vorgehend
Sozialgericht Augsburg, S 15 AS 580/14, 30.10.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30. Mai 2014 wird als unzulässig verworfen, soweit sie die Zeit ab 20. November 2014 betrifft. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II.

Die Klage gegen die während der Geltungsdauer der streitgegenständlichen Eingliederungsverwaltungsakte erlassenen Sanktionsbescheide wird abgewiesen.

III.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Eingliederungsverwaltungsakt des Beklagten vom 20.05.2014 sowie den diesen Eingliederungsverwaltungsakt „ersetzenden“ Eingliederungsverwaltungsakt vom 01.08.2014.

Nach erfolglosen Verhandlungen über eine Eingliederungsvereinbarung erließ der Beklagte am 20.05.2014 einen Eingliederungsverwaltungsakt für die Dauer vom 20.05.2014 bis einschließlich 19.11.2014, „soweit zwischenzeitlich nichts anderes vereinbart werde“. Darin wurde der Kläger verpflichtet, monatlich sechs Bewerbungen nachzuweisen, insbesondere durch eine monatliche Auflistung der Bewerbungen. Auf Antrag würden angemessene Kosten der Bewerbung erstattet. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2014 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg. Der Erlass eines Eingliederungsverwaltungsaktes sei verfassungswidrig. Die Pflichten im Zusammenhang mit Bewerbungen seien rechtswidrig.

Während des laufenden Klageverfahrens vor dem Sozialgericht verhandelte der Beklagte mit dem Kläger erneut über eine Eingliederungsvereinbarung. Mit der neuen Eingliederungsvereinbarung sollte der Kläger verpflichtet werden, Bewerbungen auf Stellenangebote des Beklagten nicht nur beim potentiellen Arbeitgeber, sondern gleichzeitig zur besseren Kontrolle beim Beklagten einzureichen, nachdem der Beklagte festgestellt hatte, dass angebliche Bewerbungen potentielle Arbeitgeber nicht erreicht hatten. Ab Unterschriftsdatum der neuen Eingliederungsvereinbarung sollte diese wieder für sechs Monate gelten.

Nachdem der Kläger hierauf nicht einging, erließ der Beklagte einen neuen Eingliederungsverwaltungsakt mit Datum vom 01.08.2014 mit Geltungsdauer vom 01.08.2014 bis 31.01.2015. In dem Eingliederungsverwaltungsakt vom 01.08.2014 hieß es ausdrücklich, dass hierdurch der Eingliederungsverwaltungsakt vom 20.05.2014 „ersetzt“ werde. Bewerbungen auf Stellenangebote seien künftig dadurch nachzuweisen, dass die Bewerbungen beim Beklagten parallel einzureichen seien. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2014 zurückgewiesen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht gab der Beklagte ein Teilanerkenntnis dahingehend ab, dass der Eingliederungsverwaltungsakt vom 01.08.2014 für die Zeit nach dem 19.11. 2014 aufgehoben werde. Der Kläger nahm das Teilanerkenntnis nicht an.

Mit Urteil vom 30.10.2014 entschied das Sozialgericht Augsburg, dass der Verwaltungsakt vom 20.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 01.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2014 entsprechend dem Teilanerkenntnis des Beklagten aufgehoben werde, soweit der Geltungszeitraum des Eingliederungsverwaltungsaktes über den 19.11.2014 hinaus verlängert wurde. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Streitgegenstand des Klageverfahrens sei zunächst der Eingliederungsverwaltungsakt vom 20.05.2014 in Gestalt des Widerspruchs vom 21.05.2014 gewesen (Laufzeit 20.05.2014 bis 19.11.2014). Der Bescheid vom 01.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2014 habe den ursprünglichen Bescheid vom 20.05.2014 für die Zeit ab 01.08.2014 abgeändert (Laufzeit ursprünglich 01.08.2014 bis 31.01.2015) und sei damit gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Ein weiteres Widerspruchsverfahren sei daher nicht erforderlich, aber unschädlich gewesen. Die Regelung im Bescheid vom 01.08.2014, die eine Verlängerung der Gültigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes über den 19.11.2014 hinaus bis 31.01.2015 beinhalte, sei allerdings inzwischen nicht mehr streitgegenständlich, da der Beklagte den Eingliederungsverwaltungsakt insoweit in der mündlichen Verhandlung am 30.10.2014 aufgehoben und ein entsprechendes Teilanerkenntnis abgegeben habe.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Instrument des Eingliederungsverwaltungsaktes bestünden nicht. Der Kläger sei nicht zum Abschluss einer Vereinbarung verpflichtet gewesen. Die Obliegenheit zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung sei im Unterschied zur früheren Rechtslage nicht mehr sanktionsbewehrt und verstoße damit gerade nicht mehr gegen das Kontrahierungsverbot. Bei der Weigerung des Leistungsberechtigten bleibe es bei der Möglichkeit des Leistungsträgers, einen entsprechenden Verwaltungsakt zu erlassen, wie hier geschehen.

Inhaltliche Bedenken bestünden gegen den Eingliederungsverwaltungsakt nicht. Der Eingliederungsverwaltungsakt vom 01.08.2014 sei rechtmäßig, soweit er den Eingliederungsverwaltungsakt vom 20.05.2014 innerhalb des ursprünglichen Geltungszeitraums bis zum 19.11.2014 vom 01.08.2014 bis 19.11.2014 abgeändert habe. Es sei eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten, welche den Beklagten zur Änderung des Verwaltungsaktes vom 20.05.2014 berechtigt habe, nachdem sich herausgestellt habe, dass vom Kläger abgegebene Bewerbungen nicht beim potentiellen Arbeitgeber eingegangen waren, und der Kläger sich geweigert habe, eine neue Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Gegen die nunmehr im Eingliederungsverwaltungsakt getroffene Regelung bezüglich der parallelen Einreichung von Bewerbungen beim potentiellen Arbeitgeber und zusätzlich auch beim Beklagten bestünden keine Bedenken.

Gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.10.2014 hat der Kläger Berufung am 11.11.2014 zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.

Aus der Niederschrift der Sitzung des Sozialgerichts Augsburg vom 30.10.2014 ergibt sich, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung ein Teilanerkenntnis für den Zeitraum ab 20.11.2014 abgegeben hat. Mit Schreiben vom 10.11.2014 hat der Beklagte zudem aufgrund des Hinweises des Sozialgerichts bei der Verhandlung am 30.10.2014 mitgeteilt, dass der Verwaltungsakt vom 20.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 01.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2014 insoweit aufgehoben werde, als der Geltungszeitraum über den 19.11.2014 hinaus verlängert wurde.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, der Erlass eines Eingliederungsverwaltungsaktes an sich sei schon verfassungswidrig, wie auch § 31 SGB II verfassungswidrig sei, was sich aus dem vorlegten 49-seitigen Gutachten ergebe. Die in den ihn betreffenden Eingliederungsverwaltungsakten festgelegten Verpflichtungen seien schon deshalb rechtswidrig. Konkret seien darüber hinaus die Bestimmungen zur Anzahl und zum Nachweis von Bewerbungen rechtswidrig.

Im Übrigen trägt der Kläger im Berufungsverfahren erstmals vor, dass Sanktionen gegen ihn verhängt worden seien. Er beantrage daher im Berufungsverfahren zusätzlich die „Rückerstattung“ aller Sanktionen, die bereits ausgesprochen worden seien.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt sinngemäß,

1. festzustellen, dass der Eingliederungsverwaltungsakt vom 20.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 für den Zeitraum vom 20.05.2014 bis einschließlich 31.07.2014 rechtswidrig war,

2. festzustellen, dass der Eingliederungsverwaltungsakt vom 20.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 01.08.2014, dieser wiederum in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2014 für den Zeitraum vom 01.08.2014 bis 19.11.2014 rechtswidrig war,

3. festzustellen, dass der Bescheid vom 01.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2014 für den Geltungszeitraum vom 20.11.2014 bis einschließlich 31.01.2015 rechtswidrig war,

4. sämtliche während der Geltungsdauer der beiden angefochtenen Eingliederungsverwaltungsakte verhängten Sanktionen aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

Die Berufung zu Ziffer 3 als unzulässig zu verwerfen, bezüglich der Ziffern 1 und 2 die Berufung zurückzuweisen und bezüglich Ziffer 4 Klageabweisung.

Die Berufung sei in Ziffer 3 unzulässig, da der Kläger nach dem erstinstanzlichen Urteil, das den damals noch geltenden Eingliederungsverwaltungsakt für die Zeit ab 20.11.2014 aufgehoben hat, nicht mehr beschwert sei.

Bezüglich der Ziffern 1 und 2 sei die Berufung unbegründet.

Der Inhalt des ursprünglichen Verwaltungsaktes vom 20.05.2014, der bis zum 31.07.2014 gegolten habe, sei in allen Einzelpunkten unbedenklich.

Auch der Abänderungsbescheid vom 01.08.2014 sei für die Zeit bis zum 19.11.2014 inhaltlich unbedenklich. Nachdem neue Verhandlungen über eine den geltenden Eingliederungsverwaltungsakt ersetzende Eingliederungsvereinbarung stattgefunden hatten und der Kläger nicht bereit gewesen sei, Bewerbungen parallel an den Beklagten weiterzugeben, habe der Beklagte nach § 48 SGB X den ursprünglichen Eingliederungsverwaltungsakt aufheben dürfen. Zwar habe der Beklagte immer behauptet, sich bei Arbeitgebern beworben zu haben; die Arbeitgeber hätten jedoch auf Anfrage jeweils bestätigt, dass Bewerbungen nicht eingegangen seien. Deshalb sei die Regelung, dass der Kläger verpflichtet wurde, parallel Bewerbungen beim Beklagten einzureichen, notwendig gewesen. Durch sein Verhalten habe der Beklagte eine Änderung der Verhältnisse bewirkt, die nach § 48 SGB X zur Änderung des Verwaltungsaktes für die Zukunft habe führen können. Nachdem die Abänderung den ursprünglichen Eingliederungsverwaltungsakt betroffen habe, habe der Beklagte den Abänderungsbescheid im Verfahren vor dem Sozialgericht auch auf den Zeitraum bis zum 19.11.2014 beschränkt.

Die Klageerweiterung im Berufungsverfahren auf Sanktionsbescheide sei nicht statthaft. Soweit der Kläger sich nunmehr im Berufungsverfahren zusätzlich gegen Sanktionsbescheide wende, könnten diese nicht im Rahmen des Berufungsverfahrens aufgehoben werden, wie dies vom Kläger beantragt werde. Gegen die aktuellen Sanktionsbescheide vom 15.11.2014 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13.11.2014 wegen Meldeversäumnissen vom 24.09.2014 sowie vom 05.11.2014 mit einer Absenkung des Regelbedarfs um jeweils 10% und einer Sanktion wegen der Nichtteilnahme an einem Bewerbungsmanagement mit einer Absenkung des Regelbedarfs um 60% (wegen wiederholender Pflichtverletzung) sei der Klageweg zum erstinstanzlichen Sozialgericht eröffnet und vom Kläger insoweit entsprechend der zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung auch zu beschreiten. Dies gelte umso mehr, als diese Sanktionen sich nicht auf die streitgegenständlichen Eingliederungsverwaltungsakte gründeten. Soweit der Kläger frühere Sanktionen, also solche, die vor dem 20.05.2014 liegen, habe angreifen und zum Gegenstand des Berufungsverfahrens machen wollen, sei dies nicht möglich, da die früheren Sanktionen alle bestandskräftig seien und ebenfalls auch nicht auf den Eingliederungsverwaltungsakten beruht hätten.

Gründe

1. Die Berufung ist, was den Zeitraum ab 20.11.2014 bis 31.01.2015 anbetrifft (Ziffer 3 des Antrags), unzulässig und demgemäß zu verwerfen.

Für den Zeitraum vom 20.11.2014 bis 31.01.2015 war Streitgegenstand ausschließlich der Eingliederungsverwaltungsakt vom 01.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2014. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren seine Klage auf diesen Zeitraum über den Geltungszeitraum bis 19.11.2014 hinaus auf die Zeit ab 20.11.2014 bis 31.01.2015 ausgedehnt hat, kommt § 96 SGG nicht zur Anwendung und der Widerspruchsbescheid vom 13.08.2014 durfte insoweit auch zur Sache ergehen. Allerdings hat sich der Beklagte im Klageverfahren vor dem Sozialgericht auf die erweiterte Klage eingelassen mit der Folge, dass der Bescheid vom 01.08.20914 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.08.2014 über § 99 SGG Streitgegenstand auch für den Zeitraum vom 20.11.2014 bis 31.01.2015 wurde.

Dieser Eingliederungsverwaltungsakt ist inzwischen nicht mehr existent, da zum einen der Zeitraum zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats abgelaufen ist, zum anderen der Beklagte durch Bescheid vom 10.11.2014 in Umsetzung des Anerkenntnisses des in der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2014 abgegebenen Anerkenntnisses den Bescheid insoweit aufgehoben hat.

Im Rahmen des Berufungsverfahrens kommt insoweit keine Fortsetzungsfeststellungsklage mehr in Betracht. Nachdem der Kläger das Teilanerkenntnis des Beklagten nicht angenommen hat, hat das Sozialgericht mit Urteil vom 30.10.2014 den zu diesem Zeitpunkt noch geltenden Eingliederungsverwaltungsakt mit Wirkung ab 20.11.2014 aufgehoben. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Fortsetzungsfeststellungsklage noch möglich gewesen wäre, wenn die Behörde von sich aus einen Verwaltungsakt für die Zukunft aufhebt. Zumindest dann, wenn wie hier das Gericht einen Verwaltungsakt für die Zukunft aufhebt, ist der Kläger nicht mehr beschwert. Der Verwaltungsakt wurde durch die Gerichtsentscheidung beseitigt. Ein Fortsetzungsfeststellungsklage im Hinblick auf eine mögliche Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Verwaltungsakt - ggf. auch bzgl. weiterer, in der gerichtlichen Entscheidung nicht mehr weiter geprüfter Aspekte - ist nicht mehr möglich, da die Feststellungsklage gegenüber der gerichtlichen Entscheidung über die Aufhebung des Verwaltungsaktes ein Minus darstellt, das in der Aufhebungsentscheidung enthalten ist.

2. Soweit die Berufung zulässig ist, ist sie unbegründet.

a) Berufung ist, was den Zeitraum vom 20.05.2014 bis 31.07.2014 anbetrifft (Ziffer 1 des Antrags), unbegründet.

Streitgegenstand war zunächst der Eingliederungsverwaltungsakt vom 20.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 mit einer Geltungsdauer vom 20.05.2014 bis einschließlich 19.11.2014. Dieser Eingliederungsverwaltungsakt wurde für diese Zeit durch den neuen Eingliederungsverwaltungsakt vom 01.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2014 auch nicht „ersetzt“. Unabhängig davon, ob die „Ersetzung“ durch den nachfolgenden Eingliederungsverwaltungsakt vom 01.08.2014 rechtmäßig war oder nicht, wurde der Eingliederungsverwaltungsakt vom 20.05.2014 durch den neuen Eingliederungsverwaltungsakt nicht rückwirkend aufgehoben. Vielmehr hatte er sich gemäß § 39 Abs. 2 SGB X durch Zeitablauf erledigt. Insoweit ist eine Berufung mit dem Ziel der Aufhebung des Eingliederungsverwaltungsaktes vom 20.05.2014 für diesen Zeitraum nicht mehr zulässig.

In Betracht kommt im Rahmen des Berufungsverfahrens für diesen Zeitraum nur noch eine Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem Ziel festzustellen, dass der Eingliederungsverwaltungsakt vom 20.05.2014 für den Zeitraum vom 20.05.2014 bis einschließlich 31.07.2014 rechtswidrig war.

Eine solche Feststellungsklage ist hier zulässig. Insbesondere ist das Feststellungsinteresse schon deshalb gegeben, weil der Beklagte im nachfolgenden Eingliederungsverwaltungsakt vom 01.08.2014 dem Kläger zum Teil gleiche Pflichten auferlegte und zudem die Anforderungen an den Nachweis von Bewerbungen dahingehend verschärfte, dass der Kläger Bewerbungen bei potentiellen Arbeitgebern gleichzeitig auch beim Beklagten einzureichen habe.

Die zulässige Feststellungsklage ist jedoch unbegründet.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Instrument des Eingliederungsverwaltungsaktes nach § 15 Abs. 6 SGB II bestehen nicht. Soweit der Kläger vorträgt, es bestehe hier ein verfassungsrechtlicher Kontrahierungszwang, geht dieser Vortrag ins Leere, da es sich gerade nicht um den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II handelt. Der Abschluss einer solchen Vereinbarung steht jedem frei. Bei Scheitern der Verhandlungen ergibt sich dann die Möglichkeit, einen Eingliederungsverwaltungsakt zu erlassen. Dieses Instrument ist verfassungsrechtlich unbedenklich im Hinblick darauf, dass hierdurch Pflichten eines Leistungsberechtigten durch Verwaltungsakt konkretisiert werden (vgl. LSG NRW Beschluss vom 31.05.2014 L 19 AS 404/14 B ER Rz. 35 ff m. w. N.). Wer Sozialleistungen beantragt und haben möchte, unterwirft sich dem rechtlichen Rahmen, innerhalb dessen die Gewährung der Sozialleistung erfolgt. Hierzu gehört es auch, dass einem Leistungsberechtigten Pflichten auferlegt werden können und Obliegenheiten, damit dieser die Leistung erhält. Das Grundgesetz gebietet nicht die Gewährung voraussetzungsloser Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (vgl. z. B. BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 07.07.2010 - 1 BvR 2556/09). Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleistet keinen von Mitwirkungsobliegenheiten und Eigenaktivitäten unabhängigen Anspruch auf Sicherung eines Leistungsniveaus.

Die Regelung des § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II als Ermächtigungsgrundlage für den Erlass eines Eingliederungsverwaltungsakts verstößt auch nicht - der der Kläger meint - gegen die in Art. 2 GG garantierte Vertragsfreiheit (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Eingliederungsvereinbarung als Instrument zur Förderung der Eingliederung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in Arbeit vgl. LSG NRW Beschluss vom 20.03.2014 - L 19 AS 373/14 B ER m. w. N.). Ergeht die Eingliederungsvereinbarung als Verwaltungsakt, hat der Leistungsberechtigte die Möglichkeit, die getroffenen Regelungen gerichtlich überprüfen zu lassen. Insoweit liegt ein anfechtbarer Verwaltungsakt vor; ein Eingriff in die Vertragsfreiheit des Klägers ist damit nicht verbunden (vgl. LSG Hamburg Urteil vom 15.11.2012 - L 4 AS 73/12; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 10.02.2014 - L 5 AS 997/13 B).

Der Eingliederungsverwaltungsakt schränkt darüber hinaus die freie Berufswahl bzw. -ausübung (Art. 12 GG) eines Leistungsberechtigten nicht rechtswidrig ein (vgl. hierzu LSG Hamburg Urteil vom 15.11.2013 - L 4 AS 73/12 m. w. N.; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 14.05.2012 - L 7 AS 557/12 B ER). Dies gilt insbesondere für die Obliegenheit, monatlich mindestens sechs Bewerbungen nachzuweisen, als auch für die Obliegenheiten, sich zeitnah auf Vermittlungsvorschläge zu bewerben und die damit verbundenen Sanktionsandrohungen. § 2 Abs. 1 SGB II, wonach erwerbsfähige Leistungsberechtigte alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen und an allen Maßnahmen zu ihrer Eingliederung aktiv mitzuwirken haben, ist ungeachtet der Frage, ob überhaupt ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 12 GG vorliegt (verneinend LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 14.05.2012 - L 7 AS 557/12 B ER) mit dem Gesetzesvorbehalt in Art. 12 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Als Kehrseite der aus dem Sozialstaatsprinzip folgenden staatlichen Verpflichtung zur Sicherung des Existenzminimums ist der Gesetzgeber berechtigt, den Leistungsberechtigten auf zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten zu verweisen.

Der Senat schließt sich insoweit im Übrigen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts an, das bereits zu den entsprechenden Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes festgestellt hat, dass die Regelungen über gemeinnützige Arbeit in § 19 Abs. 2 BSHG und über den Verlust des Anspruchs auf Sozialhilfe bei Weigerung, zumutbare Arbeit zu leisten, mit höherrangigem Recht vereinbar sind und insbesondere nicht in Widerspruch zu Art. 12 Abs. 2 und 3 GG stehen (vgl. BVerwG Beschluss vom 23.02.1979 - 5 B 114/78;).

Soweit der Kläger sich konkret dagegen wendet, dass er sechs Bewerbungen im Monat hatte nachweisen müssen, hat dies keinen Erfolg. Das BSG (BSGE 95, 108) hat zwei Bewerbungen pro Woche als Umfang von Eigenbemühungen im SGB III als zumutbar anerkannt, also hochgerechnet acht Bewerbungen im Monat. Diese Vorgabe ist auch im Bereich des SGB II möglich (BayLSG Urteil vom 30.11.2014, L 16 AS 32/14). Sechs Bewerbungen liegen unterhalb dieser Grenze. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger sechs Bewerbungen aus irgendwelchen besonderen Gründen unzumutbar gewesen wären; der Kläger hat hierfür auch nichts vorgetragen.

b) Die Berufung ist, was den Zeitraum vom 01.08.2014 bis 19.11.2014, anbetrifft (Ziffer 2 des Antrags), ebenfalls unbegründet.

Für den Zeitraum vom 01.08.2014 bis einschließlich 19.11.2014 ist als Streitgegenstand allein relevant der neue Eingliederungsverwaltungsakt vom 01.08.2014. Denn aufgrund des neuen Eingliederungsverwaltungsaktes vom 01.08.2014 ist der ursprüngliche Eingliederungsverwaltungsakt vom 20.05.2014 für diesen Zeitraum gemäß § 39 Abs. 2 SGB X ersetzt worden und damit nicht mehr existent. Über § 96 SGG wurde der ersetzende Bescheid Streitgegenstand des anhängigen Klageverfahrens, mit der Folge, dass der Widerspruch insoweit unzulässig und der Widerspruchsbescheid vom 13.08.2014, der in der Sache entschieden hat, für den Zeitraum vom 01.08.2014 bis einschließlich 19.11.2014, hätte aufgehoben werden müssen. Durch Zeitlauf haben sich inzwischen der ersetzenden Bescheid und der Widerspruchsbescheid, soweit beide bis 19.11.2014 gegolten haben, erledigt. In Betracht kommt insoweit nur noch eine Fortsetzungsfeststellungsklage.

Eine solche Feststellungsklage ist zulässig. Ein Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass der Kläger sich weiter im Leistungsbezug befindet und der Beklagte beabsichtigt, Eingliederungsverwaltungsakte gleichen Inhalts zu erlassen, wenn eine Eingliederungsvereinbarung mit dem Kläger nicht zustande kommt. Insbesondere ist eine Wiederholungsgefahr vorliegend zu bejahen, denn der Verlauf des Verfahrens zeigt, dass der Beklagte wiederholt versucht hat, den Kläger in Eingliederungsmaßnahmen einzubeziehen (BSG Urteil vom 14.02.2013, B 14 AS 195/11 R Rz. 16).

Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet.

Zutreffend hat das Sozialgericht entschieden, dass ein Eingliederungsverwaltungsakt während seiner Geltungsdauer nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X für die Zukunft aufgehoben werden kann, wenn die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X vorliegen (vgl. BSG Urteil vom 06.12.2012, B 11 AL 15/11 R Rz. 48; Kador in Eicher, SGB II, 3. Aufl. § 15 Rz. 62). Eine solche Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sieht der Senat im Bescheid vom 01.08.2014, mit dem der Bescheid vom 20.5.2014 „ersetzt“ wurde.

Soweit mit dem neuen Eingliederungsverwaltungsakt die Geltungsdauer über den Zeitraum des ursprünglichen Eingliederungsverwaltungsaktes vom 20.05.2014 hinaus verlängert wurde, bestehen hiergegen keine Bedenken. Denn der ursprüngliche Eingliederungsverwaltungsakt wurde rechtmäßig nach § 48 SGB X für die Zukunft wegen wesentlicher (vgl. dazu LSG BW Beschluss vom 02.08.2011, L 7 AS 2367/11 ER-B) Veränderung der Verhältnisse (vgl. zur Kündigung einer Eingliederungsvereinbarung wegen Änderung de Verhältnisse, BSG Urteil vom 06.12.2012, B 11 AL 15/11 R) aufgehoben.

§ 48 Abs. 1 SGB X ist insbesondere dann anwendbar, wenn während eines Geltungszeitraums eines Eingliederungsverwaltungsakts dieser durch einen neuen Bescheid für den verbleibenden Geltungszeitraum ersetzt werden soll (LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 02.08.2011, L 7 AS 2367/11 ER-B).

Eine Änderung der Verhältnisse im Sinn von § 48 SGB X liegt immer dann vor, wenn aus begründetem Anlass während der Geltungsdauer eines Eingliederungsverwaltungsaktes mit dem Leistungsberechtigten wieder in Verhandlungen über eine Eingliederungsvereinbarung eingetreten wird. Hier wurden solche Verhandlungen mit dem Kläger seitens des Beklagten angestrebt, die der Kläger jedoch ablehnte. Dadurch ist eine Änderung der Verhältnisse eingetreten. Für den Eintritt in neue Verhandlungen über eine Eingliederungsvereinbarung bestand auch begründeter Anlass. Denn der Beklagte hatte festgestellt, dass entgegen der Angaben des Klägers bei potentiellen Arbeitgebern keine Bewerbungen eingegangen waren. Daher bestand Bedarf an einer Konkretisierung des Eingliederungsverwaltungsaktes im Hinblick auf die Nachweispflicht des Klägers bezüglich seiner Eigenbemühungen. Da es sich um einen neuen Eingliederungsverwaltungsakt aufgrund neuer - gescheiterter - Verhandlungen über eine Eingliederungsvereinbarung handelt, konnte der sechsmonatige Geltungszeitraum erneut ausgeschöpft werden.

Gegen die dem Kläger mit dem neuen Eingliederungsverwaltungsakt vom 01.08.2014 auferlegte Pflicht, Bewerbungen nicht nur beim potentiellen Arbeitgeber einzureichen, sondern diese auch parallel dem Beklagten zur Kenntnis zu schicken, bestehen keine inhaltlichen Bedenken.

Die Forderung nach Vorlage von Kopien der Bewerbungen ist zulässig (LSG Sachsen Beschluss vom 27.02.2014, L 3 AS 639/10 Rz. 47). Die Anforderungen an die Nachweise im Einzelnen halten sich im Rahmen des gesetzgeberischen Programmes. Soweit gefordert wird, bei schriftlichen Bewerbungen die Kopie des Bewerbungsschreibens vorzulegen, dient dies verschiedenen Zwecken. Zum einen soll damit ermöglicht werden zu kontrollieren, ob der Kläger seinen Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung oder dem sie ersetzenden Verwaltungsakt ordnungsgemäß nachgekommen ist (LSG Sachsen a. a. O.). Dadurch kann bereits im Vorfeld einem etwaigen Versuch zu „pro forma“-Aktivitäten entgegengewirkt werden. Bei einem Verdacht, es könne eine Pflichtverletzung im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II vorliegen - die für eine Annahme der Verfassungswidrigkeit gegen § 31 SGB II vorgebrachten Argumente sind im Übrigen nicht überzeugend (vgl. BSG Beschluss vom 25.02.2014, B 4 AS 417/13 B Rz. 7) -, können die Nachweise dazu dienen, den Verdacht zu entkräften oder andernfalls die Tatsachengrundlage für eine Sanktionsentscheidung zu bilden. Schließlich sind bei jeder folgenden Eingliederungsvereinbarung die bisher gewonnenen Erfahrungen zu berücksichtigen. Die Nachweise über die bisherigen Bewerbungsaktivitäten und deren Ergebnisse können hierfür eine hilfreiche Erkenntnisgrundlage sein.

Durch die Forderung nach einem parallelen Nachweis von Bewerbungen wird nicht die sozialverwaltungsverfahrensrechtliche Darlegungs- bzw. Beweis(führungs-)last auf den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten abgewälzt und es bleibt im Ergebnis beim Amtsermittlungsgrundsatz nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 20 SGB X (vgl. Kador in Eicher, SGB II, 3. Aufl. § 15 Rz. 54). Dem Beklagten wird es vielmehr ohne weitere Mitwirkung des Leistungsberechtigten durch die parallele Zuleitung der Bewerbungsunterlagen ermöglicht, zeitnah zu überprüfen, ob tatsächlich eine Bewerbung erfolgt ist. Diese Nachweisform ist dem Leistungsberechtigten auch zumutbar (vgl. Kador a. a. O. Rz. 54). Denn die Abschrift einer Bewerbung bzw. die Mitteilung einer erfolgten Bewerbung stellt keinen besonderen Mehraufwand für einen Leistungsberechtigten dar. Dies gilt um so mehr, als der Leistungsberechtigte insoweit die Kosten für Bewerbungsunterlagen gegenüber dem Jobcenter entsprechend dem Inhalt des Eingliederungsverwaltungsaktes geltend machen können und der Beklagte im Hinblick auf die dadurch entstehenden Bewerbungskosten sein Ermessen bei der Erstattung von Bewerbungskosten im Ergebnis auf Null reduziert hat. Die Übernahme von Bewerbungskosten musste in der Eingliederungsverwaltungsakt nicht weiter konkretisiert werden (vgl. BayLSG Beschluss vom 05.06.2011, L 11 AS 272/13 B ER Rz. 13).

Der Senat sieht im Ergebnis keine Gründe, die gegen die erfolgte Veränderung der Nachweispflichten des Klägers bzgl. höherer Nachweisanforderungen für Bewerbungen sprechen könnten. Denn der Kläger hat hierfür einen konkreten Anlass geliefert (BayLSG Beschluss vom 14.05.2009, L 8 AS 215/09 B ER Rz. 20).

Im Ergebnis ist die Berufung in Ziffern 1 und 2 unbegründet und demgemäß zurückzuweisen.

3. Die in der Berufungsinstanz erstmals erhobene Klage gegen die während des Geltungszeitraums der streitgegenständlichen Eingliederungsverwaltungsakte stellt eine nach § 99 SGG unzulässige Klageerweiterung dar und ist demgemäß als unzulässig abzuweisen. Der Beklagte hat der Klageerweiterung widersprochen. Die Erweiterung ist auch nicht sachdienlich, weil die Sanktionen nicht wegen Verletzung von Pflichten, die sich aus den Eingliederungsverwaltungsakten ergeben, erfolgten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG unter Erwägung, dass der Kläger mit seinen Begehren erfolglos blieb.

Die Revision wird zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 48 Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse


(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltun

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 96


(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. (2) Eine Abschrift des neuen Ver

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(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass1.rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 39 Wirksamkeit des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 99


(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. (2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änd

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 31 Pflichtverletzungen


(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis1.sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,2.sich weigern, eine zu

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 20 Untersuchungsgrundsatz


(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. (2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch

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(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen müssen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person mu

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 15 Potenzialanalyse und Kooperationsplan


(1) Die Agentur für Arbeit soll unverzüglich zusammen mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person die für die Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit erforderlichen persönlichen Merkmale, die beruflichen Fähigkeiten und die Eignung feststel

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Sozialgericht Aachen Beschluss, 05. Aug. 2015 - S 14 AS 702/15 ER

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Tenor Die aufschiebende Wirkung des Widerspruches des Antragstellers vom 22.07.2015 gegen den Ersatz der Eingliederungsvereinbarung des Antrags-gegners per Verwaltungsakt vom 30.06.2015 wird angeordnet. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen

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(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.

(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.

(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anrechnung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) auf die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

I.

2

Die im Februar 1988 geborene Beschwerdeführerin lebte im streitgegenständlichen Zeitraum gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren beiden Geschwistern in einem im Eigentum der Mutter stehenden Einfamilienhaus. Von August 2004 bis Juli 2007 befand sie sich in einer Ausbildung in einer staatlich anerkannten Berufsfachschule in privater Trägerschaft. Ausweislich des Schulvertrags war sie verpflichtet, Schulgebühren in monatlichen Raten in Höhe von 55 Euro beziehungsweise (im zweiten Ausbildungsjahr) 65 Euro zu zahlen. Zusätzlich entrichtete sie eine monatliche Aufwandspauschale in Höhe von 70 Euro für Zusatzleistungen des Schulträgers.

3

Die Beschwerdeführerin bezog im streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe von 192 Euro monatlich. Außerdem bezog sie Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch. Der Leistungsträger berücksichtigte dabei die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz sowie das Kindergeld in Höhe von 154 Euro monatlich als bedarfsminderndes Einkommen.

4

Auf die Klagen der Beschwerdeführerin sprachen ihr das Sozialgericht und das Landessozialgericht teilweise höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch zu. Die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz seien nur teilweise als Einkommen anzurechnen.

5

Die Revisionen des Leistungsträgers hatten teilweise Erfolg. Das Bundessozialgericht entschied, dass die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe von 109,60 Euro monatlich als bedarfsminderndes Einkommen zu berücksichtigen seien und lediglich ein Betrag in Höhe von 82,40 Euro als zweckbestimmte Einnahme privilegiert sei. Der zweckbestimmte Anteil sei nicht konkret entsprechend der zweckgebundenen Verwendung durch die Beschwerdeführerin, sondern pauschal zu bestimmen. Mit der Regelung des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II solle einerseits vermieden werden, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch die Berücksichtigung im Rahmen des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch verfehlt werde. Andererseits solle die Vorschrift aber auch verhindern, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht würden. Die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dienten sowohl der Deckung des Lebensunterhalts während der Ausbildung als auch der Deckung der Kosten der Ausbildung selbst. Unter Beachtung von Sinn und Zweck von § 11 SGB II sowie des in § 3 Abs. 3 Satz 1 SGB II normierten Nachranggrundsatzes sei erforderlich, den Anteil der Ausbildungsförderung, der eine Privilegierung nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II erfahre, betragsmäßig einzugrenzen. Dabei könne es nicht auf die subjektive Zweckbestimmung durch den Empfänger der Leistung ankommen. Für eine Privilegierung sei vielmehr erforderlich, dass sich der Verwendungszweck im Vorhinein nach objektiver Betrachtung erkennen lasse. Ansonsten würde je nach Ausgabeverhalten des Hilfeempfängers Einkommen unter Schutz gestellt, das von der objektiven Zweckrichtung her durchaus (auch) der Sicherung des Lebensunterhalts dienen solle. Im Übrigen werde nur eine pauschale Bestimmung des Ausbildungsanteils den Anforderungen einer Massenverwaltung gerecht. In der Praxis der Sozialhilfeträger, der sich die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende überwiegend angeschlossen hätten, sei ausgehend von einer entsprechenden Regelung in den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Bundesausbildungsförderungsgesetz in der Fassung vom 21. Dezember 1990 davon ausgegangen worden, dass eine Pauschale von 20 vom Hundert von den Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz für ausbildungsbedingte Kosten gewährt werde. Die Pauschalierung in einer solchen Größenordnung sei durchaus nachvollziehbar, da der überwiegende Teil der Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zur Sicherung des Lebensunterhalts bestimmt sei. Die Pauschalierung müsse sich allerdings von dem Betrag ableiten, der nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz insgesamt als bedarfsdeckend angesehen werde. Eine nachvollziehbare Pauschalierung könne sich daher nur von dem durch den Gesetzgeber des Bundesausbildungsförderungsgesetzes festgesetzten Gesamtbedarf eines Auszubildenden in entsprechender Ausbildungsform ableiten. Die Pauschale sei vorliegend also ausgehend von dem Betrag zu bestimmen, mit dem ein Berufsfachschüler, der wegen der Förderfähigkeit der Ausbildung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz nach § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen sei, seine gesamten Ausbildungskosten decken müsse. Dies seien nach § 12 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BAföG in der bis zum 31. Juli 2008 geltenden Fassung 412 Euro. Für die Beschwerdeführerin errechne sich daraus eine Pauschale für zweckbestimmte Ausbildungskosten in Höhe von 82,40 Euro (20 vom Hundert von 412 Euro). Die Ausbildungskosten, die über den zweckbestimmten Anteil der Ausbildungsförderung hinaus wegen der Besonderheiten der vorliegenden Ausbildung angefallen seien, könne die Beschwerdeführerin nicht als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II vom Einkommen absetzen. Es könnten solche Ausgaben nicht als mit der Erzielung des Einkommens notwendige Ausgaben abgesetzt werden, die der Art nach bereits bei der Ermittlung des Einkommens wegen einer besonderen Zweckbestimmung berücksichtigt worden seien. Wenn diese Einnahme nicht erst über den entsprechenden Mitteleinsatz des Leistungsempfängers ihre Zweckbindung erlangen könne, sondern sich die Zweckbindung nach objektiven Kriterien bestimmen lassen müsse, könne deshalb eine weitergehende subjektive Zweckbestimmung bei Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II keine Beachtung finden.

6

Mit der Verfassungsbeschwerde, die sich ausschließlich gegen die drei Entscheidungen des Bundessozialgerichts - sie betreffen unterschiedliche Zeiträume, sind ansonsten aber im Wesentlichen identisch - richtet, rügt die Beschwerdeführerin insbesondere eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips, von Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 GG sowie Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG, da die angegriffenen Entscheidungen ihrem Bedürfnis, eine Fachschulausbildung in einer Schule in privater Trägerschaft zu absolvieren, nicht hinreichend Rechnung trage. Sie sei im Verhältnis zu vergleichbaren Auszubildenden in schulgeldfreien Ausbildungsstätten benachteiligt. Das Sozialstaatsprinzip gebiete, dass Schüler und Auszubildende auch Ersatzschulen unabhängig von der wirtschaftlichen Lage ihrer Eltern besuchen könnten. In diesem Zusammenhang sieht die Beschwerdeführerin auch eine Verletzung von Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG. Sie werde gegenüber Auszubildenden in bemittelten Elternhäusern oder von Auszubildenden an schulgeldfreien Schulen benachteiligt. Der existenzielle Grundsicherungsbedarf schließe zudem auch das Erfordernis einer Rücklagenbildung ein.

II.

7

Die Verfassungsbeschwerde ist - unbeschadet des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil sie jedenfalls unbegründet ist. Daher ist der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten abzulehnen.

8

1. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Aufwendungen der Beschwerdeführerin für den Besuch der privaten Berufsfachschule nicht zu einem höheren, bei der Berechnung der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch zu berücksichtigenden gesetzlichen Bedarf führen.

9

a) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG enthält einen Anspruch auf die Zurverfügungstellung derjenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind (vgl. BVerfGE 82, 60 <80>; BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u. a. -, NJW 2010, S. 505 <508, Rn. 135>). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin enthält das Grundrecht keinen Anspruch auf Leistungen zur Rücklagenbildung oder zur Finanzierung der Aufwendungen für den Besuch einer Privatschule. Wenn die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein der Bürger sichergestellt sind, liegt es allein in der Entscheidung des Gesetzgebers, in welchem Umfang darüber hinaus soziale Hilfe gewährt wird (vgl. BVerfGE 17, 210 <216>; 40, 121 <133>; 82, 60 <80>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Oktober 1991 - 1 BvR 1159/91 -, juris, Rn. 8). Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 17, 210 <216>; 82, 60 <80>).

10

b) Die Bemessung des Existenzminimums, dessen Sicherung Ziel des hier allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden Sozialgesetzbuch Zweites Buch ist (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SGB II), richtet sich ausschließlich nach Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG, so dass für den Rückgriff auf andere Grundrechte kein Raum ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u. a. -, NJW 2010, S. 505 <509, Rn. 145>). Deswegen sind die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Rügen, sie sei durch die Nichtberücksichtigung ihrer durch den Besuch der Berufsfachschule entstandenen Kosten in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, unbegründet.

11

c) Auch die Regelungen des Art. 7 Abs. 4 und 5 GG berühren die hier streitigen Fragen nicht. Dort sind lediglich die Voraussetzungen für die Zulassung privater Schulen niedergelegt und der Schutz solcher Institutionen geregelt. Zwar lassen sich hieraus auch staatliche Förderpflichten gegenüber den Trägern dieser Schulen ableiten (vgl. BVerfGE 75, 40 <61 ff.>; 90, 107 <114 ff.>). Zur Frage der finanziellen Unterstützung von Schülern solcher Schulen verhält sich diese Vorschrift aber nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Februar 1982 - 7 B 143/81 -, NVwZ 1982, S. 441 f.; BVerwG, Urteil vom 13. August 1992 - 5 C 70/88 -, NVwZ 1993, S. 691 <692>).

12

2. Die Berücksichtigung von Einkommen bei der Feststellung der Hilfebedürftigkeit und bei der Berechnung der zustehenden Leistungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. zur Anrechnung des Kindergelds als Einkommen BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. März 2010 - 1 BvR 3163/09 -, juris, Rn. 6 ff.).

13

a) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG) wird durch die Anrechnung von Einkommen nicht verletzt. Dieses Grundrecht greift dann ein, wenn und soweit andere Mittel zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht zur Verfügung stehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u. a. -, NJW 2010, S. 505 <507, Rn. 134>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2010 -1 BvR 688/10 -, n.v.). Die Verfassung gebietet nicht die Gewährung von be-darfsunabhängigen, voraussetzungslosen Sozialleistungen. Der Gesetzgeber hat vielmehr einen weiten Spielraum, wenn er Regelungen darüber trifft, ob und in welchem Umfang bei der Gewährung von Sozialleistungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpfen, sonstiges Einkommen des Empfängers auf den individuellen Bedarf angerechnet wird (vgl. BVerfGE 100, 195 <205>).

14

Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Privilegierung von bestimmten Einnahmen, wie sie § 11 Abs. 3 SGB II vorsieht, verfassungsrechtlich geboten ist. Jedenfalls ist es nicht wegen Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG erforderlich, dass solche Einnahmen von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen sind, auf die der Hilfebedürftige zur Deckung seines Existenzminimums tatsächlich zurückgreifen kann. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass das Existenzminimum gedeckt werden kann, ohne dass es auf den Rechtsgrund der Einnahme oder die subjektive Verwendungsabsicht des Hilfebedürftigen ankäme.

15

Es kann dahinstehen, ob es andere freiheitsrechtliche Vorgaben in bestimmten Konstellationen gebieten, bestimmte Sozialleistungen von der Einkommensanrechnung auszunehmen. Dies könnte dann notwendig sein, soweit anderenfalls etwaige verfassungsrechtliche Leistungsansprüche aufgrund der Einkommensanrechnung im Rahmen des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch de facto nicht erfüllt würden. Dies ist hier jedoch nicht das Fall, weil jedenfalls der Besuch einer privaten Ausbildungseinrichtung nicht von Verfassungs wegen durch die Gewährung staatlicher Mittel ermöglicht oder erleichtert werden muss.

16

b) Grundrechtlicher Prüfungsmaßstab ist ansonsten nur Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 17, 210 <216>; 100, 195 <205>).

17

aa) Wird durch eine Norm eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten, verletzt sie den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 100, 195 <205>; 107, 205 <214>; 109, 96 <123>; stRspr). Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, dass hinsichtlich der Ungleichbehandlung an ein sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungsmerkmal angeknüpft wird. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitsgrundsätze reichen (vgl. BVerfGE 97, 271 <290>; 99, 367 <388>; 107, 27 <45> m.w.N.). Auf dem Gebiet des Sozialrechts ist dem Gesetzgeber eine besonders weite Gestaltungsfreiheit zuzugestehen (vgl. BVerfGE 17, 210 <216>; 77, 84 <106>; 81, 156 <205>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Oktober 1991 - 1 BvR 1159/91 -, juris, Rn. 8). Rechtfertigender Grund für eine Ungleichbehandlung kann dabei insbesondere der Nachrang von Sozialleistungen, zu dem auch der Einsatz anderweitigen Einkommens gehört, sein (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Oktober 1991 - 1 BvR 1159/91 -, juris, Rn. 9).

18

Daraus folgt, dass der Gesetzgeber gleichartige Einnahmen bei verschiedenen Personengruppen nicht unterschiedlich der Einkommensanrechnung unterwerfen darf, ohne dass hierfür ein nach Art und Gewicht bestehender Unterschied besteht, der die ungleiche Behandlung rechtfertigt. Dabei kann auch dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität bei der Regelung von Massenerscheinungen eine besondere Bedeutung für die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen zukommen (vgl. BVerfGE 100, 195 <205>). Art. 3 Abs. 1 GG ist hingegen bereits nicht einschlägig, wenn verschiedenartige Einnahmen bei der Einkommensanrechnung unterschiedlich berücksichtigt werden.

19

bb) § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II verletzt bei der hier in Rede stehenden Anrechnung des sogenannten Schüler-BAföG Art. 3 Abs. 1 GG nicht. Die von der Beschwerdeführerin behauptete Ungleichbehandlung liegt nicht vor.

20

Die Beschwerdeführerin wird durch die Anrechnung von Einkommen nicht anders behandelt als Auszubildende, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch beziehen und eine schulgeldfreie Schule besuchen. Die Einkommensanrechnung erfolgt in beiden Fällen in gleicher Weise. Die gesetzliche Regelung differenziert hier nicht. Unterschiedlich ist lediglich das diesbezügliche Ausgabeverhalten, das aber nicht von staatlicher Seite kompensiert werden muss.

21

Die Beschwerdeführerin wird auch gegenüber bemittelten Auszubildenden nicht schlechter behandelt. Personen, die über hinreichendes Einkommen beziehungsweise Vermögen verfügen, erhalten weder Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch noch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Die Beschwerdeführerin wird gegenüber diesen Personengruppen durch die Gewährung staatlicher Leistungen vielmehr privilegiert. Dies gilt auch mit Blick auf diejenigen Personen, die nur Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten. Diese müssen - anders als die Beschwerdeführerin - ihren Lebensunterhalt, soweit er nicht durch die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gedeckt werden kann, aus eigenen Mitteln finanzieren.

22

3. Das Bundessozialgericht hat die maßgeblichen Vorschriften auch in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angewendet.

23

a) Das Bundesverfassungsgericht prüft - abgesehen vom Willkürverbot - insofern nur, ob eine angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereiches beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 97, 12 <27>; BVerfGK 6, 46 <50>; 10, 13 <15>; 10, 159 <163>; stRspr).

24

b) Solche Fehler sind hier nicht ersichtlich. Das Bundessozialgericht hat die mit Verfassungsrecht in Einklang stehenden Vorschriften des einfachen Rechts angewendet, ohne dass dies verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen würde.

25

Dies gilt insbesondere mit Blick auf Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Das Bundessozialgericht durfte nach dem oben Ausgeführten davon ausgehen, dass ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums nur besteht, soweit andere Mittel nicht zur Verfügung stehen. Solche Mittel waren hier jedoch in Gestalt der Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz verfügbar. Durch diese Leistungen einerseits und die gekürzte Regelleistung andererseits hat die Beschwerdeführerin im Ergebnis sogar mehr staatliche Leistungen erhalten, als aufgrund § 20 Abs. 2 Satz 2, § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II im streitgegenständlichen Zeitraum gesetzlich vorgesehen waren, weil die Anrechnung der Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in den angegriffenen Entscheidungen nur teilweise erfolgte.

26

Die Auffassung des Bundessozialgerichts, dass die mit dem Besuch der Privatschule verbundenen Aufwendungen nicht gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II das zu berücksichtigende Einkommen mindern, weil nicht auf diesem Weg das Gebot, den Anteil der zweckbestimmten Einnahmen nach objektiven Maßstäben festzulegen, umgangen werden darf, ist vertretbar und damit nicht willkürlich, so dass auch dies keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt.

27

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen müssen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person muss aktiv an allen Maßnahmen zu ihrer Eingliederung in Arbeit mitwirken, insbesondere einen Kooperationsplan abschließen. Im Rahmen der vorrangigen Selbsthilfe und Eigenverantwortung sollen erwerbsfähige leistungsberechtigte Personen eigene Potenziale nutzen und Leistungen anderer Träger in Anspruch nehmen.

(2) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen haben in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte müssen ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen einsetzen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Juli 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 30. Juli 2009 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 19. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids 26. März 2008 rechtswidrig war.

Der Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Verfahrens für alle Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Verwaltungsakt, mit dem der Beklagte im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) eine Eingliederungsvereinbarung ersetzt hat (im Folgenden: Eingliederungsverwaltungsakt).

2

Der 1964 geborene Kläger erhält seit Juli 2006 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Unter dem 11.2.2008 legte der Beklagte dem Kläger eine vorformulierte Eingliederungsvereinbarung vor, die bis zum 11.8.2008 gültig sein sollte. Nachdem der Kläger sich geweigert hatte, diese Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben, ersetzte der Beklagte sie durch einen Verwaltungsakt vom 19.2.2008. Hierin wurde als Geltungsdauer die Zeit vom 19.2.2008 bis zum 31.12.2008 festgelegt, soweit zwischendurch nichts anderes vereinbart werde. Als Leistungen zur Eingliederung in Arbeit wurden vom Beklagten ua zugesagt: die Unterstützung bei der Arbeitsuche/-aufnahme durch Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen, durch finanzielle Leistungen wie zB Bewerbungskosten, Leistungen zur Aufnahme einer Arbeit, zB Mobilitätshilfen, sowie öffentlich geförderte Beschäftigung und evtl ein Angebot einer außerbetrieblichen Trainingsmaßnahme.

3

Als Verpflichtung, die der Kläger im Rahmen der Eingliederungsbemühungen zu erfüllen und entsprechend zu dokumentieren habe, wurde die intensive und initiative Bewerbung auch während einer Arbeitsgelegenheit oder einer Trainingsmaßnahme auferlegt; der Kläger sollte seine Bewerbungsbemühungen auf den gesamten Helferbereich ausdehnen. Der Kläger wurde verpflichtet, eine angebotene Arbeitsgelegenheit anzutreten bzw eine außerbetriebliche Trainingsmaßnahme anzunehmen. Er dürfe außerdem während der Arbeitsgelegenheit oder der Trainingsmaßnahme keinerlei Anlässe dafür bieten, dass aufgrund seines Verhaltens oder seiner Arbeitsweise die Maßnahme abgebrochen werden müsse. Der Kläger sollte außerdem angebotene Unterstützungen der Fachdienste (psychologischer Dienst/ärztlicher Dienst) annehmen, ebenso wie weitere individuelle Unterstützung wie Förderung beruflicher Weiterbildung/Schuldnerberatung/Suchtberatung/psychosoziale Betreuung. Er wurde verpflichtet, alle Termine wahrzunehmen und bei Arbeitsunfähigkeit eine entsprechende Bescheinigung vorzulegen. Dem Bescheid war eine Rechtsfolgenbelehrung bezüglich Grundpflichten, Meldepflicht und "Gemeinsamen Vorschriften" beigefügt.

4

Gegen diesen Eingliederungsverwaltungsakt legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, der Beklagte habe es versäumt, Ermessenserwägungen darzulegen. Mit Datum vom 18.3.2008 verfasste der Beklagte erneut eine vorformulierte Eingliederungsvereinbarung. Bei einer persönlichen Vorsprache am 20.3.2008 lehnte es der Kläger ab, die Eingliederungsvereinbarung zu unterzeichnen; die Unterschrift wurde auch in der Folgezeit nicht nachgeholt. Im Rahmen der Vorsprache bot der Beklagte dem Kläger eine betriebliche Trainingsmaßnahme als Mitarbeiter in einem landwirtschaftlichen Betrieb an, diese Maßnahme lehnte der Kläger ebenfalls ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.3.2008 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Eingliederungsverwaltungsakt zurück und machte geltend, Ermessenserwägungen seien nicht darzulegen. Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben.

5

Mit Bescheid vom 25.4.2008 senkte der Beklagte für die Zeit vom 1.5. bis 31.7.2008 die Leistungen nach dem SGB II um 30 vH der maßgeblichen Regelleistung ab und hob den (Bewilligungs-)Änderungsbescheid vom 4.2.2008 in Höhe von 104 Euro monatlich für den genannten Zeitraum auf, weil der Kläger seine Pflichten aus "der Eingliederungsvereinbarung vom 20.3.2008" verletzt habe, da er an einer angebotenen Trainingsmaßnahme nicht teilgenommen habe. Der gegen den Bescheid vom 25.4.2008 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.5.2008 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage hat das SG abgewiesen; die Nichtzulassungsbeschwerde ist noch beim Landessozialgericht (LSG) anhängig. Mit erneutem Bescheid vom 30.6.2008 hat der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.7. bis 31.12.2008 in Höhe von 588,45 Euro bewilligt.

6

Das SG hat die gegen den Eingliederungsverwaltungsakt gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen (Urteil vom 30.7.2009). Das LSG hat die hiergegen eingelegte Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 14.7.2010). Entgegen der Auffassung des SG sei die Klage zwar nicht unzulässig, insbesondere habe sich der Bescheid vom 19.2.2008 nicht durch Abschluss einer nachfolgenden Eingliederungsvereinbarung erledigt. Der Bescheid vom 25.4.2008, mit dem die bewilligten Leistungen abgesenkt worden seien, zeige auch, dass der Verwaltungsakt seine regelnde Wirkung noch nicht verloren habe. Die Klage sei allerdings nicht begründet, denn der angefochtene Bescheid enthalte alle von Gesetzes wegen vorgeschriebenen Elemente. Soweit der Kläger eine unzureichende Ermessensausübung rüge, sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei § 15 Abs 1 SGB II um eine reine Verfahrensvorschrift handele. Der Grundsicherungsträger treffe insoweit eine nicht justitiable Opportunitätsentscheidung darüber, welchen Verfahrensweg er zur Erfüllung des Ziels der Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wähle. Dass der angefochtene Bescheid nicht im Einzelnen darauf eingehe, was den Beklagten zu den vom Kläger beanstandeten Regelungen bewogen habe, sei unschädlich. Die Begründungsanforderungen richteten sich nach den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls. Es reiche aus, dass dem Kläger hier der dem angefochtenen Verwaltungsakt faktisch zugrunde liegende Entwurf einer Eingliederungsvereinbarung vom 11.2.2008 persönlich ausgehändigt worden und dieser mit ihm besprochen worden sei. Dies führe dazu, dass der Kläger seine Rechte sachgemäß wahrnehmen könne. Im Übrigen würden in dem Bescheid Intensität und Quantität der geforderten Eigenbemühungen festgelegt und auch der sachliche Umfang der Bewerbungsbemühungen eingegrenzt ("gesamter Helferbereich"). Da zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses die weitere Entwicklung für den zu regelnden Zeitraum nicht in allen Einzelheiten überblickt werden könne, sei es regelmäßig ausreichend, die Fördermaßnahmen zunächst allgemeiner zu formulieren.

7

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, der die Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakt sei aus verschiedenen Gründen rechtswidrig. Zunächst sei eine umfassende und gründliche Potentialanalyse zu erstellen, was nicht geschehen sei. Der Verwaltungsakt sei auch allein schon deshalb rechtswidrig, weil er für eine Dauer von erheblich mehr als sechs Monate habe gelten sollen, ohne dass hierfür eine Begründung gegeben worden sei. Außerdem sei die Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt rechtswidrig, weil aus diesem nicht ersichtlich sei, welche Eingliederungsleistungen des Trägers konkret angeboten würden, die ihm auferlegten Verpflichtungen seien so unbestimmt, dass er nicht erkennen könne, welche Verpflichtungen ihn tatsächlich träfen. Im Übrigen müssten, soweit Ermessensleistungen bewilligt würden, in dem Bescheid auch Ermessenserwägungen enthalten sein.

8

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Juli 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 30. Juli 2009 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid vom 19. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 26. März 2008 rechtswidrig war.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Er hält die Klage bereits für unzulässig, da der angefochtene, eine Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakt seine Wirkung durch Zeitablauf verloren habe. Im Übrigen sei die festgesetzte Sanktion ausweislich eines Schreibens vom 19.1.2010 an das SG wieder aufgehoben worden. Er erkläre zudem verbindlich, dass auch keine weiteren Rechtsfolgen, wie etwa eine Rückforderung bereits ausgezahlter Sanktionsbeträge mehr in Betracht komme. Nachdem somit eine Beschwer des Klägers nicht mehr vorliege, sei die Revision unzulässig.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist begründet. Der eine Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakt vom 19.2.2008 war rechtswidrig, weil der Beklagte entgegen der gesetzlichen Vorgabe in § 15 Abs 1 Satz 6 iVm Satz 3 SGB II ohne Ermessenserwägungen eine Geltungsdauer von zehn Monaten angeordnet hat.

12

1. Die Zulässigkeit der Revision begegnet keinen Bedenken. Insbesondere die Umstellung des Klageantrags auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch im Revisionsverfahren zulässig; § 168 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) steht dem nicht entgegen(vgl BSGE 99, 145, 146 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4; s auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 131 RdNr 8a und Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 168 RdNr 2b; Lüdtke in Lüdtke, SGG, 4. Aufl 2012, § 168 RdNr 4, jeweils mwN).

13

Der Kläger hat sich ursprünglich zutreffend mit der Anfechtungsklage gegen den die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt vom 19.2.2008 gewandt. Die mit der Anfechtungsklage angestrebte Aufhebung dieses Verwaltungsaktes war ua erforderlich, um mögliche Sanktionen abzuwehren. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Bescheid vom 19.2.2008 nicht, wie das SG angenommen hat, nach § 39 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) durch den Abschluss einer nachfolgenden Eingliederungsvereinbarung erledigt hatte. Die vom SG angenommene nachfolgende Eingliederungsvereinbarung vom "20.3." (tatsächlich datierte sie vom 18.3.2008) ist nicht zustande gekommen. Aufgrund der Erklärungen des Beklagten im Revisionsverfahren steht jedoch fest, dass der angefochtene Bescheid keine Regelungswirkung mehr entfaltet und eine Anfechtungsklage daher nicht mehr in Betracht kam.

14

Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Es ist mit Wirkung vom 1.1.2011 als Rechtsnachfolger kraft Gesetzes an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten (vgl dazu im Einzelnen ua Bundessozialgericht Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 5). Dieser Beteiligtenwechsel stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar, das Passivrubrum war daher von Amts wegen zu berichtigen.

15

2. Die zulässige Revision des Klägers ist auch begründet. Der die Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakt vom 19.2.2008 war rechtswidrig.

16

a) Die vom Kläger im Revisionsverfahren aufrecht erhaltene Fortsetzungsfeststellungsklage ist nach § 131 Abs 1 Satz 3 SGG hier die richtige Klageart. Nach dieser Vorschrift kann mit der Klage die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines zurückgenommenen oder auf andere Weise erledigten Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein solches Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann unter dem Gesichtspunkt der Präjudizialität und der Wiederholungsgefahr bestehen. Wiederholungsgefahr ist anzunehmen, wenn die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 7 mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 131 RdNr 10 bis 10 f; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IV, RdNr 102). Die Wiederholungsgefahr ist vorliegend zu bejahen, denn der Verlauf des Verfahrens zeigt, dass der Beklagte wiederholt versucht hat, den Kläger in Eingliederungsmaßnahmen einzubeziehen. Es besteht daher eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit, dass auch in der nachfolgenden Zeit weitere Maßnahmen zu erwarten sind.

17

b) Der Beklagte hat über Leistungen zur Eingliederung in Arbeit gegenüber dem Kläger zu Recht durch Verwaltungsakt entschieden. Zwar legt § 15 Abs 1 Satz 1 SGB II zunächst fest, die Agentur für Arbeit solle im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren. § 15 Abs 1 Satz 6 SGB II bestimmt dann jedoch: Kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen die in Satz 2 aufgeführten Regelungen einer Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt erfolgen. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, denn der Kläger hat nach den tatrichterlichen Feststellungen den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung ohne Begründung abgelehnt. In einem solchen Fall steht dem Grundsicherungsträger nur die Handlungsform Verwaltungsakt zur Verfügung (Müller in Hauck/Noftz, SGB II, Stand VII/12, K § 15 RdNr 24 f).

18

Der Gesetzeswortlaut legt damit für die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit einen Vorrang der konsensualen Lösung gegenüber dem hoheitlichen Handeln durch Verwaltungsakt nahe (so insbes Huckenbeck in Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl 2011, § 15 RdNr 10; Müller, aaO, § 15 RdNr 13; Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 15 RdNr 24). Hierfür spricht auch die Entstehungsgeschichte des SGB II. Der Gesetzentwurf zum SGB II betont mehrfach den besonderen Stellenwert, den man der aktiven Mitarbeit des Leistungsberechtigten bei der gemeinsamen Ausarbeitung einer Eingliederungsvereinbarung beimisst (BT-Drucks 15/1516, S 44, 46). Der Gesetzgeber versprach sich hiervon offensichtlich eine Steigerung der Motivation des Betroffenen, an der Eingliederung in den Arbeitsmarkt aktiv mitzuwirken. Dieses gesetzgeberische Anliegen ist auch nicht deshalb vernachlässigenswert, weil die Durchsetzung der Ansprüche auf Eingliederungsleistungen nicht davon abhängt, ob diese in einer Eingliederungsvereinbarung oder einem ersetzenden Verwaltungsakt festgelegt worden sind und zudem der jeweilige Sachbearbeiter des Jobcenters womöglich am besten beurteilen kann, welcher Weg am ehesten einen raschen Eingliederungserfolg verspricht (so aber BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 13/09 R - BSGE 104, 185, 188 = SozR 4-4200 § 15 Nr 1, RdNr 17). Zum einen stellt das Anliegen, auf der Basis konsensualer Lösungsversuche langfristig größere Eingliederungserfolge erreichen zu wollen, ein legitimes gesetzgeberisches Ziel dar; zum anderen ist im Schrifttum zutreffend deutlich gemacht worden, dass die Leistungsangebote des Grundsicherungsträgers wie auch die Selbstverpflichtungen des Grundsicherungsempfängers - in den Grenzen des § 58 SGB X - vertraglich deutlich weitergehend ausgestaltet werden können, als dies bei einer Entscheidung durch Verwaltungsakt möglich ist(Siefert, SGb 2010, 612, 616).

19

Eine Gleichrangigkeit der Handlungsformen Vereinbarung und Verwaltungsakt kann schließlich auch nicht daraus abgeleitet werden, dass im Gesetzgebungsverfahren zwar die Notwendigkeit einer Einbeziehung des Arbeitsuchenden sprachlich stärker betont worden sei, dass letztlich jedoch die fehlende Parität zwischen Grundsicherungsträger und Arbeitsuchendem im Ergebnis nicht korrigiert worden sei, die Eingliederungsvereinbarung bilde vor allem eine Grundlage für Sanktionen bei Nichterfüllung von Pflichten durch den Arbeitsuchenden und liege damit eher im Interesse des Grundsicherungsträgers (BSGE 104, 185, 188 = SozR 4-4200 § 15 Nr 1). Zum einen gibt es zahlreiche Lebensbereiche, in denen trotz vergleichbar asymmetrischer Verhandlungspositionen die Akzeptanz vertraglicher Regelungen nicht in Zweifel gezogen wird (Siefert, SGb 2010, 612, 615); zum anderen muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber das konsensuale Vorgehen gerade als Konfliktvermeidungsstrategie gesehen hat (Müller in Hauck/Noftz, SGB II, Stand VII/12, K § 15 RdNr 15). Wortlaut, Entstehungsgeschichte (hierzu speziell: Müller, aaO, RdNr 17) und Sinn und Zweck des § 15 Abs 1 SGB II sprechen nach allem eher dafür, dass ein die Eingliederungsvereinbarung ersetzender Verwaltungsakt nur in Betracht kommt, wenn der Grundsicherungsträger zuvor den Versuch unternommen hat, mit dem Arbeitsuchenden eine Vereinbarung zu schließen oder im Einzelfall besondere Gründe vorliegen, die den Abschluss einer Vereinbarung als nicht sachgerecht erscheinen lassen, was im ersetzenden Verwaltungsakt im Einzelnen darzulegen wäre(Huckenbeck, aaO, § 15 RdNr 11).

20

Die Rechtswidrigkeit des ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakts, mit dem der Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung ersetzt hat, ergibt sich hier aus der Tatsache, dass der Beklagte entgegen der gesetzlichen Vorgabe ohne Ermessenserwägungen eine Geltungsdauer von zehn Monaten angeordnet hat. Zwar verweist Satz 6 des § 15 Abs 1 SGB II wegen des eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts allein auf "die Regelungen nach Satz 2". Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass der Grundsicherungsträger die Geltungsdauer eines ersetzenden Verwaltungsakts ohne Bindung an die Vorgabe des Satzes 3 nach freiem Ermessen festlegen können sollte. Nach § 15 Abs 1 Satz 3 SGB II soll die Eingliederungsvereinbarung für sechs Monate geschlossen werden. Aufgrund des Verhältnisses der Regelungen in Satz 1 und 2 des § 15 Abs 1 SGB II zu Satz 6 dieser Vorschrift gilt dies auch für den die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt.

21

Bei der Entscheidung über die Geltungsdauer ist das Ermessen des Grundsicherungsträgers danach gebunden. Für den Regelfall sieht der Gesetzgeber sechs Monate als angemessen an. Die sechsmonatige Regellaufzeit entspricht dem Bewilligungszeitraum für Leistungen nach dem SGB II gemäß § 41 Abs 1 Satz 2 SGB II. Bis zum 31.12.2006 galt als Übergangsregelung zur Entlastung der Verwaltung noch eine Laufzeit von bis zu zwölf Monaten (vgl dazu Fuchsloch in Gagel, SGB II, Stand Juni 2006, § 15 RdNr 73). Die nunmehr geltende kürzere Frist von sechs Monaten gibt dem Hilfebedürftigen einerseits einen stabilen, verlässlichen Rahmen, garantiert aber andererseits durch kontinuierliche Beobachtung, dass nicht an Zielen starr festgehalten wird, die sich als erfolglos erwiesen haben (vgl Fuchsloch, aaO; Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl 2011, § 15 RdNr 36 f). Deshalb "soll" nach Satz 4 des § 15 Abs 1 SGB II nach Ablauf von sechs Monaten eine neue Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen werden.

22

c) Eine Anfrage beim 4. Senat des BSG nach § 41 Abs 3 Satz 1 SGG war nicht geboten. Eine Anfrage kommt danach nur in Betracht, wenn der erkennende Senat mit einem in der zu treffenden Entscheidung beabsichtigten Rechtssatz von einem in einem früheren Urteil enthaltenen tragenden Rechtssatz eines anderen Senats abweichen will (BSGE 58, 183, 186 f = SozR 1500 § 42 Nr 10; vgl May, Die Revision, 2. Aufl 1997, Kap V E, RdNr 133, 136). Es ist nicht erkennbar, dass es für das Urteil vom 22.9.2009 (BSGE 104, 185 = SozR 4-4200 § 15 Nr 1), in dem allein über den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung zu entscheiden war, auf die dort geäußerte Rechtsauffassung ankam, die Handlungsformen Vereinbarung und Verwaltungsakt seien bei der Gewährung von Leistungen zur Eingliederung in Arbeit gleichrangig (so auch Siefert, SGb 2010, 612, 615).

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. Mai 2011 aufgehoben und die Berufung des Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 6. Mai 2009 zurückgewiesen.

Der Beigeladene hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger gegen die beklagte Bundesagentur für Arbeit (BA) oder den beigeladenen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende einen Anspruch auf Restförderung einer am 24.4.2006 begonnenen Weiterbildungsmaßnahme für die Zeit vom 1.10. bis 21.12.2006 hat.

2

Der im Mai 1986 geborene Kläger absolvierte von September 2002 bis Januar 2006 eine Ausbildung zum Werkzeugmacher (Fachrichtung Formbau) und erhielt anschließend Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 18.1.2006 bis zum 16.1.2007 nach einem Leistungssatz in Höhe von 4,70 Euro täglich auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von 9,91 Euro. Daneben bewilligte der Landkreis K. als zuständiger Träger der Grundsicherung dem - damals im Haushalt seiner Eltern lebenden - Kläger als Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaft (aufstockende) Alg II-Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 24.1. bis 31.7.2006 (Bescheid vom 2.2.2006; Änderungsbescheid vom 21.3.2007).

3

Am 16.5.2006 schlossen der Landkreis und der Kläger eine Eingliederungsvereinbarung (EinglVb), in der sich der Kläger ua zur Teilnahme an der Bildungsmaßnahme "CNC-Fachkraft" vom 24.4. bis 21.12.2006 verpflichtete und der Landkreis die Übernahme der Lehrgangskosten sowie die Gewährung von Fahrkosten zusagte.

4

Infolge einer Änderung des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II zum 1.7.2006 durch Gesetz vom 24.3.2006 (BGBl I 558) entfiel die Hilfebedürftigkeit des Klägers, weil nunmehr aus ihm und seinen Eltern eine Bedarfsgemeinschaft zu bilden war, für die insgesamt keine Hilfebedürftigkeit bestand. Daher lehnte der Landkreis den Antrag des Klägers auf Weiterbewilligung von Alg II ab 1.8.2006 bindend ab (Bescheid vom 11.8.2006) und verwies ihn wegen der Restförderung der Weiterbildungsmaßnahme an die Beklagte. Zugleich bot er den Abschluss eines Darlehensvertrags auf Grundlage des § 16 Abs 4 SGB II an. Dies lehnte der Kläger zunächst ab; in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Dresden verfolgte er sein Begehren weiter, Leistungen aufgrund der EinglVb als Zuschuss zu erhalten. Mit Schreiben vom 19.9.2006 kündigte der Landkreis K. die EinglVb mit Wirkung zum 30.9.2006. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren endete am 9.11.2006 mit Vergleich durch den Abschluss des erneut angebotenen Darlehensvertrags, in dem sich ua der Landkreis K. zwecks Weiterfinanzierung der begonnenen Qualifizierungsmaßnahme zur Gewährung eines zinslosen Darlehens in Höhe von 2408,64 Euro verpflichtete. Der Kläger schloss die Maßnahme erfolgreich ab und zahlte vereinbarungsgemäß das Darlehen (ratenweise) zurück.

5

Auf Hinweis des Landkreises hatte der Kläger zuvor bereits bei der Beklagten die Förderung der Weiterbildung für die Zeit vom 1.8. bis 21.12.2006 beantragt, die jedoch weiterhin den Landkreis für zuständig ansah und deshalb den Antrag ablehnte (Bescheid vom 28.9.2006; Widerspruchsbescheid vom 2.2.2007).

6

Gegen den Landkreis K. hat der Kläger am 17.10.2006 Klage auf weitere Förderung erhoben; dieses Verfahren hat das SG ausgesetzt. In dem Klageverfahren gegen die Beklagte hat das SG nach Beiladung des Landkreises Bautzen als Rechtsnachfolger des Landkreises K. mit Urteil vom 6.5.2009 festgestellt, dass der Beigeladene ungeachtet der Kündigung vom 19.9.2006 weiterhin verpflichtet sei, auch für den Zeitraum vom 1.10. bis 21.12.2006 aus der am 10.5.2006 abgeschlossenen EinglVb die Weiterbildungskosten für die Bildungsmaßnahme CNC-Fachkraft als Zuschuss zu übernehmen.

7

Auf die Berufung des Beigeladenen hat das Sächsische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.9.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.2.2007 verurteilt, "an den Kläger für die Kosten seiner Weiterbildung zum CNC-Fräser vom 1. Oktober 2006 bis 21. Dezember 2006 einen Betrag in Höhe von 2408,64 EUR zu zahlen" (Urteil vom 26.5.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die ursprünglich mit dem Landkreis getroffene EinglVb sei wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse durch die am 1.7.2006 in Kraft getretene Neufassung des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II ordnungsgemäß nach § 59 Abs 1 S 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gekündigt worden. Der Kläger habe jedoch seit dem 1.10.2006 einen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Weiterbildungskosten nach § 77 Abs 1 S 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Zwar habe der Kläger vor Beginn der Maßnahme keinen entsprechenden Antrag (§ 323 Abs 1, § 324 Abs 1 S 1 SGB III) bei der Beklagten gestellt. Es liege jedoch ein Fall unbilliger Härte iS des § 324 Abs 1 S 2 SGB III vor, denn infolge der ursprünglich bestehenden Hilfebedürftigkeit sei es ihm nicht möglich gewesen, vor Antritt der Maßnahme mit Aussicht auf Erfolg einen Förderungsantrag bei der Beklagten zu stellen. Eine Beratung des Klägers und eine Prüfung der Maßnahme seien - für die Beklagte bindend - bereits durch den Landkreis durchgeführt worden; von einer Prognoseentscheidung sei die Beklagte entbunden. Das ihr eingeräumte Ermessen sei in der gegebenen Sachverhaltskonstellation auf Null reduziert. Der Umfang der von der Beklagten zu übernehmenden Kosten ergebe sich aus dem Darlehensvertrag.

8

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts (insbesondere § 16g Abs 1 S 1 SGB II§ 16 abs 4 sgb ii in der bis 31.7.2006 gültigen fassung>, § 59 Abs 1 S 1 SGB X). Sie verweist darauf, dass § 16 Abs 4 SGB II in der bis zum 31.7.2006 gültigen Fassung (aF) eine weitere Fördermöglichkeit durch den SGB II-Leistungsträger vorgesehen habe, wenn bereits zwei Drittel der Maßnahme durchgeführt seien und der Erwerbsfähige sie voraussichtlich erfolgreich abschließen werde. Eine (ähnliche) Fördermöglichkeit habe die Vorschrift auch in der Fassung ab 1.8.2006 vorgesehen, wenn die Förderung wirtschaftlich erschien und der Erwerbsfähige die Maßnahme voraussichtlich erfolgreich abschließen werde; gefördert werde dann durch die Gewährung eines Darlehens. Gemäß § 16g Abs 1 SGB II(eingefügt mit Wirkung ab 1.1.2009) könne eine begonnene Maßnahme im Wesentlichen unter denselben Voraussetzungen wie bisher zuschussweise gefördert werden (S 1). Es sei von dem Grundsatz auszugehen, dass der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Grundlage des SGB II der Leistungsträger sei, der eine begonnene Maßnahme (weiter-)fördern solle. Ein Grund, die EinglVb zu kündigen, habe mithin nicht bestanden.

9

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. Mai 2011 aufzuheben und die Berufung des Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 6. Mai 2009 zurückzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. Mai 2011 aufzuheben und die Berufung des Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 6. Mai 2009 zurückzuweisen.

11

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend, will mit dem Hilfsantrag aber sicherstellen, dass - wenn es nicht bei der Verurteilung zur Kostentragung bleiben sollte - jedenfalls nicht er, sondern der Beigeladene die (endgültige) Kostenlast der beruflichen Weiterbildung zu tragen habe.

12

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, geht aber davon aus, dass die Revision keinen Erfolg haben werde. Er hat außerdem den im Streit stehenden und darlehnsweise übernommenen Betrag der Maßnahmekosten in Höhe von 2408,64 Euro im Einzelnen erläutert.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 Sozialgerichtsgesetz). Das Urteil des LSG ist aufzuheben und die Entscheidung des SG wiederherzustellen, weil - wie im Ergebnis erstinstanzlich zu Recht entschieden worden ist - der Beigeladene die Weiterbildungskosten des Klägers auch für den Zeitraum vom 1.10. bis 31.12.2006 als Zuschuss zu übernehmen hat.

14

1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Übernahme der Kosten seiner Weiterbildungsmaßnahme zum CNC-Fräser für die Restzeit vom 1.10. bis zum 21.12.2006 (restliche Maßnahmekosten einschließlich der Fahrkosten zur Bildungsstätte). Da der Beigeladene diese Kosten in Höhe von 2408,64 Euro aufgrund des im einstweiligen Rechtsschutzverfahren geschlossenen Vertrags zunächst als - inzwischen vom Kläger zurückgezahltes - Darlehen erbracht hat, ist das SG bei seiner Entscheidung zutreffend von dem - als Hauptantrag geltend gemachten - Feststellungsbegehren des Klägers ausgegangen, dass der Beigeladene diese Kosten in Form eines Zuschusses - endgültig - zu tragen habe. Dieses Feststellungsurteil ist wiederherzustellen; der Beigeladene ist aufgrund der mit dem Kläger geschlossenen EinglVb verpflichtet, die begonnene Maßnahme bis zu deren Abschluss zu fördern, weil die unter dem 19.9.2006 ausgesprochene Kündigung der Vereinbarung unwirksam war. Nur in diesem Sinn ist auch die Tenorierung im erstinstanzlichen Urteil zu verstehen, wonach der Förderungsanspruch des Klägers "ungeachtet der Kündigung vom 19.9.2006" den Zeitraum vom 1.10. bis 21.12.2006 umfasste. Dies steht auch nicht im Widerspruch zu dem damit gegenstandslos gewordenen Darlehensvertrag vom 9.11.2006 (dazu unter 4).

15

2. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensfehler stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Zwischen dem Kläger, der Beklagten und dem Beigeladenen bestand Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses; denn es war zu klären, welcher Träger die Weiterbildungskosten für die Bildungsmaßnahme CNC-Fachkraft zu übernehmen hat. Damit war - neben der (hilfsweise) gegen die Beklagte erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) - die Feststellungsklage gegen den Beigeladenen (§ 55 Abs 1 Nr 1 SGG) die richtige Klageart (vgl Lorenz, DVBl 1997, 865, 872; Fröhlich, Vertragsstrukturen in der Arbeitsverwaltung, Dissertation 2007, 166). Im Rahmen dieser Feststellungsklage konnte die Verurteilung des Beigeladenen als Leistungsträger nach § 75 Abs 5 SGG erfolgen. Denn der Kostenübernahmeanspruch gegen die Beklagte und gegen den Beigeladenen schließen sich gegenseitig aus und die Klage gegen die Beklagte kann keinen Erfolg haben, weil - wie im Folgenden dargelegt wird - bereits ein vertraglicher Anspruch gegen den Beigeladenen besteht. Kein Hindernis bildete hier auch die anderweitige Rechtshängigkeit der vor dem SG erhobenen Klage (vgl BSG, Urteil vom 19.5.1982 - 11 RA 37/81 - SozR 2200 § 1239 Nr 2; Lüdtke, SGG, 4. Aufl 2012, § 75 RdNr 16).

16

Der Beigeladene ist für die Übernahme der Restförderung der Maßnahme auch sachlich und örtlich zuständig. Denn die EinglVb vom 16.5.2006 ist zwar zwischen dem Landkreis K. und dem Kläger geschlossen worden und auch die Kündigung vom 19.9.2006 hat der Landkreis K. ausgesprochen. Indes ist - wie bereits das LSG zutreffend ausgeführt hat - der Landkreis B. aufgrund des Gesetzes zur Neugliederung des Gebiets der Landkreise des Freistaates Sachsen (Sächsisches Kreisgebiets-Neugliederungsgesetz ) vom 29.1.2008 (SächsGVBl S 102) Rechts- und Funktionsnachfolger ua des Landkreises K. geworden (vgl § 4 Abs 1 und 2 SächsKrGebNG). Der Beigeladene gehört zu den nach § 6a SGB II zugelassenen kommunalen Trägern.

17

3. Der Beigeladene hat die Kosten der Weiterbildungsmaßnahme auch für die Zeit vom 1.10. bis 21.12.2006 zu tragen; denn die am 19.9.2006 ausgesprochene Kündigung der EinglVb vom 16.5.2006 (dazu näher unter a und b) war unwirksam (dazu unter c).

18

a) Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ist die zwischen dem Kläger und dem Landkreis geschlossene EinglVb.

19

Nach § 15 Abs 1 S 1 SGB II soll der Grundsicherungsträger mit jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (EinglVb). Nach der Grundregel des § 15 Abs 1 S 3 SGB II "soll" die Vereinbarung für sechs Monate abgeschlossen werden. Nach der Übergangsvorschrift des § 65 Abs 6 SGB II in der bis zum 31.3.2011 geltenden Fassung gilt § 15 Abs 1 S 2 SGB II(richtig: § 15 Abs 1 S 3 SGB II) für die Zeit bis zum 31.12.2006 mit der Maßgabe, dass die EinglVb für bis zu zwölf Monate geschlossen werden kann (vgl ua Radüge in Schlegel/Voelzke, juris-PK SGB II, 2. Aufl 2007, § 65 RdNr 29).

20

Demgemäß verpflichtete sich der Rechtsvorgänger des Beigeladenen in dieser Vereinbarung - ohne weitere zeitliche Beschränkung - zur Übernahme der für den gesamten Zeitraum der Qualifizierungsmaßnahme vom 24.4. bis 21.12.2006 entstehenden Kosten (Lehrgangskosten und Prüfungsgebühren in Höhe von 4825,60 Euro sowie Fahrkosten bis maximal 260 Euro monatlich) gemäß § 16 Abs 1 S 2 SGB II iVm §§ 77 ff SGB III. Nebenabreden wurden nicht getroffen. Diese Kostenzusage bindet den Beigeladenen und gibt dem Kläger einen Vertragserfüllungsanspruch (vgl ua Müller in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Dezember 2010, K § 15 RdNr 42), wobei die Rechtsqualität der EinglVb hier dahinstehen kann.

21

Ausgehend von der Wortbedeutung "Vereinbarung" liegt es nahe, von einer vertraglichen Abrede auszugehen. Entsprechend qualifiziert die herrschende Meinung der Literatur die EinglVb als öffentlich-rechtlichen Vertrag iS der §§ 53 ff SGB X(Berlit in Münder, SGB II, 3. Aufl 2009, § 15 RdNr 8, mwN; Fuchsloch in Gagel, SGB II/SGB III, Stand Juni 2012, § 15 RdNr 21 f; Lahne in Hohm, Gemeinschaftskommentar zum SGB II, Stand März 2011, § 15 RdNr 11; Löhns in Löhns/Herold/Tews, SGB II, 2. Aufl 2009, § 15 RdNr 5 mwN; Müller in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Dezember 2010, § 15 RdNr 11; Sauer, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2011, § 15 RdNr 6; Sonnhoff in Schlegel/Voelzke, juris-PK SGB II, 2. Aufl 2007, § 15 RdNr 22; Zahn in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe - Teil 1 - Sozialgesetzbuch II, Stand Januar 2011, § 15 RdNr 2), teilweise auch als unechten oder hinkenden Austauschvertrag (vgl Weinreich, SGb 2012, 513 ff, 519; kritisch: Colussi, Problem der EinglVb nach § 15 SGB II, 2010, der einen Vertrag in Frage stellt: Der Hilfebedürftige werde zum Abschluss einerEinglVb gezwungen, weil er bei Nichtabschluss mit einer Leistungskürzung <§ 31 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst b SGB II> rechnen müsse). Aber selbst dann, wenn man die EinglVb als öffentlich-rechtlichen Teilvertrag oder öffentlich-rechtliche Zusatzvereinbarung (so: Stark in Estelmann, SGB II, Stand März 2011, § 15 RdNr 30) oder als normersetzende öffentlich-rechtliche Handlungsform sui generis (so Spellbrink zB in: Das SGB II in der Praxis der Sozialgerichte - Bilanz und Perspektiven 2010, 45 ff) qualifizieren wollte, konnte sich der Rechtsvorgänger des Beigeladenen verpflichtend in dieser rechtlichen Form binden, weil er damit weder gegen ein rechtliches Verbot verstieß noch die ihm eingeräumte Entscheidungskompetenz überstieg oder gar die Verpflichtung zu "rechtlich Unmöglichem" einging (Rechtsgedanke aus § 58 Abs 2 Nr 1 SGB X). Vielmehr hätte der Rechtsvorgänger der Beigeladenen eine gleiche Entscheidung auch durch Verwaltungsakt treffen können, wenn eine EinglVb nicht zustande gekommen wäre (vgl § 15 Abs 1 S 6 SGB II). Dabei kann hier offenbleiben, ob es sich bei dem Abschluss einer EinglVb einerseits und dem Erlass eines eine EinglVb ersetzenden Verwaltungsakts um zwei grundsätzlich gleichwertige Wege handelt oder sich diese beiden Gestaltungsformen in ihren rechtlichen Anforderungen unterscheiden (vgl dazu näher BSGE 104, 185 = SozR 4-4200 § 15 Nr 1 RdNr 15 und 23).

22

Da das SGB II keine Regelungen über das Zustandekommen einer EinglVb enthält, finden gemäß § 40 Abs 1 S 1 SGB II für das Verfahren die Vorschriften des SGB X Anwendung. Mit der überwiegenden Meinung in der Literatur ist der Senat der Ansicht, dass sich Rechtmäßigkeit und Möglichkeit der Auflösung der EinglVb nach den Vorschriften der §§ 53 ff SGB X über den öffentlich-rechtlichen Vertrag richten; geht man von einem öffentlich-rechtlichen Teilvertrag oder einer öffentlich-rechtlichen Handlungsform sui generis aus, bietet sich - mangels anderer Rechtsgrundlagen für solche Handlungsformen - die analoge Anwendung der §§ 53 ff SGB X an.

23

b) Die Wirksamkeit der EinglVb als öffentlich-rechtlicher Vertrag bestimmt sich in ihren Anforderungen nach § 15 Abs 1 S 2 SGB II sowie § 55 SGB X und gemäß § 61 S 2 SGB X ergänzend nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Die für einen Vertragsschluss erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen der Vertragsparteien (§ 61 S 2 SGB X iVm §§ 145 ff BGB) liegen vor; das Schriftformerfordernis des § 56 SGB X wurde eingehalten; es geht um die Erbringung von Ermessensleistungen (§ 53 Abs 2 SGB X: § 16 Abs 1 S 2 SGB II iVm §§ 77 ff SGB III). Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit oder Nichtigkeit der Vereinbarung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehen nicht und sind auch von den Beteiligten nicht geltend gemacht worden (vgl dazu näher Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 58 RdNr 3, 6 und 9).

24

c) Die Rechtswirkungen der EinglVb sind schließlich nicht durch eine wirksame Kündigung beendet worden. Denn die Voraussetzungen für eine solche Kündigung lagen nicht vor.

25

Gemäß § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 59 Abs 1 S 1 SGB X(wortgleich auch § 60 Abs 1 S 1 Verwaltungsverfahrensgesetz) kann eine Partei eines öffentlich-rechtlichen Vertrags diesen kündigen, wenn sich die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesenen Verhältnisse mit Abschluss wesentlich geändert haben (1) und dies zur Folge hat, dass dieser Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist (2), sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist (3). Unabhängig von den formellen Voraussetzungen (ua Schriftform, vgl § 59 Abs 1 S 2 SGB X) sind diese materiellen Voraussetzungen nicht sämtlich erfüllt. Demzufolge ist die Kündigung vom 19.3.2006 unwirksam und hat die EinglVb nicht beendet.

26

aa) Allerdings ist mit der Änderung des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II durch das Gesetz vom 24.3.2006 (BGBl I 558) mit Wirkung zum 1.7.2006 eine wesentliche Veränderung in den für die "Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesenen" Verhältnissen iS von § 59 Abs 1 S 1 SGB X eingetreten.

27

Diese Norm trägt vor dem Hintergrund des ungeschriebenen Gebots "pacta sunt servanda" dem auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) beruhenden Gedanken Rechnung, dass eine Loslösung vom Vertrag ausnahmsweise möglich sein muss, wenn die Bindung für eine Vertragspartei unzumutbar geworden ist. Darauf gründen sich die vor allem im Zivilrecht entwickelten Grundsätze über die Änderung bzw den Wegfall der Geschäftsgrundlage (heute in § 313 BGB ausdrücklich normiert), an die § 59 Abs 1 S 1 SGB X mit der Bezugnahme auf die bei Vertragsschluss maßgebend gewesenen Verhältnisse und deren Auswirkungen auf bestehende Verträge anknüpft. Dabei kann hier offenbleiben, ob § 59 Abs 1 S 1 SGB X eine eigenständige Regelung des Rechtsinstituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage enthält(so ua Sonnhoff in Schlegel/ Voelzke, juris-PK SGB II, 2. Aufl 2007, § 15 RdNr 13 mwN) oder auf die allgemeinen Grundsätze zur Geschäftsgrundlage zurückgegriffen werden kann (vgl Kopp in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl 2008, § 60 Nr 8; Bonk in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 60 RdNr 1 ff; VGH Baden-Württemberg NVwz-RR 2000, 206; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.10.2003 - 9 A 3137/00).

28

Der Senat teilt die Einschätzung des LSG, dass auch ohne ausdrückliche Regelung in der EinglVb jedenfalls ab 1.8.2006 mit Beginn eines neuen Bewilligungsabschnitts (vgl § 41 Abs 1 S 3 und 4 SGB II) eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist (vgl auch Fachliche Hinweise der BA zu § 15 SGB II, Ziff 15.13 zum Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Entfallen der Hilfebedürftigkeit; ebenso Sonnhoff in Schlegel/Voelzke, juris-PK SGB II, 2. Aufl 2007, § 15 RdNr 133). Denn ab diesem Zeitpunkt war der Kläger in Anwendung des ab 1.7.2006 geänderten § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II nicht mehr hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 und Abs 2 SGB II und demgemäß ist sein Antrag auf Alg II vom 8.8.2006 mit (bindendem) Bescheid des Landkreises K. vom 11.8.2006 abgelehnt worden.

29

Die Wesentlichkeit dieser Änderung der Verhältnisse kann auch bei entsprechender Beurteilung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (vgl hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl 2008, § 60 RdNr 8) nicht etwa deshalb in Zweifel gezogen werden, weil sich die tatsächlichen Verhältnisse bei dem Kläger nicht nachhaltig geändert haben und der Landkreis bei Abschluss der EinglVb mit den Rechtsänderungen zum 1.7.2006 rechnen konnte. Denn auch Rechtsänderungen sind im Rahmen von § 59 Abs 1 S 1 SGB X zu berücksichtigen(vgl Kopp/Ramsauer, aaO, § 60 RdNr 9a).

30

Zweifelhaft könnte hier allenfalls sein, ob nach § 59 Abs 1 S 1 SGB X ein Kündigungsrecht auch dann besteht, wenn mit dem späteren Eintreten des Kündigungsgrunds bereits bei Vertragsschluss zu rechnen war(vgl Kopp/Ramsauer, aaO, § 60 RdNr 7 mwN). Die Rechtsänderung zum 1.7.2006 war schon vor Abschluss der EinglVb vom 16.5.2006 absehbar: Sie musste dem Landkreis bzw dem zuständigen Sachbearbeiter bei Abschluss der Vereinbarung bekannt sein; denn das Gesetz zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze vom 24.3.2006 wurde am 30.3.2006 im Bundesgesetzblatt (Nr 14/2006) verkündet. Dass mit dieser Rechtsänderung auch die Leistungsberechtigung des Klägers entfiel, hätte der Landkreis bzw der zuständige Sachbearbeiter ebenso schon bei Abschluss der Vereinbarung erkennen können. Denn bei der erstmaligen Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II im Januar 2006 hatte der Kläger ausweislich der vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten des Beigeladenen die Einkommensverhältnisse seiner Eltern offen gelegt.

31

Letztlich bedarf aber die Frage, ob eine wesentliche Änderung der Verhältnisse vorgelegen hat, keiner weiteren Vertiefung, weil es - wie sogleich unter bb) dargelegt wird - dem Landkreis jedenfalls nicht unzumutbar war, am Vertrag festzuhalten.

32

bb) Nach § 59 Abs 1 S 1 SGB X berechtigt nicht jede wesentliche Änderung der Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, zur Kündigung des Vertrags. Voraussetzung ist vielmehr ua, dass es sich um eine derart wesentliche Änderung handelt, dass dem betroffenen Vertragspartner ein weiteres Festhalten am Vertrag nicht zuzumuten ist. Die Unzumutbarkeit ist ein unbestimmter Gesetzesbegriff und gerichtlich voll überprüfbar (vgl ua Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand Oktober 2009, K § 59 RdNr 64).

33

Hintergrund der gesetzlichen Regelung ist, dass der Grundsatz der Vertragstreue auch im öffentlichen Recht nur ausnahmsweise und allein dann unterbrochen werden darf, wenn dies notwendig ist, um wesentliche, dh untragbare, mit Recht und Gerechtigkeit schlechterdings unvereinbare Ergebnisse im öffentlichen Interesse zu vermeiden (vgl Bonk in Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 60 RdNr 17; Kopp/Ramsauer, aaO, § 60 RdNr 8; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.10.2003 - 9 A 3137/00 - juris). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

34

Nicht zumutbar ist das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung einem Vertragspartner dann, wenn der Rahmen des Risikos überschritten wird, den der Vertragspartner bei Abwägung aller Umstände einschließlich der Interessen des anderen Vertragspartners nach Treu und Glauben hinzunehmen hat. Hiernach scheidet eine Kündigung aus, wenn der Kündigende einerseits das Risiko bestimmter Änderungen bewusst übernommen hat, sein Vertragspartner andererseits aber wesentliche Nachteile für den Fall der Kündigung hinzunehmen hätte. Maßgebend sind die gesamten Umstände des Einzelfalls, wobei eine wichtige Rolle spielt, ob der Kündigende Vorkehrungen gegen die Auswirkungen der Änderungen treffen konnte und welche Bedeutung die Änderung im Verhältnis zum Interesse des Vertragspartners am Inhalt des Vertrags selbst hat (vgl ua Kopp/Ramsauer, aaO, § 60 RdNr 12). Damit genießt (entgegen Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 15 RdNr 33, der sich bei der EinglVb nach § 15 SGB II im Fall einer Änderung der Verhältnisse für eine entsprechende Anwendung der Grundsätze des § 48 Abs 1 SGB X ausspricht) die Partei, die am Vertrag festhalten will, einen höheren Schutz nach § 59 Abs 1 S 1 SGB X als bei einer entsprechenden Anwendung der Grundsätze des § 48 Abs 1 S 1 SGB X(so im Ergebnis auch Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand Oktober 2009, K § 59 RdNr 63 mwN).

35

Dem Rechtsvorgänger des Beigeladenen war das Festhalten am Vertrag nicht unzumutbar. Das Kündigungsschreiben des Landkreises vom 19.9.2006 begründet die Kündigung damit, dass sich mit den gesetzlichen Neuregelungen des SGB II im Fall des Klägers wesentliche Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen ergeben hätten und deshalb dem Landkreis ein Festhalten an der Vereinbarung nicht möglich sei.

36

Dies hält der gerichtlichen Überprüfung jedoch nicht Stand. Denn bei der gebotenen Abwägung der Interessen beider Vertragspartner und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls ist zu berücksichtigen, dass - wie bereits oben ausgeführt - die zum 1.7.2006 bevorstehenden Änderungen des SGB II bereits bei Abschluss der Vereinbarung vom 16.5.2006 bekannt sein mussten. Der Landkreis bzw der zuständige Sachbearbeiter konnte auch bereits damals deren Auswirkungen auf die Leistungsberechtigung des Klägers erkennen. Denn der Kläger lebte im elterlichen Haushalt und ihm waren - solange er als Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaft galt - aufstockende SGB II-Leistungen (in Höhe von 36,00 Euro monatlich) bis zum 31.7.2006 bewilligt worden (Bescheid vom 2.2.2006). Damit war bei Vertragsschluss offenkundig, dass infolge der Änderung des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II zum 1.7.2006 die Hilfebedürftigkeit des Klägers spätestens mit Ablauf des Bewilligungszeitraums ab 1.8.2006 zu verneinen war, weil nunmehr aus ihm und seinen Eltern eine Bedarfsgemeinschaft zu bilden war und deren Einkommen den maßgebenden Bedarf überstieg. Die Einkommensverhältnisse der Eltern des Klägers waren bereits anlässlich der erstmaligen Antragstellung im Januar 2006 offengelegt worden. Dennoch förderte der Landkreis auch über den Termin der Rechtsänderung zum 1.7.2006 und sogar nach Ablauf der Befristung der monatlichen SGB II-Leistungen bis zum 31.7.2006 die Maßnahme weiter. Erst am 19.9.2006 kündigte er die Vereinbarung zum 30.9.2006, wobei der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits rund zwei Drittel der Weiterbildungsmaßnahme absolviert hatte und dem Landkreis ausweislich der vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten der Beklagten bereits bekannt war, dass die Beklagte die Kosten des Lehrgangs nicht übernehmen würde (VerBis-Ausdruck vom 27.9.2006 über Gespräch vom 15.9.2006 sowie hierauf bezugnehmend Schreiben der BA vom 27.9.2006).

37

Vorkehrungen für den absehbaren Wegfall der Förderungsvoraussetzungen hatte der Landkreis nicht getroffen, insbesondere auch die Beklagte nicht als weitere Leistungsträgerin am Verfahren beteiligt (vgl § 12 Abs 2 S 1 SGB X). Das zeitgleich mit dem Kündigungsschreiben vom 19.9.2006 unterbreitete Angebot, die Maßnahme nunmehr in Form eines Darlehens nach § 16 Abs 4 SGB II aF weiter zu fördern, ändert an der nachteiligen Wirkung der Kündigung nichts. Für den Kläger bedeutete das Darlehensangebot, dass er die weiteren Maßnahmekosten letztlich - wie zwischenzeitlich durch vollständige Rückzahlung des Darlehens auch geschehen - selbst zu tragen hatte, ohne dass er darüber bereits bei Abschluss der EinglVb informiert worden wäre.

38

Damit waren die Folgen des Leistungsendes für den Kläger erheblich. Für den Landkreis hat sich demgegenüber allein das Risiko der Leistungserbringung ohne Fortbestand der Hilfebedürftigkeit des Berechtigten verwirklicht, das er selbst gesetzt hatte, indem er es versäumte, die EinglVb inhaltlich auf den schon bei deren Abschluss absehbaren Wegfall der Förderungsvoraussetzungen zum 31.7.2006 durch eine zeitliche Begrenzung bzw entsprechende Nebenbestimmungen abzustimmen.

39

cc) Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall eine nachträgliche Vertragsanpassung von den Vertragsparteien nicht in Betracht gezogen worden ist (s dazu unter 4), ist ein Kündigungsrecht auch nicht deshalb zu bejahen, weil ein Festhalten des Landkreises an der EinglVb bis zum Ablauf der Maßnahme am 21.12.2006 zu untragbaren, mit Recht und Gesetz schlechterdings unvereinbaren Ergebnissen führen würde. So kann es insbesondere nicht als von vornherein systemfremd angesehen werden, wenn ein SGB II-Träger die angefangene Förderung einer Weiterbildungsmaßnahme durch einen Zuschuss auch nach dem Wegfall der Hilfebedürftigkeit des Erwerbsfähigen zu Ende führt. Letzteres folgt insbesondere nicht aus § 16 Abs 4 SGB II in der bis zum 31.7.2006 gültigen Fassung (aF), auf den sich der Beigeladene beruft.

40

Hiernach konnte bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit des Erwerbsfähigen eine Maßnahme zur Eingliederung durch ein Darlehen des SGB II-Leistungsträgers weitergefördert werden, wenn bereits zwei Drittel der Maßnahme durchgeführt sind und der Erwerbsfähige diese voraussichtlich erfolgreich abschließen wird. Die Fassung des § 16 Abs 4 SGB II durch Gesetz vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) verzichtete mit Wirkung ab 1.8.2006 auf das zeitliche Kriterium und verlangte für eine darlehensweise weitere Förderung lediglich noch, dass "dies wirtschaftlich erscheint und der Erwerbsfähige die Maßnahme voraussichtlich erfolgreich abschließen wird".

41

Es ist, betrachtet man die Umstände des vorliegenden Falls, schon fraglich, ob die Vorschrift des § 16 Abs 4 SGB II aF mit dem Tatbestandsmerkmal des "Entfallens" der Hilfebedürftigkeit auch die Änderung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistungsbewilligung nach § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II erfasst oder ob sie nur Fallgestaltungen betrifft, bei denen sich nach Maßnahmebeginn die tatsächlichen Verhältnisse des Leistungsempfängers (beispielsweise durch Vermögenszuwachs) nachhaltig verändern. Dies gilt umso mehr, als im SGB III für Leistungen der aktiven Arbeitsförderung nach dem Grundsatz des § 422 Abs 1 SGB III das Recht maßgebend bleibt, das zu dem Zeitpunkt gilt, in dem der Anspruch entstanden oder die Leistung zuerkannt worden ist. Allerdings ist für den hier streitigen Zeitraum davon auszugehen, dass die Verweisungsvorschrift in § 16 Abs 1 S 3 SGB II idF bis 31.7.2006 (danach § 16 Abs 1a SGB II, jetzt § 16 Abs 2 S 1 SGB II) bei Rechtsänderungen im Bereich des SGB II keine entsprechende Anwendung der Übergangsregelung des § 422 SGB III erlaubt(so wohl auch Eicher in Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 16 RdNr 56, 57; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Dezember 2012, K § 16 RdNr 422 ff vgl auch LSG Hamburg, Urteil vom 9.2.2012 - L 4 AS 114/11 - zur Anwendbarkeit des § 422 SGB III im Fall der Änderung des SGB III). Dafür spricht auch die mit Wirkung ab 1.1.2009 eingeführte Übergangsregelung in § 66 Abs 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I 2917). Nach den Gesetzesmaterialien ist es Zweck des § 66 SGB II, der weitgehend mit dem Wortlaut des § 422 SGB III übereinstimmt, "dass unter bestimmten Voraussetzungen für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit bei Rechtsänderungen die bisherigen gesetzlichen Regelungen weiterhin anzuwenden sind"(vgl BT-Drucks 16/10810, S 50).

42

Doch selbst wenn man § 16 Abs 4 SGB II aF - wie das LSG und vom LSG zitierte Kommentar-Literatur(ua Eicher, aaO, § 16 RdNr 248 f) dahingehend zu verstehen hätte, dass die darlehensweise Weitergewährung grundsätzlich nur nachrangig (§ 5 Abs 1, § 9 Abs 1 SGB II) gegenüber Leistungen nach dem SGB III erfolgen kann, ergibt sich daraus kein Anhalt für die Unzumutbarkeit einer weiteren Vertragsbindung für den Beigeladenen.

43

Vielmehr können sich - wie der vorliegende Fall zeigt - auch in grundsätzlich unterschiedlichen Leistungssystemen wie dem SGB II und dem SGB III rechtliche Verzahnungen ergeben, die es notwendig machen, in Einzelfällen abweichend vom Regelfall der darlehensweisen Weitergewährung von Eingliederungsleistungen bei Entfallen der Hilfebedürftigkeit, die angefangene, vertraglich zugesicherte Förderung einer Bildungsmaßnahme bis zu deren Ende als Zuschuss zu erbringen, statt den Leistungsempfänger auf das Leistungssystem des SGB III zu verweisen. Dies bestätigt insbesondere auch die weitere Entwicklung der Vorschrift des § 16 Abs 4 SGB II aF. Denn durch das bereits genannte Gesetz vom 21.12.2008 ist mit Wirkung ab 1.1.2009 die bisherige Regelung in § 16 Abs 4 und 5 SGB II in der neuen Regelung des § 16g Abs 1 SGB II zusammengefasst worden. Danach "kann" eine Maßnahme zur Eingliederung (auch dann) weiter gefördert werden, wenn die Hilfebedürftigkeit der oder des Erwerbsfähigen während dieser Maßnahme entfällt, dies wirtschaftlich erscheint und die oder der Erwerbsfähige die Maßnahme voraussichtlich erfolgreich abschließen wird (S 1). Die Förderung "soll" als Darlehen erbracht werden (S 2). Wie bereits der Gesetzesfassung zu entnehmen ist und die Gesetzesmaterialien verdeutlichen (BT-Drucks 16/10810, S 49 zu § 16g), bezweckt die Neuregelung "den SGB-II-Leistungsträgern im Einzelfall (zu ermöglichen), abweichend vom Regelfall der Darlehensgewährung die Eingliederungsleistungen bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit als Zuschuss zu erbringen".

44

Auch wenn § 16g Abs 1 SGB II erst ab 1.1.2009 gilt, so wird durch die Regelung doch deutlich, dass nicht etwa übergeordnete Gesichtspunkte den Landkreis bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit des Klägers infolge der Rechtsänderung zum 1.6.2006 gezwungen haben, die EinglVb im Hinblick auf § 16 Abs 4 SGB II aF zu kündigen. An der Zumutbarkeit einer weiteren Vertragsbindung über den 1.10.2006 hinaus ändert auch nichts, dass der Landkreis trotz der bindenden Ablehnung der Weiterbewilligung von Alg II ab 1.8.2006 (Bescheid vom 11.8.2006) an der Förderung der Weiterbildungsmaßnahme immerhin bis 30.9.2006 festgehalten hat. Denn auch wenn der Kläger aufgrund der Ablehnung seines Antrags vom 8.8.2006 darüber informiert war, dass er nicht mehr zum Kreis der Alg II-Leistungsberechtigten gehörte, konnte dies nichts an seinem berechtigten Vertrauen auf den Fortbestand der am 16.5.2006 abgeschlossenen EinglVb und auf eine zuschussweise Weiterförderung der Maßnahme ändern, zumal der noch verbleibende Zeitraum bis zu deren Ende am 21.12.2006 relativ kurz war.

45

4. Dem Anspruch auf Restförderung der Weiterbildungsmaßnahme bis zum 21.12.2006 mangels wirksamer Kündigung des Rechtsvorgängers des Beigeladenen steht schließlich auch nicht entgegen, dass der Kläger mit dem Landkreis zur vergleichsweisen Beendigung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens am 9.11.2006 einen Darlehensvertrag über die (restliche) Leistungsgewährung vom 1.10. bis 21.12.2006 abgeschlossen hatte. Denn auf das Darlehensangebot des Landkreises ist der Kläger (im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens) nur deshalb eingegangen, um zunächst die Maßnahme zu Ende führen zu können. Die Tatsache, dass der Kläger im Klageverfahren vor dem SG primär die Feststellung der Verpflichtung des Beigeladenen zur Weiterförderung der Maßnahme bis zum 21.12.2006 im Rahmen der abgeschlossenen EinglVb vom 16.5.2006 als Zuschuss beantragt hat, zeigt, dass er das Darlehen nur bis zur Klärung der Verpflichtung des Beigeladenen (oder hilfsweise der Beklagten) zur Kostenübernahme in Anspruch nehmen wollte, er also zumindest konkludent seinerseits einen Wegfall der Geschäftsgrundlage für den Fall des Erfolgs seiner Feststellungsklage geltend gemacht oder mit der Klage gegen den SGB II-Leistungsträger (zumindest konkludent) die Kündigung des Darlehensvertrags erklärt hat.

46

Die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung und damit die Feststellung, dass der Beigeladene mangels Wirksamkeit der am 19.9.2006 ausgesprochenen Kündigung der EinglVb vom 16.5.2006 die Weiterbildungskosten des Klägers auch für den Zeitraum vom 1.10. bis 21.12.2006 zu tragen hat, hat zur Folge, dass das vom Kläger bereits vollständig zurückgezahlte Darlehen in Höhe von 2408,64 Euro rückabzuwickeln ist und der Beigeladene diesen Betrag an den Kläger zu zahlen hat.

47

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 und 4 SGG.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. Mai 2011 aufgehoben und die Berufung des Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 6. Mai 2009 zurückgewiesen.

Der Beigeladene hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger gegen die beklagte Bundesagentur für Arbeit (BA) oder den beigeladenen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende einen Anspruch auf Restförderung einer am 24.4.2006 begonnenen Weiterbildungsmaßnahme für die Zeit vom 1.10. bis 21.12.2006 hat.

2

Der im Mai 1986 geborene Kläger absolvierte von September 2002 bis Januar 2006 eine Ausbildung zum Werkzeugmacher (Fachrichtung Formbau) und erhielt anschließend Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 18.1.2006 bis zum 16.1.2007 nach einem Leistungssatz in Höhe von 4,70 Euro täglich auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von 9,91 Euro. Daneben bewilligte der Landkreis K. als zuständiger Träger der Grundsicherung dem - damals im Haushalt seiner Eltern lebenden - Kläger als Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaft (aufstockende) Alg II-Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 24.1. bis 31.7.2006 (Bescheid vom 2.2.2006; Änderungsbescheid vom 21.3.2007).

3

Am 16.5.2006 schlossen der Landkreis und der Kläger eine Eingliederungsvereinbarung (EinglVb), in der sich der Kläger ua zur Teilnahme an der Bildungsmaßnahme "CNC-Fachkraft" vom 24.4. bis 21.12.2006 verpflichtete und der Landkreis die Übernahme der Lehrgangskosten sowie die Gewährung von Fahrkosten zusagte.

4

Infolge einer Änderung des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II zum 1.7.2006 durch Gesetz vom 24.3.2006 (BGBl I 558) entfiel die Hilfebedürftigkeit des Klägers, weil nunmehr aus ihm und seinen Eltern eine Bedarfsgemeinschaft zu bilden war, für die insgesamt keine Hilfebedürftigkeit bestand. Daher lehnte der Landkreis den Antrag des Klägers auf Weiterbewilligung von Alg II ab 1.8.2006 bindend ab (Bescheid vom 11.8.2006) und verwies ihn wegen der Restförderung der Weiterbildungsmaßnahme an die Beklagte. Zugleich bot er den Abschluss eines Darlehensvertrags auf Grundlage des § 16 Abs 4 SGB II an. Dies lehnte der Kläger zunächst ab; in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Dresden verfolgte er sein Begehren weiter, Leistungen aufgrund der EinglVb als Zuschuss zu erhalten. Mit Schreiben vom 19.9.2006 kündigte der Landkreis K. die EinglVb mit Wirkung zum 30.9.2006. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren endete am 9.11.2006 mit Vergleich durch den Abschluss des erneut angebotenen Darlehensvertrags, in dem sich ua der Landkreis K. zwecks Weiterfinanzierung der begonnenen Qualifizierungsmaßnahme zur Gewährung eines zinslosen Darlehens in Höhe von 2408,64 Euro verpflichtete. Der Kläger schloss die Maßnahme erfolgreich ab und zahlte vereinbarungsgemäß das Darlehen (ratenweise) zurück.

5

Auf Hinweis des Landkreises hatte der Kläger zuvor bereits bei der Beklagten die Förderung der Weiterbildung für die Zeit vom 1.8. bis 21.12.2006 beantragt, die jedoch weiterhin den Landkreis für zuständig ansah und deshalb den Antrag ablehnte (Bescheid vom 28.9.2006; Widerspruchsbescheid vom 2.2.2007).

6

Gegen den Landkreis K. hat der Kläger am 17.10.2006 Klage auf weitere Förderung erhoben; dieses Verfahren hat das SG ausgesetzt. In dem Klageverfahren gegen die Beklagte hat das SG nach Beiladung des Landkreises Bautzen als Rechtsnachfolger des Landkreises K. mit Urteil vom 6.5.2009 festgestellt, dass der Beigeladene ungeachtet der Kündigung vom 19.9.2006 weiterhin verpflichtet sei, auch für den Zeitraum vom 1.10. bis 21.12.2006 aus der am 10.5.2006 abgeschlossenen EinglVb die Weiterbildungskosten für die Bildungsmaßnahme CNC-Fachkraft als Zuschuss zu übernehmen.

7

Auf die Berufung des Beigeladenen hat das Sächsische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.9.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.2.2007 verurteilt, "an den Kläger für die Kosten seiner Weiterbildung zum CNC-Fräser vom 1. Oktober 2006 bis 21. Dezember 2006 einen Betrag in Höhe von 2408,64 EUR zu zahlen" (Urteil vom 26.5.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die ursprünglich mit dem Landkreis getroffene EinglVb sei wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse durch die am 1.7.2006 in Kraft getretene Neufassung des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II ordnungsgemäß nach § 59 Abs 1 S 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gekündigt worden. Der Kläger habe jedoch seit dem 1.10.2006 einen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Weiterbildungskosten nach § 77 Abs 1 S 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Zwar habe der Kläger vor Beginn der Maßnahme keinen entsprechenden Antrag (§ 323 Abs 1, § 324 Abs 1 S 1 SGB III) bei der Beklagten gestellt. Es liege jedoch ein Fall unbilliger Härte iS des § 324 Abs 1 S 2 SGB III vor, denn infolge der ursprünglich bestehenden Hilfebedürftigkeit sei es ihm nicht möglich gewesen, vor Antritt der Maßnahme mit Aussicht auf Erfolg einen Förderungsantrag bei der Beklagten zu stellen. Eine Beratung des Klägers und eine Prüfung der Maßnahme seien - für die Beklagte bindend - bereits durch den Landkreis durchgeführt worden; von einer Prognoseentscheidung sei die Beklagte entbunden. Das ihr eingeräumte Ermessen sei in der gegebenen Sachverhaltskonstellation auf Null reduziert. Der Umfang der von der Beklagten zu übernehmenden Kosten ergebe sich aus dem Darlehensvertrag.

8

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts (insbesondere § 16g Abs 1 S 1 SGB II§ 16 abs 4 sgb ii in der bis 31.7.2006 gültigen fassung>, § 59 Abs 1 S 1 SGB X). Sie verweist darauf, dass § 16 Abs 4 SGB II in der bis zum 31.7.2006 gültigen Fassung (aF) eine weitere Fördermöglichkeit durch den SGB II-Leistungsträger vorgesehen habe, wenn bereits zwei Drittel der Maßnahme durchgeführt seien und der Erwerbsfähige sie voraussichtlich erfolgreich abschließen werde. Eine (ähnliche) Fördermöglichkeit habe die Vorschrift auch in der Fassung ab 1.8.2006 vorgesehen, wenn die Förderung wirtschaftlich erschien und der Erwerbsfähige die Maßnahme voraussichtlich erfolgreich abschließen werde; gefördert werde dann durch die Gewährung eines Darlehens. Gemäß § 16g Abs 1 SGB II(eingefügt mit Wirkung ab 1.1.2009) könne eine begonnene Maßnahme im Wesentlichen unter denselben Voraussetzungen wie bisher zuschussweise gefördert werden (S 1). Es sei von dem Grundsatz auszugehen, dass der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Grundlage des SGB II der Leistungsträger sei, der eine begonnene Maßnahme (weiter-)fördern solle. Ein Grund, die EinglVb zu kündigen, habe mithin nicht bestanden.

9

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. Mai 2011 aufzuheben und die Berufung des Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 6. Mai 2009 zurückzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. Mai 2011 aufzuheben und die Berufung des Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 6. Mai 2009 zurückzuweisen.

11

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend, will mit dem Hilfsantrag aber sicherstellen, dass - wenn es nicht bei der Verurteilung zur Kostentragung bleiben sollte - jedenfalls nicht er, sondern der Beigeladene die (endgültige) Kostenlast der beruflichen Weiterbildung zu tragen habe.

12

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, geht aber davon aus, dass die Revision keinen Erfolg haben werde. Er hat außerdem den im Streit stehenden und darlehnsweise übernommenen Betrag der Maßnahmekosten in Höhe von 2408,64 Euro im Einzelnen erläutert.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 Sozialgerichtsgesetz). Das Urteil des LSG ist aufzuheben und die Entscheidung des SG wiederherzustellen, weil - wie im Ergebnis erstinstanzlich zu Recht entschieden worden ist - der Beigeladene die Weiterbildungskosten des Klägers auch für den Zeitraum vom 1.10. bis 31.12.2006 als Zuschuss zu übernehmen hat.

14

1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Übernahme der Kosten seiner Weiterbildungsmaßnahme zum CNC-Fräser für die Restzeit vom 1.10. bis zum 21.12.2006 (restliche Maßnahmekosten einschließlich der Fahrkosten zur Bildungsstätte). Da der Beigeladene diese Kosten in Höhe von 2408,64 Euro aufgrund des im einstweiligen Rechtsschutzverfahren geschlossenen Vertrags zunächst als - inzwischen vom Kläger zurückgezahltes - Darlehen erbracht hat, ist das SG bei seiner Entscheidung zutreffend von dem - als Hauptantrag geltend gemachten - Feststellungsbegehren des Klägers ausgegangen, dass der Beigeladene diese Kosten in Form eines Zuschusses - endgültig - zu tragen habe. Dieses Feststellungsurteil ist wiederherzustellen; der Beigeladene ist aufgrund der mit dem Kläger geschlossenen EinglVb verpflichtet, die begonnene Maßnahme bis zu deren Abschluss zu fördern, weil die unter dem 19.9.2006 ausgesprochene Kündigung der Vereinbarung unwirksam war. Nur in diesem Sinn ist auch die Tenorierung im erstinstanzlichen Urteil zu verstehen, wonach der Förderungsanspruch des Klägers "ungeachtet der Kündigung vom 19.9.2006" den Zeitraum vom 1.10. bis 21.12.2006 umfasste. Dies steht auch nicht im Widerspruch zu dem damit gegenstandslos gewordenen Darlehensvertrag vom 9.11.2006 (dazu unter 4).

15

2. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensfehler stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Zwischen dem Kläger, der Beklagten und dem Beigeladenen bestand Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses; denn es war zu klären, welcher Träger die Weiterbildungskosten für die Bildungsmaßnahme CNC-Fachkraft zu übernehmen hat. Damit war - neben der (hilfsweise) gegen die Beklagte erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) - die Feststellungsklage gegen den Beigeladenen (§ 55 Abs 1 Nr 1 SGG) die richtige Klageart (vgl Lorenz, DVBl 1997, 865, 872; Fröhlich, Vertragsstrukturen in der Arbeitsverwaltung, Dissertation 2007, 166). Im Rahmen dieser Feststellungsklage konnte die Verurteilung des Beigeladenen als Leistungsträger nach § 75 Abs 5 SGG erfolgen. Denn der Kostenübernahmeanspruch gegen die Beklagte und gegen den Beigeladenen schließen sich gegenseitig aus und die Klage gegen die Beklagte kann keinen Erfolg haben, weil - wie im Folgenden dargelegt wird - bereits ein vertraglicher Anspruch gegen den Beigeladenen besteht. Kein Hindernis bildete hier auch die anderweitige Rechtshängigkeit der vor dem SG erhobenen Klage (vgl BSG, Urteil vom 19.5.1982 - 11 RA 37/81 - SozR 2200 § 1239 Nr 2; Lüdtke, SGG, 4. Aufl 2012, § 75 RdNr 16).

16

Der Beigeladene ist für die Übernahme der Restförderung der Maßnahme auch sachlich und örtlich zuständig. Denn die EinglVb vom 16.5.2006 ist zwar zwischen dem Landkreis K. und dem Kläger geschlossen worden und auch die Kündigung vom 19.9.2006 hat der Landkreis K. ausgesprochen. Indes ist - wie bereits das LSG zutreffend ausgeführt hat - der Landkreis B. aufgrund des Gesetzes zur Neugliederung des Gebiets der Landkreise des Freistaates Sachsen (Sächsisches Kreisgebiets-Neugliederungsgesetz ) vom 29.1.2008 (SächsGVBl S 102) Rechts- und Funktionsnachfolger ua des Landkreises K. geworden (vgl § 4 Abs 1 und 2 SächsKrGebNG). Der Beigeladene gehört zu den nach § 6a SGB II zugelassenen kommunalen Trägern.

17

3. Der Beigeladene hat die Kosten der Weiterbildungsmaßnahme auch für die Zeit vom 1.10. bis 21.12.2006 zu tragen; denn die am 19.9.2006 ausgesprochene Kündigung der EinglVb vom 16.5.2006 (dazu näher unter a und b) war unwirksam (dazu unter c).

18

a) Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ist die zwischen dem Kläger und dem Landkreis geschlossene EinglVb.

19

Nach § 15 Abs 1 S 1 SGB II soll der Grundsicherungsträger mit jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (EinglVb). Nach der Grundregel des § 15 Abs 1 S 3 SGB II "soll" die Vereinbarung für sechs Monate abgeschlossen werden. Nach der Übergangsvorschrift des § 65 Abs 6 SGB II in der bis zum 31.3.2011 geltenden Fassung gilt § 15 Abs 1 S 2 SGB II(richtig: § 15 Abs 1 S 3 SGB II) für die Zeit bis zum 31.12.2006 mit der Maßgabe, dass die EinglVb für bis zu zwölf Monate geschlossen werden kann (vgl ua Radüge in Schlegel/Voelzke, juris-PK SGB II, 2. Aufl 2007, § 65 RdNr 29).

20

Demgemäß verpflichtete sich der Rechtsvorgänger des Beigeladenen in dieser Vereinbarung - ohne weitere zeitliche Beschränkung - zur Übernahme der für den gesamten Zeitraum der Qualifizierungsmaßnahme vom 24.4. bis 21.12.2006 entstehenden Kosten (Lehrgangskosten und Prüfungsgebühren in Höhe von 4825,60 Euro sowie Fahrkosten bis maximal 260 Euro monatlich) gemäß § 16 Abs 1 S 2 SGB II iVm §§ 77 ff SGB III. Nebenabreden wurden nicht getroffen. Diese Kostenzusage bindet den Beigeladenen und gibt dem Kläger einen Vertragserfüllungsanspruch (vgl ua Müller in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Dezember 2010, K § 15 RdNr 42), wobei die Rechtsqualität der EinglVb hier dahinstehen kann.

21

Ausgehend von der Wortbedeutung "Vereinbarung" liegt es nahe, von einer vertraglichen Abrede auszugehen. Entsprechend qualifiziert die herrschende Meinung der Literatur die EinglVb als öffentlich-rechtlichen Vertrag iS der §§ 53 ff SGB X(Berlit in Münder, SGB II, 3. Aufl 2009, § 15 RdNr 8, mwN; Fuchsloch in Gagel, SGB II/SGB III, Stand Juni 2012, § 15 RdNr 21 f; Lahne in Hohm, Gemeinschaftskommentar zum SGB II, Stand März 2011, § 15 RdNr 11; Löhns in Löhns/Herold/Tews, SGB II, 2. Aufl 2009, § 15 RdNr 5 mwN; Müller in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Dezember 2010, § 15 RdNr 11; Sauer, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2011, § 15 RdNr 6; Sonnhoff in Schlegel/Voelzke, juris-PK SGB II, 2. Aufl 2007, § 15 RdNr 22; Zahn in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe - Teil 1 - Sozialgesetzbuch II, Stand Januar 2011, § 15 RdNr 2), teilweise auch als unechten oder hinkenden Austauschvertrag (vgl Weinreich, SGb 2012, 513 ff, 519; kritisch: Colussi, Problem der EinglVb nach § 15 SGB II, 2010, der einen Vertrag in Frage stellt: Der Hilfebedürftige werde zum Abschluss einerEinglVb gezwungen, weil er bei Nichtabschluss mit einer Leistungskürzung <§ 31 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst b SGB II> rechnen müsse). Aber selbst dann, wenn man die EinglVb als öffentlich-rechtlichen Teilvertrag oder öffentlich-rechtliche Zusatzvereinbarung (so: Stark in Estelmann, SGB II, Stand März 2011, § 15 RdNr 30) oder als normersetzende öffentlich-rechtliche Handlungsform sui generis (so Spellbrink zB in: Das SGB II in der Praxis der Sozialgerichte - Bilanz und Perspektiven 2010, 45 ff) qualifizieren wollte, konnte sich der Rechtsvorgänger des Beigeladenen verpflichtend in dieser rechtlichen Form binden, weil er damit weder gegen ein rechtliches Verbot verstieß noch die ihm eingeräumte Entscheidungskompetenz überstieg oder gar die Verpflichtung zu "rechtlich Unmöglichem" einging (Rechtsgedanke aus § 58 Abs 2 Nr 1 SGB X). Vielmehr hätte der Rechtsvorgänger der Beigeladenen eine gleiche Entscheidung auch durch Verwaltungsakt treffen können, wenn eine EinglVb nicht zustande gekommen wäre (vgl § 15 Abs 1 S 6 SGB II). Dabei kann hier offenbleiben, ob es sich bei dem Abschluss einer EinglVb einerseits und dem Erlass eines eine EinglVb ersetzenden Verwaltungsakts um zwei grundsätzlich gleichwertige Wege handelt oder sich diese beiden Gestaltungsformen in ihren rechtlichen Anforderungen unterscheiden (vgl dazu näher BSGE 104, 185 = SozR 4-4200 § 15 Nr 1 RdNr 15 und 23).

22

Da das SGB II keine Regelungen über das Zustandekommen einer EinglVb enthält, finden gemäß § 40 Abs 1 S 1 SGB II für das Verfahren die Vorschriften des SGB X Anwendung. Mit der überwiegenden Meinung in der Literatur ist der Senat der Ansicht, dass sich Rechtmäßigkeit und Möglichkeit der Auflösung der EinglVb nach den Vorschriften der §§ 53 ff SGB X über den öffentlich-rechtlichen Vertrag richten; geht man von einem öffentlich-rechtlichen Teilvertrag oder einer öffentlich-rechtlichen Handlungsform sui generis aus, bietet sich - mangels anderer Rechtsgrundlagen für solche Handlungsformen - die analoge Anwendung der §§ 53 ff SGB X an.

23

b) Die Wirksamkeit der EinglVb als öffentlich-rechtlicher Vertrag bestimmt sich in ihren Anforderungen nach § 15 Abs 1 S 2 SGB II sowie § 55 SGB X und gemäß § 61 S 2 SGB X ergänzend nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Die für einen Vertragsschluss erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen der Vertragsparteien (§ 61 S 2 SGB X iVm §§ 145 ff BGB) liegen vor; das Schriftformerfordernis des § 56 SGB X wurde eingehalten; es geht um die Erbringung von Ermessensleistungen (§ 53 Abs 2 SGB X: § 16 Abs 1 S 2 SGB II iVm §§ 77 ff SGB III). Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit oder Nichtigkeit der Vereinbarung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehen nicht und sind auch von den Beteiligten nicht geltend gemacht worden (vgl dazu näher Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 58 RdNr 3, 6 und 9).

24

c) Die Rechtswirkungen der EinglVb sind schließlich nicht durch eine wirksame Kündigung beendet worden. Denn die Voraussetzungen für eine solche Kündigung lagen nicht vor.

25

Gemäß § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 59 Abs 1 S 1 SGB X(wortgleich auch § 60 Abs 1 S 1 Verwaltungsverfahrensgesetz) kann eine Partei eines öffentlich-rechtlichen Vertrags diesen kündigen, wenn sich die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesenen Verhältnisse mit Abschluss wesentlich geändert haben (1) und dies zur Folge hat, dass dieser Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist (2), sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist (3). Unabhängig von den formellen Voraussetzungen (ua Schriftform, vgl § 59 Abs 1 S 2 SGB X) sind diese materiellen Voraussetzungen nicht sämtlich erfüllt. Demzufolge ist die Kündigung vom 19.3.2006 unwirksam und hat die EinglVb nicht beendet.

26

aa) Allerdings ist mit der Änderung des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II durch das Gesetz vom 24.3.2006 (BGBl I 558) mit Wirkung zum 1.7.2006 eine wesentliche Veränderung in den für die "Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesenen" Verhältnissen iS von § 59 Abs 1 S 1 SGB X eingetreten.

27

Diese Norm trägt vor dem Hintergrund des ungeschriebenen Gebots "pacta sunt servanda" dem auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) beruhenden Gedanken Rechnung, dass eine Loslösung vom Vertrag ausnahmsweise möglich sein muss, wenn die Bindung für eine Vertragspartei unzumutbar geworden ist. Darauf gründen sich die vor allem im Zivilrecht entwickelten Grundsätze über die Änderung bzw den Wegfall der Geschäftsgrundlage (heute in § 313 BGB ausdrücklich normiert), an die § 59 Abs 1 S 1 SGB X mit der Bezugnahme auf die bei Vertragsschluss maßgebend gewesenen Verhältnisse und deren Auswirkungen auf bestehende Verträge anknüpft. Dabei kann hier offenbleiben, ob § 59 Abs 1 S 1 SGB X eine eigenständige Regelung des Rechtsinstituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage enthält(so ua Sonnhoff in Schlegel/ Voelzke, juris-PK SGB II, 2. Aufl 2007, § 15 RdNr 13 mwN) oder auf die allgemeinen Grundsätze zur Geschäftsgrundlage zurückgegriffen werden kann (vgl Kopp in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl 2008, § 60 Nr 8; Bonk in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 60 RdNr 1 ff; VGH Baden-Württemberg NVwz-RR 2000, 206; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.10.2003 - 9 A 3137/00).

28

Der Senat teilt die Einschätzung des LSG, dass auch ohne ausdrückliche Regelung in der EinglVb jedenfalls ab 1.8.2006 mit Beginn eines neuen Bewilligungsabschnitts (vgl § 41 Abs 1 S 3 und 4 SGB II) eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist (vgl auch Fachliche Hinweise der BA zu § 15 SGB II, Ziff 15.13 zum Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Entfallen der Hilfebedürftigkeit; ebenso Sonnhoff in Schlegel/Voelzke, juris-PK SGB II, 2. Aufl 2007, § 15 RdNr 133). Denn ab diesem Zeitpunkt war der Kläger in Anwendung des ab 1.7.2006 geänderten § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II nicht mehr hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 und Abs 2 SGB II und demgemäß ist sein Antrag auf Alg II vom 8.8.2006 mit (bindendem) Bescheid des Landkreises K. vom 11.8.2006 abgelehnt worden.

29

Die Wesentlichkeit dieser Änderung der Verhältnisse kann auch bei entsprechender Beurteilung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (vgl hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl 2008, § 60 RdNr 8) nicht etwa deshalb in Zweifel gezogen werden, weil sich die tatsächlichen Verhältnisse bei dem Kläger nicht nachhaltig geändert haben und der Landkreis bei Abschluss der EinglVb mit den Rechtsänderungen zum 1.7.2006 rechnen konnte. Denn auch Rechtsänderungen sind im Rahmen von § 59 Abs 1 S 1 SGB X zu berücksichtigen(vgl Kopp/Ramsauer, aaO, § 60 RdNr 9a).

30

Zweifelhaft könnte hier allenfalls sein, ob nach § 59 Abs 1 S 1 SGB X ein Kündigungsrecht auch dann besteht, wenn mit dem späteren Eintreten des Kündigungsgrunds bereits bei Vertragsschluss zu rechnen war(vgl Kopp/Ramsauer, aaO, § 60 RdNr 7 mwN). Die Rechtsänderung zum 1.7.2006 war schon vor Abschluss der EinglVb vom 16.5.2006 absehbar: Sie musste dem Landkreis bzw dem zuständigen Sachbearbeiter bei Abschluss der Vereinbarung bekannt sein; denn das Gesetz zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze vom 24.3.2006 wurde am 30.3.2006 im Bundesgesetzblatt (Nr 14/2006) verkündet. Dass mit dieser Rechtsänderung auch die Leistungsberechtigung des Klägers entfiel, hätte der Landkreis bzw der zuständige Sachbearbeiter ebenso schon bei Abschluss der Vereinbarung erkennen können. Denn bei der erstmaligen Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II im Januar 2006 hatte der Kläger ausweislich der vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten des Beigeladenen die Einkommensverhältnisse seiner Eltern offen gelegt.

31

Letztlich bedarf aber die Frage, ob eine wesentliche Änderung der Verhältnisse vorgelegen hat, keiner weiteren Vertiefung, weil es - wie sogleich unter bb) dargelegt wird - dem Landkreis jedenfalls nicht unzumutbar war, am Vertrag festzuhalten.

32

bb) Nach § 59 Abs 1 S 1 SGB X berechtigt nicht jede wesentliche Änderung der Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, zur Kündigung des Vertrags. Voraussetzung ist vielmehr ua, dass es sich um eine derart wesentliche Änderung handelt, dass dem betroffenen Vertragspartner ein weiteres Festhalten am Vertrag nicht zuzumuten ist. Die Unzumutbarkeit ist ein unbestimmter Gesetzesbegriff und gerichtlich voll überprüfbar (vgl ua Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand Oktober 2009, K § 59 RdNr 64).

33

Hintergrund der gesetzlichen Regelung ist, dass der Grundsatz der Vertragstreue auch im öffentlichen Recht nur ausnahmsweise und allein dann unterbrochen werden darf, wenn dies notwendig ist, um wesentliche, dh untragbare, mit Recht und Gerechtigkeit schlechterdings unvereinbare Ergebnisse im öffentlichen Interesse zu vermeiden (vgl Bonk in Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 60 RdNr 17; Kopp/Ramsauer, aaO, § 60 RdNr 8; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.10.2003 - 9 A 3137/00 - juris). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

34

Nicht zumutbar ist das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung einem Vertragspartner dann, wenn der Rahmen des Risikos überschritten wird, den der Vertragspartner bei Abwägung aller Umstände einschließlich der Interessen des anderen Vertragspartners nach Treu und Glauben hinzunehmen hat. Hiernach scheidet eine Kündigung aus, wenn der Kündigende einerseits das Risiko bestimmter Änderungen bewusst übernommen hat, sein Vertragspartner andererseits aber wesentliche Nachteile für den Fall der Kündigung hinzunehmen hätte. Maßgebend sind die gesamten Umstände des Einzelfalls, wobei eine wichtige Rolle spielt, ob der Kündigende Vorkehrungen gegen die Auswirkungen der Änderungen treffen konnte und welche Bedeutung die Änderung im Verhältnis zum Interesse des Vertragspartners am Inhalt des Vertrags selbst hat (vgl ua Kopp/Ramsauer, aaO, § 60 RdNr 12). Damit genießt (entgegen Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 15 RdNr 33, der sich bei der EinglVb nach § 15 SGB II im Fall einer Änderung der Verhältnisse für eine entsprechende Anwendung der Grundsätze des § 48 Abs 1 SGB X ausspricht) die Partei, die am Vertrag festhalten will, einen höheren Schutz nach § 59 Abs 1 S 1 SGB X als bei einer entsprechenden Anwendung der Grundsätze des § 48 Abs 1 S 1 SGB X(so im Ergebnis auch Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand Oktober 2009, K § 59 RdNr 63 mwN).

35

Dem Rechtsvorgänger des Beigeladenen war das Festhalten am Vertrag nicht unzumutbar. Das Kündigungsschreiben des Landkreises vom 19.9.2006 begründet die Kündigung damit, dass sich mit den gesetzlichen Neuregelungen des SGB II im Fall des Klägers wesentliche Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen ergeben hätten und deshalb dem Landkreis ein Festhalten an der Vereinbarung nicht möglich sei.

36

Dies hält der gerichtlichen Überprüfung jedoch nicht Stand. Denn bei der gebotenen Abwägung der Interessen beider Vertragspartner und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls ist zu berücksichtigen, dass - wie bereits oben ausgeführt - die zum 1.7.2006 bevorstehenden Änderungen des SGB II bereits bei Abschluss der Vereinbarung vom 16.5.2006 bekannt sein mussten. Der Landkreis bzw der zuständige Sachbearbeiter konnte auch bereits damals deren Auswirkungen auf die Leistungsberechtigung des Klägers erkennen. Denn der Kläger lebte im elterlichen Haushalt und ihm waren - solange er als Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaft galt - aufstockende SGB II-Leistungen (in Höhe von 36,00 Euro monatlich) bis zum 31.7.2006 bewilligt worden (Bescheid vom 2.2.2006). Damit war bei Vertragsschluss offenkundig, dass infolge der Änderung des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II zum 1.7.2006 die Hilfebedürftigkeit des Klägers spätestens mit Ablauf des Bewilligungszeitraums ab 1.8.2006 zu verneinen war, weil nunmehr aus ihm und seinen Eltern eine Bedarfsgemeinschaft zu bilden war und deren Einkommen den maßgebenden Bedarf überstieg. Die Einkommensverhältnisse der Eltern des Klägers waren bereits anlässlich der erstmaligen Antragstellung im Januar 2006 offengelegt worden. Dennoch förderte der Landkreis auch über den Termin der Rechtsänderung zum 1.7.2006 und sogar nach Ablauf der Befristung der monatlichen SGB II-Leistungen bis zum 31.7.2006 die Maßnahme weiter. Erst am 19.9.2006 kündigte er die Vereinbarung zum 30.9.2006, wobei der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits rund zwei Drittel der Weiterbildungsmaßnahme absolviert hatte und dem Landkreis ausweislich der vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten der Beklagten bereits bekannt war, dass die Beklagte die Kosten des Lehrgangs nicht übernehmen würde (VerBis-Ausdruck vom 27.9.2006 über Gespräch vom 15.9.2006 sowie hierauf bezugnehmend Schreiben der BA vom 27.9.2006).

37

Vorkehrungen für den absehbaren Wegfall der Förderungsvoraussetzungen hatte der Landkreis nicht getroffen, insbesondere auch die Beklagte nicht als weitere Leistungsträgerin am Verfahren beteiligt (vgl § 12 Abs 2 S 1 SGB X). Das zeitgleich mit dem Kündigungsschreiben vom 19.9.2006 unterbreitete Angebot, die Maßnahme nunmehr in Form eines Darlehens nach § 16 Abs 4 SGB II aF weiter zu fördern, ändert an der nachteiligen Wirkung der Kündigung nichts. Für den Kläger bedeutete das Darlehensangebot, dass er die weiteren Maßnahmekosten letztlich - wie zwischenzeitlich durch vollständige Rückzahlung des Darlehens auch geschehen - selbst zu tragen hatte, ohne dass er darüber bereits bei Abschluss der EinglVb informiert worden wäre.

38

Damit waren die Folgen des Leistungsendes für den Kläger erheblich. Für den Landkreis hat sich demgegenüber allein das Risiko der Leistungserbringung ohne Fortbestand der Hilfebedürftigkeit des Berechtigten verwirklicht, das er selbst gesetzt hatte, indem er es versäumte, die EinglVb inhaltlich auf den schon bei deren Abschluss absehbaren Wegfall der Förderungsvoraussetzungen zum 31.7.2006 durch eine zeitliche Begrenzung bzw entsprechende Nebenbestimmungen abzustimmen.

39

cc) Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall eine nachträgliche Vertragsanpassung von den Vertragsparteien nicht in Betracht gezogen worden ist (s dazu unter 4), ist ein Kündigungsrecht auch nicht deshalb zu bejahen, weil ein Festhalten des Landkreises an der EinglVb bis zum Ablauf der Maßnahme am 21.12.2006 zu untragbaren, mit Recht und Gesetz schlechterdings unvereinbaren Ergebnissen führen würde. So kann es insbesondere nicht als von vornherein systemfremd angesehen werden, wenn ein SGB II-Träger die angefangene Förderung einer Weiterbildungsmaßnahme durch einen Zuschuss auch nach dem Wegfall der Hilfebedürftigkeit des Erwerbsfähigen zu Ende führt. Letzteres folgt insbesondere nicht aus § 16 Abs 4 SGB II in der bis zum 31.7.2006 gültigen Fassung (aF), auf den sich der Beigeladene beruft.

40

Hiernach konnte bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit des Erwerbsfähigen eine Maßnahme zur Eingliederung durch ein Darlehen des SGB II-Leistungsträgers weitergefördert werden, wenn bereits zwei Drittel der Maßnahme durchgeführt sind und der Erwerbsfähige diese voraussichtlich erfolgreich abschließen wird. Die Fassung des § 16 Abs 4 SGB II durch Gesetz vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) verzichtete mit Wirkung ab 1.8.2006 auf das zeitliche Kriterium und verlangte für eine darlehensweise weitere Förderung lediglich noch, dass "dies wirtschaftlich erscheint und der Erwerbsfähige die Maßnahme voraussichtlich erfolgreich abschließen wird".

41

Es ist, betrachtet man die Umstände des vorliegenden Falls, schon fraglich, ob die Vorschrift des § 16 Abs 4 SGB II aF mit dem Tatbestandsmerkmal des "Entfallens" der Hilfebedürftigkeit auch die Änderung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistungsbewilligung nach § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II erfasst oder ob sie nur Fallgestaltungen betrifft, bei denen sich nach Maßnahmebeginn die tatsächlichen Verhältnisse des Leistungsempfängers (beispielsweise durch Vermögenszuwachs) nachhaltig verändern. Dies gilt umso mehr, als im SGB III für Leistungen der aktiven Arbeitsförderung nach dem Grundsatz des § 422 Abs 1 SGB III das Recht maßgebend bleibt, das zu dem Zeitpunkt gilt, in dem der Anspruch entstanden oder die Leistung zuerkannt worden ist. Allerdings ist für den hier streitigen Zeitraum davon auszugehen, dass die Verweisungsvorschrift in § 16 Abs 1 S 3 SGB II idF bis 31.7.2006 (danach § 16 Abs 1a SGB II, jetzt § 16 Abs 2 S 1 SGB II) bei Rechtsänderungen im Bereich des SGB II keine entsprechende Anwendung der Übergangsregelung des § 422 SGB III erlaubt(so wohl auch Eicher in Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 16 RdNr 56, 57; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Dezember 2012, K § 16 RdNr 422 ff vgl auch LSG Hamburg, Urteil vom 9.2.2012 - L 4 AS 114/11 - zur Anwendbarkeit des § 422 SGB III im Fall der Änderung des SGB III). Dafür spricht auch die mit Wirkung ab 1.1.2009 eingeführte Übergangsregelung in § 66 Abs 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I 2917). Nach den Gesetzesmaterialien ist es Zweck des § 66 SGB II, der weitgehend mit dem Wortlaut des § 422 SGB III übereinstimmt, "dass unter bestimmten Voraussetzungen für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit bei Rechtsänderungen die bisherigen gesetzlichen Regelungen weiterhin anzuwenden sind"(vgl BT-Drucks 16/10810, S 50).

42

Doch selbst wenn man § 16 Abs 4 SGB II aF - wie das LSG und vom LSG zitierte Kommentar-Literatur(ua Eicher, aaO, § 16 RdNr 248 f) dahingehend zu verstehen hätte, dass die darlehensweise Weitergewährung grundsätzlich nur nachrangig (§ 5 Abs 1, § 9 Abs 1 SGB II) gegenüber Leistungen nach dem SGB III erfolgen kann, ergibt sich daraus kein Anhalt für die Unzumutbarkeit einer weiteren Vertragsbindung für den Beigeladenen.

43

Vielmehr können sich - wie der vorliegende Fall zeigt - auch in grundsätzlich unterschiedlichen Leistungssystemen wie dem SGB II und dem SGB III rechtliche Verzahnungen ergeben, die es notwendig machen, in Einzelfällen abweichend vom Regelfall der darlehensweisen Weitergewährung von Eingliederungsleistungen bei Entfallen der Hilfebedürftigkeit, die angefangene, vertraglich zugesicherte Förderung einer Bildungsmaßnahme bis zu deren Ende als Zuschuss zu erbringen, statt den Leistungsempfänger auf das Leistungssystem des SGB III zu verweisen. Dies bestätigt insbesondere auch die weitere Entwicklung der Vorschrift des § 16 Abs 4 SGB II aF. Denn durch das bereits genannte Gesetz vom 21.12.2008 ist mit Wirkung ab 1.1.2009 die bisherige Regelung in § 16 Abs 4 und 5 SGB II in der neuen Regelung des § 16g Abs 1 SGB II zusammengefasst worden. Danach "kann" eine Maßnahme zur Eingliederung (auch dann) weiter gefördert werden, wenn die Hilfebedürftigkeit der oder des Erwerbsfähigen während dieser Maßnahme entfällt, dies wirtschaftlich erscheint und die oder der Erwerbsfähige die Maßnahme voraussichtlich erfolgreich abschließen wird (S 1). Die Förderung "soll" als Darlehen erbracht werden (S 2). Wie bereits der Gesetzesfassung zu entnehmen ist und die Gesetzesmaterialien verdeutlichen (BT-Drucks 16/10810, S 49 zu § 16g), bezweckt die Neuregelung "den SGB-II-Leistungsträgern im Einzelfall (zu ermöglichen), abweichend vom Regelfall der Darlehensgewährung die Eingliederungsleistungen bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit als Zuschuss zu erbringen".

44

Auch wenn § 16g Abs 1 SGB II erst ab 1.1.2009 gilt, so wird durch die Regelung doch deutlich, dass nicht etwa übergeordnete Gesichtspunkte den Landkreis bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit des Klägers infolge der Rechtsänderung zum 1.6.2006 gezwungen haben, die EinglVb im Hinblick auf § 16 Abs 4 SGB II aF zu kündigen. An der Zumutbarkeit einer weiteren Vertragsbindung über den 1.10.2006 hinaus ändert auch nichts, dass der Landkreis trotz der bindenden Ablehnung der Weiterbewilligung von Alg II ab 1.8.2006 (Bescheid vom 11.8.2006) an der Förderung der Weiterbildungsmaßnahme immerhin bis 30.9.2006 festgehalten hat. Denn auch wenn der Kläger aufgrund der Ablehnung seines Antrags vom 8.8.2006 darüber informiert war, dass er nicht mehr zum Kreis der Alg II-Leistungsberechtigten gehörte, konnte dies nichts an seinem berechtigten Vertrauen auf den Fortbestand der am 16.5.2006 abgeschlossenen EinglVb und auf eine zuschussweise Weiterförderung der Maßnahme ändern, zumal der noch verbleibende Zeitraum bis zu deren Ende am 21.12.2006 relativ kurz war.

45

4. Dem Anspruch auf Restförderung der Weiterbildungsmaßnahme bis zum 21.12.2006 mangels wirksamer Kündigung des Rechtsvorgängers des Beigeladenen steht schließlich auch nicht entgegen, dass der Kläger mit dem Landkreis zur vergleichsweisen Beendigung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens am 9.11.2006 einen Darlehensvertrag über die (restliche) Leistungsgewährung vom 1.10. bis 21.12.2006 abgeschlossen hatte. Denn auf das Darlehensangebot des Landkreises ist der Kläger (im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens) nur deshalb eingegangen, um zunächst die Maßnahme zu Ende führen zu können. Die Tatsache, dass der Kläger im Klageverfahren vor dem SG primär die Feststellung der Verpflichtung des Beigeladenen zur Weiterförderung der Maßnahme bis zum 21.12.2006 im Rahmen der abgeschlossenen EinglVb vom 16.5.2006 als Zuschuss beantragt hat, zeigt, dass er das Darlehen nur bis zur Klärung der Verpflichtung des Beigeladenen (oder hilfsweise der Beklagten) zur Kostenübernahme in Anspruch nehmen wollte, er also zumindest konkludent seinerseits einen Wegfall der Geschäftsgrundlage für den Fall des Erfolgs seiner Feststellungsklage geltend gemacht oder mit der Klage gegen den SGB II-Leistungsträger (zumindest konkludent) die Kündigung des Darlehensvertrags erklärt hat.

46

Die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung und damit die Feststellung, dass der Beigeladene mangels Wirksamkeit der am 19.9.2006 ausgesprochenen Kündigung der EinglVb vom 16.5.2006 die Weiterbildungskosten des Klägers auch für den Zeitraum vom 1.10. bis 21.12.2006 zu tragen hat, hat zur Folge, dass das vom Kläger bereits vollständig zurückgezahlte Darlehen in Höhe von 2408,64 Euro rückabzuwickeln ist und der Beigeladene diesen Betrag an den Kläger zu zahlen hat.

47

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 und 4 SGG.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.

(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.

(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.