Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 27. Juni 2017 - L 13 R 171/15

bei uns veröffentlicht am27.06.2017
vorgehend
Sozialgericht Landshut, S 12 R 783/11, 24.09.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24.09.2014 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, inwieweit eine von der Beklagten festgestellte Rentennachzahlung dem Kläger zusteht oder an die Beigeladenen zu 1) und 2) im Rahmen eines Erstattungsverfahrens auszuzahlen war.

Der 1941 geborene Kläger bezog von der Beklagten seit 01.07.1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, welche zum 01.09.2006 in die laufende Regelaltersrente umgewandelt wurde.

Von dem Beigeladenen zu 2) bezogen der Kläger und seine Ehefrau W. A. (verheiratet vom ...12.1999 bis ...11.2010) sowie deren Kinder T. A. (geb. 1995) und M. A. (geb. 2001) in der Zeit von 01.11.1999 bis 31.12.2004 Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Laut Aktenvermerk vom 17.06.2009 betrugen die geleisteten Sozialhilfezahlungen für diesen Zeitraum an die Bedarfsgemeinschaft 14.663,15 €. Dabei wurde der Kläger bei der Bedarfsberechnung als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft angesehen, auf Grund eigenen (Renten-)Einkommens erhielt er jedoch persönlich keine Leistungen.

Von dem Beigeladenen zu 1) erhielt die Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) u.a. für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.08.2006, wobei auch hier das Renteneinkommen des Klägers in Höhe von ca. 585,00 € als anrechenbares Einkommen berücksichtigt wurde.

Durch Bescheid vom 20.04.2009 nahm die Beklagte aufgrund Versorgungsausgleichs (Änderung der persönlichen Entgeltpunkte) eine Neufeststellung der Rente des Klägers für die Zeit von 01.07.1998 bis 31.08.2006 vor, wodurch sich dem Grunde nach eine Nachzahlung in Höhe von 19.102,66 € ergab. In diesem Bescheid wurde dem Kläger ferner mitgeteilt, dass die Nachzahlung vorläufig nicht ausbezahlt werde, da zunächst Ansprüche anderer Stellen zu klären wären.

Nach dem der Beigeladene zu 1) und der Beigeladene zu 2) Kenntnis von der Rentennachzahlung erhielten, machten diese jeweils einen Erstattungsanspruch geltend.

Der Erstattungsanspruch des Beigeladenen zu 1) datiert vom 12.06.2009 und wurde mit 3.947,20 € für den Zeitraum 01.01.2005 bis 31.08.2006 beziffert.

Der Erstattungsantrag des Beigeladenen zu 2) datiert vom 17.06.2009 und wurde mit 12.124,83 € für den Zeitraum 01.11.1999 bis 31.12.2014 beziffert.

Unter Berücksichtigung dieser Erstattungsanträge der Beigeladenen gegenüber der Beklagten, rechnete diese mit Bescheid vom 03.07.2009 die Nachzahlung in der Weise ab, dass sie aufgrund der angemeldeten Erstattungsansprüchen dem Beigeladenen zu 2) einen Betrag von 12.124,80 € auszahlte und dem Beigeladenen zu 1) einen Betrag von 3.947,29 €. Den „Restbetrag“ über 3.030,57 € überwies die Beklagte dem Kläger.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 05.07.2010, wandte sich der Kläger an die Beklagte und die Beigeladenen und bat „um Mitteilung, was denn der Rechtsgrund für die Erstattungsansprüche gewesen sein soll“. Der Kläger habe „zu keinem Zeitpunkt in seinem Leben Leistungen der ARGE Grundsicherung oder des Landratsamtes Rottal-Inn erhalten“.

Nachdem der Kläger mit der Beklagten und den Beigeladenen keine Einigung erzielen konnte, hat er Klage zu Sozialgericht Landshut erhoben mit Schriftsatz vom 19.01.2011 gegen den Landkreis (Az.: S 10 SO 1/11) sowie mit Schriftsatz vom 24.01.2011 gegen das Jobcenter (Az.: S 7 AS 67/11).

Auf Grund richterlichen Hinweises, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Anspruch auf Auszahlung der streitgegenständlichen Beträge alleine gegenüber der Rentenversicherung geltend zu machen sei, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13.07.2011 seine Klage gegen den Beigeladenen zu 1) dahingehend erweitert, dass sich diese nunmehr auch gegen die - jetzige - Beklagte richtet. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 18.07.2011 das Verfahren gegen die Beklagte abgetrennt. Diese - abgetrennte - Klage ist Gegenstand des Verfahrens Az.: S 7 R 783/11 geworden. Auf Grund einer Änderung der Geschäftsverteilung beim Sozialgericht wurde das Verfahren dann unter dem Az.: S 12 R 783/11 fortgeführt.

Während des laufen Klageverfahrens hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 11.08.2011 gegen den Abrechnungsbescheid vom 03.07.2009 Widerspruch eingelegt. Mit Schriftsatz vom 22.09.2011 gegenüber dem Sozialgericht hat er ausgeführt, dass es sich bei der Mitteilung der Beklagten vom 03.07.2009 nicht um schlichtes Verwaltungshandeln, sondern um einen Verwaltungsakt handle. Der Widerspruch ist mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.2011 als „verfristet“ und damit unzulässig zurückgewiesen worden.

Mit Schriftsatz vom 14.10.2011 hat der Kläger seine Klage gegenüber der Beklagten dahingehend erweitert, dass zusätzlich auch die Aufhebung des Widerspruchbescheids vom 12.09.2011 beantragt wurde.

Die Klage gegen den Beigeladenen zu 2) hat das Sozialgericht Landshut mit Gerichtsbescheid vom 21.11.2011 Az.: S 10 SO 1/11 als unbegründet abgewiesen. Die vom Kläger hiergegen eingelegte Berufung hat das Bayerische Landessozialgericht durch Urteil vom 17.05.2013 (Az. L 8 SO 222/11) zurückgewiesen.

Mit weiterem Schreiben vom 03.07.2013 hat der Kläger die noch anhängige Klage vor dem Sozialgericht Az.: S 12 R 783/11 gegen die Beklagte dahingehend erweitert, als er nunmehr von der Beklagten - neben dem an den Beigeladenen zu 2) ausbezahlten Betrag auch den für den Beigeladenen zu 1) erstatteten Betrag geltend gemacht hat.

Mit Urteil vom 24.09.2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei als allgemeine Leistungsklage zulässig. Bei der Mitteilung der Abrechnung durch die Beklagte vom 03.07.2009 habe es sich nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt. Die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens sei nicht notwendig gewesen. Die Klage sei jedoch unbegründet, weil es nicht darauf ankommen würde, dass dem Kläger persönlich Leistungen nach dem BSHG, dem SGB XII oder dem SGB II zugeflossen seien. Entscheidend sei alleine, dass Leistungen gegenüber der Bedarfsgemeinschaft erbracht worden seien.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Weder der Beigeladene zu 1) noch der Beigeladene zu 2) hätten einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Kläger geltend gemacht. Auch habe der Kläger von den Beigeladenen persönlich keine Leistungen erhalten. Schließlich würde der Kläger durch die nachträgliche Erstattung zwischen den beteiligten Behörden schlechter gestellt werden, als wenn er die Rente von Anfang an mit erhöhten Betrag ausbezahlt bekommen hätte.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24.09.2014 aufzuheben und die Beklagte - ggf. unter Aufhebung des Bescheides vom 03.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2011 - zu verurteilen, an den Kläger 16.072,39 € zu zuzahlen.

Die Beklagte sowie der Beigeladenen zu 1) und 2) beantragen jeweils,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und Beigeladenen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Auszahlung einer weiteren Rentennachzahlung aus dem Nachzahlungsbescheid der Beklagten vom 20.04.2009 in Höhe von 16.072,39 €. Die Abrechnungsmitteilung der Beklagten vom 03.07.2009 stellt einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - dar. Auf Grund nicht fristgerechter Widerspruchseinlegung ist dieser Abrechnungsbescheid bestandskräftig geworden und bindet die Beteiligten gem. § 77 Sozialgerichtsgesetz - SGG. Das Sozialgericht hat somit im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen, da einem möglichen Auszahlungsanspruch des Klägers der bestandskräftige Abrechnungsbescheid vom 03.07.2009 entgegensteht.

I.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Frage, ob die im Abrechnungsbescheid der Beklagten vom 03.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.09.2011 vorgenommene Einbehaltung von 16.072,09 € aus einer zunächst bewilligten Rentennachzahlung auf Grund geltend gemachter Erstattungsansprüche der Beigeladenen zu 1) und 2) rechtmäßig erfolgte bzw. ob der Kläger einen entsprechenden Nachzahlungsanspruch gegenüber der Beklagten hat. Der Übergang von der allgemeinen Leistungsklage im Verfahren vor dem Sozialgericht zur Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Berufungsverfahren stellt gem. § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG keine Klageänderung dar (vgl. nur Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, 12. Aufl. 2017, § 99 Rn. 4).

II.

Der Kläger verfolgt im Berufungsverfahren sein Rechtsschutzbegehren zu Recht mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gem. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, da die Abrechnung der Rentennachzahlung im Bescheid der Beklagten vom 03.07.2009 eine Regelung beinhaltet und damit einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X darstellt.

Gemäß § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung und andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.

Ob die Erklärung einer Behörde als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, richtet sich danach, wie der Empfänger diese Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles zu deuten hatte. Maßgeblich ist, ob eine solche verständige Würdigung zu dem Ergebnis führt, dass die Behörde mit der fraglichen Erklärung eine - endgültige - Entscheidung zur Regelung eines Einzelfalls, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, treffen wollte (BSG, Urteil vom 30.09.1996 - 10 RKg 20/95 -, juris).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend bei der Abrechnung der Rentennachzahlung erfüllt. Denn damit wird der Verbleib der zunächst gemäß Rentenänderungsbescheid vom 20.04.2009 „vorläufig“ nicht ausgezahlten Nachzahlung geregelt. Aus der Sicht eines verständigen Empfängers ergab sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 03.07.2009 unmissverständlich, dass die Beklagte in Anwendung der Vorgaben des SGB VI und des SGB X dem Kläger persönlich einen Anspruch auf Auszahlung einer Nachzahlung alleine in Höhe von 3.030,57 € zusprechen wollte. Die ausdrückliche Erklärung der Beklagten in dieser Abrechnung vom 03.07.2009, wonach der in Höhe von 3.030,57 € ermittelte „Rentennachzahlungsbetrag auf Ihr Konto überwiesen“ wird, brachte aus der Sicht eines verständigen Empfängers klar und deutlich zum Ausdruck, dass die Beklagte im Ergebnis die verbindliche Entscheidung treffen wollte, dass dieser Teilbetrag dem Versicherten persönlich zustand und auf Grund Eintritt der Erfüllungswirkung kein Anspruch auf einen höhere Leistung bestand. Gerade die Feststellung der Erfüllungswirkung gem. 107 SGB X verlangt die Abklärung und Feststellung der jeweiligen mitunter auch durchaus komplexen tatbestandlichen Voraussetzungen der maßgeblichen normativen Vorgaben.

Die Beklagte hat somit zur Regelung eines Einzelfalles mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen den Auszahlungsanspruch des Klägers der Höhe nach konkretisiert und verbindlich festgestellt. Es handelte sich um eine hoheitliche Maßnahme, also eine einseitige behördliche Handlung, die nur dem Sozialleistungsträger, nicht aber ihren Adressaten, dem Sozialleistungsempfänger, in dieser Form ihrer Art nach zusteht (vgl. zu diesen Kriterien: BSG, Beschluss vom 31.08.2011 - GS 2/10 -, BSGE 109, 81). Im Ergebnis durfte im vorliegenden Verfahren ein verständiger Empfänger das Schreiben vom 03.07.2009 als verbindliche Feststellung (vgl. zu diesem Kriterium BSG, Urteil vom 11.03.2014 - B 11 AL 19/12 R -, SozR 4-4300 § 421g Nr. 5) eines Auszahlungsanspruchs in Höhe von 3.030,57 € verstehen. Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass die Beklagte selbst in dem Schreiben vom 03.07.2009 darauf hingewiesen hat, dass es sich um einen Bescheid handelt. Auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit Schriftsatz vom 22.09.2011 gegenüber dem Sozialgericht ausgeführt, dass es sich bei der Mitteilung der Beklagten vom 03.07.2009 nicht um schlichtes Verwaltungshandeln, sondern um einen Verwaltungsakt gehandelt hat.

Auch die Systematik des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch - SGB VI - spricht für die Annahme eines Verwaltungsaktes. § 117 SGB VI verlangt ausdrücklich eine „Entscheidung“, d.h. eine verbindliche Regelung, über die beantragten Leistungen. Dies bedeutet, dass (Aus-) Zahlungsansprüche (auch für vergangene Zeiträume) in Form eines Verwaltungsakts festzustellen sind. Die Rentenversicherungsträger müssen nach § 117 SGB VI i. V. m. § 37 Satz 1 SGB I über einen (jeden) Anspruch auf Leistung, der gegen sie durch einen Antrag erhoben wird, schriftlich entscheiden, also einen schriftlichen Verwaltungsakt erlassen (BSG, Urteil vom 18. 0.2005 - B 4 RA 21/05 R -, juris). Dieser gesetzlichen Verpflichtung entsprechend hat die Beklagte mit der Verwaltungsentscheidung vom 03.07.2009 verbindlich über den Auszahlungsanspruch des Klägers entschieden. Der Rentenänderungsbescheid vom 20.04.2009 enthielt hierzu keine Regelung sondern lediglich den Hinweis, dass vorläufig nicht ausgezahlt wird, da zunächst die Ansprüche anderer Stellen zu klären waren. Damit wurde erstmals mit Abrechnungsbescheid vom 03.07.2009 im Wege eines vollstreckungsfähigen Bescheids über den konkreten Auszahlungsanspruch des Klägers entschieden.

Schließlich spricht auch die Rechtsprechung des BSG zu vergleichbaren Fallgestaltungen für eine Verwaltungsaktqualität. Das BSG misst Mitteilungen der Rentenversicherungsträger, wonach etwa die Rente aus der deutschen Rentenversicherung nicht in der grundsätzlich festgestellten Höhe, sondern nur um eine ausländische Leistung gemindert zu zahlen ist (BSG, Urteil vom 11.05.2011 - B 5 R 8/10 R -, BSGE 108, 152-158, SozR 4-5050 § 31 Nr. 1, SozR 4-6050 Art. 44 Nr. 1), oder Mitteilungen über das Ausmaß einer sog. Abschmelzung eines Auffüllbetrags (BSG, Urteil vom 20.07.2005 - B 13 RJ 17/04 R -, SozR 4-2600 § 315a Nr. 2) einen Regelungsgehalt im Sinne des§ 31 SGB X bei. Es ist nichts dafür ersichtlich, weshalb die Berechnung der genauen Höhe des dem Versicherten nach Anwendung des § 107 SGB X zustehenden Nachzahlungsbetrags keinen Regelungscharakter haben sollte. Auch ein rechtswegübergreifender Blick bestätigt das vorliegende Ergebnis. So hat z.B. der BFH in der Konstellation des Erstattungsanspruchs des Sozialleistungsträgers beim Bezug von Leistungen nach dem SGB II durch den Kindergeldberechtigten dem Abrechnungsbescheid ebenfalls Verwaltungsaktqualität zugesprochen (vgl. BFH Urteil vom 22.11.2012 - III R 24/11; Beschluss vom 01.04.2014 - XI B 145/13).

III.

Der Abrechnungsbescheid vom 03.07.2009 ist bestandskräftig, da der Kläger nicht fristgerecht Widerspruch gem. § 83 SGG eingelegt hat. Die Beklagte hat damit zu Recht mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.2011 den Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen. Der bestandskräftige Abrechnungsbescheid bindet die Beteiligten gem. § 77 SGG.

Für den Kläger war vorliegend für den am 03.07.2009 ohne Rechtsbehelfsbelehrung:gefertigten Abrechnungsbescheid (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG) gem. § 84 Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. § 66 Abs. 2 SGG die Jahresfrist für die fristgerechte Widerspruchseinlegung eröffnet. Vorliegend greift für den Fristbeginn zwar nicht die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 SGB X, weil sich dem Verwaltungsakt ein Vermerk über die Aufgabe des Bescheids zur Post nicht entnehmen lässt (zur Erforderlichkeit eines solchen Vermerks vgl. Engelmann in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 37 Rn. 12a m.w.N.). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat den Abrechnungsbescheid von diesem aber spätestens im Juli 2010 erhalten. Dies steht zur vollen Überzeugung des Senats auch deshalb fest, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers sich mit Schreiben vom 05.07.2010 an die Beklagte und die Beigeladenen gewandt hat und unter Bezug auf den Abrechnungsbescheid vom 03.07.2009 Auskünfte verlangt hat. Nach dem unstreitigen Vortrag der Beteiligten hat der Kläger jedoch erst mit Schreiben vom 11.08.2011 Widerspruch eingelegt und damit offensichtlich außerhalb der spätestens am 06.07.2010 beginnenden und am 05.07.2011 endenden Jahresfrist gem. § 84 Abs. 2 S. 3 SGG i. V. m. § 66 Abs. 2 SGG. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 05.07.2010 kann auch nicht als Widerspruch gem. §§ 133, 157 BGB ausgelegt werden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes setzt eine Auslegung voraus, dass ein Antrag unklar ist. Erst bei einem unklaren Antrag muss das Gericht und im Verwaltungsverfahren die Behörde klären, was gewollt ist, und darauf hinwirken, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (vgl. BSG, Urteil vom 23.02.2005 - B 6 KA 77/03; BSG, Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 49/AS). Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers, ein Rechtsanwalt, eine Auskunft von den beteiligten Behörden verlangt, auf Grund welcher Rechtsgrundlage die Erstattungsansprüche geltend gemacht wurden. Bei der Vertretung durch einen Rechtskundigen besteht regelmäßig keine Veranlassung, dieses Vorbringen auszulegen. Vorliegend hat sich nicht einmal der Prozessbevollmächtigte selbst darauf berufen, dass das Schreiben vom 05.07.2010 als Widerspruch zu werten sei. Dagegen würde auch sprechen, dass er nach Auskunftserteilung Klagen gegen die Beigeladenen zu 1) und 2) erhoben, jedoch erst nach einem Hinweis des SG mit Schreiben vom 13.07.2011 auch gegenüber der Beklagten einen Auszahlungsanspruch geltend gemacht hat.

Eine Antrag auf Wiedereinsetzung nach den § 67 SGG ist nicht gestellt worden. Im Übrigen sind auch keine Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ersichtlich.

Der somit bestandskräftige Bescheid vom 03.07.2009 steht einem Rückforderungsanspruch des Klägers entgegen.

IV.

Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass gegen den Abrechnungsbescheid vom 03.07.2009 auch materiell-rechtlich keine schwerwiegenden Bedenken bestehen. Vorliegend liegen wirksame Erstattungsansprüche gem. § 104 SGB X der Beigeladenen zu 1) und 2) vor. Damit gilt nach § 107 SGB X der Anspruch des Berechtigten (hier: Kläger) gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger (Beklagten) als erfüllt.

Die Beigeladenen zu 1) und 2) haben im Berufungsverfahren vor dem Senat mit Schriftsätzen vom 02.06.2017 und 14.06.2017 hinreichend dargelegt, wie sich der jeweilige Erstattungsbetrag im Einzelnen zusammensetzt. Bestehende Unsicherheiten wurden beseitigt. Die Erstattungsforderungen wurden vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2017 auch nicht mehr in Frage gestellt. Dem Kläger ist zwar zuzustimmen, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum überwiegend nicht selbst Empfänger von „Grundsicherungsleistungen“ war. Bei einer isolierten Anwendung des § 104 Absatz 1 Satz 1 SGB X käme ein Erstattungsanspruch mangels Personenidentität des Sozialhilfe- bzw. SGB II-Empfängers und des Rentenempfängers somit nicht in Betracht. Die Beigeladenen waren jedoch berechtigt, die an die frühere Ehefrau und an die im streitgegenständlichen Zeitraum minderjährigen Kinder geleistete Sozialhilfe bzw. SGB II-Leistungen als Erstattungsanspruch gegen die Beklagte geltend zu machen. Das für die §§ 102 ff. SGB X grundsätzlich geltende Prinzip der Personenidentität wird in der vorliegenden Konstellation auf Grund der § 104 SGB X ergänzenden Sondervorschriften§ 140 BSHG (ab 1.1.2005 § 114 SGB XII)) und§ 34a SGB II a. F. (ab 01.01.2011 § 34b SGB II) für Mitglieder einer Einsatz- und Bedarfsgemeinschaften durchbrochen.

Aus diesen Gründen ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24.09.2014 zurückzuweisen.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

VI.

Gründe die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 25. Juli 2018 - L 13 R 729/16

bei uns veröffentlicht am 25.07.2018

Tenor I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. August 2016 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 25. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Mai 20

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 24. Okt. 2018 - L 6 R 453/15

bei uns veröffentlicht am 24.10.2018

Tenor 1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 26.08.2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 24.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.06.2013 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet

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(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.

(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.

(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Tenor

Der Leistungsträger darf die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten durchgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegenden Geldleistungen nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt regeln.

Gründe

1

I. Im Streit ist die Berechtigung der Beklagten, Ansprüche der Beigeladenen mit der Altersrente des Klägers durch Verwaltungsakt zu verrechnen.

2

Der Kläger bezieht von der Beklagten seit Oktober 2003 Altersrente. Nachdem die Beigeladene die Beklagte im Oktober 2005 schriftlich zur Verrechnung einer Forderung in Höhe von damals über 53 000 Euro (Erstattung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe sowie Ersatz von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen nebst Mahnkosten) mit Leistungsansprüchen des Klägers gegen die Beklagte ermächtigt hatte, erklärte diese gegenüber dem Kläger nach dessen Anhörung, der Anspruch der Beigeladenen werde "mit dem Anspruch auf Rente in der Weise verrechnet, dass ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt monatlich 436 Euro von der Rentenzahlung einbehalten und an die Beigeladene bis zur Tilgung der Forderung gezahlt" würden (Bescheid vom 21.11.2005; Widerspruchsbescheid vom 13.6.2006).

3

Die Klage hiergegen hatte erst- und zweitinstanzlich insoweit Erfolg, als der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben wurde, weil eine Verrechnung nicht durch Verwaltungsakt habe vorgenommen werden dürfen (Urteil des SG vom 27.7.2007; Urteil des LSG vom 7.2.2008). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Prüfung beschränke sich darauf, ob die Beklagte berechtigt gewesen sei, die Verrechnungserklärung in Form eines Verwaltungsakts abzugeben. Hierfür fehle es an einer gesetzlichen Ermächtigung; weil es sich bei der Verrechnungserklärung in der Sache nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung handele, müsse diese als rechtswidriger "formeller Verwaltungsakt" aufgehoben werden.

4

Der im Revisionsverfahren mit der Sache befasste 13. Senat des BSG beabsichtigt, das Berufungsurteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, sieht sich jedoch hieran durch das Urteil des 4. Senats vom 24.7.2003 (SozR 4-1200 § 52 Nr 1)gehindert, weil er, wenn er seiner Entscheidung die Rechtsauffassung dieses Urteils zugrunde legen würde, die Verrechnung nach § 52 SGB I erfolge nicht durch Verwaltungsakt, die Revision zurückweisen müsse.

5

Auf Anfrage hat der 4. Senat an seiner Rechtsprechung festgehalten (Beschluss vom 22.9.2009); der 13. Senat hat deshalb dem Großen Senat die Rechtsfrage vorgelegt (Beschluss vom 25.2.2010),

        

ob eine Verrechnung nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt zu erklären sei.

6

II. Die Vorlage ist zulässig (§ 41 Abs 2 und 3 SGG); insbesondere ist die vom 13. Senat aufgeworfene Frage bei sachgerechter Auslegung im Ausgangsverfahren entscheidungserheblich.

7

Unabhängig von der Formulierung der Anfrage des 13. Senats scheitert die Bejahung der Entscheidungserheblichkeit nicht bereits daran, dass das Urteil des LSG wegen Verstoßes gegen § 155 Abs 3 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen wäre, weil in der Berufungsinstanz der Vorsitzende als Einzelrichter entschieden, gleichzeitig aber die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt hierin zwar regelmäßig ein absoluter Revisionsgrund (BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, jeweils RdNr 11 ff und 22 f); jedoch rechtfertigen vorliegend besondere Umstände die Entscheidung des Vorsitzenden, sodass die Handhabung des § 155 Abs 3 SGG nicht ermessensfehlerhaft ist(vgl zu solchen Gründen: BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 24 RdNr 11 f; SozR 4-4300 § 53 Nr 4 RdNr 14).

8

Zum einen ist in der vorausgegangenen Anfrage an die Beteiligten, ob einer Entscheidung durch den Vorsitzenden als Einzelrichter zugestimmt werde, bereits ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass "aller Voraussicht nach die Revision zuzulassen sein" werde. Zum anderen hat der für den Senat entscheidende Vorsitzende keine von der Rechtsprechung seines Senats abweichende eigenständige Rechtsprechung begründet, sondern ist vielmehr ausdrücklich jener und der des 4. Senats des BSG gefolgt; die Revision wurde lediglich mit der Erwägung zugelassen, angesichts der zwischen dem 4. und 13. Senat des BSG zu Tage getretenen Unterschiede in der Bewertung der Rechtsnatur der Verrechnungserklärung rasch eine höchstrichterliche Klärung der Streitfrage ermöglichen zu wollen. Dies entzieht den Beteiligten jedenfalls nicht die für die letztverbindliche Entscheidung der Streitfrage zuständigen Richter des BSG, sondern öffnet den Weg zu ihnen in Übereinstimmung mit dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung (vgl hierzu: BSG SozR 4-4300 § 53 Nr 4 RdNr 14; BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, jeweils RdNr 21).

9

Der Klage kann auch nicht das Rechtsschutzinteresse abgesprochen werden (vgl dazu BSG, Urteil vom 16.12.2009 - B 7 AL 43/07 R - RdNr 16). Im Hinblick darauf, dass die Schuld des Klägers gegenüber der Beigeladenen noch nicht insgesamt beglichen ist, haben alle Beteiligten ein berechtigtes Interesse an der Klärung, ob ein Verwaltungsakt hat ergehen dürfen.

10

Die Entscheidung des Großen Senats erfordert indes eine Auslegung der Anfrage des 13. Senats. Sie kann bereits vom Ansatz her und unter Beachtung des Erfordernisses der Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren nicht so umfassend gemeint sein, wie der Wortlaut nahelegen könnte. Eine Divergenz misst sich immer an der zugrundeliegenden Fallgestaltung; darauf fußend kann der 13. Senat nur geklärt wissen wollen, ob bei der konkreten Konstellation für die Verrechnung die Handlungsform des Verwaltungsakts rechtmäßig gewählt wurde. Seine in der Anfrage gewählte Formulierung ("ob eine Verrechnung nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt zu erklären ist") ist vor diesem Hintergrund streitgegenständlich zu konkretisieren.

11

Dies bedeutet, dass eine Antwort bezogen auf den Verrechnenden nur für die einseitige, nicht für die vertraglich zwischen dem Leistungsträger und dem Leistungsempfänger geregelte, Verrechnung verlangt wird; erfasst wird auch nur die Verrechnung mit einer öffentlich-rechtlichen, nicht mit einer privatrechtlichen, Forderung. Auszuklammern sind - bezogen auf den Verrechnungsgegner - zudem die Sachverhaltsvarianten,

        

- dass dieser nicht Inhaber eines Sozialleistungsanspruchs (§ 11 SGB I) ist

        

- oder den Sozialleistungsanspruch im Wege einer Rechtsnachfolge erworben hat.

Es kann deshalb offen bleiben, ob bzw inwieweit die bezeichneten Konstellationen überhaupt von § 52 SGB I erfasst werden. Nicht entscheidungserheblich für das Ausgangsverfahren - deshalb vom 13. Senat zu Recht nicht angefragt - ist außerdem die Rechtsnatur einer Aufrechnung im Sinne des § 51 SGB I bzw sonstiger sozialrechtlicher Vorschriften.

12

Wie der Tenor des Anfragebeschlusses des 13. Senats vom 5.2.2009 gegenüber dem 4. Senat zeigt (nicht Erklärung durch Verwaltungsakt, sondern Ausübung durch verwaltungsrechtliche Willenserklärung), ist das Anliegen des 13. Senats dabei nicht isoliert die Klärung der rechtlichen Qualität der bloßen Erklärung "zu verrechnen", sondern die des Gesamtaktes der Verrechnung. Diese ist in der Praxis nämlich regelmäßig mit (notwendigen) Konkretisierungen der Rechtsfolge (zB Umfang und Beginn) verbunden. Was im Einzelnen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Empfängerhorizonts (vgl dazu: BSGE 67, 104, 110 f = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; vgl auch BSG, Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - RdNr 18) zu verlangen ist, bzw ob die gewählte Formulierung hinreichend bestimmt ist (§ 33 Abs 1 SGB X), um überhaupt einen Verwaltungsakt bzw einen rechtmäßigen Verwaltungsakt annehmen zu können, ist eine Frage der Auslegung im Einzelfall und unterliegt nicht der Beurteilung des Großen Senats.

13

Es ist auch nicht darüber zu befinden, ob das gegenseitige Erlöschen der verrechneten Forderungen ausdrücklich erklärt werden muss oder ob es genügt, dass sich diese Rechtsfolge in entsprechender Anwendung des § 389 BGB aus dem Gesetz ergibt. Ebenso wenig ist zu entscheiden, ob bzw inwieweit trotz ggf rechtswidrigen Verwaltungsakts eine darin enthaltene wirksame Verrechnung durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung zu sehen sein kann (vgl zum Form-Verwaltungsakt: BSG, Urteil vom 16.12.2009 - B 7 AL 43/07 R - RdNr 16; BFHE 157, 8 ff) oder ob sich die Annahme einer Verwaltungsaktqualität und die einer öffentlich-rechtlichen Willenserklärung nicht gegenseitig ausschließen, weil auch die Willenserklärung eine hinreichend konkrete Angabe der gewollten Rechtsfolgen enthalten muss. Die Vorlagefrage ist schließlich unter dem Blickwinkel der Entscheidungserheblichkeit nur dahin zu verstehen, ob eine Verrechnung erklärt werden darf; denn im Ausgangsfall ist die Handlungsform des Verwaltungsakts gewählt worden.

14

Unter diesen Vorgaben und mit den beschriebenen Einschränkungen ist die Anfrage an den Großen Senat im Ausgangsverfahren des 13. Senats entscheidungserheblich. Wäre der Entscheidung des 4. Senats zu folgen, wären die Revisionen der Beklagten und Beigeladenen zurückzuweisen; wäre die Rechtsfrage im Sinne der Anfrage zu entscheiden, müsste der 13. Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, weil es zumindest an erforderlichen Tatsachenfeststellungen für die Beantwortung folgender Rechtsfragen fehlt:

        

-       

Bestehen der von der Beigeladenen gegen den Kläger geltend gemachten Forderungen,

        
        

-       

Pfändbarkeit der Rentenansprüche des Klägers gegen die Beklagte (§ 52 SGB I iVm § 51 Abs 1 SGB I),

        
        

-       

Voraussetzungen des § 51 Abs 2 SGB I (Verrechnung höchstens zur Hälfte; keine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII oder dem SGB II),

        
        

-       

ordnungsgemäße Ausübung des der Beklagten zustehenden Ermessens.

        
15

Geht man vom umschriebenen Verständnis zur Durchführung der einseitigen Verrechnung aus, so kann diese alle Voraussetzungen eines Verwaltungsakts nach § 31 SGB X erfüllen. Die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen liegt schon darin, dass die im Bescheid enthaltene (konkretisierte) Verrechnungserklärung eine unmittelbare Wirkung auf den Auszahlungsanspruch des Berechtigten hat, indem sie diesen, soweit die Verrechnungserklärung reicht, erlöschen lässt (vgl BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 17 f). Dass sich dies bereits aus dem Gesetz (entsprechend § 389 BGB) ergibt, ändert hieran nichts; die Rechtsfolge tritt jedenfalls ohne weiteren Umsetzungsakt ein (vgl zu dieser Voraussetzung BSGE 75, 97, 107 = SozR 3-4100 § 116 Nr 2 S 56; vgl auch BSG SozR 3-2200 § 306 Nr 2 S 7). Das Tatbestandsmerkmal "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" ist erfüllt, weil § 52 SGB I eine spezifische Gestaltung von Beziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern durch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Leistungsträger ermöglicht. Die Erklärung einer Verrechnung nach § 52 SGB I enthält schließlich eine hoheitliche Maßnahme, also eine einseitige behördliche Handlung, die nur dem Sozialleistungsträger, nicht aber ihrem Adressaten, dem Sozialleistungsempfänger, in dieser Form ihrer Art nach zusteht(vgl zu diesem Merkmal nur U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 35 RdNr 104 mwN); dahinstehen kann, ob diesem Gesichtspunkt gegenüber den anderen Voraussetzungen überhaupt ein eigenes Gewicht zukommt.

16

Die Verwaltung bedarf zum Erlass des Verwaltungsaktes keiner über § 52 SGB I hinausgehenden Ermächtigung. Wie für die Aufrechnung (vgl nur: BSGE 64, 17, 22 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 38; BSGE 78, 132, 134 = SozR 3-1200 § 51 Nr 5 S 16) hat das BSG für die Verrechnung (vgl nur: BSGE 64, 17, 22 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 38; BSG SozR 3-1200 § 52 Nr 3 S 32) als besonderer Form der Aufrechnung (BSGE 64, 17, 22 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 38; BSGE 67, 143, 155 f = SozR 3-1200 § 52 Nr 1 S 15; SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 14) lange Zeit mehr oder minder selbstverständlich angenommen, dass die Handlungsform des Verwaltungsakts gewählt werden darf (vgl dazu auch den Vorlagebeschluss des 13. Senats unter RdNr 26); es hat dabei eine unmittelbare Anwendung der §§ 387 ff BGB, die eine Durchführung der Aufrechnung oder der Verrechnung durch (öffentlich-rechtliche) Willenserklärung nahelegen könnten, abgelehnt und stattdessen formuliert, die Vorschriften bzw Grundsätze des BGB seien (nur) entsprechend anwendbar(BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, jeweils RdNr 17; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, jeweils RdNr 11; BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 11 S 55 f; SozR 3-1200 § 52 Nr 1 S 15; SozR 3-1200 § 52 Nr 3 S 32; SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 8 mwN).

17

Die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung eines SGB I (BT-Drucks 7/868, S 22) ist von demselben Verständnis getragen. Darin wird hervorgehoben, die Vorschriften des Dritten Abschnitts des SGB I gingen davon aus, dass die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts, die durch Konkretisierung von Verfassungsnormen und durch entsprechende Anwendung von Regelungen anderer Rechtsgebiete, insbesondere des Bürgerlichen Rechts, von Wissenschaft und Rechtsprechung erarbeitet worden seien, auch in das Sozialrecht (nur) ausstrahlten. Die zivilrechtlichen Normen sind aber von § 52 SGB I die Rechtsnatur der Verrechnung gestaltend überlagert. § 52 SGB I enthält ein spezifisches "Sonderrecht"; eine vergleichbare Regelung, mit der das Erfordernis der Personenidentität für die Gegenseitigkeit der Forderungen aufgehoben wird, ist im öffentlichen Recht ansonsten bzw im Zivilrecht nicht ersichtlich. § 52 SGB I beseitigt damit eine für die Aufrechnung nach §§ 387 ff BGB strukturwesentliche Voraussetzung. Es kann dahinstehen, ob § 52 SGB I allein schon deshalb als Ermächtigungsnorm zum Erlass eines Verwaltungsaktes zu verstehen ist; jedenfalls bedarf die Verwaltung über § 52 SGB I hinaus für ein Handeln durch Verwaltungsakt keiner weiteren (ausdrücklichen) Ermächtigungsgrundlage, weil sich die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts zumindest aus der Systematik des Gesetzes und der Eigenart des Rechtsverhältnisses ergibt(vgl dazu in anderem Zusammenhang: BSG SozR 3-3100 § 62 Nr 4 S 16 mwN; BVerwG, Urteil vom 3.3.2011 - 3 C 19/10).

18

Dies sieht der Gesetzgeber in § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X ebenso; dort ist ein Verzicht auf die Anhörung vor Erlass eines Verwaltungsaktes vorgesehen, wenn gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70 Euro (aufgerechnet oder) verrechnet werden soll. Die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes wird mithin stillschweigend vorausgesetzt. Dem widerspricht nicht, dass der Gesetzgeber in § 42a Abs 2, § 43 Abs 4 SGB II mit Wirkung ab 1.4.2011 expressis verbis den Erlass eines (schriftlichen) Verwaltungsakts für die Aufrechnung vorgeschrieben hat. Abgesehen davon, dass diese Vorschriften inhaltlich für eine Verrechnung keine Bedeutung gewinnen können, sind diese Neuregelungen des SGB II kein Beleg dafür, dass für die Verrechnung eine über § 52 SGB I hinausgehende Ermächtigung erforderlich sein soll.

19

Mit seiner Entscheidung weicht der Große Senat des BSG schließlich nicht von Entscheidungen des BGH (Beschluss vom 22.3.2004 - NotZ 16/03 -, NJW-RR 2004, 1432 ff), des BVerwG (BVerwGE 66, 218 ff; 132, 250 ff) oder des BFH (BFHE 149, 482, 489 f; 178, 306 ff) ab, die bei der einseitigen Ausübung der hier ohnedies nicht streitgegenständlichen Aufrechnung die Rechtsnatur als öffentlich-rechtliche Willenserklärung bestimmen. Die bezeichneten Entscheidungen beruhen auf anderen Rechtsgrundlagen und sind nicht zu den einschlägigen sozialrechtlichen Vorschriften, insbesondere nicht zur Verrechnung nach § 52 SGB I, ergangen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 15. August 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 1000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Vergütung von 1000 Euro aus einem Vermittlungsgutschein.

2

Am 27.5.2010 stellte die Beklagte für die zu diesem Zeitpunkt arbeitslos gemeldete und Arbeitslosengeld (Alg) beziehende Beigeladene einen für die Zeit vom 27.5.2010 bis 25.8.2010 gültigen Vermittlungsgutschein über 2000 Euro nach § 421g Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) aus. Der Vermittlungsgutschein enthielt ua folgende Hinweise: "Der oben angegebene Betrag wird an einen von Ihnen eingeschalteten privaten Vermittler gezahlt, wenn Sie von ihm in ein Beschäftigungsverhältnis vermittelt wurden. Die Zahlung erfolgt in Höhe von 1000 Euro nach einer sechswöchigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses. Der Restbetrag wird gezahlt, wenn das Beschäftigungsverhältnis mindestens sechs Monate gedauert hat. … …Die Vermittlung muss innerhalb der Gültigkeitsdauer erfolgen. Maßgebend ist der Tag, an dem der Arbeitsvertrag geschlossen wird, bei vorheriger mündlicher Einigung oder im Falle einer Einstellungszusage jedoch der Tag der Einigung oder Zusage."

3

Am 30.6.2010 schloss die Beigeladene mit der Klägerin, die ein Unternehmen der privaten Arbeitsvermittlung betreibt und dies als Gegenstand ihres Gewerbes angezeigt hat, einen schriftlichen Arbeitsvermittlungsvertrag, mit dem die Klägerin mit der Vermittlung einer Arbeitsstelle als Produktionshelferin, Kommissioniererin oder Lagerhelferin beauftragt wurde.

4

Am 14.7.2010 kam auf Vermittlung der Klägerin ein Arbeitsvertrag zwischen der Beigeladenen und der K GmbH & Co OHG - bei der die Beigeladene vorher nicht beschäftigt war - für die Zeit vom 19.7. bis 17.12.2010 zustande. Der Arbeitsvertrag sah eine versicherungspflichtige Beschäftigung der Beigeladenen mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich vor.

5

Nachdem die Beigeladene am 19.7.2010 die Beschäftigung aufgenommen hatte, beantragte die Klägerin bei der Beklagten am 7.9.2010 die Auszahlung der ersten Rate des Vermittlungsgutscheins. Sie legte der Beklagten ua den Vermittlungsgutschein, den Vermittlungsvertrag mit der Beigeladenen, die Vermittlungs- und Beschäftigungsbestätigung des Arbeitgebers sowie die Gewerbeanmeldung für die private Arbeitsvermittlung vor.

6

Mit Bescheid vom 9.9.2010 teilte die Beklagte, die bereits im Juli 2010 Kenntnis von einer nicht angezeigten versicherungspflichtigen Beschäftigung der Beigeladenen im Zeitraum 25.4. bis 28.5.2010 erhalten und deshalb der Beigeladenen gegenüber die Bewilligung von Alg mit Wirkung ab 26.4.2010 aufgehoben hatte, der Klägerin mit, dem Antrag auf Auszahlung könne nicht entsprochen werden. Der Arbeitsvertrag sei nicht innerhalb der Gültigkeitsdauer des Vermittlungsgutscheins abgeschlossen worden. Die Gültigkeit sei ua davon abhängig, wie lange ein Anspruch auf Alg bestehe. Der Anspruch der Beigeladenen sei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits erloschen gewesen. Der gegen den Bescheid vom 9.9.2010 erhobene Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 27.9.2010). Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, an die Klägerin 1000 Euro zu zahlen (Gerichtsbescheid vom 17.1.2011, hinsichtlich des Aktivrubrums berichtigt mit Beschluss vom 9.3.2011).

7

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen (Urteil vom 15.8.2012). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Die Voraussetzungen eines Zahlungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 421g SGB III in der hier maßgeblichen Fassung seien erfüllt. Die Beklagte habe der Beigeladenen einen gültigen Vermittlungsgutschein ausgestellt und innerhalb des Gültigkeitszeitraums habe die Klägerin die Beigeladene aufgrund eines schriftlichen Vermittlungsvertrags in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vermittelt. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Gültigkeit des Vermittlungsgutscheins nicht dadurch rückwirkend erloschen, dass die Beklagte gegenüber der Beigeladenen die Bewilligung von Alg mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben habe. Zwar sei dadurch eine der Voraussetzungen für die Erteilung eines Vermittlungsgutscheins entfallen. Um die anhaltende Rechtswirkung des Vermittlungsgutscheins einschließlich des auf ihm beruhenden Zahlungsanspruchs zu beseitigen, habe es aber einer Rücknahme nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) iVm § 330 Abs 2 SGB III oder einer Aufhebung nach § 48 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III bedurft. Bei einem Vermittlungsgutschein handele es sich um einen Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X. Von den Wirkungen eines solchen Verwaltungsakts könne sich die ausstellende Behörde nur unter den Voraussetzungen der §§ 45 ff SGB X lösen. Dies sei vorliegend nicht geschehen.

8

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 31 SGB X. Das LSG vertrete zu Unrecht die Auffassung, dass der Vermittlungsgutschein einen Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X darstelle. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in der Entscheidung vom 6.4.2006 - B 7a AL 56/05 R - die gegenteilige Meinung vertreten. Es habe ausgeführt, dass es sich bei einem Vermittlungsgutschein nicht um eine Zusicherung iS des § 34 SGB X gegenüber dem Vermittler handele, aus der sich dann die Zahlungspflicht der Beklagten ergebe. Damit habe das BSG zugleich die Rechtsauffassung vertreten, ein Vermittlungsgutschein stelle keinen Verwaltungsakt dar. Da es sich nach Auffassung des BSG beim Anspruch des privaten Arbeitsvermittlers gegen die Beklagte ohnehin um einen unmittelbaren öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruch handle, sei die Beklagte der Klägerin gegenüber zur Zahlungsverweigerung auch ohne Aufhebung des Vermittlungsgutscheins berechtigt gewesen. Aus § 421g Abs 1 SGB III, der den Anspruch auf Alg als Voraussetzung für die Erteilung des Vermittlungsgutscheins nenne, folge für den vorliegenden Fall, dass der Zahlungsanspruch der Klägerin nicht mehr bestehe, weil der Alg-Anspruch der Beigeladenen vor Ablauf der im Vermittlungsgutschein angegebenen Gültigkeitsdauer erloschen sei bzw gar nicht vorgelegen habe. Dieser Auffassung stehe nicht entgegen, dass das BSG in der Entscheidung vom 6.5.2008 - B 7/7a AL 8/07 R - ausgeführt habe, die Voraussetzungen für die Erteilung des Vermittlungsgutscheins seien im Rahmen des Abrechnungsverfahrens zwischen Vermittler und Beklagter nicht mehr zu überprüfen; denn weder dem Tatbestand noch den Gründen dieser Entscheidung lasse sich entnehmen, ob bei Ablauf der Gültigkeitsdauer wirklich noch ein Alg-Anspruch bestanden habe oder nicht.

9

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 15. August 2012 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Januar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

11

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Vergütung in Höhe von 1000 Euro hat.

13

Ob der geltend gemachte Zahlungsanspruch besteht, richtet sich nach § 421g SGB III in der Fassung, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, zur Errichtung einer Versorgungsausgleichskasse und anderer Gesetze vom 15.7.2009 (BGBl I 1939) erhalten hat. Danach haben bestimmte Arbeitnehmer Anspruch auf Erteilung eines Vermittlungsgutscheins, mit dem sich die Beklagte nach näherer Maßgabe der Vorschrift verpflichtet, den Vergütungsanspruch eines vom Arbeitnehmer eingeschalteten Vermittlers zu erfüllen, der den Arbeitnehmer in eine versicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich vermittelt hat (Abs 1 S 1 und 4). Der Vermittlungsgutschein gilt für einen Zeitraum von drei Monaten (Abs 1 S 6). Die Vergütung wird in Höhe von 1000 Euro nach einer sechswöchigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses unmittelbar an den Vermittler gezahlt (Abs 2 S 3 und 4).

14

Nach der Rechtsprechung des BSG ist der private Arbeitsvermittler selbst Inhaber des Zahlungsanspruchs, der zunächst einen Vergütungsanspruch gegen den Arbeitnehmer voraussetzt, der sich seinerseits aus einem zivilrechtlichen Vertrag ergibt, dessen Wirksamkeit und nähere Ausgestaltung sich nach den Vorschriften des Bürgerliches Gesetzbuchs (BGB) richtet, wobei diese Vorschriften von öffentlich-rechtlichen Normen überlagert sind (BSG Urteil vom 6.4.2006 - B 7a AL 56/05 R - BSGE 96, 190 = SozR 4-4300 § 421g Nr 1, RdNr 13 ff; Urteil vom 6.5.2008 - B 7/7a AL 8/07 R - BSGE 100, 238 = SozR 4-4300 § 421g Nr 3, RdNr 11; BSG Urteil vom 6.5.2008 - B 7/7a AL 10/07 R - Juris RdNr 11; Urteil vom 23.2.2011 - B 11 AL 10/10 R - Juris RdNr 15; Urteil vom 23.2.2011 - B 11 AL 11/10 R - Juris RdNr 19 ff; vgl auch BGH Urteil vom 18.3.2010 - III ZR 254/09 - NJW 2010, 3222). Der Zahlungsanspruch des Vermittlers gegen die Beklagte hat danach im Wesentlichen folgende Voraussetzungen: Erstens die Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins; zweitens ein wirksamer, vor Beginn der Vermittlungstätigkeit abgeschlossener schriftlicher Vermittlungsvertrag mit daraus resultierendem Zahlungsanspruch des Vermittlers gegen den Arbeitnehmer; drittens innerhalb der Geltungsdauer des Vermittlungsgutscheins die erfolgreiche Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit mindestens 15 Wochenstunden; viertens für die Auszahlung der ersten Rate eine sechswöchige Dauer des Beschäftigungsverhältnisses (vgl BSG aaO).

15

Nach den unangegriffenen und den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist davon auszugehen und auch zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass jeweils unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben die Beklagte der Beigeladenen einen Vermittlungsgutschein ausgestellt hat, dass ein Vermittlungsvertrag zwischen Beigeladener und Klägerin mit daraus folgendem Zahlungsanspruch der Klägerin zustande gekommen ist, dass die Beigeladene innerhalb der im Vermittlungsgutschein angegebenen Geltungsdauer durch die Klägerin erfolgreich vermittelt worden ist und dass das Beschäftigungsverhältnis die erforderliche Mindestdauer erreicht hat. Streitig ist allein, ob das Vorbringen der Beklagten zutrifft, die Gültigkeit des Vermittlungsgutscheins sei vom Bestehen des Anspruchs auf Alg abhängig und sie könne bei Entfallen des Alg-Anspruchs auch ohne Aufhebung des Vermittlungsgutscheins gegenüber dem Vermittler die Zahlung verweigern. Diesem Vorbringen der Beklagten folgt der Senat nicht.

16

Der bisherigen Rechtsprechung des BSG ist bereits zu entnehmen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung des Vermittlungsgutscheins selbst im Abrechnungsverfahren zwischen dem Vermittler und der Beklagten nicht mehr zu überprüfen sind und dass sich der Vermittler auf die im Gutschein selbst angegebene Geltungsdauer verlassen darf (Urteil vom 6.5.2008 - B 7/7a AL 8/07 R - BSGE 100, 238 = SozR 4-4300 § 421g Nr 3, RdNr 17, mit Hinweisen auf Urmersbach in Eicher/Schlegel, SGB III, § 421g RdNr 31, Stand April 2008, und SGb 2006, 144, 151). Der Senat hat außerdem bereits ausgeführt, dass nach Erteilung eines Vermittlungsgutscheins sich die Dauer grundsätzlich nach § 421g Abs 1 S 6 SGB III richtet(drei Monate, vgl Beschlüsse vom 25.10.2012 - B 11 AL 34/12 B - Juris RdNr 4, und vom 26.11.2012 - B 11 AL 65/12 B - Juris RdNr 4) und dass sich aus dem Gesetz keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, der Wegfall eines Alg-Anspruchs habe unmittelbar das Erlöschen der Gültigkeit des Vermittlungsgutscheins zur Folge (Beschluss vom 6.3.2013 - B 11 AL 93/12 B - Juris RdNr 12). Selbst wenn also der Auffassung der Beklagten, der Vermittlungsgutschein stelle keinen Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X dar, zu folgen wäre, ist nicht ersichtlich, welcher Einwand dem gesetzlichen Zahlungsanspruch des Vermittlers entgegengehalten werden könnte. Wäre etwa von einer Schuldübernahme nach Maßgabe der §§ 414 ff BGB auszugehen, so könnte sich die Beklagte ihrer Verpflichtung nur nach einem Rücktritt bzw Abgabe einer rechtsgestaltenden Erklärung entziehen(vgl LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 13.6.2013 - L 9 AL 36/12 - NZS 2013, 835, 837 f). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte jedoch unstreitig im Vermittlungsgutschein eine bestimmte Geltungsdauer unzweifelhaft bezeichnet und auch erläutert und sie hat sich der Klägerin gegenüber erstmals nach Ablauf der angegebenen Geltungsdauer auf das angebliche Entfallen der Gültigkeit berufen.

17

Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen folgt der Senat jedoch der Auffassung des LSG, wonach die Erteilung des Vermittlungsgutscheines im Verhältnis zwischen der BA und dem Arbeitsuchenden einen Verwaltungsakt darstellt. Gemäß § 31 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung und andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Diese Voraussetzungen sind bei der Erteilung des Vermittlungsgutscheins erfüllt. Die Beziehungen zwischen der Beklagten und dem den Vermittlungsgutschein beanspruchenden Arbeitnehmer sind unzweifelhaft öffentlich-rechtlicher Art. Mit Erteilung des Vermittlungsgutscheins wird gegenüber dem Arbeitnehmer verbindlich festgestellt, dass er die Fördervoraussetzungen erfüllt und dass er von seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Vermittler freizustellen ist. Die Erteilung ist also auf die Feststellung eines subjektiven Rechts der Arbeitnehmers gerichtet (vgl BSGE 97, 63, 66 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1), weshalb von einer Einzelfallregelung iS des § 31 S 1 SGB X auszugehen ist(in diesem Sinne auch ua Sächsisches LSG Urteile vom 18.3.2010 - L 3 AL 19/09 - Juris RdNr 31, und vom 26.4.2012 - L 3 AL 255/10 - Juris RdNr 24; Brandts in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl 2010, § 421g RdNr 7).

18

Der Ansicht, es handle sich bei der Erteilung des Vermittlungsgutscheins nur um eine Verfahrenshandlung, die der Vorbereitung der eigentlichen Sachentscheidung diene (Urmersbach in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand Einzelkommentierung Mai 2012, § 421g RdNr 29), ist nicht zu folgen. Denn die Beziehung zwischen der Beklagten und dem Arbeitnehmer einerseits und das Schuldverhältnis zwischen der Beklagten und dem Vermittler andererseits sind zu trennen (vgl BSG Urteil vom 6.4.2006 - B 7a AL 56/05 R - BSGE 96, 190 = SozR 4-4300 § 421g Nr 1, RdNr 16). Die Entscheidung der Beklagten über die Erteilung des Vermittlungsgutscheins entfaltet bereits unmittelbar Rechtswirkungen gegenüber dem Arbeitnehmer. Dieser Entscheidung muss nach dem Sinn der gesetzlichen Regelung - vorbehaltlich einer etwaigen späteren Änderung - für die weitere Abwicklung Verbindlichkeit zukommen. Deswegen kann auch entgegen dem Vorbringen der Revision aus den Ausführungen des BSG, bei dem Vermittlungsgutschein handle es sich nicht um eine Zusicherung iS des § 34 SGB X zugunsten des Vermittlers(BSG aaO RdNr 16), nicht gefolgert werden, im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Arbeitnehmer werde nicht durch Verwaltungsakt entschieden.

19

Dass die Erteilung des Vermittlungsgutscheins gemäß § 421g SGB III einen Verwaltungsakt darstellt, wird bestätigt durch die weitere Rechtsentwicklung(vgl seit 1.4.2012 Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein gemäß § 45 Abs 4 SGB III idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854). Bei der Nachfolgeregelung ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass der Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein eine verbindliche Förderzusage enthält (BT-Drucks 17/6277 S 93; vgl auch Mutschler in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 45 RdNr 23, 24).

20

Liegt somit ein Verwaltungsakt iS des § 31 S 1 SGB X vor, ist die Auffassung des LSG nicht zu beanstanden, dass dieser Verwaltungsakt wirksam bleibt, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen oder aufgehoben worden oder durch Zeitablauf erledigt ist(§ 39 Abs 2 SGB X). Da die Beklagte die Wirksamkeit des Vermittlungsgutscheins nicht beseitigt hat und dem Zahlungsanspruch der Klägerin auch sonstige Einwendungen nicht entgegenhalten kann, bleibt ihr Rechtsmittel ohne Erfolg. Die Frage, ob der Beklagten Ansprüche gegen die Beigeladene auf Rückabwicklung bzw Erstattung zustehen könnten, ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung; die Festsetzung des Streitwerts auf § 197a SGG iVm § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz.

Das Erste und Zehnte Buch gelten für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt; § 68 bleibt unberührt. Der Vorbehalt gilt nicht für die §§ 1 bis 17 und 31 bis 36. Das Zweite Kapitel des Zehnten Buches geht dessen Erstem Kapitel vor, soweit sich die Ermittlung des Sachverhaltes auf Sozialdaten erstreckt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. November 2009 und des Sozialgerichts Koblenz vom 24. März 2009 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt worden ist, dem Kläger die Rente ohne Anwendung des § 31 Abs 1 Fremdrentengesetz ungekürzt auszuzahlen.

Im Übrigen wird die Revision der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid der Beklagten vom 28. April 2008 und der Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2008 hinsichtlich der Ruhensanordnung aufgehoben werden.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Beklagte berechtigt ist, eine Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung unter Berücksichtigung einer fiktiven rumänischen Rente ruhend zu stellen.

2

Der 1945 in Rumänien geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und Inhaber des Vertriebenenausweises A. In Rumänien war er von 1962 bis 1975 unterbrochen von Ausbildungszeiten erwerbstätig. Im August 1975 übersiedelte er in die Bundesrepublik Deutschland.

3

Im Februar 2008 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Altersrente für langjährig Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres. Mit Schreiben vom 7.3.2008 beantragte er gemäß Art 44 VO (EWG) 1408/71 die Verschiebung der Antragsgleichstellung. Die Beklagte teilte ihm darauf mit Schreiben vom 18.3.2008 mit, dass beabsichtigt sei, die ihm aus Rumänien zustehende Rente in deren voraussichtlicher Höhe anzurechnen, auch wenn er diese tatsächlich nicht beziehen sollte. Eine derartige Anrechnung rechtfertige sich aus § 2 FRG iVm § 31 FRG. Der Anrechnungsbetrag sei auf Basis eines rumänischen Rentenpunktes für die Altersrente eines durchgehend beschäftigten Durchschnittsverdieners ermittelt worden und entspreche umgerechnet 33,92 Euro Monatsrente für deckungsgleiche deutsche und rumänische Zeiten nach Art 107 VO (EWG) 574/72.

4

Mit dem als "Mitteilung über die vorläufige Leistung" titulierten Bescheid vom 28.4.2008 gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 1.4.2008 eine Altersrente für langjährig Versicherte. Unter Berücksichtigung der persönlichen Entgeltpunkte (EP) des Klägers, des Rentenartfaktors bei Altersrenten und des aktuellen Rentenwerts setzte die Beklagte die Höhe der Rente auf monatlich 474,41 Euro fest (Anlage 1). Gleichzeitig stellte sie fest, dass die Rente ab 1.5.2008 in Höhe des Bruttobetrags der Leistung aus der ausländischen Sozialversicherung ruhe (Anlage 7). Die Rente mindere sich daher um den zu berücksichtigenden Betrag von 33,92 Euro. Den Widerspruch des Klägers, der sich gegen den Einbehalt dieses Betrags richtete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.7.2008 zurück.

5

Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das SG Koblenz mit Urteil vom 24.3.2009 die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger die Rente ohne Anwendung des § 31 Abs 1 FRG ungekürzt auszuzahlen. Die Berufung der Beklagten hat das LSG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 18.11.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Das SG habe die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger die Rente ohne Anwendung des § 31 Abs 1 FRG ungekürzt auszuzahlen. Die Rechtsnorm biete keine tragfähige Rechtsgrundlage für die sog Fiktivanrechnung. Aus dem Wortlaut der Norm ergebe sich eindeutig, dass das Ruhen eines Teils der deutschen Rente nur für den Fall der tatsächlichen Auszahlung einer ausländischen Leistung angeordnet werde. Dem Kläger werde eine rumänische Rente aber ersichtlich nicht gezahlt. Eine analoge Anwendung des § 31 Abs 1 Satz 1 FRG auf den Fall der Nichtgewährung und Nichtauszahlung einer ausländischen Leistung scheide aus. Eine planwidrige Regelungslücke sei insoweit nicht zu erkennen. Einziger Zweck des § 31 FRG sei es, Doppelleistungen für ein und dieselbe rentenrechtliche Versicherungszeit zu vermeiden. Mehr oder etwas anderes habe der Gesetzgeber nicht erreichen wollen. Ebenso spreche eine Betrachtung der Vorgängerregelung gegen das Vorliegen einer Gesetzeslücke. Nach § 1 Abs 5 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes vom 7.8.1953 (BGBl I 848 ) sei ein Leistungsanspruch nach § 1 Abs 1 erloschen, wenn für denselben Versicherungsfall von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb des Bundesgebiets oder des Landes Berlin eine Leistung "gewährt wird oder auf Antrag gewährt würde". Damals habe das Gesetz eine Fiktivanrechnung ausdrücklich vorgesehen. Dies zeige, dass dem Gesetzgeber die Möglichkeit des Bestehens von Leistungsansprüchen gegen einen ausländischen Versicherungsträger oder eine ausländische andere Stelle bei einer entsprechenden Antragstellung durchaus bewusst gewesen sei. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber nach der Ablösung des FAG durch das FRG jederzeit und vielfach die Möglichkeit gehabt, § 31 Abs 1 Satz 1 FRG zu modifizieren. Dies habe er gleichwohl nicht getan. Hieran seien die Beklagte als öffentlich-rechtlicher Leistungsträger und die Gerichte gebunden. Ebenso wenig könne ein Fiktivabzug einer ausländischen Rente auf § 46 Abs 2 SGB I gestützt werden. Auch könne dem Kläger ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht vorgeworfen werden, da er mit der Aufschiebung der rumänischen Rente ein ihm ausdrücklich eingeräumtes Gestaltungsrecht ausgeübt habe.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 31 Abs 1 Satz 1 FRG. Das Berufungsgericht habe verkannt, dass im Rahmen der Rechtsfortbildung eine analoge Anwendung des § 31 FRG zulässig und geboten sei. Eine planwidrige Regelungslücke liege vor. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 6.8.1986 - 5a RKn 22/85 - BSGE 60, 176 = SozR 2600 § 57 Nr 3) sei eine solche ua dann gegeben, wenn das Schweigen des Gesetzes darauf zurückzuführen sei, dass sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben habe. Dies sei hier der Fall. § 31 FRG müsse im Zusammenhang mit seiner Entstehung und den damaligen Verhältnissen gesehen werden. Zum Zeitpunkt der Schaffung der Norm habe es keine über- bzw zwischenstaatlichen Regelungen gegeben, die den FRG-Berechtigten Ansprüche auf eine ausländische Rente für die im Vertreibungsgebiet zurückgelegten Versicherungszeiten verschafft hätten. Hätten solche Regelungen existiert, hätten sie nach der damaligen Fassung des § 2 FRG zum Verlust der FRG-Zeiten und der darauf beruhenden deutschen Rentenansprüche geführt. Angesichts der damaligen Verhältnisse in den FRG-Herkunftsländern (Abgrenzung gegenüber westlichen Staaten, Diskriminierung von Aus- und Übersiedlern, fehlende Konvertierbarkeit der dortigen Währungen) habe es für die FRG-Berechtigten auch praktisch kaum Möglichkeiten gegeben, ausländische Rentenleistungen zu erhalten. Vor diesem Hintergrund sei es konsequent gewesen, in Ablösung des zuvor geltenden § 1 Abs 5 FAG in § 31 FRG auf "ausgezahlte" Geldleistungen abzustellen. Regelungen für nicht in Anspruch genommene Rentenleistungen seien überflüssig gewesen. Die ursprüngliche Rechtslage habe durch die Ergänzung des § 2 FRG um einen Satz 2 durch das Gesetz vom 18.6.1991 (BGBl II 741) eine wesentliche Änderung erfahren. Danach sei auch bei Anwendung über- bzw zwischenstaatlichen Rechts die Weitergeltung des FRG möglich, wenn die Abkommen entsprechende ausdrückliche Regelungen enthielten. Dies stelle eine Abschwächung der Ausschlussregelung dar, die der Gesetzgeber angesichts des häufig noch deutlich niedrigeren Rentenniveaus in den Herkunftsländern und damit aus Vertrauensschutzgründen getroffen habe. Der Gesetzgeber habe den Vertrauensschutz in Erwartung entsprechender ausländischer Rentenleistungen und der daraus folgenden Anwendung des § 31 FRG eingeräumt. Wenn die Berechtigten weiterhin die Rechtsvorteile des FRG in Anspruch nehmen könnten, sollten die vorrangigen ausländischen Renten angerechnet werden. Die weitere Anwendung des FRG sei insoweit auf den verbleibenden Differenzbetrag beschränkt unabhängig davon, ob die ausländische Rente gezahlt werde oder nicht. Diese Regelungsabsicht komme in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 12/470) deutlich zum Ausdruck. Die Änderung des § 2 FRG habe Auswirkungen auf § 31 FRG. Die Vorschrift betreffe jetzt und insbesondere Fälle des über- und zwischenstaatlichen Rechts. Im Verhältnis zu den EU-Mitgliedstaaten und den Vertragsstaaten - im vorliegenden Fall Rumänien - hätten sich die früher allenfalls theoretischen, aber nicht durchsetzbaren Rentenansprüche nunmehr in rechtlich gesicherte und von den Berechtigten zumutbar realisierbare Ansprüche auf Rentenzahlungen gewandelt. Für den Gesetzgeber sei weder zum Zeitpunkt der Änderung des § 2 FRG noch anlässlich der später abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen absehbar gewesen, dass die FRG-Berechtigten die ihnen zustehenden ausländischen Rentenansprüche nicht in Anspruch nehmen würden. Es habe daher keine Veranlassung bestanden, für solche Fälle eine gesetzliche Regelung zu schaffen.

7

Das Verhalten der FRG-Berechtigten, ihre ausländischen Rentenansprüche ohne sachgerechte Gründe nicht zu realisieren, sei rechtsmissbräuchlich. Das europäische Gemeinschaftsrecht stehe einer Kürzung von Rentenansprüchen nach § 31 FRG bei einem praktisch unbegrenzten Aufschub der Rentenansprüche eines Mitgliedstaates der Europäischen Union zu Lasten eines anderen Mitgliedstaates nicht entgegen. Generell löse ein Rentenantrag im Rahmen des Gemeinschaftsrechts nach Art 44 Abs 2 VO (EWG) 1408/71 in allen Mitgliedstaaten die Feststellung der Rentenansprüche aus. Als Ausnahme von diesem Grundsatz eröffne Satz 2 der Regelung das vom Kläger genutzte Dispositionsrecht, die Feststellung von Ansprüchen bei Leistungen wegen Alters in anderen Mitgliedstaaten aufzuschieben. Entsprechende Bestimmungen enthalte Art 22 Abs 3 des mit Rumänien abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommens vom 8.4.2005. Dem Sinn und Zweck nach sollten mit diesen Regelungen lediglich Nachteile vermieden werden, die durch unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen zur Altersrente in einzelnen Mitgliedstaaten entstehen könnten. Nachteile der genannten Art seien im vorliegenden Fall weder ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden. Ein sachlicher Grund für den Aufschub der rumänischen Rentenleistung sei nicht erkennbar. Er diene allein dazu, die Anwendung des § 31 FRG zu umgehen. Damit erweise sich die Inanspruchnahme des Dispositionsrechts als rechtsmissbräuchlich. Durch diese rechtsmissbräuchliche Verhaltensweise sei eine planwidrige Regelungslücke entstanden, die für den Gesetzgeber nicht vorhersehbar gewesen sei und die folglich im Wege der Analogie geschlossen werden könne.

8

Die Fiktivanrechnung stehe auch im Einklang mit den Grundsätzen des Fremdrentenrechts, das vom Prinzip der Subsidiarität geprägt sei. Aus den Regelungen der §§ 2 und 31 FRG werde deutlich, dass die originären ausländischen Rentenansprüche, die durch über- und zwischenstaatliches Recht auf einer gesicherten rechtlichen Grundlage beruhten, Vorrang vor den versicherungsfremden Leistungen des FRG hätten. Auch das BSG habe im Urteil vom 17.10.2006 (B 5 RJ 21/05 R - SozR 4-5050 § 15 Nr 3 RdNr 27) ausgeführt, dass unabhängig davon, ob man den Entschädigungs- oder den Eingliederungscharakter des Fremdrentenrechts betone, es immer noch das Grundanliegen des Fremdrentenrechts sei, Nachteile in der gesetzlichen Rentenversicherung von Personen abzuwehren, denen die Realisierung ihrer in der früheren Heimat erarbeiteten Rentenanwartschaften von Deutschland aus abgeschnitten sei.

9

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. November 2009 und des Sozialgerichts Koblenz vom 24. März 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. November 2009 zurückzuweisen.

11

Er hält die vorinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend. Ergänzend weist der Kläger darauf hin, dass Rumänien jahrelang nach Schaffung des Abkommens bzw Anwendung der VO (EWG) 1408/71 und insbesondere bei Erlass des angefochtenen Bescheids keinerlei Zahlungen nach Deutschland erbracht habe.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist insoweit begründet, als die Beklagte auf die Leistungsklage des Klägers zur Auszahlung der ungekürzten Rente verurteilt worden ist. Soweit sich die Revision gegen die teilweise Aufhebung der angefochtenen Bescheide richtet, ist sie hingegen unbegründet.

13

Der als "Mitteilung über die vorläufige Leistung" titulierte Bescheid vom 28.4.2008 enthält mehrere Verwaltungsakte iS von § 31 SGB X, die jeweils selbstständig angefochten werden bzw in Bindung erwachsen können; dies sind die Entscheidungen über Rentenart, Rentenhöhe, Rentenbeginn und Rentendauer (vgl hierzu BSG SozR 3-2600 § 300 Nr 7 S 26) sowie die Anordnung, dass der monatliche Zahlbetrag der Rente in Höhe des Bruttobetrages der Leistung aus der ausländischen Sozialversicherung ab 1.5.2008 ruht. Hiermit hat die Beklagte die Regelung getroffen, dass die Rente aus der deutschen Rentenversicherung nicht in der festgestellten Höhe von monatlich 474,41 Euro, sondern um die ausländische Leistung gemindert zu zahlen ist. Der Kläger hat den Bescheid vom 28.4.2008 angegriffen, soweit mit diesem eine fiktive rumänische Rente von monatlich 33,92 Euro angerechnet wird. Die Anfechtung des Klägers beschränkt sich damit auf die ihn belastende Ruhensanordnung.

14

Die Anfechtungsklage im dargelegten Umfang ist zulässig.

15

Der Zulässigkeit der Klage steht nicht Art 45 Abs 4 VO (EWG) 574/72 entgegen, nach dem der zur Zahlung der Leistung verpflichtete Träger den Antragsteller darauf aufmerksam macht, dass die Leistung vorläufiger Art ist und nicht angefochten werden kann.

16

Zum einen ist die VO (EWG) 574/72 durch Art 96 Abs 1 Satz 1 VO (EG) 987/2009 mit Wirkung vom 1.5.2010 aufgehoben worden und deren durch Art 96 Abs 1 Satz 2 VO (EG) 987/2009 angeordnete partielle Weitergeltung für bestimmte, im Einzelnen aufgeführte Zwecke (Buchst a bis c) hier nicht einschlägig. Damit kann sich die VO (EWG) 574/72 auf die Prozessvoraussetzungen, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen müssen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008 vor § 51 RdNr 20), ohnehin nicht mehr auswirken. Abgesehen davon ist Art 45 Abs 4 VO (EWG) 574/72 nicht dahin zu verstehen, dass er den gerichtlichen Rechtsschutz einschränkt, soweit eine Überprüfung des angefochtenen Verwaltungsakts auf seine Vereinbarkeit mit nationalem Recht begehrt wird (vgl EuGH Urteil vom 14.2.1980 - C 53/79). Im vorliegenden Fall geht es aber ausschließlich um die Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung nach § 31 FRG.

17

Die Geltendmachung eines Anspruchs auf Verurteilung der Beklagten zur Auszahlung der ungekürzten Altersrente neben der Anfechtung der Bescheide ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen vom Begehren des Klägers (§ 123 SGG) nicht mitumfasst. Denn bereits bei Aufhebung der Ruhensanordnung entfällt die Rechtsgrundlage dafür, dem monatlichen Rentenanspruch des Klägers einen Minderungsbetrag von 33,92 Euro entgegenzuhalten und die bestandskräftig festgestellte Rente in Höhe von monatlich 474,41 Euro insoweit nur gekürzt zu zahlen.

18

Die Anfechtungsklage ist begründet. Die Ruhensanordnung im Bescheid vom 28.4.2008 ist rechtswidrig.

19

§ 31 Abs 1 Satz 1 FRG rechtfertigt weder unmittelbar noch im Wege zulässiger Rechtsfortbildung ein teilweises Ruhen der dem Kläger gewährten Rente. Ebenso wenig sind sonstige Rechtsgrundlagen ersichtlich, nach denen sich die Kürzung des monatlichen Rentenzahlbetrags um eine fiktive rumänische Rente als rechtmäßig erweist.

20

Wird dem Berechtigten von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland für die nach Bundesrecht anzurechnenden Zeiten eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder an Stelle einer solchen eine andere Leistung gewährt, so ruht gemäß § 31 Abs 1 Satz 1 FRG die Rente in Höhe des in Euro umgerechneten Betrags, der als Leistung des Trägers der Sozialversicherung oder der anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt wird.

21

Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung für das Ruhen der deutschen Rente, dass der Versicherte von einer Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland eine Rente oder andere Leistung erhält. Der Begriff "ausgezahlt" stellt zweifelsfrei auf die tatsächliche Gewährung der ausländischen Rente ab (so auch Hoernigk/Jahn/Wickenhagen/Aulmann, Kommentar zum FRG, Juli 1988, § 31 RdNr 6). Diesem Verständnis entsprechen Sinn und Zweck der Vorschrift. Diese dienen der Vermeidung von Doppelleistungen (BT-Drucks 3/1109 Begründung zu §§ 11, 31, FRG; BSGE 43, 274, 277; BSG Breithaupt 1977, 476, 478). Eine Doppelleistung liegt aber schon nach allgemeinem Sprachverständnis nur vor, wenn der Betroffene die Leistung tatsächlich zweifach erhält. Dieses Auslegungsergebnis wird entstehungsgeschichtlich durch die Vorgängerregelung des § 31 Abs 1 Satz 1 FRG bestätigt. Nach § 1 Abs 5 FAG erlosch der Leistungsanspruch nach Abs 1, wenn für denselben Versicherungsfall von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb des Bundesgebiets und des Landes Berlin eine Leistung gewährt wird oder "auf Antrag gewährt würde". Dass § 31 Abs 1 Satz 1 FRG diese Fallkonstellation nicht als zweiten Ruhenstatbestand aufführt, spricht dafür, dass die Vorschrift nur auf wirklich erbrachte Leistungen abstellt.

22

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 31 Abs 1 Satz 1 FRG auch nicht im Wege der Rechtsfortbildung auf den Fall anwendbar, dass eine ausländische Rente auf Antrag gewährt würde. Eine bewusste oder unbewusste Gesetzeslücke ist insoweit nicht feststellbar.

23

Nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2500 § 38 Nr 1 S 3 mwN) ist der Richter zur Ausfüllung einer Gesetzeslücke dort berufen, wo das Gesetz mit Absicht schweigt, weil es der Rechtsprechung überlassen wollte, das Recht zu finden, oder das Schweigen des Gesetzes auf einem Versehen oder darauf beruht, dass sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hat. Die analoge Anwendung des Gesetzes auf gesetzlich nicht umfasste Sachverhalte ist dann geboten, wenn auch der nicht geregelte Fall nach der Regelungsabsicht des Gesetzgebers wegen der Gleichheit der zu Grunde liegenden Interessenlage hätte einbezogen werden müssen.

24

Ein absichtliches oder versehentliches Schweigen des Gesetzgebers ist angesichts der beschriebenen Entstehungsgeschichte des § 31 Abs 1 Satz 1 FRG sowie dessen Sinn und Zweck auszuschließen. Vielmehr hat der Gesetzgeber bewusst ein Ruhen der deutschen Rente an die tatsächliche Gewährung der ausländischen Rente geknüpft, da er Doppelleistungen verhindern wollte. Angesichts dessen war es folgerichtig, die fiktive Leistung einer ausländischen Rente nicht als zweiten Ruhenstatbestand aus der Vorgängerregelung zu übernehmen.

25

Ebenso wenig ist nachträglich auf Grund einer Veränderung des nationalen Rechts oder der politischen und rechtlichen Verhältnisse in Europa eine planwidrige Gesetzeslücke entstanden. Dabei kann dahinstehen, ob heute im Unterschied zu früheren Zeiten Renten aus den ehemaligen Ostblockstaaten problemlos in die Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt werden. Selbst wenn dies zuträfe, ist nicht erkennbar, dass nach der gesetzgeberischen Absicht in diesem Fall eine Anrechnung solcher Auslandsrenten gewollt ist, die nach ausländischem Recht "auf Antrag gewährt würden".

26

Die Entstehung einer entsprechenden Regelungslücke in § 31 Abs 1 FRG infolge der Einfügung des Satzes 2 in § 2 FRG durch das Gesetz zu dem Abkommen vom 8.12.1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit vom 18.6.1991 (BGBl 1991 II 741) ist nicht feststellbar. Zwar ist mit dieser Bestimmung die Anwendung des FRG und damit die Gewährung von FRG-Renten auch bei Vorhandensein zwischenstaatlicher Abkommen ermöglicht worden, soweit diese entsprechende Regelungen enthalten. Hieraus lässt sich jedoch eine versehentlich unterbliebene Neugestaltung des § 31 FRG nicht ableiten.

27

In der Begründung zum Entwurf des Vertragsgesetzes vom 18.6.1991 wird darauf hingewiesen, dass die Ergänzung für Aussiedler die Gewährung einer Rente nach dem FRG ermöglicht, auf die allerdings eine polnische Exportrente anzurechnen ist. Im Ergebnis werde die polnische Rentenleistung auf das Niveau des FRG aufgestockt (BT-Drucks 12/470 und BR-Drucks 162/91 beide S 7 Erl zu Art 5). Anders als die Beklagte versteht der erkennende Senat diese Erläuterung als Bekräftigung dafür, dass weiterhin nur tatsächlich nach Deutschland gezahlte Renten auf die deutsche Rente anzurechnen sind. Denn Ausführungen zu nunmehr möglich gewordenen Exportrenten und dadurch veränderten Bedingungen der Anrechenbarkeit enthält die Begründung nicht. Vielmehr weist diese im Weiteren darauf hin, dass die Notwendigkeit einer Anpassung des Fremdrentenrechts an die sich verändernden Verhältnisse zwischen Ost und West hiervon unberührt bleibt. Diese Erklärungen machen ein vorhandenes Bewusstsein um die Notwendigkeit gesetzlicher Neuregelungen wegen der geänderten Lage in Europa deutlich. Dass gleichwohl eine Änderung des § 31 Abs 1 FRG nicht erfolgt ist, zeigt, dass insoweit kein Handlungsbedarf gesehen wurde.

28

Ein solcher ist auch im Kontext europarechtlicher Vorschriften und zwischenstaatlicher Abkommen nicht erkennbar. Dass Versicherte in mehreren Staaten Ansprüche auf gleiche oder vergleichbare Leistungen haben können, die von einem Antrag abhängig sind, hat das europäische bzw zwischenstaatliche Recht gesehen und im Sinne einer Vereinheitlichung der Antragstellung geregelt.

29

Bereits Art 44 Abs 2 Satz 1 der zwischenzeitlich außer Kraft getretenen VO (EWG) 1408/71 bestimmt, dass der Rentenantrag in einem Mitgliedstaat grundsätzlich das Leistungsfeststellungsverfahren in allen Mitgliedstaaten auslöst, in denen Versicherungszeiten zurückgelegt sind. Art 44 Abs 2 Satz 2 VO (EWG) 1408/71 durchbricht diesen Grundsatz, indem er auf ausdrücklichen Antrag des Betroffenen das Aufschieben der Feststellung von Ansprüchen auf Leistungen bei Alter in einem Mitgliedstaat zulässt. Entsprechende Regelungen enthält Art 50 Abs 1 der am 1.5.2010 in Kraft getretenen VO (EG) 883/2004. Art 44 Abs 2 VO (EWG) 1408/71 und Art 50 Abs 1 VO (EG) 883/2004 begründen damit grundsätzlich die europaweite Wirkung der Antragstellung in einem Mitgliedstaat. Abgesehen von der Ausnahmeregelung für Leistungen bei Alter gilt der Grundsatz der europaweiten Wirkung der Rentenantragsstellung auch für den Berechtigten zwingend (Schuler in Fuchs, Kommentar zum Europäischen Sozialrecht, 4. Aufl 2005, Art 44 VO 1408/71 RdNr 6; Schuler in Fuchs, Kommentar zum Europäischen Sozialrecht, 5. Aufl 2010, Art 50 VO 883/2004 RdNr 6). Im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Rumänien finden sich vergleichbare Regelungen in Art 22 Abs 3 des Abkommens dieser Staaten über Soziale Sicherheit vom 8.4.2005 (BGBl 2006 II 164).

30

Angesichts dieser Bestimmungen kann ein Versicherter durch eine unterlassene Antragstellung eine Rentenleistung aus Rumänien bzw einem anderen Mitgliedstaat der EU grundsätzlich nicht verhindern. Eine fiktive Rente, die auf Antrag geleistet würde, kann es insoweit nicht geben. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Anrechnungsvorschrift für eine fiktive Rente und ist eine entsprechende Regelungslücke in § 31 FRG nicht ersichtlich. Dies gilt auch hinsichtlich der Altersrenten. Zwar kann der Versicherte hier die Antragswirkung begrenzen, dies allerdings kraft ausdrücklicher gesetzlicher Erlaubnis. Ist dem Versicherten aber ausdrücklich gestattet, die bilaterale bzw europaweite Wirkung des Rentenantrags einzuschränken und damit eine bestimmte Rentenleistung aus Rumänien oder einem anderen Mitgliedstaat der EU nicht in Anspruch zu nehmen, wäre es im Kontext des zwischenstaatlichen bzw europäischen Rechts widersprüchlich, ihn bei Bezug der deutschen Rente zu seinem Nachteil doch so zu stellen, als würde er die ausländische Rente erhalten.

31

Eine Gesetzeslücke kann schließlich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht durch eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des in Art 44 Abs 2 Satz 2 VO (EWG) 1408/71 bzw Art 50 Abs 1 Halbs 2 VO (EG) 883/2004 eingeräumten Dispositionsrechts entstehen. Die Möglichkeit des Missbrauchs im Einzelfall kann den Regelungsgehalt einer abstrakten Rechtsnorm nicht bestimmen. Einem Missbrauch im Einzelfall ist vielmehr dadurch zu begegnen, dass geprüft wird, ob die begehrte Leistung nach dem auch im Sozialrecht anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ganz oder teilweise zu versagen ist(vgl BSG SozR 4-2600 § 10 Nr 2 RdNr 26 mwN).

32

Der Beklagten ist zuzugestehen, dass bei dem hier vertretenen Verständnis zum Anwendungsbereich des § 31 Abs 1 Satz 1 FRG dem auch vom Senat betonten Grundanliegen des Fremdrentenrechts, Nachteile in der gesetzlichen Rentenversicherung von Personen abzuwehren, denen die Realisierung ihrer in der früheren Heimat erarbeiteten Rentenanwartschaften von Deutschland aus abgeschnitten ist(Urteil vom 17.10.2006 - B 5 RJ 21/05 R - SozR 4-5050 § 15 Nr 3 RdNr 27),nicht Rechnung getragen wird, wenn unterstellt wird, dass Renten aus Rumänien mittlerweile problemlos in die Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt werden. Dies vermag das gefundene Ergebnis jedoch nicht in Frage zu stellen. Denn dieses Grundanliegen ist in § 31 Abs 1 Satz 1 FRG insbesondere vor dem Hintergrund europarechtlicher Vorschriften nicht umgesetzt worden.

33

Sonstige Rechtsgrundlagen, die eine Ruhendstellung der deutschen Rente und damit eine Minderung des monatlichen Rentenzahlbetrages rechtfertigen, bestehen ebenfalls nicht.

34

Der Anwendungsbereich des § 46 SGB I ist nicht eröffnet.

35

Nach § 46 Abs 2 SGB I ist der Verzicht auf Ansprüche auf Sozialleistungen unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden. Der Anspruch des Klägers auf eine rumänische Altersrente ist kein Anspruch auf eine Sozialleistung iS des § 46 SGB I. Diese Vorschrift bezieht sich auf Sozialleistungen iS von § 11 Abs 1 SGB I(BSG SozR 4-1200 § 46 Nr 1 RdNr 10), zu denen im SGB vorgesehene Dienst-, Sach- und Geldleistungen gehören. Auf Ansprüche aus Sicherungssystemen, die außerhalb dieses Gesetzbuches existieren, ist § 46 SGB I nicht anwendbar.

36

Die Kürzung des Rentenanspruchs des Klägers um eine fiktive rumänische Rente erweist sich schließlich ebenfalls nicht unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB als rechtmäßig.

37

Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung für den Bereich des Sozialrechts entschieden, dass sich auch hier die Ausübung einer an sich gegebenen Rechtsmacht als unzulässige Rechtsausübung darstellt, wenn sie nicht mehr im Rahmen der rechtsethischen und sozialen Funktion des Rechts liegt (BSG SozR 2200 § 315a Nr 7 S 18 mwN).

38

Es ist nicht erkennbar, dass der Kläger den Antrag auf Aufschiebung der Feststellung seines in Rumänien erworbenen Anspruchs auf Altersrente rechtsmissbräuchlich gestellt hat. Von einem Rechtsmissbrauch könnte nur dann gesprochen werden, wenn der Kläger von dem ihm gesetzlich eingeräumten Aufschubrecht bewusst einen ausschließlich funktionswidrigen Gebrauch gemacht hätte (BSG aaO). Dies wiederum setzt voraus, dass die Ausübung des Aufschubrechts gesetzlich bestimmten Einschränkungen unterliegt bzw das Recht nur zu bestimmten Zwecken ausgeübt werden darf. Weder Art 22 Abs 3 des Abkommens vom 8.4.2005 noch Art 44 Abs 2 VO (EWG) 1408/71 oder Art 50 Abs 1 VO (EG) 883/2004 führen die dem Aufschubrecht von der Beklagten beigemessene oder eine andere Zweckbindung auf und enthalten hierfür auch keine ausreichenden Anhaltspunkte.

39

Dass die Anrechnung einer fiktiven rumänischen Rente unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zulässig ist, wird zudem durch die fehlende Existenz einer Rechtsgrundlage für die Berechnung einer fiktiven Rente bestätigt.

40

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt.

(2) Hat der Berechtigte Ansprüche gegen mehrere Leistungsträger, gilt der Anspruch als erfüllt, den der Träger, der die Sozialleistung erbracht hat, bestimmt. Die Bestimmung ist dem Berechtigten gegenüber unverzüglich vorzunehmen und den übrigen Leistungsträgern mitzuteilen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bezog vom Jobcenter, dem Beigeladenen und Revisionskläger (Beigeladener), im streitigen Zeitraum (August 2008 bis Januar 2009) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur Bestreitung der Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Leistungen beliefen sich auf monatlich 1.414,69 € (August 2008) und 1.425,69 € (ab September 2008). Zur Bedarfsgemeinschaft gehörten auch die Ehefrau des Klägers sowie die gemeinsame Tochter. Der im Juli 1989 geborene Sohn (S) des Klägers lebte im streitigen Zeitraum in einer eigenen Wohnung. Auch S erhielt Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II. Bei der Berechnung der Höhe der Leistungen nach dem SGB II für den Kläger berücksichtigte der Beigeladene im Streitzeitraum das Kindergeld für die Tochter als Einkommen des Klägers, nicht aber den Anspruch auf Kindergeld für S.

2

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) setzte gegenüber dem Kläger Kindergeld für S durch Bescheid vom 26. Januar 2009 ab August 2008 fest. Da der Beigeladene einen Erstattungsanspruch geltend gemacht hatte, stellte sie darüber hinaus in dem Bescheid fest, dass der Anspruch des Klägers auf Kindergeld für S für die Zeit von August 2008 bis Januar 2009 in Höhe von 934 € erfüllt sei. Ab Februar 2009 zahlte die Familienkasse das Kindergeld für S an den Kläger aus.

3

Gegen den Abrechnungsbescheid wandte sich der Kläger mit seinem Einspruch. Die Familienkasse wies den Rechtsbehelf als unbegründet zurück.

4

Im anschließenden Klageverfahren hob das Finanzgericht (FG), das den Beigeladenen am Verfahren beteiligt hatte, den Abrechnungsbescheid sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung auf (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1174). Es war der Ansicht, dass in den Fällen, in denen das Kind eines Hilfeempfängers in einem eigenen Haushalt lebe, das Kindergeld nur dann als dessen Einkommen anzurechnen sei, wenn es an dieses abgezweigt worden oder ihm zumindest tatsächlich zugeflossen sei. S habe in einem eigenen Haushalt gelebt und einen eigenen Anspruch auf Sozialleistungen gehabt; auch sei das Kindergeld nicht an S ausgezahlt oder abgezweigt worden. Der Beigeladene habe daher den Kindergeldanspruch des Klägers nicht als Einkommen berücksichtigt.

5

Gegen das Urteil des FG wenden sich sowohl die Familienkasse als auch der Beigeladene jeweils mit ihrer Revision.

6

Die Familienkasse trägt zur Begründung ihrer Revision vor, das FG gehe zwar zutreffend davon aus, dass abgezweigtes oder weitergeleitetes Kindergeld als Einkommen des im eigenen Haushalt lebenden Kindes anzusehen sei. Allerdings sei der Umkehrschluss unzutreffend, dass das Kindergeld in den übrigen Fällen nicht als Einkommen von Eltern anzusehen sei, die selbst Leistungen nach dem SGB II bezögen.

7

Der Beigeladene trägt zur Begründung der von ihm eingelegten Revision im Wesentlichen vor, die für einen Erstattungsanspruch erforderliche Gleichartigkeit von Kindergeld und Leistungen nach dem SGB II sei hier gegeben, weil das Kindergeld für S, wenn es an den Kläger ausgezahlt worden wäre, als dessen Einkommen anzusehen gewesen wäre. Lediglich für die im Haushalt des Klägers lebende Tochter sei das Kindergeld angerechnet worden.

8

Die Familienkasse und der Beigeladene beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.

10

Ein Erstattungsanspruch bestehe nicht. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe im Beschluss vom 14. Juli 2011  1 BvR 932/10 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2011, 3215) klargestellt, dass das Kindergeld in voller Höhe für das Kind einzusetzen sei. Dies gelte auch dann, wenn es in einem eigenen Haushalt lebe. Aus diesem Grund sei das Kindergeld nicht als sein ---des Klägers-- Einkommen anzusetzen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revisionen der Familienkasse und des Beigeladenen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat einen Erstattungsanspruch des Beigeladenen zu Unrecht verneint. Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist rechtmäßig.

12

1. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Kindergeldanspruch des Klägers nicht nach § 74 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung (EStG) i.V.m. § 104 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) wegen eines Erstattungsanspruchs des Beigeladenen im Hinblick auf die gegenüber S erbrachten Sozialleistungen erloschen ist.

13

a) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die --hier nicht einschlägigen-- Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (§ 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X).

14

b) Eine Erstattung nach § 104 Abs. 1 SGB X setzt voraus, dass die von verschiedenen Trägern erbrachten Leistungen gleichartig sind, d.h. dass sie für die gleichen Zeiträume bestimmt sind und sich in der Leistungsart und Zweckbestimmung entsprechen. Außerdem muss zwischen ihnen ein Verhältnis von vorrangiger und nachrangiger Verpflichtung zur Leistung bestehen (Senatsurteile vom 17. April 2008 III R 33/05, BFHE 221, 47, BStBl II 2009, 919; vom 17. Juli 2008 III R 87/06, BFH/NV 2008, 1833; vom 19. Juni 2008 III R 89/07, BFH/NV 2008, 1995; vom 19. April 2012 III R 85/09, BFHE 237, 145, BFH/NV 2012, 1369; vom 26. Juli 2012 III R 28/10, BFH/NV 2012, 1874).

15

c) Lebt das durch Sozialleistungen nach dem SGB II unterstützte Kind, für das ein Elternteil Kindergeld begehrt, im eigenen Haushalt, so fehlt es hinsichtlich der an das Kind gezahlten Leistungen und dem Kindergeld am Verhältnis von Gleichartigkeit und Nachrangigkeit, sofern das Kindergeld nicht an das Kind abgezweigt oder an das Kind weitergeleitet wird (Senatsurteile in BFHE 221, 47, BStBl II 2009, 919, sowie in BFH/NV 2012, 1874). In einem solchen Fall ist das Kindergeld sozialrechtlich dem Einkommen des Kindergeldberechtigten zuzurechnen (Senatsurteil in BFH/NV 2012, 1874). Auch § 104 Abs. 2 SGB X erlaubt es nicht, die an den im eigenen Haushalt lebenden Angehörigen --im Streitfall an S-- erbrachten Sozialleistungen dem Kindergeldberechtigten zuzurechnen. Denn der Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 2 SGB X ist kein von den Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 SGB X unabhängiger Anspruch eigener Art, sondern erweitert diesen nur (Senatsurteile in BFHE 221, 47, BStBl II 2009, 919; in BFH/NV 2008, 1833; vom 7. April 2011 III R 88/09, BFH/NV 2011, 1326, sowie in BFH/NV 2012, 1874).

16

d) Im Streitfall wurde das Kindergeld nicht an S abgezweigt oder an ihn weitergeleitet, so dass es sozialrechtlich dem Einkommen des Klägers zuzurechnen gewesen wäre, wenn es an ihn ausgezahlt worden wäre. Im Hinblick auf die an S erbrachten Leistungen nach dem SGB II gilt der Kindergeldanspruch des Klägers somit nicht nach § 107 SGB X als erfüllt.

17

2. Das FG hat jedoch zu Unrecht nicht geprüft, ob hinsichtlich der vom Kläger bezogenen Sozialleistungen und seines Anspruchs auf Kindergeld für S die Voraussetzungen der Gleichartigkeit und des Verhältnisses von Vor- und Nachrangigkeit erfüllt sind. Dies ist zu bejahen.

18

a) Das nach den §§ 62 ff. EStG zu gewährende Kindergeld ist, soweit es der Familienförderung dient, ebenso dazu bestimmt, die allgemeinen Lebenshaltungskosten zu bestreiten, wie dies bei den vom Sozialleistungsträger erbrachten oder zu erbringenden Leistungen zum Lebensunterhalt der Fall ist (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14. Mai 2002 VIII R 88/01, BFH/NV 2002, 1156; Senatsurteile in BFH/NV 2008, 1833, sowie in BFHE 221, 47, BStBl II 2009, 919, jeweils zur Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz; Senatsurteil in BFH/NV 2012, 1874, auch zu Leistungen nach dem SGB II).

19

b) Auch sind die Leistungen nach dem SGB II, die an den Kläger für seine Bedarfsgemeinschaft ausgezahlt wurden, nachrangig gegenüber dem Kindergeld. Dieses wäre bei einer vorherigen Auszahlung bei der Ermittlung der Höhe der Leistungen nach dem SGB II zu berücksichtigen gewesen (Senatsurteil in BFH/NV 2012, 1874). Die vom Kläger für die Bedarfsgemeinschaft bezogenen Leistungen waren unstreitig nicht im Hinblick auf seinen Anspruch auf Kindergeld für S gemindert. Diesen ungekürzten Leistungen ist der Kindergeldanspruch für S gegenüberzustellen. Kindergeld, das nicht im Wege der Abzweigung oder der Weiterleitung an das Kind gelangt ist, führt --wie bereits ausgeführt-- sozialrechtlich zu Einkommen des Kindergeldberechtigten. Da es bei Anwendung des § 104 SGB X allein auf die sozialrechtliche Zuweisung des Kindergeldes ankommt, ist es unerheblich, dass aufgrund der ab 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Änderung des § 1612b des Bürgerlichen Gesetzbuches das Kindergeld zivilrechtlich dem Einkommen des Kindes zugewiesen wird (s. Beschluss des BVerfG in NJW 2011, 3215).

20

c) Im Hinblick auf die vom Kläger bezogenen Leistungen nach dem SGB II gilt der Kindergeldanspruch gemäß § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 107 Abs. 1 SGB X als erfüllt. Der Abrechnungsbescheid vom 26. Januar 2009, in dem diese Erfüllungsfiktion für den Zeitraum August 2008 bis Januar 2009 in Höhe von 934 € festgestellt wird, ist rechtmäßig.

Tatbestand

1

I. Die Familienkasse F setzte gegenüber dem Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) durch Bescheid vom 12. November 2007 Kindergeld für das Kind K fest und sprach gleichzeitig aus, dass der Anspruch des Klägers nach § 74 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 107 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) als erfüllt gelte. Das Kindergeld in Höhe von 7.700 € zahlte die Familienkasse F an die Beigeladene und Beschwerdeführerin (Beigeladene) aus, die einen Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. §§ 103, 104 SGB X geltend gemacht hatte.

2

Den Einspruch des Klägers vom 22. November 2007 wies die Familienkasse F durch Einspruchsentscheidung vom 7. Mai 2008 als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die am 9. Juni 2008 erhobene Klage, über die noch nicht entschieden ist. Bereits in der Klageerwiderung vom 12. Dezember 2008 beantragte die Familienkasse F, die Beigeladene zum Verfahren beizuladen. Der Kläger erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme.

3

Mit Schreiben vom 17. Mai 2013 teilte die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) mit, dass aufgrund der Neuorganisation der Familienkassen zum 1. Mai 2013 ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel erfolgt sei.

4

Durch Beschluss vom 19. September 2013 lud das Finanzgericht (FG) die Beigeladene zum Verfahren bei. Zur Begründung führte das FG aus, es liege ein Fall notwendiger Beiladung vor, weil im Fall der Erstattung nach § 74 Abs. 2 EStG die Entscheidung über den Abrechnungsbescheid gegenüber dem Kindergeldberechtigten und dem Erstattungsberechtigten nur einheitlich ergehen könne.

5

Mit Schreiben vom 2. Oktober 2013 beantragte die Beigeladene, den Beiladungsbeschluss aufzuheben. Ein eventueller Rückzahlungsanspruch sei gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB X verjährt und außerdem auch verwirkt. Die Beigeladene habe mit Schreiben vom 1. Dezember 2008 ein Schreiben der Familienkasse F vom 15. Oktober 2008 beantwortet, worauf sich die Familienkasse F nicht mehr gemeldet habe.

6

Das FG hat am 4. November 2013 beschlossen, der Beschwerde nicht abzuhelfen.

7

Der Kläger beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Die Berufung der Beigeladenen auf Verjährung oder Verwirkung sei rechtsmissbräuchlich.

8

Die Familienkasse beantragt ebenfalls, die Beschwerde zurückzuweisen. Der Beigeladenen sei seit 2008 bekannt, dass ein Rechtstreit anhängig sei.

Entscheidungsgründe

9

II. 1. Die Zuständigkeit des beschließenden Senats ergibt sich aus Teil A XI. Senat Nr. 2 des Geschäftsverteilungsplans (GVPL) des Bundesfinanzhofs (BFH); danach ist der XI. Senat u.a. zuständig für Kindergeld, einschließlich die Rückforderung, Erhebung von Kindergeld (§§ 62 bis 78 EStG) mit den Anfangsbuchstaben H bis K, mit Ausnahme der --vorliegend nicht einschlägigen-- Nr. 4 Buchst. d Doppelbuchst. bb beim III. Senat. Die Zuständigkeit des VII. Senats des BFH ist nicht gegeben; denn Rechtsfragen der Erhebung von Kindergeld werden durch Teil A VII. Senat Nr. 5 Buchst. c GVPL von dessen allgemeiner Zuständigkeit für Abrechnungsbescheide ausdrücklich ausgenommen. Die Zuständigkeit des XI. Senats erstreckt sich gemäß Teil A Ergänzende Regelungen unter III. GVPL auch auf Nebenverfahren und Fragen der Finanzgerichtsordnung (FGO).

10

2. Die Beschwerde der Beigeladenen ist zwar zulässig (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Januar 1987 II B 108/86, BFHE 148, 444, BStBl II 1987, 267; vom 2. September 1993 IX B 34/93, BFH/NV 1994, 114), aber unbegründet. Das FG hat zu Recht die Beigeladene zum Verfahren notwendig beigeladen.

11

a) Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO hat eine Beiladung zu erfolgen, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die gerichtliche Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (notwendige Beiladung). Das ist der Fall, wenn die Entscheidung nach Maßgabe des materiellen Steuerrechts notwendigerweise und unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen des Dritten gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17. April 2013 VI R 15/12, BFH/NV 2013, 1242, m.w.N.; Leipold in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 60 FGO Rz 43 ff.; Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 60 Rz 23 ff.; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Rz 19 ff.).

12

b) Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass nach der Rechtsprechung des BFH der betroffene Sozialleistungsträger zum Klageverfahren eines Kindergeldberechtigten gegen einen Abrechnungsbescheid notwendig beizuladen ist, wenn die Familienkasse das Kindergeld aufgrund eines geltend gemachten Erstattungsanspruchs an den Sozialleistungsträger ausgezahlt und dem Kindergeldberechtigten durch Abrechnungsbescheid mitgeteilt hat, sein Anspruch auf Kindergeld gelte als erfüllt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Januar 2007 III R 33/05, BFH/NV 2007, 720; vom 14. April 2008 III R 87/06, juris; in BFH/NV 2013, 1242; s.a. Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, § 74 EStG Rz 16; Blümich/Treiber, § 74 EStG Rz 52).

13

Der Anspruch des Klägers gilt nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 107 SGB X als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch der Beigeladenen besteht. Kommt das FG hingegen zu dem Ergebnis, dass kein Erstattungsanspruch besteht, hat die Beigeladene die von der Familienkasse gezahlten Beträge gemäß § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 112 SGB X grundsätzlich zurückzuerstatten. Diese Ansprüche hängen nach der bezeichneten Rechtsprechung des BFH so eng miteinander zusammen, dass eine Entscheidung gegenüber dem Kindergeldberechtigten und dem Erstattungsberechtigten nur einheitlich ergehen kann.

14

c) Soweit sich die Beigeladene gegenüber dem Kläger und der Familienkasse auf eine angebliche Verjährung und Verwirkung beruft, ist dies für die Frage der Beiladung schon deshalb irrelevant, weil --von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen (vgl. dazu z.B. Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 60 FGO Rz 13, 93; Leipold in HHSp, § 60 FGO Rz 45 f.; Gräber/Levedag, a.a.O., § 60 Rz 12, 32 f.)-- die Erfolgsaussichten der Klage bei der Entscheidung über die Beiladung außer Betracht zu bleiben haben; maßgeblich ist nicht, wie, sondern ob das Gericht über eine einheitlich zu entscheidende Frage zu befinden hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. Oktober 2002 III B 74/02, BFH/NV 2003, 195; vom 8. Dezember 2006 VII B 243/05, BFHE 216, 18, BStBl II 2008, 436; BFH-Urteile vom 24. Juni 1971 IV R 219/68, BFHE 102, 460, BStBl II 1971, 714; vom 27. November 1990 VIII R 206/84, BFH/NV 1991, 692; s.a. zur möglicherweise eingetretenen Verjährung bei Beiladung nach § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung BFH-Beschlüsse vom 30. Januar 1996 VIII B 20/95, BFH/NV 1996, 524; vom 22. Oktober 2001 XI B 16/00, BFH/NV 2002, 308; vom 15. Oktober 2010 III B 149/09, BFH/NV 2011, 404). Dies ist hier, wie dargelegt, gemäß der Rechtsprechung des BFH der Fall.

15

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. Von einer Kostenentscheidung ist lediglich dann abzusehen, wenn über einen Beiladungsbeschluss im Beschwerdeverfahren im Sinne des Beschwerdeführers entschieden wird. Für ein erfolgloses Beschwerdeverfahren ist jedoch eine Kostenentscheidung zu treffen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 16. September 2004 VI B 57/03, BFH/NV 2005, 71; vom 26. Juni 2012 IV B 108/11, BFH/NV 2012, 1620, m.w.N.).

Das Vorverfahren beginnt mit der Erhebung des Widerspruchs.

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Der Widerspruch ist binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Absatz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate.

(2) Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gilt auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt eingegangen ist. Die Widerspruchsschrift ist unverzüglich der zuständigen Behörde oder dem zuständigen Versicherungsträger zuzuleiten, der sie der für die Entscheidung zuständigen Stelle vorzulegen hat. Im übrigen gelten die §§ 66 und 67 entsprechend.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 67 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Mit Einwilligung des Beteiligten können elektronische Verwaltungsakte bekannt gegeben werden, indem sie dem Beteiligten zum Abruf über öffentlich zugängliche Netze bereitgestellt werden. Die Einwilligung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Die Behörde hat zu gewährleisten, dass der Abruf nur nach Authentifizierung der berechtigten Person möglich ist und der elektronische Verwaltungsakt von ihr gespeichert werden kann. Ein zum Abruf bereitgestellter Verwaltungsakt gilt am dritten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung des Verwaltungsaktes an die abrufberechtigte Person als bekannt gegeben. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang der Benachrichtigung nachzuweisen. Kann die Behörde den von der abrufberechtigten Person bestrittenen Zugang der Benachrichtigung nicht nachweisen, gilt der Verwaltungsakt an dem Tag als bekannt gegeben, an dem die abrufberechtigte Person den Verwaltungsakt abgerufen hat. Das Gleiche gilt, wenn die abrufberechtigte Person unwiderlegbar vorträgt, die Benachrichtigung nicht innerhalb von drei Tagen nach der Absendung erhalten zu haben. Die Möglichkeit einer erneuten Bereitstellung zum Abruf oder der Bekanntgabe auf andere Weise bleibt unberührt.

(2b) In Angelegenheiten nach dem Abschnitt 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes gilt abweichend von Absatz 2a für die Bekanntgabe von elektronischen Verwaltungsakten § 9 des Onlinezugangsgesetzes.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsaktes wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil in der jeweils vorgeschriebenen Weise entweder ortsüblich oder in der sonst für amtliche Veröffentlichungen vorgeschriebenen Art bekannt gemacht wird. In der Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach der Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung bleiben unberührt.

(1) Der Widerspruch ist binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Absatz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate.

(2) Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gilt auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt eingegangen ist. Die Widerspruchsschrift ist unverzüglich der zuständigen Behörde oder dem zuständigen Versicherungsträger zuzuleiten, der sie der für die Entscheidung zuständigen Stelle vorzulegen hat. Im übrigen gelten die §§ 66 und 67 entsprechend.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 67 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Der Beschluß, der die Wiedereinsetzung bewilligt, ist unanfechtbar.

(1) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn von den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe Aufwendungsersatz geltend gemacht oder ein Kostenbeitrag erhoben werden kann; Satz 3 gilt in diesen Fällen nicht.

(2) Absatz 1 gilt auch dann, wenn von einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger für einen Angehörigen Sozialleistungen erbracht worden sind und ein anderer mit Rücksicht auf diesen Angehörigen einen Anspruch auf Sozialleistungen, auch auf besonders bezeichnete Leistungsteile, gegenüber einem vorrangig verpflichteten Leistungsträger hat oder hatte.

(3) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(4) Sind mehrere Leistungsträger vorrangig verpflichtet, kann der Leistungsträger, der die Sozialleistung erbracht hat, Erstattung nur von dem Leistungsträger verlangen, für den er nach § 107 Abs. 2 mit befreiender Wirkung geleistet hat.

(1) Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt.

(2) Hat der Berechtigte Ansprüche gegen mehrere Leistungsträger, gilt der Anspruch als erfüllt, den der Träger, der die Sozialleistung erbracht hat, bestimmt. Die Bestimmung ist dem Berechtigten gegenüber unverzüglich vorzunehmen und den übrigen Leistungsträgern mitzuteilen.

(1) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn von den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe Aufwendungsersatz geltend gemacht oder ein Kostenbeitrag erhoben werden kann; Satz 3 gilt in diesen Fällen nicht.

(2) Absatz 1 gilt auch dann, wenn von einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger für einen Angehörigen Sozialleistungen erbracht worden sind und ein anderer mit Rücksicht auf diesen Angehörigen einen Anspruch auf Sozialleistungen, auch auf besonders bezeichnete Leistungsteile, gegenüber einem vorrangig verpflichteten Leistungsträger hat oder hatte.

(3) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(4) Sind mehrere Leistungsträger vorrangig verpflichtet, kann der Leistungsträger, der die Sozialleistung erbracht hat, Erstattung nur von dem Leistungsträger verlangen, für den er nach § 107 Abs. 2 mit befreiender Wirkung geleistet hat.

Bestimmt sich das Recht des Trägers der Sozialhilfe, Ersatz seiner Aufwendungen von einem anderen zu verlangen, gegen den die Leistungsberechtigten einen Anspruch haben, nach sonstigen gesetzlichen Vorschriften, die dem § 93 vorgehen, gelten als Aufwendungen

1.
die Kosten der Leistung für diejenige Person, die den Anspruch gegen den anderen hat, und
2.
die Kosten für Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel, die gleichzeitig mit der Leistung nach Nummer 1 für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und die minderjährigen unverheirateten Kinder geleistet wurden.

(1) Zum Ersatz rechtswidrig erbrachter Geld- und Sachleistungen nach diesem Buch ist verpflichtet, wer diese durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten an Dritte herbeigeführt hat. Sachleistungen sind, auch wenn sie in Form eines Gutscheins erbracht wurden, in Geld zu ersetzen. § 40 Absatz 6 Satz 2 gilt entsprechend. Der Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur Sozialversicherung entsprechend § 40 Absatz 2 Nummer 5.

(2) Der Ersatzanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt, mit dem die Erstattung nach § 50 des Zehnten Buches festgesetzt worden ist, unanfechtbar geworden ist. Soweit gegenüber einer rechtswidrig begünstigten Person ein Verwaltungsakt nicht aufgehoben werden kann, beginnt die Frist nach Satz 1 mit dem Zeitpunkt, ab dem die Behörde Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Leistungserbringung hat. § 34 Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) § 34 Absatz 2 gilt entsprechend. Der Ersatzanspruch erlischt drei Jahre nach dem Tod der Person, die gemäß Absatz 1 zum Ersatz verpflichtet war; § 34 Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Zum Ersatz nach Absatz 1 und zur Erstattung nach § 50 des Zehnten Buches Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.

(1) Hat ein vorrangig verpflichteter Leistungsträger in Unkenntnis der Leistung durch Träger nach diesem Buch an eine leistungsberechtigte Person geleistet, ist diese zur Erstattung der Leistung des vorrangigen Trägers an die Träger nach diesem Buch verpflichtet. Der Erstattungsanspruch besteht in der Höhe, in der ein Erstattungsanspruch nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels des Zehnten Buches bestanden hätte. § 34c ist entsprechend anwendbar.

(2) Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der geleistete Betrag als Einkommen nach den Vorschriften dieses Buches berücksichtigt werden kann.

(3) Der Erstattungsanspruch verjährt vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der vorrangig verpflichtete Leistungsträger die Leistung erbracht hat.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.