zu haltenden Lehrveranstaltungen müssen sein Grundrecht auf Freiheit von Forschung und Lehre beachten, dessen inhaltlicher Bezugspunkt auch für den Fachhochschulprofessor durch sein konkret-funktionelles Amt bestimmt wird. Einfachgesetzlich ausgestaltet wird das konkret-funktionelle Amt durch § 43 HRG beziehungsweise durch die entsprechenden Vorschriften der Landeshochschulgesetze in Verbindung mit der Ausgestaltung des jeweiligen Dienstverhältnisses. Den verschiedenen Aufgaben und Profilen der Hochschulen beziehungsweise ihrer Organisationseinheiten kann so im Rahmen der jeweiligen Ausgestaltung der Dienstverhältnisse Rechnung getragen werden. Beschränkungen der Lehrfreiheit müssen sich in diesem gesetzlichen Rahmen halten. Hochschullehrern dürfen Aufgaben folglich "nur im Rahmen der für ihr Dienstverhältnis geltenden Regelungen übertragen werden" (vgl. BVerfGE 93, 85 <98>).
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Gegenständlich bestimmt und begrenzt ist demnach das konkret-funktionelle Amt eines Hochschullehrers gemäß § 43 HRG und den entsprechenden Regelungen in den Hochschulgesetzen der Länder nicht nur durch die der Hochschule übertragenen Aufgaben, sondern daneben durch das dem Hochschullehrer übertragene Fach. Zur Ermittlung der inhaltlichen Reichweite des übertragenen Faches kann auf die stellenplanmäßige Funktionsbezeichnung der Professur, die Berufungsvereinbarung, die Ernennungsurkunde und, soweit vorhanden, auf eine besondere Einweisungsverfügung sowie indiziell auf den Ausschreibungstext zurückgegriffen werden (vgl. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 743; Reich, Hochschulrahmengesetz, 10. Aufl. 2007, § 43 Rn. 1 und 2; Detmer, Das Recht der Universitätsprofessoren, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 2004, Rn. 159). Für die Frage, wie weit oder eng ein Fach zu verstehen ist, kann dabei auch auf den Kontext der Gesamtaufgaben einer Hochschule abgestellt werden; je spezialisierter und profilierter der wissenschaftliche Auftrag einer Hochschule ist, desto enger muss im Zweifel die jeweilige Fachbeschreibung verstanden werden. Es reicht dabei jedoch nicht, pauschal darauf abzustellen, ob es um die Fachbeschreibung in einer Fachhochschule oder einer Universität geht, sondern es muss der jeweils konkrete Kontext in Blick genommen werden, der auch innerhalb der verschiedenen Hochschulen differieren kann.
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d) Kern der vorbehaltlos gewährten Lehrfreiheit ist insbesondere die freie Wahl von Inhalt und Methode der Lehrveranstaltungen. Diese sind hier nicht betroffen.
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Eingriffe in die Lehrfreiheit bedürfen auch dann einer besonders gewichtigen Rechtfertigung durch entgegenstehendes Verfassungsrecht, wenn sie dem Hochschullehrer die Lehre des eigenen Fachs unmöglich machen (vgl. dazu BVerfGE 122, 89 <106 ff.>). Auch dafür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich.
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Wegen der Prägung der grundrechtlichen Lehrfreiheit durch das konkret-funktionelle Amt beeinträchtigt auch die Zuweisung von Lehraufgaben, die nicht mehr vom Lehrauftrag gedeckt sind, die Lehrfreiheit (vgl. dazu Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 5 Abs. 3 Rn. 341; Thieme, in: Hailbronner/Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Bd. 1, Stand: April 2003, § 43 Rn. 91, 94 und 95; Reich, Hochschulrahmengesetz, 10. Aufl. 2007, § 4 Rn. 21 und § 43 Rn. 1 und 2). Eine unbeschränkte Möglichkeit für die Hochschulorgane, dem Hochschullehrer fachfremden Unterricht abzuverlangen, würde nicht nur dessen durch die Lehre des eigenen Faches bestimmter Lehrfreiheit nicht gerecht, sondern könnte auch zur Sanktionierung missliebiger Lehre im eigenen Fach benutzt werden (vgl. dazu BVerfGE 122, 89 <107>).
- 62
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Ob die Grenzen der Zuweisung fachfremder Lehre im vorliegenden Fall tatsächlich überschritten sind, ist streitig und durch die Verwaltungsgerichte im Hauptsacheverfahren zu klären.
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II.
- 63
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Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts verletzt den Beschwerdeführer im Blick auf seine Wissenschaftsfreiheit nicht durch Gewährleistung eines unzureichenden vorläufigen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 i.V.m. Art. 5 Abs. 3 GG).
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1. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes verlangt grundsätzlich die Möglichkeit eines Eilverfahrens, wenn ansonsten dem Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung seiner Rechte droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfGE 79, 69 <74>; 93, 1 <14>). Dies gilt gleichfalls für Anfechtungs- wie für Vornahmesachen. Die Entscheidungen dürfen sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Hierbei ist dem Gewicht der in Frage stehenden und gegebenenfalls miteinander abzuwägenden Grundrechte Rechnung zu tragen, um eine etwaige Verletzung von Grundrechten nach Möglichkeit zu verhindern.
- 65
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2. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts wird diesen Grundsätzen noch gerecht. Das Oberverwaltungsgericht geht in seinem Beschluss auf aus Grundrechten des Beschwerdeführers folgende mögliche Abwehransprüche allerdings nicht ausdrücklich ein. Es stellt aber fest, dass § 43 HRG und die entsprechenden Regelungen des Landeshochschulgesetzes (§ 32 Abs. 2, § 57 LHG M-V) "einfachgesetzlicher Ausdruck der verfassungsrechtlichen Freiheit von Forschung und Lehre (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG)" sind. Jedenfalls implizit berücksichtigt es bei seiner Entscheidung damit auch die Grundrechtsposition des Beschwerdeführers. Dass es die Vorschrift gleichzeitig auch als Konkretisierung der sich aus dem - ebenfalls in der Verfassung verankerten (vgl. Art. 33 Abs. 5 GG) - öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis ergebenden Pflichten der Hochschullehrer als Beamter sieht, widerspricht dem nicht, da die Wissenschaftsfreiheit des Hochschullehrers auch durch sein konkretes Amt und die mit diesem verbundenen Pflichten geprägt wird.
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Auf dieser Grundlage hat sich das Gericht im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes um eine Aufklärung der Frage bemüht, ob die zugewiesenen Lehraufgaben noch vom Lehrauftrag des Beschwerdeführers umfasst sind.
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Zwar wäre es bei einem interdisziplinären Studiengang, der Grundlagenfächer sehr unterschiedlicher Art umfasst, nicht ausreichend, allein aufgrund des Ausschreibungstextes für die Professur des Beschwerdeführers oder unter Bezugnahme auf die Tatsache, dass der Beschwerdeführer als Student bestimmte Vorlesungen besucht hat, eine Verpflichtung zur Übernahme der Lehre in Grundlagenfächern zu bejahen. Das Oberverwaltungsgericht hat sich indes bemüht, auch weitere Erkenntnisquellen heranzuziehen, und so ausdrücklich auf die im Widerspruchsverfahren eingeholten Auskünfte anderer Hochschulen zur Frage, was Gegenstand vergleichbarer Studiengänge sei, in der Begründung seiner Eilentscheidung Bezug genommen.
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Das Gericht durfte außerdem das Recht und die Pflicht des Fachbereichs berücksichtigen, durch die Koordination der Lehre die eigene Funktionsfähigkeit zu erhalten. Der Zuweisung der Lehraufgaben durch den Fachbereich lag dabei notwendig auch die Einschätzung des in dieser Hinsicht besonders sachverständigen Fachbereichs zu Grunde, dass der Beschwerdeführer zur Übernahme der Lehre in den betreffenden Grundlagenfächern in der Lage sein würde.
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Außerdem konnte das Gericht aus der erklärten Bereitschaft des Beschwerdeführers, Vorlesungen in der Darstellenden Geometrie zu übernehmen, wenn seine Professur auf die Besoldungsgruppe C 3 angehoben würde, entnehmen, dass eine entsprechende Übernahme bis zur Entscheidung in der Hauptsache jedenfalls nicht unzumutbar ist.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der am 17. Mai 1951 in N. geborene Beklagte war nach dem Abitur für zwei Jahre als Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr. Vom Wintersemester 1971/72 bis zum Wintersemester 1976/77 studierte er die Fächer Deutsch und Erdkunde. Das Erste Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien bestand der Beklagte am 18. November 1976 mit Auszeichnung. Den Vorbereitungsdienst absolvierte er ab September 1977. In der Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien erzielte er am 13. März 1979 die Gesamtnote „gut“. Er wurde mit Wirkung vom 3. August 1979 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Studienrat z. A. ernannt. Mit Wirkung vom 3. August 1981 wurde ihm die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen. Durch Verfügung vom 5. Juni 1987 wurde er zum Oberstudienrat, unter dem 22. November 1995 zum Studiendirektor als Fachleiter zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben und mit Wirkung vom 1. August 1997 zum Studiendirektor als ständiger Vertreter des Leiters eines voll ausgebauten Gymnasiums mit mehr als 360 Schülern ernannt. Ab August 1998 war er mit der Wahrnehmung der Aufgabe des Leiters eines voll ausgebauten Gymnasiums mit mehr als 360 Schülern am Städtischen Gymnasium im Schulzentrum B. in C. T. beauftragt. Am 19. Juli 1999 erfolgte die befristete Ernennung zum Oberstudiendirektor und Schulleiter, die mit Wirkung zum 2. August 2001 für die Dauer von acht Jahren verlängert wurde. Mit Schreiben vom 27. Januar 2006 verzichtete der Beklagte auf die ihm nach Vollendung des 55. Lebensjahres zustehende Altersermäßigung, da er beabsichtigte, von der Möglichkeit der Altersteilzeit ab Vollendung des 59. Lebensjahres Gebrauch zu machen.
3Im Frühjahr 2006 wurde beim Beklagten eine Lungenkrebserkrankung diagnostiziert. Der im pathologischen Befund vom 26. Juni 2006 als „typisches Carcinoid“ bezeichnete Tumor wurde bei einer Operation am 22. Juni 2006 vollständig entfernt. Nach den Schulferien (23. Juni bis zum 8. August 2006) war der Beklagte bis zu seiner Suspendierung am 4. Juli 2008 weiter als Schulleiter tätig. Am 21. September 2006 wurde bei dem Beklagten ein Grad der Behinderung von 80 mit Wirkung vom 31. Juli 2006 festgestellt. Der Beklagte nahm daraufhin die ihm zustehende Regelermäßigung i. H. v. 3 Wochenstunden ab dem 16. Oktober 2006 in Anspruch. Zusätzlich machte er einen Bedarf i. H. v. drei weiteren Wochenstunden für die Dauer der Gültigkeit des Schwerbehindertenausweises bis September 2011 geltend. Dies begründete er damit, dass er an den Auswirkungen eines Teilverlusts der Lunge im Stadium der Heilungsbewährung leide und unter ständiger medizinischer Betreuung stehe. Um Fehlzeiten auszuschließen, benötige er die weitere Reduktion dringend. Seinem Antrag wurde unter dem 26. September 2006 in vollem Umfang stattgegeben. Ein amtsärztliches Gutachten vom 10. September 2009 stellte einen Zustand nach Lungentumor und Operation sowie eine depressive Entwicklung fest. Der Beklagte wurde mit Ablauf des 31. Dezember 2009 wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt.
4Nach der dienstlichen Beurteilung vom 6. Mai 1998 entsprachen die Leistungen des Beklagten den Anforderungen im besonderen Maße (sehr gut). Die Beurteilung vom 25. Juli 2001 anlässlich eines Beamtenverhältnisses auf Zeit als Oberstudiendirektor als Schulleiter eines Gymnasiums kam zu dem Ergebnis, dass der Beklagte sich während der zweijährigen Leitungstätigkeit bewährt hatte.
5Der Beklagte ist in zweiter Ehe verheiratet. Aus dieser Ehe ist ein 1983 geborener Sohn hervorgegangen. Er ist mit einem Grad der Behinderung von 80 schwerbehindert.
6Mit Ausnahme des hier zu beurteilenden Sachverhalts ist der Beklagte bisher weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten.
7Am 10. Mai 2006 teilte die T1. – Medien AG aus C1. dem dortigen Polizeipräsidium mit, dass im Rahmen einer Überprüfung wegen Auffälligkeiten im Datentransfervolumen auf ihrem Server kinderpornographisches Bildmaterial festgestellt worden sei. Durch das Landeskriminalamt C1. wurden die Benutzerdaten zu den zugeordneten Log-Files angefragt. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass am 6. Mai 2006 zwischen 17:18 Uhr und 17:43 Uhr und am 7. Mai 2006 von 20:25 Uhr bis 20:38 Uhr und erneut um 21:05 Uhr von einer IP-Adresse, die dem Sohn des Beklagten zugeordnet war, Bilddateien von der betroffenen Domain heruntergeladen worden waren. Von diesen Dateien sind rund 80 Bilder ausgedruckt und als Bildanlage dem Bericht des LKA C1. vom 14. Juni 2007 beigefügt worden. Unter diesen Bildern sind auch einige, bei denen das Geschlechtsorgan der abgebildeten Mädchen in den Vordergrund gerückt ist. U. a. handelt es sich um die Dateien JANETH–07_S.JPG, LOLA121_S.JPG,LP–1640_S.JPG, 9_S.JPG, 0016_S.JPG, 00001_S.JPG und LP.0934_S.JPG.
8Am 14. Dezember 2007 wurde im Rahmen einer Hausdurchsuchung der Computer des Beklagten sichergestellt. Auf seiner Festplatte wurden u. a. mehr als 15.000 Bilddateien mit sexuellem Inhalt gefunden. Der Beklagte hatte diese Bilddateien in mehreren Unterverzeichnissen abgelegt. So gab es einen Ordner „LOL“, dessen Inhalt, der offenbar nach dem Alter der abgebildeten Mädchen sortiert war, nach der im Rahmen der Auswertung des Computers erstellter „Auflistung der Ordnerpfade“ lautete:
9„LOL
10---11
11---12
12---12 + 14 Strand
13---12 _ 13 – Ficken
14---12-Ficken
15---13
16---13 F+B (Comic)
17---13_16 Möse_Arsch lecken_
18---14
19---Nackt 14
20---15
21---15-bM
22---15–nT
23---Neuer Ordner
24---Neuer Ordner 14
25---16
26---16–bM
27---16–bM 2
28---16–bM 3
29---Miriam P._
30---bruschwe A_
31---Lesben–Vergew
32---LOL
33---13 + 15 – blanke Mösen (Tür)
34---lol001
35---12–bM
36---lsm02–05–046
37---Marina (bek) verzerrt
38---Schwägerin
39---Sigrun
40---Strip Bambusvase
41---Strip Garage
42---Transfer
43---15-Annablanke Möse
44---15-blanke Möse
45---15-n“
46Des Weiteren gab es einen Ordner „Junge Girls“, in dem sich unter anderem folgende Unterordner befanden:
47„Junge Girls
48---10
49---10–Alina–blanke Pflaume_+
50---10–Beate–blanke Pflaume_+
51---10-Carmen_+
52---10–Eva–blanke Pflaume_
53---10-Linda-blanke Pflaume_+
54---10-Paula-blanke Pflaume_
55---10-Ricarda-blanke Pflaume _+
56---10-Sandra-blanke Pflaume_
57---Originale
58---10-Svenja-blanke Pflaume_
59---10-Vera-blanke Pflaume_
60---10-Yvonne-blanke Pflaume“
61Weitere Unterordner lauteten „14“, „15“, „16“ und „17“.
62Dem Vermerk der Direktion Kriminalität KK31, IT–Ermittlungsunterstützung, vom 13. März 2008 wurde außerdem ein Ausdruck der in dem Unterordner „10-Alina–blanke Pflaume_+“ abgelegten Dateien beigefügt. In dem Vermerk ist aufgeführt, dass die Abbildungen unter den folgenden Dateinamen abgespeichert waren:
63„Zeig mir gleich deinen kleinen Schlitz, Alina“„Zieh dich ganz aus! Zeig mir deine Spalte richtig!“
64„Mach die Beine breit und zeig deine Pflaume vor!“
65„Zieh dich gleich nackt aus, Alina!“
66„Nimm die Beine weit auseinander!“
67„Ja, so kann ich deine Spalte gut sehen!“
68„Eine schön geschlitzte Pflaume hast du, Alina!“
69„Eine schön geschlitzte Pflaume hast du, Alina!_“
70„Mach die Beine ganz breit + zeig diene Pflaume vor!“
71„Nimm die Hände hinter den Kopf!“
72Am 22. Dezember 2008, rechtskräftig seit dem 11. August 2009, verurteilte das Amtsgericht E. (Az.: 2 Ds 41 Js 613/07 – 695/08) den Beklagten wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen, wobei es auf Grund der Beweisaufnahme folgenden Sachverhalt feststellte:
73„II.Anlässlich einer von Polizeibeamten am 14. Dezember 2007 vorgenommenen Durchsuchung seiner Wohnung befand sich der Angeklagte im Besitz eines PC, auf dessen Festplatte sich – abgesehen von ca. 15.000 strafrechtlich nicht zu beanstandenden pornografischen Dateien und Pornografie mit Darstellungen im Grenzbereich zur Kinderpornografie – 8 eindeutig kinderpornografische Bilddateien befanden. Diese Dateien zeigten zur sexuellen Stimulierung des entsprechend veranlagten Betrachters unbekleidete Mädchen, die ersichtlich jünger als 14 Jahre alt waren, die sexuell missbraucht werden und in von außen veranlasster anreißerischer Pose vaginalen bzw. oralen Geschlechtsverkehr ausführen.
74III.Dieser Sachverhalt steht nach Durchführung der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung fest, deren Umfang sich aus dem Sitzungsprotokoll ergibt. Der Angeklagte hat eingeräumt, dass es sich bei dem PC mit den inkriminierten Dateien um seinen PC handelte, den er genutzt hat. Im Übrigen hat sich der Angeklagte nicht zur Sache eingelassen. Er ist der Tatbegehung, insbesondere auch der Kenntnis von den kinderpornografischen Dateien, durch die Beweisaufnahme überführt. Nach dem detaillierten Bericht des mit der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten befassten Zeugen C2. fanden sich schon beim Hochfahren des PC auf dem Desktop pornografische Darstellungen. Auch im Schreibtisch des Angeklagten lagen pornografische Bilder. Der Angeklagte habe auch gleich beim Betreten des Arbeitszimmers mit den Polizeibeamten die Tür hinter sich zugezogen, um zu verhindern, dass seine Frau und sein Sohn ihnen folgen. Die Interessen des Angeklagten gingen somit eindeutig in den Bereich der Pornografie. Die Auswertung des dann durch die Polizei sichergestellten PC durch den Zeugen X. ergab dann, dass ein Benutzer „k. i. “, also mit dem Namen des Angeklagten, eingerichtet war. Zu diesem Benutzer sind Ordner und Unterordner angelegt worden. Insgesamt seien 15.000 pornografische Dateien gespeichert gewesen. Die Ordner und Unterordner waren entsprechend ihrem Darstellungsinhalt benannt. Zum Beispiel seien in dem Ordner „W. und X1. “ tierpornografische Szenen gespeichert. Die Ordnerbezeichnung Vato sei die Abkürzung für Vater/Tochter mit entsprechenden pornografischen Szenen. Zudem seien eindeutige Dateinamen vergeben worden. All diese Ordner–, Unterordner und Dateinamen zeugten von einer peniblen Akribie, mit der über einen längeren Zeitraum hier Datenträger gesammelt, sortiert, den entsprechenden Themen zugeordnet und benannt wurden. Es waren Unterordner mit Zahlen benannt, z. B. „13 + 15“, wobei die Zahlen für das scheinbare Alter der abgebildeten Kinder standen. Aus diesen Gründen ist es ausgeschlossen, dass dem Angeklagten die auf seiner Festplatte gespeicherten acht kinderpornografischen Dateien, wie sie auf den Lichtbildern Bl. 53 und 54 der Gerichtsakte ersichtlich sind, nicht bekannt gewesen sind. Zudem fanden sich unter den gespeicherten Dateien zahlreiche Bilddateien auf der Grenze zur Kinderpornografie, Bl. 19 ff. der Gerichtsakte, was belegt, dass die Interessenrichtung des Angeklagten in diesem Bereich lag. Der Zeuge X. hat klar bekundet, dass es weitere Bilddateien gab, auf denen pornografische Szenen dargestellt waren und auf denen Kinder abgebildet waren, die an den pornografischen Handlungen direkt nicht beteiligt waren. Das Gericht hat keinerlei Veranlassung, den klaren Angaben des Zeugen, die auch belegt werden durch das in der Akte befindliche weitere Bildmaterial, nicht zu glauben. Es ist auszuschließen, dass der Angeklagte etwa über das kinderpornografische Angebot nur „gestolpert“ wäre. Vielmehr hat e[r] sich für die Bilddateien interessiert und sie heruntergeladen.
75Der Angeklagte hat sich damit des Besitzes kinderpornografischer Schriften gemäß § 184 Buchst. b IV StGB strafbar gemacht. Es handelte sich bei den acht Bilddateien um pornografische Schriften, die den Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben, da die Personen ersichtlich unter 14 Jahre alt sind. Der Angeklagte hatte Besitz an diesen Dateien, da er sie auf seiner Festplatte gespeichert hatte. Er war sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme des Besitzes dieser Schriften ebenso bewusst wie ihres kinderpornografischen Inhalts.“
76Die acht der Verurteilung zugrunde liegenden Bilddateien, die in der Strafakte auf den Seiten 53 und 54 als kinderpornographisch markiert worden waren, wurden am 3. Januar 2006 (vier Bilder), am 6. April 2006 (ein Bild), am 12. April 2007 (zwei Bilder) und am 8. Dezember 2007 (ein Bild) auf der Festplatte des Computers des Beklagten gespeichert.
77Nach Bekanntwerden des strafrechtlichen Vorwurfs leitete die Bezirksregierung E1. am 21. April 2008 gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren ein. Durch Verfügung vom 4. Juli 2008 wurde er nach § 38 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW vorläufig des Dienstes enthoben. 25 % seiner Dienstbezüge wurden einbehalten.
78Nachdem der Beklagte die Berufung gegen das Strafurteil zurückgenommen hatte, teilte ihm der Kläger am 4. März 2010 mit, dass die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts E. aus dem Urteil vom 22. Dezember 2008 der Entscheidung im Disziplinarverfahren zugrunde gelegt würden. In der mündlichen Anhörung am 14. Juni 2010 räumte der Beklagte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe ein, soweit sie durch das Strafurteil bereits festgestellt waren. Er habe die Taten an einem einzigen Wochenende Anfang Mai 2006 begangen, nachdem er aufgrund blutigen Auswurfs beim Husten die Vermutung gehabt habe, an Lungenkrebs erkrankt zu sein. Er habe die erotischen Bilder im Internet als Ablenkung betrachtet. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 21. Juni 2010 machte er geltend, in einer psychischen Ausnahmesituation “in Vollzug einer nicht bewusst gesteuerten Ablenkungsstrategie“ gehandelt zu haben. Der ihn behandelnde Psychotherapeut erkläre dieses Verhaltensmuster als in derartigen psychischen Ausnahmesituationen typische negative Verstärkung. Er habe in dieser Situation exzessiv gesurft und auf den genannten Internetseiten durch entsprechende Verlinkung unkritisch Dateien kinderpornographischen Inhalts heruntergeladen. Im Rahmen dieses extrem hohen Anspannungszustands und unter der beherrschenden Angst, an einer bösartigen Erkrankung zu leiden, seien solche Strategien zum Spannungsabbau durchaus plausibel. Dies werde im Übrigen nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass er an die konkreten Dateien keinerlei Erinnerung habe. Das Herunterladen der strafrechtlich relevanten Dateien habe sich auf ein Wochenende konzentriert. Auch dies bestätige, dass er nicht schuldfähig bzw. allenfalls beschränkt schuldfähig gewesen sei. Er sei in dem damaligen konkreten Zeitpunkt, in der seinerzeitigen affektiven Episode, in der damaligen psychischen Befindlichkeit nicht wie sonst in der Lage gewesen, sein Verhalten zu steuern. Ihm habe das Bewusstsein dafür gefehlt, dass er an dem fraglichen Wochenende auch kinderpornographische Bilddateien heruntergeladen und abgespeichert habe. Zum Beweis dieser Zusammenhänge möge sein Therapeut, Dr. G. , vernommen werden.
79Die Klägerin lehnte den Beweisantrag mit Schreiben vom 18. August 2010 unter Bezugnahme auf die Bindungswirkung des strafgerichtlichen Urteils und mit einem Hinweis darauf, warum ihres Erachtens Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit bzw. verminderte Schuldfähigkeit zur Tatzeit fehlten, ausführlich begründet ab. Die Gleichstellungsbeauftragte teilte unter dem 23. März 2011 mit, keine Einwände gegen die Erhebung der Disziplinarklage zu haben. Der Vorsitzende des Personalrats erklärte unter dem 7. April 2011, dass der Personalrat der Erhebung der Disziplinarklage zustimme. Nachdem der Beklagte auf Anfrage die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gewünscht hatte, stimmte der Vertrauensmann der schwerbehinderten Lehrkräfte an Gymnasien unter dem 1. Mai 2011 der Erhebung der Disziplinarklage zu.
80Am 7. Mai 2011 hat der Kläger Disziplinarklage erhoben. Dabei hat er als Dienstvergehen zunächst auch den Besitz von insgesamt 102 Bilddateien angeführt, bei denen es sich in der Mehrheit um zum Tatzeitpunkt nicht von § 184b StGB erfasste sog. „Posing–Bilder“ gehandelt habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger klargestellt, dass lediglich der Besitz der acht der strafrechtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Bilddateien Gegenstand der Anschuldigung sein soll.
81Der Kläger hat beantragt,
82dem Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen.
83Der Beklagte hat beantragt,
84auf eine mildere Disziplinarmaßnahme unterhalb der Aberkennung des Ruhegehalts zu erkennen.
85Er habe im Zeitpunkt der strafrechtlich geahndeten Tat – am Wochenende des 6./7. Mai 2006 – in einer einmaligen psychischen Ausnahmesituation aufgrund der seinerzeit zeitgleich diagnostizierten Krebserkrankung gehandelt. Er sei nicht oder allenfalls eingeschränkt in der Lage gewesen, sein Verhalten verantwortlich zu steuern und sei nicht oder nur vermindert schuldfähig gewesen. Er habe seit dem Auftreten der Symptome, im weiteren durch die nachfolgenden bestätigenden Diagnosen, an bisher nicht gekannten, schwerwiegenden depressiven Stimmungsschwankungen, an starken Ängsten und existenziellen Sorgen gelitten. Im Übrigen seien die sozialen Auswirkungen des Geschehens für ihn und seine Familie verheerend. Es habe eine exzessive Medienberichterstattung gegeben. Eine rechtsradikale Gruppierung habe Flugblätter mit seinem Bild verteilt und vor seinem Haus mit der Forderung „Todessstrafe für Kinderschänder“ demonstriert. Hinzu kämen die soziale Isolation und der Verlust aller vorher in Vereinen und Parteien bzw. im kommunalpolitischen Raum innegehabten Funktionen, Ämter und Bezüge. Diese Umstände wirkten sich mildernd aus. Auch sei zu berücksichtigen, dass er infolge all der Geschehnisse schwerwiegend psychisch erkrankt sei. Zudem habe das in seiner Lunge festgestellte Karzinoid einen Durchmesser von knapp sechs Zentimetern besessen. Es sei bekannt, dass Karzinoide vermehrt das Hormon Serotonin, das auch die Sexualfunktionen mit beeinflusse, ausstießen. Angesichts der festgestellten Größe des Karzinoids sei davon auszugehen, dass es regelmäßig relativ hohe Mengen an Serotonin ausgeschüttet habe, er sich mithin nicht nur in einem psychischen, sondern auch einem physischen Ausnahmezustand befunden habe.
86Der Beklagte hat im Rahmen der Klageerwiderung einen ärztlichen Befundbericht vom 23. Juni 2009 „zur Vorlage beim amtsärztlichen Dienst bei Antrag auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand aus beruflichen Gründen“ des Dr. med. K. G. , ärztlicher Psychotherapeut, vorgelegt. Hierin wurde eine „mittelgradige depressive Episode (ICD-10 F 32.1) bei narzisstischen Persönlichkeitsanteilen als Reaktion auf berufliche Veränderung und Z. n. Lungenteilresektion wegen Lungenkarzinoids 2006 (pT2 pNO G1 RO MO)“ diagnostiziert. In den Ausführungen heißt es unter anderem:
87„Der 57jährige, normgewichtige und altersentsprechend gekleidete Schulleiter eines Gymnasiums kam im Juli 2008 auf Anraten seines Hausarztes mit dem Wunsch nach Beginn einer ambulanten Psychotherapie und berichtete dabei: ‚Mein Leben ist in den letzten beiden Jahren kaputt gegangen‘. 2006 sei bei ihm Lungenkrebs festgestellt worden. Zuvor sei er nie krank gewesen, habe vielleicht drei Tage gefehlt. Er habe nach der erforderlichen Lungenteilentfernung auf eine Kur verzichtet und gleich nach den Ferien wieder den Dienst aufgenommen. Er habe sich durch die Arbeit gut ablenken können. Jetzt sei er ‚völlig abgeklappt‘, da man ihn wegen eines gegen ihn laufenden Strafverfahrens vom Dienst freigestellt habe. Für ihn sei eine Welt zusammen gebrochen, er weine seither oft, sei völlig nah am Wasser gebaut, mitunter fühle er sich von Emotionen überwältigt, Stichwörter und bestimmte Gedanken reichten schon als Auslöser für Weinanfälle.“
88Zudem legte der Beklagte eine ärztliche Stellungnahme desselben Arztes vom 25. April 2010 „zur mutmaßlichen Situation im April/Mai 2006“ vor. Hierin heißt es:
89„Wie Ihnen Herr I. bereits selbst dargelegt haben dürfte, kam es Ende April 2006 erstmalig aus heiterem Himmel zu sog. Hämoptysen (Blutbeimengungen im Auswurf). Er hat daraufhin im Internet über die möglichen Ursachen solcher Blutbeimengungen recherchiert und kam dabei u. a. auf die dann später ja auch zutreffende Diagnose eines möglicherweise bösartigen Lungentumors… Dass es sich ‚nur‘ um ein Lungenkarzinoid, also einen praktisch nie metastasierenden Lungentumor handelte, konnte er zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht wissen.
90Die extrem hohe Anspannung in diesen Tagen zwischen eigenen Recherchen (konsekutive Gedanken wie ‚ich habe sehr wahrscheinlich einen bösartigen Lungentumor und sterbe womöglich bald‘) und weiterführender Diagnostik mit Computertomografie und Lungenspiegelung konnte Herr I. dabei durch ablenkendes Surfen auf erotischen und pornografischen Internetseiten reduzieren, eine Ablenkungsstrategie, die er auch im Vorfeld, wenn auch nicht so häufig und intensiv, bei Stress zum Anspannungsabbau erfolgreich verwendet hatte.
91Verhaltenstherapeutisch formuliert handelt es sich dabei um sog. Negative Verstärkung, d.h. ein Verhalten (hier: exzessives Betrachten pornografischer Bilder) wird dadurch häufiger, dass eine negative Konsequenz (hier: eine extrem hohe innere Anspannung, z.B. als Folge des Verdachtes, an einer bösartigen Krankheit zu leiden) wegfällt.
92Dass es Anfang Mai, also im besagtem Zeitraum zwischen ersten Symptomen und Diagnosestellung beim exzessiven Surfen auf oben genannten Internetseiten durch entsprechende Verlinkung zum unkritischen Herunterladen kinderpornografischer Seiten kam, ist m.E. im Rahmen dieses extrem hohen Anspannungszustandes bei Angst, an einer bösartigen Erkrankung mit womöglich schnell zum Tode führenden Verlauf zu leiden, durchaus nachvollziehbar.
93Andere Strategien zum Spannungsabbau standen ihm damals offensichtlich nicht zur Verfügung.“
94Das Verwaltungsgericht hat u. a. einen Screenshot der Verzeichnisstruktur der in den Strafakten befindlichen Datensicherungs-DVD zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
95Mit Urteil vom 16. Februar 2012, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht dem Beklagten das Ruhegehalt aberkannt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe sich durch den strafbaren Besitz kinderpornographischer Schriften eines sehr schweren Dienstvergehens schuldig gemacht. Ein solches (außerdienstliches) Verhalten sei von seinem Gewicht her grundsätzlich geeignet, einen endgültigen Vertrauens- und Ansehensverlust herbeizuführen und damit die Verhängung der Höchstmaßnahme zu rechtfertigen. Auf Milderungsgründe, die ausnahmsweise ein Absehen von der Dienstentfernung rechtfertigen könnten, könne sich der Beklagte nicht erfolgreich berufen. Insbesondere könne er nicht darauf verweisen, dass er sich zum Zeitpunkt des Herunterladens der Bilder aufgrund der zuvor diagnostizierten Krebserkrankung in einer psychischen Ausnahmesituation befunden habe, die möglicherweise selbst seine Schuldfähigkeit tangiert habe. Ihn entlaste auch nicht erheblich, dass nur eine relativ geringe Anzahl kinderpornographischer Bilder Gegenstand der Verurteilung gewesen sei. Dem Beklagten komme schließlich nicht der Milderungsgrund der freiwilligen vorbehaltslosen und vollständigen Offenbarung vor Tatentdeckung zugute. Zu Lasten des Beklagten müsse gewertet werden, dass er als Schulleiter nicht nur eine herausgehobene Stellung an seiner Schule gehabt habe, sondern bis zu seiner Suspendierung gerade auch für Kinder in dem Alter verantwortlich gewesen sei, die zu dem von § 184b StGB geschützten Personenkreis gehörten.
96Gegen das ihm am 21. Februar 2012 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 21. März 2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, er habe im erstinstanzlichen Verfahren angegeben, dass er die Bilddateien, die Gegenstand der strafrechtlichen Verurteilung gewesen seien, an einem bestimmten Wochenende und im zeitlichen Zusammenhang mit der Offenbarung seiner Krebsdiagnose heruntergeladen habe. Dies sei die vermeintliche Erkenntnis aus den Akten des Strafverfahrens gewesen. Hiervon sei er auch ausgegangen, weil er sich konkret an die fraglichen Bilddateien und ihre Bedeutung nicht habe erinnern können. Es sei für ihn die einzige Erklärung gewesen, eben weil er keine Affinität zu kinderpornographischen Darstellungen habe. Sowohl er selbst als auch sein Anwalt hätten es dabei bewenden lassen und darauf verzichtet, die Bilddateien konkret und gesondert auszuwerten. Für ihn in Betracht kommende Milderungsgründe seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Eine Kürzung seiner Ruhestandsbezüge sei tat- und schuldangemessen. Das Fehlverhalten sei eindeutig dem außerdienstlichen Bereich zuzuordnen. Es fehle an einem unmittelbaren dienstlichen Zusammenhang. Es gehöre zudem zum höchstpersönlichen privaten, nicht über seine Intimsphäre hinausgehenden Bereich. Es habe an jedweder Außenwirkung gefehlt, wenngleich der Schutzzweck der Strafrechtsnorm sich auf den vorausgegangenen anderweitig verwirklichten Missbrauch der Minderjährigen beziehe, die bei der Aufnahme der Bilddateien geschädigt worden seien. Gegenstand der strafrechtlichen Sanktionen sei zudem eine vergleichsweise geringe Anzahl von Bilddateien gewesen. Vor dem Hintergrund der Vielzahl von persönlich gesammelten erotischen oder in Einzelfällen pornographischen Bilddateien, die jedenfalls nicht strafrechtlich relevant und für sich genommen einer disziplinarrechtlichen Würdigung nicht zugänglich seien, könne keine besondere Ausprägung und auch keine spezifische Orientierung angenommen werden. Deshalb sei von einer gemilderten Schuld auszugehen. Auch die sozialen Folgen seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Dies gelte vor allem für die soziale Entwurzelung im vorhandenen Umfeld und die öffentlich-mediale, übersteigerte Vernichtung seines Ansehens. Eine Würdigung der elementaren und schicksalhaften Folgen des Fehlverhaltens für seine berufliche und soziale Existenz und die seiner Familie könnten es im konkreten Zusammenhang als ausreichend und noch angemessen erscheinen lassen, statt der Aberkennung der Ruhestandsbezüge eine Kürzung vorzunehmen.
97Der Beklagte hat beantragt,
98das angefochtene Urteil zu ändern und auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
99Der Kläger hat beantragt,
100die Berufung zurückzuweisen.
101Mit Urteil vom 28. September 2016 hat der Senat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Er hat u. a. festgestellt, dass der Beklagte die acht strafrechtlich relevanten kinderpornographischen Darstellungen nicht an einem einzigen Wochenende Anfang Mai 2006, sondern vier Bilder am 3. Januar, ein Bild am 6. April 2006 und zwei weitere Bilder am 12. April 2007 sowie ein Bild am 8. Dezember 2007 heruntergeladen hat. Vor diesem Hintergrund könne nicht von einer so genannten negativen Lebensphase ausgegangen werden. Anzeichen für eine verminderte Schuldfähigkeit des Beklagten fehlten. Auch ein etwaig erhöhterSerotoninspiegel aufgrund einer Produktion dieses Botenstoffs durch das Karzinoid, das sich in der Lunge des Beklagten gefunden habe, führe zu keinem anderen Ergebnis. Dass Auswirkungen einer solchen Hormonausschüttung zu einer krankhaften seelischen Störung, einer tief greifenden Bewusstseinsstörung, Schwachsinn oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit geführt hätten, sei weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Derartiges erscheine auch angesichts der unbeanstandeten Wahrnehmung des Dienstes durch den Beklagten kaum nachvollziehbar. Das gelte auch, soweit Serotonin nach Auffassung des Beklagten ausgerechnet zum Herunterladen und Abspeichern kinderpornographischer Darstellungen habe führen sollen. Dessen ungeachtet habe Serotonin primär eine hemmende Wirkung auf das Sexualverhalten und die Sexualfunktionen.
102Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. Februar 2017 das Urteil des Senats vom 28. September 2016 aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Der Senat habe das Vorbringen des Beklagten zum Vorliegen einer krankhaften Störung nicht unter Hinweis auf einen Wikipedia-Eintrag und die auch ohne sachverständige Begutachtung sichere Überzeugung des Senats abtun dürfen. Vielmehr habe er die Frage einer Minderung der Schuldfähigkeit des Beklagten aufklären müssen. Hierzu bedürfe es in der Regel besonderer ärztlicher Sachkunde. Für die in Rede stehenden medizinischen Fachfragen gebe es keine eigene, nicht durch entsprechende medizinische Sachverständigengutachten vermittelte Sachkunde des Richters. Ferner könne das Vorliegen einer krankhaften Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit auch unterhalb der Schwelle einer seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB für die Gesamtwürdigung von Bedeutung sein. Dies gelte vorliegend umso mehr, als die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme für ein außerdienstlich begangenes Dienstvergehen, das von den Strafgerichten nur mit einer Geldstrafe im unteren Bereich geahndet worden sei, nur ausnahmsweise und bei Vorliegen disziplinarrechtlich bedeutsamer Umstände in Betracht komme. Diese dürften sich jedenfalls nicht aus den Umständen der Tatbegehung ergeben. Nach Anzahl, Art und Inhalt der abgeurteilten Bilddateien, dem Alter der betroffenen Kinder und der Form des abgebildeten Missbrauchs lägen die vom Beklagten begangenen Taten im deutlich unteren Bereich der möglichen Begehungsformen einer Straftat nach § 184 Buchst. b Abs. 4 StGB a. F. und wiesen daher für sich genommen noch nicht den für die Verhängung der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme erforderlichen Schweregrad auf.
103In dem fortgeführten Berufungsverfahren hat der Beklagte in einer persönlichen schriftlichen Erklärung zunächst u. a. Folgendes geltend gemacht:
104„Ich befand mich seit 1998 in einer lang andauernden Überlastungssituation auf der Arbeit, da ich neben meiner neu übernommenen Schulleitertätigkeit auch noch Moderator für Schulleiter Fortbildungen war. Ich hatte also erheblichen Druck dadurch, was ich für meinen Dienstherrn zu leisten hatte. Darüber hinaus machte ich mir persönlich noch besonderen Druck, da ich einen sehr hohen Anspruch an meine dienstliche Aufgabenverrichtung hatte und alles optimal machen wollte. Dasselbe Leistungsverständnis führte mich auch dazu, die ärztlich empfohlene Reha-Maßnahme nach meiner Krebsoperation auszuschlagen, um meiner Schule zum Schuljahresbeginn zur Verfügung zu stehen. Während meiner Krebserkrankung habe ich meiner Erinnerung nach nur neun Tage gefehlt. Ich erwähne diese Beispiele nur, um zu illustrieren, dass ich mich schon eine erhebliche Zeit vor den Vorfällen in einer starken beruflichen Belastungssituation befunden habe.
105Zu meinem Gemütszustand 2006 und 2007: Mir ging es rückblickend schon Jahre vorher kontinuierlich schlechter. Ich erinnere mich, dass meine Frau zu mir sagte, ich sei „anders“. Ich war unruhig und ängstlich und stetig gestresst. Ich weiß noch, dass ich – deutlich vor der Krebsdiagnose – ständig eine innere Unruhe, Angstzustände und Schlafstörungen hatte. Ich ging ursprünglich davon aus, dass das ursprünglich an der Überlastung lag. Seit der Feststellung meiner Erkrankung bin ich davon überzeugt, dass das Karzinoid und die durch dieses ausgeschütteten Hormone für die sich ständig steigernden Unruhe- und Angstzustände verantwortlich war oder zumindest auf diese erheblich verstärkend wirkte.Ich hatte es schon lange als beruhigend empfunden - gerade während schlafloser Nächte -, mir im Internet erotische Fotos anzusehen. In dieser für mich beruflich schwierigen Zeit habe ich vermehrt die Betrachtung und Sammlung dieser Dateien und die Verortung davon in elektronischen Ordnern betrieben. Diese Tätigkeit war für mich - warum auch immer - sehr beruhigend und es war für mich eine - so empfand ich dies - wohltuende Entlastung. Diese von mir wohl als Eskapismus gepflegte Ablenkung wurde damals - ich glaube rückblickend schon 2005 - stärker. In der Phase Anfang 2006 bis Ende 2007 habe ich - wie das Verwaltungsgericht es ja ausgeführt hat - zahlreiche Bilder heruntergeladen und diese archiviert. Ich bedaure es selbstverständlich heute zutiefst und es erfüllt mich mit Entsetzen, dass ich auch die hier nun erheblichen acht kinderpornographischen Bilder „mitgesammelt“ habe. Mein Verhalten ist mir heute unbegreiflich und ich schäme mich sehr.
106Als man das Karzinoid im Juni 2006 aus meiner Lunge entfernte, hatte es eine erhebliche Größe. Das kann man auch dem Pathologiebericht der Praxis von Dr. med. C3. -X2. entnehmen. Dieser bösartige Tumor muss also eine erhebliche Zeit vor Juni 2006 gewachsen sein und auf mich gewirkt haben. Ich kann natürlich nicht beschwören und ich vermute, dass dies auch durch jemand anderen heute schwer aufklärbar ist, wie genau wann das Karzinoid auf mich gewirkt hat. Ich kann nur sagen, dass es mir bereits Ende 2005 ausgesprochen schlecht ging. Ich erinnere mich, dass ich - im Wunsch meinem Alltag zu entfliehen - verstärkt auf erotischen/pornographischen Internetseiten gesurft und Bilder gesammelt habe. Als dann im Laufe 2006 durch die Krebsdiagnose noch konkrete Todesängste hinzukamen, die auch nicht mit der Entfernung des Tumors aufgehört haben, da ich ja nicht damit rechnen konnte, den Krebs besiegt zu haben, sondern stetig zu Nachuntersuchungen musste, deren potentielles Ergebnis mich ebenfalls schwer belastete, hat sich dieses Eskapismus suchende Verhalten auch erst später wieder reguliert. Ich gehe persönlich fest davon aus, dass in diesem Zeitraum, den ich durchaus als seelischen Dauerausnahmezustand beschreiben würde, das Herunterladen der acht Bilder gefallen ist.“
107Zusammenfassend sei davon auszugehen, dass hormonelle Veränderungen für das Interesse an Kinderpornographie ursächlich gewesen seien. Der Tumor habe zu erheblicher Unruhe und Angstzuständen bzw. Todesängsten geführt. Dem habe er durch das Herunterladen und Sammeln erotisch/pornographischer Bilder zu entfliehen versucht. Aufgrund des Grundsatzes „in dubio pro reo“ könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Voraussetzungen für eine erheblich geminderte Schuldfähigkeit zum jeweiligen Tatzeitpunkt vorgelegen hätten. Die Steuerungsfähigkeit sei durch eine erhebliche berufliche Überlastungssituation bei nicht auszuschließender gesundheitlicher Belastung durch eine Hormonausschüttung aufgrund der Krebserkrankung sowie im Hinblick auf die nach der Diagnose dieser Erkrankung eingetretene konkrete Todesangst deutlich beeinträchtigt gewesen. Dies sei nicht hinreichend durch das vom Senat eingeholte Gutachten aufgeklärt worden.
108Der Beklagte beantragt,
109das angefochtene Urteil zu ändern und auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
110Der Kläger beantragt,
111die Berufung zurückzuweisen.
112Er gehe weiterhin nicht davon aus, dass der Beklagte im Tatzeitraum an einer Krankheit gelitten habe, die seine Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, vermindert habe.
113Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Ärztlichen Leiters des Funktionsbereichs Spezielle Endokrinologie Prof. Dr. T2. am Universitätsklinikum E2. zu einer möglichen Ausschüttung des Hormons Serotonin durch den beim Beklagten festgestellten Tumor und zur Wirkungsweise dieses Hormons. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten Bl. 308ff. und 345ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.
114In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten Gelegenheit erhalten, sich die in der Beiakte Heft 2 erfassten, mit Blatt 19 bis 28, Bl. 53 bis 56 paginierten Fotos – insbesondere hinsichtlich Darstellung und weiterem Inhalt – zu vergegenwärtigen. Sie haben ferner Gelegenheit gehabt, den Inhalt des Vermerks der Direktion Kriminalität KK31, IT-Ermittlungsunterstützung, vom 13. März 2008, insbesondere Bl. 52 der Beiakte Heft 2 sowie die Auflistung der Ordnerpfade, die in Beiakte Heft 3 ausgedruckt sind, zur Kenntnis zu nehmen. Das gilt auch für einen Ausdruck der Auswertung der in Beiakte Heft 2 befindlichen DVD in Bezug auf den jeweiligen Zeitpunkt, zu dem die Dateien, die Gegenstand der strafgerichtlichen Verurteilung gewesen sein, heruntergeladen wurden. Die Prozessbevollmächtigte des Beklagten und der Vertreter des Klägers haben hiervon Gebrauch gemacht.
115Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie auf die in dem Protokoll der mündlichen Verhandlung im einzelnen bezeichneten Beiakten, wie sie dem Senat vorgelegen haben, Bezug genommen.
116Entscheidungsgründe
117Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Beklagten zu Recht wegen eines sehr schwer wiegenden Dienstvergehens, durch das er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat, das Ruhegehalt aberkannt.
118I. In tatsächlicher Hinsicht geht das Gericht von den im Tatbestand wiedergegebenen Feststellungen des Amtsgerichts E. in seinem rechtskräftigen Strafurteil vom 22. Dezember 2008 (Az.: 2 Ds 41 Js 613/07 – 695/08) aus, die für den Disziplinarsenat nach § 56 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW bindend sind. Der Beklagte hat die durch das Strafgericht festgestellten Vorwürfe im Verlauf des Disziplinarverfahrens eingeräumt. Es besteht kein Anlass, sich von diesen Feststellungen nach § 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW zu lösen. Die Bindungswirkung besteht dabei hinsichtlich sämtlicher tatsächlicher Feststellungen, die den Strafausspruch gegen den Beklagten im Strafurteil tragen; sie umfasst auch die Feststellung, dass der Beklagte die Tat nicht im Zustand der Schuldunfähigkeit i.S.v. § 20 StGB begangen hat. Anderenfalls hätte seine Verurteilung nicht erfolgen können.
119Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.04.2016 – 3d A 1890/14.0 –, juris Rn. 56 ff.
120Im Einzelnen geht der Senat von folgenden Feststellungen aus:
1211. Der Beklagte besaß am 17. Dezember 2007 – neben ca. 15.000 pornographischen Dateien, die teils Erwachsene zeigten teils seinerzeit strafrechtlich nicht zu beanstandenden Darstellungen im Grenzbereich zur Kinderpornographie betrafen – acht kinderpornographische Bilddateien auf der Festplatte seines privaten Computers. Diese Dateien zeigten zur sexuellen Stimulierung des entsprechend veranlagten Betrachters unbekleidete Mädchen und Jungen, die ersichtlich jünger als 14 Jahre alt waren, die sexuell missbraucht werden und in von außen veranlasster anreißerischer Pose vaginalen bzw. oralen Geschlechtsverkehr ausführen.
122Dem Beklagten war nach Betrachten der Bilder spätestens beim Abspeichern bewusst, dass es sich um kinderpornographisches Material handelte. Der Beklagte handelte vorsätzlich und schuldhaft.
123Die acht der Verurteilung zugrunde liegenden Bilddateien, die in der Strafakte auf den Seiten 53 und 54 als kinderpornographisch markiert sind, wurden am 3. Januar 2006 (vier Bilder), am 6. April 2006 (ein Bild), am 12. April 2007 (zwei Bilder) und am 8. Dezember 2007 (ein Bild) gespeichert. Das Verzeichnis der Dateien des Beklagten mit pornographischem Inhalt enthält u. a. einen Unterordner „LOL“ sowie einen Unterordner „Junge Girls“, in dem Bilder in Unterverzeichnissen abgelegt sind, die entsprechend dem angenommenen Alter der abgebildeten Kinder und Jugendlichen mit den Zahlen von 10 bis 17 bezeichnet sind. In diesem Unterverzeichnis befindet sich auch der Unterordner „10-Alina-blanke Pflaume_+“. Die in diesem Ordner gespeicherten Bilddateien befanden sich unter der im Tatbestand zitierten jeweiligen Bezeichnung der einzelnen Darstellung auf dem Computer des Beklagten.
124Die Feststellungen zum Zeitpunkt des Speicherns der acht Bilddateien beruhen auf dem Dateiverzeichnis der Datensicherungs-DVD in der oben genannten Strafakte (Az.: 2 Ds 41 Js 613/07 – 695/08), die Feststellungen zum Dateiverzeichnis des Beklagten auf der Inaugenscheinnahme der „Auflistung der Ordnerpfade“, die das Verwaltungsgericht als Beiakte zum Verfahren genommen hat. Die Bezeichnung einzelner Bilddateien aus dem Unterordner „10-Alina-blanke Pflaume_+“ ergibt sich aus dem Vermerk der Direktion Kriminalität KK31, IT-Ermittlungsunterstützung, vom 13. März 2008. Der Inhalt der betreffenden Dateien ist in dem Ausdruck derselben auf Bl. 55 und 56 der Strafakte niedergelegt.
125Durch das festgestellte Verhalten hat sich der Beklagte jedenfalls des Besitzes kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB in der bis zum 4. November 2008 geltenden Fassung (a. F.) schuldig gemacht. Es spricht im Übrigen Einiges dafür, dass der Beklagte auch wegen des Sich-Verschaffens gemäß § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB a. F. in mehreren Fällen, gegenüber dem der Besitz kinderpornographischer Schriften subsidiär ist,
126vgl. BGH, Beschluss vom 03.09.2015 – 1 StR 255/15 –, juris Rn. 10,
127hätte verurteilt werden können. Diese Frage der strafrechtlichen Bewertung kann jedoch auf sich beruhen, da sie für den disziplinarrechtlichen Vorwurf nicht entscheidend ist.
128II. Der Beklagte hat durch den Besitz acht kinderpornographischer Bilddateien auf der Festplatte seines Computers ein schwerwiegendes einheitliches außerdienstliches Dienstvergehen begangen. Sein Verhalten war in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des öffentlichen Dienstes bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Als noch im Dienst befindlicher Beamter hätte er aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden müssen. Daher ist ihm das Ruhegehalt abzuerkennen.
129Der Beklagte hat durch den Besitz von acht kinderpornographischen Schriften die ihm obliegende Dienstpflicht verletzt, durch sein Verhalten außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (§ 83 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i. V. m. § 57 LBG NRW a. F.). Maßgeblich ist dabei die Rechtslage zum Tatzeitpunkt, weil sich aus dem Inkrafttreten des Beamtenstatusgesetzes vom 17. Juni 2008 am 1. April 2009 kein materiellrechtlich günstigeres Recht ergibt.
130Vgl. BVerwG, Urteile vom 25.03.2010 – 2 C 83.08 –, juris Rn. 17, und vom 19.08.2010 – 2 C 5.10 –, juris Rn. 8; OVG NRW, Urteil vom 07.03.2012 – 3d A 317/11.O –, juris Rn. 39, m. w. N.
131Der Beklagte hat das Dienstvergehen außerdienstlich begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten nicht in sein Amt und in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war.
132Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 – 1 D1.08 –, juris Rn. 54.
133Er hatte die einschlägigen Dateien ausschließlich auf seinem privaten Computer abgespeichert. Sein außerdienstliches Fehlverhalten erfüllt jedoch die besonders qualifizierenden Voraussetzungen des § 83 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a. F. Das Verhalten eines Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert (§ 83 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i. V. m. § 57 LBG NRW a. F.). Gegen diese Pflicht verstößt ein Beamter, wenn er vorsätzlich kinderpornographische Schriften im Sinne von § 11 Abs. 3 StGB besitzt.
134Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.08.2010 – 2 C 13.10 –, juris Rn. 16 f., und Beschluss vom 26.06.2012 – 2 B 28.12 –, juris Rn. 8 ff.
135Dadurch hat er außerhalb des Dienstes ein Verhalten gezeigt, das nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
136Zwar wird von einem Beamten außerdienstlich kein wesentlich anderes Sozialverhalten erwartet als von jedem Bürger. Hier übersteigt jedoch das Fehlverhalten des Beamten das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Mindestmaß an disziplinarischer Relevanz deutlich und erfüllt damit die besonderen Anforderungen an ein Dienstvergehen im Sinne von § 83 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a. F. Maßgebend hierfür ist die Eignung des Fehlverhaltens, das Vertrauen in besonderem Maße zu beeinträchtigen. Die mögliche Beeinträchtigung muss sich entweder auf das Amt des Beamten im statusrechtlichen Sinne oder auf das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beziehen.
137Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.06.2015 – 2 C 9.14 –, juris Rn. 11 f. und 16 ff.
138Dies zugrunde gelegt, ist der außerdienstlich begangene Besitz kinderpornographischer Schriften als Dienstvergehen des Beklagten zu bewerten, weil diese Straftat in besonderem Maße geeignet ist, das in ihn gesetzte Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen,
139Bei Lehrern weist der außerdienstliche Besitz kinderpornographischen Materials stets einen dienstlichen Bezug auf. Denn ein derartiges Verhalten gibt begründeten Anlass zu Zweifeln an der Eignung für den Lehrerberuf. Ein Lehrer, der sich wegen eines solchen Verhaltens strafbar gemacht hat, bietet keine Gewähr dafür, dass er die ihm obliegenden Erziehungsaufgaben mit der erforderlichen Autorität erfüllen kann.
140Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2013 – 2 B 17.12 –, juris Rn. 7 und vom 25.05.2012 – 2 B 133.11 –, juris Rn. 11.
141Im Übrigen wäre, selbst wenn kein Dienstbezug bestünde, mit Rücksicht auf den Strafrahmen ein hinreichendes Maß der disziplinarrechtlich relevanten Ansehensschädigung gegeben. Die Disziplinarwürdigkeit eines erstmaligen außerdienstlichen Verhaltens eines Beamten im Sinne von § 83 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a. F. ist regelmäßig anzunehmen, wenn das außerdienstliche Verhalten im Strafgesetzbuch als Vergehen mit einer Freiheitsstrafe im mittleren Bereich belegt ist. Durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3007) hat der Gesetzgeber den Strafrahmen für den Besitz kinderpornographischer Schriften von einem auf zwei Jahre Freiheitsstrafe erhöht. Gemessen an den Kriterien des Strafgesetzbuches handelt es sich um eine Strafandrohung im mittleren Bereich.
142Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.08.2010 – 2 C 13.10 –, juris Rn. 17f.
143III. Das vom Beklagten begangene Dienstvergehen führt nach einer Gesamtwürdigung sämtlicher zu berücksichtigender Gesichtspunkte zur Aberkennung des Ruhegehalts.
144Die Auswahl der im Einzelfall erforderlichen Disziplinarmaßnahme richtet sich gemäß § 13 Abs. 2 Sätze 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 LDG NRW nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Dazu sind die genannten Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht zu ermitteln und in die Entscheidung einzustellen, um dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) zu genügen. Die Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen.
145Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 – 2 C 63.11 –, juris Rn. 13 (zu § 13 BDG), OVG NRW, Urteil vom 21.05.2014 – 3d A 1614/11.O –, juris Rn. 41.
146Hat ein Beamter durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren, ist er aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW). Der endgültige Verlust des Vertrauens ist anzunehmen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen.
147Vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.07.2010 – 2 B 121.09 –, juris Rn. 5.
148Das Ruhegehalt ist abzuerkennen, wenn der Beamte als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen (§ 13 Abs. 3 Satz 2 LDG NRW). So liegt der Fall hier. Denn der Beklagte hat durch das Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW).
1491. Für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens richtungweisend. Die Schwere beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Das Dienstvergehen ist nach der festgestellten Schwere einer der im Katalog des § 5 LDG NRW aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen. Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wer durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Ob dies der Fall ist, ist anhand der oben genannten Kriterien zu beurteilen.
150Davon ausgehend kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist.
151Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.07.2011 – 2 C 16.10 –, juris Rn. 29.
152Das festgestellte (außerdienstliche) Dienstvergehen – Besitz kinderpornographischer Schriften – wiegt generell sehr schwer. Der Straftatbestand schützt die ungestörte sexuelle Entwicklung von Kindern. Denn auch derjenige, der sich kinderpornographische Materialien beschafft und besitzt, trägt dazu bei, dass Kinder sexuell missbraucht werden. Nur weil diese Produkte „konsumiert“ werden, besteht ein Anreiz für Hersteller und Vertreiber, diese auf den „Markt“ zu bringen und zu diesem Zweck Kinder zu missbrauchen oder missbrauchen zu lassen. Im Hinblick auf den mit der Herstellung solcher Materialien verbundenen Kindesmissbrauch trifft den Verbraucher eine starke mittelbare Verantwortlichkeit.
153Vgl. RegE BT-Drs. 12/3001, S. 5.
154Der sexuelle Missbrauch eines Kindes ist in hohem Maße persönlichkeits- und sozialschädlich. Er greift in die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen ein und gefährdet die harmonische Bildung seiner Gesamtpersönlichkeit sowie seine Einordnung in die Gemeinschaft, weil ein Kind wegen seiner fehlenden oder noch nicht hinreichenden Reife intellektuell und gefühlsmäßig das Erlebte in der Regel gar nicht oder nur schwer verarbeiten kann. Zudem degradiert der Täter die sexuell missbrauchten kindlichen Opfer zum bloßen auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Begierde oder Erregung.
155Vgl. BVerwG, Urteile vom 19.08.2010 – 2 C 5.10 –, juris Rn. 16, und vom 06.07.2000 – 2 WD 9.00 –, juris Rn. 10.
156Der mit § 184b Abs. 4 StGB verfolgte Schutzzweck, die „Märkte“ für kinderpornographische Materialien einzudämmen, um so Kinder vor sexuellen Übergriffen zu bewahren und ihre ungestörte sexuelle Entwicklung zu gewährleisten, ist ein Anliegen, das von der Allgemeinheit, jedenfalls einer überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung – trotz „Liberalisierung“ der gesellschaftlichen Anschauungen auf sexuellem Gebiet – nach wie vor besonders ernst genommen wird. Verstöße gegen die einschlägigen strafrechtlichen Schutzbestimmungen setzen den Täter in hohem Maße der Missachtung aus. Deshalb führt die Verurteilung eines Beamten wegen des Besitzes kinderpornographischen Materials in der Vorstellungswelt eines vorurteilsfrei wertenden Betrachters zu einer erheblichen Ansehensbeeinträchtigung des Beamten, wenn nicht zu einem völligen Ansehensverlust.
157In besonderem Maße gilt dies für Lehrer, denen als dienstliche Aufgabe die Erziehung von Kindern und Jugendlichen anvertraut ist. Mit Rücksicht auf die Variationsbreite der Begehungsformen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Regeleinstufung für den Besitz kinderpornographischer Schriften allerdings auch dann nicht angezeigt, wenn das strafbare Verhalten einen Bezug zu den dienstlichen Pflichten des Beamten aufweist.
158Vgl. BVerwG, Urteile vom 19.08.2010 – 2 C 5.10 –, juris Rn. 22, und vom 18.06.2015 – 2 C 9.14 –, juris Rn. 30 und – 2 C 25.14 –, juris Rn. 31.
159Vielmehr ist von einem Orientierungsrahmen auszugehen. Die Ausschöpfung des maßgeblich in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens (a) kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens (b) entspricht. Ein wie auch immer gearteter Schematismus verbietet sich hierbei.
160Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.06.2015 – 2 C 25.14 –, juris Rn. 37, m. w. N.
161a) Zur Bestimmung der disziplinaren Maßnahme ist bei einem außerdienstlichen Dienstvergehen, das ein strafbares Verhalten zum Gegenstand hat, in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens zum Ausdruck gebracht hat.
162Vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.2015 – 2 C 50.13 –, juris Rn. 15.
163Der Besitz kinderpornographischer Schriften ist eine schwerwiegende Straftat. Dies zeigt schon die Strafandrohung – Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren – die der Gesetzgeber seit 2004 – in Verschärfung der zuvor geltenden Strafandrohung in § 184 Abs. 5 StGB a. F. – in § 184b Abs. 4 Satz 1 und 2 StGB für den hier in Rede stehenden Tatzeitraum ausgesprochen hat.
164Bezogen auf den bis zum 26. Januar 2015 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe ist für die Maßnahmebemessung grundsätzlich auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen, wenn das (außerdienstliche) Dienstvergehen keinen Bezug zu den dienstlichen Aufgaben des Beamten aufweist.
165Vgl. BVerwG, Urteile vom 10.12.2015 – 2 C 50.13 –, juris Rn. 16, vom 18.06.2015 – 2 C 9.14 –, juris Rn. 32, und vom 19.08.2010 – 2 C 13.10 –, juris Rn. 26, sowie Beschluss vom 25.05.2012 – 2 B 133.11 –, juris Rn. 10.
166Weist ein Dienstvergehen demgegenüber einen solchen Bezug zu den dienstlichen Aufgaben des Beamten auf, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bei mittelschweren Straftaten, für die die Strafgesetze eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren vorsehen, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
167Vgl. BVerwG, Urteile vom 10.12.2015 – 2 C 6.14 –, juris Rn. 18, und vom 18.06.2015 – 2 C 9.14 –, juris Rn. 33, sowie Beschluss vom 08.06.2017 – 2 B 5.17 –, juris Rn. 10.
168Bei Lehrern, die sich wegen außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften strafbar gemacht haben, ist dies angesichts der besonderen Dienstpflichten dieser Beamten der Fall.
169Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 08.06.2017 – 2 B 5.17 –, juris Rn. 10, vom 19.03.2013 – 2 B 17.12 –, juris Rn. 4, und vom 25.05.2012 – 2 B 133.11 –, juris Rn. 10, sowie Urteile vom 19.08.2010 – 2 C 5.10 –, juris Rn. 24, und vom 10.12.2015 – 2 C 6.14 –, juris Rn. 18.
170Ein Lehrer, der sich nach § 184b Abs. 4 StGB strafbar gemacht hat, verstößt gegen seine Pflicht, als Lehrer im Rahmen seines Erziehungsauftrags insbesondere die geistige und sittliche Entwicklung der ihm anvertrauten Kinder und Jugendlichen fördern und schützen.
171b) Zur Bestimmung der Schwere des im Einzelfall begangenen Dienstvergehens kann bei einer außerdienstlich begangenen Straftat auf einer zweiten Stufe indiziell auf die von den Strafgerichten ausgesprochene Sanktion zurückgegriffen werden. Dies folgt zunächst aus § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG, der direkt und ausschließlich an den Strafausspruch der Strafgerichte anknüpft. Unterhalb der in dieser Vorschrift genannten Schwelle kommt der strafgerichtlichen Aburteilung zwar keine unmittelbare Verbindlichkeit für die disziplinarrechtliche Beurteilung zu. Auch bei weniger gravierenden Verurteilungen kann der Ausspruch der Strafverfolgungsorgane aber als Indiz für die Schwere einer außerdienstlich begangenen Straftat und für Abstufungen innerhalb des Orientierungsrahmens herangezogen werden. Unbeschadet der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Diszi-plinarrecht kommt in dem Strafausspruch die Schwere und Vorwerfbarkeit der begangenen Handlung zum Ausdruck. Sie ist auch für die disziplinarrechtliche Beurteilung von maßgeblicher Bedeutung. Ist von den Strafgerichten nur auf eine Geldstrafe erkannt oder das Strafverfahren eingestellt worden und sind die Strafverfolgungsorgane nicht von einer besonderen Schwere der individuellen Schuld ausgegangen, bedarf der Ausspruch einer statusberührenden Disziplinarmaßnahme einer besonderen Begründung der Disziplinargerichte zur Schwere der Verfehlung. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis kommt hier nur ausnahmsweise und bei Vorliegen disziplinarrechtlich bedeutsamer Umstände in Betracht. Außerdem dürfen für den Beamten keine entlastenden Umstände von erheblichem Gewicht sprechen.
172Vgl. BVerwG, Urteile vom 18.06.2015 – 2 C 9.14 –, juris Rn. 37 f. und – 2 C 25.14 –, juris Rn. 39, Beschluss vom 16.03.2017 – 2 B 42.16 –, juris Rn. 30.
173In seinem Zurückverweisungsbeschluss vom 28. Februar 2017 – 2 B 85.16 – hat das Bundesverwaltungsgericht ferner deutlich gemacht, dass die konkrete Tatbegehung einen von mehreren disziplinarrechtlich bedeutsamen Umständen darstellt, die es auch in Fällen, in denen durch Strafgerichte das Verfahren eingestellt wurde oder eine Geldstrafe verhängt wurde, die Verhängung der Höchstmaßnahme rechtfertigen können. Das folgt aus der Formulierung, dass „diese“, nämlich die disziplinarrechtlich bedeutsamen Umstände, “sich vorliegend jedenfalls nicht aus den Umständen der Tatbegehung ergeben [dürften]“ (Hervorhebung durch den Senat). Solche Tatumstände können die Höchstmaßnahme rechtfertigen, wenn das pflichtwidrige Verhalten aufgrund dessen, insbesondere also Anzahl, Art und Inhalt der Darstellungen, als besonders verwerflich einzustufen ist.
174Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25.05.2012 – 2 B 133.11 –, juris Rn. 11, vom 19.03. 2013 – 2 B 17.12 –, juris Rn. 5, und vom 16.03.2017 – 2 B 42.16 –, juris Rn.12; vgl. ferner betreffend Polizeibeamte: Urteil vom 18.06.2015 – 2 C 9.14 –, juris Rn. 36.
175Dies zugrunde gelegt, kommt im Streitfall aus mehreren Gründen eine Ausschöpfung des Orientierungsrahmens bis zur Höchstmaßnahme in Betracht, obwohl vom Strafgericht lediglich auf eine Geldstrafe erkannt worden ist.
176Zu berücksichtigen ist zunächst, dass die Verhängung „nur“ einer Geldstrafe im Streitfall jedenfalls nicht als Indiz für die Einschätzung des Strafgerichts gewertet werden kann, es handle sich um eine Straftat, deren Schweregrad als gering einzustufen ist. Das verdeutlichen die Strafzumessungserwägungen des Amtsgerichts E. in seinem Urteil vom 22. Dezember 2008:
177„V.§ 184 b IV StGB sieht als Strafe eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vor. Für den Angeklagten sprach, dass er noch keine Vorstrafen hatte und teilweise geständig war. Besitz ist zudem milder zu bestrafen als eine Verbreitung der Schriften, die dem Angeklagten hier nicht nachgewiesen werden konnte. Gegen den Angeklagten sprach, dass er in seinem Beruf eine Vorbildfunktion inne hat und ihm eine besondere Fürsorgepflicht obliegt. Er ist tatsächlich mit Kindern dieses Alters zusammen, die ihm anvertraut sind. Das Vertrauen der Kinder und Eltern in sein Verantwortungsgefühl hat er durch diese Tat enttäuscht. Unter Abwägung aller Umstände wurde vorliegend eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen als erforderlich und angemessen angesehen. Die Höhe eines Tagessatzes wurde nach dem Einkommen des Angeklagten von derzeit 3.500,– Euro netto unter Berücksichtigung seiner Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem Sohn und der Ehefrau auf 80,- Euro festgesetzt.“
178Damit hat das Strafgericht deutlich gemacht, warum es – entgegen dem auf Freispruch oder hilfsweise Entscheidung gemäß § 59 StGB gerichteten Antrag des Verteidigers des Beklagten – trotz der „nur“ acht eindeutig kinderpornographischen Bilder den Kläger zu immerhin 50 Tagessätzen verurteilt und nicht lediglich eine Verwarnung ausgesprochen hat.
179Unabhängig davon wiegt das Dienstvergehen des Beklagten aufgrund disziplinarrechtlich bedeutsamer Gesichtspunkte so schwer, dass die Höchstmaßnahme ungeachtet dessen angezeigt ist, dass das Strafgericht „nur“ eine Geldstrafe verhängt hat. Das folgt bereits eigenständig tragend aus dem besonders engen Dienstbezug, der bei außerdienstlichem Besitz kinderpornographischer Schriften, dessen sich der Beklagte als Lehrer strafbar gemacht hat, vorliegt.
180Wer kinderpornographische Schriften besitzt, trägt durch seine Nachfrage nach solchen Darstellungen zum sexuellen Missbrauch von Kindern und damit zum Verstoß gegen ihre Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit bei. Ein Lehrer ist gemäß § 57 Abs. 1 SchulG NRW nach dem umfassenden Bildungsauftrag der Schule (§ 2 SchulG NRW) nicht nur verpflichtet, Wissen zu vermitteln, sondern auch, die Kinder und Jugendlichen zu erziehen. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SchulG NRW fördert die Schule u. a. die Achtung vor der Würde des Menschen als vornehmstes Ziel der Erziehung. Die Schülerinnen und Schüler sollen gemäß § 2 Abs. 4 Satz 3 SchulG NRW befähigt werden, verantwortlich am sozialen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, beruflichen, kulturellen und politischen Leben teilzunehmen und ihr eigenes Leben zu gestalten. Entsprechend haben Lehrer die geistige und sittliche Entwicklung der ihm anvertrauten Kinder und Jugendlichen fördern und schützen. Mit dem Besitz kinderpornographischen Materials handelt eine Lehrkraft dem Lehr- und Erziehungsauftrag diametral zuwider. Deshalb ist dieses außerdienstliche Fehlverhalten in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt eines Lehrers oder das Ansehen des öffentlichen Dienstes schwerwiegenden Weise zu beeinträchtigen. Es ist mit dem Bildungsauftrag der Schule unvereinbar und lässt dessen Erfüllung durch den Beamten grundlegend zweifelhaft erscheinen.
181Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.08.2010 – 2 C 5.10 –, juris Rn. 16 f.
182Außerdem bietet ein Lehrer, der kinderpornographische Schriften besitzt, keine Gewähr, dass er die ihm obliegenden Erziehungsaufgaben mit der erforderlichen Autorität erfüllen kann.
183Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.05.2012 – 2 B 133.11 –, juris Rn. 11.
184Der Beklagte hat durch den Besitz kinderpornographischer Schriften besonders schwerwiegend gegen für sein Amt herausragend bedeutsame Dienstpflichten verstoßen. Damit hat er ein Dienstvergehen begangen, dem unabhängig davon, dass gegen ihn „lediglich“ eine Geldstrafe verhängt wurde, grundsätzlich die disziplinarische Ahnung mit der Höchstmaßnahme gebührt.
185Diese Maßnahme ist hier auch mit Rücksicht darauf angezeigt, dass der Beklagte, als er das Dienstvergehen begangen hat, seit August 1998 eine leitende, mit Vorgesetztenfunktionen einhergehende Tätigkeit innehatte, und dass er ab Juli 1999 als Oberstudiendirektor ein statusrechtliches Amt bekleidete, dem eine herausgehobene Stellung innerhalb der Beamtenschaft zukommt. Der Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts geht davon aus, dass ein Soldat umso mehr Achtung und Vertrauen genießt, je höher er in den Dienstgradgruppen steigt, und dass damit auch die an seine Zuverlässigkeit, sein Pflichtgefühl und sein Verantwortungsbewusstsein zu stellenden Anforderungen steigen, so dass Pflichtverletzungen umso schwerer wiegen.
186Vgl. BVerwG vom 08.11.2001 – 2 WD 29.01 –, juris Rn. 17f., und vom 11.02.2003 – 2 WD 35.02 –, juris Rn. 20.
187Diese Grundsätze lassen sich hier zwar nicht unmittelbar anwenden, weil eine signifikante Einteilung der Beamten – vergleichbar der Unterscheidung von Mannschaftsgraden und Mitgliedern des Offizierskorps – nicht möglich ist. Der Gesichtspunkt, dass Amtsträger, denen Vorgesetzteneigenschaft zukommt oder die sonst eine leitende Stellung innehaben, einem gesteigerten Anforderungsprofil unterliegen, beansprucht jedoch auch im Beamtenrecht Geltung.
188Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 02.12.2009 – 16a D 08.509 –, juris Rn. 103.
189Allerdings ist die Bandbreite möglicher Leitungsfunktionen so groß – sie reicht von Führungspositionen in obersten Dienstbehörden des Staates bis zu im Aufgabenbereich weniger anspruchsvoll zugeschnittenen Dienstposten –, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Differenzierung gebietet. Besondere Bedeutung kommt deshalb der Frage zu, inwieweit die Leitungsfunktion im konkreten Fall zu einer herausgehobenen Position des Beamten führt.
190Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 02.12.2009 – 16a D 08.509 –, juris Rn. 104.
191Das ist beim Beklagten sowohl mit Blick auf den Dienstposten eines Schulleiters eines voll ausgebauten Gymnasiums mit mehr als 360 Schülern, den er seit dem August 1998 innehatte, als auch im Hinblick auf das zuletzt bekleidete statusrechtliche Amt eines Oberstudiendirektors zu bejahen. Um ein solches Amt angemessen ausfüllen zu können, genügt nicht eine besondere fachliche Qualifikation. Vielmehr werden auch an die charakterliche Integrität hohe Anforderungen gestellt. Das gilt umso mehr, als Schulleitern eines Gymnasiums zugleich die Funktion von Vorgesetzten zukommt. Entsprechend sind im Rahmen der dienstlichen Beurteilung unter dem Gesichtspunkt „dienstliches Verhalten“ u. a. folgende Aspekte entscheidend:
192„Verantwortungsbewusstsein, Pflichterfüllung, Fähigkeiten zur Leitung einer Schule (z. B. Menschenführung, Organisation – und Koordinationsvermögen, Initiative, Verantwortungsbewusstsein, Umgang und Zusammenarbeit mit Vorgesetzten, Kolleginnen bzw. Kollegen, Eltern, Elternvertretern, mit dem Schulträger, gegebenenfalls Betrieben und anderen Stellen, Vertretung der Schule nach außen)“
193Gemäß § 59 SchulG NRW in der Fassung vom 1. August 2005 obliegt der Schulleitung die Vertretung nach außen (Abs. 2 Satz 1). Die Schulleitung ist verantwortlich für die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule (Abs. 2 Satz 2). Sie kann in Erfüllung dieser Aufgaben als Vorgesetzter allen an der Schule tätigen Personen Weisungen erteilen und nimmt das Hausrecht wahr (Abs. 2 Satz 3). Zu den Aufgaben der Schulleitung gehören insbesondere u. a. die Personalführung und Personalentwicklung (Abs. 3). Im Rahmen der übertragenen Zuständigkeiten wirkt die Schulleitung in Personalangelegenheiten mit und trifft selbst Personalentscheidungen, soweit ihr diese Befugnis übertragen sind (Abs. 4). Dieses – vom Beklagten in seiner abschließenden Stellungnahme vor dem Senat angedeutete – Aufgabenprofil verdeutlicht, dass ein Schulleiter eine Schlüsselposition auch insofern innehat, als er als Bindeglied zwischen dem Kollegium und der Schülerschaft einerseits und der Schulverwaltung andererseits fungiert. Eine ähnliche Rolle hat er im Verhältnis zur Öffentlichkeit, der gegenüber er die von ihm geleitete Schule repräsentiert und als Kontaktperson maßgeblich in Erscheinung tritt. Um sämtliche ihm obliegenden Aufgaben erfolgreich wahrnehmen zu können, ist ein Schulleiter in erheblichem Umfang auf persönliche Autorität angewiesen, die wesentlich u. a. aus seiner persönlichen Lauterkeit und Vorbildwirkung folgt. Eine Verletzung der jedem Lehrer obliegenden Kernpflichten ist bei einem Schulleiter zusätzlich aufgrund seiner herausgehobenen Funktion von erheblicher disziplinarrechtlicher Bedeutung.
194Disziplinarrechtlich bedeutsame Gesichtspunkte ergeben sich im Übrigen auch aus Folgendem:
195Die acht Bilder, die Gegenstand der Disziplinarklage sind, zeigen in zwei Fällen vaginalen Geschlechtsverkehr, bei dem eine männliche Person vollständig bzw. weitgehend in das betroffene Mädchen eindringt, ferner eine männliche Person, die im Begriff ist, ein Mädchen zu penetrieren und in einem weiteren Fall eine erwachsene Frau, die ein Mädchen zum oralen Geschlechtsverkehr durch physische Einwirkung bestimmt, wobei es sich bei dem weiteren Opfer wahrscheinlich um einen Jugendlichen handelt. Ein weiteres Bild zeigt drei unbekleidete Personen. Auf der Brust eines auf dem Rücken liegenden Kindes sitzt eine männliche Person, die das eigene Geschlecht in den Mund des Kindes eingeführt hat. Hinter dem Sitzenden hockt die dritte Person, die von dessen Rücken weitgehend verdeckt ist und ihren Kopf auf der Höhe des Geschlechtsorgans des liegenden Kindes hat. Ob und auf welche Weise an dem Geschlecht des liegenden Kindes, das sich nicht bewegen kann, sexuelle Handlungen vorgenommen werden, ist nicht zu erkennen.
196Der Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts, nach Anzahl, Art und Inhalt der abgeurteilten Bilddateien, dem Alter der betroffenen Kinder und der Form des abgebildeten Missbrauchs dürften die vom Beklagten begangenen Taten im deutlich unteren Bereich der möglichen Begehungsformen einer Straftat nach § 184b Abs. 4 StGB a. F. liegen,
197vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.02.2017 – 2 B 85.16 –, juris Rn. 11,
198betrifft eine dem Tatsachengericht vorbehaltene sachliche Würdigung. Ungeachtet dessen binden diese Erwägungen nicht, weil sie nicht tragend für die Zurückverweisung gewesen sind.
199Das Gericht ordnet nach eigener Würdigung den Besitz der acht kinderpornographischen Bilddateien, die der Beklagte auf seinem Computer gespeichert hatte, wegen des Inhalts des dargestellten Missbrauchs jedenfalls dem mittleren Bereich im Spektrum kinderpornographischer Darstellungen zu. Gerade die Form des abgebildeten Missbrauchs, der sämtlich in der vollendeten bzw. beginnenden Penetration der Vagina einerseits und des Mundes der missbrauchten Kinder andererseits besteht, stellt einen schweren Eingriff in die körperliche Integrität der Opfer dar. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs führt zur Bedeutung des Eindringens des Geschlechtsglieds in den Körper des Opfers – soweit es für den vorliegenden Fall erheblich ist – Folgendes aus:
200„Der Begriff „Eindringen in den Körper” in § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB umschreibt besonders nachhaltige Begehungsweisen und stellt sie unter erhöhte Strafdrohung (Senat, Urteil vom 16. Juni 1999 - 2 StR 28/99, BGHSt 45, 131, 132). […] Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollte dieses qualifizierende Merkmal im Wesentlichen dem durch das 33. StrÄndG vom 1. Juli 1997 (BGBl. I S. 1607) in § 177 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB (heute § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB) eingeführten Regelbeispiel eines besonders schweren Falls der Vergewaltigung nachgebildet werden (BT-Drucks. 13/8587, S. 31 f.). Hiernach sollte „vor allem das Eindringen des Geschlechtsgliedes in den Körper als orale oder anale Penetration erfasst” werden (BT-Drucks. 13/2463, S. 7 und BT-Drucks. 13/7324, S. 6; BGH, Beschluss vom 14. September 1999 - 4 StR 381/99, NStZ 2000, 27). […] Anders als das Regelbeispiel des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB stellt § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht auf die besondere Erniedrigung des Opfers ab, sondern allein auf das Eindringen in den Körper, welches - soweit beischlafähnlich - als schwerwiegende Beeinträchtigung der körperlichen Integrität anzusehen ist (Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2008- 2 StR 282/08, BGHSt 53, 118, 120). “
201Vgl. BGH, Urteil vom 09.07.2014 – 2 StR13/14 –, juris Rn. 25 bis 27.
202Eine für den Beklagten günstigere Einschätzung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf das Alter der abgebildeten Opfer. Es handelt sich zwar offensichtlich nicht um Kleinkinder, sondern um Mädchen und einen Jungen im Alter von 10 bis 13 Jahren. Davon ist auch der Beklagte ausgegangen, wie die Benennung von Unterordnern mit „11“, „12_13–Ficken“ zeigen. Dass der Beklagte als Lehrer und Schulleiter einer weiterführenden Schule kinderpornographische Darstellungen von Opfern, die von ihrem Alter aus gesehen ihm als Schülerinnen und Schüler anvertraut gewesen sind, besessen hat, verleiht dem Besitz solcher Bilder ein disziplinarrechtlich besonders bedeutsames Gewicht. Darauf hat im Übrigen auch das Strafgericht bei seiner Strafzumessung abgestellt.
203Die Schwere des Vergehens wird auch nicht dadurch gemindert, dass es sich nur um acht Bilddateien gehandelt hat, wegen derer der Beklagte verurteilt worden ist. Zunächst handelt es sich bei acht Dateien nicht von vorneherein um eine unerhebliche Anzahl. Diese Dateien hat der Beklagte auch nicht nur bei einer Gelegenheit gewissermaßen „versehentlich“ heruntergeladen, sondern über einen Zeitraum von über einem Jahr gesammelt und in entsprechend bezeichneten Dateiordnern sorgfältig abgelegt. Insoweit spricht auch der Zeitraum von mehr als einem Jahr, in dem der Beklagte die Dateien auf seinem Computer gespeichert hatte, für eine besondere Schwere seines Fehlverhaltens. Dass die acht Dateien mit kinderpornographischem Inhalt lediglich einen Bruchteil der insgesamt ca. 15.000 Dateien pornographischen bzw. erotischen Inhalts ausmachten, kann die Schwere der Verfehlung des Beklagten nicht relativieren.
2042. Ist demzufolge die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. beim Beklagten als Ruhestandsbeamten die Aberkennung des Ruhegehalts Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung, so kommt es für die Bestimmung der im konkreten Einzelfall zu verhängenden Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beklagten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung nach § 13 Abs. 2 Sätze 2 und 3 LDG NRW derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist.
205Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 – 2 C 63.11 –, juris Rn. 17 m. w. N., Beschluss vom 01.03.2012 – 2 B 140.11 –, juris Rn. 9.
206Damit wird zugleich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechnung getragen, derzufolge eine Verhängung der Höchstmaßnahme bei Besitz kinderpornographischer Schriften auch im Fall von Lehrern nur in Betracht kommt, wenn für den Beamten keine entlastenden Umstände von erheblichem Gewicht sprechen.
207Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25.05.2012 – 2 B 133.11 –, juris Rn. 11, vom 19.03.2013 – 2 B 17.12 –, juris Rn. 5, und vom 16.03.2017 – 2 B 42.16 –, juris Rn.12.
208Im Hinblick auf das Persönlichkeitsbild des Beklagten zu berücksichtigende Umstände liegen hier allenfalls insofern vor, als die Maßnahme zu verschärfen ist. Das führte im Übrigen auch dann schon selbstständig tragend zur Höchstmaßnahme, wenn man davon ausginge, dass im Hinblick auf einen am konkreten Strafmaß ausgerichteten Orientierungsrahmen eine unterhalb der Höchstmaßnahme liegende Maßnahme indiziert wäre.
209a) Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 LDG NRW erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder ob es etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder psychischen Ausnahmesituation davon abweicht.
210Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.2013 – 2 B 35.13 –, juris Rn. 6.
211Daher können bzw. müssen auch Feststellungen zu Verhaltensweisen des Beamten getroffen werden, die nicht Gegenstand des zur Last gelegten Dienstvergehens sind.
212Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.06.2010 – 2 B 84.09 –, juris Rn. 14 [für § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG].
213aa) Von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelte persönlichkeitsbezogene Milderungsgründe, die zum Absehen von der Höchstmaßnahme führen können, liegen nicht vor.
214(1) Der Beklagte hat das Dienstvergehen insbesondere nicht im Zustand einer im Sinne des § 21 StGB erheblich verminderten Schuldfähigkeit begangen, was regelmäßig einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis entgegenstünde.
215Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 09.02.2016 – 2 B 84.14 –, juris Rn. 21, und vom 04.07.2013 – 2 B 76.12 –, juris Rn. 19.
216§ 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert ist. Gründe in diesem Sinne sind eine krankhafte seelische Störung, eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung, Schwachsinn oder eine schwere andere seelische Abartigkeit, die die Fähigkeit beeinträchtigen, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Beim Beklagten müsste daher zur Tatzeit eine solche Beeinträchtigung und damit ein Eingangsmerkmal i. S. v. § 20 StGB vorgelegen haben. Bereits das ist nicht der Fall. Es bestehen auch nach erfolgter Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte im Tatzeitraum unter einer Störung in diesem Sinne gelitten hat.
217Unter krankhafte seelische Störungen fallen etwa endogene Psychosen, d. h. Störungen aus dem Formenkreis der Schizophrenie sowie bipolare Störungen mit oder ohne Wahn-Symptome, sowie exogene Psychosen und damit Störungen mit einer hirnorganischen Ursache, wie etwa Schädel-Hirn-Traumata, hirnorganische Krampfleiden, Hirnabbau infolge von Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenabhängigkeit.
218Vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 65. Aufl. 2018, § 20 Rn. 9 ff.
219Nach dem vom Beklagten vorgelegten ärztlichen Befundbericht des ihn behandelnden Internisten und Psychotherapeuten Dr. G. vom 23. Juni 2009 litt er zum damaligen Zeitpunkt unter einer „mittelgradige[n] depressive[n] Episode (ICD-10 F 32.1) bei narzisstischen Persönlichkeitsanteilen als Reaktion auf berufliche Veränderung und Z. n. Lungenteilresektion wegen Lungenkarzinoids 2006 (pT2 pNO G1 RO MO)“. Diese Diagnose enthält keinen Hinweis auf eine psychotische Erkrankung im oben genannten Sinne.
220Das gilt auch für eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung. Im Mittelpunkt der praktischen Anwendung dieses Eingangsmerkmals steht der nicht krankheitsbedingte Zustand eines hochgradigen Affekts. Daneben kommen Bewusstseinsstörungen durch Erschöpfung, Schlaf oder Schlaftrunkenheit in Betracht.
221Vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 65. Aufl. 2018, § 20 Rn. 28.
222Bei dem Beklagten könnte es allenfalls um eine schwere andere seelische Abartigkeit gehen. Darunter fallen seelische Fehlanlagen und Fehlentwicklungen, die zwar keine krankhaften seelischen Störungen im oben genannten Sinne darstellen, aber zu Veränderungen der Persönlichkeit führen. Diese müssen in ihrer Gesamtheit das Leben des Täters vergleichbar schwer und mit ähnlichen – auch sozialen – Folgen stören, belasten oder einengen wie krankhafte seelische Störungen. Dabei sind der Ausprägungsgrad der Störung und ihr Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters von Bedeutung. Für die Bewertung der Schwere der Störung ist im Allgemeinen maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des Delikts zu Einschränkungen des sozialen Handlungsvermögens gekommen ist.
223Vgl. BGH, Beschluss vom 12.10.2017 – 5 StR 364/17 –, juris Rn. 9 m. w. N.
224Unter dieses Eingangsmerkmale fallen beispielsweise abhängige Persönlichkeitsstörungen (ICD-10, F 60.7), Anpassungsstörungen (ICD-10, F 43.2), etwa auch nach emotionaler Traumatisierung sowie narzisstische oder paranoide Persönlichkeitsstörungen.
225Vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 65. Aufl. 2018, § 20 Rn. 41.
226Eine Störung dieser Art ist bei dem Beklagten indes nicht festgestellt worden. Das gilt gerade auch für die Diagnosen des ihn behandelnden Dr. G. . Dieser ist in seiner Stellungnahme vom 25. April 2010 davon ausgegangen, dass sich der Beklagte zwischen den ersten Symptomen der Lungenerkrankung Ende April 2006 und der Diagnosestellung in einem „extrem hohen Anspannungszustand[es] bei Angst, an einer bösartigen Krankheit mit womöglich schnell zum Tode führendem Verlauf zu leiden,“ befunden habe. Diese Einschätzung hat Dr. G. aber nicht dazu veranlasst, bei dem Beklagten etwa eine paranoide Persönlichkeitsstörung oder eine Angststörung zu diagnostizieren und die bereits zitierte Diagnose in dem Befundbericht vom 23. Juni 2009 im Rahmen seiner Stellungnahme vom 25. April 2010 entsprechend zu korrigieren oder zu erweitern.
227Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine den Anforderungen eines Eingangsmerkmals genügende Störung wegen extremer Angst, an einer tödlichen Krankheit zu leiden, zu den Zeitpunkten des Herunterladens der Bilder auch aus tatsächlichen Gründen ausscheidet. Zwar hat der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren zunächst vorgetragen, dass er die erotischen Bilder im Internet an einem einzigen Wochenende Anfang Mai 2006 als Ablenkung betrachtet habe, nachdem er aufgrund blutigen Auswurfs beim Husten die Vermutung gehabt habe, an Lungenkrebs erkrankt zu sein bzw. nachdem bei ihm Lungenkrebs diagnostiziert worden sei. Diese Darstellung war aber falsch. Vielmehr waren fünf der acht Bilddateien, die der strafrechtlichen Verurteilung zugrunde lagen, vor den Symptomen, die nach der ärztlichen Stellungnahme des Dr. G. vom 25. April 2010 Ende April 2006 aufgetreten sind, heruntergeladen worden. Hierbei handelte es sich um vier Bilder am 3. Januar 2006 und ein Bild am 6. April 2006. An seiner früheren Darstellung hat der Beklagte im Berufungsverfahren auch nicht mehr festgehalten. Vielmehr führt er nunmehr aus, dass er angesichts des Inhalts der Strafakte angenommen habe, das fragliche Wochenende sei das Datum der Tatbegehung gewesen, da er sich konkret an die fraglichen Bilddateien und ihre Bedeutung nicht habe erinnern können. Es sei für ihn die einzige Erklärung gewesen, weil er keine Affinität zu kinderpornographischen Darstellungen habe. Sowohl er selbst als auch sein Anwalt hätten es dabei bewenden lassen und darauf verzichtet, die Bilddateien konkret und gesondert auszuwerten.
228Wurden demnach jedenfalls fünf der in Rede stehenden Bilddateien heruntergeladen, bevor der Beklagte auf der Grundlage seiner Angaben überhaupt nur den Verdacht einer Krebserkrankung hatte, kann eine krankhafte seelische Störung aufgrund von Angst vor einer tödlichen Krankheit zum damaligen Zeitpunkt nicht angenommen werden. Hinsichtlich der nach der Krebsdiagnose gespeicherten Bilder (zwei Bilder am 12. April 2007, ein Bild am 8. Dezember 2007) ist von einer extremen Angst oder Anspannung bereits deshalb nicht auszugehen, weil der Zeitpunkt des Herunterladens dieser Bilder deutlich nach der Operation im Juni 2006 lag und dem Beklagten jedenfalls zu diesem Zeitpunkt bekannt war, dass es sich, wie Dr. G. in seiner ärztlichen Stellungnahme vom 25. April 2010 ausgeführt hat, um ein Karzinoid, d. h. um einen kaum metastasierenden Lungentumor handelte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die vom Beklagten angeführten Nachuntersuchungen, die seinen Angaben zufolge zu einer Fortdauer der Angstzustände geführt haben sollen. Insoweit ist festzustellen, dass sich – wie oben ausgeführt – aus dem Befundbericht des Dr. G. vom 23. Juni 2009, der unter anderem den Zustand des Beklagten nach Lungenteilresektion betrifft, keine einschlägige Diagnose bezüglich einer Erkrankung im Sinne von § 20 StGB ergibt.
229Auch eine Depression als krankhafte seelische Störung i. S. v. §§ 20, 21 StGB kommt nicht in Betracht. Soweit Dr. G. im Befundbericht vom 23. Juni 2009 eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert hat, hat er diese als Reaktion auf die berufliche Veränderung durch die Suspendierung des Beklagten im Jahr 2008 gewertet. Rückschlüsse auf die vor der Suspendierung liegenden Zeitpunkte des Herunterladens und Speicherns der acht Bilddateien (2006 und 2007) in Ordnern, die er für Darstellungen von Kindern und Jugendlichen eingerichtet hatte, lassen sich hieraus nicht ziehen. Selbst wenn sich die depressive Episode auch als Reaktion auf den Zustand nach Lungenteilresektion im Jahr 2006 beziehen und damit für den Tatzeitraum aussagekräftig sein sollte, ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Erkrankung im Sinne von § 20 StGB. Depressive Episoden sind in der Regel nicht kriminogen. Denkbar ist dies bei Taten wegen krankheitsbedingter Unfähigkeit zur Erfüllung alltäglicher Pflichten. Ferner kann eine stark erhöhte Suizidalität zu Tatbildern des „Mitnahmesuizid“ führen.
230Vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 65. Aufl. 2018, § 20 Rn. 9b.
231Der Beklagte war jedoch im Tatzeitraum im Wesentlichen uneingeschränkt in der Lage, seine alltäglichen Pflichten zu erfüllen. Er selbst hat hervorgehoben, dass er anlässlich seiner Krebserkrankung lediglich fünf Tage gefehlt habe. Tatsächlich wurde der Tumor unmittelbar vor Beginn der Schulsommerferien im Jahr 2006 entfernt, und der Beklagte ist seinen eigenen Angaben nach zu Schuljahresbeginn wieder im Dienst gewesen. Er hat zwar ab Mitte Oktober 2006 die ihm wegen seiner Schwerbehinderung zustehende Regelermäßigung i. H. v. drei Wochenstunden sowie eine zusätzliche Pflichtstundenermäßigung von weiteren drei Wochenstunden wahrgenommen. Abgesehen davon ist nicht zu erkennen, dass er bei der Bewältigung seiner dienstlichen und sonstigen alltäglichen Pflichten aufgrund einer depressiven Erkrankung beeinträchtigt gewesen wäre. Dies bestätigen auch seine Angaben gegenüber Dr. G. , wie sie in dem Befundbericht vom 23. Juni 2009 niedergelegt sind. Seinem Therapeuten gegenüber hatte der Beklagte erläutert, dass er sich nach der Tumoroperation durch die Arbeit gut habe ablenken können. „Völlig abgeklappt“ sei er, als man ihn wegen eines gegen ihn laufenden Strafverfahrens vom Dienst freigestellt habe. Für ihn sei eine Welt zusammengebrochen. Daraus ergibt sich, dass sich der Beklagte auch nach eigener Einschätzung vor seiner Suspendierung durch seine Arbeit ablenken konnte und nicht durch depressive Symptome beeinträchtigt war.
232Etwas anderes folgt auch nicht aus seiner Erklärung vom 27. Juli 2017 im fortgeführten Berufungsverfahren. Soweit er nunmehr vorträgt, sich seit 1998 in einer lang andauernden Überlastungssituation auf der Arbeit befunden und rückblickend bereits seit Ende 2005 unter einer inneren Unruhe, Angstzuständen und Schlafstörungen gelitten zu haben, erreichen diese Symptome nicht ansatzweise den Schweregrad einer seelischen Störung im Sinne des § 20 StGB. Davon geht im Übrigen der Beklagte nicht einmal selbst aus. Er nimmt vielmehr an, dass die genannten Symptome nicht auf die berufliche Überlastung zurückzuführen gewesen seien, sondern auf eine erhöhte Hormonausschüttung durch das Karzinoid.
233Auch ein eventuell erhöhter Serotonin-Spiegel aufgrund einer möglichen Produktion dieses Botenstoffs durch das beim Beklagten festgestellte Karzinoid vermag indes keine Zweifel an seiner (uneingeschränkten) Schuldfähigkeit im Tatzeitraum zu wecken. Dass die Auswirkungen einer erhöhten Serotonin-Produktion bei dem Beklagten zu einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, Schwachsinn oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit geführt haben, die über den gesamten Tatzeitraum von Januar 2006 bis Dezember 2007 angehalten hat, ist nicht anzunehmen. Die Beweisaufnahme durch Einholung des schriftlichen Gutachtens des Ärztlichen Leiters des Funktionsbereichs spezielle Endokrinologie Prof. Dr. T2. am Universitätsklinikum E2. hat ergeben, dass der Beklagte jedenfalls nach der Entfernung des Lungentumors am 26. Juni 2006 nicht mehr unter dem Einfluss einer tumorbedingten Serotoninausschüttung gestanden hat. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn bei ihm ein Rezidiv oder eine Metastasierung des Lungen-Karzinoids vorgelegen hätte. Dafür bestehen jedoch aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen keine Anhaltspunkte:
234Der Tumor ist der gutachterlichen Beurteilung der Praxis für Pathologie I1. vom 26. Juni 2006 zufolge vollständig entfernt worden. Die Lymphknoten waren tumorfrei. Die ärztliche Stellungnahme des Hausarztes des Beklagten vom 21. Juli 2017 enthält keinerlei Hinweise auf eine Metastasierung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der ausführlichen Schilderung des Beklagten selbst in dem Schriftsatz vom 27. Juli 2017. Anhaltspunkte, die eine andere Einschätzung stützen könnten, gibt es nicht. Insbesondere hat der Beklagte auch, nachdem ihn das Gericht mit Verfügung vom 14. August 2018 darauf hingewiesen hat, dass nach vorläufiger Einschätzung zwischen Ende Juni 2006 und Dezember 2007 eine Sexualfunktionsstörung aufgrund einer tumorbedingt erhöhten Serotoninausschüttung nur vorgelegen haben könne, wenn sich in seinem Körper nach der Operation Ende Juni 2006 ein Rezidiv und/oder Metastasen gefunden haben, wofür es keine Anhaltspunkte gebe, nichts zu einem solchen nachoperativen Befund vorgetragen.
235Haben sich aber tatsächlich Metastasen nicht gebildet und gab es auch kein Rezidiv, ist eine mögliche und wegen der Vernichtung des Operationspräparats im Jahr 2017 nicht mehr aufzuklärende Serotoninwirkung durch den entfernten Tumor unerheblich für die Frage der Schuldfähigkeit des Beklagten. Nach den Ausführungen des Sachverständigen zu Nr. 10 des Beweisbeschlusses beträgt die Halbwertzeit von Serotonin wenige Stunden. Die komplette Entfernung des Tumors ohne positiven Lymphknotennachweis, so wie sie nach dem Pathologiebefund erfolgt ist, und ohne Metastasierung führt zu einer sofortigen Verbesserung der klinischen Symptome innerhalb weniger Stunden. Nach vollständiger Entfernung des Tumors sind Symptome aufgrund einer Serotoninausschüttung nicht mehr nachweisbar. Strafbare Handlungen, die (ausschließlich) vor der Operation stattgefunden haben, werden dem Beklagten nicht vorgeworfen. Das Dienstvergehen umfasst vielmehr u. a. einen Zeitraum von jedenfalls 17 Monaten zwischen der Operation und der Beschlagnahme des Computers des Beklagten.
236Im Strafverfahren ging es im Übrigen immer nur um den Besitz kinderpornographischer Bilddateien am 14. Dezember 2007 und in der Zeit davor. Auf die Beschaffung, von der der Beklagte zunächst behauptet hatte, dass sie an nur einem Wochenende Anfang Mai 2006 stattgefunden habe, kam es nicht an. Denn er hatte die acht Bilddateien nachweislich bis Mitte Dezember 2007 auf seinem Computer gespeichert. In seinem Schreiben vom 27. Juli 2018 hat er im Übrigen richtig gestellt, dass er noch am 12. April 2007 und am 8. Dezember 2007 insgesamt weitere drei der inkriminierten acht Dateien heruntergeladen hat.
237Da sich aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten keine Anhaltspunkte für eine erhöhte Serotoninausschüttung im gesamten Tatzeitraum ergeben, bestand für den Senat keine Veranlassung zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere zu der Frage, inwieweit Serotonin ein Interesse an kinderpornographischen Darstellungen hervorrufen kann.
238(2) Anhaltspunkte für das Vorliegen anderer in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts „anerkannter“ Milderungsgründe, wie etwa des persönlichkeitsfremden Handelns in einer besonderen Versuchungssituation, sind bei einem über knapp zwei Jahre andauernden und sukzessive erweiterten Besitz einschlägiger Bilddateien, nicht ersichtlich. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte auf seinem Computer neben den seinerzeit eindeutig als kinderpornographische Schriften einzustufenden Dateien eine Vielzahl von Darstellungen gespeichert hatte, die sich im Grenzbereich zur Kinderpornographie bewegten. Das hat bereits das Strafgericht in seinem Urteil festgestellt.
239Die auch nach der Operation im Juni 2006 andauernde Beschäftigung mit pornographischen Darstellungen ergibt sich im Übrigen nicht nur aus dem Vermerk über die Auswertung, sondern auch aus den Auflistungen der Ordnerpfade. Die dort aufgeführten Darstellungen zeigen, dass der Beklagte bis zum 14. Dezember 2007 und damit noch während etwa eineinhalb Jahren nach der Entfernung des Tumors auf seinem Computer ein umfangreiches Archiv mit pornographischen Darstellungen besessen hat. Eine persönlichkeitsfremde Veränderung aufgrund hormoneller Einflüsse hätte nach der Entfernung des Tumors ihr Ende gefunden mit der Folge einer Abkehr von einer Beschäftigung mit kinderpornographischen Darstellungen bzw. Posingbildern mit kindlichen oder jugendlichen Darstellern. Das ist nicht zu erkennen.
240Bestätigt wird das besondere Interesse des Beklagten gerade auch an Darstellungen, die zur Tatzeit zumindest als im Grenzbereich zur Kinderpornographie einzustufen waren, ferner durch die Abbildungen, die er im Ordner „Verschiedenes“, Unterordner „Junge Girls“, weiterer Unterordner „10“ schließlich im Unterordner „10-Alina-blanke-Pflaume_+“ gespeichert und mit eindeutigen Dateinamen versehen hat. Diese Dateien sind als Ausdruck dem Vermerk der Direktion Kriminalität KK31 vom 13. März 2008 als Bl. 55 und 56 der Beiakten Heft 2 beigefügt und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Die Bilddateien verdeutlichen hinreichend, für welche Art von Bildern sich der Beklagte nicht nur vorübergehend interessierte. Dass sich u. a. aus den auf dem Computer des Beklagten aufgefundenen zahlreichen Bilddateien auf der Grenze zur Kinderpornographie eine Interessenrichtung des Beklagten ergibt, hat im Übrigen bereits das Strafgericht festgestellt.
241Insgesamt ist sein Verhalten deshalb als persönlichkeitstypisch zu bewerten.
242bb) Stehen dem Beklagten keine so genannten anerkannten Milderungsgründe zur Seite, bedeutet dies allerdings nicht, dass entlastende Aspekte seines Persönlichkeitsbildes bei der Maßnahmebemessung unberücksichtigt bleiben dürften. Sie sind vielmehr auch dann, wenn sie keinen der anerkannten Milderungsgründe verwirklichen, insgesamt mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Dabei bieten die Milderungsgründe Vergleichsmaßstäbe für die Bewertung, welches Gewicht entlastenden Gesichtspunkten in der Summe zukommen muss, um eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses in Betracht ziehen zu können. Generell gilt, dass deren Gewicht umso größer sein muss, je schwerer das Dienstvergehen im Einzelfall wiegt.
243Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 – 2 C 3.11 –, juris Rn. 25, Beschluss vom 20.12.2013 – 2 B 35.13 –, juris Rn. 21.
244Entlastende Gesichtspunkte des Persönlichkeitsbildes, die in ihrer Gesamtheit ein Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen können, sind nicht festzustellen.
245(1) Eine „Entgleisung während einer inzwischen überwundenen negativen Lebensphase" im Tatzeitraum kann dem Beklagten nicht zu Gute gehalten werden. Eine so genannte negative Lebensphase während des Tatzeitraums kann zwar je nach den Umständen des Einzelfalls mildernd berücksichtigt werden. Dies gilt allerdings nur für außergewöhnliche Verhältnisse, die den Beamten zeitweilig aus der Bahn geworfen haben. Hinzukommen muss, dass er die negative Lebensphase in der Folgezeit überwunden hat. Die Berücksichtigung einer schwierigen, inzwischen überwundenen Lebensphase liegt dabei vor allem dann nahe, wenn sich der Pflichtenverstoß als Folge der Lebensumstände darstellt.
246Vgl. BVerwG, Urteile vom 22.03.2016 – 2 B 43.15 –, juris Rn. 11, und vom 28.02.2013 – 2 C 3.12 –, juris Rn. 40 f., jeweils m. w. N., Beschluss vom 09.10.2014 – 2 B 60.14 –, juris Rn. 32.
247Es muss sich um eine persönlich besonders belastende Situation gehandelt haben, die so gravierend ist, dass die Pflichtverletzung des Beamten in einem milderen Licht erscheint, weil ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten vom Beamten nicht mehr erwartet und damit nicht mehr vorausgesetzt werden kann.
248Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.06.2016 – 2 B 49.15 –, juris Rn. 11.
249Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Wurden nach den obigen Feststellungen jedenfalls fünf der in Rede stehenden Bilddateien heruntergeladen, bevor der Beklagte überhaupt nur den Verdacht einer Krebserkrankung hatte, kann eine extreme Anspannung aufgrund von Angst vor einer tödlichen Krankheit zu dem damaligen Zeitpunkt nicht angenommen werden. Daher kann den Beklagten auch die ärztliche Stellungnahme des ihn behandelnden Dr. G. vom 25. April 2010 nicht durchgreifend entlasten, es sei durchaus nachvollziehbar, dass es Anfang Mai 2006, im Zeitraum zwischen ersten Symptomen und Diagnosestellung „im Rahmen dieses extrem hohen Anspannungszustandes bei Angst, an einer bösartigen Erkrankung mit womöglich schnell zum Tode führendem Verlauf zu leiden“, beim exzessiven Surfen zum unkritischen Herunterladen kinderpornographischer Seiten gekommen sei. Hinsichtlich der nach der Krebsdiagnose heruntergeladenen Bilder (zwei Bilder am 12. April 2007, ein Bild am 8. Dezember 2007) ist von einer extremen Angst oder Anspannung bereits deshalb nicht auszugehen, weil der Zeitpunkt des Herunterladens dieser Bilder nach der Operation im Juni 2006 lag und dem Beklagten jedenfalls zu diesem Zeitpunkt bekannt war, dass es sich um ein Karzinoid und damit um einen kaum metastasierenden Lungentumor handelte. Gegen ein Fortbestehen extremer Todesangst spricht darüber hinaus, dass der Beklagte unmittelbar zu Schuljahresbeginn seiner dienstlichen Tätigkeit nachgegangen ist und dies selbst auch – wie oben festgestellt – als gute Ablenkung empfunden hat.
250Die vom Beklagten ferner vorgebrachte berufliche Überlastung aufgrund der 1998 übernommenen Schulleitertätigkeit verbunden mit der Aufgabe eines Moderators für Schulleiterfortbildungen belegt ebenfalls keine derart außergewöhnlichen Verhältnisse, dass angenommen werden könnte, sie hätten ihn zeitweilig aus der Bahn geworfen. Gegen eine vom Beklagten als ganz außergewöhnlich empfundene Überlastung spricht zunächst, dass er noch Ende Januar 2006 auf die ihm ab Mai 2006 nach Vollendung des 55. Lebensjahres zustehende Altersermäßigung verzichtet hatte, um von der Möglichkeit der Altersteilzeit ab 59 Jahren Gebrauch machen zu können. Darüber hinaus gilt auch hier, dass der Beklagte seinem Therapeuten gegenüber angegeben hat, seine dienstliche Tätigkeit habe nach der Krebsoperation eine gute Ablenkung dargestellt. Das ist auch im Hinblick auf die ab Mitte Oktober 2006 erfolgte Ermäßigung seiner Pflichtstunden um insgesamt sechs Wochenstunden nachvollziehbar.
251(2) Das Gericht hat die vom Beklagten geltend gemachten Belastungen im Dienst allerdings auch unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen einer Entgleisung in einer negativen Lebensphase zu seinen Gunsten in die Abwägung einbezogen. Sie führen jedoch angesichts der Schwere der Pflichtverletzung nicht zu einer durchgreifenden Entlastung. Der Dienstherr und die Allgemeinheit müssen darauf vertrauen können, dass ein Beamter einer vermehrten Arbeitsbelastung in einer herausgehobenen Leitungsfunktion auf andere Weise begegnet als durch den gezielten Besitz kinderpornographischer Darstellungen.
252Dasselbe gilt auch für die erheblichen Belastungen, die für den Beklagten aus der Krebserkrankung und den damit typischerweise verbundenen Todesängsten sowie aus der Schwerbehinderung mit einem Grad von 80 infolge der Teilentfernung der Lunge folgten. Dabei verkennt der Senat nicht, dass sowohl die Erkrankung als auch deren unmittelbare Folgen den Beklagten physisch und psychisch stark beeinträchtigt haben. Dennoch ist von einem Beamten in der Position des Beklagten, der als Schulleiter für eine Schulgemeinde mit Schülerinnen, Schülern und für ein Kollegium verantwortlich ist, zu erwarten, gegebenenfalls professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn er die Neigung verspürt, sich zu seiner Entspannung kinderpornographischen Darstellungen zuzuwenden. Gerade auch angesichts des Bildungsstands des Beklagten wäre von ihm zu erwarten gewesen, dass er die psychischen Antriebe, die ursächlich für sein Fehlverhalten waren, zu gegebener Zeit überdacht, und dass er – sofern ihm die Kraft gefehlt haben sollte, von sich aus auf den weiteren Besitz kinderpornographischer Darstellungen zu verzichten – zu diesem Zweck bereits vor der Aufdeckung seiner Verfehlungen (therapeutische) Hilfe in Anspruch nimmt.
253(3) Bestehen, wie oben ausgeführt, keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass im Tatzeitraum eine psychische Störung vorlag, die eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB erfüllte, kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dennoch für die Gesamtwürdigung eine krankhafte Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit unterhalb der Schwelle einer seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB von Bedeutung sein.
254Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.02.2017 – 2 B 85.16 –, juris Rn. 10.
255Eine solche Beeinträchtigung liegt hier aber nicht vor. Es bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte, der auf seinem Computer ein penibel sortiertes Archiv von 15.000 pornographischen Darstellungen – mit einer beträchtlichen Anzahl von Bildern im Grenzbereich zur Kinderpornographie – aufgebaut hatte, sein Verhalten im Zeitpunkt des Dienstvergehens nur unzureichend steuern konnte. Er war vielmehr in der Lage, die Bilder in der im Tatbestand beispielhaft dargestellten Weise nach dem von ihm angenommenen Alter der abgebildeten Kinder und Jugendlichen und nach bestimmten Posen zu benennen und in dafür eingerichteten Ordnern und Unterordnern abzulegen, auch soweit die acht in Rede stehenden Dateien betroffen sind. Dieses bereits im Strafurteil festgestellte strukturierte Vorgehen zeichnet auch die Archivierung der Darstellungen nicht inkriminierter Pornographie aus, die er beispielsweise nach Berufsgruppen, nach Konstellationen der am Geschlechtsverkehr Beteiligten, nach Formen des abgebildeten Geschlechtsverkehrs und nach weiteren Merkmalen, wie etwa bestimmten gewalttätigen Einwirkungen auf die Opfer, sortiert hat (vgl. Auflistung der Ordnerpfade in Heft 3 der Beiakten). Diese Vorgehensweise des Beklagten spricht insgesamt gegen eine Beeinträchtigung seiner Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit.
256(4) Auch die vom Beklagten geltend gemachten sozialen Folgen seines Verhaltens wirken sich nicht entscheidend mildernd zu seinen Gunsten aus. Im Bereich der Strafzumessung sind die Folgen der Tat für den Täter zwar nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB u. U. strafmildernd zu berücksichtigen,
257vgl. BGH, Beschluss vom 18.12.1990 – 4 StR 548/90 –, juris Rn. 10,
258oder können sogar ein Absehen von Strafe rechtfertigen, vgl. § 60 StGB. Anders als im Strafrecht geht es bei der disziplinarrechtlichen Maßnahmebemessung aber nicht um eine Bestrafung des Täters. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung ist vielmehr die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten.
259Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.03.2012 – 2 A 11.10 –, juris Rn. 71 m. w. N.
260Demgemäß kann nicht mildernd berücksichtigt werden, ob der Beklagte durch den Ansehensverlust bei Freunden und Bekannten und die Aufgabe seines Ratsmandats bereits „genug gestraft“ ist.
261Der durch das Verhalten des Beklagten hervorgerufene Vertrauensverlust erscheint auch nicht mit Rücksicht auf die Belästigung seiner Person und seiner Familie durch rechtsextreme Demonstranten in einem durchgreifend milderen Licht, so belastend sie auch gewesen sein mag.
262(5) Dass der Beklagte zuvor unbeanstandet Dienst geleistet hatte und disziplinar- sowie strafrechtlich unbelastet war, ist für das insofern positive Persönlichkeitsbild von Bedeutung. Allerdings ist selbst ein beanstandungsfreies Verhalten mit überdurchschnittlichen Beurteilungen regelmäßig nicht geeignet, gravierende Dienstpflichtverletzungen in einem milderen Licht erscheinen zu lassen, da jeder Beamte generell verpflichtet ist, bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz der Arbeitskraft zu erbringen und sich achtungs- sowie vertrauenswürdig zu verhalten.
263Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.01.2013 – 2 B 63.12 –, juris Rn. 13, m. w. N.
264cc) Zu Lasten des Beklagten ist allerdings bei der Würdigung seines Persönlichkeitsbildes zu berücksichtigen, dass sich nach den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts E. nicht nur die acht inkriminierten Dateien auf dem Computer des Beklagten befanden, sondern auch weitere Darstellungen im Grenzbereich zur Kinderpornographie. Auch wenn es sich hierbei um im Tatzeitpunkt nicht strafbewehrte Darstellungen handelte, die nicht Gegenstand der Disziplinarklage sind, kann der Besitz derartiger Darstellungen im Rahmen des Persönlichkeitsbildes des Beamten gewürdigt werden.
265Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.01.2014 – 2 B 102.13 –, juris Rn. 10, 13 ff.
266Hierbei ist auch im Blick zu behalten, dass der Beklagte diese Darstellungen akribisch bezeichnet und in entsprechend eingerichteten Dateiordnern abgelegt hat. Von einem gewissermaßen „zufälligen“ Besitz dieser Darstellungen kann daher nicht ausgegangen werden. Vielmehr ist anzunehmen, dass der Beklagte die entsprechenden Bilder absichtsvoll gesammelt und geordnet sowie bezeichnet hat. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang ferner, dass ein Großteil der von ihm beschafften und archivierten Bilder im Zusammenhang mit dem Schulalltag steht. Das gilt nicht nur für die inkriminierten acht kinderpornographischen Darstellungen, die Kinder ab ca. dem zehnten Lebensjahr zeigen, sondern auch für die große Anzahl seinerzeit nicht strafbarer Posingbilder, die in einer Vielzahl von Fällen Mädchen zeigen, die in eine weiterführende Schule eingetreten sind.
267Dass das Verhalten des Beklagten von einer gewissen Verharmlosungstendenz gekennzeichnet gewesen sein und sein gesamtes Einlassungsverhalten von ungenügender Einsicht gezeugt haben mag, führt allerdings nicht zu einer dem Beklagten nachteiligen Würdigung, da es sich um zulässiges Prozessverhalten handelt.
268Es kann zwar zu Gunsten eines Beamten berücksichtigt werden, wenn dieser die von ihm eingeräumten Taten nachträglich aufgearbeitet hat und eine erneute Begehung entsprechender Dienstvergehen nicht mehr zu besorgen ist. Das Ausbleiben einer solchen inneren Einsicht und Aufarbeitung der dem Beamten vorgeworfenen Pflichtenverstöße kann indes nicht zu seinen Lasten gewürdigt werden.
269Vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.05.2015 – 2 B 32.14 –, juris Rn. 29 f., m. w. N.
270b) Das Ausmaß der vom Beklagten zu verantwortenden Vertrauensbeeinträchtigung gibt keinen Anlass, sein Dienstvergehen in milderem Licht zu sehen. Das Gegenteil ist der Fall. Der Gesichtspunkt der „Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ verlangt eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion.
271Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.05.2008 – 2 C 59.07 –, juris Rn. 15.
272Unter diesem Blickwinkel fällt entscheidend ins Gewicht, dass der Besitz von kinderpornographischen Schriften in ganz besonderem Maße die Pflichtenstellung eines Lehrers und erst recht die eines Schulleiters berührt.
273Durch das verfahrensgegenständliche Verhalten hat der Beklagte den Erwartungen, die sein Dienstherrn in ihn gesetzt hat, die Grundlage entzogen.
274Im Schuldienst tätige Personen sind – wie dargelegt – gehalten, die Menschenwürde, die freie Entfaltung der Persönlichkeit und nicht zuletzt die körperliche Unversehrtheit (Art. 1 und 2 GG) von Kindern und Jugendlichen in besonderem Maße zu schützen. Bei der Herstellung kinderpornographischer Darstellungen werden diese Rechte und Rechtsgüter der kindlichen Opfer in menschenverachtender Weise verletzt. Ein Lehrer ist nach dem umfassenden Bildungsauftrag der Schule ferner nicht nur zur Vermittlung von Wissen, sondern auch zur Erziehung der Kinder verpflichtet. Er trägt die unmittelbare pädagogische Verantwortung (§ 57 Abs. 1 SchulG NRW). Ihm kommt kraft Gesetzes eine Vorbildfunktion gegenüber den Schülern zu. Er gehört daher zu einem Personenkreis, von dem die Allgemeinheit ein besonderes Maß an Sensibilität und Verantwortungsbewusstsein erwartet, wenn es um Straftaten zum Nachteil junger Menschen geht. Der Besitz kinderpornographischer Schriften, wegen dessen der Beklagte rechtskräftig verurteilt worden ist, steht diesen berechtigten Erwartungen an die charakterliche Eignung eines Lehrers unvereinbar gegenüber. Mit dem vorsätzlichen Besitz von Schriften, die u. a. den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben, hat sich der Beklagte nicht nur strafbar gemacht. Er hat sich darüber hinaus in besonders schwerer Weise zum Nachteil der von diesen Abbildungen betroffenen sexuell missbrauchten Kinder über die verfassungsrechtliche Werteordnung hinweggesetzt. Ein Lehrer, der in dem in Rede stehenden Umfang strafbares kinderpornographisches Material besitzt, beweist daher erhebliche Persönlichkeitsmängel, die eine nachhaltige Vertrauensbeeinträchtigung nach sich ziehen, weil der Täter hierdurch das Vertrauen, das der Dienstherr in seine Selbstbeherrschung, seine Zuverlässigkeit und seine moralische Integrität setzt, von Grund auf erschüttert bzw. zerstört.
275Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 21.01.2015 – 16a D 13.1805 –, juris Rn. 31.
276Er hat regelmäßig, so auch hier, die für seine Tätigkeit als Lehrer erforderliche Autorität und Glaubwürdigkeit unwiederbringlich verloren.
277Das gilt in besonderem Maße für den Beklagten, der als Schulleiter eines voll ausgebauten Gymnasiums mit mehr als 360 Schülern zu den herausgehobenen Repräsentanten des nordrhein-westfälischen Schulwesens zählte und gerade auch in dieser Funktion verpflichtet war, für die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule einzutreten und Gewähr zu leisten. Indem er durch sein Fehlverhalten ein strafbares Verhalten an den Tag gelegt hat, das mit einer deutlichen Missachtung der an Menschenwürde und Grundrechten orientierten Werteordnung des Grundgesetzes gerade in Bezug auf Kinder und Jugendliche einhergeht, die wiederum mit seiner Stellung als Lehrer bereits im Ansatz unvereinbar ist, hat er einen nicht wiedergutzumachenden Ansehensverlust verursacht, der zu einem unwiederbringlichen Vertrauensverlust geführt hat. Dass und in welchem Umfang er nicht nur seine Familie, Freunde und Bekannten, sondern gerade auch die Mitglieder des Kollegiums und die Schülerschaft des von ihm geleiteten Gymnasiums sowie nicht zuletzt seinen Dienstherrn durch sein Fehlverhalten enttäuscht hat, ist dem Beklagten seinem letzten Wort in der mündlichen Verhandlung zufolge im Übrigen in den letzten Jahren bewusst geworden.
278Auch bei zu seinen Gunsten angenommener fehlender Wiederholungsgefahr im Falle eines – bei Ruhestandsbeamten zu unterstellenden – Verbleibs im Beamtenverhältnis wäre insgesamt von einem dauerhaften, die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Schuldienstes beeinträchtigenden Ansehensschaden auszugehen.
2793. Eine prognostische Gesamtwürdigung sämtlicher be- und entlastender Gesichtspunkte des Streitfalls führt zu der Bewertung, dass keine entlastenden Umstände von erheblichem Gewicht für den Beklagten sprechen und es nicht möglich ist, von der Höchstmaßnahme abzusehen, die durch die Schwere des ihm zur Last fallenden Delikts indiziert, jedenfalls aber unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes und des Umfangs des Vertrauensschadens geboten ist. Die im Rahmen des Straf- und Disziplinarverfahrens zu Tage getretenen Verhaltensweisen des Beklagten offenbaren vielmehr Persönlichkeitsmängel, die ihn im Rahmen einer Gesamtbetrachtung vertrauensunwürdig und damit für das Beamtenverhältnis untragbar erscheinen lassen. Bei einer abschließenden Gesamtabwägung des Gewichts des dem Beklagten zur Last fallenden Dienstvergehens des Besitzes von acht Bilddateien mit schwerwiegendem kinderpornographischen Inhalt, der erörterten den Beklagten be- und entlastenden Umstände seines Persönlichkeitsbildes sowie des erheblichen Ausmaßes der vom Beklagten zu verantwortenden Vertrauensbeeinträchtigung gelangt das Gericht zu der Bewertung, dass als Sanktion für sein Fehlverhalten allein die Aberkennung des Ruhegehaltes angezeigt ist. Der Beklagte hat das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit unwiderruflich zerstört. Wäre er noch im Dienst, wäre er aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, § 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW. Als Ruhestandsbeamten ist ihm daher das Ruhegehalt abzuerkennen, § 13 Abs. 3 Satz 2 LDG NRW.
2804. Angesichts des vom Beklagten begangenen Dienstvergehens und der aufgezeigten Gesamtwürdigung ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht unverhältnismäßig. Der Beklagte hat ein besonders schweres Fehlverhalten gezeigt. Er hat die Vertrauensgrundlage für eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Seine Entfernung aus dem Dienst wäre bei einem aktiven Beamten die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Beamten ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten, der sich bewusst gewesen sein muss, dass er hiermit seine berufliche Existenz aufs Spiel setzt.
281Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis des Beklagten, sein Fehlverhalten sei dem höchstpersönlichen, durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützten Bereich der Intimsphäre zuzurechnen. Damit zeigt er keine durchgreifenden Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Höchstmaßnahme auf. Der Besitz kinderpornographischer Schriften, die sich der Beklagte zuvor aus dem Internet heruntergeladen hat, ist bereits nicht dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen. Das Grundgesetz hat den Intim– und Sexualbereich des Menschen als Teil seiner Privatsphäre unter den verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gestellt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährleistet. Der Einzelne muss, soweit nicht in den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung eingegriffen wird, staatliche Maßnahmen hinnehmen, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit oder im Hinblick auf grundrechtlich geschützte Interessen Dritter unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots ergriffen werden. Absolut geschützt und damit der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist ein Kernbereich privater Lebensgestaltung. Ob ein Sachverhalt dem unantastbaren Kernbereich zuzuordnen ist, hängt davon ab, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist, also auch davon, in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder Belange der Gemeinschaft berührt; maßgeblich sind die Besonderheiten des jeweiligen Falles.
282BVerfG, Beschluss vom 26.02.2008 – 2 BvR 392/07 –, juris Rn. 32f. m. w. N.
283Dies zugrunde gelegt fehlt dem Besitz kinderpornographischer Schriften zur Befriedigung sexueller Vorlieben der höchstpersönliche Charakter. Diese Art privater Lebensgestaltung berührt in erheblichem Umfang durch die Intensität des Eingriffs in die Intimsphäre der abgebildeten Kinder und Jugendlichen die Menschenwürde, die freie Entfaltung der Persönlichkeit und nicht zuletzt die körperliche Unversehrtheit anderer, die darüber hinaus aufgrund ihrer Minderjährigkeit besonders schutzbedürftig sind. Auch vor diesem Hintergrund stellt sich die Höchstmaßnahme selbst angesichts der vom Beklagten im Berufungsverfahren hervorgehobenen einschneidenden Konsequenzen in beruflicher, sozialer und gesundheitlicher Hinsicht als verhältnismäßig dar.
2845. Die mittlerweile erreichte erhebliche Dauer des Disziplinarverfahrens ist nicht geeignet, das vom Beamten zerstörte Vertrauensverhältnis wiederherzustellen. Dies gilt nicht nur bei der Entlassung aus dem Dienst, sondern auch bei der Aberkennung des Ruhegehalts.
285Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.05.2010 – 2 B 5.10 –, juris Rn. 4 m. w. N.
286IV. Zu einer Abänderung der Laufzeit des Unterhaltsbeitrags (§§ 12 Abs. 2 Satz 2, 10 Abs. 3 Sätze 2 und 3 LDG NRW) bestand kein Anlass.
287Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NRW, § 154 Abs. 2 VwGO.
288Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 3 Abs. 1 LDG NRW, § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
289Ein Grund, die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.
Tatbestand
- 1
Der jetzt 42 Jahre alte Beklagte steht als Rechtspfleger und Beamter auf Lebenszeit im Justizdienst des Landes Sachsen-Anhalt. Er bestand im Jahr 1995 die Rechtspflegerprüfung und wurde zunächst bei dem Amtsgericht Stendal, später bei dem Amtsgericht (...) beschäftigt. Zuletzt wurde der Beklagte im November 2000 zum Justizoberinspektor (BesGrp. A 10) befördert. Der Beklagte ist ledig und Vater eines im Jahre 2008 geborenen Sohnes, für welchen er unterhaltspflichtig ist. Die über den Beklagten erstellte dienstliche Beurteilung aus dem Jahr 2011 gelangt sowohl in der Leistungs- als auch in der Befähigungsbeurteilung jeweils zu der Gesamtnote „D“. Abgesehen von den hier zugrunde liegenden Vorwürfen ist der Beklagte bisher weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich vorbelastet.
- 2
In der Zeit von 1996 bis Ende 2007 war der Beklagte als Rechtspfleger bei dem Amtsgericht (...) tätig; dort hatte er vor allem Zwangsverwaltungs- und Zwangsversteigerungsverfahren zu bearbeiten. Im Rahmen dieser Tätigkeit hatte er den Rechtsanwalt (D.) aus (...) kennen gelernt, welcher seit dem Jahr 2002 im Bereich der Zwangsverwaltung tätig war.
- 3
Im Dezember 2002 war der Beklagte als Rechtspfleger bei dem Amtsgericht (...) geschäftsplanmäßig für Zwangsverwaltungs- und Zwangsversteigerungsverfahren mit den Endziffern 1 bis 8 zuständig. In seine Zuständigkeit fiel daher auch ein am 4. Dezember 2002 eingegangener Antrag einer Gläubiger-Bank des Grundstückseigentümers (T.) auf Anordnung der Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung in dessen Grundstück in (L.), L-Straße 12.
- 4
In dem vorangegangenen Strafverfahren hat der Bundesgerichtshof in seinem Revisionsurteil vom 18. Juli 2011 - 4 StR 156/11 - die vom Landgericht Halle in dessen rechtskräftigem Strafurteil vom 22. September 2010 - 13 KLs 13/09 - getroffenen tatsächlichen Feststellungen wie folgt zusammengefasst:
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„Mit Beschluss vom 14. Januar 2003 ordnete der Angeklagte A., in dessen Zuständigkeit die Bearbeitung dieses Antrags fiel, die Zwangsverwaltung an und bestellte den Angeklagten (D.) zum Zwangsverwalter, obwohl ihm in diesem Anwesen bereits zuvor vom Eigentümer unentgeltlich eine Dachgeschosswohnung zur Nutzung überlassen worden war, die er auch in der Folgezeit - bis mindestens Ende 2007 - nutzte, ohne hierfür Miete bzw. eine sonstige Nutzungsentschädigung und Betriebskosten an den Zwangsverwalter zu bezahlen. Der Angeklagte (D.) nahm das Grundstück am 21. Januar 2003 in Besitz und übte seine Verwaltertätigkeit aus. Dabei war ihm bekannt, dass der Angeklagte A., der in dem Haus „nach dem Rechten sah“, die Dachgeschosswohnung unentgeltlich nutzte. Dies gestatte er im Einvernehmen mit dem Angeklagten A. auch weiterhin, obwohl beide Angeklagte wussten, dass der Angeklagte A. auch unter Berücksichtigung seiner Dienste Miete bzw. eine Nutzungsentschädigung zu entrichten und die Betriebskosten zu tragen gehabt hätte. Der Angeklagte A. hielt den Angeklagten (D.) zu keinem Zeitpunkt dazu an, ihn als Nutzer der Immobilie zu erfassen und bei ihm Miete bzw. eine Nutzungsentschädigung und die Betriebskosten einzufordern. Der Angeklagte (D.) sah von der Geltendmachung dieser Ansprüche ab, „weil er sich hierfür ein Gewogensein des Angeklagten A. im Rahmen dessen dienstlicher Tätigkeit versprach. Davon ging auch der Angeklagte A. aus.
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Zwischen Februar 2003 und November 2007 entgingen dem Zwangsverwalter bzw. der Gläubigerin von (T.) bzw. diesem selbst infolge der kostenlosen Nutzung der Wohnung durch den Angeklagten A. insgesamt 8.408,84 Euro (108,50 Euro/Monat Kaltmiete und 36,48 Euro/Monat Betriebskosten).“
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Aufgrund des vorstehenden Sachverhalts wurde der Beklagte durch Verfügung des Klägers vom 7. Juni 2010 gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA vom Dienst suspendiert; seit dem 22. Juni 2010 werden zugleich 50 % seiner Dienstbezüge gemäß § 38 Abs. 2 DG LSA einbehalten. Der erkennende Senat hat die vorstehenden Maßnahmen mit Beschluss vom 8. März 2011 - 10 M 2/11 -bestätigt.
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In dem zugrunde liegenden, seit dem 28. Juli 2011 rechtskräftigen Urteil vom 22. September 2010 hat das Landgericht Halle den Angeklagten (D.) wegen gemeinschaftlicher Untreue in Tateinheit mit Vorteilsgewährung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten, den Beklagten wegen gemeinschaftlicher Untreue in Tateinheit mit Vorteilsannahme zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 35,00 Euro verurteilt.
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Mit der am 7. August 2012 bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg eingegangenen Disziplinarklage begehrt der Kläger die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Der Beklagte habe in zweifacher Hinsicht gegen die Pflicht, die ihm übertragenen Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und sein Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen (§ 33 BeamtStG), sowie gegen die Pflicht, diese uneigennützig nach bestem Wissen wahrzunehmen und durch sein Verhalten der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, welche seinen Beruf erfordere (§ 34 BeamtStG), verstoßen.
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Zum einen habe er als zuständiger Rechtspfleger des Amtsgerichts (...) für das Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren über das Grundstück L-Straße 12 in (L.) weder dem Dienstherrn noch den Verfahrensbeteiligten offen gelegt, dass er selbst in dem Haus eine Wohnung genutzt habe, so dass er von dem Zwangsverwalter weder als Nutzer erfasst worden sei noch dieser Umstand bei der Verteilung der Hausnebenkosten Berücksichtigung gefunden habe. Zudem habe er als zuständiger Rechtspfleger des Amtsgerichts (...) in zwei Teilungsversteigerungsverfahren und in zwei Verfahren der Mobiliarzwangsvollstreckung kollusiv mit einem der Verfahrensbeteiligten zusammengearbeitet, indem er für diesen Anträge bei Gericht eingereicht und über jene selbst entschieden habe.
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Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 9. Dezember 2013 das Disziplinarverfahren gemäß § 53 Satz 1 DG LSA auf die Handlungen beschränkt, welche zu der strafrechtlichen Verurteilung wegen Untreue und Vorteilsannahme durch das Landgericht Halle in dem Urteil vom 22. September 2010 geführt haben.
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In dem erstinstanzlichen Verfahren hat der Kläger ausgeführt, der Beklagte habe ein schweres Dienstvergehen begangen, welches die Entfernung aus dem Dienst rechtfertige. Das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn und der Allgemeinheit sei endgültig zerstört. Der Beamte habe seine dienstliche Stellung als zuständiger Rechtspfleger im Verfahren der Zwangsverwaltung und der Zwangsvollstreckung missbraucht, um sich einen persönlichen Vorteil, namentlich die fortdauernde kostenlose Nutzung der Wohnung in dem zwangsverwalteten Objekt zu verschaffen. Unbestechlichkeit und Uneigennützigkeit seien eine wesentliche Grundlage für jedes öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis. Der Beklagte habe gezeigt, dass er es nicht verstehe, seine dienstlichen Obliegenheiten von privaten, eigenen Interessen zu trennen.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Beklagten aus dem Dienst zu entfernen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Disziplinarklage abzuweisen.
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Er hat zunächst formelle Mängel des Disziplinarverfahrens geltend gemacht. Es bestehe vor allem keine Bindungswirkung bezüglich der Feststellungen in dem rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteil. Entgegen diesen Feststellungen sei er weder Mieter noch Nutzer der Immobilie L-Straße 12 in (L.) gewesen, sondern er habe sich lediglich um das Objekt „gekümmert“ und „nach dem Rechten geschaut.“ Von einer stillschweigenden Übereinkunft zwischen ihm und dem Zwangsverwalter sei in keiner Weise auszugehen. Er habe das Zwangsverwaltungsverfahren neutral geführt. Auch sei seine Persönlichkeit bisher nicht hinreichend berücksichtigt worden. Er habe die Justiz in Sachsen-Anhalt mit aufgebaut und sich stets als ein vertrauenswürdiger und zuverlässiger Rechtspfleger erwiesen; so habe er mit erheblichem persönlichen Einsatz u. a. die Beratungshilfeverfahren mit der Folge einer deutlichen Ersparnis für den Dienstherrn bearbeitet. Seit dem Jahr 2007 sei er aufgrund von „Repressalien“ der damaligen Direktorin des Amtsgerichts erheblichen gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt gewesen. Schließlich habe er erheblich an den wirtschaftlichen Folgen des Strafverfahrens und der damit verbundenen Rufschädigung zu tragen.
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Das Verwaltungsgericht hat der Disziplinarklage entsprochen und den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
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Der Beklagte habe ein schwerwiegendes Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen, welches die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach sich ziehe. Das Disziplinargericht sei gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 DG LSA an die tatsächlichen Feststellungen in dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Halle vom 22. September 2010 gebunden. Die Bindungswirkung erstrecke sich auf den inneren und äußeren Tatbestand der Straftat, also auch auf den Vorsatz sowie auf die Schuldfähigkeit. Danach habe die Disziplinarkammer keine Zweifel an der Richtigkeit der strafrichterlichen Feststellungen zum Tathergang der strafrechtlich relevanten Untreue und der Vorteilsannahme. Der Beklagte habe gegen die ihn aus seiner Tätigkeit als Rechtspfleger obliegende Vermögensbetreuungspflicht verstoßen, indem er den von ihm eingesetzten Zwangsverwalter nicht dazu angehalten habe, bei ihm selbst Miet- bzw. Nutzungsentschädigung und Betriebskosten einzufordern. Dieses Verhalten habe bei der Gläubigerin bzw. bei dem Schuldner selbst zu einem Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB geführt. Die unentgeltliche Nutzung der Wohnung während der von dem Beklagten angeordneten Zwangsverwaltung stelle einen Vorteil im Sinne der §§ 331, 333 StGB dar.
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Der Beklagte habe damit sowohl seine Dienstpflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes (§ 34 Satz 3 BeamtStG) als auch zur uneigennützigen Amtsführung (§ 34 Satz 2 BeamtStG) verletzt. Verstöße gegen die Uneigennützigkeit der Dienstausübung stellten sehr schwerwiegende Pflichtverletzungen dar. Dem Verbot der Vorteilsannahme in Bezug auf das Amt komme als Bestandteil der Dienstpflicht zur uneigennützigen Amtsführung herausragende Bedeutung zu. Ein Beamter, der hiergegen verstoße, zerstöre regelmäßig das Vertrauen des Dienstherrn und der Öffentlichkeit. Der Beklagte habe sich in einer herausgehobenen amtlichen Vertrauensposition befunden. Der durch sein Verhalten eingetretene finanzielle Schaden liege auch weit über der sog. Bagatellgrenze. Schließlich seien durchgreifende besondere Umstände, die ein Absehen von der angezeigten disziplinaren Höchstmaßnahme rechtfertigten, nicht zu erkennen. Vor allem könne aufgrund des mehrjährigen Zeitraums auch nicht von einem einmaligen Fehlverhalten oder einem persönlichkeitsfremden „Ausrutscher“ ausgegangen werden. Auch die von dem Beklagten vorgetragenen gesundheitlichen und beruflichen Nachteile seien nicht dazu geeignet, die Dienstpflichtverletzung in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Schließlich rechtfertige auch weder die Dauer des Disziplinarverfahrens noch der Umstand, dass die hier maßgebliche Tat schon lange zurückliege, nicht dazu, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen, wenn diese Maßnahme an sich geboten sei.
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Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte - im Ergebnis fristgerecht - Berufung eingelegt, welche er wie folgt begründet:
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1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruhe auf einem wesentlichen Verstoß gegen Verfahrensregeln, die bereits im behördlichen Disziplinarverfahren missachtet worden seien:
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Er habe bereits in der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2013 als wesentlichen Mangel gemäß § 52 DG LSA gerügt, dass während des gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens zu keinem Zeitpunkt die Personalvertretung beteiligt worden sei. Zwar regele § 66 Ziff. 9, 10 PersVG LSA die Mitbestimmung des Personalrats lediglich bei der Entlassung von Beamten auf Probe sowie von Widerrufsbeamten; allerdings sei zu bedenken, dass nach der bundesrechtlichen Regelung in § 78 Abs. 1 Ziff. 3 BPersVG der Personalrat mitzuwirken habe, sofern gegen einen Bundesbeamten Disziplinarklage erhoben werden solle. Eine derartige landesrechtliche Regelung bestehe in zehn Bundesländern, allerdings nicht in Sachsen-Anhalt; mithin beanspruche die landesrechtliche Regelung des § 66 PersVG LSA Geltung auch bei den Beamten auf Lebenszeit, anderenfalls ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vorläge.
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2. Das Verwaltungsgericht habe es in rechtsfehlerhafter Weise versäumt, im Hinblick auf den der Disziplinarklage zugrunde liegenden Lebenssachverhalt eigene Feststellungen zu treffen. Zwar sei es zutreffend, dass gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 DG LSA grundsätzlich eine Bindungswirkung an vorausgegangene Strafurteile, welche denselben Sachverhalt betreffen, bestehe. Allerdings hätten sich dem Verwaltungsgericht ernsthafte Zweifel an den vom Landgericht Halle in seinem Urteil vom 22. September 2010 getroffenen tatsächlichen Feststellungen aufdrängen müssen, weshalb es gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 DG LSA eigene Sachverhaltsfeststellungen hätte treffen müssen. Insoweit wiederholt der Beklagte seine Ausführungen in der Klageerwiderung vom 11. Oktober 2012 unter Aufrechterhaltung der dortigen Beweisantritte. Schließlich habe das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung, gegen ihn die disziplinare Höchstmaßnahme zu verhängen und ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, in rechtsfehlerhafter Weise wesentliche Gesichtspunkte für die zu treffende Prognoseentscheidung unberücksichtigt gelassen. Insofern bezieht sich der Beklagte auf seinen im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Schriftsatz vom 23. Januar 2013, in welchem er u. a. seine dienstlichen Leistungen und die von ihm dort aufgeführten nebenamtlichen Tätigkeiten, u. a. als Dozent an der FHS und als Mitglied des Prüfungsausschusses für den mittleren Justizdienst vorgetragen hat.
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3. Schließlich habe das Verwaltungsgericht sein Verhalten fälschlich als ausschließlich innerdienstlichen Pflichtverstoß gewürdigt, indes außer Acht gelassen, dass er „in Kontakt mit der in Rede stehenden Immobilie in (L.)“ zunächst als Privatperson und nicht von Beginn an in seiner Tätigkeit als Beamter gekommen sei.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 13. Dezember 2013 - 8 A 17/12 MD - aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er tritt zunächst dem Vorbringen entgegen, das Disziplinarverfahren sei formal fehlerhaft durchgeführt worden. Die Beteiligung der Personalvertretung bei Erhebung der Disziplinarklage sei nicht erforderlich, weil sie gesetzlich nicht vorgeschrieben sei. Es bestehe insoweit auch keine planwidrige Gesetzeslücke, die durch eine entsprechende Anwendung des geltenden Rechts zu füllen sei.
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Das vom Verwaltungsgericht getroffene Ergebnis sei auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Zunächst habe das Verwaltungsgericht zu Recht die von dem Strafgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen zugrunde gelegt. Das Vorbringen des Beklagten sei nicht geeignet, der Einordnung der Benutzung der Wohnung durch ihn als geldwerten Vorteil entgegen zu stehen. Er stelle selbst nicht in Abrede, in der Wohnung behördlich gemeldet zu sein, die Adresse gegenüber seinem Dienstherrn als Wohnanschrift angegeben und auch seine Post dort empfangen zu haben. Diese Indizien habe das Landgericht heranziehen können, um die Benutzung der Wohnung durch den Beklagten als geldwerten Vorteil einzustufen, welcher mit einer Mietzahlung abzugelten gewesen wäre. Das Landgericht habe sich mit den Angaben der Zeugen und seiner Beweiswürdigung auseinandergesetzt; die schließlich vom Bundesgerichtshof gebilligte Beweiswürdigung sei vollständig und stelle eine tragfähige Grundlage des gewonnenen Ergebnisses dar. Die vom Beklagten vorgebrachten Argumente seien nicht geeignet, der Einordnung der Benutzung der Wohnung durch ihn als geldwerten Vorteil entgegen zu stehen. Sein Verhalten begründe - wie der Bundesgerichtshof festgestellt habe - einen Verstoß gegen die §§ 331, 333 StGB.
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Mit Recht habe das Verwaltungsgericht das Dienstvergehen des Beklagten als hinreichend schwerwiegend eingestuft, um dessen Entfernung aus dem Dienst zu rechtfertigen. Wenngleich das Verwaltungsgericht auf das Leistungsbild, welches der Beklagte vor dem Dienstvergehen erbracht habe, nicht eingegangen sei, so vermöge dies gleichwohl die Disziplinarmaßnahme nicht infrage zu stellen. Das Verwaltungsgericht habe unausgesprochen zu erkennen gegeben, dass die vom Beklagten erbrachten Leistungen die disziplinarischen Verfehlungen nicht aufzuwiegen vermögen.
Entscheidungsgründe
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Die am 25. Februar 2013 eingelegte Berufung des Beklagten ist im Ergebnis zulässig, wenngleich das erstinstanzliche Urteil in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Beklagten bereits am 16. Januar 2013 eingegangen ist, der Prozessbevollmächtigte selbst jedoch das Empfangsbekenntnis erst am 27. Januar 2013 - seinen Angaben zufolge nach vorheriger Rücksprache mit dem Beklagten, ob die Berufung überhaupt durchgeführt werden solle - unterzeichnet hat. Der Senat sieht sich insoweit an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. B. v. 29. April 2001 -8 B 86/10 -) gebunden, wonach die wirksame Zustellung eines Urteils im Verwaltungsprozess den Annahmewillen des Prozessbevollmächtigten voraussetze.
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Die Berufung ist indes unbegründet, denn das Urteil des Verwaltungsgerichts ist sowohl hinsichtlich der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des Sachverhalts als auch hinsichtlich der Sanktionsfindung nicht zu beanstanden.
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1. Soweit der Beklagte zunächst einen Verfahrensmangel mit der Begründung rügt, dass die Personalvertretung nicht beteiligt worden sei, hat er damit keinen Erfolg. Wie der Kläger zutreffend ausführt, ist eine Beteiligung der Personalvertretung im Zusammenhang mit der Erhebung einer Disziplinarklage rechtlich nicht geboten, weil das PersVG LSA ein solches Beteiligungserfordernis nicht vorsieht. Gemäß den ausdrücklichen Regelungen in § 66 Nr. 1 und 2 PersVG LSA hat der Personalrat lediglich bei der (beamtenrechtlichen) Entlassung von Beamten auf Probe bzw. auf Widerruf mitzubestimmen. Eine Beteiligungsbefugnis im Fall der Entlassung eines Beamten auf Lebenszeit hat der Landesgesetzgeber gerade nicht vorgeschrieben. Insoweit ist auch keine sog. Gesetzeslücke zu erkennen, die durch die Konstruktion einer weitergehenden Beteiligungsmöglichkeit auszufüllen wäre. Vielmehr weist der Kläger mit Recht auf die grundlegend unterschiedliche Situation der jeweiligen Verfahren hin: Während die Entlassung eines Beamten auf Probe bzw. auf Widerruf durch den Dienstherrn in eigener Zuständigkeit, mithin im Verwaltungsverfahren erfolgt, liegt die Zuständigkeit hinsichtlich der Entlassung von Beamten auf Lebenszeit im Disziplinarwege bei den Disziplinargerichten. Insofern hat der Landesgesetzgeber mit seiner Entscheidung, eine Beteiligung der Personalvertretung vor bzw. in gerichtlichen Disziplinarverfahren nicht vorzusehen, der unterschiedlichen Schutzbedürftigkeit der Betroffenen in den jeweiligen Verfahrensarten Rechnung getragen. Für eine vom Beklagten geforderte Anwendung der Beteiligungsvorschriften des PersVG LSA auf die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG besteht danach kein Anlass.
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2. Der Beklagte kann auch nicht mit Erfolg einwenden, das Verwaltungsgericht habe es in rechtsfehlerhafter Weise versäumt, eigene tatsächliche Feststellungen zu treffen. Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 DG LSA sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, bindend. Dabei bezieht sich die Bindungswirkung nicht nur auf die Feststellungen zum eigentlichen Tathergang, sondern auch auf diejenigen zum inneren Tatbestand, mithin auf Feststellungen zur Schuldform sowie zu Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründen (vgl. hierzu Urban/Wittkowski, § 23 BDG, Rdn. 3 m. w. N.).
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Der Sinn der gesetzlich angeordneten Bindungswirkung strafgerichtlicher Urteile besteht darin, dass eine erneute Beweisaufnahme durch die Disziplinargerichte grundsätzlich vermieden werden soll. Dies zeigt sich gerade an dem hier zugrunde liegenden Verfahrensgang:
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Das Landgericht Halle hat den Sachverhalt aufgrund einer elftägigen Hauptverhandlung, in deren Rahmen der jetzige Prozessbevollmächtigte des Beklagten als Verteidiger aufgetreten ist, abschließend geklärt, insbesondere eine umfassende Beweisaufnahme durch Vernehmung zahlreicher, auch von der Verteidigung benannter Zeugen durchgeführt. Das mehr als 90seitige Urteil des Landgerichts würdigt im Einzelnen das Ergebnis der Beweisaufnahme, gerade auch unter Einbeziehung der Einlassungen der Angeklagten. Dass das Urteil des Landgerichts Halle hinsichtlich der Würdigung des Sachverhalts keinen Beanstandungen unterliegt, zeigt nicht nur der Umstand, dass der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 28. Juli 2011 die sowohl sachlich als auch rechtlich begründete Revision des Beklagten verworfen hat; vielmehr hat der Bundesgerichtshof seinem Revisionsurteil ausdrücklich die vom Landgericht Halle getroffenen tatsächlichen Feststellungen - zusammengefasst - zugrunde gelegt.
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Danach ist nicht zu erkennen, inwieweit hier für das Verwaltungsgericht Anlass bestanden haben sollte, ausnahmsweise von der gesetzlichen Bindungswirkung der strafrichterlichen Feststellungen abzusehen und eine (erneute) Beweisaufnahme durchzuführen. Dementsprechend sieht auch der Senat keine Veranlassung zur Durchführung einer Beweisaufnahme, sondern legt ebenso den von den Strafgerichten festgestellten Sachverhalt zugrunde.
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3. Soweit der Beklagte schließlich rügt, das Verwaltungsgericht habe rechtsfehlerhaft verkannt, dass er zunächst als „Privatperson“ mit der Immobilie in (L.) „in Kontakt gekommen“ sei und sei deswegen zu Unrecht von einem ausschließlich innerdienstlichen Fehlverhalten ausgegangen, geht auch dieser Einwand im Ergebnis fehl. Der Vorwurf der innerdienstlichen Pflichtverletzung bezieht sich (lediglich) auf seine dienstliche Befassung mit dem Objekt, und zwar beginnend mit dem Eingang des Antrags der Gläubigerbank auf Anordnung der Zwangsverwaltung. Hierzu hat der Bundesgerichtshof in seinem Revisionsurteil ausgeführt, dass der Beklagte - weil selbst betroffen - gemäß § 10 RPflG i. V. m. § 41 Nr. 1 ZPO in dem Zwangsverwaltungsverfahren schon gar nicht hätte tätig werden dürfen. Bereits der Umstand, dass sich der Beklagte über dieses Verbot schlicht hinweggesetzt hat, begründet den Vorwurf eines innerdienstlichen Fehlverhaltens.
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Im übrigen hat der Bundesgerichtshof im einzelnen ausgeführt, dass sich der Beklagte - in Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit als Rechtspfleger - in doppelter Hinsicht strafbar gemacht hat:
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Die Verurteilung des Beklagten wegen Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) gründet sich darauf, dass diesem eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gläubigern bzw. dem Grundstückseigentümer selbst oblag. Der Bundesgerichtshof hat dazu ausgeführt, dem Rechtspfleger komme im Zwangsverwaltungsverfahren eine „verfahrensbeherrschende Stellung“ zu. Das Vollstreckungsgericht sei berechtigt und verpflichtet, den Verwalter zu leiten und im Rahmen der Aufsicht festgestellte Pflichtwidrigkeiten zu beseitigen; die Aufsichtstätigkeit des Rechtspflegers beziehe sich insbesondere auf die treuhändische Tätigkeit des Zwangsverwalters und die diesem obliegende Pflicht zur Wahrnehmung der Vermögensinteressen der Beteiligten.
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Der Beklagte hat danach - wie der Bundesgerichtshof weiter ausführt - gegen die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht verstoßen, indem er den Zwangsverwalter nicht dazu anhielt, bei ihm selbst Miete bzw. Nutzungsentschädigung und Betriebskosten für die Dachwohnung einzufordern. Die Verletzung dieser Pflicht hat auch zu einem Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB bei der Gläubigerin bzw. dem Grundstückseigentümer geführt, mithin bei denjenigen, deren Interessen der Beklagte gerade zu wahren hatte.
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Die für die Verurteilung wegen Vorteilsannahme (§§ 331,333 StGB) erforderliche Unrechtsvereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Zwangsverwalter (D.) hat der Bundesgerichtshof bejaht. Dabei hat er ausgeführt, dass unter die Straftatbestände auch die Konstellationen fallen, in denen durch einen Vorteil nur das generelle Wohlwollen und die Geneigtheit des Amtsträgers erkauft bzw. „allgemeine Klimapflege“ betrieben wird, wobei allerdings erforderlich sei, dass Ziel der Vorteilszuwendung sei, auf die künftige Dienstausübung Einfluss zu nehmen und/oder die vergangene Dienstausübung zu honorieren. Diese Voraussetzung hat der Bundesgerichtshof als gegeben angesehen, weil sich der Zwangsverwalter ein „Gewogensein des Angeklagten A. gerade im Rahmen dessen dienstlicher Tätigkeit versprochen“ habe. Im Einvernehmen hiermit habe der Beklagte als der für das Zwangsverwaltungsverfahren zuständige Rechtspfleger, mithin als Amtsträger handeln sollen. Die unentgeltliche Nutzung der Wohnung während der vom Beklagten angeordneten Zwangsverwaltung stelle einen entgegengenommenen bzw. gewährten Vorteil im Sinne der §§ 331,333 StGB dar. Denn hierunter sei jede Leistung zu verstehen, auf die der Amtsträger keinen Anspruch habe und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder auch nur persönliche Lage objektiv verbessere.
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Der Senat legt seiner Entscheidungsfindung sowohl die im rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen als auch die strafrechtliche Bewertung des Sachverhalts durch den Bundesgerichtshof zugrunde. Ergänzend weist der Senat auf folgende, sich aus den Akten ergebende Umstände hin, welche die durch die Strafgerichte getroffene Tatsachenfeststellung stützen:
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Der Beklagte war in der Wohnung in (L.) seit dem 1. November 1999 bis Ende 2005 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Die dortige Wohnsitznahme hat er seiner Dienststelle mit Veränderungsanzeige vom 18. November 1999 übermittelt. Dies unterstreicht, dass der Beklagte die Wohnung auch tatsächlich genutzt hat. Zudem hat der Beklagte in seiner dienstlichen Eigenschaft die vom Zwangsverwalter erstellten Auflistungen bzw. Jahresabrechnungen über die Mietverhältnisse in dem Haus - mit namentlicher Aufzählung der Mieter, der jeweiligen Wohnfläche und des gezahlten Mietzinses - entgegengenommen; ihm war daher stets bewusst, dass die eigene Nutzung der Wohnung von vornherein außer Betracht blieb, was ihm indes keine Veranlassung gab, auf eine tatsächliche Richtigkeit der Aufstellungen hinzuwirken. Dies lässt ohne weiteres darauf schließen, dass es zwischen ihm und dem Verwalter eine Vereinbarung gab, die vom Beklagten genutzte Fläche von vornherein außer Betracht zu lassen.
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In disziplinarrechtlicher Hinsicht schließt sich der Senat der rechtlichen Einordnung durch das Verwaltungsgericht an:
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Mit seinem Verhalten hat der Beklagte ein innerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen, indem er seine Dienstpflicht sowohl zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) als auch zur uneigennützigen Amtsführung (§ 34 Satz 2 BeamtStG) verletzt hat.
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Im Rahmen der Sanktionsfindung hat das Verwaltungsgericht zutreffend die gesetzlichen Kriterien gemäß § 13 Abs. 1 DG LSA berücksichtigt. Welche Disziplinarmaßnahme erforderlich ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung (vgl. BVerwG, U. v. 25. Juli 2013 - 2 C 63/11 -, Rdn. 13 ff.). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, a. a. O. unter Hinweis auf BVerwG, U. v. 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 -).
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Das hier zugrunde liegende Verhalten des Beklagten stellt sich schon deswegen als eine schwerwiegende Verletzung von Dienstpflichten dar, weil dieser sich zugleich wegen Delikten strafbar gemacht hat, welche den Kernbereich der Amtsausübung im Beamtenverhältnis betreffen. Wie das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U. v. 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 -) zutreffend ausgeführt hat, kommt dem Verbot der Vorteilsnahme in Bezug auf das Amt als Bestandteil der Dienstpflicht zur uneigennützigen Amtsführung herausragende Bedeutung zu. Eine rechtsstaatliche Verwaltung - zu der insoweit selbstverständlich auch die Tätigkeit von Grundbuchrechtspflegern zählt - ist auf die berufliche Integrität des Berufsbeamtentums zwingend angewiesen. Jeder Eindruck, ein Beamter sei für Gefälligkeiten offen oder gar käuflich, beschädigt das unverzichtbare Vertrauen in die strikte Bindung staatlichen Handelns an Gesetz und Recht.
- 51
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist bei strafbarem Verhalten nach § 331 StGB (Vorteilsannahme im strafrechtlichen Sinn) im Regelfall angezeigt, wenn ein Beamter als Inhaber eines herausgehobenen Amtes oder einer dienstlichen Vertrauensstellung für die Dienstausübung einen mehr als unerheblichen Vorteil fordert oder annimmt. Dabei muss eine Unrechtsvereinbarung zustande kommen, d.h. der Beamte muss eine Beziehung zwischen Vorteil und Dienstausübung herstellen. Es reicht indes aus, wenn durch den Vorteil das allgemeine Wohlwollen des Beamten bei der Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erkauft werden soll (vgl. BVerwG, U. v. 28. Februar 2013, a. a. O., Rdn. 31 ff.).
- 52
Die Voraussetzungen für die Anwendung der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind gegeben. Der Beklagte hat sich wegen Vorteilsannahme gemäß § 331 (und zusätzlich wegen Untreue gemäß § 266 StGB) strafbar gemacht, wobei es nach den Feststellungen der Strafgerichte zu einer Unrechtsvereinbarung zwischen dem Beklagten und dem von ihm bestellten Zwangsverwalter gekommen ist. Insoweit reicht es aus, wenn - wie hier - durch den Vorteil das allgemeine Wohlwollen des Beamten bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben „erkauft“ werden soll. Im übrigen kommt es auch nicht darauf an, ob es sich bei einem unerlaubten Vorteil um eine Geld- oder um eine Sachleistung handelt; daher unterfällt auch der - hier gegebene - Verzicht auf die Erhebung vom Miete und Nebenkosten für die vom Beklagten genutzte Wohnung den Kriterien für die Sanktionsbemessung bei unerlaubter Vorteilsannahme.
- 53
Ist danach im Hinblick auf die Schwere des Dienstvergehens grundsätzlich die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 DG LSA indiziert, so ist gleichwohl zu prüfen, ob mildernde Umstände von einem Gewicht vorliegen, das die Schwere des Pflichtenverstoßes und sonstige belastende Umstände aufwiegt.
- 54
Derartige mildernde Umstände liegen nicht darin begründet, dass der Beklagte im Strafverfahren nur zu einer relativ geringen Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden ist. Der Bundesgerichtshof hat dazu bemerkt, dass die gegen beide Angeklagte verhängten Strafen außerordentlich milde seien, die Grenze des Vertretbaren „noch nicht“ überschritten sei. Der Senat vermag daher aus der - insbesondere mit dem Vorliegen eines sog. vertypten Milderungsgrundes im Sinne der §§ 13 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB begründeten - Strafzumessung durch das Landgericht nicht auf das Vorliegen besonderer Umstände schließen, die das Handeln des Beklagten in disziplinarrechtlicher Hinsicht in einem besonders milden Licht erscheinen ließen.
- 55
Auch der Umstand, dass der Beklagte die Wohnung schon vor der Bestellung des Zwangsverwalters kostenlos genutzt hat, vermag den Senat nicht zur Annahme besonderer Milderungsgründe zu veranlassen. Der Vorwurf dienstlichen Fehlverhaltens bezieht sich gerade auf die Zeit seit der erstmaligen dienstlichen Befassung mit dem Mietobjekt, weshalb es auch als innerdienstliches Fehlverhalten anzusehen ist. Im übrigen hätte der Beklagte den Umstand der kostenlosen Nutzung einer Wohnung in dem von ihm dienstlich zu betreuenden Objekt schon im Hinblick auf den vom Bundesgerichtshof hervorgehobenen gesetzlichen Hinderungsgrund, jedenfalls aber zur Vermeidung schon des Verdachts möglicher Pflichtenkollisionen dem Dienstherrn anzeigen können und auch müssen. Dass er eine solche Anzeige nicht nur unterlassen, sondern die Wohnung während seiner laufenden dienstlichen Tätigkeit noch für einen mehrjährigen Zeitraum weiter genutzt hat, spricht für ein bewusstes, am eigenen Vorteil orientiertes Kaschieren der tatsächlichen Situation. Im übrigen hat der Beklagte den rechtswidrigen Zustand auch nicht etwa aus eigenem Antrieb beendet und sich dem Dienstherrn offenbart, sondern schlicht abgewartet, bis sein Fehlverhalten im Rahmen von Personalgesprächen anlässlich einer Entscheidung über eine in Aussicht genommene Versetzung im November 2007 offenbar wurde.
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Es handelte sich bei der Gesamtsumme der „ersparten Aufwendungen“ von 8408,84 Euro auch nicht um einen Betrag, der unter die von der Rechtsprechung entwickelte Bagatellgrenze fallen könnte. Unabhängig davon ist der Gesamtbetrag - auch wenn die angenommenen monatlichen Raten bei ca. 150 Euro liegen - nicht dermaßen gering, dass er Anlass zur Annahme von Milderungsgründen geben könnte.
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Auch der Hinweis des Beklagten auf seine dienstlichen Leistungen und seinen langjährigen Einsatz vermag den Senat nicht dazu veranlassen, von der an sich gebotenen Sanktion der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine langjährige pflichtgemäße Dienstausübung selbst bei überdurchschnittlichen Leistungen - deren Erbringung sich hier angesichts der Durchschnittsnote „D“ allerdings nicht aufdrängt - regelmäßig nicht geeignet, gravierende Pflichtverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (vgl. BVerwG, a. a. O. Rdn. 43 m. w. N.).
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Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass sich das Disziplinarverfahren etwa unverhältnismäßig lange hinausgezögert hat. Der Umstand, dass die Disziplinarklage erst im Jahr 2012 erhoben worden ist, ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass das Strafverfahren erst im September 2011 mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes abgeschlossen wurde. Eine Verzögerung des weiteren Verfahrens durch den Kläger ist darin nicht zu erkennen. Unabhängig davon würde allerdings auch eine unangemessen lange Dauer des Disziplinarverfahrens keinen bemessungsrelevanten Umstand darstellen, der das Verwaltungsgericht berechtigen würde, von der gebotenen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen (vgl. BVerwG, a. a. O., Rdn. 44).
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Schließlich vermag auch die vom Beklagten vorgebrachte gesundheitliche Beeinträchtigung im Jahr 2007 nicht zur Annahme von Milderungsgründen zu führen - dies schon deswegen nicht, weil der disziplinarrechtlich maßgebliche Zeitrahmen bis zum Jahr 2002 zurückreicht, sich mithin auf einen sehr langen Zeitraum bezieht, für welchen der Beklagte selbst keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorträgt. Gleiches gilt für die von ihm behaupteten finanziellen Belastungen im Zusammenhang mit dem Disziplinarverfahren; diese beziehen sich auf die Zeit nach Entdeckung seines Fehlverhaltens, können also schon deswegen für die Sanktionsfindung außer Betracht bleiben.
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Zu dem Vorbringen des Beklagten in der Berufungsverhandlung, man könne sich in einer so kleinen Stadt wie (...) „kaum aus dem Weg gehen“, bemerkt der Senat abschließend, dass gerade in derartigen - scheinbaren - Näheverhältnissen dafür Sorge zu tragen ist, dass gar nicht erst der Eindruck einer „Kumpanei“ zwischen Justizbediensteten und Außenstehenden entstehen darf. Die Rechtsuchenden müssen sich stets darauf verlassen können, dass ihre Anliegen ausschließlich nach Recht und Gesetz bearbeitet und beschieden werden.
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Danach ist der Beklagte gemäß §§ 13 Abs. 3, 10 Abs. 1 DG LSA aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Die damit verbundenen, insbesondere wirtschaftlichen Konsequenzen hat er selbst zu tragen, denn er hat die Ursache hierfür selbst mit seinem Fehlverhalten gesetzt. Gemäß § 10 Abs. 3 DG LSA steht ihm zur Vermeidung besonderer Härten zunächst für die Dauer von sechs Monaten ein sog. Unterhaltsbeitrag in Höhe von 50 v. H. seiner Dienstbezüge zu.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 72 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtsgebührenfreiheit ergibt sich aus § 73 Abs. 1 Satz 1 DG LSA.
(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ein Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.
(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn der Täter einen nicht von ihm geforderten Vorteil sich versprechen läßt oder annimmt und die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme vorher genehmigt hat oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet und sie die Annahme genehmigt.