Arbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 02. Apr. 2015 - 7 Ca 6508/14

ECLI:ECLI:DE:ARBGD:2015:0402.7CA6508.14.00
bei uns veröffentlicht am02.04.2015

Tenor

1.Die Klage ist zulässig.

2.Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

3.Der Streitwert wird auf 10.160,00 € festgesetzt.


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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 46 Grundsatz


(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung. (2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsger

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 61 Inhalt des Urteils


(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest. (2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 263 Klageänderung


Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 623 Schriftform der Kündigung


Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 25


Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 280 Abgesonderte Verhandlung über Zulässigkeit der Klage


(1) Das Gericht kann anordnen, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird. (2) Ergeht ein Zwischenurteil, so ist es in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen. Das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, dass zur H

§ 9 Gestaltung der Arbeitsbedingungen; unverantwortbare Gefährdung


(1) Der Arbeitgeber hat bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen einer schwangeren oder stillenden Frau alle aufgrund der Gefährdungsbeurteilung nach § 10 erforderlichen Maßnahmen für den Schutz ihrer physischen und psychischen Gesundheit sowie der

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 20


(1) Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten. (2) Im übrigen erstreckt

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Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen.

(1) Der Arbeitgeber hat bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen einer schwangeren oder stillenden Frau alle aufgrund der Gefährdungsbeurteilung nach § 10 erforderlichen Maßnahmen für den Schutz ihrer physischen und psychischen Gesundheit sowie der ihres Kindes zu treffen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls den sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Soweit es nach den Vorschriften dieses Gesetzes verantwortbar ist, ist der Frau auch während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit die Fortführung ihrer Tätigkeiten zu ermöglichen. Nachteile aufgrund der Schwangerschaft, der Entbindung oder der Stillzeit sollen vermieden oder ausgeglichen werden.

(2) Der Arbeitgeber hat die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Gefährdungen einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes möglichst vermieden werden und eine unverantwortbare Gefährdung ausgeschlossen wird. Eine Gefährdung ist unverantwortbar, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist. Eine unverantwortbare Gefährdung gilt als ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber alle Vorgaben einhält, die aller Wahrscheinlichkeit nach dazu führen, dass die Gesundheit einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes nicht beeinträchtigt wird.

(3) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass die schwangere oder stillende Frau ihre Tätigkeit am Arbeitsplatz, soweit es für sie erforderlich ist, kurz unterbrechen kann. Er hat darüber hinaus sicherzustellen, dass sich die schwangere oder stillende Frau während der Pausen und Arbeitsunterbrechungen unter geeigneten Bedingungen hinlegen, hinsetzen und ausruhen kann.

(4) Alle Maßnahmen des Arbeitgebers nach diesem Unterabschnitt sowie die Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 10 müssen dem Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und der Hygiene sowie den sonstigen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen. Der Arbeitgeber hat bei seinen Maßnahmen die vom Ausschuss für Mutterschutz ermittelten und nach § 30 Absatz 4 im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlichten Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen; bei Einhaltung dieser Regeln und bei Beachtung dieser Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass die in diesem Gesetz gestellten Anforderungen erfüllt sind.

(5) Der Arbeitgeber kann zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm obliegende Aufgaben nach diesem Unterabschnitt in eigener Verantwortung wahrzunehmen.

(6) Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz darf der Arbeitgeber nicht den Personen auferlegen, die bei ihm beschäftigt sind. Die Kosten für Zeugnisse und Bescheinigungen, die die schwangere oder stillende Frau auf Verlangen des Arbeitgebers vorzulegen hat, trägt der Arbeitgeber.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Das Gericht kann anordnen, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird.

(2) Ergeht ein Zwischenurteil, so ist es in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen. Das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, dass zur Hauptsache zu verhandeln ist.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Das Gericht kann anordnen, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird.

(2) Ergeht ein Zwischenurteil, so ist es in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen. Das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, dass zur Hauptsache zu verhandeln ist.

Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 8. Mai 2012 - 5 Sa 172/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten - die B Verwaltungsgesellschaft mbH (B-GmbH) - betrieb eine Tagespflegeeinrichtung für ältere Menschen und einen ambulanten Pflegedienst. Im Mai 2010 beschäftigte sie mehr als zehn Arbeitnehmer, davon sieben in der Tagespflegeeinrichtung und elf im ambulanten Pflegedienst. Mindestens zwei der Arbeitnehmer waren in beiden Bereichen tätig.

3

Am 15. Mai 2010 schloss die Klägerin mit der B-GmbH einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Danach wurde sie „ab dem 15.05.2010“ als Krankenpflegerin eingestellt. Gem. Ziff. 15 Abs. 2 des Vertrags bedürfen alle Nebenabsprachen, Änderungen oder auch Ergänzungen der schriftlichen Form. Auf Wunsch der Klägerin erfolgte die Arbeitsaufnahme am 26. Mai 2010. Die sozialversicherungsrechtliche Anmeldung wurde am 25. Mai 2010 rückwirkend zum 15. Mai 2010 vorgenommen. Die Klägerin wurde in der Tagespflegeeinrichtung eingesetzt.

4

Am 1. Juli 2010 erklärte die Klägerin ihr Einverständnis mit einem „Betriebsübergang nach § 613a BGB und der Überleitung“ ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. In gleicher Weise wurde mit den übrigen in der Tagespflegeeinrichtung beschäftigten Arbeitnehmern verfahren. Die Arbeitnehmer des ambulanten Pflegedienstes standen weiterhin in einem Arbeitsverhältnis zur B-GmbH. Die Aufgaben und der Arbeitsort der Klägerin blieben unverändert. Die Klägerin erhielt während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses ihre Lohnabrechnungen von dritter Seite - einer Dienstleistungsgesellschaft, deren eine Geschäftsführerin auch Gesellschafterin der Beklagten war. Die sozialversicherungsrechtliche An- und Abmeldung der Klägerin erfolgte ebenfalls im Namen dieser Gesellschaft.

5

Mit Schreiben vom 15. November 2010 - einem Montag -, welches der Klägerin am selben Tage zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien „innerhalb der Probezeit … fristgemäß“ zum 30. November 2010.

6

Die Klägerin hat ihre - rechtzeitig erhobene - Kündigungsschutzklage zunächst gegen die B-GmbH sowie eine der Gesellschafterinnen der Beklagten persönlich gerichtet. Der Klageschrift waren der Arbeitsvertrag sowie das - unter dem Briefkopf der Beklagten verfasste - Kündigungsschreiben beigefügt. In der Güteverhandlung hat die Klägerin die Klage gegen die B-GmbH zurückgenommen und beantragt, das Rubrum im Übrigen dahin zu berichtigen, dass sich die Klage gegen die Beklagte und nicht gegen deren Gesellschafterin richte.

7

Die Klägerin hat gemeint, die Kündigung sei nach Ablauf der Wartezeit iSv. § 1 Abs. 1 KSchG erfolgt. Im Betrieb der Beklagten seien auch mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Diese unterhalte zusammen mit der B-GmbH, welche nach wie vor die ambulante Tagespflege betreibe, und der Dienstleistungsgesellschaft einen Gemeinschaftsbetrieb. Letztere erstelle für die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin nicht nur die Gehaltsabrechnungen für alle Mitarbeiter, sondern nehme auch sämtliche Arbeitgeberaufgaben - wie das Führen von Bewerbungsgesprächen und die Genehmigung von Urlaub - wahr. Die Unternehmen ständen zudem unter einheitlicher personeller Leitung.

8

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 15. November 2010 nicht aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Kündigung gelte bereits gem. § 4 Satz 1 iVm. § 7 KSchG als wirksam. Die Klageerhebung sei ihr gegenüber nicht rechtzeitig erfolgt. Jedenfalls genieße die Klägerin keinen Kündigungsschutz nach dem KSchG. Die Kündigung sei noch innerhalb der Wartezeit iSv. § 1 Abs. 1 KSchG zugegangen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestehe tatsächlich erst seit dem 26. Mai 2010. Der Vertragsschluss sei lediglich zur Vermeidung sozialversicherungsrechtlicher Nachteile zum 15. Mai 2010 erfolgt. Sie - die Beklagte - beschäftige überdies nicht mehr als zehn Arbeitnehmer. Ein von den drei Gesellschaften gemeinsam geführter Betrieb bestehe nicht. Einen unternehmensübergreifenden Einsatz von Personal oder Sachmitteln habe es nie gegeben. Er wäre wegen Verstoßes gegen den Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Pflegekassen unzulässig gewesen. Die Dienstleistungsgesellschaft werde nur für Serviceleistungen in Anspruch genommen. Die Kündigung sei im Übrigen sozial gerechtfertigt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte die Kündigung auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen nicht als unwirksam ansehen. Ob das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, steht noch nicht fest. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der relevante Sachverhalt ist nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).

12

A. Die Revision ist nicht bereits wegen Vorliegens eines absoluten Revisionsgrundes iSv. § 547 Nr. 1 ZPO begründet.

13

I. Eine Rechtsverletzung iSv. § 73 ArbGG, § 547 Nr. 1 ZPO ist vom Revisionsgericht wegen § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO nur zu beachten, wenn die Revision (auch) auf sie gestützt wird (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 13). Die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts ist keine in der Rechtsmittelinstanz von Amts wegen zu prüfende Voraussetzung für die Fortsetzung des Prozesses (BAG 28. September 1961 - 2 AZR 32/60 - BAGE 11, 276; GMP/Müller-Glöge 7. Aufl. § 74 Rn. 103). Erhebt der Revisionskläger die entsprechende Verfahrensrüge nicht, kommt es auf einen Verstoß gegen § 547 Nr. 1 ZPO nicht an.

14

II. Im Streitfall hat der Vorsitzende der Kammer des Landesarbeitsgerichts das Urteil den ehrenamtlichen Richtern „entsprechend dem Beratungsergebnis“ nebst den nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen - nachgelassenen - Schriftsätzen zugesandt. Er hat dies mit dem Hinweis verbunden, dass sich aus letzteren seiner Ansicht nach „keine neue Entscheidungssituation“ ergebe, und hat darum gebeten, für den Fall von Änderungswünschen einen gesonderten Beratungstermin zu vereinbaren. Die Beklagte hat eine Besetzungsrüge nicht erhoben. Zwar hat sie geltend gemacht, es habe „der Einzelrichter“ anstelle des Kollegiums entschieden. Damit hat sie aber nicht den Mangel einer Beratung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 Abs. 1, Abs. 2 ZPO gerügt(vgl. dazu BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 13). Vielmehr wirft sie dem Landesarbeitsgericht in der Sache nur vor, ihr Vorbringen im nachgelassenen Schriftsatz vom 16. März 2012 nicht berücksichtigt zu haben. Sie rügt demnach ausschließlich eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).

15

B. Die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, ist unbegründet. Der Umstand, dass das Landesarbeitsgericht im Rahmen seiner rechtlichen Bewertung nicht ausdrücklich auf den in den nachgelassenen Schriftsätzen gehaltenen Vortrag eingegangen ist, bedeutet nicht, dass es diesen bei seiner Entscheidungsfindung außer Acht gelassen hätte. Hierfür bedürfte es besonderer Anhaltspunkte (vgl. BVerfG 31. März 2006 - 1 BvR 2444/04 - zu III 1 der Gründe, BVerfGK 7, 485; BAG 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 47, BAGE 140, 47). Sie liegen nicht vor. Ein solcher Anhaltspunkt ergibt sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass nach Eingang der Schriftsätze keine erneute Beratung stattgefunden hat. Der Vorsitzende hat im Anschreiben an die ehrenamtlichen Richter zum Ausdruck gebracht, er habe das weitere Vorbringen der Beklagten zur Kenntnis genommen, halte dieses aber nicht für entscheidungserheblich. Die ehrenamtlichen Richter haben ersichtlich keinen abweichenden Standpunkt eingenommen.

16

C. Ob die Kündigung wirksam ist, steht noch nicht fest.

17

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Kündigung gelte nicht bereits gem. § 4 Satz 1, § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Die Klägerin hat ihre Klage fristgerecht erhoben.

18

1. Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er gem. § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben. Die Erhebung der Klage erfolgt gem. § 253 Abs. 1 ZPO durch Zustellung der Klageschrift. Nach § 167 ZPO genügt zur Fristwahrung der Klageeingang bei Gericht, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Wird die Rechtsunwirksamkeit nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt die Kündigung gem. § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam.

19

2. Im Streitfall ist die Kündigungsschutzklage am 1. Dezember 2010 - und damit innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung - beim Arbeitsgericht eingegangen. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, diese habe sich von vornherein gegen die Beklagte gerichtet, und hat das Passivrubrum entsprechend berichtigt. Die falsche Bezeichnung in der Klageschrift war unschädlich.

20

a) Die Parteien eines Prozesses sind vom Kläger in der Klageschrift zu bezeichnen. Ist eine Bezeichnung nicht eindeutig, ist die Partei durch Auslegung zu ermitteln. Selbst bei äußerlich eindeutiger, aber offenkundig unrichtiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei angesprochen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (BAG 28. August 2008 - 2 AZR 279/07 - Rn. 14; 1. März 2007 - 2 AZR 525/05 - Rn. 12). Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist (BAG 28. August 2008 - 2 AZR 279/07 - aaO). Entscheidend ist die Wahrung der rechtlichen Identität. Bleibt die Partei nicht dieselbe, liegt keine „Berichtigung“ vor, sondern es wird im Wege der Parteiänderung eine andere Partei in den Prozess eingeführt. Eine ungenaue oder erkennbar falsche Parteibezeichnung ist hingegen unschädlich und kann jederzeit von Amts wegen richtig gestellt werden (BAG 28. August 2008 - 2 AZR 279/07 - aaO; 1. März 2007 - 2 AZR 525/05 - aaO).

21

b) Für die Parteistellung in einem Prozess ist nicht allein die formelle Bezeichnung der Partei in der Klageschrift maßgebend (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 525/05 - Rn. 13; 21. September 2006 - 2 AZR 573/05 - Rn. 25). Ergibt sich in einem Kündigungsschutzprozess aus den gesamten erkennbaren Umständen, etwa aus dem der Klageschrift beigefügten Kündigungsschreiben, wer als beklagte Partei gemeint ist, ist die Berichtigung des Rubrums regelmäßig möglich (BAG 28. August 2008 - 2 AZR 279/07 - Rn. 15; 1. März 2007 - 2 AZR 525/05 - aaO). Dies gilt etwa dann, wenn sich aus der Klageschrift oder den beigefügten Unterlagen entnehmen lässt, wer gekündigt hat, und der Arbeitnehmer mit seiner Klage gegen die Kündigung seines Arbeitgebers vorgehen will. Für die Annahme, der Arbeitnehmer habe nicht seinen Arbeitgeber, sondern eine andere Einrichtung verklagen wollen, bedarf es besonderer Anhaltspunkte (BAG 28. August 2008 - 2 AZR 279/07 - aaO). Das gilt umso mehr, als es die Verfassung gebietet, den Zugang zu den Gerichten nicht in einer aus Sachgründen nicht gerechtfertigten Weise zu erschweren. Dementsprechend darf eine Klageerhebung nicht an unvollständigen oder fehlerhaften Bezeichnungen der Parteien scheitern, solange diese Mängel keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen (vgl. BVerfG 9. August 1991 - 1 BvR 630/91 -; BAG 28. August 2008 - 2 AZR 279/07 - aaO). Dies gilt auch dann, wenn irrtümlich eine tatsächlich existierende (juristische oder natürliche) Person genannt wird, falls denn aus der Klageschrift und/oder etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche Partei tatsächlich gemeint ist (BAG 12. Februar 2004 - 2 AZR 136/03 - zu B I 1 b der Gründe).

22

c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Klägerin ihre Klage von vornherein - auch - gegen die Beklagte als ihre Arbeitgeberin gerichtet.

23

aa) Zwar wirkt eine gegen einen Gesellschafter einer GbR gerichtete Klage nicht automatisch gegen die Gesellschaft. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) - wie die Beklagte - ist rechtsfähig, sofern sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet. Insoweit ist sie im Zivilprozess parteifähig (BAG 1. Dezember 2004 - 5 AZR 597/03 - zu II 1 der Gründe, BAGE 113, 50; BGH 29. Januar 2001 - II ZR 331/00 - BGHZ 146, 341) und kann als solche verklagt werden.

24

bb) Die Klageschrift ist jedoch in diesem Sinne auszulegen. Die Klägerin hat die ursprüngliche Beklagte zu 2) ausdrücklich als Gesellschafterin der - jetzigen - Beklagten bezeichnet. Dadurch ging beider rechtliche Verbindung bereits aus der Klageschrift hervor. Der Klage war überdies das von der Beklagten verfasste Kündigungsschreiben beigefügt. Ausweislich dessen nahm die Beklagte die Arbeitgeberstellung gegenüber der Klägerin in Anspruch. Damit konnte nicht zweifelhaft sein, dass die Klägerin in Wirklichkeit die GbR als ihre Arbeitgeberin und nicht eine ihrer Gesellschafterinnen persönlich - die ersichtlich keine Arbeitgeberstellung innehatte - in Anspruch nehmen wollte.

25

d) Die Klage ist der beklagten GbR auch „demnächst“ iSv. § 167 ZPO zugestellt worden.

26

aa) Die Vorschrift des § 167 ZPO ist keine rein prozessrechtliche Norm. Sie schützt den Veranlasser der Zustellung vor Rechtsverlusten durch Umstände, die nicht in seiner Sphäre liegen (BGH 11. Juli 2003 - V ZR 414/02 - zu III 2 der Gründe). Sie berücksichtigt zugleich das schutzwürdige Vertrauen des Zustellungsadressaten darauf, eine durch Fristablauf - vermeintlich schon - erlangte Rechtsposition nicht zeitlich unbegrenzt wieder aufgeben zu müssen (MüKoZPO/Häublein 4. Aufl. § 167 Rn. 1; Zöller/Greger ZPO 30. Aufl. § 167 Rn. 1). Der Begriff „demnächst“ ist deshalb ohne eine absolute zeitliche Grenze unter Rückgriff auf diese Schutzgüter auszulegen (BGH 11. Juli 2003 - V ZR 414/02 - aaO).

27

bb) Im Streitfall ist die Klage der Beklagten am 25. Februar 2011 zugestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt war die dreiwöchige Klagefrist länger als zwei Monate verstrichen. Die Beklagte hatte allerdings in Person ihrer Gesellschafterin - der ursprünglichen Beklagten zu 2) - bereits am 16. Dezember 2010 Kenntnis von der Klageerhebung erlangt. Die Klagefrist nach § 4 KSchG soll gewährleisten, dass der Arbeitgeber alsbald nach Zugang der Kündigung erfährt, ob sich der Arbeitnehmer gegen diese zur Wehr setzen will(BAG 12. Februar 2004 - 2 AZR 136/03 - zu B I 2 der Gründe). Diesem Zweck war hier durch die Zustellung der Klageschrift nebst Anlagen an die - vertretungsberechtigte - Gesellschafterin der Beklagten Genüge getan. Diese hat ihre Klageerwiderung vom 27. Dezember 2010 im Übrigen unter dem Briefkopf der Beklagten verfasst und dadurch zum Ausdruck gebracht, dass auch sie die Klage als gegen die jetzige Beklagte gerichtet verstanden hat.

28

II. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz nicht deshalb keine Anwendung, weil es bei Zugang der Kündigung noch nicht lange genug bestanden hätte. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Wartezeit iSv. § 1 Abs. 1 KSchG im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 15. November 2010 erfüllt war.

29

1. Nach § 1 Abs. 1 KSchG gelten im Arbeitsverhältnis die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen länger als sechs Monate bestanden hat. Seit der Änderung der Bestimmung durch das Erste Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz vom 14. August 1969 (BGBl. I S. 1106) ist der allgemeine Kündigungsschutz nicht mehr an die tatsächliche Beschäftigung, sondern allein an den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft (BAG 20. August 1998 - 2 AZR 83/98 - zu II 1 der Gründe, BAGE 89, 307). Der Zweck einer Erprobung des Arbeitnehmers steht nicht mehr uneingeschränkt im Vordergrund (BAG 20. August 1998 - 2 AZR 83/98 - aaO; 15. August 1984 - 7 AZR 228/82 - BAGE 46, 163).

30

2. Für den Beginn der Wartezeit ist der Zeitpunkt maßgebend, von dem ab die Arbeitsvertragsparteien ihre wechselseitigen Rechte und Pflichten begründen wollen (BAG 27. Juni 2002 - 2 AZR 382/01 - zu B I 2 b bb (3) der Gründe, BAGE 102, 49).

31

a) Im Regelfall wird dies der Zeitpunkt sein, in dem der Arbeitnehmer nach der vertraglichen Vereinbarung seine Arbeit aufnehmen soll (KR-Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 100; HaKo/Pfeiffer 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 69; Löwisch in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. § 1 Rn. 65; MüKoBGB/Hergenröder 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 31).

32

b) Er ist dann nicht maßgebend, wenn der rechtliche Beginn des Arbeitsverhältnisses und der Termin der vereinbarten Arbeitsaufnahme nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien auseinanderfallen. Dies ist anzunehmen, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich darin einig sind, dass gleich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses eine Zeitspanne liegen soll, in der der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit verpflichtet ist. Daran kann ein beiderseitiges Interesse bestehen, wenn zwar noch nicht die Verpflichtung zur Arbeitsleistung, wohl aber andere mit dem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses verbundene Rechte und Pflichten - etwa ein Wettbewerbsverbot oder Rücksichtnahme-, Schutz- und Obhutspflichten aus § 241 Abs. 2 BGB - bereits entstehen sollen.

33

c) Sinn und Zweck der Wartezeit stehen dazu nicht im Widerspruch. § 1 Abs. 1 KSchG stellt auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses und nicht auf die tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ab. Eine Unterbrechung der Arbeit - etwa durch Krankheit, Schwangerschaft, Urlaub oder Arbeitskampf - hemmt den Lauf der sechsmonatigen Wartefrist nicht (KR-Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 99; KDZ/Deinert 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 21; Löwisch in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. § 1 Rn. 55). Ob eine Zeit des Ausfalls der tatsächlichen Arbeitsleistung gleich zu Beginn oder erst im späteren Verlauf der Wartezeit eintritt, ist unter diesem Aspekt unerheblich.

34

3. Danach hat das Arbeitsverhältnis und mit ihm die Wartezeit im Streitfall am 15. Mai 2010 begonnen. Für den 26. Mai 2010 hatten die Parteien lediglich die tatsächliche Arbeitsaufnahme vereinbart.

35

a) Es kann dahinstehen, ob es sich bei der Regelung in § 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrags um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, deren Auslegung einer umfassenden Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt(vgl. BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 19; 9. September 2010 - 2 AZR 446/09 - Rn. 18 ff.), oder ob eine atypische Willenserklärung vorliegt, deren Auslegung revisionsrechtlich nur daraufhin überprüft werden kann, ob sie methodische Regeln verletzt, gegen Denk- und Erfahrungssätze verstößt oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 633/07 - Rn. 25, BAGE 130, 166; 13. November 2007 - 3 AZR 636/06 - Rn. 22). Die Auslegung von § 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrags durch das Landesarbeitsgericht hält auch einer uneingeschränkten Überprüfung stand.

36

b) Die Arbeitsvertragsparteien hatten die Einstellung der Klägerin ausdrücklich „zum 15.05.2010“ vereinbart, obwohl diese ihre Arbeit aufgrund privater Dispositionen erst am 26. Mai 2010 würde aufnehmen können. Dies erfolgte auf Wunsch der Klägerin „zur Vermeidung versicherungstechnischer Nachteile“. Auch die am 25. Mai 2010 erstellte Meldebescheinigung zur Sozialversicherung wies als Beginn des Beschäftigungszeitraums den „15.05.2010“ aus. Aus beidem wird deutlich, dass die Parteien ungeachtet der erst zum 26. Mai 2010 vereinbarten tatsächlichen Arbeitsaufnahme bereits mit Wirkung vom 15. Mai 2010 ein Arbeitsverhältnis begründen wollten. Darauf, welche einzelnen Rechte und Pflichten damit verbunden sein sollten und ob bereits zu diesem Zeitpunkt ein sozialversicherungsrechtlich relevantes Beschäftigungsverhältnis entstanden ist, kommt es nicht an.

37

c) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe sie darauf hinweisen müssen, dass es ihren dem entgegenstehenden Vortrag für unsubstantiiert halte, ist unzulässig.

38

aa) Rügt eine Partei, das Berufungsgericht sei seiner richterlichen Hinweispflicht (§ 139 ZPO) nicht nachgekommen, muss sie im Einzelnen angeben, wie sie auf einen entsprechenden Hinweis reagiert hätte. Der zunächst unterbliebene Vortrag muss nachgeholt werden. Mit der Verfahrensrüge muss die Partei für die erforderliche Schlüssigkeit bzw. Substantiierung ihres Vortrags sorgen (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 31; 25. April 2006 - 3 AZR 78/05 - Rn. 39). Darüber hinaus hat sie die Entscheidungserheblichkeit einer Verletzung der Hinweispflicht darzutun (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - aaO; 14. März 2005 - 1 AZN 1002/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 114, 67).

39

bb) Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. Die Beklagte legt nicht dar, welchen - erheblichen - Vortrag sie auf den vermissten Hinweis hin geleistet hätte.

40

d) Ob die Wartezeit in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer gleich zu Beginn pflichtwidrig nicht zur Arbeit erscheint, erst mit der tatsächlichen Arbeitsaufnahme beginnt (so KR-Griebeling 10. Aufl. KSchG § 1 Rn. 100; ErfK/Oetker 14. Aufl. § 1 KSchG Rn. 35; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 30; aA wohl MüKoBGB/Hergenröder 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 31), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Die Klägerin hat nicht gegen ihre Arbeitspflicht verstoßen. Die Parteien haben in dem Wissen, dass die tatsächliche Arbeitsaufnahme erst am 26. Mai 2010 erfolgen würde, einen früheren rechtlichen Beginn des Arbeitsverhältnisses vereinbart.

41

4. Bei der Berechnung der Wartezeit ist der 15. Mai 2010 als erster Tag mitzuzählen. Dem steht nicht entgegen, dass die Arbeitsvertragsparteien den Arbeitsvertrag erst an diesem Tag unterzeichnet haben.

42

a) Für die Beurteilung der Frage, ob der Tag des Abschlusses des Arbeitsvertrags zur Wartezeit zu zählen ist, ist der Wille der Vertragsparteien maßgebend. Dieser ist gem. § 133, § 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. § 187 BGB kann insoweit gem. § 186 BGB als Auslegungsregel herangezogen werden(BAG 27. Juni 2002 - 2 AZR 382/01 - zu B I 2 a dd der Gründe, BAGE 102, 49).

43

b) Haben sich die Parteien über die Arbeitsaufnahme an einem bestimmten Tag verständigt, ist dieser in die Berechnung der Wartezeit einzubeziehen, selbst wenn der Arbeitsvertrag erst nach Arbeitsbeginn unterzeichnet wird (BAG 27. Juni 2002 - 2 AZR 382/01 - zu B I 2 b bb (2) der Gründe, BAGE 102, 49). Entsprechendes gilt, wenn sich die Parteien über den Zeitpunkt des rechtlichen Beginns ihres Arbeitsverhältnisses einigen, ohne dass der Arbeitnehmer zur tatsächlichen Arbeitsaufnahme schon verpflichtet wäre. Maßgebend für den Beginn der Wartezeit ist in diesem Fall der Tag der Entstehung der sonstigen Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag.

44

c) So verhält es sich hier. Die ursprünglichen Vertragsparteien haben vereinbart, die Klägerin werde „ab dem 15.05.2010“ als Krankenpflegerin eingestellt. Mit der Nennung eines bestimmten Datums als des Tages „ab dem“, ein Arbeitnehmer eingestellt werde, geben die Vertragsparteien regelmäßig zu verstehen, dass sie ihr Arbeitsverhältnis mit Beginn dieses Tages im Sinne von § 187 Abs. 2 BGB in Kraft setzen wollen. Dies gilt im Streitfall umso mehr, als die damalige Arbeitgeberin die Meldung zur Sozialversicherung mit Wirkung zum selben Datum vorgenommen hat. Hätten sie und die Klägerin diesen Tag als Tag der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags nicht - in Gänze - mitzählen wollen, hätte es nahegelegen, jedenfalls die Meldung zur Sozialversicherung erst mit Wirkung zum darauffolgenden Tag vorzunehmen.

45

5. Die am 15. Mai 2010 beginnende Wartezeit wurde am 1. Juli 2010 nicht etwa erneut in Gang gesetzt. Zwar besteht das Arbeitsverhältnis der Parteien selbst erst seit diesem Zeitpunkt. Im Fall eines Betriebsübergangs sind jedoch schon wegen § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB die beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten vom Erwerber zu berücksichtigen(BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 639/02 - zu II 2 a der Gründe; 27. Juni 2002 - 2 AZR 270/01 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 102, 58). Die Beklagte selbst hat behauptet, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin sei im Wege des Betriebsübergangs auf sie übergegangen. Dementsprechend hat sie die Anrechnung der bei der B-GmbH zurückgelegten Wartezeit nicht in Frage gestellt.

46

6. Sind danach die Zeit ab dem 15. Mai 2010 und dieser Tag selbst bei der Berechnung der Wartezeit mitzuzählen, endete sie mit Ablauf des 14. November 2010 (§ 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB). Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil es sich bei diesem Tag um einen Sonntag handelte. Nach § 193 BGB verlängert sich zwar die Frist zur Abgabe einer Willenserklärung, die an einem Sonntag endet, bis zum Ablauf des nächsten Werktags. Diese Regelung ist aber für die Berechnung der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ohne Bedeutung.

47

a) § 1 Abs. 1 KSchG enthält keine Frist für die Abgabe von Kündigungserklärungen. Bei einer Kündigung, die innerhalb der Wartezeit erklärt werden soll, handelt es sich deshalb nicht um eine „innerhalb einer Frist abzugebende“ Willenserklärung. Die Regelung des § 1 Abs. 1 KSchG bedeutet keineswegs, dass etwa - wie von § 193 BGB vorausgesetzt - um den Preis des Verlustes des Kündigungsrechts eine ordentliche Kündigung bis zum Ablauf der Wartezeit zu erklären wäre. Der Arbeitgeber vermag vielmehr auch nach Ablauf des Sechsmonatszeitraums jederzeit zu kündigen, wenn auch nunmehr unter dem Regime des Kündigungsschutzgesetzes (so auch BAG 5. März 1970 - 2 AZR 112/69 - zu 3 der Gründe, BAGE 22, 304 für Berechnung von Kündigungsfristen). Dies ist kein Fall des § 193 BGB.

48

b) Nach Sinn und Zweck der Vorschrift kommt auch ihre entsprechende Anwendung auf das Ende der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG nicht in Betracht. § 193 BGB dient dem Schutz der Interessen desjenigen, der die Willenserklärung abzugeben hat. Wer innerhalb einer Frist eine Erklärung abgeben muss, soll davor bewahrt werden, dass das ihm zustehende Recht, die Frist bis zum letzten Tag auszunutzen, wegen der Arbeits- und Behördenruhe am Wochenende und an Feiertagen verkürzt wird (BT-Drucks. IV S. 3394 zu I; BAG 5. März 1970 - 2 AZR 112/69 - zu 4 c der Gründe, BAGE 22, 304). Demgegenüber regelt § 1 Abs. 1 KSchG nicht Fristen zur Abgabe von Willenserklärungen, sondern bestimmt einen Zeitraum nach dessen Ablauf die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes auf Kündigungen ohne Abstriche anzuwenden sind. So betrachtet dient § 1 Abs. 1 KSchG in erster Linie dem Schutz des Arbeitnehmers. Dieser soll nach einem Bestand des Arbeitsverhältnisses von sechs Monaten darauf vertrauen dürfen, dass dieses seitens des Arbeitgebers nur mehr bei sozialer Rechtfertigung gekündigt werden kann. Den Zeitraum, in dem der Arbeitgeber ohne die Anforderungen des Kündigungsschutzgesetzes kündigen kann, deshalb um einen oder ggf. mehrere Tage zu verlängern, weil sein Ende auf einen Sonntag, Feiertag oder Sonnabend fällt, geben § 193 BGB und die ihm zugrunde liegende gesetzliche Wertentscheidung keinen Anlass.

49

c) Diese Erwägungen stehen nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Oktober 1985 (- 2 AZR 601/84 - zu B II 2 c der Gründe). Dort wurde zwar § 193 BGB zur Berechnung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB angewandt. Diese Bestimmung ist jedoch mit der des § 1 Abs. 1 KSchG nicht vergleichbar. Nach § 626 Abs. 2 BGB muss eine außerordentliche Kündigung innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Kenntnis der sie tragenden Gründe erklärt werden. Nach Ablauf der Frist ist eine außerordentliche Kündigung dauerhaft ausgeschlossen. Dies ist ein Fall von § 193 BGB(vgl. KR-Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 356).

50

III. Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, im Betrieb der Beklagten seien im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mehr als zehn Arbeitnehmer iSv. § 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 KSchG beschäftigt gewesen. Die Beklagte selbst beschäftigt weniger als zehn Arbeitnehmer. Ob sie mit einem oder zwei anderen Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb mit insgesamt mehr als zehn Arbeitnehmern unterhält, steht noch nicht fest.

51

1. Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen liegt vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben, so dass der Kern der Arbeitgeberfunktion im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - Rn. 20, BAGE 142, 36; 9. Juni 2011 - 6 AZR 132/10 - Rn. 16, BAGE 138, 116). Dafür ist vor allem maßgebend, ob ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz praktiziert wird, der charakteristisch für den normalen Betriebsablauf ist. Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit genügt nicht (BAG 22. Juni 2005 - 7 ABR 57/04 - zu B II 1 der Gründe).

52

2. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass im Kündigungszeitpunkt ein gemeinsamer Betrieb bestanden hat, trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - Rn. 21, BAGE 142, 36; 18. Oktober 2006 - 2 AZR 434/05 - Rn. 48 ff.). Mit Rücksicht auf seine typischerweise mangelnde Kenntnis vom Inhalt der zwischen den beteiligten Unternehmen getroffenen vertraglichen Vereinbarungen kommen ihm dabei Erleichterungen zugute. Der Arbeitnehmer genügt seiner Darlegungslast in einem ersten Schritt, wenn er äußere Umstände aufzeigt, die für die Annahme sprechen, dass sich mehrere Unternehmen über die gemeinsame Führung eines Betriebs unter einem einheitlichen Leitungsapparat geeinigt haben. Darauf hat der Arbeitgeber nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen zu erwidern und darzulegen, welche rechtserheblichen Umstände gegen die Annahme eines einheitlichen Betriebs sprechen sollen(BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - aaO; 18. Oktober 2006 - 2 AZR 434/05 - Rn. 49, aaO).

53

3. Danach durfte das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs nicht bejahen.

54

a) Das Landesarbeitsgericht hat seine Würdigung, die Beklagte und die weiterhin den ambulanten Pflegedienst betreibende B-GmbH unterhielten einen Gemeinschaftsbetrieb, im Wesentlichen auf die Annahme gestützt, die B-GmbH habe bei Einstellung der Klägerin einen einzigen, einheitlichen Betrieb geführt. Daran habe sich durch den Übergang der Arbeitnehmer der Tagespflegeeinrichtung auf die Beklagte nichts geändert. Dabei hat das Landesarbeitsgericht außer Acht gelassen, dass die B-GmbH die Tageseinrichtung und den ambulanten Pflegedienst in Gestalt zweier getrennter Betriebsstätten geführt hatte. Aufgrund welcher Umstände die Betriebsstätten nicht auch eigenständige Betriebe, sondern nur Teile eines einheitlichen Betriebs gewesen wären, hat es nicht festgestellt. Auch wenn mit dem Übergang der Tagespflegeeinrichtung auf die Beklagte die betrieblichen Strukturen unverändert geblieben sein sollten, steht deshalb nicht fest, dass Pflegedienst und Tageseinrichtung im Rahmen eines einheitlichen, nunmehr gemeinsamen Betriebs zweier Inhaber geführt werden.

55

b) Ob jedenfalls im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein einheitlicher Betrieb bestand, vermag der Senat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht zu beurteilen.

56

aa) Der von der Klägerin angeführte arbeitgeberübergreifende Einsatz einzelner Arbeitnehmer als solcher indiziert kein Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs. Das ist nur dann der Fall, wenn dieser Einsatz auf einer gemeinsamen Leitungsstruktur beruht. Eine solche liegt nicht schon mit Blick auf die Identität der Leitungspersonen der beteiligten Unternehmen vor (vgl. BAG 5. November 1987 - 2 AZR 190/87 -; 13. Juni 1985 - 2 AZR 452/84 - zu A II 3 b der Gründe). Der Umstand, dass die Dienstleistungsgesellschaft sowohl für die Beklagte als auch für die B-GmbH die Personalverwaltung durchführt, indiziert ebenso wenig eine einheitliche Betriebsleitung. Das Vorhandensein einer gemeinsamen Personalabteilung spricht nicht schon dann für einen gemeinsamen Betrieb, wenn Dienstleistungen übernommen werden, die auch als Serviceleistungen Dritter denkbar sind, etwa die Lohnbuchhaltung. Erforderlich ist, dass die Personalabteilung zur Wahrnehmung der personellen Arbeitgeberfunktionen bevollmächtigt ist oder durch eine Person geleitet wird, die für beide Unternehmen die Entscheidungen in wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten trifft (vgl. BAG 18. Oktober 2006 - 2 AZR 434/05 - Rn. 53; 11. Februar 2004 - 7 ABR 27/03 - BAGE 109, 332).

57

bb) Ob und inwieweit dies - etwa durch das Führen von Einstellungsgesprächen oder die Genehmigung von Urlaub, wie von der Klägerin behauptet - der Fall war, ist zwischen den Parteien streitig. Das Landesarbeitsgericht hat entsprechende Feststellungen nicht getroffen. Dies wird es, falls es darauf ankommt, nachzuholen haben.

58

cc) Sollte das Landesarbeitsgericht nach erneuter Prüfung zu dem Ergebnis gelangen, dass die Beklagte keinen Gemeinschaftsbetrieb mit einem oder beiden in Betracht kommenden Unternehmen unterhält, wäre die Kündigung wirksam. Das Kündigungsschutzgesetz fände dann keine Anwendung. Außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes liegende Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich. Fände umgekehrt das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, wäre die Kündigung nach dem bisherigen Sachvortrag der Beklagten unwirksam. Auf seiner Basis sind Gründe, die die Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingen könnten, nicht erkennbar.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    Söller    

        

    Jan Eulen    

                 

Tenor

Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 8. Juli 2008 - 2 Sa 2/08 - wird zurückgewiesen.

Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 30. April 2008 geendet hat.

2

Der Kläger war vom 1. Juli 1996 bis zum 30. April 2008 aufgrund mehrerer mit dem Land Sachsen-Anhalt abgeschlossener befristeter Arbeitsverträge - mit Unterbrechungen - als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg beschäftigt. Der letzte Änderungsvertrag vom 26./29. April 2002 war nach § 57b Abs. 1 HRG befristet und hatte eine Laufzeit vom 1. Mai 2002 bis zum 30. April 2008. Am 23. April 2002 hatte der Kläger seine Dissertation verteidigt. Die Promotionskommission gab ihm am selben Tag das Gesamtergebnis der Promotion mit „magna cum laude“ bekannt. Am 8. Mai 2002 bestätigte der Fakultätsrat die Bewertung der Promotionskommission. Mit der Promotionsurkunde vom 8. Mai 2002 wurde dem Kläger der akademische Grad „Dr. phil.“ verliehen. Die Promotionsurkunde wurde ihm einige Tage später ausgehändigt.

3

Die Promotionsordnung der Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg vom 6. Oktober 1999 idF vom 4. Juli 2001 lautet auszugsweise:

        

㤠12

        

Bewertung der Promotionsleistungen

        

(1)

Nach erfolgreichem Abschluß der Verteidigung der Dissertation ist in nichtöffentlicher Beratung durch die Promotionskommission über die Bewertung der Promotionsleistungen zu entscheiden. Die Mitglieder des Fakultätsrates und die gewählten Mitglieder des Senats können beratend teilnehmen.

        

...

        

        

(3)

Das Gesamtprädikat ist vorbehaltlich der Bestätigung durch den Fakultätsrat im Anschluß an die Verteidigung der Dissertation bekanntzugeben.

        

§ 13

        

Entscheidung über die Verleihung

        

(1)

Nach Abschluß des Verfahrens informiert das vorsitzende Mitglied der Promotionskommission die Dekanin bzw. den Dekan über die Empfehlung für den Beschluß zur Verleihung/Nichtverleihung des akademischen Grades.

        

(2)

Über die Verleihung/Nichtverleihung des akademischen Grades und das Prädikat der Gesamtleistung entscheidet der Fakultätsrat durch Beschluß. In begründeten Fällen kann der Fakultätsrat von dem errechneten Notendurchschnitt abweichen.

        

...

        
        

(4)

Die endgültige Verleihung des akademischen Grades und die Übergabe der Promotionsurkunde setzen die Veröffentlichung der Dissertation entsprechend § 14 voraus.

        

...

        
        

§ 14

        

Veröffentlichung der Dissertation

        

(1)

Die Dissertation ist zu veröffentlichen. Als Formen der Veröffentlichung sind zulässig:

        

a)   

die Publikation als selbstständige Schrift in einem wissenschaftlichen Verlag;

        

b)   

die Vervielfältigung im photomechanischen Verfahren im Format DIN A 5; ausnahmsweise kann der Fakultätsrat gestatten, dass die photomechanische Vervielfältigung im Format DIN A 4 erfolgt;

        

…       

        
        

e)   

der Abdruck in einer wissenschaftlichen Zeitschrift; in Sonderfällen kann der Fakultätsrat gestatten, daß sich dieser Abdruck auf einen wesentlichen Teil der Dissertation beschränkt. In diesem Fall sind sechs Exemplare der vollständigen Dissertation der Fakultät zu übergeben.

        

(2)

Der Fakultät sind 40 Exemplare der gedruckten oder photomechanisch vervielfältigten Dissertation einzureichen. Im Falle der Veröffentlichung als selbstständige Schrift in einem wissenschaftlichen Verlag oder in einer wissenschaftlichen Zeitschrift oder bei Ablage der Datei der Dissertation im Dissertationen-Archiv auf dem zentralen WWW-Server der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg sind sechs Sonderdrucke an das Dekanat abzuliefern. Über Ausnahmen entscheidet der Fakultätsrat.

        

...

        

§ 17

        

Promotionsurkunde

        

(1)

Die Promotion wird mit der Aushändigung der Promotionsurkunde durch die Dekanin bzw. den Dekan vollzogen.

        

...

        
        

(3)

Erst mit der Aushändigung der Promotionsurkunde erwirbt die sich bewerbende Person das Recht, den Grad zu führen. Das Promotionsverfahren ist damit abgeschlossen.

        

...“

        
4

Mit der am 19. Juli 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage, der die mit dem Land Sachsen-Anhalt abgeschlossenen Arbeitsverträge beigefügt waren, hat sich der Kläger gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Befristung zum 30. April 2008 gewandt. In der Klageschrift hat er den Kanzler der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, mit Schriftsatz vom 2. August 2007 die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg als beklagte Partei bezeichnet.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Befristung zum 30. April 2008 sei unwirksam. Die Voraussetzungen für eine Befristung nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG seien nicht erfüllt, da bei Vertragsschluss am 26./29. April 2002 seine Promotion noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Die Promotion werde mit der Aushändigung der Promotionsurkunde vollzogen. Erst damit werde das Promotionsverfahren abgeschlossen und das Recht erworben, den akademischen Grad zu führen. Vorliegend sei dies erst einige Tage nach dem 8. Mai 2002 der Fall gewesen.

6

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund einer Befristung zum Ablauf des 30. April 2008 endete, sondern unbefristet fortbesteht.

7

Die beklagte Partei hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Befristung sei nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG gerechtfertigt. Es komme für die Befristung nach dieser Bestimmung nicht auf den Abschluss des Promotionsverfahrens an, sondern auf den Abschluss der Promotion. Die Promotion sei mit der Verteidigung der Dissertation und der anschließenden Bekanntgabe des Gesamtprädikats durch die Promotionskommission am 23. April 2002 abgeschlossen gewesen. Im Übrigen sei die Berufung des Klägers auf die Unwirksamkeit der Befristung rechtsmissbräuchlich.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat die als Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg bezeichnete beklagte Partei Berufung eingelegt. In der Berufungsverhandlung hat das Landesarbeitsgericht auf Antrag des Klägers im Einvernehmen mit der beklagten Partei das Passivrubrum dahingehend berichtigt, dass beklagte Partei das Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, ist. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der als Befristungskontrollklage auszulegenden Feststellungsklage zu Recht stattgegeben.

10

A. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich trotz des auf eine allgemeine Feststellungsklage iSv. § 256 Abs. 1 ZPO hindeutenden letzten Halbsatzes des Klageantrags ausschließlich um eine Befristungskontrollklage gem. § 17 Satz 1 TzBfG, mit der der Kläger die Unwirksamkeit der zum 30. April 2008 vereinbarten Befristung geltend macht. Andere Beendigungstatbestände oder -zeitpunkte sind zwischen den Parteien nicht im Streit. Der letzte Halbsatz des Klageantrags hat daher keine eigenständige Bedeutung.

11

B. Die Klage ist begründet. Die beklagte Partei ist passivlegitimiert. Die in dem Änderungsvertrag vom 26./29. April 2002 vereinbarte Befristung ist unwirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 30. April 2008 beendet.

12

I. Die Klage ist nicht mangels Passivlegitimation der beklagten Partei abzuweisen. Das Landesarbeitsgericht hat das Passivrubrum zu Recht dahingehend berichtigt, dass beklagte Partei das Land Sachsen-Anhalt ist. Der Kläger hat mit der Befristungskontrollklage von Anfang an das Land Sachsen-Anhalt in Anspruch genommen und nicht die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg oder deren Kanzler, die er zunächst als beklagte Partei bezeichnet hat. Dies ergibt die Auslegung der Klageschrift.

13

1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss die Klageschrift die Bezeichnung der Parteien enthalten. Ist die Bezeichnung nicht eindeutig, ist die Partei durch Auslegung zu ermitteln. Auch bei äußerlich eindeutiger, aber offenkundig unrichtiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusehen, die erkennbar mit der Parteibezeichnung gemeint ist (so bereits BGH 24. Januar 1952 - III ZR 196/50 - BGHZ 4, 328; BAG 1. März 2007 - 2 AZR 525/05 - Rn. 12 mwN, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 60 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 76). Dafür ist entscheidend, welchen Sinn die Erklärung aus der Sicht des Gerichts und des Prozessgegners hat (BGH 15. Mai 2006 - II ZB 5/05 - NJW-RR 2006, 1569). Hierbei ist das tatsächliche Vorbringen der Klagepartei zugrunde zulegen. Auf deren Rechtsauffassung kommt es nicht an (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 525/05 - Rn. 16, mwN aaO). Maßgeblich für die Beurteilung sind die gesamten erkennbaren Umstände, insbesondere auch die der Klageschrift beigefügten Unterlagen (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 525/05 - Rn. 13, aaO). Die Berichtigung einer offensichtlich unrichtigen Parteibezeichnung ist während des gesamten Verfahrens möglich.

14

2. Danach hat das Landesarbeitsgericht das Passivrubrum zu Recht dahingehend berichtigt, dass beklagte Partei das Land Sachsen-Anhalt ist. Der Kläger hat zwar in der Klageschrift zunächst den Kanzler der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg als Beklagten bezeichnet und dies später auf Anregung des Arbeitsgerichts dahingehend präzisiert, dass beklagte Partei die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg sei. Der Klageschrift lagen jedoch die Arbeitsverträge bei, die mit dem Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, abgeschlossen waren. Dies entspricht § 110 des Hochschulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt in der ab 13. Mai 2004 geltenden Fassung (im Folgenden: HSG LSA). Danach ist das Land Sachsen-Anhalt Arbeitgeber des an den Universitäten beschäftigten wissenschaftlichen Personals. Die Universität nimmt nach § 55 Abs. 1 HSG LSA die Personalangelegenheiten im Auftrag des Landes war. Es war daher von Anfang an erkennbar, dass der Kläger das Land Sachsen-Anhalt als seinen Arbeitgeber in Anspruch nehmen wollte und er lediglich fehlerhaft dessen Vertreter als beklagte Partei bezeichnet hat. Demzufolge sind auch die Berufungsschrift und die Berufungsbegründung, in denen als Berufungsklägerin die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg genannt ist, so zu verstehen, dass die Berufung von der Universität namens und in Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt eingelegt und begründet wurde. Durch die erst im zweiten Rechtszug und nach Ablauf der Dreiwochenfrist des § 17 Satz 1 TzBfG erfolgte Berichtigung der Parteibezeichnung wurden keine prozessualen Rechte des beklagten Landes verletzt. Dieses hatte durch seine Vertreterin, die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, von Anfang an Kenntnis von der prozessualen Inanspruchnahme durch den Kläger. Es hat gegen die Berichtigung der Parteibezeichnung auch keine Einwendungen erhoben.

15

II. Die in dem Änderungsvertrag vom 26./29. April 2002 vereinbarte Befristung ist unwirksam. Sie ist nicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG, § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG gerechtfertigt. Die Berufung des Klägers auf die Unwirksamkeit der Befristung ist nicht rechtsmissbräuchlich.

16

1. Die Befristung erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG, § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG, da die Promotion des Klägers bei Abschluss des Änderungsvertrags am 26./29. April 2002 noch nicht abgeschlossen war. Dies war erst mit der Übergabe der Promotionsurkunde nach dem 8. Mai 2002 der Fall.

17

a) Die Wirksamkeit der am 26./29. April 2002 vereinbarten Befristung richtet sich nach § 57b Abs. 1 HRG. Dies ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG. Danach gelten für die in der Zeit vom 23. Februar 2002 bis zum 17. April 2007 an staatlichen Hochschulen abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal die §§ 57a bis 57f HRG in der ab 31. Dezember 2004 geltenden Fassung.

18

b) Die Befristung genügt nicht den Anforderungen des § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG.

19

aa) Die Befristung von Arbeitsverträgen mit nicht promoviertem wissenschaftlichen Personal ist nach § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG bis zur Dauer von sechs Jahren zulässig. Nach abgeschlossener Promotion (sog. Postdoc-Phase) ist gem. § 57b Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. HRG eine Befristung bis zur Dauer von sechs Jahren möglich. Eine Befristung nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG setzt voraus, dass sie nach Abschluss der Promotion vereinbart wird. Es ist daher nicht zulässig, einen nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG befristeten Arbeitsvertrag schon vor der Promotion für die Zeit danach abzuschließen(aA Hailbronner/Geiß-Waldeyer HRG Stand Dezember 2008 § 57b Rn. 7). Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG. Diese Vorschrift gestattet mit wissenschaftlichem Personal die Befristung „nach abgeschlossener Promotion“ bis zur Dauer von sechs Jahren. Sinn und Zweck der Befristungsmöglichkeit nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG bestätigen dies. Die Vorschrift ermöglicht den Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit bereits promoviertem wissenschaftlichen Personal (BT-Drucks. 14/6853 S. 33). Sie setzt daher eine erfolgreiche Promotion voraus. Ob eine Promotion erfolgreich ist, steht vor dem Abschluss der Promotion nicht fest. Vor Abschluss der Promotion kann daher nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass für den Mitarbeiter die Befristungsmöglichkeit nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG überhaupt eröffnet wird. Deshalb kann von der Befristungsmöglichkeit nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG erst nach Abschluss der Promotion Gebrauch gemacht werden.

20

bb) Danach ist die in dem Änderungsvertrag vom 26./29. April 2002 vereinbarte Befristung nicht nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG gerechtfertigt. Die Promotion des Klägers war entgegen der Auffassung des beklagten Landes nicht bereits mit der Verteidigung der Dissertation und der anschließenden Bekanntgabe des Gesamtprädikats durch die Promotionskommission am 23. April 2002, sondern erst mit der Übergabe der Promotionsurkunde nach dem 8. Mai 2002 abgeschlossen. Dies ergibt sich aus den Vorschriften des HSG LSA und der Promotionsordnung der Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg vom 6. Oktober 1999 idF vom 4. Juli 2001 (im Folgenden: Promotionsordnung).

21

(1) Die Vorschriften des HRG, insbesondere § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG regeln nicht, wann eine Promotion iSv. § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG „abgeschlossen“ ist. § 18 Abs. 2 Satz 1 HRG verweist hinsichtlich der Verleihung von Hochschulgraden auf das Landesrecht. Wann eine Promotion iSv. § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG abgeschlossen ist, ist daher nach den landesrechtlichen Vorschriften und der jeweiligen Promotionsordnung zu beurteilen(ebenso KR/Lipke 8. Aufl. § 57b HRG Rn. 28; ErfK/Müller-Glöge 6. Aufl. § 57b HRG Rn. 6; ErfK/Müller-Glöge 10. Aufl. § 2 WZVG Rn. 3; Reich HRG 9. Aufl. § 57b Rn. 3; APS/Schmidt 2. Aufl. § 57b HRG Rn. 10; APS/Schmidt 3. Aufl. § 2 WissZeitVG Rn. 10; KR/Treber 9. Aufl. § 2 WissZeitVG Rn. 26; Preis/Hausch NJW 2002, 927, 929). Es kann vorliegend dahinstehen, ob bei Fehlen einer ausdrücklichen landesrechtlichen Regelung die Promotion mit dem Tag der mündlichen Prüfung (Verteidigung der Dissertation, Disputation, Rigorosum) und der anschließenden Verkündung des Gesamtergebnisses iSv. § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG abgeschlossen ist(so zB KR/Lipke aaO; Annuß/Thüsing-Lambrich TzBfG 2. Aufl. § 23 Rn. 107 f.; APS/Schmidt 2. Aufl. § 57b HRG Rn. 7; APS/Schmidt 3. Aufl. § 2 WissZeitVG Rn. 10; Preis/Hausch aaO) oder ob dies erst mit der Verleihung des Doktorgrades der Fall ist (so zB ErfK/Müller-Glöge 6. Aufl. § 57b HRG Rn. 6; ErfK/Müller-Glöge 10. Aufl. § 2 WZVG Rn. 3; Hailbronner/Geis-Waldeyer HRG Stand Dezember 2008 § 57b Rn. 10). Nach den hochschulrechtlichen Vorschriften des beklagten Landes und den Regelungen der Promotionsordnung ist die Promotion noch nicht am Tag der Verteidigung der Dissertation und der anschließenden Bekanntgabe des Gesamtprädikats durch die Promotionskommission abgeschlossen, sondern erst mit der Aushändigung der Promotionsurkunde.

22

(a) Die Promotionsordnung regelt allerdings nicht ausdrücklich, wann die Promotion abgeschlossen ist. Sie enthält lediglich Regelungen zum Abschluss des Promotions„verfahrens“ (§ 17 Abs. 3) und dem Abschluss „des Verfahrens“ (§ 13 Abs. 2). Diese Bestimmungen bezeichnen unterschiedliche Tatbestände. Abschluss des „Verfahrens“ iSv. § 13 Abs. 2 der Promotionsordnung ist die Verteidigung der Dissertation und die anschließende Bekanntgabe des Gesamtprädikats durch die Promotionskommission gem. § 12 Abs. 3 der Promotionsordnung. Dagegen regelt § 17 Abs. 3 der Promotionsordnung, dass das „Promotionsverfahren“ mit der Aushändigung der Promotionsurkunde abgeschlossen ist. Zu welchem Zeitpunkt die „Promotion“ abgeschlossen ist, bestimmt die Promotionsordnung nicht ausdrücklich. Dies ergibt sich aber aus § 24 Abs. 1 Satz 2 HSG LSA in der hier maßgeblichen, bis zum 12. Mai 2004 geltenden Fassung (aF; seit 13. Mai 2004: § 18 Abs. 8 Satz 2 HSG LSA) in Verbindung mit der Promotionsordnung. Nach § 24 Abs. 1 Satz 2 HSG LSA aF ist Voraussetzung für die Zulassung zur Habilitation „der mit dem Erwerb des Doktorgrades erfolgte Abschluß der Promotion“. Danach ist die Promotion mit dem Erwerb des Doktorgrades abgeschlossen. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 der Promotionsordnung erwirbt der Doktorand erst mit der Aushändigung der Promotionsurkunde das Recht, den Doktorgrad zu führen. Nach diesen Regelungen ist daher nicht nur das Promotionsverfahren, sondern auch die Promotion selbst erst mit der Aushändigung der Promotionsurkunde abgeschlossen.

23

(b) Nach der hier maßgeblichen Promotionsordnung ist die Promotion entgegen der Auffassung des beklagten Landes auch deshalb nicht am Tag der Verteidigung der Dissertation und der anschließenden Bekanntgabe des Gesamtprädikats durch die Promotionskommission abgeschlossen, weil die der Promotionskommission obliegende Entscheidung über die Bewertung der Promotionsleistungen nicht abschließend ist. Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 der Promotionsordnung entscheidet der Fakultätsrat durch Beschluss über die Verleihung oder Nichtverleihung des akademischen Grades und das Gesamtprädikat. Der Fakultätsrat ist in seiner Entscheidung zwar nicht völlig frei. Er kann nach § 13 Abs. 2 Satz 2 der Promotionsordnung nur in begründeten Fällen von der Empfehlung der Promotionskommission abweichen. Mit dieser Maßgabe ist ihm aber die Letztentscheidung über den Erfolg der Promotion und deren Ergebnis vorbehalten. Dementsprechend wird das von der Promotionskommission errechnete Gesamtprädikat im Anschluss an die Verteidigung der Dissertation nach § 12 Abs. 3 der Promotionsordnung nicht endgültig, sondern unter dem Vorbehalt der Bestätigung durch den Fakultätsrat bekannt gegeben.

24

(2) Diese Auslegung der hochschulrechtlichen Bestimmungen führt allerdings dazu, dass die Zeit zwischen der Verteidigung der Dissertation und der Aushändigung der Promotionsurkunde nicht für eine befristete Beschäftigung nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG genutzt werden kann und sich eine nach § 57b Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. HRG mögliche Verlängerung der sechsjährigen Höchstbefristungsdauer um diesen Zeitraum verringert. Da die Aushändigung der Promotionsurkunde sowohl den Beschluss des Fakultätsrats über die Verleihung des Doktorgrades als auch nach § 13 Abs. 4 der Promotionsordnung die Veröffentlichung der Dissertation entsprechend § 14 der Promotionsordnung voraussetzt, kann zwischen der Verteidigung der Dissertation und der Aushändigung der Promotionsurkunde im Einzelfall geraume Zeit verstreichen. Dadurch wird jedoch das vom Bundesgesetzgeber mit der Verlängerungsregelung in § 57b Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. HRG angestrebte Ziel, eine zügige Promotion zu honorieren und es zu ermöglichen, die bei der Promotion eingesparte Zeit in der Postdoc-Phase entsprechend anzuhängen (BT-Drucks. 14/6853 S. 33), nicht in Frage gestellt. Der Doktorand und die Universität haben die Möglichkeit, im beiderseitigen Interesse eines zügigen Vertragsschlusses die Voraussetzungen für eine zeitnahe Übergabe der Promotionsurkunde zu schaffen. Dem steht das Erfordernis der Veröffentlichung der Dissertation nicht entgegen. Diese muss nicht als Publikation in einem wissenschaftlichen Verlag, sondern kann zB auch durch Vervielfältigung im photomechanischen Verfahren erfolgen (§ 14 Abs. 1 Buchst. b Promotionsordnung). In diesem Fall sind der Fakultät nach § 14 Abs. 2 der Promotionsordnung 40 Exemplare der Dissertation einzureichen. Dies lässt sich ebenso ohne größere zeitliche Verzögerung von dem Doktoranden bewerkstelligen wie die Herbeiführung des nach § 13 Abs. 2 der Promotionsordnung erforderlichen Beschlusses des Fakultätsrats durch die Universität.

25

2. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Berufung des Klägers auf die Unwirksamkeit der Befristung nicht rechtsmissbräuchlich ist. Diese Würdigung greift die Revision nicht an. Der Kläger hat lediglich von dem ihm nach § 17 Satz 1 TzBfG zustehenden Recht Gebrauch gemacht, trotz seines bei Vertragsschluss geäußerten Einverständnisses mit der Befristung deren Unwirksamkeit geltend zu machen.

26

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linsenmaier    

        

    Gräfl    

        

    Kiel    

        

        

        

    Krollmann    

        

    Schuh    

                 

Tenor

1. Die Erteilung der Vollstreckungsklausel zum Teilversäumnisurteil des Arbeitsgerichts München vom 25. Mai 2011 - 35 Ca 17879/09 - sowie der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes.

Die Entscheidungen werden aufgehoben.

Die Sache wird an das Arbeitsgericht München zurückverwiesen.

Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Dezember 2011 - 8 Ta 393/11 - ist gegenstandslos.

2. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte, über die Einbehaltung einer griechischen Quellensteuer durch die Republik Griechenland gegenüber einem bei ihr in Deutschland beschäftigten griechischen Staatsbürger zu entscheiden.

I.

2

1. Die Beschwerdeführerin ist von dem Kläger, der allein die griechische Staatsangehörigkeit besitzt, vor dem Arbeitsgericht München auf "Nachzahlung" einer von der Beschwerdeführerin erhobenen Quellensteuer in Höhe von 5% des Bruttolohnes im Gesamtbetrag von 15.198,22 € "brutto" nebst Zinsen verklagt worden. Der Kläger steht seit 1989 als Lehrkraft für die "Privaten Volksschulen der Republik Griechenland" in München und im Landkreis Dachau im Dienst der Beschwerdeführerin, die als Trägerin dieser Privatschulen am 1. Juli 1994 einen Arbeitsvertrag mit dem Kläger abgeschlossen hat. Er bezieht sein Bruttoeinkommen aus öffentlichen Kassen der Republik Griechenland. Art. 8 Abs. 2 dieses Arbeitsvertrags sieht vor, dass der Kläger infolge des extraterritorialen Status der Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin selbst verpflichtet ist, die volle Höhe der Sozialversicherungsbeiträge sowie auch die Lohn- und Kirchensteuer an die zuständigen deutschen Behörden beziehungsweise Anstalten abzuführen.

3

Mit Schreiben vom 24. Januar 2002 teilte das Griechische Generalkonsulat München dem Kläger mit, dass ab dem 1. Februar 2002 "im Auftrag und Interesse des griechischen Staates ein Prozentsatz von 5%, bezogen auf Ihr monatliches Bruttoeinkommen, als Steuer einbehalten wird". Dies sollte rückwirkend mit Wirkung vom September 2001 an gelten. Die Erhebung dieser Steuer erfolgte jeweils durch direkten Abzug vom Bruttoeinkommen des Klägers unter Angabe der griechischen Besteuerungsgrundlage.

4

Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Beschwerdeführerin regelt ein völkerrechtliches Doppelbesteuerungsabkommen (im Folgenden: DBA) die Ausübung der Steuerhoheit über die eigenen Staatsangehörigen im Ausland.

5

Art. X DBA vom 18. April 1966 (BGBl II 1967 S. 852) lautet:

Artikel X [Einkünfte aus öffentlichen Kassen]

(1) Vergütungen, die aus öffentlichen Kassen des Königreichs Griechenland oder einer seiner Gebietskörperschaften für gegenwärtig erbrachte Dienste gezahlt werden, können nur in diesem Staate besteuert werden, es sei denn, daß die Zahlung an einen deutschen Staatsangehörigen geleistet wird, der nicht zugleich Staatsangehöriger des Königreichs Griechenland ist.

[…]

6

2. Mit der am 25. November 2009 vor dem Arbeitsgericht München erhobenen Klage begehrte der Kläger die Rückzahlung der seit 2002 bis einschließlich 2008 einbehaltenen "Quellensteuer" sowie die Unterlassung künftiger derartiger Abzüge.

7

a) Nachdem die Beschwerdeführerin zum Gütetermin nicht erschienen war, erließ das Arbeitsgericht München am 25. Mai 2011 ein Teilversäumnisurteil, mit dem die begehrte Rückzahlung sowie der Unterlassungsanspruch tituliert wurden. Hiergegen erhob die Beschwerdeführerin Einspruch, über den bislang noch nicht entschieden worden ist.

8

b) Im Vollstreckungsverfahren, das Gegenstand der vorliegenden Verfassungsbeschwerde ist, erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 28. September 2011 Erinnerung (§ 62 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 732 ZPO) gegen die Erteilung einer Vollstreckungsklausel zum Teilversäumnisurteil des Arbeitsgerichts München und beantragte zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung über die Einstellung der Zwangsvollstreckung. Zur Begründung führte sie aus, dass die deutsche Gerichtsbarkeit nicht zuständig sei, weil Streitgegenstand im vorliegenden Fall ausschließlich die Besteuerung des Klägers durch die Beschwerdeführerin nach Art. X Abs. 1 DBA sei. Streitgegenstand sei damit, ob und in welchem Umfang die Republik Griechenland ihre Staatsangehörigen auf deutschem Staatsgebiet besteuern dürfe, das heißt die hoheitliche Handlung eines souveränen Staates, für die die deutsche Gerichtsbarkeit nach § 20 Abs. 2 GVG in Verbindung mit Art. 25 GG mit Blick auf den Grundsatz der Staatenimmunität nicht eröffnet sei. Urteile, die gegen einen nicht der deutschen Gerichtsbarkeit Unterworfenen ergingen, seien nichtig, weil § 20 Abs. 2 GVG jeglichem gerichtlichem Tätigwerden entgegenstehe. Da das Teilversäumnisurteil nichtig sei, hätte für dieses auch keine Vollstreckungsklausel erteilt werden dürfen. Die Erinnerung wurde durch Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 2. November 2011 zurückgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hob das Landesarbeitsgericht München die Entscheidung des Arbeitsgerichts München mit Beschluss vom 20. Dezember 2011 auf und erklärte die Zwangsvollstreckung für insgesamt unzulässig. Dagegen erhob der Kläger Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht.

9

c) Mit Beschluss vom 14. Februar 2013 hob das Bundesarbeitsgericht den Beschluss des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Dezember 2011 auf und wies die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 2. November 2011 zurück. Ob Urteile, die gegen Personen, die der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterliegen, nichtig und damit wirkungslos oder lediglich anfechtbar seien, könne dahingestellt bleiben, weil die Beschwerdeführerin in dem mit dem Kläger geführten Rechtsstreit nicht nach § 20 Abs. 2 GVG von der deutschen Gerichtsbarkeit ausgenommen sei. Der Rechtsstreit betreffe nicht deren hoheitliche Tätigkeit. Soweit überhaupt eine Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit unter dem Gesichtspunkt der Staatenimmunität in Betracht komme, beziehe sich dies auf den völkerrechtlich anerkannten Grundsatz, dass ein Staat nicht fremder Gerichtsbarkeit unterworfen sei; es gebe aber keine allgemeine Regel des Völkerrechts, dass ein Staat auch für nicht-hoheitliches Handeln Immunität genieße. Folglich seien kraft Bundesrechts im Sinne von Art. 25 GG und den allgemeinen Regeln des Völkergewohnheitsrechts ausländische Staaten der deutschen Gerichtsbarkeit nur insoweit entzogen, als ihre hoheitliche Tätigkeit betroffen sei. Wenn die Tätigkeit zum Kernbereich hoheitlichen Handelns gehöre, könne es ausnahmsweise völkerrechtlich geboten sein, die Betätigung eines ausländischen Staates als hoheitlich zu qualifizieren, obwohl sie nach nationalem Recht als privatrechtliche und nicht als öffentlich-rechtliche Betätigung anzusehen wäre. Das Bundesverfassungsgericht habe jedoch lediglich die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege zum Kernbereich gezählt. Bei einer Streitigkeit aus einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis komme es grundsätzlich darauf an, ob die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben ihrer Natur nach hoheitlich oder nicht-hoheitlich seien, wofür der Inhalt der ausgeübten Tätigkeit entscheidend sei; entsprechend handele ein ausländischer Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt, wenn er einen Arbeitnehmer mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben betraue. Der Kläger nehme als Lehrer an den Privaten Volksschulen der Republik Griechenland jedoch keine Tätigkeit wahr, die mit der Ausübung der Souveränität der Beschwerdeführerin im Sinne der allgemeinen Regeln des Völkerrechts in Zusammenhang stehe. Ebenso wenig sei die Beschwerdeführerin deshalb von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit, weil die Parteien über die Berechtigung der Beschwerdeführerin stritten, ob sie Steuern vom Einkommen des Klägers einbehalten dürfe. Dahingestellt bleiben könne, ob das innerstaatliche Recht die Tätigkeit eines Lehrers an einer Schule der Beschwerdeführerin als hoheitliche Tätigkeit einstufe, weil für die Feststellung der Immunität allein das deutsche Recht maßgeblich sei; danach sei die Beschwerdeführerin einem privaten Arbeitgeber gleichgestellt. Eine Immunität der Beschwerdeführerin gegenüber der deutschen Gerichtsbarkeit folge schließlich auch nicht daraus, dass die Parteien über die Frage stritten, ob die Beschwerdeführerin nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zum Lohnabzug berechtigt gewesen sei. Der Streit drehe sich nicht um die Berechtigung der Beschwerdeführerin, das Einkommen des Klägers entgegen der Vorgabe des Art. 8 des Arbeitsvertrags selbst zu besteuern, sondern um eine hieraus möglicherweise folgende Doppelbesteuerung, für die nach Art. XX DBA ein Verständigungsverfahren im Inland vorgesehen sei. Damit sei auch die deutsche Gerichtsbarkeit zuständig.

II.

10

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Zur Begründung führt sie aus, dass das Bundesarbeitsgericht den Abzug der Quellensteuer durch den griechischen Staat als hoheitliche Maßnahme der Beschwerdeführerin hätte erkennen müssen; die Rechtsbeschwerde wäre daher zurückzuweisen gewesen. Zu diesen Fragen habe Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wie auch des Bundesverfassungsgerichts vorgelegen. Soweit das Bundesarbeitsgericht hiervon habe abweichen oder einen Fall hoheitlichen Handelns habe verneinen wollen, hätte es die Sache entweder dem Großen Senat nach § 45 Abs. 2 ArbGG oder dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG zur Entscheidung vorlegen müssen. Dies sei willkürlich unterblieben.

III.

11

Die Bundesregierung und der Kläger hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

12

1. Der Kläger hält die Verfassungsbeschwerde zumindest für unbegründet.

13

2. Für die Bundesregierung hat das Auswärtige Amt eine Stellungnahme abgegeben, in der es die Verfassungsbeschwerde für begründet hält.

14

Auf den vorliegenden Lebenssachverhalt seien sowohl arbeitsrechtliche als auch steuerrechtliche Vorschriften anzuwenden. Während sich die Zahlung des Arbeitslohnes als Erfüllung eines privatrechtlichen Vertrags darstelle, handele es sich bei der Einbehaltung der Quellensteuer um hoheitliches Handeln der Beschwerdeführerin, dessen Rechtmäßigkeit sich allein nach griechischem Steuerrecht bemesse und typischerweise auch nur in einem öffentlich-rechtlichen Verfahren geklärt werden könne. Hinsichtlich ihres hoheitlichen Handelns genieße die Beschwerdeführerin völkerrechtliche Immunität. Der Charakter dieser Beziehung werde auch nicht durch die zusätzliche Eigenschaft der Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin des Klägers verändert. Die steuerrechtliche Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin und dem Kläger betreffe mit der Steuerhoheit der Republik Griechenland den Kern ihrer staatlichen Betätigung, nämlich die Finanzierung des Staatshaushaltes durch Erhebung von Steuern. Auch nach dem als lex fori maßgeblichen deutschen Recht erfülle ein Arbeitgeber durch den Lohnsteuerabzug eine öffentlich-rechtliche Aufgabe für die Finanzbehörden. Da die Finanzierung des Staatshaushaltes die Ausübung anderer staatlicher Aufgaben überhaupt erst ermögliche, wäre die Steuererhebung aber selbst dann als hoheitlich zu qualifizieren, wenn dies nach dem deutschen Recht anders sein sollte.

IV.

15

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Zu dieser Entscheidung ist sie berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet ist (§ 93b Satz 1 i.V.m. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

16

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

17

Auch als ausländischer Staat kann sich die Beschwerdeführerin auf das als verletzt gerügte grundrechtsgleiche Recht des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG berufen. Da dieses weniger der individuellen Selbstbestimmung als der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege dient, werden sowohl inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts (vgl. BVerfGE 61, 82 <104>; 75, 192 <200>) als auch ausländische juristische Personen des privaten (vgl. BVerfGE 18, 441 <447>; 21, 207 <208>; 23, 229 <236>; 64, 1 <11>) und des öffentlichen Rechts von dessen Schutzbereich erfasst. Das gilt auch für ausländische Staaten (vgl. BVerfGK 1, 32 <37 f.>; 9, 211 <213>).

18

2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen gegen den Grundsatz der Staatenimmunität (Art. 25 GG) (a) und verletzen damit die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (b).

19

a) Soweit im Völkerrecht in einem allgemeinen Sinne von Staatenimmunität die Rede ist, bezieht sich dies auf den völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsatz, dass ein Staat nicht fremdstaatlicher nationaler Gerichtsbarkeit unterworfen ist. Ausgehend von dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten (sovereign equality of states) gilt im Grundsatz das Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen. Allerdings hat das Recht der allgemeinen Staatenimmunität, nicht zuletzt auch wegen des zunehmenden kommerziellen grenzüberschreitenden Tätigwerdens staatlicher Stellen, einen Wandel von einem absoluten zu einem nur mehr relativen Recht durchlaufen. Es ist keine allgemeine Regel des Völkerrechts mehr, dass ein Staat Immunität auch für nicht-hoheitliches Handeln genießt (vgl. zuletzt BVerfGE 117, 141 <152 f.>).

20

aa) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird seit jeher zwischen der völkerrechtlich allgemein anerkannten Immunität von Hoheitsakten ausländischer Staaten einerseits (vgl. BVerfGE 16, 27 <51>; 117, 141 <152 f.>) und nicht-hoheitlichen Akten ausländischer Staaten andererseits unterschieden (vgl. BVerfGE 16, 27 <51>; 117, 141 <153>). Im Einklang mit der allgemeinen völkerrechtlichen Praxis geht das Bundesverfassungsgericht insoweit davon aus, dass Hoheitsakte ausländischer Staaten (sog. acta iure imperii) grundsätzlich immer der Staatenimmunität unterfallen (vgl. BVerfGE 16, 27 <51>; 117, 141 <152 f.>). Dies gilt in vergleichbarer Weise auch für die Zwangsvollstreckung in im Inland belegene Vermögenswerte ausländischer Staaten, die hoheitlichen Zwecken dienen (BVerfGE 46, 342 <392 f.>; 64, 1 <40>; 117, 141 <154>; BVerfGK 19, 122 <128>).

21

bb) Da dem allgemeinen Völkerrecht eine Kategorisierung staatlicher Tätigkeiten als hoheitlich oder nicht-hoheitlich fremd ist, muss diese Abgrenzung grundsätzlich nach nationalem Recht erfolgen (vgl. BVerfGE 16, 27 <62>; 46, 342 <393 f.>; 64, 1 <42>). Die Heranziehung nationaler Regelungen zur Unterscheidung hoheitlichen staatlichen Handelns von nicht-hoheitlichem staatlichem Handeln findet erst dort ihre Grenze, wo der unter den Staaten allgemein anerkannte Bereich hoheitlicher Tätigkeit berührt ist. Das betrifft etwa die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege (vgl. BVerfGE 16, 27 <63>; 46, 342 <394>). Insoweit kann es ausnahmsweise geboten sein, eine nach nationalem Recht als privatrechtlich einzuordnende Tätigkeit eines ausländischen Staates gleichwohl als der Staatenimmunität unterfallenden actus iure imperii zu qualifizieren, wenn dieser zum Kernbereich völkerrechtlich anerkannter Staatsgewalt zu rechnen ist (vgl. BVerfGE 16, 27 <63 f.>; 46, 342 <394>).

22

cc) Im vorliegenden Fall liegt ein solcher actus iure imperii schon unter Zugrundelegung der Wertungen der deutschen Rechtsordnung vor. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Besteuerung des Klägers mit der griechischen Quellensteuer durch den griechischen Staat, nicht die unterbliebene vollständige Auszahlung eines im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber geschuldeten (Brutto-)Gehalts. Schon nach nationalem Recht ist die Erhebung von Steuern eine hoheitliche Tätigkeit des Staates, der den Steuerpflichtigen zum Zwecke der Einnahmenerzielung einseitig und gegenleistungsfrei Abgaben auferlegt, deren Fälligkeit allein von der tatbestandlichen Erfüllung eines Gesetzes abhängt, das diese Leistungspflicht regelt (§ 3 Abs. 1 AO; vgl. auch BVerfGE 67, 256 <282>; 93, 319 <346>). Die Einbehaltung sowie die Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber stellt nach deutschem Recht die Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe dar (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG; vgl. BVerfGE 19, 226 <240>; 44, 103 <104>). Ob der Arbeitgeber dabei als Beliehener oder in sonstiger Weise tätig wird (vgl. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, S. 135 ff.; Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, 2001, S. 26 ff.; G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 44 ff.), bedarf insoweit keiner Entscheidung. Nach der lex fori ist jedenfalls von einer hoheitlichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin auszugehen, was auch durch einen Blick auf den Kernbereich völkerrechtlich anerkannten staatlichen Handelns bestätigt wird. Die Erhebung öffentlicher Abgaben ist in jedem Staatswesen schon deshalb hoheitlicher Natur, weil erst durch die Erhebung entsprechender Einnahmen die Ausübung staatlicher Tätigkeiten möglich wird (vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 99 Rn. 99; Waldhoff, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 116 Rn. 2, 7).

23

dd) Im vorliegenden Fall kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Beschwerdeführerin der deutschen Gerichtsbarkeit unterwerfen wollte, also auf ihre Staatenimmunität verzichtet hat.

24

(1) Zwar ist die Möglichkeit eines solchen Verzichts allgemein anerkannt (vgl. BVerfGE 117, 141 <154> m.w.N.). Der Verzicht auf die Staatenimmunität kann von einem ausländischen Staat in einem völkerrechtlichen Vertrag, einem privatrechtlichen Vertrag oder, speziell für ein bestimmtes gerichtliches Verfahren, vor Gericht erklärt werden (vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, S. 469); allenfalls kann auch in rügelosen Einlassungen eines ausländischen Staates zur Sache ein konkludenter Verzicht auf die Staatenimmunität gesehen werden (vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, S. 470; vgl. auch Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität vom 16. Mai 1972 ). Zudem sieht Art. 5 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität vor, dass ein Vertragsstaat vor dem Gericht eines anderen Vertragsstaates dann keine Immunität beanspruchen kann, wenn das Verfahren einen zwischen dem Staat und einer natürlichen Person geschlossenen Arbeitsvertrag betrifft und die Erbringung der Arbeitsleistung auf dem Gebiet des Gerichtsstaates erfolgt.

25

(2) Keine dieser Voraussetzungen ist hier freilich erfüllt.

26

Das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität, das bislang nur von acht Mitgliedstaaten des Europarates, nicht jedoch von der Beschwerdeführerin ratifiziert worden ist, entfaltet gegenüber dieser keine Wirkung. Im Übrigen betrifft der hier streitgegenständliche Rechtsstreit auch nicht den mit dem Kläger des Ausgangsverfahrens geschlossenen Arbeitsvertrag, sondern das Recht der Beschwerdeführerin zur Besteuerung.

27

Ein Verzicht auf die Staatenimmunität ergibt sich aber auch nicht aus anderen Gründen. Im gerichtlichen Verfahren ist ein solcher nicht erklärt worden. Im Gegenteil, die Beschwerdeführerin hat immer wieder auf ihre Staatenimmunität hingewiesen. Im Arbeitsvertrag zwischen der Beschwerdeführerin und dem Kläger fehlt es an einer entsprechenden Verzichtserklärung, wie sie beispielsweise bei der Ausreichung von Staatsanleihen an private Gläubiger üblich ist (vgl. BVerfGE 117, 141 <155>); dass sich der Kläger gegenüber der Beschwerdeführerin arbeitsvertraglich zur Abführung der in Deutschland anfallenden deutschen Steuern und Sozialabgaben verpflichtet hat, kann, entgegen der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (Rn. 26 des angegriffenen Beschlusses) nicht als konkludenter Immunitätsverzicht verstanden werden. Selbst wenn man dies anders sähe, bezöge sich ein solcher Immunitätsverzicht nicht über das konkrete Arbeitsverhältnis hinaus auch auf das steuerrechtliche Rechtsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und dem Kläger des Ausgangsverfahrens. Im Gegenteil: Der Rückgriff auf das in Art. XX Abs. 1 DBA vorgesehene Verständigungsverfahren, das für Fälle einer nachweislichen unzulässigen Doppelbesteuerung eine Verständigung der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten vorsieht, legt gerade keinen Immunitätsverzicht der Beschwerdeführerin nahe, weil insoweit, entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Rn. 27 des angegriffenen Beschlusses), ein Rechtsweg zu den Gerichten eines Vertragsstaates nicht eröffnet ist.

28

ee) Soweit die Arbeitsgerichte im vorliegenden Fall über die Besteuerung eines griechischen Staatsangehörigen durch die Republik Griechenland entschieden haben, haben sie der Sache nach zugleich über die inhaltliche Rechtmäßigkeit der Ausübung ausländischer Staatsgewalt im Inland, hier der durch Art. X Abs. 1 DBA seitens der Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich gestatteten Besteuerung eines griechischen Staatsbürgers im Inland durch den Entsendestaat und damit unter Missachtung der Staatenimmunität entschieden. Im Widerspruch zum Grundsatz der Staatenimmunität ergangene Entscheidungen sind nichtig (vgl. BGHZ 182, 10 <16>, Rn. 20, m.w.N.). Dies muss auch für die Erteilung einer Vollstreckungsklausel für ein solches Urteil gelten.

29

b) Der Verstoß gegen den Grundsatz der Staatenimmunität führt im vorliegenden Fall auch zu einer Verletzung des Rechts der Beschwerdeführerin auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

30

aa) Zwar stellt nicht jede irrtümliche Überschreitung der den Fachgerichten gezogenen Grenzen auch schon einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGE 126, 286 <315>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 12 BvR 1563/12, 2 BvR 12 BvR 1564/12 -, juris, Rn. 179; stRspr.). Nicht jede fehlerhafte Anwendung oder Nichtbeachtung einer einfachgesetzlichen Verfahrensvorschrift ist zugleich auch eine Verfassungsverletzung, weil die Anwendung des einfachen Rechts andernfalls auf die Ebene des Verfassungsrechts gehoben würde (vgl. BVerfGE 82, 286 <299>). Vielmehr ist die Grenze zur Verfassungswidrigkeit erst überschritten, wenn die - fehlerhafte - Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts willkürlich ist (grundlegend BVerfGE 3, 359 <364 f.>; 58, 1 <45>; 82, 286 <299>; 87, 282 <284>; 131, 268 <312>). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat, kann nur angesichts der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (BVerfGE 131, 268<312>).

31

bb) Im vorliegenden Fall liegt eine solche grundlegende Verkennung von Bedeutung und Tragweite von Art. 101 Abs.1 Satz 2 GG vor. Da der Grundsatz der Staatenimmunität die gerichtliche Beurteilung hoheitlichen Handelns ausländischer Staaten von vornherein verbietet, stellt sich eine dem zuwiderlaufende gerichtliche Entscheidung jedenfalls dann als grob fehlerhaft und insofern willkürlich dar, wenn sie Maßnahmen betrifft, die dem Kernbereich des völkerrechtlich anerkannten staatlichen Handelns zuzurechnen sind. Das ist hier, wie angeführt, der Fall.

32

c) Soweit die Beschwerdeführerin darüber hinaus eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auch wegen einer unterbliebenen Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG rügt, bedarf es im Hinblick auf den anderweitig begründeten Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keiner Entscheidung.

V.

33

Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die angegriffenen Entscheidungen festzustellen. Die angegriffenen Entscheidungen sind aufzuheben; die Sache ist an das Arbeitsgericht München zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Dezember 2011 ist damit gegenstandslos.

34

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten.

(2) Im übrigen erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch nicht auf andere als die in Absatz 1 und in den §§ 18 und 19 genannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.

Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Juli 2013 - 17 Sa 2620/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und Ansprüche aus Annahmeverzug.

2

Der Kläger ist algerischer Herkunft. Er besitzt die algerische und die deutsche Staatsangehörigkeit. Er beherrscht neben der deutschen die arabische und die französische Sprache und wohnt in Berlin. Die Beklagte ist die Demokratische Volksrepublik Algerien. Sie beschäftigt in ihrer Berliner Botschaft regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer, darunter den Kläger. Dieser ist dort seit September 2002 auf der Grundlage eines in französischer Sprache verfassten Arbeitsvertrags als einer von drei Kraftfahrern tätig. Ihm obliegt es, Gäste und Mitarbeiter zu fahren sowie Post der Botschaft zu befördern. Diplomatenpost wird von einem weiteren Mitarbeiter der Botschaft entgegengenommen und weitergeleitet. Der Arbeitsvertrag sieht für Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten die Zuständigkeit der algerischen Gerichte vor und weist den Kläger der deutschen Sozialversicherung zu. Seine Steuern führt der Kläger in Deutschland ab.

3

Mit Schreiben vom 24. Mai 2006 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass er in diesem Jahr an 37 Tagen krankheitsbedingt gefehlt habe. Sie erteilte ihm am 13. Juli 2006 eine Abmahnung wegen respektlosen Verhaltens gegenüber dem Botschafter. Am 30. März und 20. Juli 2007 mahnte sie ihn wegen erneuter krankheitsbedingter Fehlzeiten und am 31. Mai 2007 wegen verspäteten Abholens eines Diplomaten ab. Mit Schreiben vom 29. August 2007 kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2007.

4

Mit seiner am 9. September 2007 beim Arbeitsgericht eingereichten und der Beklagten am 8. Februar 2008 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt. Er hat gemeint, die deutsche Gerichtsbarkeit sei gegeben. Als Kraftfahrer sei er nicht hoheitlich tätig geworden. Die deutschen Gerichte seien auch international zuständig. Die anderslautende arbeitsvertragliche Vereinbarung stehe dem nicht entgegen. Materiell finde deutsches Recht Anwendung. Danach sei die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt. Ihm stehe überdies Vergütung aus Annahmeverzug für die Monate November 2007 bis Juli 2012 abzüglich von der Agentur für Arbeit erhaltener Leistungen zu.

5

Er hat - soweit für die Revision noch von Belang - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 29. August 2007 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.459,56 Euro brutto abzüglich 10.781,40 Euro netto und weitere 78.197,22 Euro brutto zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Klage für unzulässig gehalten. Die deutsche Gerichtsbarkeit sei nicht gegeben. Die Tätigkeit des Klägers sei hoheitlicher Natur gewesen. Sie habe ihn aufgrund seiner Kenntnisse der arabischen, französischen und deutschen Sprache bei Besuchen von offiziellen Delegationen aus der Heimat als Fahrer eingesetzt. Da die Delegationen nicht über einen eigenen Dolmetscher verfügt hätten, habe der Kläger diese Funktion übernehmen müssen. Überdies habe er vertretungsweise auch den Botschafter befördert. International seien aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung die algerischen Gerichte zuständig. Materiell finde das algerische Arbeitsrecht Anwendung. Dieses sehe bei einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst eine Wiedereinstellung selbst nach erfolgloser Kündigung nicht vor. Der Kläger könne deshalb auch keine Vergütung aus Annahmeverzug fordern.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist unbegründet.

9

A. Die Revision ist entgegen der Ansicht des Klägers zulässig.

10

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den vermeintlichen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Sie muss dazu eine Auseinandersetzung mit den tragenden Argumenten des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 120/12 - Rn. 17; 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - Rn. 12). Bei mehreren Streitgegenständen muss im Fall einer unbeschränkt eingelegten Revision für jeden von ihnen eine solche Begründung gegeben werden. Dies ist nur dann nicht erforderlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt. In diesem Fall ist mit der Begründung der Revision gegen die Entscheidung über den einen Streitgegenstand zugleich dargelegt, dass auch die Entscheidung über den anderen unrichtig ist (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 474/12 - Rn. 15; 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - aaO).

11

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Die Beklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts.

12

1. Bezogen auf die Entscheidung über den Feststellungsantrag macht sie geltend, das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht deutsches Kündigungsschutzrecht angewandt. Es habe die engere Verbindung des Arbeitsverhältnisses zum algerischen Staat verkannt. Nach algerischem Recht sei das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung aufgelöst. Mit dieser Rüge hat die Beklagte die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung in ausreichender Weise in Frage gestellt.

13

2. Es kann dahinstehen, ob sich die Beklagte auch mit den Gründen der Entscheidung über die Zahlungsanträge hinreichend auseinandergesetzt hat. Die Entscheidung über die Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug hängt von der Entscheidung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. Erwiese sich diese als unrichtig, wäre also die Kündigung wirksam, wäre damit zugleich die Entscheidung über die Zahlungsansprüche hinfällig.

14

B. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht für zulässig und begründet gehalten.

15

I. Die Klage ist zulässig.

16

1. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist gegeben.

17

a) Nach § 20 Abs. 2 GVG iVm. dem Allgemeinen Völkergewohnheitsrecht als Bestandteil des Bundesrechts (Art. 25 GG) sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten insoweit nicht unterworfen, wie ihre hoheitliche Tätigkeit von einem Rechtsstreit betroffen ist. Es ist mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus abgeleiteten Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht zu vereinbaren, dass ein deutsches Gericht hoheitliches Handeln eines anderen Staates rechtlich überprüft (vgl. BVerfG 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 - Rn. 20; 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03 - Rn. 34, BVerfGE 117, 141; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 - Rn. 13; 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 - Rn. 14).

18

aa) Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nach dem rechtlichen Charakter des konkreten staatlichen Handelns oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt oder wie eine Privatperson tätig geworden ist. Geht es - wie hier - um eine Streitigkeit aus einem Arbeitsverhältnis, ist maßgebend, ob die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben ihrer Art nach hoheitlich oder nicht-hoheitlich sind. Entscheidend sind der Inhalt der ausgeübten Tätigkeit (BAG 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 - Rn. 14; 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 - Rn. 16 mwN) sowie ihr - bestehender oder nicht bestehender - Zusammenhang mit den diplomatischen und konsularischen Aufgaben (vgl. BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 13).

19

bb) Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist diese Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht am Sitz des entscheidenden Gerichts vorzunehmen (BVerfG 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 - Rn. 22; 12. April 1983 - 2 BvR 678/81 ua. - Rn. 139, BVerfGE 64, 1). Ungeachtet seiner ist stets hoheitlich nur das staatliche Handeln, das dem Kernbereich der Staatsgewalt zuzurechnen ist. Zu ihm gehören die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege (BVerfG 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 - aaO; 13. Dezember 1977 - 2 BvM 1/76 - Rn. 121, BVerfGE 46, 342; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 - Rn. 15; 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 - Rn. 15).

20

b) Danach ist die Beklagte im Streitfall nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Der Kläger nimmt keine hoheitlichen Aufgaben wahr.

21

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts oblag es dem Kläger, Gäste und Mitarbeiter der Botschaft zu fahren. Er hatte ferner Post zu befördern. Diplomatenpost wurde hingegen nicht von ihm, sondern von einem anderen Mitarbeiter übermittelt. Zugunsten der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht unterstellt, der Kläger sei bei Besuchen offizieller Delegationen aus Algerien als Fahrer eingesetzt worden und habe dabei Dolmetscheraufgaben übernehmen müssen.

22

bb) Auf dieser Grundlage hat das Landesarbeitsgericht mit Recht angenommen, die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten wiesen keinen funktionellen Zusammenhang mit den diplomatischen und konsularischen Aufgaben der Botschaft auf. Der Transport von Personen und Post hat nicht den erforderlichen Bezug zum hoheitlichen Bereich. Der Kläger fuhr Delegationen, in der Regel dagegen nicht den Botschafter. Diplomatenpost hat er nicht befördert. Der als richtig unterstellte Vortrag der Beklagten weist keine Anhaltspunkte dafür auf, dass die Dolmetschertätigkeit des Klägers über die Beseitigung allgemeiner Verständigungsprobleme hinausging und etwa in Zusammenhang mit der Pflege politischer, kultureller, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Beziehungen stand, oder doch zumindest der Anbahnung solcher Gesprächskontakte diente. Überdies ist nicht zu erkennen, dass der Kläger die behaupteten Dolmetschertätigkeiten in einem nennenswerten, über vereinzelte Gelegenheiten hinausgehenden Umfang wahrgenommen hätte. Dass die Tätigkeit des Klägers gleichwohl das Vertrauen der Beklagten in seine Zuverlässigkeit und Verschwiegenheit voraussetzt, begründet nicht die hoheitliche Natur seiner Aufgaben.

23

2. Die deutschen Gerichte sind international zuständig.

24

a) Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Nach Art. 19 Nr. 1 EuGVVO kann ein Arbeitgeber vom Arbeitnehmer vor den Gerichten des Mitgliedstaats verklagt werden, in dem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat. Gesellschaften und juristische Personen haben ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet (Art. 60 Abs. 1 EuGVVO). Hat der Arbeitgeber im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats keinen Wohnsitz, besitzt er aber in einem Mitgliedstaat etwa eine Niederlassung, so wird er für Streitigkeiten aus ihrem Betrieb so behandelt, wie wenn er seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats hätte (Art. 18 Abs. 2 EuGVVO). Streiten die Parteien eines Rechtsstreits über einen Arbeitsvertrag, den die Botschaft im Namen des Entsendestaats geschlossen hat, handelt es sich bei der Botschaft um eine „Niederlassung“ iSv. Art. 18 Abs. 2 EuGVVO, wenn die vom Arbeitnehmer verrichteten Aufgaben nicht unter die Ausübung hoheitlicher Befugnisse fallen (EuGH 19. Juli 2012 - C-154/11 - [Mahamdia]).

25

b) Danach sind im Streitfall die deutschen Gerichte zuständig. Die Botschaft der Beklagten in Berlin ist eine Niederlassung iSv. Art. 18 Abs. 2 EuGVVO. Die Parteien streiten über den Bestand eines zwischen dem Kläger und der Botschaft geschlossenen Arbeitsverhältnisses und über sich daraus ergebende Ansprüche. Der Kläger nimmt keine hoheitlichen Aufgaben wahr.

26

3. Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist durch die Parteien vertraglich nicht wirksam abbedungen worden. Ihre Gerichtsstandsvereinbarung ist gemäß Art. 23 Abs. 5 EuGVVO unwirksam.

27

a) Eine Gerichtsstandsvereinbarung läuft iSv. Art. 23 Abs. 5 EuGVVO den Regelungen in Art. 21 EuGVVO zuwider, wenn sie von Vorschriften des 5. Abschnitts der EuGVVO abweicht und nicht nach Entstehung des Rechtsstreits getroffen worden ist (Art. 21 Nr. 1 EuGVVO) oder nicht die Befugnis einräumt, andere als im 5. Abschnitt angeführte Gerichte anzurufen (Art. 21 Nr. 2 EuGVVO). Diese Befugnis ist dahin zu verstehen, dass sie Gerichtsstände begründen muss, die zu den in Art. 18 und Art. 19 der EuGVVO vorgesehenen Gerichtsständen noch hinzukommen. Eine vor Entstehung der Streitigkeit getroffene Gerichtsstandsvereinbarung darf für einen Arbeitnehmer nicht den Ausschluss der in der EuGVVO vorgesehenen Gerichtsstände bewirken, sondern kann lediglich die Befugnis begründen oder erweitern, unter mehreren zuständigen Gerichten zu wählen (EuGH 19. Juli 2012 - C-154/11 - [Mahamdia] Rn. 62; BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 481/11 - Rn. 32).

28

b) Die Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien wurde vor Entstehung der Streitigkeit getroffen und weicht von den Vorschriften des 5. Abschnitts der EuGVVO ab. Die Zuständigkeit der algerischen Gerichte konnte deshalb allenfalls zusätzlich zu der der deutschen Gerichte vereinbart werden. Eine Derogation von deren sich aus Art. 18, Art. 19 EuGVVO ergebenden Zuständigkeit war nicht wirksam möglich.

29

II. Die Klage ist begründet.

30

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 29. August 2007 nicht aufgelöst worden.

31

a) Die Wirksamkeit der Kündigung ist nach deutschem materiellen Recht zu beurteilen.

32

aa) Die Bestimmung des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren materiellen Rechts richtet sich nach Art. 27 ff. EGBGB (aF). Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) findet gemäß ihrem Art. 28 auf den Streitfall noch keine Anwendung. Der Arbeitsvertrag der Parteien wurde vor dem 17. Dezember 2009 geschlossen.

33

bb) Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB (aF) unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich mittelbar aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falls ergeben. Bei Arbeitsverträgen können etwa Gerichtsstandsklauseln, vertragliche Bezugnahmen auf ein bestimmtes Recht oder die Vereinbarung eines für beide Parteien gemeinsamen Erfüllungsorts Hinweise auf die getroffene Wahl geben (vgl. BAG 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 - Rn. 25; 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 28).

34

cc) Gemäß Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) darf die Rechtswahl der Parteien bei Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des gemäß Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 EGBGB (aF) ohne Rechtswahl anwendbaren Rechts gewährt wird. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass dem Arbeitnehmer als der typischerweise sozial und wirtschaftlich schwächeren Partei durch die Rechtswahl nicht der Mindestschutz „seines“ Rechts entzogen wird (BT-Drs. 10/504 S. 81). Diese Anwendung zwingender Bestimmungen setzt voraus, dass sie zu günstigeren Ergebnissen führt als das gewählte Recht (BAG 29. Oktober 1992 - 2 AZR 267/92 - zu III 2 c der Gründe, BAGE 71, 297; 24. August 1989 - 2 AZR 3/89 - zu A II 3 a bb der Gründe, BAGE 63, 17). Dafür ist ein Günstigkeitsvergleich durchzuführen. Die zwingenden Bestimmungen des nach Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 EGBGB (aF) maßgebenden Rechts sind den entsprechenden Regelungen der gewählten Rechtsordnung gegenüberzustellen (BAG 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - Rn. 52, BAGE 125, 24). Bieten letztere keinen vergleichbaren Schutz, sind die nach Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 EGBGB (aF) einschlägigen Vorschriften anzuwenden. Etwas anderes gilt gemäß Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB (aF) nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis nach der Gesamtheit der Umstände engere Verbindungen „zu einem anderen Staat“ aufweist.

35

dd) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, zwar hätten die Parteien im Streitfall konkludent die Anwendung algerischen Rechts vereinbart, die Wirksamkeit der Kündigung sei jedoch an den Bestimmungen des deutschen Kündigungsschutzgesetzes zu messen. Die Anwendbarkeit des deutschen Rechts folgt aus Art. 30 Abs. 1, Abs. 2 EGBGB (aF). Das algerische Recht enthält keine dem deutschen Kündigungsrecht gleichwertigen Schutzvorschriften. Das Arbeitsverhältnis weist auch keine engeren Verbindungen zur Beklagten auf.

36

(1) Das Landesarbeitsgericht durfte von einer stillschweigenden Wahl des algerischen Rechts ausgehen. Schon die Vereinbarung, es sollten die algerischen Gerichte für die Beilegung von Streitigkeiten zuständig sein, ist ein gewichtiger Hinweis darauf, dass die Parteien auch algerisches Recht zur Anwendung bringen wollten. Es ist nicht anzunehmen, dass sie gewollt haben, die algerischen Gerichte sollten nach deutschem materiellen Recht entscheiden. Damit hätten sie sich um den Vorteil einer mit dem anzuwendenden Recht in jeder Hinsicht vertrauten Gerichtsbarkeit gebracht. Hinzu kommt, dass Vertragssprache das Französische ist und der Kläger im öffentlichen Dienst der Beklagten beschäftigt wurde (vgl. BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 29). Demgegenüber kommt dem Arbeitsort in Deutschland und der Vergütung in Euro für die Rechtswahl wenig Bedeutung zu. Das gleiche gilt für den Umstand, dass der Kläger der deutschen Sozialversicherung unterlag und die Steuerschuld in Deutschland anfiel. Dies betrifft nicht den arbeitsrechtlichen Kern des vertraglichen Pflichtengefüges (BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - aaO).

37

(2) Trotz der von den Parteien getroffenen Wahl des algerischen Rechts ist die Wirksamkeit der Kündigung nach dem deutschen Kündigungsschutzgesetz zu beurteilen.

38

(a) Die Vorschriften der §§ 1 bis 14 KSchG sind nicht schon wegen Art. 34 EGBGB (aF) anzuwenden. Sie stellen keine „Eingriffsnormen“ im Sinne dieser Bestimmung dar (BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 31; 24. August 1989 - 2 AZR 3/89 - zu A II 6 c der Gründe, BAGE 63, 17).

39

(b) Die Anwendbarkeit der §§ 1 bis 14 KSchG folgt aus Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF). Sie sind „zwingende Bestimmungen“ im Sinne der Regelung. „Zwingende Bestimmungen“ sind solche, die vertraglich nicht abbedungen werden können und dem Schutz des Arbeitnehmers dienen (Staudinger/Magnus Art. 30 EGBGB Rn. 72; Schlachter NZA 2000, 57, 60). Das trifft auf die §§ 1 bis 14 KSchG zu(vgl. BAG 24. August 1989 - 2 AZR 3/89 - zu A II 3 a aa der Gründe, BAGE 63, 17; Staudinger/Magnus Art. 30 EGBGB Rn. 79).

40

(c) Die Vorschriften der §§ 1 bis 14 KSchG wären auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar, wenn diese eine Rechtswahl nicht getroffen hätten. Ohne Rechtswahl unterliegen Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse nach Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 Nr. 1 EGBGB (aF) dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Der Erfüllungsort liegt im Streitfall in Deutschland. Dies gilt auch, soweit der Kläger seine Arbeitsleistung auf dem Botschaftsgelände erbringt. Das Botschaftsgelände eines ausländischen Staates als solches ist nicht exterritorial (BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 113, 327; 10. Mai 1962 - 2 AZR 397/61 - zu II der Gründe, BAGE 13, 121).

41

(d) Das deutsche Recht als Regelstatut wird im Streitfall nicht gemäß Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB (aF) verdrängt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien weist keine engeren Verbindungen zu Algerien als zu Deutschland auf. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

42

(aa) Es kann dahinstehen, ob der Begriff der „engeren Verbindungen“ revisionsrechtlich in vollem Umfang oder nur eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 627/02 - zu II 3 d der Gründe; 29. Oktober 1992 - 2 AZR 267/92 - zu III 4 c cc der Gründe, BAGE 71, 297). Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts hält auch einer uneingeschränkten Überprüfung stand.

43

(bb) Für die Beantwortung der Frage, ob „engere Verbindungen“ zu einem anderen Staat im Sinne der Ausnahmeregelung vorliegen, ist nach dem Gesetzeswortlaut auf die „Gesamtheit der Umstände“ abzustellen. Dabei ist nicht allein die Anzahl der für eine Verbindung zu dem einen oder dem anderen Staat sprechenden Kriterien maßgebend. Es ist vielmehr eine Gewichtung der Anknüpfungsmomente vorzunehmen. Wesentliches Kriterium ist in diesem Zusammenhang der Ort, an welchem der Arbeitnehmer seine Steuern und Abgaben entrichtet und der Sozialversicherung angeschlossen ist (vgl. zu Art. 6 Abs. 2 EVÜ, welcher der Vorschrift des Art. 30 EGBGB (aF) zugrunde liegt: EuGH 12. September 2013 - C-64/12 - [Schlecker] Rn. 41). Daneben sind der Arbeitsort, der Sitz des Arbeitgebers, die Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien, der Wohnsitz des Arbeitnehmers ua. zu berücksichtigen (vgl. BAG 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - Rn. 50, BAGE 125, 24; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 627/02 - zu II 3 c der Gründe). Vertragsimmanente Gesichtspunkte wie die Vertragssprache, die Währung, in der die Vergütung gezahlt wird, oder die Bezugnahme auf Rechtsvorschriften eines bestimmten Staates haben nachrangige Bedeutung. Andernfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, das vom Gesetzgeber vorgesehene Günstigkeitsprinzip durch die Vertragsgestaltung und entsprechende Abreden zu unterlaufen. Eine solche Disposition über den zwingenden Arbeitnehmerschutz soll Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) gerade verhindern(Thüsing BB 2003, 898, 900). In seinem Rahmen kommt es auf davon unabhängige, objektive Umstände an (BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 627/02 - aaO; Thüsing aaO). Sollen die Einzelumstände auf die engere Verbindung zu einem anderen Staat verweisen, müssen sie insgesamt das Gewicht der Regelanknüpfung deutlich übersteigen (vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 627/02 - aaO; 29. Oktober 1992 - 2 AZR 267/92 - zu III 4 c aa der Gründe, BAGE 71, 297).

44

(cc) Danach begegnet die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis der Parteien weise keine engere Verbindung zu Algerien als zu Deutschland auf, keinen rechtlichen Bedenken. Die vorrangig zu berücksichtigenden Kriterien bestärken die Regelanknüpfung an das deutsche Recht. Die Parteien haben den Arbeitsvertrag in Deutschland geschlossen. Der Kläger hat seinen Wohnsitz in Berlin und erbrachte die vertraglich geschuldete Tätigkeit ausschließlich in Deutschland. Seine Vergütung wurde in Euro gezahlt. Er unterlag dem deutschen Sozialversicherungsrecht und führte seine Steuern in Deutschland ab. Neben der algerischen besitzt er auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Zwar ergibt sich aus seiner Herkunft sowie aus dem Umstand, dass er im öffentlichen Dienst der Botschaft der Beklagten beschäftigt und der Arbeitsvertrag in französischer Sprache verfasst wurde, eine Verbindung auch zum algerischen Staat. Diese Gesichtspunkte überwiegen aber die für die Verbindung mit Deutschland sprechenden und der Regelanknüpfung zugrunde liegenden Aspekte nicht.

45

(e) Die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes gewährleisten einen weitergehenden Schutz gegen die Beendigung von Arbeitsverhältnissen als das algerische Recht.

46

(aa) Die Frage, welche der in Betracht kommenden Rechtsordnungen für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen enthält, ist eine Rechtsfrage, die objektiv und nach dem Maßstab des Gesetzes zu beantworten ist (Schlachter NZA 2000, 57, 61). Dazu ist ein Sachgruppenvergleich vorzunehmen (Staudinger/Magnus Art. 30 EGBGB Rn. 84; MünchKommBGB/Martiny 4. Aufl. Art. 30 EGBGB Rn. 40; Schlachter aaO). Zu vergleichen sind die in einem inneren, sachlichen Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der fraglichen Rechtsordnungen. Die Günstigkeit anhand eines Vergleichs je einzelner Normen zu bestimmen, ist nicht sachgerecht. Dies könnte dazu führen, dass der Arbeitnehmer durch eine Kombination einzelner Vorschriften der jeweiligen Rechtsordnung einen Schutzstandard erlangt, der über demjenigen liegt, den die betroffenen Rechtsordnungen tatsächlich gewähren (Soergel/von Hoffmann 12. Aufl. Art. 30 EGBGB Rn. 32; Thüsing BB 2003, 898, 899; Schlachter aaO; Birk RdA 1989, 201, 206). Eine solche Besserstellung entspricht nicht dem Schutzzweck der Norm. Auch ein abstrakter „Gesamtvergleich“ der Rechtsordnungen ohne Rücksicht auf die zu beurteilende Sachfrage würde dem Sinn und Zweck von Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) nicht gerecht. Dieser besteht darin, dem Arbeitnehmer im Einzelfall den ihm nach dem Regelstatut zustehenden Schutz zu erhalten. Dem Arbeitnehmer wäre nicht gedient, wenn das gewählte Recht zwar „alles in allem“ das günstigere wäre, sich für den konkreten Streitgegenstand aber als unvorteilhafter erwiese (MünchKommBGB/Martiny 4. Aufl. Art. 30 EGBGB Rn. 40).

47

(bb) Ist ein Vergleich des von den jeweiligen Rechtsordnungen gewährleisteten Kündigungsschutzes vorzunehmen, sind die Anforderungen an das Vorliegen eines Kündigungsgrundes, die Kündigungsfrist, die Möglichkeit des Arbeitnehmers, im Falle einer ungerechtfertigten Kündigung den Erhalt seines Arbeitsplatzes und eine Weiterbeschäftigung zu erreichen, sowie mögliche Kompensationen für den Verlust des Arbeitsplatzes in den Blick zu nehmen. Dabei kommt es auf die Ergebnisse einer Anwendung der jeweiligen Rechtsordnung auf den fraglichen Streitgegenstand an (zu Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO: Deinert Internationales Arbeitsrecht § 9 Rn. 59; MünchKommBGB/Martiny 4. Aufl. Art. 30 EGBGB Rn. 40; Markovska RdA 2007, 352, 355). Sieht das Recht eines Staates für verschiedene Gruppen von Arbeitnehmern unterschiedliche Regelungen vor, sind diejenigen Vorschriften mit dem Recht des anderen Staates zu vergleichen, die auf den betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden. Im Streitfall ist danach der Kündigungsschutz eines Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst der Beklagten demjenigen gegenüberzustellen, den ein Arbeitnehmer erfährt, auf dessen Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet.

48

(cc) Der Vergleich ist mit Blick auf die vom Landesarbeitsgericht ermittelten Vorschriften des algerischen Rechts durchzuführen. Zwar handelt es sich bei ihnen nicht um „Tatsachen“, sondern um das anzuwendende (ausländische) Recht. Das Revisionsgericht darf deshalb auch ohne eine formelle Verfahrensrüge weitergehende Ermittlungen anstellen (BAG 10. April 1975 - 2 AZR 128/74 - zu IV 2 der Gründe, BAGE 27, 99; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 2; GK-ArbGG/Mikosch § 73 Rn. 16). Dies ist jedoch nur dann geboten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die Rechtslage nach dem ausländischen Recht anders darstellt, als vom Landesarbeitsgericht vorausgesetzt (BAG 25. April 2013 - 6 AZR 49/12 - Rn. 119; 29. Oktober 1992 - 2 AZR 267/92 - zu VI der Gründe, BAGE 71, 297). Im Streitfall hat die Revision eine unzureichende oder fehlerhafte Feststellung des algerischen Rechts nicht gerügt. Sie ist auch objektiv nicht erkennbar.

49

(dd) Das algerische Recht unterscheidet zwischen den Beamten (fonctionnaires) und den „Vertragsbediensteten“ (agents contractuels). Für die Gruppe der Vertragsbediensteten, zu der der Kläger gehört, gilt das nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auf den Streitfall anzuwendende Präsidentendekret Nr. 07-308 vom 29. September 2007. Gemäß Art. 69 des Dekrets kann das Arbeitsverhältnis durch den Ablauf des Vertrags, die ordnungsgemäße akzeptierte Eigenkündigung des Arbeitnehmers, die fristlose Kündigung, die fristgerechte Entlassung mit Abfindung, die Versetzung in den Ruhestand und den Tod des Bediensteten enden. Im Falle der Vertragspflichtverletzung, einer Verletzung der Disziplin oder eines sonstigen Fehlers kann es zu einer Disziplinarmaßnahme kommen. Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes hat keine Möglichkeit, den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses geltend zu machen. Für ihn ist auch ein gesetzlicher Abfindungsanspruch nicht vorgesehen. Damit gewährleistet das algerische Recht jedenfalls für einen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes keinen Kündigungsschutz, der dem aus §§ 1 bis 14 KSchG folgenden Schutz gleichwertig wäre. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn das algerische Recht für den Verlust des Arbeitsplatzes auch im öffentlichen Dienst die Zahlung einer Abfindung vorsähe - wie dies im privaten Wirtschaftsbereich der Fall ist -, bedarf keiner Entscheidung.

50

b) Die Kündigung vom 29. August 2007 ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG unwirksam.

51

aa) Die Kündigung gilt nicht gemäß § 7 KSchG als rechtswirksam. Der Kläger hat die vorliegende Klage rechtzeitig iSv. § 4 Satz 1 KSchG, § 167 ZPO erhoben.

52

(1) Der Begriff „demnächst“ in § 167 ZPO kennt keine absolute zeitliche Grenze. Ob davon die Rede sein kann, die Zustellung der Klage sei „demnächst“ erfolgt, ist durch eine wertende Betrachtung der entsprechenden Umstände festzustellen (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 248/13 - Rn. 35). Verzögerungen im gerichtlichen Geschäftsbetrieb dürfen nicht zu Lasten des Klägers gehen (BAG 23. August 2012 - 8 AZR 394/11 - Rn. 31, BAGE 143, 50; BGH 11. Februar 2011 - V ZR 136/10 - Rn. 6). Dies gilt auch bei mehrmonatigen Aufschüben (BAG 23. August 2012 - 8 AZR 394/11 - aaO; BGH 11. Februar 2011 - V ZR 136/10 - aaO mwN).

53

(2) Die vom Kläger am 9. September 2007 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage ist der Beklagten über ihren Prozessbevollmächtigten am 8. Februar 2008 zugestellt worden. Dies war trotz der fünfmonatigen Verzögerung noch „demnächst“ iSv. § 167 ZPO. Der Aufschub ist auf die Sachbearbeitung durch das Arbeitsgericht zurückzuführen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hatte im Rahmen der vom Kläger schon zuvor erhobenen Zahlungsklage mit einem Schriftsatz, der am 5. September 2007 bei Gericht einging, angezeigt, dass er die Beklagte vertrete. Gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO hätte die Zustellung an ihn erfolgen können. Dass dies - nach dem abgebrochenen Versuch einer Auslandszustellung - erst mehrere Monate später geschah, ist vom Kläger nicht zu vertreten.

54

bb) Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, sie sei weder durch Gründe im Verhalten noch durch Gründe in der Person des Klägers bedingt. Die Beklagte habe weder substantiiert dargelegt, dass der Kläger seine Pflichten überhaupt verletzt habe, noch habe sie aufgezeigt, dass dies nach dem Zugang einschlägiger Abmahnungen geschehen sei. Soweit sie die Kündigung auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers gestützt habe, fehle es neben der Darlegung der genauen Zeiträume an der Darstellung der sich aus ihnen ergebenden betrieblichen oder wirtschaftlichen Beeinträchtigungen. Die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte ist ihnen nicht entgegengetreten.

55

2. Der Zahlungsanspruch ist berechtigt. Der Kläger hat Anspruch auf seine Vergütung für die Monate November 2007 bis Juli 2012 abzüglich der von der Agentur für Arbeit erbrachten Leistungen. Der Anspruch ergibt sich - auch - aus dem von den Parteien gewählten algerischen Recht.

56

a) Ist der vom Arbeitnehmer geltend gemachte Anspruch bereits nach dem gewählten Recht in vollem Umfang begründet, kann ihm das objektiv geltende Vertragsstatut keine günstigere Position verschaffen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob es sich bei den Regelungen über die Vergütung aus Annahmeverzug nach § 615 BGB um zwingendes Recht iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) handelt.

57

b) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gilt im algerischen Recht zwar der Grundsatz, dass dem Arbeitnehmer ohne Arbeitsleistung kein Entgeltanspruch zusteht. Gemäß Art. 37 des Präsidentendekrets 07-308 hat ein Vertragsbediensteter des algerischen Staates jedoch ein Recht auf Arbeitsbedingungen, die ihm den Erhalt seiner Würde, seiner Gesundheit sowie seiner geistigen und körperlichen Unversehrtheit ermöglichen. Nach den von keiner Partei beanstandeten Ausführungen des Sachverständigen hat der Arbeitnehmer danach ein Recht darauf, in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis auch tatsächlich beschäftigt zu werden. Wird dieser Anspruch vom Arbeitgeber nicht erfüllt, weil er die vom Arbeitnehmer angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt, besteht der Vergütungsanspruch fort.

58

c) Die darauf beruhende Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Zahlungsansprüche des Klägers seien nach algerischem Recht begründet, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

59

aa) Die Anwendung des algerischen Rechts durch das Landesarbeitsgericht kann vom Bundesarbeitsgericht nachgeprüft werden. § 73 ArbGG schließt die Revisibilität ausländischen Rechts nicht aus(BAG 10. April 1975 - 2 AZR 128/74 - zu IV 1 der Gründe, BAGE 27, 99 unter Aufgabe von BAG 20. Juli 1967 - 2 AZR 372/66 -). Dies steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Soweit dieser ausländisches Recht für nicht revisibel hält, beruht dies auf der Auslegung von § 545 Abs. 1 ZPO. Die Vorschrift ist aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte auch in ihrer seit dem 1. September 2009 geltenden Fassung nicht mit § 73 ArbGG vergleichbar(BGH 4. Juli 2013 - V ZB 197/12 - Rn. 23, BGHZ 198, 14).

60

bb) Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis. Dieses ist nach dem insoweit anzuwendenden deutschen Recht nicht wirksam beendet worden. Welche Anforderungen an das Angebot der Arbeitsleistung nach algerischem Recht zu stellen sind, hat das Landesarbeitsgericht zwar nicht abstrakt festgestellt. Es hat aber angenommen, die Zurückweisung der Kündigung mit Schreiben vom 3. September 2007 sei dafür ausreichend gewesen. Mit ihr habe der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht hinzunehmen bereit sei. Es besteht kein Anlass anzunehmen, dass dies im Sinne des algerischen Rechts kein hinreichendes Leistungsangebot sei.

61

cc) Art. 185 der Verordnung 06-03 vom 15. Juli 2006, wonach die Beklagte einen Beamten auch bei Unwirksamkeit der Kündigung nicht weiter beschäftigen darf, steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Ungeachtet der Frage, ob die Vorschrift auf die Arbeitsverhältnisse von Vertragsbediensteten im öffentlichen Dienst entsprechend anwendbar ist, enthält sie keine Regelung zur Entgeltzahlung. Sie untersagt die tatsächliche Beschäftigung nach wirksamer oder unwirksamer Kündigung. Sie ist dem Normenkomplex des Kündigungsrechts zuzuordnen und findet im vorliegenden Zusammenhang keine Anwendung.

62

III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

        

        

    Beckerle    

        

    A. Claes    

                 

(1) Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten.

(2) Im übrigen erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch nicht auf andere als die in Absatz 1 und in den §§ 18 und 19 genannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Juli 2013 - 17 Sa 2620/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und Ansprüche aus Annahmeverzug.

2

Der Kläger ist algerischer Herkunft. Er besitzt die algerische und die deutsche Staatsangehörigkeit. Er beherrscht neben der deutschen die arabische und die französische Sprache und wohnt in Berlin. Die Beklagte ist die Demokratische Volksrepublik Algerien. Sie beschäftigt in ihrer Berliner Botschaft regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer, darunter den Kläger. Dieser ist dort seit September 2002 auf der Grundlage eines in französischer Sprache verfassten Arbeitsvertrags als einer von drei Kraftfahrern tätig. Ihm obliegt es, Gäste und Mitarbeiter zu fahren sowie Post der Botschaft zu befördern. Diplomatenpost wird von einem weiteren Mitarbeiter der Botschaft entgegengenommen und weitergeleitet. Der Arbeitsvertrag sieht für Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten die Zuständigkeit der algerischen Gerichte vor und weist den Kläger der deutschen Sozialversicherung zu. Seine Steuern führt der Kläger in Deutschland ab.

3

Mit Schreiben vom 24. Mai 2006 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass er in diesem Jahr an 37 Tagen krankheitsbedingt gefehlt habe. Sie erteilte ihm am 13. Juli 2006 eine Abmahnung wegen respektlosen Verhaltens gegenüber dem Botschafter. Am 30. März und 20. Juli 2007 mahnte sie ihn wegen erneuter krankheitsbedingter Fehlzeiten und am 31. Mai 2007 wegen verspäteten Abholens eines Diplomaten ab. Mit Schreiben vom 29. August 2007 kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2007.

4

Mit seiner am 9. September 2007 beim Arbeitsgericht eingereichten und der Beklagten am 8. Februar 2008 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt. Er hat gemeint, die deutsche Gerichtsbarkeit sei gegeben. Als Kraftfahrer sei er nicht hoheitlich tätig geworden. Die deutschen Gerichte seien auch international zuständig. Die anderslautende arbeitsvertragliche Vereinbarung stehe dem nicht entgegen. Materiell finde deutsches Recht Anwendung. Danach sei die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt. Ihm stehe überdies Vergütung aus Annahmeverzug für die Monate November 2007 bis Juli 2012 abzüglich von der Agentur für Arbeit erhaltener Leistungen zu.

5

Er hat - soweit für die Revision noch von Belang - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 29. August 2007 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.459,56 Euro brutto abzüglich 10.781,40 Euro netto und weitere 78.197,22 Euro brutto zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Klage für unzulässig gehalten. Die deutsche Gerichtsbarkeit sei nicht gegeben. Die Tätigkeit des Klägers sei hoheitlicher Natur gewesen. Sie habe ihn aufgrund seiner Kenntnisse der arabischen, französischen und deutschen Sprache bei Besuchen von offiziellen Delegationen aus der Heimat als Fahrer eingesetzt. Da die Delegationen nicht über einen eigenen Dolmetscher verfügt hätten, habe der Kläger diese Funktion übernehmen müssen. Überdies habe er vertretungsweise auch den Botschafter befördert. International seien aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung die algerischen Gerichte zuständig. Materiell finde das algerische Arbeitsrecht Anwendung. Dieses sehe bei einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst eine Wiedereinstellung selbst nach erfolgloser Kündigung nicht vor. Der Kläger könne deshalb auch keine Vergütung aus Annahmeverzug fordern.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist unbegründet.

9

A. Die Revision ist entgegen der Ansicht des Klägers zulässig.

10

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den vermeintlichen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Sie muss dazu eine Auseinandersetzung mit den tragenden Argumenten des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 120/12 - Rn. 17; 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - Rn. 12). Bei mehreren Streitgegenständen muss im Fall einer unbeschränkt eingelegten Revision für jeden von ihnen eine solche Begründung gegeben werden. Dies ist nur dann nicht erforderlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt. In diesem Fall ist mit der Begründung der Revision gegen die Entscheidung über den einen Streitgegenstand zugleich dargelegt, dass auch die Entscheidung über den anderen unrichtig ist (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 474/12 - Rn. 15; 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - aaO).

11

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Die Beklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts.

12

1. Bezogen auf die Entscheidung über den Feststellungsantrag macht sie geltend, das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht deutsches Kündigungsschutzrecht angewandt. Es habe die engere Verbindung des Arbeitsverhältnisses zum algerischen Staat verkannt. Nach algerischem Recht sei das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung aufgelöst. Mit dieser Rüge hat die Beklagte die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung in ausreichender Weise in Frage gestellt.

13

2. Es kann dahinstehen, ob sich die Beklagte auch mit den Gründen der Entscheidung über die Zahlungsanträge hinreichend auseinandergesetzt hat. Die Entscheidung über die Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug hängt von der Entscheidung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. Erwiese sich diese als unrichtig, wäre also die Kündigung wirksam, wäre damit zugleich die Entscheidung über die Zahlungsansprüche hinfällig.

14

B. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht für zulässig und begründet gehalten.

15

I. Die Klage ist zulässig.

16

1. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist gegeben.

17

a) Nach § 20 Abs. 2 GVG iVm. dem Allgemeinen Völkergewohnheitsrecht als Bestandteil des Bundesrechts (Art. 25 GG) sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten insoweit nicht unterworfen, wie ihre hoheitliche Tätigkeit von einem Rechtsstreit betroffen ist. Es ist mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus abgeleiteten Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht zu vereinbaren, dass ein deutsches Gericht hoheitliches Handeln eines anderen Staates rechtlich überprüft (vgl. BVerfG 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 - Rn. 20; 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03 - Rn. 34, BVerfGE 117, 141; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 - Rn. 13; 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 - Rn. 14).

18

aa) Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nach dem rechtlichen Charakter des konkreten staatlichen Handelns oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt oder wie eine Privatperson tätig geworden ist. Geht es - wie hier - um eine Streitigkeit aus einem Arbeitsverhältnis, ist maßgebend, ob die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben ihrer Art nach hoheitlich oder nicht-hoheitlich sind. Entscheidend sind der Inhalt der ausgeübten Tätigkeit (BAG 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 - Rn. 14; 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 - Rn. 16 mwN) sowie ihr - bestehender oder nicht bestehender - Zusammenhang mit den diplomatischen und konsularischen Aufgaben (vgl. BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 13).

19

bb) Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist diese Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht am Sitz des entscheidenden Gerichts vorzunehmen (BVerfG 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 - Rn. 22; 12. April 1983 - 2 BvR 678/81 ua. - Rn. 139, BVerfGE 64, 1). Ungeachtet seiner ist stets hoheitlich nur das staatliche Handeln, das dem Kernbereich der Staatsgewalt zuzurechnen ist. Zu ihm gehören die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege (BVerfG 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 - aaO; 13. Dezember 1977 - 2 BvM 1/76 - Rn. 121, BVerfGE 46, 342; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 - Rn. 15; 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 - Rn. 15).

20

b) Danach ist die Beklagte im Streitfall nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Der Kläger nimmt keine hoheitlichen Aufgaben wahr.

21

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts oblag es dem Kläger, Gäste und Mitarbeiter der Botschaft zu fahren. Er hatte ferner Post zu befördern. Diplomatenpost wurde hingegen nicht von ihm, sondern von einem anderen Mitarbeiter übermittelt. Zugunsten der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht unterstellt, der Kläger sei bei Besuchen offizieller Delegationen aus Algerien als Fahrer eingesetzt worden und habe dabei Dolmetscheraufgaben übernehmen müssen.

22

bb) Auf dieser Grundlage hat das Landesarbeitsgericht mit Recht angenommen, die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten wiesen keinen funktionellen Zusammenhang mit den diplomatischen und konsularischen Aufgaben der Botschaft auf. Der Transport von Personen und Post hat nicht den erforderlichen Bezug zum hoheitlichen Bereich. Der Kläger fuhr Delegationen, in der Regel dagegen nicht den Botschafter. Diplomatenpost hat er nicht befördert. Der als richtig unterstellte Vortrag der Beklagten weist keine Anhaltspunkte dafür auf, dass die Dolmetschertätigkeit des Klägers über die Beseitigung allgemeiner Verständigungsprobleme hinausging und etwa in Zusammenhang mit der Pflege politischer, kultureller, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Beziehungen stand, oder doch zumindest der Anbahnung solcher Gesprächskontakte diente. Überdies ist nicht zu erkennen, dass der Kläger die behaupteten Dolmetschertätigkeiten in einem nennenswerten, über vereinzelte Gelegenheiten hinausgehenden Umfang wahrgenommen hätte. Dass die Tätigkeit des Klägers gleichwohl das Vertrauen der Beklagten in seine Zuverlässigkeit und Verschwiegenheit voraussetzt, begründet nicht die hoheitliche Natur seiner Aufgaben.

23

2. Die deutschen Gerichte sind international zuständig.

24

a) Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Nach Art. 19 Nr. 1 EuGVVO kann ein Arbeitgeber vom Arbeitnehmer vor den Gerichten des Mitgliedstaats verklagt werden, in dem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat. Gesellschaften und juristische Personen haben ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet (Art. 60 Abs. 1 EuGVVO). Hat der Arbeitgeber im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats keinen Wohnsitz, besitzt er aber in einem Mitgliedstaat etwa eine Niederlassung, so wird er für Streitigkeiten aus ihrem Betrieb so behandelt, wie wenn er seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats hätte (Art. 18 Abs. 2 EuGVVO). Streiten die Parteien eines Rechtsstreits über einen Arbeitsvertrag, den die Botschaft im Namen des Entsendestaats geschlossen hat, handelt es sich bei der Botschaft um eine „Niederlassung“ iSv. Art. 18 Abs. 2 EuGVVO, wenn die vom Arbeitnehmer verrichteten Aufgaben nicht unter die Ausübung hoheitlicher Befugnisse fallen (EuGH 19. Juli 2012 - C-154/11 - [Mahamdia]).

25

b) Danach sind im Streitfall die deutschen Gerichte zuständig. Die Botschaft der Beklagten in Berlin ist eine Niederlassung iSv. Art. 18 Abs. 2 EuGVVO. Die Parteien streiten über den Bestand eines zwischen dem Kläger und der Botschaft geschlossenen Arbeitsverhältnisses und über sich daraus ergebende Ansprüche. Der Kläger nimmt keine hoheitlichen Aufgaben wahr.

26

3. Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist durch die Parteien vertraglich nicht wirksam abbedungen worden. Ihre Gerichtsstandsvereinbarung ist gemäß Art. 23 Abs. 5 EuGVVO unwirksam.

27

a) Eine Gerichtsstandsvereinbarung läuft iSv. Art. 23 Abs. 5 EuGVVO den Regelungen in Art. 21 EuGVVO zuwider, wenn sie von Vorschriften des 5. Abschnitts der EuGVVO abweicht und nicht nach Entstehung des Rechtsstreits getroffen worden ist (Art. 21 Nr. 1 EuGVVO) oder nicht die Befugnis einräumt, andere als im 5. Abschnitt angeführte Gerichte anzurufen (Art. 21 Nr. 2 EuGVVO). Diese Befugnis ist dahin zu verstehen, dass sie Gerichtsstände begründen muss, die zu den in Art. 18 und Art. 19 der EuGVVO vorgesehenen Gerichtsständen noch hinzukommen. Eine vor Entstehung der Streitigkeit getroffene Gerichtsstandsvereinbarung darf für einen Arbeitnehmer nicht den Ausschluss der in der EuGVVO vorgesehenen Gerichtsstände bewirken, sondern kann lediglich die Befugnis begründen oder erweitern, unter mehreren zuständigen Gerichten zu wählen (EuGH 19. Juli 2012 - C-154/11 - [Mahamdia] Rn. 62; BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 481/11 - Rn. 32).

28

b) Die Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien wurde vor Entstehung der Streitigkeit getroffen und weicht von den Vorschriften des 5. Abschnitts der EuGVVO ab. Die Zuständigkeit der algerischen Gerichte konnte deshalb allenfalls zusätzlich zu der der deutschen Gerichte vereinbart werden. Eine Derogation von deren sich aus Art. 18, Art. 19 EuGVVO ergebenden Zuständigkeit war nicht wirksam möglich.

29

II. Die Klage ist begründet.

30

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 29. August 2007 nicht aufgelöst worden.

31

a) Die Wirksamkeit der Kündigung ist nach deutschem materiellen Recht zu beurteilen.

32

aa) Die Bestimmung des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren materiellen Rechts richtet sich nach Art. 27 ff. EGBGB (aF). Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) findet gemäß ihrem Art. 28 auf den Streitfall noch keine Anwendung. Der Arbeitsvertrag der Parteien wurde vor dem 17. Dezember 2009 geschlossen.

33

bb) Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB (aF) unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich mittelbar aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falls ergeben. Bei Arbeitsverträgen können etwa Gerichtsstandsklauseln, vertragliche Bezugnahmen auf ein bestimmtes Recht oder die Vereinbarung eines für beide Parteien gemeinsamen Erfüllungsorts Hinweise auf die getroffene Wahl geben (vgl. BAG 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 - Rn. 25; 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 28).

34

cc) Gemäß Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) darf die Rechtswahl der Parteien bei Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des gemäß Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 EGBGB (aF) ohne Rechtswahl anwendbaren Rechts gewährt wird. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass dem Arbeitnehmer als der typischerweise sozial und wirtschaftlich schwächeren Partei durch die Rechtswahl nicht der Mindestschutz „seines“ Rechts entzogen wird (BT-Drs. 10/504 S. 81). Diese Anwendung zwingender Bestimmungen setzt voraus, dass sie zu günstigeren Ergebnissen führt als das gewählte Recht (BAG 29. Oktober 1992 - 2 AZR 267/92 - zu III 2 c der Gründe, BAGE 71, 297; 24. August 1989 - 2 AZR 3/89 - zu A II 3 a bb der Gründe, BAGE 63, 17). Dafür ist ein Günstigkeitsvergleich durchzuführen. Die zwingenden Bestimmungen des nach Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 EGBGB (aF) maßgebenden Rechts sind den entsprechenden Regelungen der gewählten Rechtsordnung gegenüberzustellen (BAG 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - Rn. 52, BAGE 125, 24). Bieten letztere keinen vergleichbaren Schutz, sind die nach Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 EGBGB (aF) einschlägigen Vorschriften anzuwenden. Etwas anderes gilt gemäß Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB (aF) nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis nach der Gesamtheit der Umstände engere Verbindungen „zu einem anderen Staat“ aufweist.

35

dd) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, zwar hätten die Parteien im Streitfall konkludent die Anwendung algerischen Rechts vereinbart, die Wirksamkeit der Kündigung sei jedoch an den Bestimmungen des deutschen Kündigungsschutzgesetzes zu messen. Die Anwendbarkeit des deutschen Rechts folgt aus Art. 30 Abs. 1, Abs. 2 EGBGB (aF). Das algerische Recht enthält keine dem deutschen Kündigungsrecht gleichwertigen Schutzvorschriften. Das Arbeitsverhältnis weist auch keine engeren Verbindungen zur Beklagten auf.

36

(1) Das Landesarbeitsgericht durfte von einer stillschweigenden Wahl des algerischen Rechts ausgehen. Schon die Vereinbarung, es sollten die algerischen Gerichte für die Beilegung von Streitigkeiten zuständig sein, ist ein gewichtiger Hinweis darauf, dass die Parteien auch algerisches Recht zur Anwendung bringen wollten. Es ist nicht anzunehmen, dass sie gewollt haben, die algerischen Gerichte sollten nach deutschem materiellen Recht entscheiden. Damit hätten sie sich um den Vorteil einer mit dem anzuwendenden Recht in jeder Hinsicht vertrauten Gerichtsbarkeit gebracht. Hinzu kommt, dass Vertragssprache das Französische ist und der Kläger im öffentlichen Dienst der Beklagten beschäftigt wurde (vgl. BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 29). Demgegenüber kommt dem Arbeitsort in Deutschland und der Vergütung in Euro für die Rechtswahl wenig Bedeutung zu. Das gleiche gilt für den Umstand, dass der Kläger der deutschen Sozialversicherung unterlag und die Steuerschuld in Deutschland anfiel. Dies betrifft nicht den arbeitsrechtlichen Kern des vertraglichen Pflichtengefüges (BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - aaO).

37

(2) Trotz der von den Parteien getroffenen Wahl des algerischen Rechts ist die Wirksamkeit der Kündigung nach dem deutschen Kündigungsschutzgesetz zu beurteilen.

38

(a) Die Vorschriften der §§ 1 bis 14 KSchG sind nicht schon wegen Art. 34 EGBGB (aF) anzuwenden. Sie stellen keine „Eingriffsnormen“ im Sinne dieser Bestimmung dar (BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 31; 24. August 1989 - 2 AZR 3/89 - zu A II 6 c der Gründe, BAGE 63, 17).

39

(b) Die Anwendbarkeit der §§ 1 bis 14 KSchG folgt aus Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF). Sie sind „zwingende Bestimmungen“ im Sinne der Regelung. „Zwingende Bestimmungen“ sind solche, die vertraglich nicht abbedungen werden können und dem Schutz des Arbeitnehmers dienen (Staudinger/Magnus Art. 30 EGBGB Rn. 72; Schlachter NZA 2000, 57, 60). Das trifft auf die §§ 1 bis 14 KSchG zu(vgl. BAG 24. August 1989 - 2 AZR 3/89 - zu A II 3 a aa der Gründe, BAGE 63, 17; Staudinger/Magnus Art. 30 EGBGB Rn. 79).

40

(c) Die Vorschriften der §§ 1 bis 14 KSchG wären auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar, wenn diese eine Rechtswahl nicht getroffen hätten. Ohne Rechtswahl unterliegen Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse nach Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 Nr. 1 EGBGB (aF) dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Der Erfüllungsort liegt im Streitfall in Deutschland. Dies gilt auch, soweit der Kläger seine Arbeitsleistung auf dem Botschaftsgelände erbringt. Das Botschaftsgelände eines ausländischen Staates als solches ist nicht exterritorial (BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 113, 327; 10. Mai 1962 - 2 AZR 397/61 - zu II der Gründe, BAGE 13, 121).

41

(d) Das deutsche Recht als Regelstatut wird im Streitfall nicht gemäß Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB (aF) verdrängt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien weist keine engeren Verbindungen zu Algerien als zu Deutschland auf. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

42

(aa) Es kann dahinstehen, ob der Begriff der „engeren Verbindungen“ revisionsrechtlich in vollem Umfang oder nur eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 627/02 - zu II 3 d der Gründe; 29. Oktober 1992 - 2 AZR 267/92 - zu III 4 c cc der Gründe, BAGE 71, 297). Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts hält auch einer uneingeschränkten Überprüfung stand.

43

(bb) Für die Beantwortung der Frage, ob „engere Verbindungen“ zu einem anderen Staat im Sinne der Ausnahmeregelung vorliegen, ist nach dem Gesetzeswortlaut auf die „Gesamtheit der Umstände“ abzustellen. Dabei ist nicht allein die Anzahl der für eine Verbindung zu dem einen oder dem anderen Staat sprechenden Kriterien maßgebend. Es ist vielmehr eine Gewichtung der Anknüpfungsmomente vorzunehmen. Wesentliches Kriterium ist in diesem Zusammenhang der Ort, an welchem der Arbeitnehmer seine Steuern und Abgaben entrichtet und der Sozialversicherung angeschlossen ist (vgl. zu Art. 6 Abs. 2 EVÜ, welcher der Vorschrift des Art. 30 EGBGB (aF) zugrunde liegt: EuGH 12. September 2013 - C-64/12 - [Schlecker] Rn. 41). Daneben sind der Arbeitsort, der Sitz des Arbeitgebers, die Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien, der Wohnsitz des Arbeitnehmers ua. zu berücksichtigen (vgl. BAG 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - Rn. 50, BAGE 125, 24; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 627/02 - zu II 3 c der Gründe). Vertragsimmanente Gesichtspunkte wie die Vertragssprache, die Währung, in der die Vergütung gezahlt wird, oder die Bezugnahme auf Rechtsvorschriften eines bestimmten Staates haben nachrangige Bedeutung. Andernfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, das vom Gesetzgeber vorgesehene Günstigkeitsprinzip durch die Vertragsgestaltung und entsprechende Abreden zu unterlaufen. Eine solche Disposition über den zwingenden Arbeitnehmerschutz soll Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) gerade verhindern(Thüsing BB 2003, 898, 900). In seinem Rahmen kommt es auf davon unabhängige, objektive Umstände an (BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 627/02 - aaO; Thüsing aaO). Sollen die Einzelumstände auf die engere Verbindung zu einem anderen Staat verweisen, müssen sie insgesamt das Gewicht der Regelanknüpfung deutlich übersteigen (vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 627/02 - aaO; 29. Oktober 1992 - 2 AZR 267/92 - zu III 4 c aa der Gründe, BAGE 71, 297).

44

(cc) Danach begegnet die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis der Parteien weise keine engere Verbindung zu Algerien als zu Deutschland auf, keinen rechtlichen Bedenken. Die vorrangig zu berücksichtigenden Kriterien bestärken die Regelanknüpfung an das deutsche Recht. Die Parteien haben den Arbeitsvertrag in Deutschland geschlossen. Der Kläger hat seinen Wohnsitz in Berlin und erbrachte die vertraglich geschuldete Tätigkeit ausschließlich in Deutschland. Seine Vergütung wurde in Euro gezahlt. Er unterlag dem deutschen Sozialversicherungsrecht und führte seine Steuern in Deutschland ab. Neben der algerischen besitzt er auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Zwar ergibt sich aus seiner Herkunft sowie aus dem Umstand, dass er im öffentlichen Dienst der Botschaft der Beklagten beschäftigt und der Arbeitsvertrag in französischer Sprache verfasst wurde, eine Verbindung auch zum algerischen Staat. Diese Gesichtspunkte überwiegen aber die für die Verbindung mit Deutschland sprechenden und der Regelanknüpfung zugrunde liegenden Aspekte nicht.

45

(e) Die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes gewährleisten einen weitergehenden Schutz gegen die Beendigung von Arbeitsverhältnissen als das algerische Recht.

46

(aa) Die Frage, welche der in Betracht kommenden Rechtsordnungen für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen enthält, ist eine Rechtsfrage, die objektiv und nach dem Maßstab des Gesetzes zu beantworten ist (Schlachter NZA 2000, 57, 61). Dazu ist ein Sachgruppenvergleich vorzunehmen (Staudinger/Magnus Art. 30 EGBGB Rn. 84; MünchKommBGB/Martiny 4. Aufl. Art. 30 EGBGB Rn. 40; Schlachter aaO). Zu vergleichen sind die in einem inneren, sachlichen Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der fraglichen Rechtsordnungen. Die Günstigkeit anhand eines Vergleichs je einzelner Normen zu bestimmen, ist nicht sachgerecht. Dies könnte dazu führen, dass der Arbeitnehmer durch eine Kombination einzelner Vorschriften der jeweiligen Rechtsordnung einen Schutzstandard erlangt, der über demjenigen liegt, den die betroffenen Rechtsordnungen tatsächlich gewähren (Soergel/von Hoffmann 12. Aufl. Art. 30 EGBGB Rn. 32; Thüsing BB 2003, 898, 899; Schlachter aaO; Birk RdA 1989, 201, 206). Eine solche Besserstellung entspricht nicht dem Schutzzweck der Norm. Auch ein abstrakter „Gesamtvergleich“ der Rechtsordnungen ohne Rücksicht auf die zu beurteilende Sachfrage würde dem Sinn und Zweck von Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) nicht gerecht. Dieser besteht darin, dem Arbeitnehmer im Einzelfall den ihm nach dem Regelstatut zustehenden Schutz zu erhalten. Dem Arbeitnehmer wäre nicht gedient, wenn das gewählte Recht zwar „alles in allem“ das günstigere wäre, sich für den konkreten Streitgegenstand aber als unvorteilhafter erwiese (MünchKommBGB/Martiny 4. Aufl. Art. 30 EGBGB Rn. 40).

47

(bb) Ist ein Vergleich des von den jeweiligen Rechtsordnungen gewährleisteten Kündigungsschutzes vorzunehmen, sind die Anforderungen an das Vorliegen eines Kündigungsgrundes, die Kündigungsfrist, die Möglichkeit des Arbeitnehmers, im Falle einer ungerechtfertigten Kündigung den Erhalt seines Arbeitsplatzes und eine Weiterbeschäftigung zu erreichen, sowie mögliche Kompensationen für den Verlust des Arbeitsplatzes in den Blick zu nehmen. Dabei kommt es auf die Ergebnisse einer Anwendung der jeweiligen Rechtsordnung auf den fraglichen Streitgegenstand an (zu Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO: Deinert Internationales Arbeitsrecht § 9 Rn. 59; MünchKommBGB/Martiny 4. Aufl. Art. 30 EGBGB Rn. 40; Markovska RdA 2007, 352, 355). Sieht das Recht eines Staates für verschiedene Gruppen von Arbeitnehmern unterschiedliche Regelungen vor, sind diejenigen Vorschriften mit dem Recht des anderen Staates zu vergleichen, die auf den betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden. Im Streitfall ist danach der Kündigungsschutz eines Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst der Beklagten demjenigen gegenüberzustellen, den ein Arbeitnehmer erfährt, auf dessen Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet.

48

(cc) Der Vergleich ist mit Blick auf die vom Landesarbeitsgericht ermittelten Vorschriften des algerischen Rechts durchzuführen. Zwar handelt es sich bei ihnen nicht um „Tatsachen“, sondern um das anzuwendende (ausländische) Recht. Das Revisionsgericht darf deshalb auch ohne eine formelle Verfahrensrüge weitergehende Ermittlungen anstellen (BAG 10. April 1975 - 2 AZR 128/74 - zu IV 2 der Gründe, BAGE 27, 99; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 2; GK-ArbGG/Mikosch § 73 Rn. 16). Dies ist jedoch nur dann geboten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die Rechtslage nach dem ausländischen Recht anders darstellt, als vom Landesarbeitsgericht vorausgesetzt (BAG 25. April 2013 - 6 AZR 49/12 - Rn. 119; 29. Oktober 1992 - 2 AZR 267/92 - zu VI der Gründe, BAGE 71, 297). Im Streitfall hat die Revision eine unzureichende oder fehlerhafte Feststellung des algerischen Rechts nicht gerügt. Sie ist auch objektiv nicht erkennbar.

49

(dd) Das algerische Recht unterscheidet zwischen den Beamten (fonctionnaires) und den „Vertragsbediensteten“ (agents contractuels). Für die Gruppe der Vertragsbediensteten, zu der der Kläger gehört, gilt das nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auf den Streitfall anzuwendende Präsidentendekret Nr. 07-308 vom 29. September 2007. Gemäß Art. 69 des Dekrets kann das Arbeitsverhältnis durch den Ablauf des Vertrags, die ordnungsgemäße akzeptierte Eigenkündigung des Arbeitnehmers, die fristlose Kündigung, die fristgerechte Entlassung mit Abfindung, die Versetzung in den Ruhestand und den Tod des Bediensteten enden. Im Falle der Vertragspflichtverletzung, einer Verletzung der Disziplin oder eines sonstigen Fehlers kann es zu einer Disziplinarmaßnahme kommen. Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes hat keine Möglichkeit, den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses geltend zu machen. Für ihn ist auch ein gesetzlicher Abfindungsanspruch nicht vorgesehen. Damit gewährleistet das algerische Recht jedenfalls für einen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes keinen Kündigungsschutz, der dem aus §§ 1 bis 14 KSchG folgenden Schutz gleichwertig wäre. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn das algerische Recht für den Verlust des Arbeitsplatzes auch im öffentlichen Dienst die Zahlung einer Abfindung vorsähe - wie dies im privaten Wirtschaftsbereich der Fall ist -, bedarf keiner Entscheidung.

50

b) Die Kündigung vom 29. August 2007 ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG unwirksam.

51

aa) Die Kündigung gilt nicht gemäß § 7 KSchG als rechtswirksam. Der Kläger hat die vorliegende Klage rechtzeitig iSv. § 4 Satz 1 KSchG, § 167 ZPO erhoben.

52

(1) Der Begriff „demnächst“ in § 167 ZPO kennt keine absolute zeitliche Grenze. Ob davon die Rede sein kann, die Zustellung der Klage sei „demnächst“ erfolgt, ist durch eine wertende Betrachtung der entsprechenden Umstände festzustellen (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 248/13 - Rn. 35). Verzögerungen im gerichtlichen Geschäftsbetrieb dürfen nicht zu Lasten des Klägers gehen (BAG 23. August 2012 - 8 AZR 394/11 - Rn. 31, BAGE 143, 50; BGH 11. Februar 2011 - V ZR 136/10 - Rn. 6). Dies gilt auch bei mehrmonatigen Aufschüben (BAG 23. August 2012 - 8 AZR 394/11 - aaO; BGH 11. Februar 2011 - V ZR 136/10 - aaO mwN).

53

(2) Die vom Kläger am 9. September 2007 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage ist der Beklagten über ihren Prozessbevollmächtigten am 8. Februar 2008 zugestellt worden. Dies war trotz der fünfmonatigen Verzögerung noch „demnächst“ iSv. § 167 ZPO. Der Aufschub ist auf die Sachbearbeitung durch das Arbeitsgericht zurückzuführen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hatte im Rahmen der vom Kläger schon zuvor erhobenen Zahlungsklage mit einem Schriftsatz, der am 5. September 2007 bei Gericht einging, angezeigt, dass er die Beklagte vertrete. Gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO hätte die Zustellung an ihn erfolgen können. Dass dies - nach dem abgebrochenen Versuch einer Auslandszustellung - erst mehrere Monate später geschah, ist vom Kläger nicht zu vertreten.

54

bb) Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, sie sei weder durch Gründe im Verhalten noch durch Gründe in der Person des Klägers bedingt. Die Beklagte habe weder substantiiert dargelegt, dass der Kläger seine Pflichten überhaupt verletzt habe, noch habe sie aufgezeigt, dass dies nach dem Zugang einschlägiger Abmahnungen geschehen sei. Soweit sie die Kündigung auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers gestützt habe, fehle es neben der Darlegung der genauen Zeiträume an der Darstellung der sich aus ihnen ergebenden betrieblichen oder wirtschaftlichen Beeinträchtigungen. Die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte ist ihnen nicht entgegengetreten.

55

2. Der Zahlungsanspruch ist berechtigt. Der Kläger hat Anspruch auf seine Vergütung für die Monate November 2007 bis Juli 2012 abzüglich der von der Agentur für Arbeit erbrachten Leistungen. Der Anspruch ergibt sich - auch - aus dem von den Parteien gewählten algerischen Recht.

56

a) Ist der vom Arbeitnehmer geltend gemachte Anspruch bereits nach dem gewählten Recht in vollem Umfang begründet, kann ihm das objektiv geltende Vertragsstatut keine günstigere Position verschaffen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob es sich bei den Regelungen über die Vergütung aus Annahmeverzug nach § 615 BGB um zwingendes Recht iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) handelt.

57

b) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gilt im algerischen Recht zwar der Grundsatz, dass dem Arbeitnehmer ohne Arbeitsleistung kein Entgeltanspruch zusteht. Gemäß Art. 37 des Präsidentendekrets 07-308 hat ein Vertragsbediensteter des algerischen Staates jedoch ein Recht auf Arbeitsbedingungen, die ihm den Erhalt seiner Würde, seiner Gesundheit sowie seiner geistigen und körperlichen Unversehrtheit ermöglichen. Nach den von keiner Partei beanstandeten Ausführungen des Sachverständigen hat der Arbeitnehmer danach ein Recht darauf, in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis auch tatsächlich beschäftigt zu werden. Wird dieser Anspruch vom Arbeitgeber nicht erfüllt, weil er die vom Arbeitnehmer angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt, besteht der Vergütungsanspruch fort.

58

c) Die darauf beruhende Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Zahlungsansprüche des Klägers seien nach algerischem Recht begründet, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

59

aa) Die Anwendung des algerischen Rechts durch das Landesarbeitsgericht kann vom Bundesarbeitsgericht nachgeprüft werden. § 73 ArbGG schließt die Revisibilität ausländischen Rechts nicht aus(BAG 10. April 1975 - 2 AZR 128/74 - zu IV 1 der Gründe, BAGE 27, 99 unter Aufgabe von BAG 20. Juli 1967 - 2 AZR 372/66 -). Dies steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Soweit dieser ausländisches Recht für nicht revisibel hält, beruht dies auf der Auslegung von § 545 Abs. 1 ZPO. Die Vorschrift ist aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte auch in ihrer seit dem 1. September 2009 geltenden Fassung nicht mit § 73 ArbGG vergleichbar(BGH 4. Juli 2013 - V ZB 197/12 - Rn. 23, BGHZ 198, 14).

60

bb) Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis. Dieses ist nach dem insoweit anzuwendenden deutschen Recht nicht wirksam beendet worden. Welche Anforderungen an das Angebot der Arbeitsleistung nach algerischem Recht zu stellen sind, hat das Landesarbeitsgericht zwar nicht abstrakt festgestellt. Es hat aber angenommen, die Zurückweisung der Kündigung mit Schreiben vom 3. September 2007 sei dafür ausreichend gewesen. Mit ihr habe der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht hinzunehmen bereit sei. Es besteht kein Anlass anzunehmen, dass dies im Sinne des algerischen Rechts kein hinreichendes Leistungsangebot sei.

61

cc) Art. 185 der Verordnung 06-03 vom 15. Juli 2006, wonach die Beklagte einen Beamten auch bei Unwirksamkeit der Kündigung nicht weiter beschäftigen darf, steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Ungeachtet der Frage, ob die Vorschrift auf die Arbeitsverhältnisse von Vertragsbediensteten im öffentlichen Dienst entsprechend anwendbar ist, enthält sie keine Regelung zur Entgeltzahlung. Sie untersagt die tatsächliche Beschäftigung nach wirksamer oder unwirksamer Kündigung. Sie ist dem Normenkomplex des Kündigungsrechts zuzuordnen und findet im vorliegenden Zusammenhang keine Anwendung.

62

III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

        

        

    Beckerle    

        

    A. Claes    

                 

(1) Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten.

(2) Im übrigen erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch nicht auf andere als die in Absatz 1 und in den §§ 18 und 19 genannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 17. November 2011 - 15 Sa 864/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Änderungskündigung.

2

Die beklagte Republik unterhält in der Bundesrepublik Deutschland mehrere Schulen, darunter ein Lyzeum und ein Gymnasium in D. Sie haben den Status staatlich anerkannter Ergänzungsschulen.

3

Der Kläger ist seit 1994 bei der Beklagten beschäftigt. Sein Einsatz erfolgte an den Ergänzungsschulen in D. Sein Bruttomonatsgehalt betrug 3.367,73 Euro.

4

Dem Arbeitsverhältnis liegt ua. der Arbeitsvertrag vom 20. Oktober 1994 zugrunde. Dort heißt es:

        

„…    

        
        

6.    

Der Lehrer wird gemäß deutschem BAT eingestuft und besoldet …

                 

…       

        

10.     

Wenn der Arbeitnehmer wegen Krankheit nicht arbeiten kann, ohne dass er Verursacher seiner Krankheit ist, wird die Weiterzahlung seines Gehalts nach § 37 des BAT geregelt.

                 

…       

        

16.     

Der Gerichtsstand für alle sich ergebenden Themen ist derjenige der Stadt D.“

5

Mit Schreiben vom 9. November 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos und bot dem Kläger die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen an. In dem Kündigungsschreiben heißt es:

        

„… zur Überwindung der Wirtschaftskrise und zur Anwendung des unterstützenden Mechanismus der griechischen Wirtschaft von den Mitgliedsstaaten der Eurozone und des Internationalen Währungsfonds, beschloss der griechische Staat die Kürzung der Gehälter aller Beschäftigten / von ihm Besoldeten (G 3833/2010 und G 3845/2010). Für Arbeitsverträge wie Ihren wurde eine Kürzung des monatlichen Bruttoeinkommens von 7 % und 3 % vorgenommen, d. h. 282,48 Euro monatlich, sowie die Abschaffung der Jahressonderzahlung. Die Minderung von 7 % erfolgte ab dem 01.01.2010 und die Minderung von 3 % erfolgte ab dem 01.06.2010.

        

Aus den o. g. Gründen und der Anweisung der Direktion für das Auslandswesen interkultureller Bildung Prot.Nr. 821/2930E/130071/Z 1 vom 15.10.2010, kündigen wir den bestehenden Arbeitsvertrag aus wichtigem Grunde sofort und ohne jegliche Frist. Gleichzeitig bieten wir Ihnen einen neuen Arbeitsvertrag zu folgenden Bedingungen an:

        

1.    

Minderung des monatlichen Bruttoeinkommens um 282,48 Euro,

        

2.    

Abschaffung der Jahressonderzahlung.

        

Zusätzlich setzen wir Sie in Kenntnis, dass zukünftig keine automatischen Lohnerhöhungen gemäß TV-L bezahlt werden, sondern nach Entscheidung Ihres Arbeitgebers, nämlich entsprechend der Einsparpolitik des griechischen Staates.

        

Alle anderen Bedingungen bleiben unverändert. …“

6

Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter Vorbehalt an. Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat er sich gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen gewandt. Er hat bestritten, dass allen Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Beklagten das Gehalt gekürzt worden sei. Ihm seien Arbeitskollegen bekannt, bei denen die Kürzung nicht oder nicht in gleichem Umfang erfolgt sei. Das Änderungsangebot sei unbestimmt. Die Änderungskündigung sei auch unverhältnismäßig, weil die Beklagte ihre wirtschaftliche Lage und ihre Sanierungsplanung nicht nachvollziehbar dargelegt habe.

7

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 9. November 2010 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die deutsche Gerichtsbarkeit sei nach § 20 Abs. 2 GVG nicht gegeben. Ein angestellter Lehrer unterstehe den Weisungen ihres Konsuls in D und übe sowohl nach deutschem als auch nach ihrem - griechischen - Recht hoheitliche Aufgaben aus. Die Änderung der Arbeitsbedingungen sei im Übrigen gerechtfertigt. Sie sei Ende Februar/Anfang März 2010 finanziell nicht in der Lage gewesen, die Gehälter und Renten ihrer etwa eine Million Beschäftigten aufzubringen. Um weitere zwingend erforderliche Kredite zu erhalten und damit eine Insolvenz zu vermeiden, in deren Folge sie aus der europäischen Währungsunion würde austreten müssen, habe sie Verhandlungen mit den Geberländern aufgenommen. Danach habe sie nur die Möglichkeit gehabt, entweder ca. 250.000 Bedienstete zu entlassen oder die Gehälter und Renten ausnahmslos aller Bediensteten durch Parlamentsgesetz radikal zu kürzen. Sie habe sich für letztere Möglichkeit entschieden und nach den Vorgaben der Geberländer die Gesetze 3833/2010 „Schutz der nationalen Wirtschaft - Notstandsmaßnahmen zur Bekämpfung der Finanzkrise“ (Kürzung jeder Art regulärer Bezüge um 7 % mit Wirkung ab 1. Januar 2010) und 3845/2010 „Maßnahmen zur Anwendung des Unterstützungsmechanismus der griechischen Wirtschaft von den EU-Mitgliedsländern der Eurozone und vom Internationalen Währungsfonds“ (Kürzung um weitere 3 % sowie Kürzung bzw. Streichung von Weihnachtsgeld, Ostergeld und Urlaubsgeld mit Wirkung ab 1. Juni 2010) erlassen.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, die deutsche Gerichtsbarkeit sei nicht gegeben. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Das Landesarbeitsgericht durfte die Klage nicht als unzulässig abweisen. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist gegeben. Die Beklagte ist nicht nach § 20 Abs. 2 GVG von ihr befreit. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).

11

I. Die Klage ist zulässig.

12

1. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist gegeben.

13

a) Nach § 20 Abs. 2 GVG iVm. dem Allgemeinen Völkergewohnheitsrecht als Bestandteil des Bundesrechts (Art. 25 GG) sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten insoweit nicht unterworfen, wie ihre hoheitliche Tätigkeit von einem Rechtsstreit betroffen ist. Es ist mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus abgeleiteten Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht zu vereinbaren, dass ein deutsches Gericht hoheitliches Handeln eines anderen Staates rechtlich überprüft (vgl. BVerfG 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03 - Rn. 34, BVerfGE 117, 141; BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -; 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 14 mwN).

14

aa) Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nach dem rechtlichen Charakter des konkreten staatlichen Handelns oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt oder wie eine Privatperson tätig geworden ist. Geht es - wie hier - um eine Streitigkeit aus einem Arbeitsverhältnis, ist maßgebend, ob die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben ihrer Art nach hoheitlich oder nicht-hoheitlich sind. Entscheidend sind der Inhalt der ausgeübten Tätigkeit (BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -; 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 17, jeweils mwN) sowie ihr - bestehender oder nicht bestehender - Zusammenhang mit den diplomatischen und konsularischen Aufgaben (BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 13).

15

bb) Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist diese Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht am Sitz des entscheidenden Gerichts vorzunehmen. Ungeachtet seiner ist stets hoheitlich nur das staatliche Handeln, das dem Kernbereich der Staatsgewalt zuzurechnen ist. Zu ihm gehören die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege (BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -; 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 15 f. mwN).

16

b) Danach ist die Beklagte im Streitfall nicht wegen ihrer Immunität von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Der Kläger nimmt keine hoheitlichen Aufgaben wahr.

17

aa) Die Tätigkeit des Klägers gehört nicht zum Kernbereich der Staatsgewalt. Die Beurteilung, ob es sich um dennoch hoheitliche Tätigkeit handelt, richtet sich daher nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland.

18

bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Tätigkeit des Klägers nicht deshalb hoheitlich, weil die Unterhaltung des Schulwesens - sowohl nach griechischem als auch nach deutschem Recht - eine staatliche Aufgabe ist. Der Staat handelt bei Wahrnehmung seiner vielfältigen Aufgaben nicht stets und notwendig hoheitlich. Die Charakterisierung einer Aufgabe als staatliche ist deshalb für die Abgrenzung von hoheitlichem und nicht-hoheitlichem Handeln nicht maßgebend (vgl. BAG 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 15). Es kommt vielmehr auf die dem Arbeitnehmer übertragene Tätigkeit an. Diese ist bei Lehrern an einer allgemeinbildenden staatlichen oder staatlich anerkannten Schule nicht iSv. § 20 Abs. 2 GVG hoheitlich geprägt. Die Tätigkeit von Lehrern an einer solchen Schule ist nicht Ausdruck der Souveränität des Staates nach innen oder außen in einem für diese Bestimmung maßgebenden Sinne. Sie steht in keinem funktionalen Zusammenhang mit diplomatischen oder konsularischen Aufgaben und ist auch nicht die Ausübung einer hoheitsrechtlichen Befugnis, die mit Blick auf Art. 33 Abs. 4 GG in der Regel Beamten zu übertragen wäre(vgl. BVerfG 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - Rn. 63 ff., BVerfGE 119, 247; BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -; 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 20).

19

2. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar. Die deutschen Gerichte sind auch international zuständig.

20

a) Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Der für ihre Anwendung erforderliche Auslandsbezug (vgl. dazu EuGH 17. November 2011 - C-327/10 - [Lindner] Rn. 29; BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 21) ist gegeben. Die Beklagte ist ein ausländischer Staat ohne „Sitz“ im Inland iSv. Art. 19 EuGVVO(vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -).

21

b) Nach Art. 18 Abs. 1, Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO kann ein Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, an dem Ort in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Dieser Ort - der gewöhnliche Arbeitsort - liegt im Streitfall in D.

22

II. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Ob die Klage begründet ist, vermag der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die materielle Wirksamkeit der Änderungskündigung nicht geprüft und entsprechende Feststellungen nicht getroffen. Dies wird es unter Beachtung der nachstehenden Erwägungen nachzuholen haben.

23

1. Die Wirksamkeit der Änderungskündigung richtet sich nach deutschem materiellen Recht.

24

a) Die Bestimmung des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren materiellen Rechts ist nach Art. 27 ff. EGBGB (aF) vorzunehmen. Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) findet gem. ihrem Art. 28 auf den Streitfall noch keine Anwendung. Der Arbeitsvertrag der Parteien wurde vor dem 17. Dezember 2009 geschlossen.

25

b) Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB(aF) unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich auch aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falls ergeben. Bei Arbeitsverträgen können Gerichtsstandsklauseln, die Vereinbarung eines für beide Parteien gemeinsamen Erfüllungsorts oder die Bezugnahme auf Tarifverträge typische Hinweise auf eine stillschweigende Rechtswahl enthalten (vgl. BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 28; 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - Rn. 32, BAGE 125, 24).

26

c) Danach haben die Parteien im Streitfall konkludent die Anwendung deutschen Rechts vereinbart. Sie haben arbeitsvertraglich einen deutschen Tarifvertrag in Bezug genommen. Die auf diese Weise getroffene Rechtswahl entspricht im Ergebnis der Regelung des Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB(aF). Danach unterliegen Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse bei Fehlen einer Rechtswahl dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Dies ist hier Deutschland.

27

2. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb zu prüfen haben, ob nach dem anwendbaren deutschen Recht die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung wirksam erfolgt ist.

28

a) Dabei wird das Landesarbeitsgericht - ggf. nach weiterem Sachvortrag der Parteien und uU auf der Grundlage eines völker- und staatsrechtlichen Gutachtens - zunächst der Frage nachgehen müssen, welche Rechtsqualität die im bisherigen Prozessverlauf nicht umfassend vorgelegten griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 haben und ob diese die Beklagte angesichts ihrer drohenden Insolvenz und der Auflagen der Geberländer völkerrechtlich berechtigen, unmittelbar korrigierend auch in solche Arbeitsverhältnisse einzugreifen, die außerhalb ihres Staatsgebiets vollzogen werden (vgl. dazu BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -).

29

b) Sollte danach die Änderung der Vertragsbedingungen bereits unabhängig von der ausgesprochenen Änderungskündigung eingetreten sein, könnte der Änderungsschutzantrag allein deshalb unbegründet sein. Die Begründetheit einer nach Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt erhobenen Änderungsschutzklage iSv. § 4 Satz 2 KSchG setzt voraus, dass in dem Zeitpunkt, zu welchem die angebotene Vertragsänderung wirksam werden soll, das Arbeitsverhältnis nicht ohnehin zu den Bedingungen besteht, die dem Arbeitnehmer mit der Kündigung angetragen wurden. Zielt eine Änderungskündigung ausschließlich auf die Herbeiführung von Vertragsbedingungen, die auch ohne sie für das Arbeitsverhältnis gelten, ist die Kündigung zwar „überflüssig“ und wegen der mit ihr einhergehenden Bestandsgefährdung unverhältnismäßig. Nach Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt seiner sozialen Rechtfertigung steht deren Wirksamkeit aber nicht (mehr) im Streit. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen. Die Feststellung, dass die dem Arbeitnehmer mit der Änderungskündigung angetragenen Vertragsbedingungen sozial ungerechtfertigt sind, kann das Gericht nicht treffen, wenn sich das Arbeitsverhältnis bei Kündigungsausspruch schon aus anderen Gründen nach diesen Bedingungen richtet (BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 14, BAGE 140, 328; 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 14). Die Wirksamkeit der Kündigung steht allenfalls dann weiterhin im Streit, wenn der Arbeitnehmer die Annahme des Änderungsangebots unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG mit dem weiteren Vorbehalt verbunden haben sollte, dass die Änderungskündigung nicht „überflüssig“ ist.

30

c) Für den Fall, dass eine Änderung der Arbeitsbedingungen nicht unmittelbar durch die griechischen Gesetze herbeigeführt worden ist, wird das Landesarbeitsgericht davon auszugehen haben, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht bereits deshalb unwirksam ist, weil es an einem hinreichend bestimmten Änderungsangebot fehlte.

31

aa) Ein mit der - ordentlichen oder außerordentlichen - Kündigung unterbreitetes Änderungsangebot muss eindeutig bestimmt, zumindest bestimmbar sein (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 29; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 18). Ihm muss - ggf. nach Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB - zweifelsfrei zu entnehmen sein, welche Arbeitsbedingungen künftig gelten sollen. Der Inhalt des Änderungsangebots muss zudem nach § 623 BGB im Kündigungsschreiben zumindest hinreichenden Anklang gefunden haben(BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 31; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 18). Nur so kann der Arbeitnehmer eine abgewogene Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen. Unklarheiten gehen zulasten des Arbeitgebers. Sie führen zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 29; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 15 mwN, BAGE 132, 78).

32

bb) Im Streitfall ist das Änderungsangebot hinreichend bestimmt. Es genügt auch dem Schriftformerfordernis nach § 623 BGB.

33

(1) Das Änderungsangebot ist - anders als der Kläger gemeint hat - nicht in sich widersprüchlich und deshalb unbestimmt, weil das Schreiben zunächst von einer Kürzung der Bezüge schon ab dem 1. Januar und dem 1. Juni 2010 ausgeht. Bei diesen einleitenden Ausführungen handelt es sich ersichtlich nicht bereits um das mit der Änderungskündigung verbundene Vertragsangebot selbst, sondern nur um die Erläuterung des Anlasses für deren Ausspruch. Die Kündigung als einseitige Willenserklärung wird erst im Anschluss an diese Erläuterung erklärt. Danach „kündigt“ die Beklagte den Arbeitsvertrag „aus wichtigem Grunde sofort und ohne jegliche Frist“. Daraus folgt hinreichend deutlich, dass die Kündigung nur mit Wirkung für die Zukunft und nicht auch rückwirkend erfolgen sollte.

34

(2) Das Änderungsangebot ist auch der Höhe nach hinreichend bestimmt. Der Umfang der monatlichen Kürzung des Gehalts ist mit 282,48 Euro exakt angegeben. Ob dieser Betrag den gesetzlichen Vorgaben rechnerisch entspricht und ob sich die Beklagte tatsächlich auf eine Gehaltskürzung in dieser Höhe beschränkt hat, ist für die Bestimmtheit des Änderungsangebots unerheblich.

35

(3) Es mag unklar sein, ob für das Jahr 2010 noch eine Jahressonderzahlung zu leisten ist. Dies steht der Bestimmtheit des Änderungsangebots nicht entgegen. Nach dem - eindeutigen - Wortlaut des Änderungsangebots soll zukünftig eine Jahressonderzahlung nicht mehr geleistet werden. Ein Anspruch auf eine - zumindest anteilige - Jahressonderzahlung für das Jahr 2010 kann sich allenfalls aus dem alten, nicht aber aus dem neuen Vertrag ergeben.

36

(4) Soweit die Beklagte im Rahmen des Änderungsangebots ergänzend mitteilt, dass zukünftig Gehaltserhöhungen nicht automatisch gemäß dem Tarifvertrag (TV-L), sondern nach Entscheidung des Arbeitgebers erfolgen sollen, ist das Angebot ebenfalls hinreichend bestimmt. Die Beklagte stellt auf diese Weise klar, dass die Bezugnahme auf den TV-L künftig nicht (mehr) dynamisch wirken soll. Daraus wird hinreichend deutlich, dass der neue Arbeitsvertrag nach der Vorstellung der Beklagten keinen Automatismus zu Gehaltserhöhungen (mehr) enthält. Der Hinweis auf mögliche künftige Gehaltserhöhungen aufgrund einzelner Entscheidungen ihrerseits hat lediglich mitteilenden Charakter.

37

d) Das Landesarbeitsgericht wird ggf. zudem den Fragen nachzugehen haben, ob - unter Berücksichtigung einer dem ausländischen Parlament zuzugestehenden Einschätzungsprärogative - ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB für die Erklärung einer fristlosen Kündigung gegeben war, ob die Beklagte eine Auslauffrist hätte einhalten müssen(vgl. dazu zuletzt BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 14 mwN) und ob sie die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt hat. Im Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung kommt deren Umdeutung in eine ordentliche Kündigung nur in Betracht, wenn der Kläger nicht aufgrund der bestehenden arbeitsvertraglichen Regelungen (bereits) ordentlich unkündbar war. Falls die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses noch möglich und eine Umdeutung geboten ist, hat das Landesarbeitsgericht zu prüfen, ob das Kündigungsschutzgesetz gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 seiner Regelungen Anwendung findet und die Kündigung auch dann rechtswirksam ist.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    Eulen    

        

    Bartz    

                 

(1) Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten.

(2) Im übrigen erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch nicht auf andere als die in Absatz 1 und in den §§ 18 und 19 genannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Januar 2009 - 17 Sa 1719/08 - aufgehoben, soweit es der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. Juli 2008 - 86 Ca 13143/07 - entsprochen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung, über Annahmeverzugslohn und Weiterbeschäftigung. Dabei steht im Vordergrund die Frage, ob die Beklagte Staatenimmunität genießt.

2

Der Kläger ist algerischer Herkunft. Er besitzt die algerische und die deutsche Staatsangehörigkeit, beherrscht neben der deutschen die arabische und die französische Sprache und wohnt in Berlin. Die Beklagte ist die Demokratische Volksrepublik Algerien. Sie beschäftigte den Kläger auf der Grundlage eines in französischer Sprache verfassten Arbeitsvertrags seit September 2002 als Kraftfahrer in ihrer Berliner Botschaft. Der Vertrag sieht für Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten die Zuständigkeit der algerischen Gerichte vor und weist den Kläger der deutschen Sozialversicherung zu.

3

Dem Kläger obliegt es, Gäste und Mitarbeiter - vertretungsweise auch den Botschafter - zu fahren. Ferner hat er die Korrespondenz der Botschaft zu deutschen Stellen oder zur Post zu befördern. Diplomatenpost wird von einem weiteren Mitarbeiter der Botschaft entgegengenommen bzw. weitergeleitet, der seinerseits ua. vom Kläger gefahren wird. Ob der Kläger auch Dolmetscherdienste leistet, ist streitig.

4

Ende August 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2007.

5

Der Kläger hat die Kündigung für sozialwidrig gehalten. Als Kraftfahrer sei er nicht hoheitlich tätig geworden, weshalb die Beklagte auch als ausländischer Staat vor deutschen Gerichten verklagt werden könne. International zuständig seien die deutschen, nicht die algerischen Gerichte. Die anderslautende arbeitsvertragliche Vereinbarung stehe dem nicht entgegen. In der Sache sei der Fall nach deutschem Recht zu beurteilen.

6

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung vom 29. August 2007 aufgelöst worden ist,

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Autofahrer der Berliner Botschaft weiterzubeschäftigen,

        

3.    

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungserklärung vom 29. August 2007 nicht zum 30. September 2007, sondern erst zum 31. Oktober 2007 geendet hat,

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.459,56 Euro brutto abzüglich 10.781,40 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.818,54 Euro brutto abzüglich 770,10 Euro netto seit dem 1. Dezember 2007, 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2008 sowie 1. Januar 2009 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, sie sei nach den Grundsätzen der Staatenimmunität von der deutschen Gerichtsbarkeit ausgenommen, weil der Kläger hoheitliche Aufgaben erfüllt habe. Der Kläger sei in einer Vertrauensstellung beschäftigt worden. Er habe nicht nur vertrauliche Unterlagen befördert, sondern vor allem Kontakt zu den Gästen und Mitarbeitern ihrer Botschaft und damit Kenntnis von botschaftsinternen Vorgängen gehabt, die nicht Gegenstand einer Verhandlung vor deutschen Gerichten sein könnten. Bei sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten habe der Kläger auch den Gästen der Botschaft als Dolmetscher zur Verfügung gestanden. International zuständig seien ausschließlich die algerischen Gerichte. Es sei algerisches Recht anzuwenden. Dafür sprächen ua. die algerische Staatsangehörigkeit des Klägers und die Tatsache, dass der Arbeitsvertrag in französischer Sprache abgefasst sei. Die Kündigung sei auf der Grundlage algerischer Rechtsvorschriften gerechtfertigt.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Beklagte für den Streitfall Staatenimmunität genieße. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und im Wesentlichen nach den Klageanträgen erkannt. Mit der vom Landesarbeitsgericht nur für sie zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Ob die Beklagte Staatenimmunität genießt, steht noch nicht fest (I.). Gegebenenfalls wird das Landesarbeitsgericht auch die Fragen der internationalen Zuständigkeit und der Anwendbarkeit deutschen oder algerischen Rechts neu zu würdigen haben (II.).

10

I. Ob die Beklagte der deutschen Gerichtsbarkeit unterfällt, kann der Senat nicht abschließend beurteilen.

11

1. Nach § 20 Abs. 2 GVG erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit nicht auf Personen, die gemäß den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind. Nach dem als Bundesrecht iSv. Art. 25 GG geltenden allgemeinen Völkergewohnheitsrecht sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten nicht unterworfen, soweit ihre hoheitliche Tätigkeit von einem Rechtsstreit betroffen ist. Ihre diplomatischen und konsularischen Beziehungen dürfen nicht behindert werden (vgl. zur nach wie vor hohen Bedeutung der Staatenimmunität: BVerfG 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03 - BVerfGE 117, 141; BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu A I 2 a der Gründe mwN, BAGE 113, 327, 331; 23. November 2000 - 2 AZR 490/99 - zu II 3 b der Gründe, AP GVG § 20 Nr. 2 = EzA GVG § 20 Nr. 3). Andernfalls könnte die rechtliche Prüfung durch die Gerichte eine Beurteilung des hoheitlichen Handelns erfordern mit der Folge, dass die ungehinderte Erfüllung der Aufgaben der Botschaft bzw. des Konsulats beeinträchtigt wäre (Senat 16. Mai 2002 - 2 AZR 688/00 - zu II 1 der Gründe, AP GVG § 20 Nr. 3; Schack Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 172 ff.).

12

a) Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nichthoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nicht nach deren Motiv oder Zweck. Maßgebend ist die Art der umstrittenen staatlichen Handlung oder des streitigen Rechtsverhältnisses (BVerfG 30. April 1963 - 2 BvM 1/62 - zu C II 2 der Gründe, BVerfGE 16, 27, 61 f.; BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - BAGE 113, 327). Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist die Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht des entscheidenden Gerichts zu beurteilen (BVerfG 30. April 1963 - 2 BvM 1/62 - zu C II 3 der Gründe, BVerfGE 16, 27, 62; BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - aaO; 23. November 2000 - 2 AZR 490/99 - zu II 3 c cc der Gründe, AP GVG § 20 Nr. 2 = EzA GVG § 20 Nr. 3; Schack Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 176).

13

b) Gesetzliche Regeln für die Einordnung als hoheitliches oder nichthoheitliches Handeln bestehen im Hinblick auf den Gegenstand arbeitsrechtlicher Streitigkeiten zwischen außereuropäischen Botschaften und ihrem Personal nicht (vgl. das noch nicht in Kraft getretene UN-Übereinkommen zur Staatenimmunität vom 2. Dezember 2004 - Resolution 59/38 - Art. 11; vgl. auch das hier nicht anwendbare Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität vom 16. Mai 1972 - Art. 5, BGBl. II 1990, 34 - EuStImm). Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegen arbeitsrechtliche Bestandsstreitigkeiten zwischen Botschaftsangestellten und dem betreffendem Staat der deutschen Gerichtsbarkeit nicht, wenn der Arbeitnehmer für den anderen Staat hoheitlich tätig war (23. November 2000 - 2 AZR 490/99 - AP GVG § 20 Nr. 2 = EzA GVG § 20 Nr. 3). Es kommt dabei nicht auf die rechtliche Form der Rechtsbeziehung (privatrechtlicher Vertrag oder öffentlich-rechtliches Verhältnis), sondern auf den Inhalt der ausgeübten Tätigkeit an. So ist etwa die Tätigkeit eines Aufzugsmonteurs (Senat 20. November 1997 - 2 AZR 631/96 - zu II 1 der Gründe, BAGE 87, 144, 149) oder Haustechnikers (BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu A I 2 der Gründe, BAGE 113, 327, 331) nicht hoheitlich. Betrifft die geschuldete Leistung dagegen eine originär hoheitliche Aufgabe, ist Immunität gegeben (Senat 16. Mai 2002 - 2 AZR 688/00 - zu II 2 c der Gründe, AP GVG § 20 Nr. 3),zB bei Angestellten zur Visa-Bearbeitung (Senat 16. Mai 2002 - 2 AZR 688/00 - zu II 2 a aa der Gründe, aaO) oder bei einem Pressereferenten (Senat 23. November 2000 - 2 AZR 490/99 - zu II 3 c der Gründe, aaO). Entscheidend ist der funktionale Zusammenhang zwischen den diplomatischen Aufgaben und der zu beurteilenden Tätigkeit (vgl. Kissel/Mayer GVG 5. Aufl. § 20 Rn. 5).

14

2. Diesen Grundsätzen trägt die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe keine hoheitliche Tätigkeit ausgeübt und deshalb genieße die Beklagte im Streitfall keine Immunität, nicht ausreichend Rechnung. Das Landesarbeitsgericht hat erheblichen Tatsachenvortrag der Beklagten außer Acht gelassen. Sein Urteil war deshalb aufzuheben.

15

a) Im Ansatz zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, dass die Tätigkeit eines Fahrers, der nicht in den diplomatischen Funktionszusammenhang eingebunden ist, keine hoheitliche Tätigkeit darstellt (vgl. BAG 30. Oktober 2007 - 3 AZB 17/07 - Rn. 22, IPRspr. 2007, 498, 501 f.).

16

b) Indes hat das Landesarbeitsgericht den unter Zeugenbeweis gestellten Vortrag der Beklagten, der Kläger sei nicht nur als Fahrer, sondern auch als Dolmetscher eingesetzt worden, zu Unrecht außer Acht gelassen. Trifft die entsprechende Behauptung in einem nennenswerten Umfang zu, so kann der Tätigkeit des Klägers eine andere Funktionalität zukommen als die einer reinen Hilfstätigkeit nichthoheitlicher Prägung.

17

c) Die Aufgaben einer diplomatischen Mission umfassen nach Art. 3 des Wiener Übereinkommens vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen (BGBl. II 1964, 957 ff.) die vielfältige Pflege politischer, kultureller, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Beziehungen. Dass hierbei ebenso offizielle wie auch informelle Gespräche die wichtigste Rolle spielen, liegt auf der Hand. Wenn dem Kläger aufgrund seiner Herkunft und seiner Sprachkenntnisse aufgegeben war, seine Tätigkeit als Chauffeur mit der des Dolmetschers zu verbinden, indem er zur Anbahnung und Pflege derartiger Gesprächskontakte in nennenswertem Umfang beitrug, so kann dies zu der Beurteilung führen, dass seine Tätigkeit in einem funktionellen Zusammenhang mit den diplomatischen Zielen der Botschaft stand. Auch die Beförderung von vertraulicher Post und der gelegentliche Einsatz als Fahrer des Botschafters könnten dann in einem anderen Licht erscheinen.

18

d) Der Beweisantritt der Beklagten durfte nicht als Ausforschungsbeweis unbeachtet bleiben.

19

aa) Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen (vgl. BVerfG 10. Februar 2009 - 1 BvR 1232/07 - Rn. 26, NJW 2009, 1585; BGH 25. April 1995 - VI ZR 178/94 - AP ZPO § 286 Nr. 23; 4. März 1991 - II ZR 90/90 - EzA GG Art. 9 Nr. 51 mwN). Unerheblich ist dabei, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht (BGH 9. Februar 2009 - II ZR 77/08 - Rn. 4 mwN, NJW 2009, 2137). Es ist dann Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls Zeugen nach weiteren Einzelheiten zu befragen (BGH 21. Mai 2007 - II ZR 266/04 - Rn. 8, NJW-RR 2007, 1409; 2. April 2009 - I ZR 16/07 - TranspR 2009, 410).

20

bb) Legt man diesen Maßstab zugrunde, hätte der Beweisantritt der Beklagten nur dann unbeachtet bleiben dürfen, wenn ihre Behauptung als gänzlich substanzlos, willkürlich, aus der Luft gegriffen oder ins Blaue hinein aufgestellt erschiene. Davon kann nicht die Rede sein. Es trifft zwar zu, dass die Beklagte ihrer Behauptung, der Kläger sei als Dolmetscher eingesetzt worden, weder zeitlich noch räumlich genauere Konturen verliehen hat. Indes hätte das Landesarbeitsgericht der Beklagten, wenn ihm deren Vortrag nicht hinreichend konkret erschien, einen Hinweis nach § 139 ZPO erteilen müssen. Dabei hätte es beachten müssen, dass die Staatenimmunität nicht auf prozessrechtlichem Wege eine Entwertung erfahren darf: Der Schutz der Staatenimmunität soll verhindern, dass ein Staat über den anderen im Kernbereich der staatlichen Souveränität zu Gericht sitzt (par in parem non habet imperium). Die Anforderungen an die Substantiierungslast im Prozess dürfen nicht dazu führen, dass der Staat, der sich auf Immunität beruft, auf prozessrechtlichem Wege zur Aufgabe des ihm eingeräumten Vorrechts gezwungen wird, indem er nun Einzelheiten über die vom Kläger möglicherweise entfaltete Dolmetschertätigkeit, zB Namen von Personen, Gesprächsinhalte usf. preisgeben müsste.

21

II. Sollte das Landesarbeitsgericht nach einer Beweisaufnahme zu dem Ergebnis kommen, die Beklagte sei nach den Grundsätzen der Staatenimmunität nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit ausgenommen, wird es auch die Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte und, falls es diese bejaht, die Anwendbarkeit deutschen oder algerischen Rechts erneut prüfen müssen.

22

1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte kann, wovon auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist, nach Art. 19 Nr. 1, Art. 18 Abs. 2 der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - Verordnung Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 (EuGVVO - ABl. EG L 12 vom 16. Januar 2001 S. 1, ber. ABl. EG L 307 vom 24. November 2001 S. 28) begründet sein.

23

a) Die EuGVVO ist seit ihrem Inkrafttreten am 1. März 2002 in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der EU. Die Verordnung geht nationalem Recht im Rang vor. Soweit ihr nationale Bestimmungen widersprechen, werden sie durch die EuGVVO verdrängt (BAG 24. September 2009 - 8 AZR 306/08 - AP EuGVVO Art. 18 Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Verordnung 44/2001 Nr. 4 mwN; vgl. Schack Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 218, 326).

24

b) Sind - wofür Vieles sprechen wird - die Vorschriften der Art. 18 ff. EuGVVO anwendbar, so wird zu beachten sein, dass nach Art. 18 Abs. 2 EuGVVO ein Arbeitgeber, mit dem der Arbeitnehmer einen individuellen Arbeitsvertrag geschlossen hat und der im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats keinen Wohnsitz hat(Arbeitgeber mit Wohnsitz in einem Drittstaat), so behandelt wird, als habe er einen Wohnsitz, vorausgesetzt, er unterhält in einem Mitgliedstaat eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung.

25

c) Die vom Landesarbeitsgericht bejahte Frage, ob als sonstige Niederlassung iSd. Art. 18 Abs. 2 EuGVVO auch die Botschaft eines Drittstaates angesehen werden kann, ist bisher von dem zur Auslegung der EuGVVO vorrangig zuständigen Gerichtshof der Europäischen Union nicht entschieden. Ob den Entscheidungen des Gerichtshofs in anderen Zusammenhängen ohne Weiteres mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnommen werden kann, die Botschaft der Beklagten sei als „sonstige Niederlassung“ anzusehen, erscheint zweifelhaft. Dagegen mag immerhin Artikel 7 EuStImm sprechen. Die Norm sieht vor, dass eine „andere Niederlassung“ die Staatenimmunität nur dann aufhebt, wenn der betreffende Staat von dieser anderen Niederlassung aus „auf die gleiche Weise wie eine Privatperson eine gewerbliche, kaufmännische oder finanzielle Tätigkeit ausübt“. Jedenfalls ist, soweit es die Auslegung von Art. 18 EuGVVO betrifft, Art. 267 AEUV zu beachten.

26

2. Außerhalb des Geltungsbereichs der EuGVVO richtet sich die internationale Zuständigkeit nach den Regeln über die örtliche Zuständigkeit. Da die Beklagte keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, kann die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung der Zuständigkeit der algerischen Gerichte nach § 38 Abs. 2 ZPO wirksam sein.

27

3. Sollte es auf die Frage ankommen, ob auf den Streitfall deutsches oder algerisches Recht anzuwenden ist, wird das Landesarbeitsgericht die folgenden Erwägungen beachten müssen.

28

a) Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Voraussetzungen einer stillschweigenden (konkludenten) Rechtswahl bestimmen sich nicht nach dem gewählten Recht. Vielmehr bestimmt Art. 27 Abs. 1 EGBGB selbst, unter welchen Voraussetzungen von einer stillschweigenden Rechtswahl auszugehen ist(BAG 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - BAGE 125, 24 mwN). Obgleich es keinen abschließenden Katalog einschlägiger Indizien gibt, sind bei Schuldverträgen aus Gerichtsstandsklauseln, Schiedsklauseln, vertraglichen Bezugnahmen auf ein bestimmtes Recht sowie aus der Vereinbarung eines für beide Parteien gemeinsamen Erfüllungsorts typische Hinweise auf eine stillschweigende Rechtswahl zu entnehmen. Bei Arbeitsverträgen stellt die Bezugnahme auf Tarifverträge und sonstige Regelungen am Sitz des Arbeitgebers ein gewichtiges Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl dar (vgl. BAG 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - aaO; 12. Dezember 2001 - 5 AZR 255/00 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 100, 130; 26. Juli 1995 - 5 AZR 216/94 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 157 Nr. 7 = EzA BGB § 133 Nr. 19).

29

b) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Parteien keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen haben. Bei seiner weiteren Würdigung, es liege auch keine stillschweigende Wahl algerischen Rechts vor, hat es jedoch nicht alle wesentlichen Umstände ausreichend in Betracht gezogen. In Ziff. VI des Arbeitsvertrags haben die Parteien die Zuständigkeit der algerischen Gerichtsbarkeit vereinbart. Dies kann ein gewichtiger Hinweis darauf sein, dass auch das materielle Recht Algeriens angewendet werden sollte. Im Allgemeinen dürfte dem Willen der Vertragsparteien eine Rechtswahl fernliegen, nach der ein ausländisches Gericht materielles deutsches Recht anwenden soll. Das materielle Recht und das Prozessrecht stehen regelmäßig in einer engen Wechselwirkung, was im Fall des deutschen Arbeitsrechts ganz besonders greifbar ist. Außerdem dürfte die Sicherheit in der Anwendung des materiellen Rechts eines ausländischen Staates bei den Gerichten geringer sein als bei der Anwendung des jeweiligen eigenen, innerstaatlichen Rechts. Nimmt man im Streitfall die Vertragssprache, die Herkunft des Klägers und dessen Tätigkeit im öffentlichen Dienst der Beklagten hinzu, so sprechen gewichtige Anhaltspunkte für eine stillschweigend getroffene Wahl algerischen Rechts. Gegebenenfalls muss das Landesarbeitsgericht darauf hinwirken, dass die Parteien zur Vertragspraxis Vortrag halten. Dass die Erfüllung der beiderseitigen Vertragspflichten nur in Deutschland möglich war und die Bezahlung in Euro erfolgte, liegt in der Natur der Sache und dürfte wenig Aussagekraft für die Rechtswahl haben. Der Umstand, dass der Kläger der deutschen Sozialversicherung unterlag und die Steuerschuld in Deutschland anfiel, betrifft nicht den arbeitsrechtlichen Kern des vertraglichen Pflichtengefüges.

30

c) Haben die Parteien algerisches Recht vereinbart, so ist noch zu prüfen, ob diese Rechtswahl den in Art. 30 EGBGB niedergelegten Anforderungen entspricht. Hier wird ggfs. in Betracht zu ziehen sein, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht engere Verbindungen zum algerischen Staat als zu Deutschland aufweist (Art. 30 Abs. 2 EGBGB).

31

d) Die Anwendung deutschen Kündigungsrechts ergibt sich jedenfalls nicht aus Art. 34 EGBGB. Die Vorschriften der §§ 1 - 14 KSchG stellen keine „Eingriffsnormen“ iSd. Art. 34 EGBGB dar. Nach Art. 9 Abs. 1 Rom-I-VO, die zwar auf den Streitfall noch nicht anwendbar ist, aber zur Orientierung insoweit herangezogen werden kann, sind „Eingriffsnormen“ zwingende Vorschriften, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation angesehen wird, dass sie auf alle in Betracht kommenden Sachverhalte angewendet werden müssen. Hierher gehören im Arbeitsrecht etwa die Beschäftigungsverbote für werdende Mütter, die Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung uÄ. Es muss sich um Regelungen handeln, die nicht nur zwingendes Recht darstellen, sondern darüber hinaus in besonderer Weise das allgemeine Wohl betreffen; häufig werden es Regeln sein, über deren Einhaltung staatliche Stellen wachen. Diese Voraussetzungen liegen bei den Vorschriften des allgemeinen Kündigungsschutzes nicht vor. Sie dienen nach dem individualrechtlichen Konzept des deutschen Kündigungsschutzrechts in erster Linie dem Ausgleich eines Konflikts zwischen Privatleuten und nur mittelbar sozialpolitischen Zwecksetzungen (Senat 24. August 1989 - 2 AZR 3/89 - BAGE 63, 17; ErfK/Schlachter 10. Aufl. Art. 27 - 34 EGBGB Rn. 16; Palandt/Thorn BGB 68. Aufl. Art. 34 EGBGB Rn. 3b; Junker in jurisPK/BGB 4. Aufl. Art. 34 EGBGB Rn. 35; HWK/Tillmanns 4. Aufl. Art. 3, 8, 9 ROM-I-VO Rn. 33 ff.; Deinert RdA 2009, 144).

        

    Kreft    

        

    Eylert    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Gans    

        

    Nielebock    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Juli 2013 - 17 Sa 2620/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und Ansprüche aus Annahmeverzug.

2

Der Kläger ist algerischer Herkunft. Er besitzt die algerische und die deutsche Staatsangehörigkeit. Er beherrscht neben der deutschen die arabische und die französische Sprache und wohnt in Berlin. Die Beklagte ist die Demokratische Volksrepublik Algerien. Sie beschäftigt in ihrer Berliner Botschaft regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer, darunter den Kläger. Dieser ist dort seit September 2002 auf der Grundlage eines in französischer Sprache verfassten Arbeitsvertrags als einer von drei Kraftfahrern tätig. Ihm obliegt es, Gäste und Mitarbeiter zu fahren sowie Post der Botschaft zu befördern. Diplomatenpost wird von einem weiteren Mitarbeiter der Botschaft entgegengenommen und weitergeleitet. Der Arbeitsvertrag sieht für Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten die Zuständigkeit der algerischen Gerichte vor und weist den Kläger der deutschen Sozialversicherung zu. Seine Steuern führt der Kläger in Deutschland ab.

3

Mit Schreiben vom 24. Mai 2006 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass er in diesem Jahr an 37 Tagen krankheitsbedingt gefehlt habe. Sie erteilte ihm am 13. Juli 2006 eine Abmahnung wegen respektlosen Verhaltens gegenüber dem Botschafter. Am 30. März und 20. Juli 2007 mahnte sie ihn wegen erneuter krankheitsbedingter Fehlzeiten und am 31. Mai 2007 wegen verspäteten Abholens eines Diplomaten ab. Mit Schreiben vom 29. August 2007 kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2007.

4

Mit seiner am 9. September 2007 beim Arbeitsgericht eingereichten und der Beklagten am 8. Februar 2008 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt. Er hat gemeint, die deutsche Gerichtsbarkeit sei gegeben. Als Kraftfahrer sei er nicht hoheitlich tätig geworden. Die deutschen Gerichte seien auch international zuständig. Die anderslautende arbeitsvertragliche Vereinbarung stehe dem nicht entgegen. Materiell finde deutsches Recht Anwendung. Danach sei die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt. Ihm stehe überdies Vergütung aus Annahmeverzug für die Monate November 2007 bis Juli 2012 abzüglich von der Agentur für Arbeit erhaltener Leistungen zu.

5

Er hat - soweit für die Revision noch von Belang - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 29. August 2007 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.459,56 Euro brutto abzüglich 10.781,40 Euro netto und weitere 78.197,22 Euro brutto zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Klage für unzulässig gehalten. Die deutsche Gerichtsbarkeit sei nicht gegeben. Die Tätigkeit des Klägers sei hoheitlicher Natur gewesen. Sie habe ihn aufgrund seiner Kenntnisse der arabischen, französischen und deutschen Sprache bei Besuchen von offiziellen Delegationen aus der Heimat als Fahrer eingesetzt. Da die Delegationen nicht über einen eigenen Dolmetscher verfügt hätten, habe der Kläger diese Funktion übernehmen müssen. Überdies habe er vertretungsweise auch den Botschafter befördert. International seien aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung die algerischen Gerichte zuständig. Materiell finde das algerische Arbeitsrecht Anwendung. Dieses sehe bei einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst eine Wiedereinstellung selbst nach erfolgloser Kündigung nicht vor. Der Kläger könne deshalb auch keine Vergütung aus Annahmeverzug fordern.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist unbegründet.

9

A. Die Revision ist entgegen der Ansicht des Klägers zulässig.

10

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den vermeintlichen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Sie muss dazu eine Auseinandersetzung mit den tragenden Argumenten des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 120/12 - Rn. 17; 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - Rn. 12). Bei mehreren Streitgegenständen muss im Fall einer unbeschränkt eingelegten Revision für jeden von ihnen eine solche Begründung gegeben werden. Dies ist nur dann nicht erforderlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt. In diesem Fall ist mit der Begründung der Revision gegen die Entscheidung über den einen Streitgegenstand zugleich dargelegt, dass auch die Entscheidung über den anderen unrichtig ist (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 474/12 - Rn. 15; 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - aaO).

11

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Die Beklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts.

12

1. Bezogen auf die Entscheidung über den Feststellungsantrag macht sie geltend, das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht deutsches Kündigungsschutzrecht angewandt. Es habe die engere Verbindung des Arbeitsverhältnisses zum algerischen Staat verkannt. Nach algerischem Recht sei das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung aufgelöst. Mit dieser Rüge hat die Beklagte die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung in ausreichender Weise in Frage gestellt.

13

2. Es kann dahinstehen, ob sich die Beklagte auch mit den Gründen der Entscheidung über die Zahlungsanträge hinreichend auseinandergesetzt hat. Die Entscheidung über die Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug hängt von der Entscheidung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. Erwiese sich diese als unrichtig, wäre also die Kündigung wirksam, wäre damit zugleich die Entscheidung über die Zahlungsansprüche hinfällig.

14

B. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht für zulässig und begründet gehalten.

15

I. Die Klage ist zulässig.

16

1. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist gegeben.

17

a) Nach § 20 Abs. 2 GVG iVm. dem Allgemeinen Völkergewohnheitsrecht als Bestandteil des Bundesrechts (Art. 25 GG) sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten insoweit nicht unterworfen, wie ihre hoheitliche Tätigkeit von einem Rechtsstreit betroffen ist. Es ist mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus abgeleiteten Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht zu vereinbaren, dass ein deutsches Gericht hoheitliches Handeln eines anderen Staates rechtlich überprüft (vgl. BVerfG 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 - Rn. 20; 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03 - Rn. 34, BVerfGE 117, 141; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 - Rn. 13; 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 - Rn. 14).

18

aa) Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nach dem rechtlichen Charakter des konkreten staatlichen Handelns oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt oder wie eine Privatperson tätig geworden ist. Geht es - wie hier - um eine Streitigkeit aus einem Arbeitsverhältnis, ist maßgebend, ob die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben ihrer Art nach hoheitlich oder nicht-hoheitlich sind. Entscheidend sind der Inhalt der ausgeübten Tätigkeit (BAG 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 - Rn. 14; 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 - Rn. 16 mwN) sowie ihr - bestehender oder nicht bestehender - Zusammenhang mit den diplomatischen und konsularischen Aufgaben (vgl. BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 13).

19

bb) Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist diese Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht am Sitz des entscheidenden Gerichts vorzunehmen (BVerfG 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 - Rn. 22; 12. April 1983 - 2 BvR 678/81 ua. - Rn. 139, BVerfGE 64, 1). Ungeachtet seiner ist stets hoheitlich nur das staatliche Handeln, das dem Kernbereich der Staatsgewalt zuzurechnen ist. Zu ihm gehören die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege (BVerfG 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 - aaO; 13. Dezember 1977 - 2 BvM 1/76 - Rn. 121, BVerfGE 46, 342; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 - Rn. 15; 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 - Rn. 15).

20

b) Danach ist die Beklagte im Streitfall nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Der Kläger nimmt keine hoheitlichen Aufgaben wahr.

21

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts oblag es dem Kläger, Gäste und Mitarbeiter der Botschaft zu fahren. Er hatte ferner Post zu befördern. Diplomatenpost wurde hingegen nicht von ihm, sondern von einem anderen Mitarbeiter übermittelt. Zugunsten der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht unterstellt, der Kläger sei bei Besuchen offizieller Delegationen aus Algerien als Fahrer eingesetzt worden und habe dabei Dolmetscheraufgaben übernehmen müssen.

22

bb) Auf dieser Grundlage hat das Landesarbeitsgericht mit Recht angenommen, die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten wiesen keinen funktionellen Zusammenhang mit den diplomatischen und konsularischen Aufgaben der Botschaft auf. Der Transport von Personen und Post hat nicht den erforderlichen Bezug zum hoheitlichen Bereich. Der Kläger fuhr Delegationen, in der Regel dagegen nicht den Botschafter. Diplomatenpost hat er nicht befördert. Der als richtig unterstellte Vortrag der Beklagten weist keine Anhaltspunkte dafür auf, dass die Dolmetschertätigkeit des Klägers über die Beseitigung allgemeiner Verständigungsprobleme hinausging und etwa in Zusammenhang mit der Pflege politischer, kultureller, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Beziehungen stand, oder doch zumindest der Anbahnung solcher Gesprächskontakte diente. Überdies ist nicht zu erkennen, dass der Kläger die behaupteten Dolmetschertätigkeiten in einem nennenswerten, über vereinzelte Gelegenheiten hinausgehenden Umfang wahrgenommen hätte. Dass die Tätigkeit des Klägers gleichwohl das Vertrauen der Beklagten in seine Zuverlässigkeit und Verschwiegenheit voraussetzt, begründet nicht die hoheitliche Natur seiner Aufgaben.

23

2. Die deutschen Gerichte sind international zuständig.

24

a) Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Nach Art. 19 Nr. 1 EuGVVO kann ein Arbeitgeber vom Arbeitnehmer vor den Gerichten des Mitgliedstaats verklagt werden, in dem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat. Gesellschaften und juristische Personen haben ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet (Art. 60 Abs. 1 EuGVVO). Hat der Arbeitgeber im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats keinen Wohnsitz, besitzt er aber in einem Mitgliedstaat etwa eine Niederlassung, so wird er für Streitigkeiten aus ihrem Betrieb so behandelt, wie wenn er seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats hätte (Art. 18 Abs. 2 EuGVVO). Streiten die Parteien eines Rechtsstreits über einen Arbeitsvertrag, den die Botschaft im Namen des Entsendestaats geschlossen hat, handelt es sich bei der Botschaft um eine „Niederlassung“ iSv. Art. 18 Abs. 2 EuGVVO, wenn die vom Arbeitnehmer verrichteten Aufgaben nicht unter die Ausübung hoheitlicher Befugnisse fallen (EuGH 19. Juli 2012 - C-154/11 - [Mahamdia]).

25

b) Danach sind im Streitfall die deutschen Gerichte zuständig. Die Botschaft der Beklagten in Berlin ist eine Niederlassung iSv. Art. 18 Abs. 2 EuGVVO. Die Parteien streiten über den Bestand eines zwischen dem Kläger und der Botschaft geschlossenen Arbeitsverhältnisses und über sich daraus ergebende Ansprüche. Der Kläger nimmt keine hoheitlichen Aufgaben wahr.

26

3. Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist durch die Parteien vertraglich nicht wirksam abbedungen worden. Ihre Gerichtsstandsvereinbarung ist gemäß Art. 23 Abs. 5 EuGVVO unwirksam.

27

a) Eine Gerichtsstandsvereinbarung läuft iSv. Art. 23 Abs. 5 EuGVVO den Regelungen in Art. 21 EuGVVO zuwider, wenn sie von Vorschriften des 5. Abschnitts der EuGVVO abweicht und nicht nach Entstehung des Rechtsstreits getroffen worden ist (Art. 21 Nr. 1 EuGVVO) oder nicht die Befugnis einräumt, andere als im 5. Abschnitt angeführte Gerichte anzurufen (Art. 21 Nr. 2 EuGVVO). Diese Befugnis ist dahin zu verstehen, dass sie Gerichtsstände begründen muss, die zu den in Art. 18 und Art. 19 der EuGVVO vorgesehenen Gerichtsständen noch hinzukommen. Eine vor Entstehung der Streitigkeit getroffene Gerichtsstandsvereinbarung darf für einen Arbeitnehmer nicht den Ausschluss der in der EuGVVO vorgesehenen Gerichtsstände bewirken, sondern kann lediglich die Befugnis begründen oder erweitern, unter mehreren zuständigen Gerichten zu wählen (EuGH 19. Juli 2012 - C-154/11 - [Mahamdia] Rn. 62; BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 481/11 - Rn. 32).

28

b) Die Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien wurde vor Entstehung der Streitigkeit getroffen und weicht von den Vorschriften des 5. Abschnitts der EuGVVO ab. Die Zuständigkeit der algerischen Gerichte konnte deshalb allenfalls zusätzlich zu der der deutschen Gerichte vereinbart werden. Eine Derogation von deren sich aus Art. 18, Art. 19 EuGVVO ergebenden Zuständigkeit war nicht wirksam möglich.

29

II. Die Klage ist begründet.

30

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 29. August 2007 nicht aufgelöst worden.

31

a) Die Wirksamkeit der Kündigung ist nach deutschem materiellen Recht zu beurteilen.

32

aa) Die Bestimmung des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren materiellen Rechts richtet sich nach Art. 27 ff. EGBGB (aF). Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) findet gemäß ihrem Art. 28 auf den Streitfall noch keine Anwendung. Der Arbeitsvertrag der Parteien wurde vor dem 17. Dezember 2009 geschlossen.

33

bb) Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB (aF) unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich mittelbar aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falls ergeben. Bei Arbeitsverträgen können etwa Gerichtsstandsklauseln, vertragliche Bezugnahmen auf ein bestimmtes Recht oder die Vereinbarung eines für beide Parteien gemeinsamen Erfüllungsorts Hinweise auf die getroffene Wahl geben (vgl. BAG 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 - Rn. 25; 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 28).

34

cc) Gemäß Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) darf die Rechtswahl der Parteien bei Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des gemäß Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 EGBGB (aF) ohne Rechtswahl anwendbaren Rechts gewährt wird. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass dem Arbeitnehmer als der typischerweise sozial und wirtschaftlich schwächeren Partei durch die Rechtswahl nicht der Mindestschutz „seines“ Rechts entzogen wird (BT-Drs. 10/504 S. 81). Diese Anwendung zwingender Bestimmungen setzt voraus, dass sie zu günstigeren Ergebnissen führt als das gewählte Recht (BAG 29. Oktober 1992 - 2 AZR 267/92 - zu III 2 c der Gründe, BAGE 71, 297; 24. August 1989 - 2 AZR 3/89 - zu A II 3 a bb der Gründe, BAGE 63, 17). Dafür ist ein Günstigkeitsvergleich durchzuführen. Die zwingenden Bestimmungen des nach Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 EGBGB (aF) maßgebenden Rechts sind den entsprechenden Regelungen der gewählten Rechtsordnung gegenüberzustellen (BAG 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - Rn. 52, BAGE 125, 24). Bieten letztere keinen vergleichbaren Schutz, sind die nach Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 EGBGB (aF) einschlägigen Vorschriften anzuwenden. Etwas anderes gilt gemäß Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB (aF) nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis nach der Gesamtheit der Umstände engere Verbindungen „zu einem anderen Staat“ aufweist.

35

dd) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, zwar hätten die Parteien im Streitfall konkludent die Anwendung algerischen Rechts vereinbart, die Wirksamkeit der Kündigung sei jedoch an den Bestimmungen des deutschen Kündigungsschutzgesetzes zu messen. Die Anwendbarkeit des deutschen Rechts folgt aus Art. 30 Abs. 1, Abs. 2 EGBGB (aF). Das algerische Recht enthält keine dem deutschen Kündigungsrecht gleichwertigen Schutzvorschriften. Das Arbeitsverhältnis weist auch keine engeren Verbindungen zur Beklagten auf.

36

(1) Das Landesarbeitsgericht durfte von einer stillschweigenden Wahl des algerischen Rechts ausgehen. Schon die Vereinbarung, es sollten die algerischen Gerichte für die Beilegung von Streitigkeiten zuständig sein, ist ein gewichtiger Hinweis darauf, dass die Parteien auch algerisches Recht zur Anwendung bringen wollten. Es ist nicht anzunehmen, dass sie gewollt haben, die algerischen Gerichte sollten nach deutschem materiellen Recht entscheiden. Damit hätten sie sich um den Vorteil einer mit dem anzuwendenden Recht in jeder Hinsicht vertrauten Gerichtsbarkeit gebracht. Hinzu kommt, dass Vertragssprache das Französische ist und der Kläger im öffentlichen Dienst der Beklagten beschäftigt wurde (vgl. BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 29). Demgegenüber kommt dem Arbeitsort in Deutschland und der Vergütung in Euro für die Rechtswahl wenig Bedeutung zu. Das gleiche gilt für den Umstand, dass der Kläger der deutschen Sozialversicherung unterlag und die Steuerschuld in Deutschland anfiel. Dies betrifft nicht den arbeitsrechtlichen Kern des vertraglichen Pflichtengefüges (BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - aaO).

37

(2) Trotz der von den Parteien getroffenen Wahl des algerischen Rechts ist die Wirksamkeit der Kündigung nach dem deutschen Kündigungsschutzgesetz zu beurteilen.

38

(a) Die Vorschriften der §§ 1 bis 14 KSchG sind nicht schon wegen Art. 34 EGBGB (aF) anzuwenden. Sie stellen keine „Eingriffsnormen“ im Sinne dieser Bestimmung dar (BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 31; 24. August 1989 - 2 AZR 3/89 - zu A II 6 c der Gründe, BAGE 63, 17).

39

(b) Die Anwendbarkeit der §§ 1 bis 14 KSchG folgt aus Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF). Sie sind „zwingende Bestimmungen“ im Sinne der Regelung. „Zwingende Bestimmungen“ sind solche, die vertraglich nicht abbedungen werden können und dem Schutz des Arbeitnehmers dienen (Staudinger/Magnus Art. 30 EGBGB Rn. 72; Schlachter NZA 2000, 57, 60). Das trifft auf die §§ 1 bis 14 KSchG zu(vgl. BAG 24. August 1989 - 2 AZR 3/89 - zu A II 3 a aa der Gründe, BAGE 63, 17; Staudinger/Magnus Art. 30 EGBGB Rn. 79).

40

(c) Die Vorschriften der §§ 1 bis 14 KSchG wären auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar, wenn diese eine Rechtswahl nicht getroffen hätten. Ohne Rechtswahl unterliegen Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse nach Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 Nr. 1 EGBGB (aF) dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Der Erfüllungsort liegt im Streitfall in Deutschland. Dies gilt auch, soweit der Kläger seine Arbeitsleistung auf dem Botschaftsgelände erbringt. Das Botschaftsgelände eines ausländischen Staates als solches ist nicht exterritorial (BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 113, 327; 10. Mai 1962 - 2 AZR 397/61 - zu II der Gründe, BAGE 13, 121).

41

(d) Das deutsche Recht als Regelstatut wird im Streitfall nicht gemäß Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB (aF) verdrängt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien weist keine engeren Verbindungen zu Algerien als zu Deutschland auf. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

42

(aa) Es kann dahinstehen, ob der Begriff der „engeren Verbindungen“ revisionsrechtlich in vollem Umfang oder nur eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 627/02 - zu II 3 d der Gründe; 29. Oktober 1992 - 2 AZR 267/92 - zu III 4 c cc der Gründe, BAGE 71, 297). Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts hält auch einer uneingeschränkten Überprüfung stand.

43

(bb) Für die Beantwortung der Frage, ob „engere Verbindungen“ zu einem anderen Staat im Sinne der Ausnahmeregelung vorliegen, ist nach dem Gesetzeswortlaut auf die „Gesamtheit der Umstände“ abzustellen. Dabei ist nicht allein die Anzahl der für eine Verbindung zu dem einen oder dem anderen Staat sprechenden Kriterien maßgebend. Es ist vielmehr eine Gewichtung der Anknüpfungsmomente vorzunehmen. Wesentliches Kriterium ist in diesem Zusammenhang der Ort, an welchem der Arbeitnehmer seine Steuern und Abgaben entrichtet und der Sozialversicherung angeschlossen ist (vgl. zu Art. 6 Abs. 2 EVÜ, welcher der Vorschrift des Art. 30 EGBGB (aF) zugrunde liegt: EuGH 12. September 2013 - C-64/12 - [Schlecker] Rn. 41). Daneben sind der Arbeitsort, der Sitz des Arbeitgebers, die Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien, der Wohnsitz des Arbeitnehmers ua. zu berücksichtigen (vgl. BAG 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - Rn. 50, BAGE 125, 24; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 627/02 - zu II 3 c der Gründe). Vertragsimmanente Gesichtspunkte wie die Vertragssprache, die Währung, in der die Vergütung gezahlt wird, oder die Bezugnahme auf Rechtsvorschriften eines bestimmten Staates haben nachrangige Bedeutung. Andernfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, das vom Gesetzgeber vorgesehene Günstigkeitsprinzip durch die Vertragsgestaltung und entsprechende Abreden zu unterlaufen. Eine solche Disposition über den zwingenden Arbeitnehmerschutz soll Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) gerade verhindern(Thüsing BB 2003, 898, 900). In seinem Rahmen kommt es auf davon unabhängige, objektive Umstände an (BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 627/02 - aaO; Thüsing aaO). Sollen die Einzelumstände auf die engere Verbindung zu einem anderen Staat verweisen, müssen sie insgesamt das Gewicht der Regelanknüpfung deutlich übersteigen (vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 627/02 - aaO; 29. Oktober 1992 - 2 AZR 267/92 - zu III 4 c aa der Gründe, BAGE 71, 297).

44

(cc) Danach begegnet die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis der Parteien weise keine engere Verbindung zu Algerien als zu Deutschland auf, keinen rechtlichen Bedenken. Die vorrangig zu berücksichtigenden Kriterien bestärken die Regelanknüpfung an das deutsche Recht. Die Parteien haben den Arbeitsvertrag in Deutschland geschlossen. Der Kläger hat seinen Wohnsitz in Berlin und erbrachte die vertraglich geschuldete Tätigkeit ausschließlich in Deutschland. Seine Vergütung wurde in Euro gezahlt. Er unterlag dem deutschen Sozialversicherungsrecht und führte seine Steuern in Deutschland ab. Neben der algerischen besitzt er auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Zwar ergibt sich aus seiner Herkunft sowie aus dem Umstand, dass er im öffentlichen Dienst der Botschaft der Beklagten beschäftigt und der Arbeitsvertrag in französischer Sprache verfasst wurde, eine Verbindung auch zum algerischen Staat. Diese Gesichtspunkte überwiegen aber die für die Verbindung mit Deutschland sprechenden und der Regelanknüpfung zugrunde liegenden Aspekte nicht.

45

(e) Die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes gewährleisten einen weitergehenden Schutz gegen die Beendigung von Arbeitsverhältnissen als das algerische Recht.

46

(aa) Die Frage, welche der in Betracht kommenden Rechtsordnungen für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen enthält, ist eine Rechtsfrage, die objektiv und nach dem Maßstab des Gesetzes zu beantworten ist (Schlachter NZA 2000, 57, 61). Dazu ist ein Sachgruppenvergleich vorzunehmen (Staudinger/Magnus Art. 30 EGBGB Rn. 84; MünchKommBGB/Martiny 4. Aufl. Art. 30 EGBGB Rn. 40; Schlachter aaO). Zu vergleichen sind die in einem inneren, sachlichen Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der fraglichen Rechtsordnungen. Die Günstigkeit anhand eines Vergleichs je einzelner Normen zu bestimmen, ist nicht sachgerecht. Dies könnte dazu führen, dass der Arbeitnehmer durch eine Kombination einzelner Vorschriften der jeweiligen Rechtsordnung einen Schutzstandard erlangt, der über demjenigen liegt, den die betroffenen Rechtsordnungen tatsächlich gewähren (Soergel/von Hoffmann 12. Aufl. Art. 30 EGBGB Rn. 32; Thüsing BB 2003, 898, 899; Schlachter aaO; Birk RdA 1989, 201, 206). Eine solche Besserstellung entspricht nicht dem Schutzzweck der Norm. Auch ein abstrakter „Gesamtvergleich“ der Rechtsordnungen ohne Rücksicht auf die zu beurteilende Sachfrage würde dem Sinn und Zweck von Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) nicht gerecht. Dieser besteht darin, dem Arbeitnehmer im Einzelfall den ihm nach dem Regelstatut zustehenden Schutz zu erhalten. Dem Arbeitnehmer wäre nicht gedient, wenn das gewählte Recht zwar „alles in allem“ das günstigere wäre, sich für den konkreten Streitgegenstand aber als unvorteilhafter erwiese (MünchKommBGB/Martiny 4. Aufl. Art. 30 EGBGB Rn. 40).

47

(bb) Ist ein Vergleich des von den jeweiligen Rechtsordnungen gewährleisteten Kündigungsschutzes vorzunehmen, sind die Anforderungen an das Vorliegen eines Kündigungsgrundes, die Kündigungsfrist, die Möglichkeit des Arbeitnehmers, im Falle einer ungerechtfertigten Kündigung den Erhalt seines Arbeitsplatzes und eine Weiterbeschäftigung zu erreichen, sowie mögliche Kompensationen für den Verlust des Arbeitsplatzes in den Blick zu nehmen. Dabei kommt es auf die Ergebnisse einer Anwendung der jeweiligen Rechtsordnung auf den fraglichen Streitgegenstand an (zu Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO: Deinert Internationales Arbeitsrecht § 9 Rn. 59; MünchKommBGB/Martiny 4. Aufl. Art. 30 EGBGB Rn. 40; Markovska RdA 2007, 352, 355). Sieht das Recht eines Staates für verschiedene Gruppen von Arbeitnehmern unterschiedliche Regelungen vor, sind diejenigen Vorschriften mit dem Recht des anderen Staates zu vergleichen, die auf den betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden. Im Streitfall ist danach der Kündigungsschutz eines Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst der Beklagten demjenigen gegenüberzustellen, den ein Arbeitnehmer erfährt, auf dessen Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet.

48

(cc) Der Vergleich ist mit Blick auf die vom Landesarbeitsgericht ermittelten Vorschriften des algerischen Rechts durchzuführen. Zwar handelt es sich bei ihnen nicht um „Tatsachen“, sondern um das anzuwendende (ausländische) Recht. Das Revisionsgericht darf deshalb auch ohne eine formelle Verfahrensrüge weitergehende Ermittlungen anstellen (BAG 10. April 1975 - 2 AZR 128/74 - zu IV 2 der Gründe, BAGE 27, 99; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 2; GK-ArbGG/Mikosch § 73 Rn. 16). Dies ist jedoch nur dann geboten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die Rechtslage nach dem ausländischen Recht anders darstellt, als vom Landesarbeitsgericht vorausgesetzt (BAG 25. April 2013 - 6 AZR 49/12 - Rn. 119; 29. Oktober 1992 - 2 AZR 267/92 - zu VI der Gründe, BAGE 71, 297). Im Streitfall hat die Revision eine unzureichende oder fehlerhafte Feststellung des algerischen Rechts nicht gerügt. Sie ist auch objektiv nicht erkennbar.

49

(dd) Das algerische Recht unterscheidet zwischen den Beamten (fonctionnaires) und den „Vertragsbediensteten“ (agents contractuels). Für die Gruppe der Vertragsbediensteten, zu der der Kläger gehört, gilt das nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auf den Streitfall anzuwendende Präsidentendekret Nr. 07-308 vom 29. September 2007. Gemäß Art. 69 des Dekrets kann das Arbeitsverhältnis durch den Ablauf des Vertrags, die ordnungsgemäße akzeptierte Eigenkündigung des Arbeitnehmers, die fristlose Kündigung, die fristgerechte Entlassung mit Abfindung, die Versetzung in den Ruhestand und den Tod des Bediensteten enden. Im Falle der Vertragspflichtverletzung, einer Verletzung der Disziplin oder eines sonstigen Fehlers kann es zu einer Disziplinarmaßnahme kommen. Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes hat keine Möglichkeit, den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses geltend zu machen. Für ihn ist auch ein gesetzlicher Abfindungsanspruch nicht vorgesehen. Damit gewährleistet das algerische Recht jedenfalls für einen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes keinen Kündigungsschutz, der dem aus §§ 1 bis 14 KSchG folgenden Schutz gleichwertig wäre. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn das algerische Recht für den Verlust des Arbeitsplatzes auch im öffentlichen Dienst die Zahlung einer Abfindung vorsähe - wie dies im privaten Wirtschaftsbereich der Fall ist -, bedarf keiner Entscheidung.

50

b) Die Kündigung vom 29. August 2007 ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG unwirksam.

51

aa) Die Kündigung gilt nicht gemäß § 7 KSchG als rechtswirksam. Der Kläger hat die vorliegende Klage rechtzeitig iSv. § 4 Satz 1 KSchG, § 167 ZPO erhoben.

52

(1) Der Begriff „demnächst“ in § 167 ZPO kennt keine absolute zeitliche Grenze. Ob davon die Rede sein kann, die Zustellung der Klage sei „demnächst“ erfolgt, ist durch eine wertende Betrachtung der entsprechenden Umstände festzustellen (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 248/13 - Rn. 35). Verzögerungen im gerichtlichen Geschäftsbetrieb dürfen nicht zu Lasten des Klägers gehen (BAG 23. August 2012 - 8 AZR 394/11 - Rn. 31, BAGE 143, 50; BGH 11. Februar 2011 - V ZR 136/10 - Rn. 6). Dies gilt auch bei mehrmonatigen Aufschüben (BAG 23. August 2012 - 8 AZR 394/11 - aaO; BGH 11. Februar 2011 - V ZR 136/10 - aaO mwN).

53

(2) Die vom Kläger am 9. September 2007 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage ist der Beklagten über ihren Prozessbevollmächtigten am 8. Februar 2008 zugestellt worden. Dies war trotz der fünfmonatigen Verzögerung noch „demnächst“ iSv. § 167 ZPO. Der Aufschub ist auf die Sachbearbeitung durch das Arbeitsgericht zurückzuführen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hatte im Rahmen der vom Kläger schon zuvor erhobenen Zahlungsklage mit einem Schriftsatz, der am 5. September 2007 bei Gericht einging, angezeigt, dass er die Beklagte vertrete. Gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO hätte die Zustellung an ihn erfolgen können. Dass dies - nach dem abgebrochenen Versuch einer Auslandszustellung - erst mehrere Monate später geschah, ist vom Kläger nicht zu vertreten.

54

bb) Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, sie sei weder durch Gründe im Verhalten noch durch Gründe in der Person des Klägers bedingt. Die Beklagte habe weder substantiiert dargelegt, dass der Kläger seine Pflichten überhaupt verletzt habe, noch habe sie aufgezeigt, dass dies nach dem Zugang einschlägiger Abmahnungen geschehen sei. Soweit sie die Kündigung auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers gestützt habe, fehle es neben der Darlegung der genauen Zeiträume an der Darstellung der sich aus ihnen ergebenden betrieblichen oder wirtschaftlichen Beeinträchtigungen. Die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte ist ihnen nicht entgegengetreten.

55

2. Der Zahlungsanspruch ist berechtigt. Der Kläger hat Anspruch auf seine Vergütung für die Monate November 2007 bis Juli 2012 abzüglich der von der Agentur für Arbeit erbrachten Leistungen. Der Anspruch ergibt sich - auch - aus dem von den Parteien gewählten algerischen Recht.

56

a) Ist der vom Arbeitnehmer geltend gemachte Anspruch bereits nach dem gewählten Recht in vollem Umfang begründet, kann ihm das objektiv geltende Vertragsstatut keine günstigere Position verschaffen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob es sich bei den Regelungen über die Vergütung aus Annahmeverzug nach § 615 BGB um zwingendes Recht iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) handelt.

57

b) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gilt im algerischen Recht zwar der Grundsatz, dass dem Arbeitnehmer ohne Arbeitsleistung kein Entgeltanspruch zusteht. Gemäß Art. 37 des Präsidentendekrets 07-308 hat ein Vertragsbediensteter des algerischen Staates jedoch ein Recht auf Arbeitsbedingungen, die ihm den Erhalt seiner Würde, seiner Gesundheit sowie seiner geistigen und körperlichen Unversehrtheit ermöglichen. Nach den von keiner Partei beanstandeten Ausführungen des Sachverständigen hat der Arbeitnehmer danach ein Recht darauf, in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis auch tatsächlich beschäftigt zu werden. Wird dieser Anspruch vom Arbeitgeber nicht erfüllt, weil er die vom Arbeitnehmer angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt, besteht der Vergütungsanspruch fort.

58

c) Die darauf beruhende Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Zahlungsansprüche des Klägers seien nach algerischem Recht begründet, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

59

aa) Die Anwendung des algerischen Rechts durch das Landesarbeitsgericht kann vom Bundesarbeitsgericht nachgeprüft werden. § 73 ArbGG schließt die Revisibilität ausländischen Rechts nicht aus(BAG 10. April 1975 - 2 AZR 128/74 - zu IV 1 der Gründe, BAGE 27, 99 unter Aufgabe von BAG 20. Juli 1967 - 2 AZR 372/66 -). Dies steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Soweit dieser ausländisches Recht für nicht revisibel hält, beruht dies auf der Auslegung von § 545 Abs. 1 ZPO. Die Vorschrift ist aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte auch in ihrer seit dem 1. September 2009 geltenden Fassung nicht mit § 73 ArbGG vergleichbar(BGH 4. Juli 2013 - V ZB 197/12 - Rn. 23, BGHZ 198, 14).

60

bb) Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis. Dieses ist nach dem insoweit anzuwendenden deutschen Recht nicht wirksam beendet worden. Welche Anforderungen an das Angebot der Arbeitsleistung nach algerischem Recht zu stellen sind, hat das Landesarbeitsgericht zwar nicht abstrakt festgestellt. Es hat aber angenommen, die Zurückweisung der Kündigung mit Schreiben vom 3. September 2007 sei dafür ausreichend gewesen. Mit ihr habe der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht hinzunehmen bereit sei. Es besteht kein Anlass anzunehmen, dass dies im Sinne des algerischen Rechts kein hinreichendes Leistungsangebot sei.

61

cc) Art. 185 der Verordnung 06-03 vom 15. Juli 2006, wonach die Beklagte einen Beamten auch bei Unwirksamkeit der Kündigung nicht weiter beschäftigen darf, steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Ungeachtet der Frage, ob die Vorschrift auf die Arbeitsverhältnisse von Vertragsbediensteten im öffentlichen Dienst entsprechend anwendbar ist, enthält sie keine Regelung zur Entgeltzahlung. Sie untersagt die tatsächliche Beschäftigung nach wirksamer oder unwirksamer Kündigung. Sie ist dem Normenkomplex des Kündigungsrechts zuzuordnen und findet im vorliegenden Zusammenhang keine Anwendung.

62

III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

        

        

    Beckerle    

        

    A. Claes    

                 

(1) Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten.

(2) Im übrigen erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch nicht auf andere als die in Absatz 1 und in den §§ 18 und 19 genannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Januar 2009 - 17 Sa 1719/08 - aufgehoben, soweit es der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. Juli 2008 - 86 Ca 13143/07 - entsprochen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung, über Annahmeverzugslohn und Weiterbeschäftigung. Dabei steht im Vordergrund die Frage, ob die Beklagte Staatenimmunität genießt.

2

Der Kläger ist algerischer Herkunft. Er besitzt die algerische und die deutsche Staatsangehörigkeit, beherrscht neben der deutschen die arabische und die französische Sprache und wohnt in Berlin. Die Beklagte ist die Demokratische Volksrepublik Algerien. Sie beschäftigte den Kläger auf der Grundlage eines in französischer Sprache verfassten Arbeitsvertrags seit September 2002 als Kraftfahrer in ihrer Berliner Botschaft. Der Vertrag sieht für Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten die Zuständigkeit der algerischen Gerichte vor und weist den Kläger der deutschen Sozialversicherung zu.

3

Dem Kläger obliegt es, Gäste und Mitarbeiter - vertretungsweise auch den Botschafter - zu fahren. Ferner hat er die Korrespondenz der Botschaft zu deutschen Stellen oder zur Post zu befördern. Diplomatenpost wird von einem weiteren Mitarbeiter der Botschaft entgegengenommen bzw. weitergeleitet, der seinerseits ua. vom Kläger gefahren wird. Ob der Kläger auch Dolmetscherdienste leistet, ist streitig.

4

Ende August 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2007.

5

Der Kläger hat die Kündigung für sozialwidrig gehalten. Als Kraftfahrer sei er nicht hoheitlich tätig geworden, weshalb die Beklagte auch als ausländischer Staat vor deutschen Gerichten verklagt werden könne. International zuständig seien die deutschen, nicht die algerischen Gerichte. Die anderslautende arbeitsvertragliche Vereinbarung stehe dem nicht entgegen. In der Sache sei der Fall nach deutschem Recht zu beurteilen.

6

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung vom 29. August 2007 aufgelöst worden ist,

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Autofahrer der Berliner Botschaft weiterzubeschäftigen,

        

3.    

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungserklärung vom 29. August 2007 nicht zum 30. September 2007, sondern erst zum 31. Oktober 2007 geendet hat,

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.459,56 Euro brutto abzüglich 10.781,40 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.818,54 Euro brutto abzüglich 770,10 Euro netto seit dem 1. Dezember 2007, 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2008 sowie 1. Januar 2009 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, sie sei nach den Grundsätzen der Staatenimmunität von der deutschen Gerichtsbarkeit ausgenommen, weil der Kläger hoheitliche Aufgaben erfüllt habe. Der Kläger sei in einer Vertrauensstellung beschäftigt worden. Er habe nicht nur vertrauliche Unterlagen befördert, sondern vor allem Kontakt zu den Gästen und Mitarbeitern ihrer Botschaft und damit Kenntnis von botschaftsinternen Vorgängen gehabt, die nicht Gegenstand einer Verhandlung vor deutschen Gerichten sein könnten. Bei sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten habe der Kläger auch den Gästen der Botschaft als Dolmetscher zur Verfügung gestanden. International zuständig seien ausschließlich die algerischen Gerichte. Es sei algerisches Recht anzuwenden. Dafür sprächen ua. die algerische Staatsangehörigkeit des Klägers und die Tatsache, dass der Arbeitsvertrag in französischer Sprache abgefasst sei. Die Kündigung sei auf der Grundlage algerischer Rechtsvorschriften gerechtfertigt.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Beklagte für den Streitfall Staatenimmunität genieße. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und im Wesentlichen nach den Klageanträgen erkannt. Mit der vom Landesarbeitsgericht nur für sie zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Ob die Beklagte Staatenimmunität genießt, steht noch nicht fest (I.). Gegebenenfalls wird das Landesarbeitsgericht auch die Fragen der internationalen Zuständigkeit und der Anwendbarkeit deutschen oder algerischen Rechts neu zu würdigen haben (II.).

10

I. Ob die Beklagte der deutschen Gerichtsbarkeit unterfällt, kann der Senat nicht abschließend beurteilen.

11

1. Nach § 20 Abs. 2 GVG erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit nicht auf Personen, die gemäß den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind. Nach dem als Bundesrecht iSv. Art. 25 GG geltenden allgemeinen Völkergewohnheitsrecht sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten nicht unterworfen, soweit ihre hoheitliche Tätigkeit von einem Rechtsstreit betroffen ist. Ihre diplomatischen und konsularischen Beziehungen dürfen nicht behindert werden (vgl. zur nach wie vor hohen Bedeutung der Staatenimmunität: BVerfG 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03 - BVerfGE 117, 141; BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu A I 2 a der Gründe mwN, BAGE 113, 327, 331; 23. November 2000 - 2 AZR 490/99 - zu II 3 b der Gründe, AP GVG § 20 Nr. 2 = EzA GVG § 20 Nr. 3). Andernfalls könnte die rechtliche Prüfung durch die Gerichte eine Beurteilung des hoheitlichen Handelns erfordern mit der Folge, dass die ungehinderte Erfüllung der Aufgaben der Botschaft bzw. des Konsulats beeinträchtigt wäre (Senat 16. Mai 2002 - 2 AZR 688/00 - zu II 1 der Gründe, AP GVG § 20 Nr. 3; Schack Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 172 ff.).

12

a) Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nichthoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nicht nach deren Motiv oder Zweck. Maßgebend ist die Art der umstrittenen staatlichen Handlung oder des streitigen Rechtsverhältnisses (BVerfG 30. April 1963 - 2 BvM 1/62 - zu C II 2 der Gründe, BVerfGE 16, 27, 61 f.; BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - BAGE 113, 327). Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist die Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht des entscheidenden Gerichts zu beurteilen (BVerfG 30. April 1963 - 2 BvM 1/62 - zu C II 3 der Gründe, BVerfGE 16, 27, 62; BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - aaO; 23. November 2000 - 2 AZR 490/99 - zu II 3 c cc der Gründe, AP GVG § 20 Nr. 2 = EzA GVG § 20 Nr. 3; Schack Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 176).

13

b) Gesetzliche Regeln für die Einordnung als hoheitliches oder nichthoheitliches Handeln bestehen im Hinblick auf den Gegenstand arbeitsrechtlicher Streitigkeiten zwischen außereuropäischen Botschaften und ihrem Personal nicht (vgl. das noch nicht in Kraft getretene UN-Übereinkommen zur Staatenimmunität vom 2. Dezember 2004 - Resolution 59/38 - Art. 11; vgl. auch das hier nicht anwendbare Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität vom 16. Mai 1972 - Art. 5, BGBl. II 1990, 34 - EuStImm). Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegen arbeitsrechtliche Bestandsstreitigkeiten zwischen Botschaftsangestellten und dem betreffendem Staat der deutschen Gerichtsbarkeit nicht, wenn der Arbeitnehmer für den anderen Staat hoheitlich tätig war (23. November 2000 - 2 AZR 490/99 - AP GVG § 20 Nr. 2 = EzA GVG § 20 Nr. 3). Es kommt dabei nicht auf die rechtliche Form der Rechtsbeziehung (privatrechtlicher Vertrag oder öffentlich-rechtliches Verhältnis), sondern auf den Inhalt der ausgeübten Tätigkeit an. So ist etwa die Tätigkeit eines Aufzugsmonteurs (Senat 20. November 1997 - 2 AZR 631/96 - zu II 1 der Gründe, BAGE 87, 144, 149) oder Haustechnikers (BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu A I 2 der Gründe, BAGE 113, 327, 331) nicht hoheitlich. Betrifft die geschuldete Leistung dagegen eine originär hoheitliche Aufgabe, ist Immunität gegeben (Senat 16. Mai 2002 - 2 AZR 688/00 - zu II 2 c der Gründe, AP GVG § 20 Nr. 3),zB bei Angestellten zur Visa-Bearbeitung (Senat 16. Mai 2002 - 2 AZR 688/00 - zu II 2 a aa der Gründe, aaO) oder bei einem Pressereferenten (Senat 23. November 2000 - 2 AZR 490/99 - zu II 3 c der Gründe, aaO). Entscheidend ist der funktionale Zusammenhang zwischen den diplomatischen Aufgaben und der zu beurteilenden Tätigkeit (vgl. Kissel/Mayer GVG 5. Aufl. § 20 Rn. 5).

14

2. Diesen Grundsätzen trägt die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe keine hoheitliche Tätigkeit ausgeübt und deshalb genieße die Beklagte im Streitfall keine Immunität, nicht ausreichend Rechnung. Das Landesarbeitsgericht hat erheblichen Tatsachenvortrag der Beklagten außer Acht gelassen. Sein Urteil war deshalb aufzuheben.

15

a) Im Ansatz zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, dass die Tätigkeit eines Fahrers, der nicht in den diplomatischen Funktionszusammenhang eingebunden ist, keine hoheitliche Tätigkeit darstellt (vgl. BAG 30. Oktober 2007 - 3 AZB 17/07 - Rn. 22, IPRspr. 2007, 498, 501 f.).

16

b) Indes hat das Landesarbeitsgericht den unter Zeugenbeweis gestellten Vortrag der Beklagten, der Kläger sei nicht nur als Fahrer, sondern auch als Dolmetscher eingesetzt worden, zu Unrecht außer Acht gelassen. Trifft die entsprechende Behauptung in einem nennenswerten Umfang zu, so kann der Tätigkeit des Klägers eine andere Funktionalität zukommen als die einer reinen Hilfstätigkeit nichthoheitlicher Prägung.

17

c) Die Aufgaben einer diplomatischen Mission umfassen nach Art. 3 des Wiener Übereinkommens vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen (BGBl. II 1964, 957 ff.) die vielfältige Pflege politischer, kultureller, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Beziehungen. Dass hierbei ebenso offizielle wie auch informelle Gespräche die wichtigste Rolle spielen, liegt auf der Hand. Wenn dem Kläger aufgrund seiner Herkunft und seiner Sprachkenntnisse aufgegeben war, seine Tätigkeit als Chauffeur mit der des Dolmetschers zu verbinden, indem er zur Anbahnung und Pflege derartiger Gesprächskontakte in nennenswertem Umfang beitrug, so kann dies zu der Beurteilung führen, dass seine Tätigkeit in einem funktionellen Zusammenhang mit den diplomatischen Zielen der Botschaft stand. Auch die Beförderung von vertraulicher Post und der gelegentliche Einsatz als Fahrer des Botschafters könnten dann in einem anderen Licht erscheinen.

18

d) Der Beweisantritt der Beklagten durfte nicht als Ausforschungsbeweis unbeachtet bleiben.

19

aa) Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen (vgl. BVerfG 10. Februar 2009 - 1 BvR 1232/07 - Rn. 26, NJW 2009, 1585; BGH 25. April 1995 - VI ZR 178/94 - AP ZPO § 286 Nr. 23; 4. März 1991 - II ZR 90/90 - EzA GG Art. 9 Nr. 51 mwN). Unerheblich ist dabei, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht (BGH 9. Februar 2009 - II ZR 77/08 - Rn. 4 mwN, NJW 2009, 2137). Es ist dann Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls Zeugen nach weiteren Einzelheiten zu befragen (BGH 21. Mai 2007 - II ZR 266/04 - Rn. 8, NJW-RR 2007, 1409; 2. April 2009 - I ZR 16/07 - TranspR 2009, 410).

20

bb) Legt man diesen Maßstab zugrunde, hätte der Beweisantritt der Beklagten nur dann unbeachtet bleiben dürfen, wenn ihre Behauptung als gänzlich substanzlos, willkürlich, aus der Luft gegriffen oder ins Blaue hinein aufgestellt erschiene. Davon kann nicht die Rede sein. Es trifft zwar zu, dass die Beklagte ihrer Behauptung, der Kläger sei als Dolmetscher eingesetzt worden, weder zeitlich noch räumlich genauere Konturen verliehen hat. Indes hätte das Landesarbeitsgericht der Beklagten, wenn ihm deren Vortrag nicht hinreichend konkret erschien, einen Hinweis nach § 139 ZPO erteilen müssen. Dabei hätte es beachten müssen, dass die Staatenimmunität nicht auf prozessrechtlichem Wege eine Entwertung erfahren darf: Der Schutz der Staatenimmunität soll verhindern, dass ein Staat über den anderen im Kernbereich der staatlichen Souveränität zu Gericht sitzt (par in parem non habet imperium). Die Anforderungen an die Substantiierungslast im Prozess dürfen nicht dazu führen, dass der Staat, der sich auf Immunität beruft, auf prozessrechtlichem Wege zur Aufgabe des ihm eingeräumten Vorrechts gezwungen wird, indem er nun Einzelheiten über die vom Kläger möglicherweise entfaltete Dolmetschertätigkeit, zB Namen von Personen, Gesprächsinhalte usf. preisgeben müsste.

21

II. Sollte das Landesarbeitsgericht nach einer Beweisaufnahme zu dem Ergebnis kommen, die Beklagte sei nach den Grundsätzen der Staatenimmunität nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit ausgenommen, wird es auch die Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte und, falls es diese bejaht, die Anwendbarkeit deutschen oder algerischen Rechts erneut prüfen müssen.

22

1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte kann, wovon auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist, nach Art. 19 Nr. 1, Art. 18 Abs. 2 der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - Verordnung Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 (EuGVVO - ABl. EG L 12 vom 16. Januar 2001 S. 1, ber. ABl. EG L 307 vom 24. November 2001 S. 28) begründet sein.

23

a) Die EuGVVO ist seit ihrem Inkrafttreten am 1. März 2002 in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der EU. Die Verordnung geht nationalem Recht im Rang vor. Soweit ihr nationale Bestimmungen widersprechen, werden sie durch die EuGVVO verdrängt (BAG 24. September 2009 - 8 AZR 306/08 - AP EuGVVO Art. 18 Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Verordnung 44/2001 Nr. 4 mwN; vgl. Schack Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 218, 326).

24

b) Sind - wofür Vieles sprechen wird - die Vorschriften der Art. 18 ff. EuGVVO anwendbar, so wird zu beachten sein, dass nach Art. 18 Abs. 2 EuGVVO ein Arbeitgeber, mit dem der Arbeitnehmer einen individuellen Arbeitsvertrag geschlossen hat und der im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats keinen Wohnsitz hat(Arbeitgeber mit Wohnsitz in einem Drittstaat), so behandelt wird, als habe er einen Wohnsitz, vorausgesetzt, er unterhält in einem Mitgliedstaat eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung.

25

c) Die vom Landesarbeitsgericht bejahte Frage, ob als sonstige Niederlassung iSd. Art. 18 Abs. 2 EuGVVO auch die Botschaft eines Drittstaates angesehen werden kann, ist bisher von dem zur Auslegung der EuGVVO vorrangig zuständigen Gerichtshof der Europäischen Union nicht entschieden. Ob den Entscheidungen des Gerichtshofs in anderen Zusammenhängen ohne Weiteres mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnommen werden kann, die Botschaft der Beklagten sei als „sonstige Niederlassung“ anzusehen, erscheint zweifelhaft. Dagegen mag immerhin Artikel 7 EuStImm sprechen. Die Norm sieht vor, dass eine „andere Niederlassung“ die Staatenimmunität nur dann aufhebt, wenn der betreffende Staat von dieser anderen Niederlassung aus „auf die gleiche Weise wie eine Privatperson eine gewerbliche, kaufmännische oder finanzielle Tätigkeit ausübt“. Jedenfalls ist, soweit es die Auslegung von Art. 18 EuGVVO betrifft, Art. 267 AEUV zu beachten.

26

2. Außerhalb des Geltungsbereichs der EuGVVO richtet sich die internationale Zuständigkeit nach den Regeln über die örtliche Zuständigkeit. Da die Beklagte keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, kann die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung der Zuständigkeit der algerischen Gerichte nach § 38 Abs. 2 ZPO wirksam sein.

27

3. Sollte es auf die Frage ankommen, ob auf den Streitfall deutsches oder algerisches Recht anzuwenden ist, wird das Landesarbeitsgericht die folgenden Erwägungen beachten müssen.

28

a) Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Voraussetzungen einer stillschweigenden (konkludenten) Rechtswahl bestimmen sich nicht nach dem gewählten Recht. Vielmehr bestimmt Art. 27 Abs. 1 EGBGB selbst, unter welchen Voraussetzungen von einer stillschweigenden Rechtswahl auszugehen ist(BAG 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - BAGE 125, 24 mwN). Obgleich es keinen abschließenden Katalog einschlägiger Indizien gibt, sind bei Schuldverträgen aus Gerichtsstandsklauseln, Schiedsklauseln, vertraglichen Bezugnahmen auf ein bestimmtes Recht sowie aus der Vereinbarung eines für beide Parteien gemeinsamen Erfüllungsorts typische Hinweise auf eine stillschweigende Rechtswahl zu entnehmen. Bei Arbeitsverträgen stellt die Bezugnahme auf Tarifverträge und sonstige Regelungen am Sitz des Arbeitgebers ein gewichtiges Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl dar (vgl. BAG 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - aaO; 12. Dezember 2001 - 5 AZR 255/00 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 100, 130; 26. Juli 1995 - 5 AZR 216/94 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 157 Nr. 7 = EzA BGB § 133 Nr. 19).

29

b) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Parteien keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen haben. Bei seiner weiteren Würdigung, es liege auch keine stillschweigende Wahl algerischen Rechts vor, hat es jedoch nicht alle wesentlichen Umstände ausreichend in Betracht gezogen. In Ziff. VI des Arbeitsvertrags haben die Parteien die Zuständigkeit der algerischen Gerichtsbarkeit vereinbart. Dies kann ein gewichtiger Hinweis darauf sein, dass auch das materielle Recht Algeriens angewendet werden sollte. Im Allgemeinen dürfte dem Willen der Vertragsparteien eine Rechtswahl fernliegen, nach der ein ausländisches Gericht materielles deutsches Recht anwenden soll. Das materielle Recht und das Prozessrecht stehen regelmäßig in einer engen Wechselwirkung, was im Fall des deutschen Arbeitsrechts ganz besonders greifbar ist. Außerdem dürfte die Sicherheit in der Anwendung des materiellen Rechts eines ausländischen Staates bei den Gerichten geringer sein als bei der Anwendung des jeweiligen eigenen, innerstaatlichen Rechts. Nimmt man im Streitfall die Vertragssprache, die Herkunft des Klägers und dessen Tätigkeit im öffentlichen Dienst der Beklagten hinzu, so sprechen gewichtige Anhaltspunkte für eine stillschweigend getroffene Wahl algerischen Rechts. Gegebenenfalls muss das Landesarbeitsgericht darauf hinwirken, dass die Parteien zur Vertragspraxis Vortrag halten. Dass die Erfüllung der beiderseitigen Vertragspflichten nur in Deutschland möglich war und die Bezahlung in Euro erfolgte, liegt in der Natur der Sache und dürfte wenig Aussagekraft für die Rechtswahl haben. Der Umstand, dass der Kläger der deutschen Sozialversicherung unterlag und die Steuerschuld in Deutschland anfiel, betrifft nicht den arbeitsrechtlichen Kern des vertraglichen Pflichtengefüges.

30

c) Haben die Parteien algerisches Recht vereinbart, so ist noch zu prüfen, ob diese Rechtswahl den in Art. 30 EGBGB niedergelegten Anforderungen entspricht. Hier wird ggfs. in Betracht zu ziehen sein, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht engere Verbindungen zum algerischen Staat als zu Deutschland aufweist (Art. 30 Abs. 2 EGBGB).

31

d) Die Anwendung deutschen Kündigungsrechts ergibt sich jedenfalls nicht aus Art. 34 EGBGB. Die Vorschriften der §§ 1 - 14 KSchG stellen keine „Eingriffsnormen“ iSd. Art. 34 EGBGB dar. Nach Art. 9 Abs. 1 Rom-I-VO, die zwar auf den Streitfall noch nicht anwendbar ist, aber zur Orientierung insoweit herangezogen werden kann, sind „Eingriffsnormen“ zwingende Vorschriften, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation angesehen wird, dass sie auf alle in Betracht kommenden Sachverhalte angewendet werden müssen. Hierher gehören im Arbeitsrecht etwa die Beschäftigungsverbote für werdende Mütter, die Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung uÄ. Es muss sich um Regelungen handeln, die nicht nur zwingendes Recht darstellen, sondern darüber hinaus in besonderer Weise das allgemeine Wohl betreffen; häufig werden es Regeln sein, über deren Einhaltung staatliche Stellen wachen. Diese Voraussetzungen liegen bei den Vorschriften des allgemeinen Kündigungsschutzes nicht vor. Sie dienen nach dem individualrechtlichen Konzept des deutschen Kündigungsschutzrechts in erster Linie dem Ausgleich eines Konflikts zwischen Privatleuten und nur mittelbar sozialpolitischen Zwecksetzungen (Senat 24. August 1989 - 2 AZR 3/89 - BAGE 63, 17; ErfK/Schlachter 10. Aufl. Art. 27 - 34 EGBGB Rn. 16; Palandt/Thorn BGB 68. Aufl. Art. 34 EGBGB Rn. 3b; Junker in jurisPK/BGB 4. Aufl. Art. 34 EGBGB Rn. 35; HWK/Tillmanns 4. Aufl. Art. 3, 8, 9 ROM-I-VO Rn. 33 ff.; Deinert RdA 2009, 144).

        

    Kreft    

        

    Eylert    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Gans    

        

    Nielebock    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Juli 2013 - 17 Sa 2620/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und Ansprüche aus Annahmeverzug.

2

Der Kläger ist algerischer Herkunft. Er besitzt die algerische und die deutsche Staatsangehörigkeit. Er beherrscht neben der deutschen die arabische und die französische Sprache und wohnt in Berlin. Die Beklagte ist die Demokratische Volksrepublik Algerien. Sie beschäftigt in ihrer Berliner Botschaft regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer, darunter den Kläger. Dieser ist dort seit September 2002 auf der Grundlage eines in französischer Sprache verfassten Arbeitsvertrags als einer von drei Kraftfahrern tätig. Ihm obliegt es, Gäste und Mitarbeiter zu fahren sowie Post der Botschaft zu befördern. Diplomatenpost wird von einem weiteren Mitarbeiter der Botschaft entgegengenommen und weitergeleitet. Der Arbeitsvertrag sieht für Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten die Zuständigkeit der algerischen Gerichte vor und weist den Kläger der deutschen Sozialversicherung zu. Seine Steuern führt der Kläger in Deutschland ab.

3

Mit Schreiben vom 24. Mai 2006 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass er in diesem Jahr an 37 Tagen krankheitsbedingt gefehlt habe. Sie erteilte ihm am 13. Juli 2006 eine Abmahnung wegen respektlosen Verhaltens gegenüber dem Botschafter. Am 30. März und 20. Juli 2007 mahnte sie ihn wegen erneuter krankheitsbedingter Fehlzeiten und am 31. Mai 2007 wegen verspäteten Abholens eines Diplomaten ab. Mit Schreiben vom 29. August 2007 kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2007.

4

Mit seiner am 9. September 2007 beim Arbeitsgericht eingereichten und der Beklagten am 8. Februar 2008 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt. Er hat gemeint, die deutsche Gerichtsbarkeit sei gegeben. Als Kraftfahrer sei er nicht hoheitlich tätig geworden. Die deutschen Gerichte seien auch international zuständig. Die anderslautende arbeitsvertragliche Vereinbarung stehe dem nicht entgegen. Materiell finde deutsches Recht Anwendung. Danach sei die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt. Ihm stehe überdies Vergütung aus Annahmeverzug für die Monate November 2007 bis Juli 2012 abzüglich von der Agentur für Arbeit erhaltener Leistungen zu.

5

Er hat - soweit für die Revision noch von Belang - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 29. August 2007 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.459,56 Euro brutto abzüglich 10.781,40 Euro netto und weitere 78.197,22 Euro brutto zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Klage für unzulässig gehalten. Die deutsche Gerichtsbarkeit sei nicht gegeben. Die Tätigkeit des Klägers sei hoheitlicher Natur gewesen. Sie habe ihn aufgrund seiner Kenntnisse der arabischen, französischen und deutschen Sprache bei Besuchen von offiziellen Delegationen aus der Heimat als Fahrer eingesetzt. Da die Delegationen nicht über einen eigenen Dolmetscher verfügt hätten, habe der Kläger diese Funktion übernehmen müssen. Überdies habe er vertretungsweise auch den Botschafter befördert. International seien aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung die algerischen Gerichte zuständig. Materiell finde das algerische Arbeitsrecht Anwendung. Dieses sehe bei einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst eine Wiedereinstellung selbst nach erfolgloser Kündigung nicht vor. Der Kläger könne deshalb auch keine Vergütung aus Annahmeverzug fordern.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist unbegründet.

9

A. Die Revision ist entgegen der Ansicht des Klägers zulässig.

10

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den vermeintlichen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Sie muss dazu eine Auseinandersetzung mit den tragenden Argumenten des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 120/12 - Rn. 17; 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - Rn. 12). Bei mehreren Streitgegenständen muss im Fall einer unbeschränkt eingelegten Revision für jeden von ihnen eine solche Begründung gegeben werden. Dies ist nur dann nicht erforderlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt. In diesem Fall ist mit der Begründung der Revision gegen die Entscheidung über den einen Streitgegenstand zugleich dargelegt, dass auch die Entscheidung über den anderen unrichtig ist (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 474/12 - Rn. 15; 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - aaO).

11

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Die Beklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts.

12

1. Bezogen auf die Entscheidung über den Feststellungsantrag macht sie geltend, das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht deutsches Kündigungsschutzrecht angewandt. Es habe die engere Verbindung des Arbeitsverhältnisses zum algerischen Staat verkannt. Nach algerischem Recht sei das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung aufgelöst. Mit dieser Rüge hat die Beklagte die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung in ausreichender Weise in Frage gestellt.

13

2. Es kann dahinstehen, ob sich die Beklagte auch mit den Gründen der Entscheidung über die Zahlungsanträge hinreichend auseinandergesetzt hat. Die Entscheidung über die Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug hängt von der Entscheidung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. Erwiese sich diese als unrichtig, wäre also die Kündigung wirksam, wäre damit zugleich die Entscheidung über die Zahlungsansprüche hinfällig.

14

B. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht für zulässig und begründet gehalten.

15

I. Die Klage ist zulässig.

16

1. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist gegeben.

17

a) Nach § 20 Abs. 2 GVG iVm. dem Allgemeinen Völkergewohnheitsrecht als Bestandteil des Bundesrechts (Art. 25 GG) sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten insoweit nicht unterworfen, wie ihre hoheitliche Tätigkeit von einem Rechtsstreit betroffen ist. Es ist mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus abgeleiteten Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht zu vereinbaren, dass ein deutsches Gericht hoheitliches Handeln eines anderen Staates rechtlich überprüft (vgl. BVerfG 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 - Rn. 20; 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03 - Rn. 34, BVerfGE 117, 141; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 - Rn. 13; 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 - Rn. 14).

18

aa) Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nach dem rechtlichen Charakter des konkreten staatlichen Handelns oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt oder wie eine Privatperson tätig geworden ist. Geht es - wie hier - um eine Streitigkeit aus einem Arbeitsverhältnis, ist maßgebend, ob die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben ihrer Art nach hoheitlich oder nicht-hoheitlich sind. Entscheidend sind der Inhalt der ausgeübten Tätigkeit (BAG 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 - Rn. 14; 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 - Rn. 16 mwN) sowie ihr - bestehender oder nicht bestehender - Zusammenhang mit den diplomatischen und konsularischen Aufgaben (vgl. BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 13).

19

bb) Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist diese Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht am Sitz des entscheidenden Gerichts vorzunehmen (BVerfG 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 - Rn. 22; 12. April 1983 - 2 BvR 678/81 ua. - Rn. 139, BVerfGE 64, 1). Ungeachtet seiner ist stets hoheitlich nur das staatliche Handeln, das dem Kernbereich der Staatsgewalt zuzurechnen ist. Zu ihm gehören die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege (BVerfG 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 - aaO; 13. Dezember 1977 - 2 BvM 1/76 - Rn. 121, BVerfGE 46, 342; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 - Rn. 15; 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 - Rn. 15).

20

b) Danach ist die Beklagte im Streitfall nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Der Kläger nimmt keine hoheitlichen Aufgaben wahr.

21

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts oblag es dem Kläger, Gäste und Mitarbeiter der Botschaft zu fahren. Er hatte ferner Post zu befördern. Diplomatenpost wurde hingegen nicht von ihm, sondern von einem anderen Mitarbeiter übermittelt. Zugunsten der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht unterstellt, der Kläger sei bei Besuchen offizieller Delegationen aus Algerien als Fahrer eingesetzt worden und habe dabei Dolmetscheraufgaben übernehmen müssen.

22

bb) Auf dieser Grundlage hat das Landesarbeitsgericht mit Recht angenommen, die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten wiesen keinen funktionellen Zusammenhang mit den diplomatischen und konsularischen Aufgaben der Botschaft auf. Der Transport von Personen und Post hat nicht den erforderlichen Bezug zum hoheitlichen Bereich. Der Kläger fuhr Delegationen, in der Regel dagegen nicht den Botschafter. Diplomatenpost hat er nicht befördert. Der als richtig unterstellte Vortrag der Beklagten weist keine Anhaltspunkte dafür auf, dass die Dolmetschertätigkeit des Klägers über die Beseitigung allgemeiner Verständigungsprobleme hinausging und etwa in Zusammenhang mit der Pflege politischer, kultureller, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Beziehungen stand, oder doch zumindest der Anbahnung solcher Gesprächskontakte diente. Überdies ist nicht zu erkennen, dass der Kläger die behaupteten Dolmetschertätigkeiten in einem nennenswerten, über vereinzelte Gelegenheiten hinausgehenden Umfang wahrgenommen hätte. Dass die Tätigkeit des Klägers gleichwohl das Vertrauen der Beklagten in seine Zuverlässigkeit und Verschwiegenheit voraussetzt, begründet nicht die hoheitliche Natur seiner Aufgaben.

23

2. Die deutschen Gerichte sind international zuständig.

24

a) Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Nach Art. 19 Nr. 1 EuGVVO kann ein Arbeitgeber vom Arbeitnehmer vor den Gerichten des Mitgliedstaats verklagt werden, in dem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat. Gesellschaften und juristische Personen haben ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet (Art. 60 Abs. 1 EuGVVO). Hat der Arbeitgeber im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats keinen Wohnsitz, besitzt er aber in einem Mitgliedstaat etwa eine Niederlassung, so wird er für Streitigkeiten aus ihrem Betrieb so behandelt, wie wenn er seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats hätte (Art. 18 Abs. 2 EuGVVO). Streiten die Parteien eines Rechtsstreits über einen Arbeitsvertrag, den die Botschaft im Namen des Entsendestaats geschlossen hat, handelt es sich bei der Botschaft um eine „Niederlassung“ iSv. Art. 18 Abs. 2 EuGVVO, wenn die vom Arbeitnehmer verrichteten Aufgaben nicht unter die Ausübung hoheitlicher Befugnisse fallen (EuGH 19. Juli 2012 - C-154/11 - [Mahamdia]).

25

b) Danach sind im Streitfall die deutschen Gerichte zuständig. Die Botschaft der Beklagten in Berlin ist eine Niederlassung iSv. Art. 18 Abs. 2 EuGVVO. Die Parteien streiten über den Bestand eines zwischen dem Kläger und der Botschaft geschlossenen Arbeitsverhältnisses und über sich daraus ergebende Ansprüche. Der Kläger nimmt keine hoheitlichen Aufgaben wahr.

26

3. Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist durch die Parteien vertraglich nicht wirksam abbedungen worden. Ihre Gerichtsstandsvereinbarung ist gemäß Art. 23 Abs. 5 EuGVVO unwirksam.

27

a) Eine Gerichtsstandsvereinbarung läuft iSv. Art. 23 Abs. 5 EuGVVO den Regelungen in Art. 21 EuGVVO zuwider, wenn sie von Vorschriften des 5. Abschnitts der EuGVVO abweicht und nicht nach Entstehung des Rechtsstreits getroffen worden ist (Art. 21 Nr. 1 EuGVVO) oder nicht die Befugnis einräumt, andere als im 5. Abschnitt angeführte Gerichte anzurufen (Art. 21 Nr. 2 EuGVVO). Diese Befugnis ist dahin zu verstehen, dass sie Gerichtsstände begründen muss, die zu den in Art. 18 und Art. 19 der EuGVVO vorgesehenen Gerichtsständen noch hinzukommen. Eine vor Entstehung der Streitigkeit getroffene Gerichtsstandsvereinbarung darf für einen Arbeitnehmer nicht den Ausschluss der in der EuGVVO vorgesehenen Gerichtsstände bewirken, sondern kann lediglich die Befugnis begründen oder erweitern, unter mehreren zuständigen Gerichten zu wählen (EuGH 19. Juli 2012 - C-154/11 - [Mahamdia] Rn. 62; BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 481/11 - Rn. 32).

28

b) Die Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien wurde vor Entstehung der Streitigkeit getroffen und weicht von den Vorschriften des 5. Abschnitts der EuGVVO ab. Die Zuständigkeit der algerischen Gerichte konnte deshalb allenfalls zusätzlich zu der der deutschen Gerichte vereinbart werden. Eine Derogation von deren sich aus Art. 18, Art. 19 EuGVVO ergebenden Zuständigkeit war nicht wirksam möglich.

29

II. Die Klage ist begründet.

30

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 29. August 2007 nicht aufgelöst worden.

31

a) Die Wirksamkeit der Kündigung ist nach deutschem materiellen Recht zu beurteilen.

32

aa) Die Bestimmung des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren materiellen Rechts richtet sich nach Art. 27 ff. EGBGB (aF). Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) findet gemäß ihrem Art. 28 auf den Streitfall noch keine Anwendung. Der Arbeitsvertrag der Parteien wurde vor dem 17. Dezember 2009 geschlossen.

33

bb) Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB (aF) unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich mittelbar aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falls ergeben. Bei Arbeitsverträgen können etwa Gerichtsstandsklauseln, vertragliche Bezugnahmen auf ein bestimmtes Recht oder die Vereinbarung eines für beide Parteien gemeinsamen Erfüllungsorts Hinweise auf die getroffene Wahl geben (vgl. BAG 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 - Rn. 25; 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 28).

34

cc) Gemäß Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) darf die Rechtswahl der Parteien bei Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des gemäß Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 EGBGB (aF) ohne Rechtswahl anwendbaren Rechts gewährt wird. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass dem Arbeitnehmer als der typischerweise sozial und wirtschaftlich schwächeren Partei durch die Rechtswahl nicht der Mindestschutz „seines“ Rechts entzogen wird (BT-Drs. 10/504 S. 81). Diese Anwendung zwingender Bestimmungen setzt voraus, dass sie zu günstigeren Ergebnissen führt als das gewählte Recht (BAG 29. Oktober 1992 - 2 AZR 267/92 - zu III 2 c der Gründe, BAGE 71, 297; 24. August 1989 - 2 AZR 3/89 - zu A II 3 a bb der Gründe, BAGE 63, 17). Dafür ist ein Günstigkeitsvergleich durchzuführen. Die zwingenden Bestimmungen des nach Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 EGBGB (aF) maßgebenden Rechts sind den entsprechenden Regelungen der gewählten Rechtsordnung gegenüberzustellen (BAG 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - Rn. 52, BAGE 125, 24). Bieten letztere keinen vergleichbaren Schutz, sind die nach Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 EGBGB (aF) einschlägigen Vorschriften anzuwenden. Etwas anderes gilt gemäß Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB (aF) nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis nach der Gesamtheit der Umstände engere Verbindungen „zu einem anderen Staat“ aufweist.

35

dd) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, zwar hätten die Parteien im Streitfall konkludent die Anwendung algerischen Rechts vereinbart, die Wirksamkeit der Kündigung sei jedoch an den Bestimmungen des deutschen Kündigungsschutzgesetzes zu messen. Die Anwendbarkeit des deutschen Rechts folgt aus Art. 30 Abs. 1, Abs. 2 EGBGB (aF). Das algerische Recht enthält keine dem deutschen Kündigungsrecht gleichwertigen Schutzvorschriften. Das Arbeitsverhältnis weist auch keine engeren Verbindungen zur Beklagten auf.

36

(1) Das Landesarbeitsgericht durfte von einer stillschweigenden Wahl des algerischen Rechts ausgehen. Schon die Vereinbarung, es sollten die algerischen Gerichte für die Beilegung von Streitigkeiten zuständig sein, ist ein gewichtiger Hinweis darauf, dass die Parteien auch algerisches Recht zur Anwendung bringen wollten. Es ist nicht anzunehmen, dass sie gewollt haben, die algerischen Gerichte sollten nach deutschem materiellen Recht entscheiden. Damit hätten sie sich um den Vorteil einer mit dem anzuwendenden Recht in jeder Hinsicht vertrauten Gerichtsbarkeit gebracht. Hinzu kommt, dass Vertragssprache das Französische ist und der Kläger im öffentlichen Dienst der Beklagten beschäftigt wurde (vgl. BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 29). Demgegenüber kommt dem Arbeitsort in Deutschland und der Vergütung in Euro für die Rechtswahl wenig Bedeutung zu. Das gleiche gilt für den Umstand, dass der Kläger der deutschen Sozialversicherung unterlag und die Steuerschuld in Deutschland anfiel. Dies betrifft nicht den arbeitsrechtlichen Kern des vertraglichen Pflichtengefüges (BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - aaO).

37

(2) Trotz der von den Parteien getroffenen Wahl des algerischen Rechts ist die Wirksamkeit der Kündigung nach dem deutschen Kündigungsschutzgesetz zu beurteilen.

38

(a) Die Vorschriften der §§ 1 bis 14 KSchG sind nicht schon wegen Art. 34 EGBGB (aF) anzuwenden. Sie stellen keine „Eingriffsnormen“ im Sinne dieser Bestimmung dar (BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 31; 24. August 1989 - 2 AZR 3/89 - zu A II 6 c der Gründe, BAGE 63, 17).

39

(b) Die Anwendbarkeit der §§ 1 bis 14 KSchG folgt aus Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF). Sie sind „zwingende Bestimmungen“ im Sinne der Regelung. „Zwingende Bestimmungen“ sind solche, die vertraglich nicht abbedungen werden können und dem Schutz des Arbeitnehmers dienen (Staudinger/Magnus Art. 30 EGBGB Rn. 72; Schlachter NZA 2000, 57, 60). Das trifft auf die §§ 1 bis 14 KSchG zu(vgl. BAG 24. August 1989 - 2 AZR 3/89 - zu A II 3 a aa der Gründe, BAGE 63, 17; Staudinger/Magnus Art. 30 EGBGB Rn. 79).

40

(c) Die Vorschriften der §§ 1 bis 14 KSchG wären auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar, wenn diese eine Rechtswahl nicht getroffen hätten. Ohne Rechtswahl unterliegen Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse nach Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 Nr. 1 EGBGB (aF) dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Der Erfüllungsort liegt im Streitfall in Deutschland. Dies gilt auch, soweit der Kläger seine Arbeitsleistung auf dem Botschaftsgelände erbringt. Das Botschaftsgelände eines ausländischen Staates als solches ist nicht exterritorial (BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 113, 327; 10. Mai 1962 - 2 AZR 397/61 - zu II der Gründe, BAGE 13, 121).

41

(d) Das deutsche Recht als Regelstatut wird im Streitfall nicht gemäß Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB (aF) verdrängt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien weist keine engeren Verbindungen zu Algerien als zu Deutschland auf. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

42

(aa) Es kann dahinstehen, ob der Begriff der „engeren Verbindungen“ revisionsrechtlich in vollem Umfang oder nur eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 627/02 - zu II 3 d der Gründe; 29. Oktober 1992 - 2 AZR 267/92 - zu III 4 c cc der Gründe, BAGE 71, 297). Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts hält auch einer uneingeschränkten Überprüfung stand.

43

(bb) Für die Beantwortung der Frage, ob „engere Verbindungen“ zu einem anderen Staat im Sinne der Ausnahmeregelung vorliegen, ist nach dem Gesetzeswortlaut auf die „Gesamtheit der Umstände“ abzustellen. Dabei ist nicht allein die Anzahl der für eine Verbindung zu dem einen oder dem anderen Staat sprechenden Kriterien maßgebend. Es ist vielmehr eine Gewichtung der Anknüpfungsmomente vorzunehmen. Wesentliches Kriterium ist in diesem Zusammenhang der Ort, an welchem der Arbeitnehmer seine Steuern und Abgaben entrichtet und der Sozialversicherung angeschlossen ist (vgl. zu Art. 6 Abs. 2 EVÜ, welcher der Vorschrift des Art. 30 EGBGB (aF) zugrunde liegt: EuGH 12. September 2013 - C-64/12 - [Schlecker] Rn. 41). Daneben sind der Arbeitsort, der Sitz des Arbeitgebers, die Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien, der Wohnsitz des Arbeitnehmers ua. zu berücksichtigen (vgl. BAG 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - Rn. 50, BAGE 125, 24; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 627/02 - zu II 3 c der Gründe). Vertragsimmanente Gesichtspunkte wie die Vertragssprache, die Währung, in der die Vergütung gezahlt wird, oder die Bezugnahme auf Rechtsvorschriften eines bestimmten Staates haben nachrangige Bedeutung. Andernfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, das vom Gesetzgeber vorgesehene Günstigkeitsprinzip durch die Vertragsgestaltung und entsprechende Abreden zu unterlaufen. Eine solche Disposition über den zwingenden Arbeitnehmerschutz soll Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) gerade verhindern(Thüsing BB 2003, 898, 900). In seinem Rahmen kommt es auf davon unabhängige, objektive Umstände an (BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 627/02 - aaO; Thüsing aaO). Sollen die Einzelumstände auf die engere Verbindung zu einem anderen Staat verweisen, müssen sie insgesamt das Gewicht der Regelanknüpfung deutlich übersteigen (vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 627/02 - aaO; 29. Oktober 1992 - 2 AZR 267/92 - zu III 4 c aa der Gründe, BAGE 71, 297).

44

(cc) Danach begegnet die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis der Parteien weise keine engere Verbindung zu Algerien als zu Deutschland auf, keinen rechtlichen Bedenken. Die vorrangig zu berücksichtigenden Kriterien bestärken die Regelanknüpfung an das deutsche Recht. Die Parteien haben den Arbeitsvertrag in Deutschland geschlossen. Der Kläger hat seinen Wohnsitz in Berlin und erbrachte die vertraglich geschuldete Tätigkeit ausschließlich in Deutschland. Seine Vergütung wurde in Euro gezahlt. Er unterlag dem deutschen Sozialversicherungsrecht und führte seine Steuern in Deutschland ab. Neben der algerischen besitzt er auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Zwar ergibt sich aus seiner Herkunft sowie aus dem Umstand, dass er im öffentlichen Dienst der Botschaft der Beklagten beschäftigt und der Arbeitsvertrag in französischer Sprache verfasst wurde, eine Verbindung auch zum algerischen Staat. Diese Gesichtspunkte überwiegen aber die für die Verbindung mit Deutschland sprechenden und der Regelanknüpfung zugrunde liegenden Aspekte nicht.

45

(e) Die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes gewährleisten einen weitergehenden Schutz gegen die Beendigung von Arbeitsverhältnissen als das algerische Recht.

46

(aa) Die Frage, welche der in Betracht kommenden Rechtsordnungen für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen enthält, ist eine Rechtsfrage, die objektiv und nach dem Maßstab des Gesetzes zu beantworten ist (Schlachter NZA 2000, 57, 61). Dazu ist ein Sachgruppenvergleich vorzunehmen (Staudinger/Magnus Art. 30 EGBGB Rn. 84; MünchKommBGB/Martiny 4. Aufl. Art. 30 EGBGB Rn. 40; Schlachter aaO). Zu vergleichen sind die in einem inneren, sachlichen Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der fraglichen Rechtsordnungen. Die Günstigkeit anhand eines Vergleichs je einzelner Normen zu bestimmen, ist nicht sachgerecht. Dies könnte dazu führen, dass der Arbeitnehmer durch eine Kombination einzelner Vorschriften der jeweiligen Rechtsordnung einen Schutzstandard erlangt, der über demjenigen liegt, den die betroffenen Rechtsordnungen tatsächlich gewähren (Soergel/von Hoffmann 12. Aufl. Art. 30 EGBGB Rn. 32; Thüsing BB 2003, 898, 899; Schlachter aaO; Birk RdA 1989, 201, 206). Eine solche Besserstellung entspricht nicht dem Schutzzweck der Norm. Auch ein abstrakter „Gesamtvergleich“ der Rechtsordnungen ohne Rücksicht auf die zu beurteilende Sachfrage würde dem Sinn und Zweck von Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) nicht gerecht. Dieser besteht darin, dem Arbeitnehmer im Einzelfall den ihm nach dem Regelstatut zustehenden Schutz zu erhalten. Dem Arbeitnehmer wäre nicht gedient, wenn das gewählte Recht zwar „alles in allem“ das günstigere wäre, sich für den konkreten Streitgegenstand aber als unvorteilhafter erwiese (MünchKommBGB/Martiny 4. Aufl. Art. 30 EGBGB Rn. 40).

47

(bb) Ist ein Vergleich des von den jeweiligen Rechtsordnungen gewährleisteten Kündigungsschutzes vorzunehmen, sind die Anforderungen an das Vorliegen eines Kündigungsgrundes, die Kündigungsfrist, die Möglichkeit des Arbeitnehmers, im Falle einer ungerechtfertigten Kündigung den Erhalt seines Arbeitsplatzes und eine Weiterbeschäftigung zu erreichen, sowie mögliche Kompensationen für den Verlust des Arbeitsplatzes in den Blick zu nehmen. Dabei kommt es auf die Ergebnisse einer Anwendung der jeweiligen Rechtsordnung auf den fraglichen Streitgegenstand an (zu Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO: Deinert Internationales Arbeitsrecht § 9 Rn. 59; MünchKommBGB/Martiny 4. Aufl. Art. 30 EGBGB Rn. 40; Markovska RdA 2007, 352, 355). Sieht das Recht eines Staates für verschiedene Gruppen von Arbeitnehmern unterschiedliche Regelungen vor, sind diejenigen Vorschriften mit dem Recht des anderen Staates zu vergleichen, die auf den betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden. Im Streitfall ist danach der Kündigungsschutz eines Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst der Beklagten demjenigen gegenüberzustellen, den ein Arbeitnehmer erfährt, auf dessen Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet.

48

(cc) Der Vergleich ist mit Blick auf die vom Landesarbeitsgericht ermittelten Vorschriften des algerischen Rechts durchzuführen. Zwar handelt es sich bei ihnen nicht um „Tatsachen“, sondern um das anzuwendende (ausländische) Recht. Das Revisionsgericht darf deshalb auch ohne eine formelle Verfahrensrüge weitergehende Ermittlungen anstellen (BAG 10. April 1975 - 2 AZR 128/74 - zu IV 2 der Gründe, BAGE 27, 99; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 2; GK-ArbGG/Mikosch § 73 Rn. 16). Dies ist jedoch nur dann geboten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die Rechtslage nach dem ausländischen Recht anders darstellt, als vom Landesarbeitsgericht vorausgesetzt (BAG 25. April 2013 - 6 AZR 49/12 - Rn. 119; 29. Oktober 1992 - 2 AZR 267/92 - zu VI der Gründe, BAGE 71, 297). Im Streitfall hat die Revision eine unzureichende oder fehlerhafte Feststellung des algerischen Rechts nicht gerügt. Sie ist auch objektiv nicht erkennbar.

49

(dd) Das algerische Recht unterscheidet zwischen den Beamten (fonctionnaires) und den „Vertragsbediensteten“ (agents contractuels). Für die Gruppe der Vertragsbediensteten, zu der der Kläger gehört, gilt das nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auf den Streitfall anzuwendende Präsidentendekret Nr. 07-308 vom 29. September 2007. Gemäß Art. 69 des Dekrets kann das Arbeitsverhältnis durch den Ablauf des Vertrags, die ordnungsgemäße akzeptierte Eigenkündigung des Arbeitnehmers, die fristlose Kündigung, die fristgerechte Entlassung mit Abfindung, die Versetzung in den Ruhestand und den Tod des Bediensteten enden. Im Falle der Vertragspflichtverletzung, einer Verletzung der Disziplin oder eines sonstigen Fehlers kann es zu einer Disziplinarmaßnahme kommen. Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes hat keine Möglichkeit, den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses geltend zu machen. Für ihn ist auch ein gesetzlicher Abfindungsanspruch nicht vorgesehen. Damit gewährleistet das algerische Recht jedenfalls für einen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes keinen Kündigungsschutz, der dem aus §§ 1 bis 14 KSchG folgenden Schutz gleichwertig wäre. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn das algerische Recht für den Verlust des Arbeitsplatzes auch im öffentlichen Dienst die Zahlung einer Abfindung vorsähe - wie dies im privaten Wirtschaftsbereich der Fall ist -, bedarf keiner Entscheidung.

50

b) Die Kündigung vom 29. August 2007 ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG unwirksam.

51

aa) Die Kündigung gilt nicht gemäß § 7 KSchG als rechtswirksam. Der Kläger hat die vorliegende Klage rechtzeitig iSv. § 4 Satz 1 KSchG, § 167 ZPO erhoben.

52

(1) Der Begriff „demnächst“ in § 167 ZPO kennt keine absolute zeitliche Grenze. Ob davon die Rede sein kann, die Zustellung der Klage sei „demnächst“ erfolgt, ist durch eine wertende Betrachtung der entsprechenden Umstände festzustellen (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 248/13 - Rn. 35). Verzögerungen im gerichtlichen Geschäftsbetrieb dürfen nicht zu Lasten des Klägers gehen (BAG 23. August 2012 - 8 AZR 394/11 - Rn. 31, BAGE 143, 50; BGH 11. Februar 2011 - V ZR 136/10 - Rn. 6). Dies gilt auch bei mehrmonatigen Aufschüben (BAG 23. August 2012 - 8 AZR 394/11 - aaO; BGH 11. Februar 2011 - V ZR 136/10 - aaO mwN).

53

(2) Die vom Kläger am 9. September 2007 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage ist der Beklagten über ihren Prozessbevollmächtigten am 8. Februar 2008 zugestellt worden. Dies war trotz der fünfmonatigen Verzögerung noch „demnächst“ iSv. § 167 ZPO. Der Aufschub ist auf die Sachbearbeitung durch das Arbeitsgericht zurückzuführen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hatte im Rahmen der vom Kläger schon zuvor erhobenen Zahlungsklage mit einem Schriftsatz, der am 5. September 2007 bei Gericht einging, angezeigt, dass er die Beklagte vertrete. Gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO hätte die Zustellung an ihn erfolgen können. Dass dies - nach dem abgebrochenen Versuch einer Auslandszustellung - erst mehrere Monate später geschah, ist vom Kläger nicht zu vertreten.

54

bb) Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, sie sei weder durch Gründe im Verhalten noch durch Gründe in der Person des Klägers bedingt. Die Beklagte habe weder substantiiert dargelegt, dass der Kläger seine Pflichten überhaupt verletzt habe, noch habe sie aufgezeigt, dass dies nach dem Zugang einschlägiger Abmahnungen geschehen sei. Soweit sie die Kündigung auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers gestützt habe, fehle es neben der Darlegung der genauen Zeiträume an der Darstellung der sich aus ihnen ergebenden betrieblichen oder wirtschaftlichen Beeinträchtigungen. Die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte ist ihnen nicht entgegengetreten.

55

2. Der Zahlungsanspruch ist berechtigt. Der Kläger hat Anspruch auf seine Vergütung für die Monate November 2007 bis Juli 2012 abzüglich der von der Agentur für Arbeit erbrachten Leistungen. Der Anspruch ergibt sich - auch - aus dem von den Parteien gewählten algerischen Recht.

56

a) Ist der vom Arbeitnehmer geltend gemachte Anspruch bereits nach dem gewählten Recht in vollem Umfang begründet, kann ihm das objektiv geltende Vertragsstatut keine günstigere Position verschaffen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob es sich bei den Regelungen über die Vergütung aus Annahmeverzug nach § 615 BGB um zwingendes Recht iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) handelt.

57

b) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gilt im algerischen Recht zwar der Grundsatz, dass dem Arbeitnehmer ohne Arbeitsleistung kein Entgeltanspruch zusteht. Gemäß Art. 37 des Präsidentendekrets 07-308 hat ein Vertragsbediensteter des algerischen Staates jedoch ein Recht auf Arbeitsbedingungen, die ihm den Erhalt seiner Würde, seiner Gesundheit sowie seiner geistigen und körperlichen Unversehrtheit ermöglichen. Nach den von keiner Partei beanstandeten Ausführungen des Sachverständigen hat der Arbeitnehmer danach ein Recht darauf, in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis auch tatsächlich beschäftigt zu werden. Wird dieser Anspruch vom Arbeitgeber nicht erfüllt, weil er die vom Arbeitnehmer angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt, besteht der Vergütungsanspruch fort.

58

c) Die darauf beruhende Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Zahlungsansprüche des Klägers seien nach algerischem Recht begründet, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

59

aa) Die Anwendung des algerischen Rechts durch das Landesarbeitsgericht kann vom Bundesarbeitsgericht nachgeprüft werden. § 73 ArbGG schließt die Revisibilität ausländischen Rechts nicht aus(BAG 10. April 1975 - 2 AZR 128/74 - zu IV 1 der Gründe, BAGE 27, 99 unter Aufgabe von BAG 20. Juli 1967 - 2 AZR 372/66 -). Dies steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Soweit dieser ausländisches Recht für nicht revisibel hält, beruht dies auf der Auslegung von § 545 Abs. 1 ZPO. Die Vorschrift ist aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte auch in ihrer seit dem 1. September 2009 geltenden Fassung nicht mit § 73 ArbGG vergleichbar(BGH 4. Juli 2013 - V ZB 197/12 - Rn. 23, BGHZ 198, 14).

60

bb) Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis. Dieses ist nach dem insoweit anzuwendenden deutschen Recht nicht wirksam beendet worden. Welche Anforderungen an das Angebot der Arbeitsleistung nach algerischem Recht zu stellen sind, hat das Landesarbeitsgericht zwar nicht abstrakt festgestellt. Es hat aber angenommen, die Zurückweisung der Kündigung mit Schreiben vom 3. September 2007 sei dafür ausreichend gewesen. Mit ihr habe der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht hinzunehmen bereit sei. Es besteht kein Anlass anzunehmen, dass dies im Sinne des algerischen Rechts kein hinreichendes Leistungsangebot sei.

61

cc) Art. 185 der Verordnung 06-03 vom 15. Juli 2006, wonach die Beklagte einen Beamten auch bei Unwirksamkeit der Kündigung nicht weiter beschäftigen darf, steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Ungeachtet der Frage, ob die Vorschrift auf die Arbeitsverhältnisse von Vertragsbediensteten im öffentlichen Dienst entsprechend anwendbar ist, enthält sie keine Regelung zur Entgeltzahlung. Sie untersagt die tatsächliche Beschäftigung nach wirksamer oder unwirksamer Kündigung. Sie ist dem Normenkomplex des Kündigungsrechts zuzuordnen und findet im vorliegenden Zusammenhang keine Anwendung.

62

III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

        

        

    Beckerle    

        

    A. Claes    

                 

(1) Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten.

(2) Im übrigen erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch nicht auf andere als die in Absatz 1 und in den §§ 18 und 19 genannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Januar 2009 - 17 Sa 1719/08 - aufgehoben, soweit es der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. Juli 2008 - 86 Ca 13143/07 - entsprochen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung, über Annahmeverzugslohn und Weiterbeschäftigung. Dabei steht im Vordergrund die Frage, ob die Beklagte Staatenimmunität genießt.

2

Der Kläger ist algerischer Herkunft. Er besitzt die algerische und die deutsche Staatsangehörigkeit, beherrscht neben der deutschen die arabische und die französische Sprache und wohnt in Berlin. Die Beklagte ist die Demokratische Volksrepublik Algerien. Sie beschäftigte den Kläger auf der Grundlage eines in französischer Sprache verfassten Arbeitsvertrags seit September 2002 als Kraftfahrer in ihrer Berliner Botschaft. Der Vertrag sieht für Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten die Zuständigkeit der algerischen Gerichte vor und weist den Kläger der deutschen Sozialversicherung zu.

3

Dem Kläger obliegt es, Gäste und Mitarbeiter - vertretungsweise auch den Botschafter - zu fahren. Ferner hat er die Korrespondenz der Botschaft zu deutschen Stellen oder zur Post zu befördern. Diplomatenpost wird von einem weiteren Mitarbeiter der Botschaft entgegengenommen bzw. weitergeleitet, der seinerseits ua. vom Kläger gefahren wird. Ob der Kläger auch Dolmetscherdienste leistet, ist streitig.

4

Ende August 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2007.

5

Der Kläger hat die Kündigung für sozialwidrig gehalten. Als Kraftfahrer sei er nicht hoheitlich tätig geworden, weshalb die Beklagte auch als ausländischer Staat vor deutschen Gerichten verklagt werden könne. International zuständig seien die deutschen, nicht die algerischen Gerichte. Die anderslautende arbeitsvertragliche Vereinbarung stehe dem nicht entgegen. In der Sache sei der Fall nach deutschem Recht zu beurteilen.

6

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung vom 29. August 2007 aufgelöst worden ist,

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Autofahrer der Berliner Botschaft weiterzubeschäftigen,

        

3.    

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungserklärung vom 29. August 2007 nicht zum 30. September 2007, sondern erst zum 31. Oktober 2007 geendet hat,

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.459,56 Euro brutto abzüglich 10.781,40 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.818,54 Euro brutto abzüglich 770,10 Euro netto seit dem 1. Dezember 2007, 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2008 sowie 1. Januar 2009 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, sie sei nach den Grundsätzen der Staatenimmunität von der deutschen Gerichtsbarkeit ausgenommen, weil der Kläger hoheitliche Aufgaben erfüllt habe. Der Kläger sei in einer Vertrauensstellung beschäftigt worden. Er habe nicht nur vertrauliche Unterlagen befördert, sondern vor allem Kontakt zu den Gästen und Mitarbeitern ihrer Botschaft und damit Kenntnis von botschaftsinternen Vorgängen gehabt, die nicht Gegenstand einer Verhandlung vor deutschen Gerichten sein könnten. Bei sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten habe der Kläger auch den Gästen der Botschaft als Dolmetscher zur Verfügung gestanden. International zuständig seien ausschließlich die algerischen Gerichte. Es sei algerisches Recht anzuwenden. Dafür sprächen ua. die algerische Staatsangehörigkeit des Klägers und die Tatsache, dass der Arbeitsvertrag in französischer Sprache abgefasst sei. Die Kündigung sei auf der Grundlage algerischer Rechtsvorschriften gerechtfertigt.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Beklagte für den Streitfall Staatenimmunität genieße. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und im Wesentlichen nach den Klageanträgen erkannt. Mit der vom Landesarbeitsgericht nur für sie zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Ob die Beklagte Staatenimmunität genießt, steht noch nicht fest (I.). Gegebenenfalls wird das Landesarbeitsgericht auch die Fragen der internationalen Zuständigkeit und der Anwendbarkeit deutschen oder algerischen Rechts neu zu würdigen haben (II.).

10

I. Ob die Beklagte der deutschen Gerichtsbarkeit unterfällt, kann der Senat nicht abschließend beurteilen.

11

1. Nach § 20 Abs. 2 GVG erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit nicht auf Personen, die gemäß den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind. Nach dem als Bundesrecht iSv. Art. 25 GG geltenden allgemeinen Völkergewohnheitsrecht sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten nicht unterworfen, soweit ihre hoheitliche Tätigkeit von einem Rechtsstreit betroffen ist. Ihre diplomatischen und konsularischen Beziehungen dürfen nicht behindert werden (vgl. zur nach wie vor hohen Bedeutung der Staatenimmunität: BVerfG 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03 - BVerfGE 117, 141; BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu A I 2 a der Gründe mwN, BAGE 113, 327, 331; 23. November 2000 - 2 AZR 490/99 - zu II 3 b der Gründe, AP GVG § 20 Nr. 2 = EzA GVG § 20 Nr. 3). Andernfalls könnte die rechtliche Prüfung durch die Gerichte eine Beurteilung des hoheitlichen Handelns erfordern mit der Folge, dass die ungehinderte Erfüllung der Aufgaben der Botschaft bzw. des Konsulats beeinträchtigt wäre (Senat 16. Mai 2002 - 2 AZR 688/00 - zu II 1 der Gründe, AP GVG § 20 Nr. 3; Schack Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 172 ff.).

12

a) Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nichthoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nicht nach deren Motiv oder Zweck. Maßgebend ist die Art der umstrittenen staatlichen Handlung oder des streitigen Rechtsverhältnisses (BVerfG 30. April 1963 - 2 BvM 1/62 - zu C II 2 der Gründe, BVerfGE 16, 27, 61 f.; BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - BAGE 113, 327). Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist die Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht des entscheidenden Gerichts zu beurteilen (BVerfG 30. April 1963 - 2 BvM 1/62 - zu C II 3 der Gründe, BVerfGE 16, 27, 62; BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - aaO; 23. November 2000 - 2 AZR 490/99 - zu II 3 c cc der Gründe, AP GVG § 20 Nr. 2 = EzA GVG § 20 Nr. 3; Schack Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 176).

13

b) Gesetzliche Regeln für die Einordnung als hoheitliches oder nichthoheitliches Handeln bestehen im Hinblick auf den Gegenstand arbeitsrechtlicher Streitigkeiten zwischen außereuropäischen Botschaften und ihrem Personal nicht (vgl. das noch nicht in Kraft getretene UN-Übereinkommen zur Staatenimmunität vom 2. Dezember 2004 - Resolution 59/38 - Art. 11; vgl. auch das hier nicht anwendbare Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität vom 16. Mai 1972 - Art. 5, BGBl. II 1990, 34 - EuStImm). Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegen arbeitsrechtliche Bestandsstreitigkeiten zwischen Botschaftsangestellten und dem betreffendem Staat der deutschen Gerichtsbarkeit nicht, wenn der Arbeitnehmer für den anderen Staat hoheitlich tätig war (23. November 2000 - 2 AZR 490/99 - AP GVG § 20 Nr. 2 = EzA GVG § 20 Nr. 3). Es kommt dabei nicht auf die rechtliche Form der Rechtsbeziehung (privatrechtlicher Vertrag oder öffentlich-rechtliches Verhältnis), sondern auf den Inhalt der ausgeübten Tätigkeit an. So ist etwa die Tätigkeit eines Aufzugsmonteurs (Senat 20. November 1997 - 2 AZR 631/96 - zu II 1 der Gründe, BAGE 87, 144, 149) oder Haustechnikers (BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu A I 2 der Gründe, BAGE 113, 327, 331) nicht hoheitlich. Betrifft die geschuldete Leistung dagegen eine originär hoheitliche Aufgabe, ist Immunität gegeben (Senat 16. Mai 2002 - 2 AZR 688/00 - zu II 2 c der Gründe, AP GVG § 20 Nr. 3),zB bei Angestellten zur Visa-Bearbeitung (Senat 16. Mai 2002 - 2 AZR 688/00 - zu II 2 a aa der Gründe, aaO) oder bei einem Pressereferenten (Senat 23. November 2000 - 2 AZR 490/99 - zu II 3 c der Gründe, aaO). Entscheidend ist der funktionale Zusammenhang zwischen den diplomatischen Aufgaben und der zu beurteilenden Tätigkeit (vgl. Kissel/Mayer GVG 5. Aufl. § 20 Rn. 5).

14

2. Diesen Grundsätzen trägt die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe keine hoheitliche Tätigkeit ausgeübt und deshalb genieße die Beklagte im Streitfall keine Immunität, nicht ausreichend Rechnung. Das Landesarbeitsgericht hat erheblichen Tatsachenvortrag der Beklagten außer Acht gelassen. Sein Urteil war deshalb aufzuheben.

15

a) Im Ansatz zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, dass die Tätigkeit eines Fahrers, der nicht in den diplomatischen Funktionszusammenhang eingebunden ist, keine hoheitliche Tätigkeit darstellt (vgl. BAG 30. Oktober 2007 - 3 AZB 17/07 - Rn. 22, IPRspr. 2007, 498, 501 f.).

16

b) Indes hat das Landesarbeitsgericht den unter Zeugenbeweis gestellten Vortrag der Beklagten, der Kläger sei nicht nur als Fahrer, sondern auch als Dolmetscher eingesetzt worden, zu Unrecht außer Acht gelassen. Trifft die entsprechende Behauptung in einem nennenswerten Umfang zu, so kann der Tätigkeit des Klägers eine andere Funktionalität zukommen als die einer reinen Hilfstätigkeit nichthoheitlicher Prägung.

17

c) Die Aufgaben einer diplomatischen Mission umfassen nach Art. 3 des Wiener Übereinkommens vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen (BGBl. II 1964, 957 ff.) die vielfältige Pflege politischer, kultureller, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Beziehungen. Dass hierbei ebenso offizielle wie auch informelle Gespräche die wichtigste Rolle spielen, liegt auf der Hand. Wenn dem Kläger aufgrund seiner Herkunft und seiner Sprachkenntnisse aufgegeben war, seine Tätigkeit als Chauffeur mit der des Dolmetschers zu verbinden, indem er zur Anbahnung und Pflege derartiger Gesprächskontakte in nennenswertem Umfang beitrug, so kann dies zu der Beurteilung führen, dass seine Tätigkeit in einem funktionellen Zusammenhang mit den diplomatischen Zielen der Botschaft stand. Auch die Beförderung von vertraulicher Post und der gelegentliche Einsatz als Fahrer des Botschafters könnten dann in einem anderen Licht erscheinen.

18

d) Der Beweisantritt der Beklagten durfte nicht als Ausforschungsbeweis unbeachtet bleiben.

19

aa) Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen (vgl. BVerfG 10. Februar 2009 - 1 BvR 1232/07 - Rn. 26, NJW 2009, 1585; BGH 25. April 1995 - VI ZR 178/94 - AP ZPO § 286 Nr. 23; 4. März 1991 - II ZR 90/90 - EzA GG Art. 9 Nr. 51 mwN). Unerheblich ist dabei, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht (BGH 9. Februar 2009 - II ZR 77/08 - Rn. 4 mwN, NJW 2009, 2137). Es ist dann Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls Zeugen nach weiteren Einzelheiten zu befragen (BGH 21. Mai 2007 - II ZR 266/04 - Rn. 8, NJW-RR 2007, 1409; 2. April 2009 - I ZR 16/07 - TranspR 2009, 410).

20

bb) Legt man diesen Maßstab zugrunde, hätte der Beweisantritt der Beklagten nur dann unbeachtet bleiben dürfen, wenn ihre Behauptung als gänzlich substanzlos, willkürlich, aus der Luft gegriffen oder ins Blaue hinein aufgestellt erschiene. Davon kann nicht die Rede sein. Es trifft zwar zu, dass die Beklagte ihrer Behauptung, der Kläger sei als Dolmetscher eingesetzt worden, weder zeitlich noch räumlich genauere Konturen verliehen hat. Indes hätte das Landesarbeitsgericht der Beklagten, wenn ihm deren Vortrag nicht hinreichend konkret erschien, einen Hinweis nach § 139 ZPO erteilen müssen. Dabei hätte es beachten müssen, dass die Staatenimmunität nicht auf prozessrechtlichem Wege eine Entwertung erfahren darf: Der Schutz der Staatenimmunität soll verhindern, dass ein Staat über den anderen im Kernbereich der staatlichen Souveränität zu Gericht sitzt (par in parem non habet imperium). Die Anforderungen an die Substantiierungslast im Prozess dürfen nicht dazu führen, dass der Staat, der sich auf Immunität beruft, auf prozessrechtlichem Wege zur Aufgabe des ihm eingeräumten Vorrechts gezwungen wird, indem er nun Einzelheiten über die vom Kläger möglicherweise entfaltete Dolmetschertätigkeit, zB Namen von Personen, Gesprächsinhalte usf. preisgeben müsste.

21

II. Sollte das Landesarbeitsgericht nach einer Beweisaufnahme zu dem Ergebnis kommen, die Beklagte sei nach den Grundsätzen der Staatenimmunität nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit ausgenommen, wird es auch die Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte und, falls es diese bejaht, die Anwendbarkeit deutschen oder algerischen Rechts erneut prüfen müssen.

22

1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte kann, wovon auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist, nach Art. 19 Nr. 1, Art. 18 Abs. 2 der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - Verordnung Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 (EuGVVO - ABl. EG L 12 vom 16. Januar 2001 S. 1, ber. ABl. EG L 307 vom 24. November 2001 S. 28) begründet sein.

23

a) Die EuGVVO ist seit ihrem Inkrafttreten am 1. März 2002 in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der EU. Die Verordnung geht nationalem Recht im Rang vor. Soweit ihr nationale Bestimmungen widersprechen, werden sie durch die EuGVVO verdrängt (BAG 24. September 2009 - 8 AZR 306/08 - AP EuGVVO Art. 18 Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Verordnung 44/2001 Nr. 4 mwN; vgl. Schack Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 218, 326).

24

b) Sind - wofür Vieles sprechen wird - die Vorschriften der Art. 18 ff. EuGVVO anwendbar, so wird zu beachten sein, dass nach Art. 18 Abs. 2 EuGVVO ein Arbeitgeber, mit dem der Arbeitnehmer einen individuellen Arbeitsvertrag geschlossen hat und der im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats keinen Wohnsitz hat(Arbeitgeber mit Wohnsitz in einem Drittstaat), so behandelt wird, als habe er einen Wohnsitz, vorausgesetzt, er unterhält in einem Mitgliedstaat eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung.

25

c) Die vom Landesarbeitsgericht bejahte Frage, ob als sonstige Niederlassung iSd. Art. 18 Abs. 2 EuGVVO auch die Botschaft eines Drittstaates angesehen werden kann, ist bisher von dem zur Auslegung der EuGVVO vorrangig zuständigen Gerichtshof der Europäischen Union nicht entschieden. Ob den Entscheidungen des Gerichtshofs in anderen Zusammenhängen ohne Weiteres mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnommen werden kann, die Botschaft der Beklagten sei als „sonstige Niederlassung“ anzusehen, erscheint zweifelhaft. Dagegen mag immerhin Artikel 7 EuStImm sprechen. Die Norm sieht vor, dass eine „andere Niederlassung“ die Staatenimmunität nur dann aufhebt, wenn der betreffende Staat von dieser anderen Niederlassung aus „auf die gleiche Weise wie eine Privatperson eine gewerbliche, kaufmännische oder finanzielle Tätigkeit ausübt“. Jedenfalls ist, soweit es die Auslegung von Art. 18 EuGVVO betrifft, Art. 267 AEUV zu beachten.

26

2. Außerhalb des Geltungsbereichs der EuGVVO richtet sich die internationale Zuständigkeit nach den Regeln über die örtliche Zuständigkeit. Da die Beklagte keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, kann die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung der Zuständigkeit der algerischen Gerichte nach § 38 Abs. 2 ZPO wirksam sein.

27

3. Sollte es auf die Frage ankommen, ob auf den Streitfall deutsches oder algerisches Recht anzuwenden ist, wird das Landesarbeitsgericht die folgenden Erwägungen beachten müssen.

28

a) Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Voraussetzungen einer stillschweigenden (konkludenten) Rechtswahl bestimmen sich nicht nach dem gewählten Recht. Vielmehr bestimmt Art. 27 Abs. 1 EGBGB selbst, unter welchen Voraussetzungen von einer stillschweigenden Rechtswahl auszugehen ist(BAG 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - BAGE 125, 24 mwN). Obgleich es keinen abschließenden Katalog einschlägiger Indizien gibt, sind bei Schuldverträgen aus Gerichtsstandsklauseln, Schiedsklauseln, vertraglichen Bezugnahmen auf ein bestimmtes Recht sowie aus der Vereinbarung eines für beide Parteien gemeinsamen Erfüllungsorts typische Hinweise auf eine stillschweigende Rechtswahl zu entnehmen. Bei Arbeitsverträgen stellt die Bezugnahme auf Tarifverträge und sonstige Regelungen am Sitz des Arbeitgebers ein gewichtiges Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl dar (vgl. BAG 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - aaO; 12. Dezember 2001 - 5 AZR 255/00 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 100, 130; 26. Juli 1995 - 5 AZR 216/94 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 157 Nr. 7 = EzA BGB § 133 Nr. 19).

29

b) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Parteien keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen haben. Bei seiner weiteren Würdigung, es liege auch keine stillschweigende Wahl algerischen Rechts vor, hat es jedoch nicht alle wesentlichen Umstände ausreichend in Betracht gezogen. In Ziff. VI des Arbeitsvertrags haben die Parteien die Zuständigkeit der algerischen Gerichtsbarkeit vereinbart. Dies kann ein gewichtiger Hinweis darauf sein, dass auch das materielle Recht Algeriens angewendet werden sollte. Im Allgemeinen dürfte dem Willen der Vertragsparteien eine Rechtswahl fernliegen, nach der ein ausländisches Gericht materielles deutsches Recht anwenden soll. Das materielle Recht und das Prozessrecht stehen regelmäßig in einer engen Wechselwirkung, was im Fall des deutschen Arbeitsrechts ganz besonders greifbar ist. Außerdem dürfte die Sicherheit in der Anwendung des materiellen Rechts eines ausländischen Staates bei den Gerichten geringer sein als bei der Anwendung des jeweiligen eigenen, innerstaatlichen Rechts. Nimmt man im Streitfall die Vertragssprache, die Herkunft des Klägers und dessen Tätigkeit im öffentlichen Dienst der Beklagten hinzu, so sprechen gewichtige Anhaltspunkte für eine stillschweigend getroffene Wahl algerischen Rechts. Gegebenenfalls muss das Landesarbeitsgericht darauf hinwirken, dass die Parteien zur Vertragspraxis Vortrag halten. Dass die Erfüllung der beiderseitigen Vertragspflichten nur in Deutschland möglich war und die Bezahlung in Euro erfolgte, liegt in der Natur der Sache und dürfte wenig Aussagekraft für die Rechtswahl haben. Der Umstand, dass der Kläger der deutschen Sozialversicherung unterlag und die Steuerschuld in Deutschland anfiel, betrifft nicht den arbeitsrechtlichen Kern des vertraglichen Pflichtengefüges.

30

c) Haben die Parteien algerisches Recht vereinbart, so ist noch zu prüfen, ob diese Rechtswahl den in Art. 30 EGBGB niedergelegten Anforderungen entspricht. Hier wird ggfs. in Betracht zu ziehen sein, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht engere Verbindungen zum algerischen Staat als zu Deutschland aufweist (Art. 30 Abs. 2 EGBGB).

31

d) Die Anwendung deutschen Kündigungsrechts ergibt sich jedenfalls nicht aus Art. 34 EGBGB. Die Vorschriften der §§ 1 - 14 KSchG stellen keine „Eingriffsnormen“ iSd. Art. 34 EGBGB dar. Nach Art. 9 Abs. 1 Rom-I-VO, die zwar auf den Streitfall noch nicht anwendbar ist, aber zur Orientierung insoweit herangezogen werden kann, sind „Eingriffsnormen“ zwingende Vorschriften, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation angesehen wird, dass sie auf alle in Betracht kommenden Sachverhalte angewendet werden müssen. Hierher gehören im Arbeitsrecht etwa die Beschäftigungsverbote für werdende Mütter, die Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung uÄ. Es muss sich um Regelungen handeln, die nicht nur zwingendes Recht darstellen, sondern darüber hinaus in besonderer Weise das allgemeine Wohl betreffen; häufig werden es Regeln sein, über deren Einhaltung staatliche Stellen wachen. Diese Voraussetzungen liegen bei den Vorschriften des allgemeinen Kündigungsschutzes nicht vor. Sie dienen nach dem individualrechtlichen Konzept des deutschen Kündigungsschutzrechts in erster Linie dem Ausgleich eines Konflikts zwischen Privatleuten und nur mittelbar sozialpolitischen Zwecksetzungen (Senat 24. August 1989 - 2 AZR 3/89 - BAGE 63, 17; ErfK/Schlachter 10. Aufl. Art. 27 - 34 EGBGB Rn. 16; Palandt/Thorn BGB 68. Aufl. Art. 34 EGBGB Rn. 3b; Junker in jurisPK/BGB 4. Aufl. Art. 34 EGBGB Rn. 35; HWK/Tillmanns 4. Aufl. Art. 3, 8, 9 ROM-I-VO Rn. 33 ff.; Deinert RdA 2009, 144).

        

    Kreft    

        

    Eylert    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Gans    

        

    Nielebock    

                 

(1) Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten.

(2) Im übrigen erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch nicht auf andere als die in Absatz 1 und in den §§ 18 und 19 genannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 17. November 2011 - 15 Sa 864/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Änderungskündigung.

2

Die beklagte Republik unterhält in der Bundesrepublik Deutschland mehrere Schulen, darunter ein Lyzeum und ein Gymnasium in D. Sie haben den Status staatlich anerkannter Ergänzungsschulen.

3

Der Kläger ist seit 1994 bei der Beklagten beschäftigt. Sein Einsatz erfolgte an den Ergänzungsschulen in D. Sein Bruttomonatsgehalt betrug 3.367,73 Euro.

4

Dem Arbeitsverhältnis liegt ua. der Arbeitsvertrag vom 20. Oktober 1994 zugrunde. Dort heißt es:

        

„…    

        
        

6.    

Der Lehrer wird gemäß deutschem BAT eingestuft und besoldet …

                 

…       

        

10.     

Wenn der Arbeitnehmer wegen Krankheit nicht arbeiten kann, ohne dass er Verursacher seiner Krankheit ist, wird die Weiterzahlung seines Gehalts nach § 37 des BAT geregelt.

                 

…       

        

16.     

Der Gerichtsstand für alle sich ergebenden Themen ist derjenige der Stadt D.“

5

Mit Schreiben vom 9. November 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos und bot dem Kläger die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen an. In dem Kündigungsschreiben heißt es:

        

„… zur Überwindung der Wirtschaftskrise und zur Anwendung des unterstützenden Mechanismus der griechischen Wirtschaft von den Mitgliedsstaaten der Eurozone und des Internationalen Währungsfonds, beschloss der griechische Staat die Kürzung der Gehälter aller Beschäftigten / von ihm Besoldeten (G 3833/2010 und G 3845/2010). Für Arbeitsverträge wie Ihren wurde eine Kürzung des monatlichen Bruttoeinkommens von 7 % und 3 % vorgenommen, d. h. 282,48 Euro monatlich, sowie die Abschaffung der Jahressonderzahlung. Die Minderung von 7 % erfolgte ab dem 01.01.2010 und die Minderung von 3 % erfolgte ab dem 01.06.2010.

        

Aus den o. g. Gründen und der Anweisung der Direktion für das Auslandswesen interkultureller Bildung Prot.Nr. 821/2930E/130071/Z 1 vom 15.10.2010, kündigen wir den bestehenden Arbeitsvertrag aus wichtigem Grunde sofort und ohne jegliche Frist. Gleichzeitig bieten wir Ihnen einen neuen Arbeitsvertrag zu folgenden Bedingungen an:

        

1.    

Minderung des monatlichen Bruttoeinkommens um 282,48 Euro,

        

2.    

Abschaffung der Jahressonderzahlung.

        

Zusätzlich setzen wir Sie in Kenntnis, dass zukünftig keine automatischen Lohnerhöhungen gemäß TV-L bezahlt werden, sondern nach Entscheidung Ihres Arbeitgebers, nämlich entsprechend der Einsparpolitik des griechischen Staates.

        

Alle anderen Bedingungen bleiben unverändert. …“

6

Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter Vorbehalt an. Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat er sich gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen gewandt. Er hat bestritten, dass allen Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Beklagten das Gehalt gekürzt worden sei. Ihm seien Arbeitskollegen bekannt, bei denen die Kürzung nicht oder nicht in gleichem Umfang erfolgt sei. Das Änderungsangebot sei unbestimmt. Die Änderungskündigung sei auch unverhältnismäßig, weil die Beklagte ihre wirtschaftliche Lage und ihre Sanierungsplanung nicht nachvollziehbar dargelegt habe.

7

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 9. November 2010 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die deutsche Gerichtsbarkeit sei nach § 20 Abs. 2 GVG nicht gegeben. Ein angestellter Lehrer unterstehe den Weisungen ihres Konsuls in D und übe sowohl nach deutschem als auch nach ihrem - griechischen - Recht hoheitliche Aufgaben aus. Die Änderung der Arbeitsbedingungen sei im Übrigen gerechtfertigt. Sie sei Ende Februar/Anfang März 2010 finanziell nicht in der Lage gewesen, die Gehälter und Renten ihrer etwa eine Million Beschäftigten aufzubringen. Um weitere zwingend erforderliche Kredite zu erhalten und damit eine Insolvenz zu vermeiden, in deren Folge sie aus der europäischen Währungsunion würde austreten müssen, habe sie Verhandlungen mit den Geberländern aufgenommen. Danach habe sie nur die Möglichkeit gehabt, entweder ca. 250.000 Bedienstete zu entlassen oder die Gehälter und Renten ausnahmslos aller Bediensteten durch Parlamentsgesetz radikal zu kürzen. Sie habe sich für letztere Möglichkeit entschieden und nach den Vorgaben der Geberländer die Gesetze 3833/2010 „Schutz der nationalen Wirtschaft - Notstandsmaßnahmen zur Bekämpfung der Finanzkrise“ (Kürzung jeder Art regulärer Bezüge um 7 % mit Wirkung ab 1. Januar 2010) und 3845/2010 „Maßnahmen zur Anwendung des Unterstützungsmechanismus der griechischen Wirtschaft von den EU-Mitgliedsländern der Eurozone und vom Internationalen Währungsfonds“ (Kürzung um weitere 3 % sowie Kürzung bzw. Streichung von Weihnachtsgeld, Ostergeld und Urlaubsgeld mit Wirkung ab 1. Juni 2010) erlassen.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, die deutsche Gerichtsbarkeit sei nicht gegeben. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Das Landesarbeitsgericht durfte die Klage nicht als unzulässig abweisen. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist gegeben. Die Beklagte ist nicht nach § 20 Abs. 2 GVG von ihr befreit. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).

11

I. Die Klage ist zulässig.

12

1. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist gegeben.

13

a) Nach § 20 Abs. 2 GVG iVm. dem Allgemeinen Völkergewohnheitsrecht als Bestandteil des Bundesrechts (Art. 25 GG) sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten insoweit nicht unterworfen, wie ihre hoheitliche Tätigkeit von einem Rechtsstreit betroffen ist. Es ist mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus abgeleiteten Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht zu vereinbaren, dass ein deutsches Gericht hoheitliches Handeln eines anderen Staates rechtlich überprüft (vgl. BVerfG 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03 - Rn. 34, BVerfGE 117, 141; BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -; 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 14 mwN).

14

aa) Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nach dem rechtlichen Charakter des konkreten staatlichen Handelns oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt oder wie eine Privatperson tätig geworden ist. Geht es - wie hier - um eine Streitigkeit aus einem Arbeitsverhältnis, ist maßgebend, ob die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben ihrer Art nach hoheitlich oder nicht-hoheitlich sind. Entscheidend sind der Inhalt der ausgeübten Tätigkeit (BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -; 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 17, jeweils mwN) sowie ihr - bestehender oder nicht bestehender - Zusammenhang mit den diplomatischen und konsularischen Aufgaben (BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 13).

15

bb) Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist diese Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht am Sitz des entscheidenden Gerichts vorzunehmen. Ungeachtet seiner ist stets hoheitlich nur das staatliche Handeln, das dem Kernbereich der Staatsgewalt zuzurechnen ist. Zu ihm gehören die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege (BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -; 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 15 f. mwN).

16

b) Danach ist die Beklagte im Streitfall nicht wegen ihrer Immunität von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Der Kläger nimmt keine hoheitlichen Aufgaben wahr.

17

aa) Die Tätigkeit des Klägers gehört nicht zum Kernbereich der Staatsgewalt. Die Beurteilung, ob es sich um dennoch hoheitliche Tätigkeit handelt, richtet sich daher nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland.

18

bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Tätigkeit des Klägers nicht deshalb hoheitlich, weil die Unterhaltung des Schulwesens - sowohl nach griechischem als auch nach deutschem Recht - eine staatliche Aufgabe ist. Der Staat handelt bei Wahrnehmung seiner vielfältigen Aufgaben nicht stets und notwendig hoheitlich. Die Charakterisierung einer Aufgabe als staatliche ist deshalb für die Abgrenzung von hoheitlichem und nicht-hoheitlichem Handeln nicht maßgebend (vgl. BAG 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 15). Es kommt vielmehr auf die dem Arbeitnehmer übertragene Tätigkeit an. Diese ist bei Lehrern an einer allgemeinbildenden staatlichen oder staatlich anerkannten Schule nicht iSv. § 20 Abs. 2 GVG hoheitlich geprägt. Die Tätigkeit von Lehrern an einer solchen Schule ist nicht Ausdruck der Souveränität des Staates nach innen oder außen in einem für diese Bestimmung maßgebenden Sinne. Sie steht in keinem funktionalen Zusammenhang mit diplomatischen oder konsularischen Aufgaben und ist auch nicht die Ausübung einer hoheitsrechtlichen Befugnis, die mit Blick auf Art. 33 Abs. 4 GG in der Regel Beamten zu übertragen wäre(vgl. BVerfG 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - Rn. 63 ff., BVerfGE 119, 247; BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -; 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 20).

19

2. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar. Die deutschen Gerichte sind auch international zuständig.

20

a) Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Der für ihre Anwendung erforderliche Auslandsbezug (vgl. dazu EuGH 17. November 2011 - C-327/10 - [Lindner] Rn. 29; BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 21) ist gegeben. Die Beklagte ist ein ausländischer Staat ohne „Sitz“ im Inland iSv. Art. 19 EuGVVO(vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -).

21

b) Nach Art. 18 Abs. 1, Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO kann ein Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, an dem Ort in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Dieser Ort - der gewöhnliche Arbeitsort - liegt im Streitfall in D.

22

II. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Ob die Klage begründet ist, vermag der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die materielle Wirksamkeit der Änderungskündigung nicht geprüft und entsprechende Feststellungen nicht getroffen. Dies wird es unter Beachtung der nachstehenden Erwägungen nachzuholen haben.

23

1. Die Wirksamkeit der Änderungskündigung richtet sich nach deutschem materiellen Recht.

24

a) Die Bestimmung des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren materiellen Rechts ist nach Art. 27 ff. EGBGB (aF) vorzunehmen. Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) findet gem. ihrem Art. 28 auf den Streitfall noch keine Anwendung. Der Arbeitsvertrag der Parteien wurde vor dem 17. Dezember 2009 geschlossen.

25

b) Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB(aF) unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich auch aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falls ergeben. Bei Arbeitsverträgen können Gerichtsstandsklauseln, die Vereinbarung eines für beide Parteien gemeinsamen Erfüllungsorts oder die Bezugnahme auf Tarifverträge typische Hinweise auf eine stillschweigende Rechtswahl enthalten (vgl. BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 28; 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - Rn. 32, BAGE 125, 24).

26

c) Danach haben die Parteien im Streitfall konkludent die Anwendung deutschen Rechts vereinbart. Sie haben arbeitsvertraglich einen deutschen Tarifvertrag in Bezug genommen. Die auf diese Weise getroffene Rechtswahl entspricht im Ergebnis der Regelung des Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB(aF). Danach unterliegen Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse bei Fehlen einer Rechtswahl dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Dies ist hier Deutschland.

27

2. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb zu prüfen haben, ob nach dem anwendbaren deutschen Recht die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung wirksam erfolgt ist.

28

a) Dabei wird das Landesarbeitsgericht - ggf. nach weiterem Sachvortrag der Parteien und uU auf der Grundlage eines völker- und staatsrechtlichen Gutachtens - zunächst der Frage nachgehen müssen, welche Rechtsqualität die im bisherigen Prozessverlauf nicht umfassend vorgelegten griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 haben und ob diese die Beklagte angesichts ihrer drohenden Insolvenz und der Auflagen der Geberländer völkerrechtlich berechtigen, unmittelbar korrigierend auch in solche Arbeitsverhältnisse einzugreifen, die außerhalb ihres Staatsgebiets vollzogen werden (vgl. dazu BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -).

29

b) Sollte danach die Änderung der Vertragsbedingungen bereits unabhängig von der ausgesprochenen Änderungskündigung eingetreten sein, könnte der Änderungsschutzantrag allein deshalb unbegründet sein. Die Begründetheit einer nach Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt erhobenen Änderungsschutzklage iSv. § 4 Satz 2 KSchG setzt voraus, dass in dem Zeitpunkt, zu welchem die angebotene Vertragsänderung wirksam werden soll, das Arbeitsverhältnis nicht ohnehin zu den Bedingungen besteht, die dem Arbeitnehmer mit der Kündigung angetragen wurden. Zielt eine Änderungskündigung ausschließlich auf die Herbeiführung von Vertragsbedingungen, die auch ohne sie für das Arbeitsverhältnis gelten, ist die Kündigung zwar „überflüssig“ und wegen der mit ihr einhergehenden Bestandsgefährdung unverhältnismäßig. Nach Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt seiner sozialen Rechtfertigung steht deren Wirksamkeit aber nicht (mehr) im Streit. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen. Die Feststellung, dass die dem Arbeitnehmer mit der Änderungskündigung angetragenen Vertragsbedingungen sozial ungerechtfertigt sind, kann das Gericht nicht treffen, wenn sich das Arbeitsverhältnis bei Kündigungsausspruch schon aus anderen Gründen nach diesen Bedingungen richtet (BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 14, BAGE 140, 328; 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 14). Die Wirksamkeit der Kündigung steht allenfalls dann weiterhin im Streit, wenn der Arbeitnehmer die Annahme des Änderungsangebots unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG mit dem weiteren Vorbehalt verbunden haben sollte, dass die Änderungskündigung nicht „überflüssig“ ist.

30

c) Für den Fall, dass eine Änderung der Arbeitsbedingungen nicht unmittelbar durch die griechischen Gesetze herbeigeführt worden ist, wird das Landesarbeitsgericht davon auszugehen haben, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht bereits deshalb unwirksam ist, weil es an einem hinreichend bestimmten Änderungsangebot fehlte.

31

aa) Ein mit der - ordentlichen oder außerordentlichen - Kündigung unterbreitetes Änderungsangebot muss eindeutig bestimmt, zumindest bestimmbar sein (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 29; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 18). Ihm muss - ggf. nach Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB - zweifelsfrei zu entnehmen sein, welche Arbeitsbedingungen künftig gelten sollen. Der Inhalt des Änderungsangebots muss zudem nach § 623 BGB im Kündigungsschreiben zumindest hinreichenden Anklang gefunden haben(BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 31; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 18). Nur so kann der Arbeitnehmer eine abgewogene Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen. Unklarheiten gehen zulasten des Arbeitgebers. Sie führen zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 29; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 15 mwN, BAGE 132, 78).

32

bb) Im Streitfall ist das Änderungsangebot hinreichend bestimmt. Es genügt auch dem Schriftformerfordernis nach § 623 BGB.

33

(1) Das Änderungsangebot ist - anders als der Kläger gemeint hat - nicht in sich widersprüchlich und deshalb unbestimmt, weil das Schreiben zunächst von einer Kürzung der Bezüge schon ab dem 1. Januar und dem 1. Juni 2010 ausgeht. Bei diesen einleitenden Ausführungen handelt es sich ersichtlich nicht bereits um das mit der Änderungskündigung verbundene Vertragsangebot selbst, sondern nur um die Erläuterung des Anlasses für deren Ausspruch. Die Kündigung als einseitige Willenserklärung wird erst im Anschluss an diese Erläuterung erklärt. Danach „kündigt“ die Beklagte den Arbeitsvertrag „aus wichtigem Grunde sofort und ohne jegliche Frist“. Daraus folgt hinreichend deutlich, dass die Kündigung nur mit Wirkung für die Zukunft und nicht auch rückwirkend erfolgen sollte.

34

(2) Das Änderungsangebot ist auch der Höhe nach hinreichend bestimmt. Der Umfang der monatlichen Kürzung des Gehalts ist mit 282,48 Euro exakt angegeben. Ob dieser Betrag den gesetzlichen Vorgaben rechnerisch entspricht und ob sich die Beklagte tatsächlich auf eine Gehaltskürzung in dieser Höhe beschränkt hat, ist für die Bestimmtheit des Änderungsangebots unerheblich.

35

(3) Es mag unklar sein, ob für das Jahr 2010 noch eine Jahressonderzahlung zu leisten ist. Dies steht der Bestimmtheit des Änderungsangebots nicht entgegen. Nach dem - eindeutigen - Wortlaut des Änderungsangebots soll zukünftig eine Jahressonderzahlung nicht mehr geleistet werden. Ein Anspruch auf eine - zumindest anteilige - Jahressonderzahlung für das Jahr 2010 kann sich allenfalls aus dem alten, nicht aber aus dem neuen Vertrag ergeben.

36

(4) Soweit die Beklagte im Rahmen des Änderungsangebots ergänzend mitteilt, dass zukünftig Gehaltserhöhungen nicht automatisch gemäß dem Tarifvertrag (TV-L), sondern nach Entscheidung des Arbeitgebers erfolgen sollen, ist das Angebot ebenfalls hinreichend bestimmt. Die Beklagte stellt auf diese Weise klar, dass die Bezugnahme auf den TV-L künftig nicht (mehr) dynamisch wirken soll. Daraus wird hinreichend deutlich, dass der neue Arbeitsvertrag nach der Vorstellung der Beklagten keinen Automatismus zu Gehaltserhöhungen (mehr) enthält. Der Hinweis auf mögliche künftige Gehaltserhöhungen aufgrund einzelner Entscheidungen ihrerseits hat lediglich mitteilenden Charakter.

37

d) Das Landesarbeitsgericht wird ggf. zudem den Fragen nachzugehen haben, ob - unter Berücksichtigung einer dem ausländischen Parlament zuzugestehenden Einschätzungsprärogative - ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB für die Erklärung einer fristlosen Kündigung gegeben war, ob die Beklagte eine Auslauffrist hätte einhalten müssen(vgl. dazu zuletzt BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 14 mwN) und ob sie die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt hat. Im Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung kommt deren Umdeutung in eine ordentliche Kündigung nur in Betracht, wenn der Kläger nicht aufgrund der bestehenden arbeitsvertraglichen Regelungen (bereits) ordentlich unkündbar war. Falls die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses noch möglich und eine Umdeutung geboten ist, hat das Landesarbeitsgericht zu prüfen, ob das Kündigungsschutzgesetz gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 seiner Regelungen Anwendung findet und die Kündigung auch dann rechtswirksam ist.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    Eulen    

        

    Bartz    

                 

(1) Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten.

(2) Im übrigen erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch nicht auf andere als die in Absatz 1 und in den §§ 18 und 19 genannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 16. Dezember 2010 - 6 Sa 359/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens über die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin, der E A T N.V./S.A. (nachfolgend EAT), seit Januar 2008 als Flugkapitänin beschäftigt. Bei EAT handelte es sich um eine Gesellschaft belgischen Rechts mit Sitz in Z/B. Sie führte Charterflüge für andere Luftfrachtgesellschaften durch. Mit Eintragung vom 26. März 2010 wurde sie auf die Beklagte verschmolzen.

3

Zwischen der Klägerin und EAT wurde unter dem Datum des 12. Dezember 2007 ein Arbeitsvertrag in flämischer Sprache mit englischer Übersetzung geschlossen. Er lautet in beglaubigter deutscher Übersetzung auszugsweise wie folgt:

        

„1. Arbeitsverhältnis

        

Die Arbeitnehmerin wird ab dem 15.01.2008 von dem Arbeitgeber auf Basis eines Arbeitsvertrags auf unbestimmte Zeit mit einer Probezeit von sechs Monaten eingestellt. Die Arbeitnehmerin bekommt die folgende Stelle: Captain B 757.

        

…       

        

9. Nur die Gerichte in dem Bezirk des Ortes des Betriebssitzes des Arbeitgebers sind befugt, Streitigkeiten bezüglich des vorliegenden Vertrags zu entscheiden.“

4

Ursprünglich wickelte EAT den Charterverkehr vom Flughafen Br aus mit in B registrierten Flugzeugen ab. Seit April 2008 betrieb sie eine sog. Crew Base am Flughafen L. Sie richtete dort Büroräumlichkeiten mit Computerarbeitsplätzen für die Piloten ein, in denen diese die Dienstvorbereitungen treffen und Nachbereitungen durchführen konnten. Die Klägerin kam dort ihren Dokumentationspflichten nach, führte dort das Briefing mit dem Copiloten durch, prüfte die Wetterlage, entschied über die Betankung des Flugzeugs und traf alle erforderlichen Flugvorbereitungen. Sie führte von L aus Flüge zu Zielflughäfen überwiegend in Europa durch. Die Flugzeiten betrugen täglich regelmäßig zwei bis vier Stunden. Die Einsätze endeten jeweils in L. Dort hielt sich die Klägerin auch während ihrer Bereitschaftsdienstzeiten auf.

5

Am 24. April 2008 schlossen EAT und die Klägerin ein „Addendum“ zum Arbeitsvertrag. Darin heißt es in der beglaubigten deutschen Übersetzung:

        

„Zwischen beiden Parteien wird … vereinbart, dass der Arbeitsvertrag in gegenseitigem Einvernehmen wie folgt angepasst wird:

        

1.    

Arbeitsverhältnis

                 

Ab dem 25.04.2008 ist die Arbeitnehmerin als Captain tätig mit L als Crew Base. Die Arbeitnehmerin beginnt und beendet demzufolge ihre Duties auf der Crew Base in L.

        

…       

        
        

7.    

Nur die Gerichte in dem Bezirk Br sind befugt, Streitigkeiten bezüglich des vorliegenden Vertrags zu entscheiden. Die belgische Gesetzgebung ist anwendbar, insoweit andere gesetzliche Bestimmungen nicht zwingend anwendbar sind.

                 

Im Übrigen bleiben alle bestehenden Arbeitsbedingungen unverändert anwendbar.“

6

EAT kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Einschreiben vom 19. März 2009 außerordentlich und begründete die Kündigung mit Schreiben vom 23. März 2009. Zumindest das Schreiben vom 23. März 2009 holte die Klägerin am 9. April 2009 von der Post ab. Das Schreiben vom 19. März 2009 war ihr zuvor per E-Mail zugegangen. Der Klägerin wurde die Verletzung von Dokumentationspflichten vorgeworfen.

7

Mit ihrer am 14. April 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen „die außerordentliche Kündigung vom 23.03.2009, zugegangen … am 09.04.2009“ gewehrt. Sie hat zugleich die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände ende, sondern fortbestehe. Mit Schriftsatz vom 25. April 2009 hat sie den Kündigungsschutzantrag auf „die außerordentliche Kündigung vom 19.03.2009 …, zugegangen am 09.04.2009“ erweitert.

8

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, für die Klage sei die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben. EAT habe eine Niederlassung in L betrieben und ihr von dort Weisungen erteilt. Der Ort, an dem sie gewöhnlich ihre Arbeit verrichtet habe, sei L. Ihre Vor- und Nachbereitungszeiten seien sowohl inhaltlich als auch in zeitlicher Hinsicht als bedeutend anzusehen. Auch unter Berücksichtigung der Flugzeiten erbringe sie ihre Arbeit überwiegend in Deutschland. Sie sei in die Niederlassung in L eingegliedert gewesen. Die Gerichtsstandsvereinbarungen in den Verträgen seien unwirksam. Sie verstießen gegen gesetzliche Vorschriften. Außerdem habe die Beklagte mittlerweile ihren Sitz in Deutschland. Für die internationale Zuständigkeit komme es nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung, sondern auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz an. Der Grundsatz der perpetuatio fori gelte nur bei Zuständigkeit, nicht aber bei Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts.

9

Die Klägerin hat zuletzt - nur noch - beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 23. März 2009, zugegangen durch eingeschriebenen Brief am 9. April 2009, nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihr ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die deutschen Gerichte seien international unzuständig. Es gelte die Gerichtsstandsvereinbarung aus dem Arbeitsvertrag vom 12. Dezember 2007, klargestellt durch die Regelung im Ergänzungsvertrag vom 24. April 2008. Da die Regelung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von den Regelungen in Art. 18 ff. der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) nicht abgewichen sei, sei die Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 21, Art. 23 EuGVVO zulässig. EAT als ihre Rechtsvorgängerin habe lediglich eine unselbständige Niederlassung in L betrieben. Sämtliche Arbeitgeberrechte seien gegenüber der Klägerin von Z aus ausgeübt worden. Ein Arbeitsort iSd. Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO sei bei Flugkapitänen aufgrund ihrer primär auf das Führen eines Flugzeugs ausgerichteten Tätigkeit nicht bestimmbar. Es sei daher gemäß Art. 19 Nr. 2 Buchst. b EuGVVO auf die Niederlassung in Z, die die Klägerin eingestellt habe, abzustellen. Die Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich nicht aus dem Wohnsitzgerichtsstand gemäß Art. 19 Nr. 1 EuGVVO. Insofern komme es allein auf den Zeitpunkt der Klageerhebung an. Eine ursprünglich nicht gegebene Zuständigkeit könne nicht durch nachträgliche Ereignisse - wie die Verschmelzung von EAT auf sie, die Beklagte - begründet werden.

11

Das Arbeitsgericht hat mit Zwischenurteil auf die Zulässigkeit der Klage erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte den Antrag weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht als zulässig angesehen. Die deutschen Gerichte sind international zuständig. Dies kann der Senat ohne Anrufung des Europäischen Gerichtshofs nach Art. 267 AEUV entscheiden.

13

I. Gegenstand der Klage ist die Wirksamkeit einer einzigen, einheitlichen Kündigung seitens der Beklagten vom 19. März 2009 - begründet mit Schreiben vom 23. März 2009. Zwar hat das Landesarbeitsgericht die Klage hinsichtlich des Antrags für zulässig erklärt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung „vom 23.03.2009“ nicht aufgelöst worden ist, und hat die Klägerin an ihrem ursprünglichen Antrag, der sich zumindest auch gegen eine Kündigung vom 19. März 2009 richtete, nicht festgehalten. Die Beklagte berühmt sich jedoch keiner Kündigung vom 23. März 2009, sondern einer solchen, die sie mit Schreiben vom 19. März 2009 erklärt und anschließend mit Schreiben vom 23. März 2009 - wie nach belgischem Recht erforderlich - begründet habe. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich, dass sie sich gegen eben diese - einheitliche - Kündigung zur Wehr setzt. Damit ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens - anders als der Tenor der angefochtenen Entscheidung wiedergibt - die Unwirksamkeit der Kündigung vom 19. März 2009.

14

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist nicht deshalb rechtsfehlerhaft und gemäß § 562 ZPO aufzuheben, weil sie iSv. § 547 Nr. 6 ZPO nicht mit Gründen versehen wäre.

15

1. Eine Entscheidung ohne Gründe iSd. § 547 Nr. 6 ZPO liegt nicht nur dann vor, wenn das Berufungsurteil schon äußerlich keine Begründung enthält. Ein Urteil ist auch dann nicht mit Gründen versehen, wenn aus ihm nicht zu erkennen ist, welche tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen für das Gericht maßgeblich waren. Gründe im Rechtssinne fehlen, wenn die Ausführungen des Urteils unverständlich sind, also die für die Entscheidung maßgeblichen Überlegungen nicht erkennen lassen. Dies kann bei leeren Redensarten oder der bloßen Wiedergabe des Gesetzes der Fall sein (BAG 18. November 2008 - 3 AZR 417/07 - Rn. 16, EzA BetrAVG § 7 Nr. 74).

16

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung begründet. Sein Urteil gibt zu erkennen, dass es die deutschen Gerichte gemäß Art. 19 Nr. 1 EuGVVO für international zuständig gehalten hat. Es hat dabei auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Entscheidung abgestellt. Es hat sich auch mit der Ansicht der Beklagten auseinandergesetzt, aufgrund vertraglicher Regelung seien ausschließlich die belgischen Gerichte zuständig. Insofern hat es angenommen, die arbeitsrechtlichen Gerichtsstände der EuGVVO könnten durch anderslautende Vereinbarungen nicht ausgeschlossen werden.

17

III. Ob sich der Wohnsitzgerichtsstand nach Art. 19 Nr. 1 EuGVVO allein nach den Verhältnissen bei Klageerhebung richtet, wie die Beklagte meint, oder ob Veränderungen der maßgeblichen Umstände noch später zuständigkeitsbegründend wirken können, bedarf keiner abschließenden Klärung. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt jedenfalls aus Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO (1.). Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob im Streitfall auch der Gerichtsstand der Niederlassung nach Art. 5 Nr. 5 iVm. Art. 18 Abs. 1 EuGVVO zur internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte führte. Die Vereinbarung der Parteien über eine ausschließliche Zuständigkeit belgischer Gerichte ist gemäß Art. 23 Abs. 5 EuGVVO unwirksam(2.).

18

1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt aus dem Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsorts der Klägerin iSv. Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO. Für diese Beurteilung bedarf es keines Vorabentscheidungsersuchens an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV. Die Auslegung des Begriffs des „Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“, ist durch Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs geklärt. Die Anwendung einer Bestimmung des Unionsrechts auf den konkreten Rechtsstreit obliegt dem nationalen Gericht (vgl. EuGH 15. Dezember 2011 - C-384/10 - [Voogsgeerd] Rn. 30, EzA EG-Vertrag 1999 Verordnung 593/2008 Nr. 2 ).

19

a) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte richtet sich im Streitfall nach der EuGVVO. Diese ist seit ihrem Inkrafttreten am 1. März 2002 in allen ihren Teilen verbindlich, gilt unmittelbar und geht nationalem Recht im Rang vor (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 646/09 - Rn. 14 f., BAGE 137, 71; 24. September 2009 - 8 AZR 306/08 - Rn. 26 mwN, BAGE 132, 182 ). Gemäß ihrem Art. 1 ist sie mit Ausnahme einiger ausdrücklich angegebener Rechtsbereiche auf alle Rechtsstreitigkeiten in Zivil- und Handelssachen anzuwenden. Die Beklagte unterfällt ihren Bestimmungen, weil sie ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland und damit in einem EU-Mitgliedstaat hat. Nach Art. 60 Abs. 1 EuGVVO haben Gesellschaften und juristische Personen ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet. Das ist hier L. Käme es, wie die Beklagte meint, auf den Sitz ihrer Rechtsvorgängerin bei Klageerhebung an, änderte sich an der Anwendbarkeit der EuGVVO nichts. Diese hatte ihren Sitz im EU-Mitgliedstaat B.

20

b) Da Gegenstand des Verfahrens Ansprüche sind, die aus einem individuellen Arbeitsvertrag abgeleitet werden, bestimmt sich die internationale Zuständigkeit nach Kapitel II Abschn. 5 der EuGVVO. Maßgebend sind danach Art. 18 ff., soweit darin nicht auf andere Vorschriften der EuGVVO verwiesen wird (EuGH 19. Juli 2012 - C-154/11 - [Mahamdia] Rn. 38, EzA EG-Vertrag 1999 Verordnung 44/2001 Nr. 7; 22. Mai 2008 - C-462/06 - [Glaxosmithkline] Rn. 19, Slg. 2008, I-3965; BAG 27. Januar 2011 2 AZR 646/09 - Rn. 17, BAGE 137, 71).

21

c) Die in den Vorschriften der EuGVVO über die Zuständigkeit für Arbeitsverträge enthaltenen Begriffe sind in Übereinstimmung mit den Kriterien auszulegen, die der Europäische Gerichtshof zu den gleich lautenden Begriffen im Brüsseler Übereinkommen von 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüsseler Übereinkommen, ABl. 1972, L 299, S. 32) entwickelt hat (vgl. EuGH 19. Juli 2012 - C-154/11 - [Mahamdia] Rn. 47, EzA EG-Vertrag 1999 Verordnung 44/2001 Nr. 7). Für die Bestimmung des nach Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO maßgebenden Ortes, „an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“, ist damit auf das Verständnis des identischen Begriffs in Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens zurückzugreifen(BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 646/09 - Rn. 21, BAGE 137, 71). Für dieses Verständnis wiederum ist das Ziel der Regelung zu berücksichtigen, dem Arbeitnehmer als der schwächeren Vertragspartei einen angemessenen Schutz zu gewährleisten (vgl. EuGH 19. Juli 2012 - C-154/11 - [Mahamdia] Rn. 46 mwN, aaO). Ein solcher Schutz ist größer, wenn Streitigkeiten aus einem Arbeitsvertrag in die Zuständigkeit der Gerichte des Ortes fallen, an dem der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber faktisch erfüllt. An diesem Ort kann sich der Arbeitnehmer mit dem geringsten Kostenaufwand aktiv an die Gerichte wenden oder sich vor ihnen als Beklagter zur Wehr setzen (EuGH 13. Juli 1993 - C-125/92 - [Mulox IBC] Rn. 19, Slg. 1993, I-4075).

22

aa) Unter dem Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, ist der Ort zu verstehen, an dem er die mit seinem Arbeitgeber vereinbarten Tätigkeiten tatsächlich ausübt (EuGH 10. April 2003 - C-437/00 - [Pugliese] Rn. 19 mwN, Slg. 2003, I-3573). Erfüllt er die Verpflichtungen aus seinem Arbeitsvertrag in mehreren Mitgliedstaaten, ist dies der Ort, an dem oder von dem aus er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt (EuGH 10. April 2003 [Pugliese] Rn. 19, aaO; 27. Februar 2002 - C-37/00 - [Weber] Rn. 58, Slg. 2002, I-2013; 9. Januar 1997 - C-383/95 - [Rutten] Rn. 23, Slg. 1997, I-57; 13. Juli 1993 - C-125/92 - [Mulox IBC] Rn. 26, Slg. 1993, I-4075).

23

bb) Eine hiervon abweichende Regelung für Flugzeugführer oder Flugzeugpersonal gibt es nicht. Insbesondere enthält die Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft keine Regelungen zur Bestimmung des gewöhnlichen Arbeitsorts von Flugpersonal.

24

d) Bei Anwendung dieser Grundsätze war im Streitfall die „Crew-Base“ in L der gewöhnliche Arbeitsort der Klägerin im Sinne von Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO. Dort bzw. von dort aus hat sie den wesentlichen Teil ihrer Verpflichtungen gegenüber der EAT tatsächlich erfüllt.

25

aa) Die Klägerin hat ihre Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten ausgeübt. Zu ihren wesentlichen Aufgaben als Flugkapitänin gehörten neben dem Fliegen auch die Vor- und Nachbereitung der von ihr durchgeführten Flüge.

26

bb) Die Klägerin hat seit ihrer Versetzung an die „Base“ in L im April 2008 und damit während der überwiegenden Zeit der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses ihre Arbeit dort aufgenommen und beendet. Sie hat die ihre Tätigkeit betreffenden Weisungen in L entgegengenommen, hat ihre Flüge von dort aus durchgeführt und hat sie dort beendet. Zu Gunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass die der Klägerin erteilten Weisungen von Z aus erfolgten. Das ist für die Bestimmung des gewöhnlichen Arbeitsorts der Klägerin ohne Bedeutung.

27

cc) In L begannen und endeten nicht nur die Flugeinsätze der Klägerin. Sie führte dort auch die Vor- und Nachbereitung der Flüge, insbesondere sicherheitsrelevante Vorbereitungen durch. Dafür stand ihr auf der „Base“ in L ein eingerichteter Arbeitsplatz zur Verfügung. Hinzu kommt, dass sie sich auch während ihres Bereitschaftsdienstes auf der „Base“ oder in deren unmittelbarer Nähe aufzuhalten hatte.

28

dd) Demgegenüber fällt der jeweilige Registerstaat der Flugzeuge nicht entscheidend ins Gewicht. Es kann dahinstehen, ob für Flugpersonal eine Anknüpfung an den Registerstaat für die Bestimmung des gewöhnlichen Arbeitsorts iSv. Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO überhaupt in Betracht kommt (bejahend Geimer in Geimer/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht 3. Aufl. Art. 19 EuGVVO Rn. 19). Im Streitfall gäbe selbst dann die enge Anbindung der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten an die „Base“ in L gegenüber dem Registerstaat der von ihr geflogenen Flugzeuge den Ausschlag.

29

2. Die Vereinbarung des ausschließlichen Gerichtsstands am Sitz der EAT im Arbeitsvertrag vom 12. Dezember 2007 und sodann der Gerichte im Bezirk Br im Addendum vom 24. April 2008 vermag die nach Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO gegebene internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht auszuschließen. Da sie den Vorschriften in Art. 21 EuGVVO zuwiderläuft, hat sie gemäß Art. 23 Abs. 5 EuGVVO keine rechtliche Wirkung.

30

a) Ziff. 9 des Arbeitsvertrags und Ziff. 7 des Addendums enthalten eine Gerichtsstandsvereinbarung, nach der „nur“ - in den flämischen Originalfassungen: „alleen“ - und damit ausschließlich die Gerichte am Sitz der Rechtsvorgängerin der Beklagten bzw. im Bezirk Br zuständig sein sollen.

31

b) Diese Vereinbarung ist gemäß Art. 23 Abs. 5 EuGVVO unwirksam.

32

aa) Eine Gerichtsstandsvereinbarung läuft iSv. Art. 23 Abs. 5 EuGVVO den Regelungen in Art. 21 EuGVVO zuwider, wenn sie von Vorschriften des 5. Abschnitts der EuGVVO abweicht und nicht nach Entstehung des Rechtsstreits getroffen worden ist (Art. 21 Nr. 1 EuGVVO) oder nicht die Befugnis einräumt, andere als im 5. Abschnitt angeführte Gerichte anzurufen (Art. 21 Nr. 2 EuGVVO). Die Befugnis, andere Gerichte anzurufen als diejenigen, die nach den Vorschriften des 5. Abschnitts zuständig sind, ist dahin zu verstehen, dass eine solche Vereinbarung Gerichtsstände begründen muss, die zu den in Art. 18 und Art. 19 der EuGVVO vorgesehenen Gerichtsständen noch hinzukommen. Eine vor Entstehung der Streitigkeit getroffene Gerichtsstandsvereinbarung darf für einen Arbeitnehmer nicht den Ausschluss der zuletzt genannten Gerichtsstände bewirken, sondern kann lediglich die Befugnis begründen oder erweitern, unter mehreren zuständigen Gerichten zu wählen (EuGH 19. Juli 2012 - C-154/11 - [Mahamdia] Rn. 62, EzA EG-Vertrag 1999 Verordnung 44/2001 Nr. 7).

33

bb) Die Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien im Arbeitsvertrag und im Addendum weicht von den Vorschriften des 5. Abschnitts der EuGVVO ab, auch wenn sie ursprünglich möglicherweise nur den nach Art. 18, Art. 19 EuGVVO einzig gegebenen Gerichtsstand nachgezeichnet und mit einer Veränderungssperre belegt hat. Sie wurde vor Entstehung der Streitigkeit getroffen und sollte gerade für den Fall eine Beschränkung auf die genannten Gerichtsstände herbeiführen, dass diese nach einer Verlegung des Sitzes und/oder des Arbeitsorts mit den nach Art. 18, Art. 19 EuGVVO gegebenen Gerichtsständen - wie im Streitfall - nicht mehr übereinstimmten.

34

IV. Die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor     

        

        

        

    Frey    

        

    Perreng    

                 

(1) Das Gericht kann anordnen, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird.

(2) Ergeht ein Zwischenurteil, so ist es in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen. Das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, dass zur Hauptsache zu verhandeln ist.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Das Gericht kann anordnen, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird.

(2) Ergeht ein Zwischenurteil, so ist es in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen. Das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, dass zur Hauptsache zu verhandeln ist.