Arbeitsgericht Magdeburg Urteil, 15. Juli 2013 - 3 Ca 713/13 HBS

ECLI:ECLI:DE:ARBGMAG:2013:0715.3CA713.13HBS.0A
bei uns veröffentlicht am15.07.2013

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung mit Schreiben vom 05.03.2013 nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 14.850,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen hilfsweise ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung. Der Kläger begehrt zudem seine Weiterbeschäftigung und ein Zwischenzeugnis.

2

Der 1967 geborene Kläger ist, auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 28.04.2003 (Bl.5/6 d.A.) eines schriftlichen Änderungsvertrages vom 23.10.2003 (Bl.7 d.A.), eines schriftlichen Änderungsvertrages vom 22.01.2004 (Bl.8 d.A.), eines schriftlichen Änderungsvertrages vom 16.02.2004 (Bl.9 d.A.) und eines schriftlichen Änderungsvertrages vom 15.07.2004 (Bl.10 d.A.) sowie einer schriftlichen Betriebsübergangsanzeige vom 22.02.2005 (Bl.11ff. d.A.) zuletzt als Schichtbegleitung/Stellvertreter des Bereichsleiters K. Werkstatt mit einem Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.300,00 € für die Beklagte, in deren Betrieb in W., tätig. Bei der Beklagten existiert eine Betriebsvereinbarung 01/2004 über das Partnerschaftliche Verhalten am Arbeitsplatz und den Umgang mit Konflikten im Betrieb (Bl.85ff. d.A.), welche sich insbesondere gegen Mobbing am Arbeitsplatz wendet.

3

Anfang Januar 2013 entschloss sich die Beklagte, den bisher ebenfalls in der K. Werkstatt tätigen Stiefsohn des Klägers, gleich nach Beendigung seiner Ausbildung, in die Gießerei zu versetzen und ihm für die dortige Tätigkeit einen unbefristeten Arbeitsplatz anzubieten. Die nunmehr freie Stelle in der K. Werkstatt sollte möglichst durch den leistungsstärksten der in der Vergangenheit schon dort, inzwischen aber in der Gießerei tätigen Arbeitnehmer neu besetzt werden. Die Wahl des Leiters der K. Werkstatt fiel insoweit auf den Arbeitnehmer M., dessen Bruder in der Vergangenheit als Mobbingopfer Suizid begangen haben soll. Der Kläger, in der Annahme bisher positive Signale für einen Verbleib seines Stiefsohnes in der K. Werkstatt erhalten zu haben, war darüber sehr aufgebracht und äußerte sich gegenüber Dritten über diese Maßnahme sowie über den Arbeitnehmer M. und dessen Leistungsstärke negativ. Auch gab er bereits 2 Wochen vor dessen Arbeitsantritt in der K. Werkstatt, deren Leiter zu verstehen, besonders auf das Abmeldeverhalten des neuen Arbeitnehmers im Falle eines Verlassens des Arbeitsplatzes achten zu wollen. Dem Arbeitnehmer M. selbst gab er zu verstehen, dass er von ihm mit vollem Vornamen und nicht wie von allen anderen mit seinem Spitznamen B. angeredet werden wolle.

4

Arbeitsantritt des Arbeitnehmers M. in der K. Werkstatt war der 11.02.2013, vom 12.02. bis 15.02.2013 befand sich der Kläger im Krankenstand. Am Nachmittag des 21.02.2013 sprach der Arbeitnehmer M. den Personalleiter der Beklagten an und teilte diesem mit, dass er sich von dem Kläger gemobbt fühle. Dieser mache ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit, insbesondere in den Pausen und Dienstbesprechungen hinter seinem Rücken schlecht, es seien Worte wie Kollegenschwein und Kameradenschwein gefallen, auch habe er ihn gefragt, welchen Preis er für seine Versetzung in die K. Werkstatt bezahlt habe.

5

Am Donnerstag den 21.02.2013 hatte der Kläger Urlaub, am Freitag den 22.02.2013 befand sich der Personalleiter im Krankenstand, informierte gleichwohl noch am Wochenende den Gießereileiter und einen Vertreter des Arbeitgeberverbandes über die erhobenen Vorwürfe. Ab 23.02.2013 wurde der psychisch angegriffene Arbeitnehmer M. für fast vier Wochen krank geschrieben. Am 25.02.2013 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger und drei Vertretern der Betriebsleitung statt, in welchem der Kläger mit den Vorwürfen konfrontiert und in dessen Verlauf ihm der Abschluss eines Aufhebungsvertrages nahe gelegt wurde. Ab dem 27.02.2013 meldete sich der Kläger krank und weigerte sich mit Blick auf den Ablauf des Gesprächs am 25.02.2013 fortan noch einmal in der o.g. Angelegenheit mit der Beklagten in Kontakt zu treten.

6

Mit Schreiben vom 28.02.2013 (Bl.54ff. d.A.) informierte die Beklagte den Betriebsrat über die Absicht, dem Kläger unter dem Vorwurf des Mobbings außerordentlich, hilfsweise ordentlich zu kündigen. Nachdem sich der Kläger auch gegenüber dem Betriebsrat zu keiner Stellungnahme mehr bereit zeigte, stimmte dieser der Maßnahme unter dem Datum 04.03.2013 zu. Mit Schreiben vom 05.03.2013, noch am gleichen Tage zugegangen, sprach die Beklagte dem Kläger gegenüber die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung zum 30.06.2013 aus (Bl.14 d.A.).

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Mit am 13.03.2013 eingegangener und am 18.03.2013 der Beklagten zugestellter Klageschrift wendet sich der Kläger gegen diese Kündigung.

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Er ist der Auffassung, dass seine Kündigung nicht rechtens sei. Zwar habe er tatsächlich seinen Unmut über die Umsetzungen in der K. Werkstatt zum Ausdruck gebracht, allerdings nur gegenüber Dritten und nicht gegenüber dem Arbeitnehmer M. selbst. Auch habe er keinesfalls die ihm vorgeworfenen Schmähungen ausgesprochen, auch nicht gegenüber Dritten. Er könne sich nicht erklären, wer und warum dergleichen so falsch dem Arbeitnehmer M. zugetragen habe. Er könne sich darüber hinaus auch in keiner Weise vorstellen, was er in der kurzen Zeit hätte getan haben sollen, das in der Lage gewesen wäre, das behauptete Krankheitsbild bei dem Arbeitnehmer M. auszulösen. Er fühle sich seit dem 25.02.2013 von der Beklagten und dem Betriebsrat zu Unrecht, mit dem Ziel ihn aus dem Betrieb zu drängen, angegriffen und habe versucht, jede weitere Konfrontation zu vermeiden.

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Der Kläger beantragt,

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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung mit Schreiben vom 05.03.2013 nicht aufgelöst wurde,
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zu den bisherigen Bedingungen weiter zu beschäftigen,
3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

13

Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe die vom Arbeitnehmer M. beanstandeten Verhaltensweisen tatsächlich an den Tag gelegt und damit heimtückisch, verletzend hinter dessen Rücken einem sensiblen Mitarbeiter bewusst Schaden zufügen wollen. In dem Gespräch am 25.02.2013 habe der Kläger zunächst ablehnend reagiert und alles abgestritten. Erst nach und nach habe er Stück für Stück die Vorwürfe eingeräumt. Der Kläger habe keinerlei Einsicht in das Unrecht seiner Handlungsweise erkennen lassen oder sich auch nur hierfür entschuldigt. Sie sei daher davon ausgegangen, dass eine Abmahnung nicht geeignet sei, Abhilfe zu schaffen. Vielmehr habe man der Firmenphilosophie entsprechend, um keinerlei Toleranz gegenüber Mobbing zu zeigen, die streitgegenständliche Kündigung ausgesprochen. Auch der Betriebsrat und alle weiteren in das Geschehen involvierten Personen hätten keine andere Möglichkeit mehr gesehen, dem Verhalten des Klägers zu begegnen.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Terminsprotokolle und die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

16

Die Kündigung mit Schreiben vom 05.03.2013 hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder außerordentlich fristlos noch ordentlich fristgemäß zum 30.06.2013 rechtswirksam aufgelöst.

17

1) Die streitgegenständliche Kündigung gilt nicht bereits mangels rechtzeitiger Erhebung einer Kündigungsschutzklage nach Maßgabe von §§ 4, 7 KSchG als rechtswirksam.

18

Der Kläger hat die Kündigung rechtzeitig binnen drei Wochen gerichtlich angegriffen (§ 4 KSchG). Fristbeginn war der Zugang der Kündigung am 05.03.2013, die Frist endete dementsprechend nicht vor Ablauf des 26.03.2013. Die Klageschrift ging am 13.03.2013 beim Arbeitsgericht M. ein und wurde der Beklagten am 18.03.2013 zugestellt.

19

2) Eine ordentliche (fristgerechte) Kündigung des Klägers ist nur unter den Voraussetzungen des § 1 KSchG sozial gerechtfertigt und damit rechtswirksam. Denn der Kläger war zum Zugangszeitpunkt der streitgegenständlichen Kündigung unstreitig seit mehr als sechs Monaten ununterbrochen im Betrieb der Beklagten tätig. Die Anzahl der von dieser beschäftigten Mitarbeiter überschreitet zudem unstreitig den Schwellenwert nach § 23 KSchG. Eine außerordentliche (fristlose) Kündigung des Klägers bedarf zu ihrer Wirksamkeit dagegen eines wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs.1 BGB.

20

3) Bei der Prüfung, ob zumindest eines von beiden vorliegt, war folgendes zu berücksichtigen:

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Eine ordentliche Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs.2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine Vertragspflichten erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, eine weitere Störung zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (BAG 28.10.2010 - 2 AZR 293/09 zitiert über Juris; 10.09.2009 - 2 AZR 257/08 AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr.60; 31.05.2007 - 2 AZR 200/06, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr.57). Der Arbeitnehmer muss dazu keine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt haben. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sozial rechtfertigen (BAG 28.10.2010 - 2 AZR 293/09; 10.09.2009 - 2 AZR 257/08 aaO; 02.03.2006 - 2 AZR 53/05, AP BGB § 626 Krankheit Nr.14).

22

Damit in dem Verhalten des Arbeitnehmers darüber hinausgehend ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs.1 BGB gesehen werden kann, muss zusätzlich hinzukommen, dass die Pflichtverletzung oder die durch sie hervorgerufene Störung so schwer wiegt, dass es dem Arbeitgeber nicht einmal mehr zugemutet werden kann, die dem Arbeitnehmer ansonsten zustehenden Kündigungsfristen bis zu einer tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu wahren. Das Verhalten eines Arbeitnehmers ist regelmäßig an sich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 Abs.1 BGB darzustellen, wenn er hierdurch -gegebenenfalls nach vorausgegangener einschlägiger Abmahnung(en)- eine oder mehrere ihm arbeitsvertraglich obliegende Pflichten gröblichst verletzt und dadurch eine auch noch in die Zukunft wirkende sehr schwerwiegende Störung des Arbeitsverhältnisses im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit, im persönlichen Vertrauensbereich oder im Unternehmensbereich herbeigeführt hat. Als besonders grobe Pflichtverletzungen gelten allgemein insbesondere Verhaltensweisen, die sich als Straftaten gegen den Arbeitgeber bzw. einen Vorgesetzten darstellen, wie Diebstahl, Betrug, Untreue, Körperverletzung, Nötigung sowie ähnlich gravierende Verstöße gegen betriebliche Treuepflichten (Eigentums- und Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers vgl. etwa BAG v. 06.07.2000 - 2 AZR 454/99 zitiert über Juris).

23

Als grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung zu bilden, werden insbesondere auch tätliche Angriffe, Beleidigungen, üble Nachrede und Verleumdungen gegenüber Arbeitskollegen, insbesondere wenn sich diese als Mobbing darstellen oder das ständige Begeben in immer weiter eskalierende Auseinandersetzungen mit mehreren Vorgesetzten angesehen (vgl. etwa BAG 10.12.2009 - 2 AZR 534/08, NZA 2010, 698; 18.09.2008 - 2 AZR 1039/06, DB 2009, 964; 10.10.2002 - 2 AZR 418/01, DB 2003, 1797; Hess.LAG 19.04.2012 - 7 Sa 984/11; LAG Schleswig-Holstein 20.12.2011 - 1 Sa 321/11; LAG Nürnberg 16.09.2011 - 4 Sa 297/10; LAG Rheinland-Pfalz 14.10.2010 - 10 Sa 296/10; LAG Berlin-Brandenburg 20.05.2010 - 25 Sa 130/10; LAG Mecklenburg-Vorpommern 29.04.2008 - 5 Sa 181/07; LAG München 25.10.2007 - 3 Sa 572/07 jeweils zitiert über Juris). Dabei wird unter Mobbing am Arbeitsplatz nach der neueren Rechtsprechung regelmäßig das fortgesetzte aufeinander aufbauende (systematische) Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte bzw. den Arbeitgeber verstanden (BAG 15.01.1997 - 7 ABR 14/96, AP BetrVG 1972 § 37 Nr.118). Typische Mobbing-Handlungen können insbesondere liegen in ständiger Kritik an der Arbeit, Einschränkung der Möglichkeit sich zu äußern, Kontaktverweigerung, ständigen Beleidigungen, üblen Nachreden, dem Lächerlichmachen, der Art und Inhalt der Zuweisung von Arbeiten sowie der Androhung oder Ausführung körperlicher Gewalt. Dabei ist zu beachten, dass nicht jede Auseinandersetzung oder Meinungsverschiedenheit eines Arbeitnehmers mit Kollegen und/oder Vorgesetzen, jedes unbeherrschte Verhalten eines zur Personalführung wenig geeigneten Vorgesetzten oder jede aufgrund Persönlichkeitsstruktur und Rollenverständnis der beteiligten Personen in unangemessener, teilweise intoleranter Form ausgetragene Sachstreitigkeit zwangsläufig schon als „Mobbing“ anzusehen sein muss (vgl. Sächsisches LAG 17.02.2005 - 2 Sa 751/03 m.w.N., zitiert nach Juris). Erforderlich sind vielmehr aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende Verhaltensweisen, die ein übergeordnetes von der Rechtsordnung missbilligtes Ziel verfolgen (Thüringer LAG 15.02.2001 - 5 Sa 102/00, LAGE § 626 BGB Nr.133) und eine klare Täter-Opfer Konstellation erkennen lassen (Thüringer LAG 10.04.2001 - 5 Sa 403/00, LAGE Art 2 GG Persönlichkeitsrecht Nr.2).

24

Letztlich ist bei den meisten zum Anlass für eine Kündigung genommenen Pflichtverletzungen zunächst einmal davon auszugehen, dass sie ganz ohne eine oder mehrere vorangegangene ordnungsgemäße und einschlägige Abmahnungen noch nicht zum Ausspruch einer ordentlichen und erst Recht einer außerordentlichen Kündigung geeignet sind (vgl. etwa Müller-Glöge in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 12.Aufl. (ErfK-Bearb.) § 626 BGB Rdn.25ff. m.w.N.). Dies gilt -zumal es absolute Kündigungsgründe nicht gibt- grundsätzlich sogar dann, wenn es sich um Pflichtverletzungen handelt, die erhebliche Störungen im Vertrauensbereich hervorrufen (BAG 04.06.1997 - 2 AZR 526/96, NJW 1998, 554) oder die gar in der Nähe einer strafbaren Handlung anzusiedeln sind (BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227). Dies ergibt sich sowohl aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als auch daraus, dass Zweck einer Kündigung nicht die Sanktionierung begangener Vertragspflichtverletzungen, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen ist. Die Abmahnung dient der Objektivierung der negativen Prognose in Bezug auf weitere Pflichtverletzungen. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Nur im absoluten Ausnahmefall kann einmal eine Abmahnung entbehrlich sein, etwa aus Umständen, die in der Art, der Schwere der Pflichtverletzung (z.B.: besonders grober Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten und/oder Verhalten, welches auch bei einem verständigen Arbeitgeber grundsätzlich zu einem nicht mehr zu kittenden Vertrauensverlust führt) oder ihrer Folgen (z.B.: nicht wieder gut zu machender hoher Schaden verursacht) liegen und bei denen auch für den Arbeitnehmer ohne weiteres die Pflichtverletzung und deren Kündigungsrelevanz (Arbeitnehmer konnte eigentlich nicht mehr mit einer Billigung durch den Arbeitgeber rechnen, sondern musste bei Aufdeckung ohne weiteres die sofortige Kündigung befürchten) erkennbar ist (vgl. ErfK-Müller-Glöge § 626 BGB Rdn.28,29 m.w.N.).

25

Ist danach ein Vorfall bzw. eine Pflichtverletzung an sich geeignet, einen Grund für eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung darzustellen, so ist zuletzt im Rahmen einer umfassenden Interessensabwägung (u.a. unter Berücksichtigung auch der sozialen Belange des Arbeitnehmers und der Länge des bisher störungsfreien Verlaufs des Arbeitsverhältnisses) festzustellen, ob diese auch in dem jeweiligen Einzelfall die angemessene Maßnahme ist. Eine außerordentliche Kündigung ist dabei nur das letzte, die ordentliche Kündigung das vorletzte denkbare Mittel, wenn mildere nicht mehr zumutbar sind (ultima ratio).

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Alle tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes (vgl. BAG 06.08.1987 - 2 AZR 226/87, EzA § 626 BGB n.F. Nr.109; Reinecke NZA 1989, 584ff;) und gegebenenfalls für den Ausspruch wirksamer vorheriger Abmahnungen hat der kündigende Arbeitgeber darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen. Vom Arbeitnehmer vorgetragene Rechtfertigungsgründe für das beanstandete Verhalten sind vom Arbeitgeber gegebenenfalls zu widerlegen (BAG v.24.11.1983 - 2 AZR 327/82, AP Nr.76 § 626 BGB; Becker/Schaffner BB 1992, 562). Entsprechendes gilt, soweit der Arbeitnehmer Umstände vorträgt, die einen zunächst ausreichenden Indizwert des Sachverhaltes entkräften (BAG v.14.09.1994 - 2 AZR 164/94 zitiert über Juris).

27

4) Unter Beachtung der o.g. Grundsätze konnte hier weder bereits vom Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs.1 BGB noch vom Vorliegen eines verhaltensbedingten Grundes i.S.v. § 1 KSchG ausgegangen werden.

28

Unstreitig und eindeutig ist im vorliegenden Fall, dass der Kläger gegenüber Dritten die Umsetzung Stiefsohn/M. heftig kritisiert und den Arbeitnehmer M. als keineswegs besonders leistungsstark bezeichnet sowie angekündigt hat, diesen auf sein Abmeldeverhalten hin zu überprüfen. Ebenfalls unstreitig ist, dass er sich gegenüber dem Arbeitnehmer M. den Gebrauch seines Spitznamens verbeten hat. Unstreitig und eindeutig ist auch, dass der Kläger und der Arbeitnehmer M. nur wenige Tage zusammengearbeitet haben und dass der Arbeitnehmer M. psychisch vorbelastet war. Welche konkreten Handlungen und Aussagen von Seiten des Klägers wann genau gegenüber wem erfolgt sind, bleibt allerdings im Dunklen. Die behaupteten Schimpfworte hat der Arbeitnehmer M. unstreitig nicht selbst aus dem Mund des Klägers gehört. Wer sie wann gehört haben will und an den Arbeitnehmer M. als behauptete nicht eigene Worte weitergetragen haben soll, ist von der Beklagten offenbar nicht aufgeklärt worden. Der Kläger bestreitet diese jedenfalls. Auch die Aussage zum Preis ist streitig. Hinsichtlich der streitigen Punkte fehlt es schon an einem ausreichenden substantiierten Vortrag der Beklagten, die Einvernahme von Zeugen hierzu käme einer Aufklärung von Amts wegen gleich. Es ist nicht Aufgabe des Gerichtes, durch die Einvernahme möglicher Zeugen erst alle erforderlichen Fakten zusammenzutragen. In einem Zivilprozess dienen Zeugen lediglich der Bestätigung oder Nichtbestätigung der von einer Partei vorgetragenen, streiterheblichen Fakten. Nach den bisher feststehenden Fakten aber bleiben Zweifel, ob das Verhalten des Klägers tatsächlich schon der Definition des Mobbings entspricht. Eher muss man danach wohl davon ausgehen, dass eine generelle Eignung als wichtiger Grund noch fehlt und spätestens im Rahmen der Interessenabwägung auch für eine wirksame ordentliche Kündigung wenig Platz bestehen wird.

29

Da -entsprechende Betriebsvereinbarungen hin oder her- Mobbingvorwürfe in der Arbeitswelt regelmäßig eher bagatellisiert als aufgebauscht werden, kann bei dem Stand der Dinge nur vermutet werden, wurde aber von keiner der Parteien näher ausgeführt, dass der Kläger aus irgendeinem Grund sich auch schon in der Vergangenheit nicht allzu viele Freunde bei der Beklagten geschaffen hat, die nunmehr bereit gewesen wären, die hier zu beurteilenden Vorgänge in einem milderen Licht zu sehen. Positive Stimmen, ob nun im Betriebsrat oder in der Betriebsleitung, finden sich für langjährige, beliebte Mitarbeiter -sei der Vorwurf auch noch so schwer- sonst eigentlich immer. In eine Abmahnung oder gar mehr mündete das mutmaßliche Verhalten des Klägers allerdings bisher nicht.

30

Letztlich kann aber sogar unterstellt werden, dass all die bisher vorgeworfenen objektiven Tatsachen (die behaupteten subjektiven wie heimtückisch, bewusst etc. dürften mangels ausreichender objektiver Hinweise hierfür eher der Fantasie der Beklagten entspringen) -ob nun näher substantiiert und nachgewiesen oder nicht- so wie behauptet abgelaufen sind. Gleichwohl hätte die Beklagte hier als milderes Mittel gegenüber einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung zunächst eine Abmahnung wählen müssen.

31

Selbst bei schwerwiegenden, ohne weiteres als wichtiger Grund geeigneten Pflichtverletzungen und einem eingetretenen erheblichen Vertrauensschaden ist, gerade wenn aufgrund langjähriger beanstandungsfreier Tätigkeit ein erhebliches positives Guthaben entstanden ist, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (s.o.) in aller Regel mindestens eine vorherige einschlägige Abmahnung erforderlich. Das gilt selbst für Arbeitnehmer, die mit dem bei ihnen beanstandeten Verhalten eine gewisse Gefährdung für Leib und Leben anderer darstellen. Anderenfalls könnte in manchen Branchen, etwa im Gesundheitswesen, schon bei geringsten Sorgfaltswidrigkeiten von einer Abmahnung gänzlich abgesehen werden. Hier kann stattdessen der Arbeitgeber gehalten sein, zur Verringerung der Gefahr, für eine gewisse Zeit seine Kontrolldichte zu erhöhen. Dabei ist Voraussetzung, dass es sich hier um willens- (verhaltensbedingtes) und nicht um triebgesteuertes (personenbedingtes) Verhalten handelt und daher generell davon auszugehen ist, dass dieses damit auch abstellbar ist sowie dass Vertrauen im Laufe der Zeit auch wieder aufgebaut werden kann. Wenn zudem -wie hier- das beanstandete Verhalten über einen relativ kurzen Zeitraum erfolgte, der Arbeitnehmer unmittelbar vor Ausspruch der Kündigung überhaupt erstmals hierauf angesprochen wird und ihm danach nicht einmal die Gelegenheit gegeben wird, das Verhalten in der Praxis abzustellen, kann von der Entbehrlichkeit einer vorherigen Abmahnung noch viel weniger ausgegangen werden.

32

Die Argumente der Beklagten gegen eine Abmahnung des streitgegenständlichen Verhaltens sind zudem in keiner Weise tragfähig. Dabei kann es dahingestellt bleiben, welchem Druck der Kläger tatsächlich im Rahmen des Gesprächs am 25.02.2013 ausgesetzt war und welchem nicht. Die Annahme, dass eine Abmahnung bei einem Arbeitnehmer, der das Unrecht seines Tuns nicht einsieht und sich nicht entschuldigt entbehrlich, da nicht zielführend ist, erscheint der Kammer lebensfremd bzw. eher passend für die Gedankenwelt einer Religion oder Lebensanschauung, nicht aber für die nüchterne Arbeitswelt. Eine Abmahnung setzt nicht einmal die subjektive Vorwerfbarkeit einer Handlung für den hiermit bedachten Arbeitnehmer voraus. Wichtig ist allein, dass der Arbeitgeber ausreichend klar gegenüber dem Arbeitnehmer zu erkennen gibt, welche Handlung(en) genau er sich für die Zukunft verbittet. Hält sich der Arbeitnehmer nicht daran, riskiert er seine Kündigung. Hält er sich daran, ist alles gut. Die Gedanken des Arbeitnehmers in Bezug auf dieses Gebot sind dagegen frei. Er mag dieses für noch so blödsinnig, ungerechtfertigt oder was auch immer halten, die Hauptsache ist, er hält sich daran. Dies aber ist bei willensgesteuerten Menschen auch ohne tatsächliche Einsicht in das Unrecht eines solchen Tuns möglich. Statistiken aus denen sich ergibt, dass sich Menschen, die zuvor zumindest behauptet haben, das Unrecht ihres Tuns einzusehen (beweisen lässt sich dies ohnehin nicht) und sich entschuldigt haben, eher an Vorgaben halten, sind dem Gericht nicht bekannt. Es geht vorliegend allein um die Vermeidung objektiver Verstöße, nicht um Gedankenkontrolle. Mag der Kläger innerlich noch so Grollen, wenn er sich zusammenreißt und sich jedenfalls künftig an die vom Arbeitgeber aufgestellten Spielregeln, auf die er mit der Abmahnung noch einmal hingewiesen würde, hält, dann ist alles in Ordnung. Das dem Kläger dies möglich ist, kann ihm nicht ohne weiteres einfach abgesprochen werden. Zumindest einem praktischen Versuch muss sich die Beklagte hier stellen.

II.

33

Die Beklagte ist nach Maßgabe von §§ 611, 613, 242 BGB i.V.m. Art. 1, 2 GG auch verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits vertragsgemäß weiterzubeschäftigen (sog. allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch).

34

Während des Bestandes seines Arbeitsverhältnisses hat ein Arbeitnehmer nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung. Dieser Anspruch entfällt nicht ohne weiteres allein deswegen, weil ein Prozess über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit eines Beendigungstatbestandes geführt wird. Schließlich kann sich in dessen Ergebnis herausstellen, dass das Arbeitsverhältnis die ganze Zeit unverändert fortbestand. Solange jedoch noch keine dahingehende rechtskräftige Entscheidung vorliegt und der Arbeitnehmer dennoch seine Weiterbeschäftigung zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen auch nach Ablauf der Kündigungsfrist verlangt, kann nur mit Hilfe einer Interessenabwägung, bei der insbesondere die Prozesschancen und die tatsächliche Beschäftigungsmöglichkeit eine Rolle spielen, eine angemessene Entscheidung getroffen werden. In der Regel überwiegt das Interesse des Arbeitgebers bei Unsicherheit über den Bestand/Inhalt des Arbeitsverhältnisses den Arbeitnehmer nicht unverändert weiterbeschäftigen zu müssen (BAG Beschl.v. 27.02.1985 - GS 1/84, NZA 1985 S.702ff.). Dies ist jedoch anders zu sehen, wenn zum einen das angerufene Gericht zuvor oder gleichzeitig zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der streitgegenständliche Beendigungstatbestand das Arbeitsverhältnis nicht beendet/verändert hat und zum anderen bisher kein anderer Beendigungs- oder Änderungstatbestand in Rede steht. Liegen diese Voraussetzungen vor, stellt dies, auch wenn noch nicht feststeht, ob die gerichtliche Entscheidung später auch in Rechtskraft erwächst, zunächst ein so starkes Indiz für den letztendlichen unveränderten Weiterbestand des Arbeitsverhältnisses dar, dass es dem Arbeitgeber regelmäßig zumutbar ist, ab diesem Zeitpunkt den Arbeitnehmer auch während des Laufes der Bestandsstreitigkeit zu den alten vertraglichen Bedingungen zu beschäftigen (BAG Beschl.v.27.02.1985 a.a.O.). Im vorliegenden Fall ist mit der Stattgabe des Klageantrags zu 1. erstinstanzlich festgestellt worden, dass die Kündigung mit Schreiben vom 05.03.2013 das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht wirksam beendet hat.

35

Ein besonderes Interesse der Beklagten dennoch bis dahin keine Weiterbeschäftigung unter den bisherigen Bedingungen vornehmen zu müssen, ist von ihr nicht ausreichend substantiiert und unter Beweisantritt vorgetragen worden.

III.

36

Der Kläger hat auch Anspruch auf das begehrte Zwischenzeugnis.

37

Zwar folgt dieser Anspruch nicht ohne weiteres aus § 109 GewO, da eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien möglicherweise gar nicht eintritt. Bei Vorliegen eines triftigen Grundes kann sich jedoch als vertragliche Nebenpflicht eine Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, auch während eines laufenden Arbeitsverhältnisses, dem Arbeitnehmer ein Zeugnis und zwar ein sog. Zwischenzeugnis oder aber auch vorläufiges Zeugnis zu erteilen. Dies ist anerkanntermaßen unter anderem regelmäßig dann der Fall, wenn sich die Arbeitsvertragsparteien über die Wirksamkeit einer Kündigung streiten (Müller-Glöge in ErfK 13.Aufl. § 109 GewO Rdn.7, 8, 50 m.w.N.). Nur so hat der, beim alten Arbeitgeber anhand der Kündigung ohne weiteres erkennbar, unerwünschte Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich anderweitig zu bewerben und ggf. auch im Obsiegensfall seine Rechte aus § 12 KSchG wahrzunehmen.

IV.

38

Die Kosten des Rechtsstreits hat nach Maßgabe von § 91 Abs.1 ZPO die Beklagte als unterlegene Partei zu tragen.

39

Der Wert des Streitgegenstandes, der gemäß § 61 Abs.1 ArbGG festzusetzen war, bestimmt sich nach Maßgabe von §§ 3ff. ZPO.

40

Der Klageantrag betreffend die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ist mit 3 Monatsverdiensten des Klägers zu bemessen (Ziff.18.2 i.V.m.19.1. Streitwertkatalog der gemeinsamen Streitwertkommission der Präsidenten der Landesarbeitsgerichte). Für einen Antrag auf Weiterbeschäftigung ist regelmäßig ein weiterer Monatsverdienst des Klägers als Bewertungsgrundlage heranzuziehen (vgl. LAG Sachsen-Anhalt 06.03.2007 - 1 Ta 8/07; Ziff.23 Streitwertkatalog). Für das begehrte Zwischenzeugnis ist ½ Monatsverdienst hinzuzuaddieren (Ziff.24.3 Streitwertkatalog).


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


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Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 61 Inhalt des Urteils


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Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 4 Anrufung des Arbeitsgerichts


Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung er

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 23 Geltungsbereich


(1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vo

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 37 Ehrenamtliche Tätigkeit, Arbeitsversäumnis


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Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 7 Wirksamwerden der Kündigung


Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 613 Unübertragbarkeit


Der zur Dienstleistung Verpflichtete hat die Dienste im Zweifel in Person zu leisten. Der Anspruch auf die Dienste ist im Zweifel nicht übertragbar.

Gewerbeordnung - GewO | § 109 Zeugnis


(1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich di

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 12 Neues Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers, Auflösung des alten Arbeitsverhältnisses


Besteht nach der Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort, ist jedoch der Arbeitnehmer inzwischen ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen, so kann er binnen einer Woche nach der Rechtskraft des Urteils durch Erklärung gegenüber dem alten

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Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach den Sätzen 2 und 3 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.

(2) Die Vorschriften des Dritten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten Rechts sowie für Betriebe, die von einer öffentlichen Verwaltung geführt werden, soweit sie wirtschaftliche Zwecke verfolgen.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 12. Februar 2009 - 17 Sa 1567/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristgemäßen Kündigung.

2

Der Kläger ist 1981 geboren, verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er war nach Abschluss seiner im September 1998 begonnenen Ausbildung seit dem 21. Juli 2001 als Straßenbauarbeiter bei der beklagten Stadt beschäftigt. Aufgrund vertraglicher Verweisung findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD-AT und TVöD-BT-V) Anwendung.

3

Vom 1. bis zum 25. Februar 2008 befand sich der Kläger wegen des Vorwurfs der Zuhälterei und des Menschenhandels in Untersuchungshaft. Nach Erhebung der Anklage wegen Zuhälterei, vorsätzlicher Körperverletzung, erpresserischen Menschenraubs, Erpressung, schweren Menschenhandels und sexueller Nötigung hörte die beklagte Stadt den Kläger am 8. April 2008 zu diesen Vorwürfen an. Er bestritt deren Berechtigung. Mit rechtskräftigem Urteil vom 21. April 2008 verurteilte das Landgericht den Kläger wegen gemeinschaftlicher Zuhälterei und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Diese Verurteilung basierte ua. auf der Feststellung, dass der Kläger „mit seinem Gehalt, das er bei der [Beklagten] erzielte, nicht zufrieden (war) und einen zusätzlichen Verdienst (benötigte), um seine Familie zu ernähren“, und deshalb zusammen mit einem weiteren Täter den Entschluss gefasst hatte, „im Wege der Zuhälterei Geld zu verdienen“. Dazu hatten die Täter im März 2007 eine 18 Jahre alte tschechische Staatsbürgerin mit deren Einverständnis in Chemnitz abgeholt und nach B gebracht. Die junge Frau ging sodann in Essen und Dortmund der Prostitution nach. Im Januar 2008 beschloss der Kläger, sie nach Tschechien zurückzubringen. Als sie sich weigerte, schlug er sie mit einem Gürtel gegen ihre Unterschenkel.

4

Im April 2008 waren an mehreren Tagen Presseberichte über den Prozess und die Verurteilung des Klägers erschienen, in denen auch über das Tatmotiv des Klägers berichtet worden war.

5

Mit Schreiben vom 24. April 2008 hörte die beklagte Stadt den bei ihr gebildeten Personalrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Der Personalrat erhob keine Bedenken. Mit Schreiben vom 2. Mai 2008 kündigte die beklagte Stadt das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2008.

6

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, er habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht verletzt. Sein außerdienstliches Fehlverhalten habe keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis. Als Straßenbauer habe er keine dienstlichen Kontakte zu den Bürgern der Stadt.

7

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 2. Mai 2008 nicht aufgelöst worden ist.

8

Die beklagte Stadt hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der frühere § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT habe einen allgemeinen Grundsatz des öffentlichen Dienstes verdeutlicht, der weiterhin gelte. Begingen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes Straftaten von einem gewissen Gewicht oder Taten, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdeten, liege darin eine grobe Verletzung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten. Durch die intensive und umfangreiche Prozessberichterstattung über die Taten des Klägers und seine Motive sei ihr Ruf erheblich geschädigt worden. Der Kläger habe seine Straftaten unmittelbar mit seinem Arbeitsverhältnis verknüpft, indem er die nach seiner Meinung zu niedrigere Vergütung als Motiv öffentlich gemacht habe.

9

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.

11

I. Sie ist durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt.

12

1. Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine Vertragspflichten erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, eine weitere Störung zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint(Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 57 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 71). Der Arbeitnehmer muss dazu keine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt haben. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sozial rechtfertigen (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 12, aaO; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 21, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16).

13

2. Der Kläger hat seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten erheblich verletzt (§ 241 Abs. 2 BGB).

14

a) Nach der Neuregelung des Tarifrechts besteht für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes nicht mehr die besondere Pflicht, ihr gesamtes privates Verhalten so einzurichten, dass das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers nicht beeinträchtigt wird.

15

aa) Die außer Kraft getretenen Regelungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT und des § 8 Abs. 8 Satz 1 MTArb sahen für Angestellte und Arbeiter vor, dass sie sich auch außerdienstlich so zu verhalten hatten, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet werden konnte. Eine außerdienstlich begangene Straftat von einigem Gewicht oder verbunden mit einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung konnte auf dieser Grundlage die Kündigung eines Mitarbeiters des öffentlichen Dienstes grundsätzlich rechtfertigen (Senat 21. Juni 2001 - 2 AZR 325/00 - zu B I 2 a der Gründe, AP BAT § 54 Nr. 5 = EzA BGB § 626 nF Nr. 189; 8. Juni 2000 - 2 AZR 638/99 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 95, 78).

16

bb) Diese Regelungen sind in die seit dem 1. Oktober 2005 geltenden Tarifwerke für den öffentlichen Dienst nicht übernommen worden. § 41 TVöD-BT-V hat den früheren Verhaltensmaßstab aufgegeben(Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Nach Satz 1 der Bestimmung ist nunmehr lediglich „die im Rahmen des Arbeitsvertrags geschuldete Leistung gewissenhaft und ordnungsgemäß auszuführen“. Nach Satz 2 der Regelung müssen sich Beschäftigte des Bundes und anderer Arbeitgeber, in deren Aufgabenbereich auch hoheitliche Tätigkeiten wahrgenommen werden, überdies „durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“ bekennen. Darüber hinausgehende Anforderungen an die private Lebensführung stellt der TVöD nicht mehr, auch nicht an anderer Stelle (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 17, aaO; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand August 2010 § 41 BT-V Rn. 2; Bröhl ZTR 2006, 174, 175, 177).

17

Mit der Neuregelung haben sich die Tarifvertragsparteien von ihrer bisherigen Orientierung am Beamtenrecht entfernt und das Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst als eine „normale Leistungsaustauschbeziehung“ (Bredendiek/Fritz/Tewes ZTR 2005, 230, 237) ausgestaltet (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Die Tarifvertragsparteien - und damit auch die Arbeitgeber - haben für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes außer der Pflicht nach § 41 Satz 2 TVöD-BT-V ersichtlich keine weitergehenden Verhaltenspflichten mehr begründen wollen, als diese auch für Beschäftigte in der Privatwirtschaft gelten(Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - aaO).

18

b) § 241 Abs. 2 BGB gilt dagegen auch für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Die daraus folgende Pflicht, auf die Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen, hat der Kläger durch sein außerdienstliches strafbares Verhalten erheblich verletzt.

19

aa) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrages zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07 - Rn. 44, AP BGB § 626 Nr. 218; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 21, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16). Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann (Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 220; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 21, aaO). Er ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, aaO; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07 - Rn. 44, aaO). Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat, wenn etwa der Arbeitnehmer die Straftat unter Nutzung von Betriebsmitteln oder betrieblichen Einrichtungen begeht (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO). Ein solcher Bezug kann auch dadurch entstehen, dass sich der Arbeitgeber oder andere Arbeitnehmer staatlichen Ermittlungen ausgesetzt sehen oder in der Öffentlichkeit mit der Straftat in Verbindung gebracht werden (Senat 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07 - Rn. 58, aaO). Fehlt hingegen ein solcher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, scheidet eine Verletzung der vertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers regelmäßig aus (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 690).

20

bb) Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der Kläger seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten verletzt hat. Ungeachtet des Charakters der von ihm begangenen Straftat besteht der erforderliche Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat die Beklagte mit seiner Tat in Beziehung gebracht. Durch seine - auch in der Presse wiedergegebenen - Äußerungen im Strafverfahren hat er eine Verbindung zwischen seiner angeblich zu geringen Vergütung durch die Beklagte und seinem Tatmotiv hergestellt. Auf diese Weise hat er die Beklagte für sein strafbares Tun „mitverantwortlich“ gemacht. Er hat damit deren Integritätsinteresse erheblich verletzt. Ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, der in besonderem Maße an Recht und Gesetz gebunden ist und in dieser Hinsicht einer besonders kritischen Beobachtung durch die Öffentlichkeit unterliegt, hat ein berechtigtes und gesteigertes Interesse daran, in keinerlei - und sei es auch abwegigen - Zusammenhang mit Straftaten seiner Bediensteten in Verbindung gebracht zu werden.

21

3. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass der Kläger angesichts der Schwere seiner Pflichtverletzung nicht damit rechnen durfte, die Beklagte werde diese hinnehmen (zu diesem Maßstab Senat 23. Juni 2008 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 15. November 2001 - 2 AZR 605/00 - zu II 4 der Gründe, BAGE 99, 331, 336). Die Revision greift diese Wertung nicht an.

22

4. Die notwendige Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat alle wesentlichen, für und gegen die Unzumutbarkeit einer dauerhaften Weiterbeschäftigung des Klägers sprechenden Aspekte berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Rechtsfehlerfrei konnte es zu dem Ergebnis gelangen, dass aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung auch die persönlichen Lebensumstände des Klägers es nicht rechtfertigen, das Arbeitsverhältnis dauerhaft fortzusetzen. Einen Abwägungsfehler hat die Revision nicht aufgezeigt.

23

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

        

    Kreft    

    Schmitz-Scholemann    

        

    Eylert    

        

        

        

        

    Söller    

        

    A. Claes    

        

        

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 12. Februar 2009 - 17 Sa 1567/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristgemäßen Kündigung.

2

Der Kläger ist 1981 geboren, verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er war nach Abschluss seiner im September 1998 begonnenen Ausbildung seit dem 21. Juli 2001 als Straßenbauarbeiter bei der beklagten Stadt beschäftigt. Aufgrund vertraglicher Verweisung findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD-AT und TVöD-BT-V) Anwendung.

3

Vom 1. bis zum 25. Februar 2008 befand sich der Kläger wegen des Vorwurfs der Zuhälterei und des Menschenhandels in Untersuchungshaft. Nach Erhebung der Anklage wegen Zuhälterei, vorsätzlicher Körperverletzung, erpresserischen Menschenraubs, Erpressung, schweren Menschenhandels und sexueller Nötigung hörte die beklagte Stadt den Kläger am 8. April 2008 zu diesen Vorwürfen an. Er bestritt deren Berechtigung. Mit rechtskräftigem Urteil vom 21. April 2008 verurteilte das Landgericht den Kläger wegen gemeinschaftlicher Zuhälterei und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Diese Verurteilung basierte ua. auf der Feststellung, dass der Kläger „mit seinem Gehalt, das er bei der [Beklagten] erzielte, nicht zufrieden (war) und einen zusätzlichen Verdienst (benötigte), um seine Familie zu ernähren“, und deshalb zusammen mit einem weiteren Täter den Entschluss gefasst hatte, „im Wege der Zuhälterei Geld zu verdienen“. Dazu hatten die Täter im März 2007 eine 18 Jahre alte tschechische Staatsbürgerin mit deren Einverständnis in Chemnitz abgeholt und nach B gebracht. Die junge Frau ging sodann in Essen und Dortmund der Prostitution nach. Im Januar 2008 beschloss der Kläger, sie nach Tschechien zurückzubringen. Als sie sich weigerte, schlug er sie mit einem Gürtel gegen ihre Unterschenkel.

4

Im April 2008 waren an mehreren Tagen Presseberichte über den Prozess und die Verurteilung des Klägers erschienen, in denen auch über das Tatmotiv des Klägers berichtet worden war.

5

Mit Schreiben vom 24. April 2008 hörte die beklagte Stadt den bei ihr gebildeten Personalrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Der Personalrat erhob keine Bedenken. Mit Schreiben vom 2. Mai 2008 kündigte die beklagte Stadt das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2008.

6

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, er habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht verletzt. Sein außerdienstliches Fehlverhalten habe keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis. Als Straßenbauer habe er keine dienstlichen Kontakte zu den Bürgern der Stadt.

7

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 2. Mai 2008 nicht aufgelöst worden ist.

8

Die beklagte Stadt hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der frühere § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT habe einen allgemeinen Grundsatz des öffentlichen Dienstes verdeutlicht, der weiterhin gelte. Begingen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes Straftaten von einem gewissen Gewicht oder Taten, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdeten, liege darin eine grobe Verletzung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten. Durch die intensive und umfangreiche Prozessberichterstattung über die Taten des Klägers und seine Motive sei ihr Ruf erheblich geschädigt worden. Der Kläger habe seine Straftaten unmittelbar mit seinem Arbeitsverhältnis verknüpft, indem er die nach seiner Meinung zu niedrigere Vergütung als Motiv öffentlich gemacht habe.

9

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.

11

I. Sie ist durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt.

12

1. Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine Vertragspflichten erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, eine weitere Störung zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint(Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 57 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 71). Der Arbeitnehmer muss dazu keine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt haben. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sozial rechtfertigen (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 12, aaO; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 21, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16).

13

2. Der Kläger hat seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten erheblich verletzt (§ 241 Abs. 2 BGB).

14

a) Nach der Neuregelung des Tarifrechts besteht für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes nicht mehr die besondere Pflicht, ihr gesamtes privates Verhalten so einzurichten, dass das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers nicht beeinträchtigt wird.

15

aa) Die außer Kraft getretenen Regelungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT und des § 8 Abs. 8 Satz 1 MTArb sahen für Angestellte und Arbeiter vor, dass sie sich auch außerdienstlich so zu verhalten hatten, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet werden konnte. Eine außerdienstlich begangene Straftat von einigem Gewicht oder verbunden mit einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung konnte auf dieser Grundlage die Kündigung eines Mitarbeiters des öffentlichen Dienstes grundsätzlich rechtfertigen (Senat 21. Juni 2001 - 2 AZR 325/00 - zu B I 2 a der Gründe, AP BAT § 54 Nr. 5 = EzA BGB § 626 nF Nr. 189; 8. Juni 2000 - 2 AZR 638/99 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 95, 78).

16

bb) Diese Regelungen sind in die seit dem 1. Oktober 2005 geltenden Tarifwerke für den öffentlichen Dienst nicht übernommen worden. § 41 TVöD-BT-V hat den früheren Verhaltensmaßstab aufgegeben(Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Nach Satz 1 der Bestimmung ist nunmehr lediglich „die im Rahmen des Arbeitsvertrags geschuldete Leistung gewissenhaft und ordnungsgemäß auszuführen“. Nach Satz 2 der Regelung müssen sich Beschäftigte des Bundes und anderer Arbeitgeber, in deren Aufgabenbereich auch hoheitliche Tätigkeiten wahrgenommen werden, überdies „durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“ bekennen. Darüber hinausgehende Anforderungen an die private Lebensführung stellt der TVöD nicht mehr, auch nicht an anderer Stelle (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 17, aaO; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand August 2010 § 41 BT-V Rn. 2; Bröhl ZTR 2006, 174, 175, 177).

17

Mit der Neuregelung haben sich die Tarifvertragsparteien von ihrer bisherigen Orientierung am Beamtenrecht entfernt und das Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst als eine „normale Leistungsaustauschbeziehung“ (Bredendiek/Fritz/Tewes ZTR 2005, 230, 237) ausgestaltet (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Die Tarifvertragsparteien - und damit auch die Arbeitgeber - haben für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes außer der Pflicht nach § 41 Satz 2 TVöD-BT-V ersichtlich keine weitergehenden Verhaltenspflichten mehr begründen wollen, als diese auch für Beschäftigte in der Privatwirtschaft gelten(Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - aaO).

18

b) § 241 Abs. 2 BGB gilt dagegen auch für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Die daraus folgende Pflicht, auf die Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen, hat der Kläger durch sein außerdienstliches strafbares Verhalten erheblich verletzt.

19

aa) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrages zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07 - Rn. 44, AP BGB § 626 Nr. 218; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 21, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16). Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann (Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 220; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 21, aaO). Er ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, aaO; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07 - Rn. 44, aaO). Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat, wenn etwa der Arbeitnehmer die Straftat unter Nutzung von Betriebsmitteln oder betrieblichen Einrichtungen begeht (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO). Ein solcher Bezug kann auch dadurch entstehen, dass sich der Arbeitgeber oder andere Arbeitnehmer staatlichen Ermittlungen ausgesetzt sehen oder in der Öffentlichkeit mit der Straftat in Verbindung gebracht werden (Senat 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07 - Rn. 58, aaO). Fehlt hingegen ein solcher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, scheidet eine Verletzung der vertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers regelmäßig aus (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 690).

20

bb) Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der Kläger seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten verletzt hat. Ungeachtet des Charakters der von ihm begangenen Straftat besteht der erforderliche Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat die Beklagte mit seiner Tat in Beziehung gebracht. Durch seine - auch in der Presse wiedergegebenen - Äußerungen im Strafverfahren hat er eine Verbindung zwischen seiner angeblich zu geringen Vergütung durch die Beklagte und seinem Tatmotiv hergestellt. Auf diese Weise hat er die Beklagte für sein strafbares Tun „mitverantwortlich“ gemacht. Er hat damit deren Integritätsinteresse erheblich verletzt. Ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, der in besonderem Maße an Recht und Gesetz gebunden ist und in dieser Hinsicht einer besonders kritischen Beobachtung durch die Öffentlichkeit unterliegt, hat ein berechtigtes und gesteigertes Interesse daran, in keinerlei - und sei es auch abwegigen - Zusammenhang mit Straftaten seiner Bediensteten in Verbindung gebracht zu werden.

21

3. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass der Kläger angesichts der Schwere seiner Pflichtverletzung nicht damit rechnen durfte, die Beklagte werde diese hinnehmen (zu diesem Maßstab Senat 23. Juni 2008 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 15. November 2001 - 2 AZR 605/00 - zu II 4 der Gründe, BAGE 99, 331, 336). Die Revision greift diese Wertung nicht an.

22

4. Die notwendige Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat alle wesentlichen, für und gegen die Unzumutbarkeit einer dauerhaften Weiterbeschäftigung des Klägers sprechenden Aspekte berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Rechtsfehlerfrei konnte es zu dem Ergebnis gelangen, dass aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung auch die persönlichen Lebensumstände des Klägers es nicht rechtfertigen, das Arbeitsverhältnis dauerhaft fortzusetzen. Einen Abwägungsfehler hat die Revision nicht aufgezeigt.

23

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

        

    Kreft    

    Schmitz-Scholemann    

        

    Eylert    

        

        

        

        

    Söller    

        

    A. Claes    

        

        

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 6. Mai 2010, Az.: 8 Ca 1944/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Arbeitgeberkündigung vom 13.12.2009 wegen tätlichen Angriffs auf einen Arbeitskollegen.

2

Der Kläger (geb. am … 1976, verheiratet, zwei Kinder) war seit dem 01.06.2008 im Werk der Beklagten in C-Stadt als Monteur zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von € 2.869,40 beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt dort ca. 2.000 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat.

3

Vom 30.11. auf den 01.12.2009 arbeitete der Kläger in der Nachtschicht von 22:00 bis 06:00 Uhr. Gegen 01:00 Uhr klingelte das sog. Bereichstelefon. Als der Arbeitnehmer X. W. zum Telefon ging, um den Hörer abzunehmen, hörte es auf zu klingeln. An einer benachbarten Werkstation arbeitete der Kläger, der den Vorfall beobachtete und daraufhin zu lachen anfing (so die Beklagte) bzw. lächelte (so der Kläger). W. fragte den Kläger deshalb, ob er angerufen habe. Der Kläger antwortete ihm nicht, ging direkt auf ihn zu, wobei er 6 bis 7 Meter überwand, und schlug W. mit der flachen Hand ins Gesicht. Dies geschah so überraschend, dass der Arbeitskollege sich nicht verteidigen konnte. W. erlitt durch den Schlag eine Prellung des linken Jochbeins und wurde wegen seiner Verletzung bis einschließlich 06.12.2009 arbeitsunfähig krankgeschrieben.

4

Mit Anhörungsbogen vom 07.12.2009 (Bl. 57-63 d.A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers an. Der Betriebsrat gab keine Stellungnahme ab. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 13.12.2009 fristlos und mit Schreiben vom 16.12.2009 hilfsweise ordentlich zum 31.01.2010. Gegen beide Kündigungen wendet sich der Kläger mit seiner am 22.12.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

5

Der Kläger hat erstinstanzlich u.a. geltend gemacht, er habe sich von seinem Arbeitskollegen unberechtigt beschuldigt gefühlt, den Telefonanruf getätigt zu haben, und ihn mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen. Die Grundlage des Schlages liege in seiner Persönlichkeitsstruktur. Er sei in der Nacht vom 30.11. auf den 01.12.2009 nicht in der Lage gewesen, sein Verhalten zu steuern. Er leide an einer emotional-instabilen Persönlichkeit vom impulsiven Typus und einer depressiven Anpassungsstörung. Aufgrund dieser psychischen Störung zeige er sehr oft aggressives Verhalten. Er habe in der Vergangenheit auch seine Ehefrau des Öfteren geschlagen. Die Anlässe hierfür könnten völlig nichtig sein. Sein Problem sei, dass er - wenn er sich von Dritten ungerecht beschuldigt fühle - zu aggressiven Ausbrüchen neige. Er werde seit Dezember 2009 von einer Fachärztin für Psychiatrie, behandelt. Er habe alles unternommen, um solche Vorfälle für die Zukunft auszuschließen.

6

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

7

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung vom 13.12.2009 noch die hilfsweise fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 16.12.2009 zum 31.01.2010 beendet wird,
im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Monteur weiterzubeschäftigen.

8

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 06.05.2010 die Klage abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, die fristlose Kündigung der Beklagten sei wegen des tätlichen Angriffs auf den Arbeitskollegen gerechtfertigt. Der Kläger gehe selbst von einer Wiederholungsgefahr aus, wenn er vortragen lasse, dass er seine Aggressionen krankheitsbedingt nicht kontrollieren könne. Der Arbeitgeber habe die Pflicht, Mitarbeiter vor aggressiven Arbeitnehmern, gleich ob die Aggression krankheitsbedingt sei oder nicht, zu schützen. Es sei weder der Beklagten noch den Arbeitskollegen des Klägers zumutbar einen weiteren Vorfall, der gravierendere Folgen haben könnte, abzuwarten. Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Seite 4 bis 6 des Urteils vom 06.05.2010 (= Bl. 90-92 d.A.) Bezug genommen.

11

Gegen das genannte Urteil, das ihm am 14.05.2010 zugestellt worden ist, hat der Kläger mit am 11.06.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 16.08.2010 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 16.08.2010, der am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, begründet.

12

Der Kläger trägt vor, es sei nicht nachvollziehbar, wie das Arbeitsgericht zu der Annahme komme, dass er eine andere Person ohne ersichtlichen Grund schlagen würde. Diese Annahme des Arbeitsgerichts sei lebensfremd. Tatsächlich habe er sich durch den Arbeitskollegen beschuldigt gefühlt. Es liege nahe, dass W. sehr gereizt gewesen sei. Zudem sei es schon spät in der Nacht gewesen, so dass es nahe liege, dass sein Kollege erschöpft gewesen sei. Dementsprechend habe ihn der Arbeitskollege auch nicht sachlich gefragt, ob er den Telefonanruf getätigt habe. Er sei vielmehr wütend und genervt bzw. gereizt und beschuldigend gewesen. W. habe ihn aggressiv angefahren. Es habe sich bei seiner Frage, um eine Schuldzuweisung gehandelt. Das Arbeitsgericht sei deshalb zu Unrecht davon ausgegangen, dass er von seinem Arbeitskollegen nicht provoziert worden sei. Er habe zwar unverhältnismäßig auf den „Angriff“ des Kollegen reagiert; ihm habe sein „unangemessenes Verhalten“ aber Leid getan. Der Arbeitskollege habe seine Entschuldigung angenommen. Er habe schuldlos gehandelt, weil er allein wegen seines Krankheitsbildes aggressiv gewesen sei. Seit dem Vorfall werde er medikamentös therapiert. Künftige Tätlichkeiten seien nicht zu erwarten. Es sei vielmehr eine positive Zukunftsprognose anzustellen (Beweis: Parteivernehmung des Klägers). Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts, sei eine Abmahnung nicht entbehrlich gewesen. Die Interessenabwägung hätte zu seinen Gunsten ausfallen müssen, eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hätte ihn die Beklagte zunächst für eine Zeit freistellen können, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich ärztliche Hilfe zu suchen. Die Betriebsratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Im Anhörungsbogen stehe, dass er „gelacht“ habe, als W. den Telefonhörer abnehmen wollte. Das treffe nicht zu, er habe lediglich „gelächelt“. Außerdem sei dem Betriebsrat mitgeteilt worden, der Arbeitskollege habe ihn nicht provoziert. Auch das sei unrichtig. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 16.08.2010 (Bl. 125-133 d.A.) Bezug genommen.

13

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

14

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 06.05.2010, Az.: 8 Ca 1944/09, abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 13.12.2009 und die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 16.12.2009 nicht aufgelöst worden ist.

15

Die Beklagte beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 20.09.2010 (Bl. 142-149 d.A.), auf den Bezug genommen wird, als zutreffend.

18

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

19

Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung ist somit zulässig.

II.

20

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet, denn das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.12.2009 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden.

21

1. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der auch die Berufungskammer folgt, ein tätlicher Angriff auf einen Arbeitskollegen grundsätzlich geeignet ist, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung zu bilden (vgl. nur: BAG Urteil vom 18.09.2008 - 2 AZR 1039/06 - DB 2009, 964 sowie BAG Urteil vom 06.10.2005 - 2 AZR 280/04 - NZA 2006, 431; m.w.N.). Der tätliche Angriff auf einen Arbeitskollegen stellt eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Rechte und Interessen des anderen Arbeitnehmers dar. Der Arbeitgeber ist seinerseits nicht nur allen Arbeitnehmern verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sie keinen Tätlichkeiten ausgesetzt sind, sondern hat auch ein eigenes Interesse daran, dass die betriebliche Zusammenarbeit nicht durch tätliche Auseinandersetzungen beeinträchtigt wird und Mitarbeiter verletzt werden und ggf. ausfallen. Ferner darf der Arbeitgeber auch berücksichtigen, wie sich ein solches Verhalten auf die übrigen Arbeitnehmer und den Betrieb auswirkt, wenn er von einer Kündigung absieht. Insoweit handelt es sich noch um die Folgen seines Fehlverhaltens, für das der Arbeitnehmer einzustehen hat (BAG vom 18.09.2008 - 2 AZR 1039/06 und vom 06.10.2005 - 2 AZR 188/93; a.a.O.; m.w.N.).

22

2. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass der hier streitgegenständliche Vorfall vom 01.12.2009 den Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 13.12.2009 rechtfertigt.

23

2.1. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger seinen Arbeitskollegen W. in der Nachtschicht gegen 01:00 Uhr mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen hat. Der Arbeitskollege war wegen seiner Verletzungen bis zum 06.12.2009 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Schlag ins Gesicht stellt unzweifelhaft einen tätlichen Angriff auf den Arbeitskollegen dar. Damit hat der Kläger seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht schwer verletzt. Er hat durch Anwendung körperlicher Gewalt eine eindeutig einzuhaltende Grenze überschritten.

24

2.2. Der Kläger kann sein Verhalten nicht damit entschuldigen, dass ihn sein Arbeitskollege zu dem Schlag ins Gesicht provoziert habe, wobei die Berufungskammer nicht verhehlt, dass sie den zweitinstanzlichen Vortrag des Klägers dazu, weshalb er sich von seinem Kollegen provoziert gefühlt hat, schlicht für eine Zumutung hält. Elemente eines provozierenden Verhaltens des Tatopfers sind nicht ansatzweise erkennbar. Der Schlag ins Gesicht kann nicht damit entschuldigt werden, dass der Arbeitskollege den Kläger - wie gereizt auch immer - gefragt hat, ob er den Telefonanruf getätigt hat.

25

2.3. Auch für ein schuldloses Handeln des Klägers bestehen keine Anhaltspunkte. Dass sich der Kläger am 01.12.2009 in einem Zustand der krankhaften Störung der Geistestätigkeit befunden hätte, der nach §§ 276 Abs. 1 Satz 3, 827 BGB ein Verschulden hätte ausschließen können, hat der Kläger selbst nicht geltend gemacht. Es mag sein, dass er an einer „emotional-instabilen Persönlichkeit vom impulsiven Typus und einer depressiven Anpassungsstörung“ leidet. Der Kläger war nach seinem erstinstanzlichen Vortrag so aggressiv und gewalttätig, dass er seine Ehefrau des Öfteren „aus völlig nichtigem Anlass“ geschlagen hat.

26

Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass er aufgrund einer krankhaften Persönlichkeitsstörung zum Tatzeitpunkt nicht steuerungsfähig war, wofür nicht das geringste spricht, so hat er mit seinem tätlichen Angriff gegen den Arbeitskollegen die betriebliche Ordnung derart gravierend gestört, dass der Beklagten eine Weiterbeschäftigung nicht einmal für den Lauf der Kündigungsfrist zumutbar war. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte im Interesse der betrieblichen Sicherheit keine andere Lösung wählen konnte. Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Arbeitgeber die Pflicht hat, seine Mitarbeiter vor aggressiven Kollegen zu schützen. Dabei ist es gleichgültig, ob das aggressive und gewalttätige Verhalten auf krankheitsbedingten Ursachen beruht oder nicht. In Fällen wie dem Vorliegenden muss es dem Arbeitgeber möglich sein, auf das objektiv vertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers angemessen zu reagieren, ohne dass es darauf ankommt, ob dem Arbeitnehmer letztlich ein Schuldvorwurf zu machen ist. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch schuldlose Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers ausnahmsweise einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung geben können (vgl. BAG Urteil vom 21.01.1999 - 2 AZR 665/98 - NZA 1999, 863).

27

Die Ausführungen des Klägers zur krankheitsbedingten Kündigung liegen neben der Sache. Denn entscheidungserheblich ist nicht etwa die Frage einer negativen Prognose als Voraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung, die in aller Regel nur mit ärztlichem Sachverstand geklärt werden kann. Hier geht es vielmehr um die Beurteilung einer Wiederholungsgefahr im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung, die durch die Tat und ihre Begleitumstände selbst indiziert wird. Diese Wiederholungsgefahr im Sinne eines latenten Sicherheitsrisikos besteht nach wie vor.

28

Wenn sich der Kläger schon zu einem Schlag ins Gesicht provoziert fühlt, weil ihn ein Arbeitskollege nicht sachlich fragt, sondern „wütend und genervt“ bzw. „gereizt und beschuldigend“, - was die Berufung als Entschuldigungsgrund anführt - kann die Beklagte nicht darauf vertrauen, dass sich der Kläger bei eventuellen künftigen Vorfällen besser unter Kontrolle halten wird. Welche Therapie der Kläger mit welchem Ergebnis tatsächlich durchgeführt hat, ist nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden.

29

2.5. Selbst wenn die vorliegende Kündigung nach den Maßstäben einer krankheitsbedingten Kündigung zu messen wäre, wofür nichts spricht, wäre die unsubstantiierte Behauptung des Klägers, sein Gesundheitszustand habe sich gebessert, nicht zu berücksichtigen.

30

Maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Das gilt auch für die bei einer krankheitsbedingten Kündigung anzustellende Gesundheitsprognose (vgl. BAG Urteil vom 21.02.2001 - 2 AZR 558/99 - NZA 2001, 1071, m.w.N.). Dass sich der Kläger bereits vor Kündigungsausspruch in ärztliche Behandlung begeben und zu einer Verhaltenstherapie (wenigstens) angemeldet hätte, hat er selbst nicht behauptet. Nach seinem Vortrag will er „im Dezember 2009“ eine Fachärztin für Psychiatrie aufgesucht haben. Die sich nach unsubstantiierter Darlegung des Klägers jetzt abzeichnende mögliche gesundheitlich positive Entwicklung beruht auf einem Kausalverlauf, welcher - wenn überhaupt - erst nach Zugang der Kündigung einsetzte. Er ist für die Beurteilung nicht verwertbar. Ob der Kläger seine Aggressionen nunmehr im Griff hat, kann deshalb offen bleiben. Es fehlt sowohl an einem hinreichenden Sachvortrag als auch an einem zulässigen Beweisantritt. Die angebotene eigene Parteivernehmung ist kein taugliches Beweisangebot.

31

3. Das Arbeitsgericht hat im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der auch die Berufungskammer folgt, zu Recht angenommen, dass es bei Tätlichkeiten unter Arbeitskollegen vor Ausspruch einer Kündigung grundsätzlich keiner Abmahnung bedarf (BAG Urteil vom 31.03.1993 - 2 AZR 492/92 - NZA 1994, 409; m.w.N.). Entgegen der Ansicht der Berufung muss der Arbeitnehmer in einem solchen Fall von vornherein wissen, dass der Arbeitgeber tätliche Angriffe nicht duldet und missbilligt. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, den Kläger „zunächst für eine Zeit freizustellen“, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich ärztliche Hilfe zu suchen. Dies gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entgegen der Ansicht des Klägers nicht.

32

4. Im Rahmen der stets vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das Interesse der Beklagten an der fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Klägers am Erhalt seines Arbeitsplatzes. Auch dies hat das Arbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.

33

Zu Gunsten des Klägers sprechen seine Unterhaltspflichten gegenüber der Ehefrau und seinen beiden Kindern. Der Kläger war bei Zugang der Kündigung 33 Jahre alt und damit relativ jung. Seine Betriebszugehörigkeit betrug gerade einmal 18 Monate. Entscheidend gegen den Kläger fällt ins Gewicht, dass er ohne nachvollziehbaren Anlass einen Arbeitskollegen während der Arbeitszeit unversehens mit einem Schlag ins Gesicht tätlich angegriffen hat. Selbst wenn der Arbeitskollege den Kläger zu Unrecht bezichtigt haben sollte, ihm einen Telefonstreich gespielt zu haben, rechtfertigt dies in keiner Weise das gewaltsame Vorgehen des Klägers. Entscheidend zu Gunsten der Beklagten spricht ihr Interesse, sich zur Verhinderung vergleichbarer Vorfälle sofort von dem gewalttätigen Kläger zu trennen. Dies gilt umso mehr als der Kläger nach seiner eigenen Einlassung schon dann zu Schlägen provoziert wird, wenn er sich von einem Kollegen „beschuldigt fühlt“.

34

Die Beklagte durfte auch berücksichtigen, wie es sich auf die anderen Arbeitnehmer auswirkt, wenn sie das gewalttätige Verhalten des Klägers sanktionslos hinnimmt. Der Kläger hat den Betriebsfrieden in schwerwiegender Weise gestört. Tätliche Angriffe gegen Arbeitskollegen sind schwere Vertragsverletzungen und können nicht hingenommen werden. Der Beklagten war es nicht zuzumuten, den Kläger auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist, hier bis zum 31.01.2010, weiterzubeschäftigen. Der Kläger hat dies durch sein Fehlverhalten selbst unmöglich gemacht. Die Beklagte durfte in der gegebenen Situation mit der fristlosen Kündigung reagieren, um eine weitere Gefährdung ihrer Mitarbeiter durch den Kläger auszuschließen und damit gleichzeitig ein unmissverständliches Zeichen zu setzen, dass tätliche Angriffe auf Arbeitskollegen nicht geduldet werden.

35

5. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die außerordentliche Kündigung vom 13.12.2009 auch nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam.

36

Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG alle Kündigungsgründe mitteilen, die ihm bekannt sind und auf die er die Kündigung stützen will. Entscheidend sind die tatsächlich angestellten Überlegungen. Die Beklagte hat den Betriebsrat in ihrem fünfseitigen Anhörungsschreiben vom 07.12.2009 über ihre Erwägungen und die ihr bekannten Tatsachen umfassend unterrichtet. Sie hat dem Betriebsrat - wörtlich - folgenden Sachverhalt geschildert:

37

„Im Center 25 klingelte das Bereichstelefon. Als Herr X. W. den Anruf entgegennehmen wollte, hörte es auf zu klingeln. An einer benachbarten Werkstation fing [der Kläger] an zu lachen. Herr W. fragte daraufhin [den Kläger], ob er dies gewesen sei. Ohne eine Antwort zu geben, ging [der Kläger] zu Herrn W. und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht.“

38

Ob der Kläger „gelacht“ oder „gelächelt“ hat, war für den Kündigungsentschluss der Beklagten völlig irrelevant. Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Berufung meint, es könne den tätlichen Angriff des Klägers auf den Arbeitskollegen entschuldigen oder auch nur in einem milderen Licht erscheinen lassen, wenn er „lediglich gelächelt“ habe. Ob der Kläger über den Telefonstreich „gelacht“ oder „gelächelt“ hat, wirkt sich weder beim vorliegenden Kündigungsvorwurf (Schlag ins Gesicht) noch im Rahmen der Interessenabwägung zu seinen Gunsten aus.

39

Entgegen der Auffassung der Berufung ist die Betriebsratsanhörung auch nicht deshalb unwirksam, weil eine vermeintliche Provokation des Klägers durch den Arbeitskollegen keinen Eingang in das Anhörungsschreiben gefunden hätte. Wenn der Kläger die im Anhörungsschreiben aufgeführte Frage des Arbeitskollegen, ob er den Telefonanruf getätigt hat, bereits als Provokation interpretiert, rechtfertigt dies noch lange keine körperliche Gewalt. Für bewusst unrichtige oder unvollständige Sachverhaltsangaben gegenüber dem Betriebsrat, durch die bei diesem ein falsches Bild über den Geschehensablauf entstehen könnte, besteht nicht der geringste Anhaltspunkt.

III.

40

Nach alledem ist die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.12.2009 wirksam. Die Berufung des Klägers ist mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

41

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung, die die Beklagte zum einen als Tatkündigung und zum anderen als Verdachtskündigung ausgesprochen hat. Außerdem ist über ein Auflösungsantrag der Beklagten zu entscheiden.

2

Der Kläger ist im Pharmaaußendienst beschäftigt. Die Beklagte hat ihre Außendienstler zu Teams zusammengefasst. Im Team des Klägers waren wohl fünf oder etwas mehr Außendienstler zusammengefasst. Im Team des Klägers arbeitet unter anderem Frau Z., Frau K., Frau V. und Herr F.. Vorgesetzter des Teams ist Herr M..

3

Ausgangspunkt der Differenzen der Parteien war eine Bemerkung des Klägers gegenüber Frau Z. am 06.12.2006. An diesem Tag hatten sich die Mitglieder des Teams zu einer Besprechung getroffen und Frau Z. war gerade damit beschäftigt den Laptop und den Beamer für einen Vortrag vorzubereiten, als der Kläger sie ansprach und sinngemäß zu ihr gewandt sagte: Wieso dauert das Hochfahren des Laptops so lange, hast du da etwa Pornofilme drauf.

4

Ob es an diesem Tag noch einen weiteren Vorfall ähnlicher Art gab, ist streitig geblieben, ebenso wie die Frage, ob dem Kläger im Vorlauf zur Kündigung noch ein weitergehender Vorwurf bezüglich des weiteren Verlaufs des soeben wiedergegebenen Gespräches gemacht worden ist.

5

Die Äußerung gegenüber Frau Z. ist nicht der Grund der Kündigung des Klägers. Die Beklagte hat den Kläger vielmehr gekündigt, weil er im Rahmen der betriebsinternen Aufklärung des Sachverhaltes seine Kolleginnen und Kollegen im Team der Lüge bezichtigt habe.

6

Dem liegt folgendes Geschehen zur Grunde. Frau Z. hatte sich bei ihren Vorgesetzten über den Kläger beschwert. Die Beschwerde betraf den oben wiedergegebenen Sachverhalt sowie "eine weitere Situation im Zusammenhang mit dem Handy von Frau Z., bezüglich dessen" der Kläger "eine ähnliche Bemerkung machte" (Zitat aus der Anhörung des Betriebsrates durch die Beklagte vom 29.01.2007). Über mehrere Zwischenstufen gelangte die Beschwerde zur Personalabteilung der Beklagten in Nürnberg. In Absprache mit dem Betriebsrat wurde der Kläger nach Nürnberg geladen, um ihn zu den Vorfällen anzuhören.

7

In diesem Gespräch am 15.01.2007 wurde ihm die Beschwerde von Frau Z. vorgehalten und es wurde dazu angemerkt, es gäbe weitere Mitarbeiter, die die Vorwürfe bestätigen könnten. Darauf hat der Kläger sinngemäß erklärt:

8

Wenn die Kolleginnen und Kollegen wahrheitsgemäße Bekundungen

9

abgeben würden, müssten sie erklären, dass die ihm unterschobenen Äußerungen nicht stimmten.

10

Auf Grund dieser Einlassung endete die Anhörung am 15.01.2007 mit dem Plan, die Zeugen und Zeuginnen gemeinsam (Personalabteilung und Betriebsrat) zu befragen. Der Zeuge S. konnte zu dem Vorfall nichts sagen, die Zeuginnen K. und V. bestätigten das von Frau Z. behauptete Geschehen ebenso wie der Zeuge F..

11

Ob im Anschluss an diesen Aufklärungsschritt der Kläger nochmals angehört wurde, ist streitig geblieben.

12

Die Beklagte erklärt, sie habe durch den Umstand, dass der Kläger seine Kolleginnen und Kollegen im Team der Lüge bezichtigt, jegliches Vertrauen in ihn verloren, daher sei die Fortsetzung der Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar. Nach Anhörung des Betriebsrates wurde daher unter dem 01.02.2007 eine außerordentliche und ordentliche Tatkündigung und unter dem 02.02.2007 eine außerordentliche und ordentliche Verdachtskündigung ausgesprochen.

13

Der Kläger hat innerhalb der gesetzlichen Frist beide Kündigungen mit der Klage angegriffen. Wegen des Prozessverhaltens des Klägers hat die Beklagte im Laufe des Rechtsstreits in erster Instanz zusätzlich einen Auflösungsantrag gestellt.

14

Das Arbeitsgericht Rostock hat mit Urteil vom 12.06.2007, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen wird, der Klage im vollen Umfang stattgegeben und wie folgt in der Hauptsache tenoriert:

15

"1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die fristlose Kündigung vom 01.02.2007 noch durch die am gleichen Tage ausgesprochene vorsorgliche ordentliche bzw. fristgemäße Kündigung aufgelöst wurde.

16

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die fristlose Kündigung vom 02.02.2007 noch durch die am gleichen Tage ausgesprochene vorsorgliche ordentliche bzw. fristgemäße Kündigung aufgelöst wurde.

17

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits entsprechend dem Anstellungsvertrag zum 01.01.2002 als Pharmaberater weiterzubeschäftigen.

18

4. Der Auflösungsantrag wird abgewiesen."

19

Das Urteil ist der Beklagten am 20.06.2007 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung vom 29.06.2007 (Gerichtseingang per Fax am selben Tag) ist mit Schriftsatz vom 14.08.2007, Gerichtseingang per Fax am selben Tag, begründet worden.

20

Die Beklagte behauptet, dem Kläger sei in dem Gespräch am 15.01.2007 nur der oben im unstreitigen Teil wiedergegebene Vorfall vorgehalten worden. Die weitergehende klägerische Behauptung, Herr M. habe ihm zusätzlich vorgeworfen, er habe Frau Z. angeboten, die Pornos gemeinsam auf dem Zimmer anzusehen, sei falsch.

21

Der Kläger sei auch nach der Befragung der Zeugen durch Geschäftsführung und Betriebsrätin nochmals befragt worden und er sei bei seiner Einlassung beblieben.

22

Für die Beklagte stehe daher fest, dass der Kläger wider besseres Wissen seine Kolleginnen und Kollegen der Lüge bezichtigt hätte. Daher sei es unzumutbar, das Arbeitsverhältnis weiter fortzusetzen.

23

Da der Kläger im Rechtsstreit sogar versucht habe, der Beklagten zu unterstellen, vorsätzlich eine Kampagne gegen den Kläger zu führen, sei auch der Auflösungsantrag begründet.

24

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils

25

1. die Klage abzuweisen;

26

2. hilfsweise das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wobei die Abfindung ein früheres Bruttomonatsgehalt nicht übersteigen sollte.

27

Der Kläger beantragt,

28

die Berufung zurückzuweisen.

29

Der Kläger behauptet, ihm sei am 15.01.2007 von Herrn M. vorgeworfen worden, er habe Frau Z. ermuntert, die Pornos auf dem Laptop gemeinsam anzuschauen. Da er dies als den Kern des Vorwurfs angesehen habe, habe er den Vorfall mit Recht abgestritten.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

31

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

32

1. Die außerordentlichen Kündigungen sind unwirksam, da es an einem wichtigen Grund zur Kündigung im Sinne von § 626 BGB mangelt.

33

a) Die Beklagte hat nicht deutlich gemacht, ob sie den Grund der Kündigung auch darin sieht, dass sich der Kläger in der Anhörung ihr gegenüber unwahr eingelassen hat.

34

Daher ist zu betonen, dass eine Lüge gegenüber dem Arbeitgeber die Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag.

35

Eine Lüge könnte nur insoweit pflichtwidrig sein, als der Arbeitnehmer aus vertraglicher Nebenpflicht zur wahrheitsgemäßen Auskunft verpflichtet wäre. Das ist im laufenden Arbeitsverhältnis nicht uneingeschränkt der Fall. Die Auskunftspflicht des Arbeitnehmers setzt vielmehr ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers voraus.

36

Dieses Interesse muss gerade im Zusammenhang mit dem bestehenden Arbeitsverhältnis vorliegen. Da sich die Auskunft nur auf das Bestehen oder den Umfang von Rechten aus dem Arbeitsverhältnis beziehen kann, muss ein Zusammenhang mit der Erfüllung der vom Arbeitnehmer geschuldeten vertraglichen Leistung, mit dessen sonstiger Pflichtenbindung oder mit der Pflichtenbindung des Arbeitgebers bestehen. Ein bloß allgemeiner Zweckzusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis reicht hier nicht aus. Die gesetzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Prozess und gesetzliche Beweislastregeln sind dabei zu berücksichtigen. Die Darlegungs- und Beweissituation darf nicht durch die Gewährung materiellrechtlicher Auskunftsansprüche unzulässig verändert werden. Der Auskunftsanspruch kann nach Treu und Glauben nur da ergänzend eingreifen, wo auch die grundsätzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast einer entsprechenden Korrektur bedarf. Nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG hat der Arbeitgeber die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen. Eine vorprozessuale Auskunftspflicht des Arbeitnehmers stünde hierzu im Widerspruch. Soweit nicht besondere rechtliche Grundlagen bestehen, ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, außergerichtliche Erklärungen zu möglichen Kündigungsgründen abzugeben (BAG 07.09.1995 - 8 AZR 828/93 - BAGE 81, 15 = AP Nr. 24 zu § 242 BGB Auskunftspflicht = DB 1996, 634).

37

Gemessen an diesem Maßstab kann in der falschen Beantwortung der Fragen der Beklagten zu den von Frau Z. erhobenen Vorwürfen keine Pflichtverletzung des Klägers gesehen werden, denn die Befragung stand unter dem Vorzeichen einer möglichen Kündigung des Klägers wegen dieses Vorfalls. Insofern war der Kläger nicht verpflichtet, wahrheitsgemäße Auskünfte zu geben.

38

b) Auch soweit die Beklagte dem Kläger vorwirft, er habe seine Kolleginnen und Kollegen der Lüge bezichtigt, ergibt sich daraus wegen der Umstände des Einzelfalls kein Kündigungsgrund.

39

Insoweit ist mit der Beklagten davon auszugehen, dass die Bezichtigung der Kollegen der Lüge je nach Lage des Einzelfalles die Möglichkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eröffnet. So hat das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden, dass Beleidigungen, verbale Bedrohungen, üble Nachrede und Verleumdung gegenüber dem Arbeitgeber oder gegenüber Arbeitskollegen grundsätzlich geeignet seien, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG 21.01.1999 AP Nr. 151 zu § 626 BGB). Wie bei allen anderen Kündigungsgründen auch müssen die Vorfälle jedoch ein gewisses Gewicht haben, sie müssen betriebliche Auswirkungen haben, etwa indem sie den Betriebsfrieden stören.

40

Gemessen an diesem Maßstab liegt ein Kündigungsgrund nicht vor.

41

Das Gericht hat bereits Zweifel daran, ob die Einlassung des Klägers bei seiner Anhörung am 15.01.2007 überhaupt objektiv ehrverletzend war oder als üble Nachrede bezeichnet werden könnte.

42

Denn wenn der Kläger sagt, wenn die Zeugen bei der Wahrheit bleiben würden, müssten sie bekunden, dass die ihm unterschobenen Äußerungen nicht der Wahrheit entsprechen, so gibt er das Geschehene ersichtlich aus seiner Erkenntniswelt wieder. Mit Wahrheit meint er also seine Wahrheit, also seine eigene Erinnerung. In diesem Sinne hat der Satz nur den Aussagegehalt, dass die Zeugen seine - des Klägers - Erinnerung bestätigen müssten.

43

Aber selbst dann, wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, der Kläger hätte mit dieser Einlassung am 15.01.2007 aussagen wollen, die Beschwerde der Frau Z. sei erfunden und die von ihr aufgebotenen Zeugen hätten vorsätzlich ein falsches Zeugnis abgelegt, könnte dies die Kündigung noch nicht rechtfertigen.

44

Denn aus den Gesamtumständen ergibt sich objektiv nur ein geringes Gewicht dieser Äußerung. Dies schließt das Gericht aus der Äußerung selbst und aus dem Kontext, in dem sie gefallen ist.

45

Insoweit ist beachtlich, dass der Kläger die Zeugen nicht wörtlich als Lügner bezeichnet hat, sondern nur defensiv quasi seine Meinung zum Wahrheitsgehalt der Aussagen wiedergegeben hat. Auch muss beachtet werden, dass der Kläger weder Verallgemeinerungen ("lügen mal wieder ...") vorgenommen hat noch ein besonderes Unwerturteil formuliert hat (z. B. "die Lügnerin" oder "infame Lüge" oder eine ähnliche Formulierung). Gerade seine umständliche und farblose Ausdrucksweise zeigt vielmehr, dass er sich auch subjektiv zu jenem Zeitpunkt darum bemühte, mit seiner Aussage niemanden anzugreifen.

46

Zudem muss beachtet werden, dass die Worte in der Anhörung ohne Anwesenheit der Zeuginnen und Zeugen gefallen sind. Der Kläger musste zwar damit rechnen, dass die Beklagte die Zeuginnen und Zeugen mit seiner Aussage konfrontieren würde, angesichts seiner Einlassung musste er aber nicht damit rechnen, dass die Beklagte die Zeugen damit konfrontieren würde, er - der Kläger - hätte die Zeugen der Lüge bezichtigt.

47

Letztlich ist noch hervorzuheben, dass es auch nicht ersichtlich ist, dass die Einlassung des Klägers in der Anhörung am 15.01.2007 negative betriebliche Folgen hatte. Eine dadurch ausgelöste Störung des Betriebsfriedens kann nicht festgestellt werden.

48

Abschließend ist zu diesem Punkt noch festzuhalten, dass das Gericht nur die Einlassungen des Klägers im ersten Anhörungsgespräch am 15.01.2007 bewerten kann. Denn der Kläger hat in beiden Instanzen bestritten, dass es nach dem 15.01.2007 und nach den weiteren Ermittlungen der Beklagten überhaupt noch ein weiteres Gespräch mit ihm gegeben habe. Da die Beklagte dieses weitere Gespräch weder zeitlich noch örtlich noch an Hand der Gesprächspartner weiter eingegrenzt hat, war dieses Bestreiten mit Nichtwissen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zulässig geblieben. Die Einzelheiten dazu können jedoch letzten Endes dahinstehen, da die Beklagte zu diesen behaupteten weiteren Gespräch auch keine konkreten Einzelheiten über den Gesprächsverlauf mitgeteilt hat. Insbesondere auch im nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 10.03.2008 wird nicht ersichtlich, mit welchen Worten sich der Kläger im zweiten Gespräch eingelassen haben soll. Daher kann auch nicht geprüft werden, ob er dabei seine Kolleginnen und Kollegen so direkt der Lüge bezichtigt hat, dass dies eine Kündigung rechtfertigen könnte.

49

2. Da nach den bisherigen Ausführungen bereits objektiv die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nicht vorliegen, kann diese auch aus dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung nicht gerechtfertigt sein.

50

3. Auch die hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen sind nicht wirksam, denn ihnen fehlt die soziale Rechtfertigung im Sinne von § 1 KSchG.

51

Auch hierfür kann im Wesentlichen Bezug genommen werden auf die bisherigen Ausführungen zur außerordentlichen Kündigung.

52

Selbst wenn man mit der Hilfserwägung des Gerichtes davon ausgeht, dass die Einlassung des Klägers objektiv und subjektiv darauf gerichtet war, die Zeuginnen und Zeugen der Lüge zu bezichtigen, könnte dies angesichts der zurückhaltenden Art und Weise der Formulierung auch eine ordentliche Kündigung nicht rechtfertigen. Es hätte allenfalls eine Abmahnung gerechtfertigt.

53

4. Der Auflösungsantrag der Beklagten ist - wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht begründet.

54

Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG auf Antrag des Arbeitgebers kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wobei an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen sind. Dies hat seinen Grund darin, dass eine Sozialwidrigkeit einer Kündigung grundsätzlich zu deren Rechtsunwirksamkeit und damit zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führt. Das Kündigungsschutzgesetz ist vorrangig ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz (BAG Urteil vom 10.10.2002 - 2 AZR 240/01 -). In diesem Zusammenhang ist weiter zu berücksichtigen, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Auflösungsgründe der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ist. Mithin ist im Zeitpunkt der Entscheidung über den Auflösungsantrag maßgeblich, ob auf Grund des Verhaltens des Arbeitnehmers in der Vergangenheit in Zukunft noch mit einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit der Parteien zu rechnen ist (BAG a. a. O.). Als arbeitgeberseitige Auflösungsgründe im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen insbesondere solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Dabei ist es dem Arbeitgeber allerdings untersagt, Spannungen zwischen dem Arbeitnehmer und Kollegen oder Vorgesetzten ohne Beachtung der Verursachungsanteile zu Lasten eines Arbeitnehmers zu lösen. So kann beispielsweise die bloße Weigerung von Arbeitskollegen, mit einem Arbeitnehmer zusammenzuarbeiten, für sich genommen die Auflösung nach § 9 KSchG noch nicht rechtfertigen. Zudem ist es unzulässig, sich auf solche Auflösungsgründe zu berufen, die vom Arbeitgeber selbst oder von Personen, für die er einzustehen hat, provoziert worden sind (BAG a. a. O.). Danach kommt es also maßgeblich darauf an, ob die objektive Lage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bei dem Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist. Als Auflösungsgründe sind mithin insbesondere geeignet Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen sowie sonstige in der Persönlichkeit des Arbeitnehmers liegende Gründe (BAG a. a. O. sowie Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, 29.06.2007 - 3 Sa 61/06 - sowie 16.10.2007 - 5 Sa 497/05 -).

55

Gemessen an diesem Maßstab ist ein Auflösungsgrund nicht ersichtlich.

56

Da das Verhalten gegenüber den Kollegen bereits die Kündigung nicht rechtfertigen konnte, kann es auch den Auflösungsantrag nicht rechtfertigen, zumal der Kläger im Laufe des Rechtsstreites den Lügevorwurf nicht weiter vertieft hat. Im Gegenteil hat er sogar eingeräumt, dass es zu der geschmacklosen Bemerkung gegenüber Frau Z. beim Aufbau der PC-Technik tatsächlich gekommen ist.

57

Vom Ansatz her zutreffend weist die Beklagte zwar darauf hin, dass der Kläger ihr unterstellt habe, sie - die Beklagte - habe möglicherweise absichtlich versucht, einen Kündigungsgrund zu provozieren.

58

Auch wenn sich der Kläger verklausuliert ausgedrückt hat, ist dies doch der objektive Erklärungswert seines Vortrages aus dem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 24.04.2007, dort Seite 4 (hier Blatt 150 d. A.). Denn wenn der Kläger den Vorfall unter der Überschrift schildert, hier hätte es möglicherweise einen "Versuch gegeben ... dem Kläger anderweitige Probleme zu bereiten" kann daraus der Leser nur den Schluss ziehen, der Kläger hege den Verdacht, die Beklagte habe ihm eine Falle stellen wollen.

59

Das ist eine ehrverletzende Unterstellung, die umso erstaunlicher ist, als sie auch aus der Sicht des Klägers weitgehend spekulativ geblieben ist. Man kann schon sagen, dass der Kläger hier ohne Rücksicht auf die berechtigten Interessen der Beklagten versucht hat eine diffuse Stimmung gegen die Beklagte im Rechtsstreit zu erzeugen.

60

Zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses reicht dies dennoch nicht. Dabei muss vor allem hervorgehoben werden, dass die Beklagte bereits Monate vor der Kündigung offen und subtil versucht hatte, sich vom Kläger zu trennen. Auf diese Weise hat die Beklagte eine Art Reizklima erzeugt, das sich unter anderem in diesem unsachlichen Angriff des Klägers in dem Rechtsstreit entladen hat. Wegen des Mitverantwortungsbeitrages der Beklagten scheidet daher die Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus diesem Anlass aus.

61

5. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen, da ihr Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO).

62

Zur Zulassung der Revision gibt der vorliegende Rechtsstreit keinen Anlass.

(1) Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.

(2) Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.

(3) Zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Betriebsbedingte Gründe liegen auch vor, wenn die Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen kann. Die Arbeitsbefreiung ist vor Ablauf eines Monats zu gewähren; ist dies aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, so ist die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten.

(4) Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers.

(5) Soweit nicht zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen, dürfen Mitglieder des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten der in Absatz 4 genannten Arbeitnehmer gleichwertig sind.

(6) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Betriebsbedingte Gründe im Sinne des Absatzes 3 liegen auch vor, wenn wegen Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung die Schulung des Betriebsratsmitglieds außerhalb seiner Arbeitszeit erfolgt; in diesem Fall ist der Umfang des Ausgleichsanspruchs unter Einbeziehung der Arbeitsbefreiung nach Absatz 2 pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Der Betriebsrat hat bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Er hat dem Arbeitgeber die Teilnahme und die zeitliche Lage der Schulungs- und Bildungsveranstaltungen rechtzeitig bekannt zu geben. Hält der Arbeitgeber die betrieblichen Notwendigkeiten für nicht ausreichend berücksichtigt, so kann er die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(7) Unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 6 hat jedes Mitglied des Betriebsrats während seiner regelmäßigen Amtszeit Anspruch auf bezahlte Freistellung für insgesamt drei Wochen zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die von der zuständigen obersten Arbeitsbehörde des Landes nach Beratung mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände als geeignet anerkannt sind. Der Anspruch nach Satz 1 erhöht sich für Arbeitnehmer, die erstmals das Amt eines Betriebsratsmitglieds übernehmen und auch nicht zuvor Jugend- und Auszubildendenvertreter waren, auf vier Wochen. Absatz 6 Satz 2 bis 6 findet Anwendung.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2009 - 7 Sa 2017/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. August 2008 - 2 Ca 3632/08 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung, noch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die 1958 geborene Klägerin war seit April 1977 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt.

3

Die Beklagte ist ein überregional vertretenes Einzelhandelsunternehmen. In einigen ihrer Filialen, so auch in der Beschäftigungsfiliale der Klägerin, besteht die Möglichkeit, Leergut an einem Automaten gegen Ausstellung eines Leergutbons zurückzugeben. Wird ein solcher Bon an der Kasse eingelöst, ist er von der Kassiererin/dem Kassierer abzuzeichnen. Mitarbeiter der Filiale sind angewiesen, mitgebrachtes Leergut beim Betreten des Markts dem Filialleiter vorzuzeigen und einen am Automaten erstellten Leergutbon durch den Leiter gesondert abzeichnen zu lassen, bevor sie den Bon an der Kasse einlösen. Dort wird er wie ein Kundenbon ein weiteres Mal abgezeichnet. Diese Regelungen, die Manipulationen beim Umgang mit Leergut ausschließen sollen, sind der Klägerin bekannt.

4

Im Herbst 2007 beteiligte sich die Klägerin mit weiteren sieben von insgesamt 36 Beschäftigten ihrer Filiale an einem gewerkschaftlich getragenen Streik. Während die Streikbereitschaft anderer Arbeitnehmer mit der Zeit nachließ, nahm die Klägerin bis zuletzt an den Maßnahmen teil. Im Januar 2008 lud der Filialleiter Beschäftigte, die sich nicht am Arbeitskampf beteiligt hatten, zu einer Feier außer Hause ein. Aus diesem Grund wurde er später von der Beklagten abgemahnt und in eine andere Filiale versetzt.

5

Am 12. Januar 2008 fand eine Mitarbeiterin im Kassenbereich einer separaten Backtheke zwei nicht abgezeichnete Leergutbons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro. Sie trugen das Datum des Tages und waren im Abstand von ca. einer Dreiviertelstunde am Automaten erstellt worden. Die Mitarbeiterin legte die Bons dem Filialleiter vor. Dieser reichte sie an die Klägerin mit der Maßgabe weiter, sie im Kassenbüro aufzubewahren für den Fall, dass sich noch ein Kunde melden und Anspruch darauf erheben würde; andernfalls sollten sie als „Fehlbons“ verbucht werden. Die Klägerin legte die Bons auf eine - für alle Mitarbeiter zugängliche und einsehbare - Ablage im Kassenbüro.

6

Am 22. Januar 2008 kaufte die Klägerin in der Filiale außerhalb ihrer Arbeitszeit privat ein. An der Kasse überreichte sie ihrer Kollegin zwei nicht abgezeichnete Leergutbons. Laut Kassenjournal wurden diese mit Werten von 0,48 Euro und 0,82 Euro registriert. Beim Kassieren war auch die Kassenleiterin und Vorgesetzte der Klägerin anwesend.

7

Zur Klärung der Herkunft der eingereichten Bons führte die Beklagte mit der Klägerin ab dem 25. Januar 2008 insgesamt vier Gespräche, an denen - außer am ersten Gespräch - jeweils zwei Mitglieder des Betriebsrats teilnahmen. Sie hielt ihr vor, die eingelösten Bons seien nicht abgezeichnet gewesen und stimmten hinsichtlich Wert und Ausgabedatum mit den im Kassenbüro aufbewahrten Bons überein. Es bestehe der dringende Verdacht, dass sie - die Klägerin - die dort abgelegten „Kundenbons“ an sich genommen und zu ihrem Vorteil verwendet habe. Die Klägerin bestritt dies und erklärte, selbst wenn die Bons übereinstimmten, bestehe die Möglichkeit, dass ihr entsprechende Bons durch eine ihrer Töchter oder durch Dritte zugesteckt worden seien. Beispielsweise habe sie am 21. oder 22. Januar 2008 einer Arbeitskollegin ihre Geldbörse ausgehändigt mit der Bitte, diese in ihren Spind zu legen. Die Beklagte legte der Klägerin nahe, zur Untermauerung ihrer Behauptung eine eidesstattliche Erklärung einer Tochter beizubringen. Außerdem befragte sie die benannte Kollegin, die die Angaben der Klägerin bestritt. Beim letzten, am 15. Februar 2008 geführten Gespräch überreichte die Klägerin eine schriftliche Erklärung, mit der eine ihrer Töchter bestätigte, bei der Beklagten hin und wieder für ihre Mutter einzukaufen, dabei auch Leergut einzulösen und „Umgang“ mit der Geldbörse ihrer Mutter „pflegen zu dürfen“.

8

Mit Schreiben vom 18. Februar 2008 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, gestützt auf den Verdacht der Einlösung der Bons, an. Der Betriebsrat äußerte Bedenken gegen die fristlose Kündigung, einer ordentlichen Kündigung widersprach er und verwies auf die Möglichkeit einer gegen die Klägerin gerichteten Intrige.

9

Mit Schreiben vom 22. Februar 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 30. September 2008.

10

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat behauptet, sie habe jedenfalls nicht bewusst Leergutbons eingelöst, die ihr nicht gehörten. Sollte es sich bei den registrierten Bons tatsächlich um die im Kassenbüro abgelegten Bons gehandelt haben, müsse auch die Möglichkeit eines Austauschs der Bons während des Kassiervorgangs in Betracht gezogen werden. Denkbares Motiv hierfür sei ihre Streikteilnahme, die ohnehin der wahre Grund für die Kündigung sei. Anders sei nicht zu erklären, weshalb ihre Kollegin und die Vorgesetzte sie - unstreitig - nicht bereits beim Kassieren oder unmittelbar anschließend auf die fehlende Abzeichnung der überreichten Leergutbons angesprochen hätten. Angesichts der streikbedingt aufgetretenen Spannungen unter den Filialmitarbeitern sei es lebensfremd anzunehmen, sie habe ausgerechnet bei einer Kollegin, mit der sie im Streit gestanden habe, und in Anwesenheit ihrer Vorgesetzten die im Kassenbüro verwahrten, nicht abgezeichneten Bons eingelöst. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, eine Verdachtskündigung sei wegen der in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung ohnehin unzulässig. Das gelte in besonderem Maße, wenn sich der Verdacht auf die Entwendung einer nur geringwertigen Sache beziehe. Selbst bei nachgewiesener Tat sei in einem solchen Fall ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben. Zumindest sei in ihrem Fall die Kündigung in Anbetracht der Einmaligkeit des Vorfalls und ihrer langen Betriebszugehörigkeit unangemessen, zumal der Beklagten kein Schaden entstanden sei.

11

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose, noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sie entsprechend den arbeitsvertraglichen Bedingungen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit zu beschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, es bestehe der dringende Verdacht, dass die Klägerin die im Kassenbüro hinterlegten Leergutbons für sich verwendet habe. Dafür sprächen die in der Anhörung angeführten Tatsachen sowie der Umstand, dass diese Bons bei einer unmittelbar nach dem Einkauf der Klägerin durchgeführten Suche nicht mehr auffindbar gewesen seien. Es sei auch das mehrfach geänderte Verteidigungsvorbringen der Klägerin zu berücksichtigen, das sich in keinem Punkt als haltbar erwiesen habe. Damit sei das Vertrauen in die redliche Ausführung der Arbeitsaufgaben durch die Klägerin unwiederbringlich zerstört. Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht unbelastet verlaufen. Sie habe die Klägerin im Jahr 2005 wegen ungebührlichen Verhaltens gegenüber einem Arbeitskollegen abgemahnt. Außerdem habe die Klägerin, wie ihr erst nachträglich bekannt geworden sei, am 22. November 2007 bei einem privaten Einkauf einen Sondercoupon aus einem Bonussystem eingelöst, obwohl die Einkaufssumme den dafür erforderlichen Betrag nicht erreicht habe. Derselbe Coupon sei dreimal „über die Kasse gezogen“ worden. Dadurch seien der Klägerin zu Unrecht Punkte im Wert von 3,00 Euro gutgeschrieben worden. Deren Behauptung, ihre Vorgesetzte habe sie zu einer derartigen Manipulation - vergeblich - verleiten wollen, sei nicht plausibel; die Vorgesetzte habe an dem betreffenden Tag - wie zuletzt unstreitig - nicht gearbeitet.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer durch das Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Einer Zurückverweisung bedurfte es nicht. Die Sache war nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

15

A. Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

16

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Gesetz kennt folglich keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220; 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 19, BAGE 118, 104).

17

II. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es den anzuwendenden Rechtsbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (st. Rspr., Senat 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 219; 6. September 2007 - 2 AZR 722/06 - Rn. 40, BAGE 124, 59).

18

III. Auch unter Beachtung eines in diesem Sinne eingeschränkten Maßstabs hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar liegt nach dem festgestellten Sachverhalt „an sich“ ein wichtiger Grund zur Kündigung vor. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch bei der vorzunehmenden Einzelfallprüfung und Interessenabwägung nicht alle wesentlichen Gesichtspunkte einbezogen und zutreffend abgewogen.

19

1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb zu beanstanden, weil dieses seiner rechtlichen Würdigung die fragliche Pflichtverletzung im Sinne einer erwiesenen Tat und nicht nur - wie die Beklagte selbst - einen entsprechenden Verdacht zugrunde gelegt hat.

20

a) Das Landesarbeitsgericht ist vom Fund zweier Leergutbons am 12. Januar 2008 und deren Aushändigung an die Klägerin durch den Marktleiter ausgegangen. Nach Beweisaufnahme hat es zudem für wahr erachtet, dass die Klägerin die beiden zunächst im Kassenbüro abgelegten Bons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro zu einem unbestimmten Zeitpunkt an sich nahm und am 22. Januar 2008 bei einem Einkauf zu ihren Gunsten einlöste; dadurch ermäßigte sich die Kaufsumme für sie um 1,30 Euro. Darin hat es ein vorsätzliches, pflichtwidriges Verhalten der Klägerin erblickt.

21

b) An die vom Landesarbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Die Klägerin hat - auch wenn sie vorsätzliches Fehlverhalten weiterhin in Abrede stellt - von Angriffen gegen die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts ausdrücklich abgesehen.

22

c) Einer Würdigung des Geschehens unter der Annahme, die Klägerin habe sich nachweislich pflichtwidrig verhalten, steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich zur Rechtfertigung der Kündigung nur auf einen entsprechenden Verdacht berufen und den Betriebsrat auch nur zu einer Verdachtskündigung angehört hat.

23

aa) Das Landesarbeitsgericht hat auf diese Weise nicht etwa Vortrag berücksichtigt, den die Beklagte nicht gehalten hätte. Der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens stellt zwar gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (st. Rspr., Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Beide Gründe stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt. Ergibt sich daraus nach tatrichterlicher Würdigung das Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - aaO mwN).

24

bb) Der Umstand, dass der Betriebsrat ausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht dem nicht entgegen. Die gerichtliche Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat setzt voraus, dass dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen „Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf begründen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 59 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung genüge getan. Dem Betriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung ausschließlich solche - aus seiner Sicht bewiesene - Tatsachen zugrunde gelegt, die Gegenstand der Betriebsratsanhörung waren.

25

2. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise - unabhängig vom Wert des Tatobjekts und der Höhe eines eingetretenen Schadens - als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht.

26

a) Begeht der Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat(Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 16, 17, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 184; 17. Mai 1984 - 2 AZR 3/83 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 14 = EzA BGB § 626 nF Nr. 90).

27

b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die entgegenstehende Ansicht, die Pflichtverletzungen im Vermögensbereich bei Geringfügigkeit bereits aus dem Anwendungsbereich des § 626 Abs. 1 BGB herausnehmen will(so LAG Köln 30. September 1999 - 5 Sa 872/99 - zu 2 der Gründe, NZA-RR 2001, 83; LAG Hamburg 8. Juli 1998 - 4 Sa 38/97 - zu II 3 a aa der Gründe, NZA-RR 1999, 469; ArbG Reutlingen 4. Juni 1996 - 1 Ca 73/96 - RzK I 6 d Nr. 12; Däubler Das Arbeitsrecht 2 12. Aufl. Rn. 1128; eingeschränkt Gerhards BB 1996, 794, 796), überzeugt nicht. Ein Arbeitnehmer, der die Integrität von Eigentum und Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich und rechtswidrig verletzt, zeigt ein Verhalten, das geeignet ist, die Zumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung in Frage zu stellen. Die durch ein solches Verhalten ausgelöste „Erschütterung“ der für die Vertragsbeziehung notwendigen Vertrauensgrundlage tritt unabhängig davon ein, welche konkreten wirtschaftlichen Schäden mit ihm verbunden sind. Aus diesem Grund ist die Festlegung einer nach dem Wert bestimmten Relevanzschwelle mit dem offen gestalteten Tatbestand des § 626 Abs. 1 BGB nicht zu vereinbaren. Sie würfe im Übrigen mannigfache Folgeprobleme auf - etwa das einer exakten Wertberechnung, das der Folgen mehrfacher, für sich betrachtet „irrelevanter“ Verstöße sowie das der Behandlung nur marginaler Grenzüberschreitungen - und vermöchte schon deshalb einem angemessenen Interessenausgleich schwerlich zu dienen.

28

c) Mit seiner Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu der in § 248a StGB getroffenen Wertung. Nach dieser Bestimmung werden Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen nur auf Antrag oder bei besonderem öffentlichem Interesse verfolgt. Der Vorschrift liegt eine Einschätzung des Gesetzgebers darüber zugrunde, ab welcher Grenze staatliche Sanktionen für Rechtsverstöße in diesem Bereich zwingend geboten sind. Ein solcher Ansatz ist dem Schuldrecht fremd. Hier geht es um störungsfreien Leistungsaustausch. Die Berechtigung einer verhaltensbedingten Kündigung ist nicht daran zu messen, ob diese - vergleichbar einer staatlichen Maßnahme - als Sanktion für den fraglichen Vertragsverstoß angemessen ist. Statt des Sanktions- gilt das Prognoseprinzip. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn eine störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht, künftigen Pflichtverstößen demnach nur durch die Beendigung der Vertragsbeziehung begegnet werden kann (st. Rspr., Senat 26. November 2009 - 2 AZR 751/08 - Rn. 10, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 61 = EzA BGB 2002 § 611 Abmahnung Nr. 5; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

29

d) Ebenso wenig besteht ein Wertungswiderspruch zwischen der Auffassung des Senats und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses erkennt zwar bei der disziplinarrechtlichen Beurteilung vergleichbarer Dienstvergehen eines Beamten die Geringwertigkeit der betroffenen Vermögensobjekte als Milderungsgrund an (BVerwG 13. Februar 2008 - 2 WD 9/07 - DÖV 2008, 1056; 24. November 1992 - 1 D 66/91 - zu 3 der Gründe, BVerwGE 93, 314; bei kassenverwaltender Tätigkeit: BVerwG 11. November 2003 - 1 D 5/03 - zu 4 b der Gründe). Dies geschieht jedoch vor dem Hintergrund einer abgestuften Reihe von disziplinarischen Reaktionsmöglichkeiten des Dienstherrn. Diese reichen von der Anordnung einer Geldbuße (§ 7 BDG) über die Kürzung von Dienstbezügen (§ 8 BDG) und die Zurückstufung (§ 9 BDG) bis zur Entfernung aus dem Dienst (§ 13 Abs. 2 BDG). Eine solche Reaktionsbreite kennt das Arbeitsrecht nicht. Der Arbeitgeber könnte auf die „Entfernung aus dem Dienst“ nicht zugunsten einer Kürzung der Vergütung verzichten. Wertungen, wie sie für das in der Regel auf Lebenszeit angelegte, durch besondere Treue- und Fürsorgepflichten geprägte Dienstverhältnis der Beamten und Soldaten getroffen werden, lassen sich deshalb auf eine privatrechtliche Leistungsbeziehung regelmäßig nicht übertragen (Keiser JR 2010, 55, 57 ff.; Reuter NZA 2009, 594, 595).

30

e) Das Landesarbeitsgericht hat das Verhalten der Klägerin als „Vermögensdelikt“ zulasten der Beklagten gewürdigt, hat aber offen gelassen, welchen straf- und/oder zivilrechtlichen Deliktstatbestand es als erfüllt ansieht. Das ist im Ergebnis unschädlich. Das Verhalten der Klägerin kommt auch dann als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn es - wie die Revision im Anschluss an Äußerungen in der Literatur (Hüpers Jura 2010, 52 ff.; Schlösser HRRS 2009, 509 ff.) meint - nicht strafbar sein sollte, jedenfalls nicht im Sinne eines Vermögensdelikts zum Nachteil der Beklagten. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung ist weder die strafrechtliche noch die sachenrechtliche Bewertung maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 29, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 114, 264; Preis AuR 2010, 242 f.). Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen die Pflichtverletzung mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen eine den unmittelbaren Vermögensinteressen des Arbeitgebers dienende Weisung einhergeht (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 459).

31

f) Danach liegt eine erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor. Die Klägerin hat sich mit dem Einlösen der Leergutbons gegenüber der Beklagten einen Vermögensvorteil verschafft, der ihr nicht zustand. Ihr Verhalten wiegt umso schwerer, als sie eine konkrete Anordnung des Marktleiters zum Umgang mit den Bons missachtet hat. Es kommt nicht darauf an, ob sie damit schon gegen ihre Hauptleistungspflichten als Kassiererin oder gegen ihre Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat. In jedem Fall gehört die Pflicht zur einschränkungslosen Wahrung der Vermögensinteressen der Beklagten zum Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Die Schwere der Pflichtverletzung hängt von einer exakten Zuordnung nicht ab. Die Vorgabe des Marktleiters, die Bons nach einer gewissen Zeit als „Fehlbons“ zu verbuchen, sollte sicherstellen, dass die Beklagte insoweit nicht mehr in Anspruch genommen würde. Ob damit den Interessen der Kunden ausreichend Rechnung getragen wurde, ist im Verhältnis der Parteien ohne Bedeutung. Die Klägerin jedenfalls durfte die Bons nicht zum eigenen Vorteil einlösen.

32

3. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gleichwohl nicht gerechtfertigt. Als Reaktion der Beklagten auf das Fehlverhalten der Klägerin hätte eine Abmahnung ausgereicht. Dies vermag der Senat selbst zu entscheiden.

33

a) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar ein Beurteilungsspielraum zu(Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Ein solcher Fall liegt hier vor.

34

b) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (Senat 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, DB 2010, 1709; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 38 mwN, AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 mwN).

35

c) Die Notwendigkeit der Prüfung, ob eine fristgerechte Kündigung als Reaktion ausgereicht hätte, folgt schon aus dem Wortlaut des § 626 Abs. 1 BGB. Das Erfordernis weitergehend zu prüfen, ob nicht schon eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (die Kündigung als „ultima ratio“) und trägt zugleich dem Prognoseprinzip bei der verhaltensbedingten Kündigung Rechnung (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 47 f., AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 55 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Das Erfordernis gilt auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Es ist nicht stets und von vorneherein ausgeschlossen, verlorenes Vertrauen durch künftige Vertragstreue zurückzugewinnen (Senat 4. Juni 1997 - 2 AZR 526/96 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 86, 95).

36

aa) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (Schlachter NZA 2005, 433, 436). Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 283/08 - Rn. 14 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Abmahnung Nr. 5 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 75; Staudinger/Preis <2002> § 626 BGB Rn. 109). Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82).

37

bb) Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB iVm. § 323 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren(Senat 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 56 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 48 mwN, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7).

38

cc) Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 27. April 2006 - 2 AZR 415/05 - Rn. 19, AP BGB § 626 Nr. 203 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 17). Auch in diesem Bereich gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (vgl. auch Erman/Belling BGB 12. Aufl. § 626 Rn. 62; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 264; Preis AuR 2010, 242, 244; Reichel AuR 2004, 252; Schlachter NZA 2005, 433, 437).

39

d) Danach war eine Abmahnung hier nicht entbehrlich.

40

aa) Das Landesarbeitsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, dass es einer Abmahnung nicht deshalb bedurfte, um bei der Klägerin die mögliche Annahme zu beseitigen, die Beklagte könnte mit der eigennützigen Verwendung der Bons einverstanden sein. Einer mutmaßlichen Einwilligung - die in anderen Fällen, etwa der Verwendung wertloser, als Abfall deklarierter Gegenstände zum Eigenverbrauch oder zur Weitergabe an Hilfsbedürftige oder dem Aufladen eines Mobiltelefons im Stromnetz des Arbeitgebers, naheliegend sein mag - stand im Streitfall die Weisung des Filialleiters entgegen, die keine Zweifel über den von der Beklagten gewünschten Umgang mit den Bons aufkommen ließ. Auf mögliche Unklarheiten in den allgemeinen Anweisungen der Beklagten zur Behandlung von Fundsachen und Fundgeld kommt es deshalb nicht an.

41

bb) Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht zudem angenommen, das Verhalten der Klägerin stelle eine objektiv schwerwiegende, das Vertrauensverhältnis der Parteien erheblich belastende Pflichtverletzung dar.

42

(1) Mit der eigennützigen Verwendung der Leergutbons hat sich die Klägerin bewusst gegen die Anordnung des Filialleiters gestellt. Schon dies ist geeignet, das Vertrauen der Beklagten in die zuverlässige Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben als Kassiererin zu erschüttern. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bons gerade ihr zur Verwahrung und ggf. Buchung als „Fehlbons“ übergeben worden waren. Das Fehlverhalten der Klägerin berührt damit den Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Sie war als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt. Als solche hat sie den weisungsgemäßen Umgang mit Leergutbons gleichermaßen sicher zu stellen wie den mit ihr anvertrautem Geld. Die Beklagte muss sich auf die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit einer mit Kassentätigkeiten betrauten Arbeitnehmerin in besonderem Maße verlassen dürfen. Sie muss davon ausgehen können, dass ihre Weisungen zum Umgang mit Sach- und Vermögenswerten unabhängig von deren Wert und den jeweiligen Eigentumsverhältnissen korrekt eingehalten werden. Als Einzelhandelsunternehmen ist die Beklagte besonders anfällig dafür, in der Summe hohe Einbußen durch eine Vielzahl für sich genommen geringfügiger Schädigungen zu erleiden. Verstößt eine Arbeitnehmerin, deren originäre Aufgabe es ist, Einnahmen zu sichern und zu verbuchen, vorsätzlich und zur persönlichen Bereicherung gegen eine Pflicht, die gerade dem Schutz des Eigentums und Vermögens des Arbeitgebers oder eines Kunden dient, liegt darin regelmäßig ein erheblicher, das Vertrauen in ihre Redlichkeit beeinträchtigender Vertragsverstoß.

43

(2) Der Einwand der Klägerin, ein Vertrauen auf Seiten der Beklagten bestehe ohnehin nicht, wie die in den Märkten praktizierte Videoüberwachung zeige, geht fehl. Jeder Arbeitnehmer hat die Pflicht, sich so zu verhalten, dass es um seinetwillen einer Kontrolle nicht bedürfte. Erweist sich ein zunächst unspezifisches, nicht auf konkrete Personen bezogenes, generelles „Misstrauen“ des Arbeitgebers schließlich im Hinblick auf einen bestimmten Mitarbeiter als berechtigt, wird erst und nur dadurch das Vertrauen in dessen Redlichkeit tatsächlich erschüttert.

44

cc) Auch wenn deshalb das Verhalten der Klägerin das Vertrauensverhältnis zur Beklagten erheblich belastet hat, so hat das Landesarbeitsgericht doch den für die Klägerin sprechenden Besonderheiten nicht hinreichend Rechnung getragen.

45

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe nicht damit rechnen können, die Beklagte werde ihr Verhalten auch nur einmalig hinnehmen, ohne eine Kündigung auszusprechen. Die Klägerin habe ihre Pflichten als Kassiererin „auf das Schwerste“ verletzt. Mit dieser Würdigung ist es den Besonderheiten des Streitfalls nicht ausreichend gerecht geworden. Die Klägerin hat an der Kasse in unmittelbarer Anwesenheit ihrer Vorgesetzten bei einer nicht befreundeten Kollegin unabgezeichnete Leergutbons eingelöst. Dass sie mangels Abzeichnung nach den betrieblichen Regelungen keinen Anspruch auf eine Gutschrift hatte, war für die Kassenmitarbeiterin und die Vorgesetzte offenkundig und nicht zu übersehen. Das wusste auch die Klägerin, die deshalb aus ihrer Sicht unweigerlich würde Aufmerksamkeit erregen und Nachfragen auslösen müssen. Das zeigt, dass sie ihr Verhalten - fälschlich - als notfalls tolerabel oder jedenfalls korrigierbar eingeschätzt haben mag und sich eines gravierenden Unrechts offenbar nicht bewusst war. Für den Grad des Verschuldens und die Möglichkeit einer Wiederherstellung des Vertrauens macht es objektiv einen Unterschied, ob es sich bei einer Pflichtverletzung um ein Verhalten handelt, das insgesamt - wie etwa der vermeintlich unbeobachtete Griff in die Kasse - auf Heimlichkeit angelegt ist oder nicht.

46

(2) Das Landesarbeitsgericht hat die Einmaligkeit der Pflichtverletzung und die als beanstandungsfrei unterstellte Betriebszugehörigkeit der Klägerin von gut drei Jahrzehnten zwar erwähnt, ihnen aber kein ausreichendes Gewicht beigemessen.

47

(a) Für die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung kann es von erheblicher Bedeutung sein, ob der Arbeitnehmer bereits geraume Zeit in einer Vertrauensstellung beschäftigt war, ohne vergleichbare Pflichtverletzungen begangen zu haben. Das gilt auch bei Pflichtverstößen im unmittelbaren Vermögensbereich (Senat 13. Dezember 1984 - 2 AZR 454/83 - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 81 = EzA BGB § 626 nF Nr. 94). Eine für lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung zweier Vertragspartner wird nicht notwendig schon durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich zerstört. Je länger eine Vertragsbeziehung ungestört bestanden hat, desto eher kann die Prognose berechtigt sein, dass der dadurch erarbeitete Vorrat an Vertrauen durch einen erstmaligen Vorfall nicht vollständig aufgezehrt wird. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Befindlichkeit und Einschätzung des Arbeitgebers oder bestimmter für ihn handelnder Personen an. Entscheidend ist ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob der Arbeitgeber hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer tatsächlich noch hat. Maßgeblich ist, ob er es aus der Sicht eines objektiven Betrachters haben müsste. Im Arbeitsverhältnis geht es nicht um ein umfassendes wechselseitiges Vertrauen in die moralischen Qualitäten der je anderen Vertragspartei. Es geht allein um die von einem objektiven Standpunkt aus zu beantwortende Frage, ob mit einer korrekten Erfüllung der Vertragspflichten zu rechnen ist.

48

(b) Die Klägerin hat durch eine beanstandungsfreie Tätigkeit als Verkäuferin und Kassiererin über dreißig Jahre hinweg Loyalität zur Beklagten gezeigt.

49

(aa) Der Senat hatte davon auszugehen, dass diese Zeit ohne rechtlich relevante Beanstandungen verlaufen ist. Gegenstand einer der Klägerin erteilten Abmahnung war eine vor Kunden abgegebene, abfällige Äußerung gegenüber einem Arbeitskollegen. Dieses Verhalten steht mit dem Kündigungsvorwurf in keinerlei Zusammenhang; im Übrigen wurde die Abmahnung ein Jahr später aus der Personalakte entfernt. Schon aus tatsächlichen Gründen unbeachtlich ist das Geschehen im Zusammenhang mit der Einlösung eines Sondercoupons im November 2007. Die Klägerin hat im Einzelnen und plausibel dargelegt, weshalb ihr dabei im Ergebnis keine Bonuspunkte zugeschrieben worden seien, die ihr nicht zugestanden hätten. Dem ist die Beklagte nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten.

50

(bb) Das in dieser Beschäftigungszeit von der Klägerin erworbene Maß an Vertrauen in die Korrektheit ihrer Aufgabenerfüllung und in die Achtung der Vermögensinteressen der Beklagten schlägt hoch zu Buche. Angesichts des Umstands, dass nach zehn Tagen Wartezeit mit einer Nachfrage der in Wahrheit berechtigten Kunden nach dem Verbleib von Leergutbons über Cent-Beträge aller Erfahrung nach nicht mehr zu rechnen war, und der wirtschaftlichen Geringfügigkeit eines der Beklagten entstandenen Nachteils ist es höher zu bewerten als deren Wunsch, nur eine solche Mitarbeiterin weiterzubeschäftigen, die in jeder Hinsicht und ausnahmslos ohne Fehl und Tadel ist. Dieser als solcher berechtigte Wunsch macht der Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin trotz ihres Pflichtenverstoßes mit Blick auf die bisherige Zusammenarbeit nicht unzumutbar. Objektiv ist das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Klägerin nicht derart erschüttert, dass dessen vollständige Wiederherstellung und ein künftig erneut störungsfreies Miteinander der Parteien nicht in Frage käme.

51

(3) Das prozessuale Verteidigungsvorbringen der Klägerin steht dieser Würdigung nicht entgegen.

52

(a) Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. Dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen(Senat 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245).

53

(b) Nachträglich eingetretene Umstände können nach der Rechtsprechung des Senats für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (Senat 13. Oktober 1977 - 2 AZR 387/76 - zu III 3 d der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 74 Nr. 3; 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO; ErfK/Müller-Glöge 10. Aufl. § 626 Rn. 54; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 177; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 551; vgl. auch Walker NZA 2009, 921, 922). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (vgl. Senatsentscheidungen vom 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - AP BGB § 626 Nr. 197 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 12 und 3. Juli 2003 - 2 AZR 437/02 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 38 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2)gilt nichts anderes.

54

(c) Danach kommt dem Prozessverhalten der Klägerin keine ihre Pflichtverletzung verstärkende Bedeutung zu. Es ist nicht geeignet, den Kündigungssachverhalt als solchen zu erhellen. Der besteht darin, dass die Klägerin unberechtigterweise ihr nicht gehörende Leergutbons zweier Kunden zum eigenen Vorteil eingelöst hat.

55

(aa) Dieser Vorgang erscheint insbesondere im Hinblick auf eine Wiederholungsgefahr nicht dadurch in einem anderen, für die Klägerin ungünstigeren Licht, dass diese zunächst die Identität der von ihr eingelösten und der im Kassenbüro aufbewahrten Bons bestritten hat. Das Gleiche gilt im Hinblick darauf, dass die Klägerin auch noch im Prozessverlauf die Möglichkeit bestimmter Geschehensabläufe ins Spiel gebracht hat, die erklären könnten, weshalb sie - wie sie stets behauptet hat - selbst bei Identität der Bons nicht wusste, dass sie ihr nicht gehörende Bons einlöste. Die von der Klägerin aufgezeigten Möglichkeiten einschließlich der einer gegen sie geführten Intrige mögen sich wegen der erforderlich gewordenen Befragungen der betroffenen Arbeitnehmer nachteilig auf den Betriebsfrieden ausgewirkt haben. Dies war aber nicht Kündigungsgrund. Unabhängig davon zielte das Verteidigungsvorbringen der Klägerin erkennbar nicht darauf, Dritte einer konkreten Pflichtverletzung zu bezichtigen. Der Kündigungsgrund wird auch nicht dadurch klarer, dass die Klägerin die Rechtsauffassung vertreten hat, erstmalige Vermögensdelikte zulasten des Arbeitgebers könnten bei geringem wirtschaftlichem Schaden eine außerordentliche Kündigung ohne vorausgegangene Abmahnung nicht rechtfertigen. Damit hat sie lediglich in einer rechtlich umstrittenen Frage einen für sie günstigen Standpunkt eingenommen. Daraus kann nicht abgeleitet werden, sie werde sich künftig bei Gelegenheit in gleicher Weise vertragswidrig verhalten.

56

(bb) Das Prozessverhalten der Klägerin mindert ebenso wenig das bei der Interessenabwägung zu berücksichtigende Maß des verbliebenen Vertrauens. Auch für dessen Ermittlung ist auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs abzustellen. Aus dieser Perspektive und im Hinblick auf den bis dahin verwirklichten Kündigungssachverhalt ist zu fragen, ob mit der Wiederherstellung des Vertrauens in eine künftig korrekte Vertragserfüllung gerechnet werden kann. In dieser Hinsicht ist das Verteidigungsvorbringen der Klägerin ohne Aussagekraft. Ihr wechselnder Vortrag und beharrliches Leugnen einer vorsätzlichen Pflichtwidrigkeit lassen keine Rückschlüsse auf ihre künftige Zuverlässigkeit als Kassiererin zu. Das gilt gleichermaßen für mögliche, während des Prozesses aufgestellte Behauptungen der Klägerin über eine ihr angeblich von der Kassenleiterin angetragene Manipulation im Zusammenhang mit der Einlösung von Sondercoupons im November 2007 und mögliche Äußerungen gegenüber Pressevertretern.

57

(cc) Anders als die Beklagte meint, wird dadurch nicht Verstößen gegen die prozessuale Wahrheitspflicht „Tür und Tor geöffnet“. Im Fall eines bewusst wahrheitswidrigen Vorbringens besteht die Möglichkeit, eine weitere Kündigung auszusprechen oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG anzubringen. Dabei kann nicht jeder unzutreffende Parteivortrag als „Lüge“ bezeichnet werden. Die Wahrnehmung eines Geschehens ist generell nicht unbeeinflusst vom äußeren und inneren Standpunkt des Wahrnehmenden. Gleiches gilt für Erinnerung und Wiedergabe, zumal in einem von starker Polarität geprägten Verhältnis, wie es zwischen Prozessparteien häufig besteht. Wenn sich das Gericht nach den Regeln des Prozessrechts in §§ 138, 286 ZPO die - rechtlich bindende, aber um deswillen nicht der Gefahr des Irrtums enthobene - Überzeugung bildet, ein bestimmter Sachverhalt habe sich so und nicht anders zugetragen, ist damit die frühere, möglicherweise abweichende Darstellung einer Partei nicht zugleich als gezielte Irreführung des Gerichts oder der Gegenpartei ausgewiesen. Es bedarf vielmehr besonderer Anhaltspunkte, um einen solchen - schweren - Vorwurf zu begründen.

58

B. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zum 30. September 2008 ist unwirksam. Auch dies vermag der Senat selbst zu entscheiden. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht durch Gründe im Verhalten der Klägerin iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. Sie ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

59

C. Der Antrag auf Beschäftigung, der sich ersichtlich auf die Dauer des Kündigungsrechtsstreits beschränkte, kommt wegen der Beendigung des Verfahrens nicht mehr zum Tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Bartz    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Der zur Dienstleistung Verpflichtete hat die Dienste im Zweifel in Person zu leisten. Der Anspruch auf die Dienste ist im Zweifel nicht übertragbar.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.

(2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.

(3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.

Besteht nach der Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort, ist jedoch der Arbeitnehmer inzwischen ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen, so kann er binnen einer Woche nach der Rechtskraft des Urteils durch Erklärung gegenüber dem alten Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei diesem verweigern. Die Frist wird auch durch eine vor ihrem Ablauf zur Post gegebene schriftliche Erklärung gewahrt. Mit dem Zugang der Erklärung erlischt das Arbeitsverhältnis. Macht der Arbeitnehmer von seinem Verweigerungsrecht Gebrauch, so ist ihm entgangener Verdienst nur für die Zeit zwischen der Entlassung und dem Tag des Eintritts in das neue Arbeitsverhältnis zu gewähren. § 11 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.