Amtsgericht Dortmund Urteil, 29. Okt. 2018 - 410 C 7987/17
Tenor
Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin
1. 963 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.09.2017;
2. weitere 74,26 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.11.2017
zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 78 Prozent und der Beklagten zu 22 Prozent auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweiligen Vollstreckungsschuldnerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des aus dem Urteil gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die jeweilige Vollstreckungsgläuberin vor der eigenen Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche im Rahmen der Insolvenzverwaltung über das Vermögen der M2 GmbH (Insolvenzschuldnerin).
3Die Klägerin war gemeinsam mit ihrem am 01.07.2014 verstorbenen Ehemann Eigentümerin und Vermieterin der von der Insolvenzschuldnerin angemieteten Betriebsräume. Ihr Ehemann war zugleich Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin. Seine Erben sind unter anderem wegen der Ausschlagung der Erbschaft durch die Klägerin unbekannt. Die mit der Klage persönlich in Anspruch genommene Beklagte ist durch Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 22.05.2013 (Az. ### IN ##/##) Insolvenzverwalterin über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin.
4Die Miete der Betriebsräume belief sich monatlich auf 1.533,88 Euro und wurde von der Insolvenzschuldnerin (nur) bis einschließlich April 2013 bezahlt. Mit einem auf den 06.06.2013 datierten Schreiben bot die Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann (Eheleute) gegen den Verzicht auf deren Ansprüche aus dem Mietverhältnis an, nach dem Abverkauf der dort gelagerten Gegenstände der Insolvenzschuldnerin auf die weitere Nutzung der Immobilie zu verzichten (Verzichtsvereinbarung, Bl. 27 f d.A.). Sie behauptete dort unter anderem, die Zahlungsansprüche der Eheleute seien nachrangige einfache Insolvenzforderungen.
5Diese Verzichtsvereinbarung verfasste die Zeugin A., die sachbearbeitende Rechtsanwältin in der Kanzlei der Beklagten, die nur Insolvenzverfahren ohne Fortführung des Geschäftsbetriebs der Insolvenzschuldner betreute. Es ist umstritten, ob die Zeugin A. den Inhalt des Schreibens und etwaige Bedenken zuvor mit dem Zeugen H. besprach, einem Partner in der Kanzlei der Beklagten, der (auch) Insolvenzverfahren mit Fortführung des Betriebs der jeweiligen Insolvenzschuldner betreute. Es ist weiter umstritten, wann das Schreiben mit der Verzichtsvereinbarung den Eheleuten zuging.
6Die Beklagte ließ das in der Immobilie vorhandene Mobiliar im Sommer 2013 für 79.000 Euro (Verwertungserlös) verwerten und nahm den Verwertungserlös am 13.07.2013 auf ihrem zum Insolvenzverfahren zugehörigen Sonderkonto entgegen. Die Eheleute sandten der Beklagten die Verzichtsvereinbarung am 14.07.2013 unterschrieben zurück. Mit Schreiben ihrer späteren Prozessbevollmächtigten vom 31.07.2013 erklärten sie sodann aber die Anfechtung ihrer etwaigen Annahmeerklärung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts und machten das Vermieterpfandrecht geltend. Mit Schreiben vom 27.08.2013 forderten die Eheleute die Entfernung der nach der Verwertung der Betriebsgegenstände noch in den Geschäftsräumen verbliebenen restlichen Sachen. Nach Eingang dieser Schreiben fertigte die Zeugin A. für die Beklagte einen internen Vermerk an, nach dessen Inhalt die Verzichtsvereinbarung für die Eheleute anfechtbar sei, da ein Nutzungsrecht an den Geschäftsräumen für die Insolvenzmasse nicht bestanden habe. Auf Weisung des Zeugen H. legte die Zeugin A. der Beklagten aber zugleich ein auf den 02.09.2013 datiertes Schreiben zur Abwehr der von den Eheleuten geltend gemachten Ansprüche vor, welches diese unterschrieb und die Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 05.09.2013 erreichte.
7In ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin (d.h. als Insolvenzmasse) führte die Beklagte mit der jetzigen Klägerin einen Rechtsstreit (Vorprozess) vor dem Amtsgericht Dortmund (Az. ### C #####/##), in welchem die Klage der jetzigen Klägerin am 11.12.2015 zugestellt wurde. Die jetzige Beklagte nahm an, die Mietzahlungen für die Monate März und April 2013 seien anfechtbar im Sinne des Insolvenzanfechtungsrechts. Die jetzige Klägerin war hingegen der Ansicht, die Mieten für die Monate Mai und Juni 2013 seien durch ein Vermieterpfandrecht insolvenzfest gesichert. Sie erhob daher Widerklage auf Zahlung von 3.067,76 Euro nebst Zinsen aus je der Hälfte dieses Widerklagebetrages seit dem 04.05.2013 und dem 05.06.2013 als Masseschuld der Insolvenzschuldnerin. Nachdem die jetzige Beklagte im Vorprozess in ihrer Replik (und Widerklageerwiderung) vom 18.02.2016 darauf hinwies, dass sie dem Insolvenzgericht am 08.04.2014 die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte, beantragte die jetzige Klägerin mit einem Hilfswiderklageantrag die Feststellung, dass ihr allein (d.h. ohne Berücksichtigung der Erben ihres zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann) eine entsprechende Forderung als Masseschuld zustehe.
8Unter dem 01.06.2016 verkündete die jetzige Klägerin im Vorprozess der jetzigen Beklagten persönlich den Streit mit der Begründung möglicher Schadensersatzansprüche aus dem Verstoß gegen Pflichten der Insolvenzverwaltung. Die Streitverkündungsschrift wurde der jetzigen Beklagten am 15.06.2016 zugestellt. Sie trat nicht bei.
9Mit Urteil vom 23.11.2016 wies das Amtsgericht Dortmund im Vorprozess den Klageantrag der Insolvenzmasse und den Hauptwiderklageantrag der jetzigen Klägerin ab, gab dem hilfsweisen Feststellungsantrag der Widerklage hingegen statt. In der Kostenentscheidung wurden die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben, was zu einer Inanspruchnahme der jetzigen Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten unter dem 30.11.2016 in Höhe von 1.228,68 Euro führte, auf die die Klägerin noch nicht gezahlt hat. In den Entscheidungsgründen führte der Vorrichter aus, die jetzige Klägerin habe „gegebenenfalls als Mitglied einer Erbengemeinschaft nach dem verstorbenen Ehemann, einen fälligen Anspruch auf Mietzinszahlungen für Mai und Juni 2013“. Es habe sich bei den Mietzahlungsansprüchen für diese beiden Monate um Masseverbindlichkeiten gehandelt, so dass den Eheleuten ein Recht zur abgesonderten Befriedigung aus dem Verwertungserlös zugestanden hätte. Die Verzichtsvereinbarung sei wegen einer verspäteten Annahme durch die Eheleute nicht zustande gekommen. In der erfolglosen Annahme sei zwar ein neues Angebot zu sehen, doch sei daraufhin eine etwaige erneute Annahme der jetzigen Beklagten gegenüber den Eheleuten erforderlich gewesen, aber nicht erklärt worden. Die Kostenentscheidung begründete er damit, dass „der wirtschaftliche Erfolg der Hilfswiderklage gleich Null“ sei.
10Gegen dieses Urteil legte nur die jetzige Beklagte in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin Berufung ein. Nachdem die Berufungskammer in der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2017 ankündigte, die Berufung zurückzuweisen und die Kosten unter Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts allein der Insolvenzmasse aufzuerlegen, nahm die Beklagte die Berufung zurück.
11Die Klägerin forderte die nunmehr geltend gemachten Ansprüche mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten ebenfalls vom 12.09.2017 zur Zahlung binnen zwei Wochen ein. Die Prozessbevollmächtigten berechneten ihr dafür 246,27 Euro. In diesem Schreiben (und erneut in der Klageschrift) bot die Klägerin der Beklagten die Abtretung ihrer im Vorprozess rechtskräftig festgestellten Masseansprüche gegen die Insolvenzschuldnerin unter der Bedingung der Zahlung der mit den jetzigen Prozessanträgen begehrten Beträge.
12Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 25.04.2018 die Einrede der Verjährung erhoben.
13Die Klägerin behauptet, die Klägerin habe die Rechtslage in der Verzichtsvereinbarung wissentlich falsch dargestellt, da eine Fortführung des Geschäftsbetriebs der Insolvenzschuldnerin zum damaligen Zeitpunkt bereits ausgeschlossen gewesen sei. Auf dieser Grundlage habe – wie die Klägerin annimmt – aber die insolvenzrechtliche Grundlage für ein Recht der Insolvenzmasse zur weitergehenden Nutzung der von den Eheleuten gemieteten Geschäftsräumen gefehlt. Daher sei die Verzichtsvereinbarung durch eine arglistige Täuschung zustande gekommen und durch die Anfechtung der Eheleute unwirksam geworden. In der Folge habe die Beklagte das Vermieterpfandrecht vorsätzlich verletzt. Die Klägerin behauptet außerdem, die Zeugin A. habe gegenüber dem Zeugen H. bereits vor Abfassung des Schreibens vom 06.06.2013 rechtliche Bedenken hinsichtlich der Voraussetzungen der in der Verzichtsvereinbarung angedeuteten weiteren Nutzung der Geschäftsräume durch die Insolvenzmasse angedeutet, diese Passagen aber weisungsgemäß ergänzt.
14Die Klägerin ist weiter der Ansicht, wegen der Wirkungen der Streitverkündung im Vorprozess könne sie allein und nicht nur gemeinsam mit den unbekannten Erben ihres verstorbenen Mannes von der Beklagten Schadensersatz für die nicht abgesonderten Mieten der Monate Mai und Juni 2013 verlangen und sich die Beklagte nicht auf die Verzichtsvereinbarung berufen. Zu dem ersatzfähigen Schaden zähle auch die Inanspruchnahme durch ihre Prozessbevollmächtigten in Folge der – von ihr für falsch gehaltenen – Kostenaufhebungsentscheidung im Vorprozess.
15Die Klägerin beantragt – mit der am 09.11.2017 zugestellten (und um den, am 23.03.2018 zugestellten, Hilfsantrag erweiterten) Klage –, die Beklagte zu verurteilen,
161. 4.296,44 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 1.533,88 Euro seit dem 04.05.2013 und seit dem 04.06.2013 sowie aus dem Restbetrag seit dem 15.09.2017 Zug-um-Zug gegen Abtretung der im Vorprozess festgestellten Masseforderung der Klägerin gegen die Insolvenzschuldnerin an die Klägerin zu zahlen,
17hilfsweise die Beklagte zur Zahlung an die Klägerin gemeinsam mit den unbekannten Erben ihres am 01.07.2014 verstorbenen Ehemannes O C zu verurteilen;
182. vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 246,27 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage an die Klägerin zu zahlen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Die Beklagte behauptet, ihr Angebot zur Verzichtsvereinbarung sei als Einschreiben mit Rückschein versendet worden, aber nach Ablauf der Lagerfrist zur Beklagten zurückgelangt, wo es am 19.06.2013 neu abgesandt worden sei. Die Beklagte ist der Ansicht, der Vorrichter habe falsch entschieden. Die Verzichtsvereinbarung sei wirksam zustande gekommen und nicht anfechtbar. Daher habe die Beklagte ein Absonderungsrecht nicht bzw. jedenfalls nicht wissentlich verletzt. Dem auf die ausstehenden Mietzahlungen gestützten Anspruchsteil stehe außerdem entgegen, dass mangels bisheriger Verteilung des Erlöses im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin offen sei, ob und in welcher Höhe die Klägerin mit ihrer rechtskräftig festgestellten Masseverbindlichkeit ausfalle. Die Geltendmachung des Prozesskostenschadens scheitere jedenfalls an der Rechtskraft der Kostenentscheidung im Vorprozess.
22Die Akten des Vorprozesses (Amtsgericht Dortmund, Az. ### C #####/##; Landgericht Dortmund, Az. #S ###/##) wurden beigezogen und waren Gegenstand der Verhandlungstermine. Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen A. und H. sowie der Beklagten als Partei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Verhandlungsprotokolle vom 23.07.2018 und 03.09.2018 (Bl. 132 ff, 168 ff d.A.) verwiesen. Im Anschluss an den letzten Verhandlungstermin hat das Gericht mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren mit einer Schriftsatzfrist bis zum 08.10.2018 angeordnet.
23Entscheidungsgründe
24Die Klage hat (nur) teilweise Erfolg, da sie zulässig, aber nur teilweise begründet ist.
25Sie ist hinsichtlich eines Teils des durch die Klägerin von der Beklagten geforderten Schadensersatzes für die ihr im Vorprozess hälftig auferlegten Prozesskosten begründet; und zwar im Umfang von 963 Euro nebst Verzugszinsen, also nur eines Teils der der Klägerin im Vorprozess auferlegten Prozesskosten (dazu A.). Weiter kann die Klägerin auch die ihr für die vorgerichtliche Einforderung dieses Anspruchs angefallenen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 74,26 Euro nebst Prozesszinsen verlangen (dazu B.). Die Klage war indessen wegen Verjährung abzuweisen, soweit die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 3.067,76 Euro nebst Zinsen dafür begehrt, dass diese als Insolvenzverwalterin der Insolvenzschuldnerin einen Betrag in Höhe der Mieten für die Monate Mai und Juni 2013 nicht zahlte (dazu C.). Daher mussten auch die prozessualen Nebenentscheidungen entsprechend ausfallen (dazu D.).
26A. Die Klage hat in Höhe von 963 Euro teilweise Erfolg, soweit die Klägerin Schadensersatz für die ihr im Vorprozess hälftig auferlegten Prozesskosten in Höhe von 1.228,68 Euro nebst Zinsen verlangt. Der Anspruch folgt einredefrei aus § 826 BGB, da die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gegeben sind (dazu I.) und der Anspruch auf der Rechtsfolgenseite auch die rechtsirrig auferlegten Prozesskosten des Vorprozesses erfasst (dazu II.) sowie nicht verjährt ist (dazu III.). Auch der Zinsanspruch steht der Klägerin zu (dazu IV.). Dieser Anspruch war der Klägerin trotz der Formulierung ihres Antrags ohne Zug-um-Zug-Verurteilung zuzusprechen (dazu V.).
27Daneben dürfte der Anspruch auch aus § 823 I BGB (mit dem Pfandrecht als „sonstiges Recht“, vgl. nur Staudinger in Hk-BGB, 9. Aufl. 2017, § 823 BGB Rn. 31) und § 60 I 1 InsO (demgegenüber der vorrangige § 61 S. 1 InsO trotz des Masseanspruchs wegen Massebereicherung gemäß § 55 I Nr. 1 und 3 InsO nicht einschlägig sein dürfte, vgl. dazu Schoppmeyer in MüKo-InsO, 3. Aufl. 2013, § 61 InsO Rn. 13 sowie Laws in ZInsO 2009, 996 [999] unter Bezugnahme auf BGH v. 25.09.2008 [IX ZR 235/07] – Juris-Tz. 5) folgen.
28I. Die Klägerin kann von der Beklagten Ersatz eines Teils ihres Kostenschadens verlangen, da sie durch die Beklagte im Sinne des § 826 BGB vorsätzlich sittenwidrig geschädigt wurde. Die Tatbestandsvoraussetzungen ergeben sich mit Blick auf die Anforderung des § 826 BGB (dazu 1.) hier daraus, dass die Beklagte im Spätsommer 2013 das bestehende Absonderungsrecht der Eheleute missachtet hat (dazu 2.) und dadurch als Folgeschaden den Kostenschaden der Klägerin im Vorprozess verursachte.
291. Ein Anspruchs aus § 826 BGB besteht, sofern der Schädiger einen Schaden sittenwidrig und vorsätzlich herbeiführt. Der Sittenwidrigkeitsmaßstab wird abstrakt mit dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden beschrieben (st. Rspr. seit RG v. 11.04.1901 [VI 443/00] – RGZ 48, 114 [124]; BGH v. 19.07.2004 [II ZR 402/02] – Juris-Tz. 48; BGH v. 20.07.2017 [IX ZR 310/14] – Juris-Tz. 16).
30Für das Sittenwidrigkeitsverdikt kommt es dabei auf die Gesamtumstände des Verhaltens, die Intention, Motivation und Folgen an (BGH v. 20.07.2017 [IX ZR 310/14] – Juris-Tz. 16 mwN; Spindler in BeckOGK, Stand 01.07.2018, § 826 BGB Rn. 7). Erfasst wird ein rechtsethisches Minimum, dessen Respektierung von jedermann zu erwarten ist (Staudinger in Hk-BGB, 9. Aufl. 2017, § 826 BGB Rn. 6; Wilhemi in Erman-BGB, 15. Aufl. 2017, § 826 BGB Rn. 3).
31Die Sittenwidrigkeit kann sich dabei aus dem Einsatz eines verwerflichen Mittels wie der Nutzung einer arglistigen Täuschung (Teichmann in Jauernig-BGB, 17. Aufl. 2018, § 826 BGB Rn. 14) oder einem verwerflichen Zweck ergeben (Förster in BeckOK-BGB, 47. Edition, Stand 01.08.2018, § 826 BGB Rn. 19) und auch aus einer Normverletzung resultieren (Oechsler in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2014, § 826 BGB Rn. 54).
32Ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit ist nicht erforderlich (BGH v. 20.11.1990 [VI ZR 6/90] – Juris-Tz. 17; Förster in BeckOK-BGB, 47. Edition, Stand 01.08.2018, § 826 BGB Rn. 30; Reichold in JurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 826 BGB Rn. 67). Es genügt der Vorsatz bezüglich der Schadensherbeiführung (Spindler in BeckOGK, Stand 01.07.2018, § 826 BGB Rn. 12; Wagner in MüKo-BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 BGB Rn. 25) nebst Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich das Sittenwidrigkeitsverdikt ergibt (Oechsler in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2014, § 826 BGB Rn. 61; Wilhemi in Erman-BGB, 15. Aufl. 2017, § 826 BGB Rn. 11).
33Die Schadensfolgen muss der Vorsatz nach Richtung und Art umfassen (BGH v. 20.11.1990 [VI ZR 6/90] – Juris-Tz. 20; Förster in BeckOK-BGB, 47. Edition, Stand 01.08.2018, § 826 BGB Rn. 34), nicht aber den genauen Kausalverlauf und die Höhe des Schadens antizipieren (BGH v. 22.09.2016 [VII ZR 14/16] – Juris-Tz. 32). Der Schädiger muss dafür die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken könnte, und die Art des möglichen Schadens vorausgesehen und gewollt oder gebilligt haben (BGH v. 26.06.1989 [II ZR 289/88] – Juris-Tz. 13; Wilhemi in Erman-BGB, 15. Aufl. 2017, § 826 BGB Rn. 15).
342. Diese Anforderungen sind hier mit Blick darauf erfüllt, dass die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Absonderungsrecht der Eheleute nicht bedient hat, obwohl dieses bestand (dazu a.). Entscheidende Bedeutung hat dabei, dass der Beklagten bekannt war, dass die Verzichtsvereinbarung zwischen den Eheleuten und ihr seitens der Eheleute wirksam angefochten wurde und dadurch nichtig war (dazu b.).
35a. Die Beklagte hat die Klägerin vorsätzlich sittenwidrig geschädigt, als sie mit Schreiben vom 02.09.2013 die Anfechtung aus dem Anwaltsschreiben der Eheleute abwehrte und den Eheleuten nicht den die Mieten Mai und Juni 2013 betreffenden Betrag zahlte. Der Erhalt dieses Betrages stand den Eheleuten zu, so dass sie durch den Nichterhalt geschädigt wurden (dazu aa.). Gleichwohl verweigerte die Beklagte die Anspruchserfüllung unter Beharrung auf der durch eine arglistige Täuschung herbeigeführten Verzichtsvereinbarung und der Verletzung des Vermieterpfandrechts der Eheleute (dazu bb.). Diese Umstände waren der Beklagte auch bekannt und wurden vor ihr billigend in Kauf genommen (dazu cc.).
36aa. Den Eheleuten standen als Vermieter der Insolvenzschuldnerin, wie das Gericht im Vorprozess zutreffend ausgeführt hat, in Höhe der Mieten für die Monate Mai und Juni 2013 Masseansprüche zu. Es handelte sich um Masseansprüche gem. § 55 I Nr. 2 Var. 2 InsO bzw. (für die Tage im Monat Mai vor der Verfahrenseröffnung) § 55 I Nr. 3 InsO. Dabei ergibt sich die ungerechtfertigte Bereicherung der Masse daraus, dass die Beklagte die – wegen ihres Vermieterpfandrechts aus § 562 I BGB gemäß § 50 I InsO zur Absonderung berechtigten – Eheleute nicht nach § 170 I 2 InsO aus dem Verwertungserlös bediente, sondern den Erlös der Insolvenzmasse einverleibt hat (vgl. dazu AG Dortmund v. 23.11.2016 [413 C 10079/15] – S. 11).
37Vor dieser Massebereicherung waren die Mieten zudem in dem durch § 562 I BGB beschriebenen Umfang durch das gesetzliche Vermieterpfandrecht an den auf das Betriebsgrundstück eingebrachten Gegenständen im Eigentum der Insolvenzschuldnerin dinglich gesichert. Dieses Pfandrecht setzte sich zunächst analog § 1247 S. 2 BGB an dem Erlös fort (BGH v. 17.03.2011 [IX ZR 63/10] – Juris-Tz. 15; Brinkmann in Uhlenbruck-InsO, 14. Aufl. 2015, § 170 InsO Rn. 10), ging aber unter, als die Beklagte den Erlös der Masse einverleibte.
38bb. Diese Schädigung der Eheleute war sittenwidrig. Das Sittenwidrigkeitsverdikt ergibt sich vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen dadurch, dass die Beklagte die Eheleute zunächst arglistig getäuscht und sodann auf der Wirksamkeit der anfechtbaren und angefochtenen und daher nichtigen Verzichtsvereinbarung (dazu noch unten A. I. 1. b.) beharrte. Diese Täuschung hatte sie zudem als Insolvenzverwalterin und Rechtsanwältin gegenüber den im fortgeschrittenen Alter befindlichen Eheleuten unter unrichtiger Darstellung der Rechtslage begangen (näher unten bei A. I. 1. b.). Ihr war damit eine besondere Fachkunde und Seriosität zuzuschreiben, denen ihr Verhalten nicht genügte.
39Es kommt hinzu, dass das bestehende Pfand- und Absonderungsrecht der Eheleute seitens der Beklagten vernichtet wurde, was schließlich dazu führte, dass die Eheleute nicht abgesondert befriedigt wurden, sondern wegen der angezeigte Masseinsuffizienz mit ihren Masseansprüchen noch nicht und den Gläubigern droht, auch später nicht vollständig befriedigt zu werden.
40cc. Diese Umstände waren der Beklagten auch bekannt. Es ist unstreitig, dass die Zeugin A. der Beklagten mit dem verfassten Abwehrschreiben vom 02.09.2013 einen internen Vermerk vorlegte, aus dem sich die Umstände der Anfechtbarkeit ergaben.
41Der Beklagten war damit bekannt, dass jedenfalls der Zeugin A., deren Wissen sie sich im Rahmen der Anfechtungsvoraussetzungen des § 123 I BGB zurechnen lassen muss (vgl. unten A. I. 2. b.) die unrichtige Darstellung der Sach- und Rechtslage bei der Abfassung der Verzichtsvereinbarung bekannt gewesen war. Dies führte aber zur Anfechtbarkeit und mit der erklärten Anfechtung der Willenserklärung zur Nichtigkeit der Verzichtsvereinbarung, aus der sich der Vorenthalt der Masseforderungen und das Zuwarten der Beklagten bis zur Massearmut nicht mehr rechtfertigen ließ.
42Eine Zurechnung des Vorsatzes der Zeugin A. im Rahmen der Vorsatzprüfung des Anspruchs aus § 826 BGB (die nachBGH v. 28.06.2016 [VI ZR 536/15] – Juris-Tz. 23, 25 ausgeschlossen wäre) ist damit nicht erforderlich. Die Beklagte hatte bei der Ausfertigung des Abwehrschreibens am 02.09.2013 selbst Kenntnis von den Umständen, die im Rahmen der Prüfung des § 123 I Var. 1 BGB zur Zurechnung der Arglist der Zeugin A. führen.
43Der Vorsatz der Beklagte musste sich dabei nicht genau auf den hier zugesprochenen Prozesskostenschaden beziehen. Der Beklagten war bekannt, dass es durch die Vorenthaltung der Masseforderungen im Nachgang der Missachtung des Pfandrechts der Eheleute zu einem Vermögensschaden kam, der durch die spätere Massearmut vertieft wurde. Da sie die Forderung der Eheleute unter Hinweis auf die mittels arglistiger Täuschung herbeigeführten Verzichtsvereinbarung abwehrte, war der spätere Prozessschaden auch seiner Art nach angelegt und wurde von ihr in Kauf genommen.
44b. Der Beklagten war bei der Abgabe des Abwehrschreibens vom 02.09.2013 auch bekannt, dass die seitens der Eheleute angefochtene Verzichtvereinbarung wegen ihrer Anfechtbarkeit gemäß § 142 I BGB nichtig war. Denn die Voraussetzungen für die Täuschungsanfechtung gemäß § 123 I Var. 1 BGB wegen einer Täuschung über die Rechtslage waren erfüllt, da die Rechtslage in dieser Vereinbarung unrichtig dargestellt worden war (dazu aa.), diese unrichtige Darstellung die Eheleute zur Annahme der Verzichtsvereinbarung bewegte (dazu bb.) und die erforderliche Arglist gegeben ist (dazu cc.).
45Dabei kommt es im Übrigen wegen der Doppelwirkungen im Recht (begründend Kipp in Festschrift v. Martitz, 1911, S. 211 ff) auch nicht darauf an, ob die Vereinbarung – wie der Vorrichter aufgrund einer abweichenden, aber nicht bindenden (dazu unten C. II. 2.), Tatsachengrundlage angenommen hat – bereits mangels Abschlusstatbestand wirkungslos ist. Denn auch unwirksame Vereinbarungen können angefochten werden (BGH v. 13.05.2016 [V ZR 265/14] – Juris-Tz. 22; Mansel in Jauernig-BGB, 17. Aufl. 2018, Vorbem. §§ 104-185 BGB Rn. 18).
46aa. Mit dem Schreiben zum Angebot der Verzichtsvereinbarung vom 06.06.2013 hat die Beklagte die Eheleute über die Rechtslage durch Vorspiegelung unwahrer Tatsachen getäuscht. Denn auch die Rechtslage kann eine Tatsache sein, über die getäuscht werden kann, sofern sie als feststehend dargestellt wird (KG Berlin v. 15.03.1971 [12 U 1317/70] – OLGZ 1972, 257 [261]; Singer/v. Finckenstein in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2017, § 123 BGB Rn. 7; Wendtland in BeckOK-BGB, 47. Edition, Stand 01.08.2018, § 123 BGB Rn. 10).
47Der Text der Verzichtsvereinbarung gibt die Rechtslage unrichtig wieder. Die Beklagte spricht dort von einer aus § 135 III InsO folgenden Nutzungsüberlassungspflicht und einem Nachrang von Zahlungsansprüchen der Eheleute. Demgegenüber steht dem Insolvenzverwalter außerhalb der Voraussetzungen des § 135 III InsO (zu denen die Betriebsfortführung gehört) kein Nutzungsrecht zu und ist dieses in diesem Fall auch nicht unentgeltlich (vgl. § 135 III 2 Hs. 1 InsO). Diese Forderung aus § 135 III 2 Hs. 1 InsO ist dabei nicht nachrangig, sondern sogar eine Masseforderung (Kleindiek in HK-InsO, 6. Aufl. 2011, § 135 InsO Rn. 57).
48Die Rechtslage ist insofern durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 entscheidend geändert worden, wobei ein Nachrang der Forderung aus einer Nutzungsüberlassung seitdem auch aus anderen Vorschriften nicht hergeleitet werden kann (vgl. dazu nur BGH v. 29.01.2015 [IX ZR 279/13] – Juris-Tz. 32 ff; Kleindiek in L/H-GmbHG, 19. Aufl. 2016, Anh. § 64 GmbHG Rn. 161 ff).
49Der Text der Verzichtsvereinbarung stellt die konkrete Rechtslage dabei (neben dem auf jeden Fall unrichtigen Hinweis auf einen Nachrang der entstehenden Zahlungsansprüche der Eheleute) auch deshalb unrichtig dar, weil dort mit dem Verweis auf § 135 III InsO insgeheim eine Betriebsfortführung als (in dem Schreiben unerwähntes Tatbestandsmerkmal) vorausgesetzt wird, die zur Überzeugung des Gerichts zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe der Verzichtsvereinbarung für die Beklagte selbst nicht mehr in Betracht kam.
50Davon ist das Gericht nicht nur wegen der Angaben der Zeugin A., dass eine Betriebsfortführung bei der Insolvenzschuldnerin (jedenfalls zu diesem Zeitpunkt) nicht mehr in Betracht kam, sondern auch wegen des (unstreitigen) Umstands, dass die Zeugin A. zur damaligen Zeit von der Beklagten keine Insolvenzverfahren mit Betriebsfortführung zur Bearbeitung erhielt sowie wegen des in der Verzichtsvereinbarung selbst enthaltenen Hinweises auf den Abverkauf der Gegenstände überzeugt.
51bb. Zur Überzeugung des Gerichts sind die Eheleute durch die unrichtige Darstellung der Rechtslage auch zu ihren Annahmeerklärungen zu der Verzichtsvereinbarung bestimmt worden. Es liegt auf der Hand, dass sie bei richtiger Darstellung der Rechtslage – nämlich dass ein Nutzungsrecht der Insolvenzmasse nur bei einer Betriebsfortführung sowie in jedem Fall eine Entgeltforderung als Masseforderung besteht (im Fall der Betriebsfortführung gemäß § 135 III 2 InsO, ohne Betriebsfortführung gemäß §§ 108 I 1 InsO; 535 II BGB; vgl. nur BGH v. 29.01.2015 [IX ZR 279/13] – Juris-Tz. 32) – die Vereinbarung nicht geschlossen hätten. Denn sie verzichteten dort auf gesetzliche Rechte, während sich die Beklagte nur zu ihren ohnehin bestehenden gesetzlichen Pflichten bekannte.
52Es genügt dabei, dass die unrichtige Darstellung der Rechtslage für die Eheleute mitursächlich war (vgl. dazu Arnold in Erman-BGB, 15. Aufl. 2017, § 123 BGB Rn. 26). Dies ist hier anzunehmen, da die bei dieser Frage nicht rechtsanwaltlich beratenen Eheleute die relevanten Rechtsfragen zur Überzeugung des Gerichts nicht durchschaut haben (vgl. dazu Singer/v. Finckenstein in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2017, § 123 BGB Rn. 48).
53cc. Die Täuschung der Eheleute durch die Beklagte ist auch arglistig geschehen. § 123 I Var. 1 BGB verlangt dafür den bedingten Vorsatz des Täuschenden (BGH v. 13.06.2007 [VIII ZR 236/06] – Juris-Tz. 29; Arnold in Erman-BGB, 15. Aufl. 2017, § 123 BGB Rn. 27). Für den Vorsatz kann dabei zwar nicht über § 123 II 1 BGB unmittelbar auf die Zeugin A. abgestellt werden, da die Täuschung durch die Angaben in dem seitens der Beklagten unterschriebenen und abgesandten Angebot der Verzichtsvereinbarung geschehen ist. Die subjektiven Anforderungen waren jedoch sowohl in der Person der Beklagten selbst (dazu 1)), aber jedenfalls durch die gebotene Zurechnung der Kenntnisse der Zeugin A. erfüllt (dazu 2)).
541) Vorsatz ist bereits für die Beklagte selbst anzunehmen. Denn die Beklagte muss sich zumindest wegen einer Erklärung „ins Blaue hinein“ behandeln lassen, als hätte sie bei der Unterzeichnung der Verzichtsvereinbarung gewusst, dass der Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin nicht fortgeführt werden würde (dazu a)). Aber auch wenn sie sich über die Betriebsfortführung geirrt hätte, ist das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Beklagte wusste, dass der Insolvenzmasse kein (unentgeltliches) Nutzungsrecht zustand (dazu b)).
55a) In der Parteivernehmung der Beklagten ist offen geblieben, ob die Beklagte bei ihrer Unterschrift unter die Verzichtsvereinbarung wusste, dass das Unternehmen der Insolvenzschuldnerin nicht fortgeführt werden würde, also die konkreten Tatsachenkenntnisse dazu hatte. Darauf kommt es indessen nicht an.
56Denn für den Vorsatz genügen bei § 123 I Var. 1 BGB auch Erklärungen „ins Blaue hinein“, von denen der Täuschende nicht weiß, ob die von ihm behaupteten Tatsachen der Wahrheit entsprechen (so Rehberg in BeckOGK, Stand 01.10.2018, § 123 BGB Rn. 18.2; vgl. auch BGH v. 07.06.2005 [VIII ZR 209/05] – Juris-Tz. 13; Armbrüster in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 123 BGB Rn. 16; Singer/v. Finckenstein in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2017, § 123 BGB Rn. 50). Es kommt hinzu, dass das Schreiben selbst den Hinweis auf den bevorstehenden Abverkauf des Schuldnervermögens enthielt.
57b) Soweit die Beklagte in ihrer Parteivernehmung angegeben hat, es sei möglich, dass sie damals von der Zulässigkeit einer vorübergehenden Weiternutzung der seitens der Insolvenzschuldnerin von den Eheleuten angemieteten Betriebsräume ausgegangen sei, kann das Gericht dem nicht folgen. § 135 III 1 InsO gewährt die vorübergehende Aussonderungssperre nur für den Fall der Betriebsfortführung. Dies war auch im Jahr 2013 nicht umstritten (vgl. nur Kleindiek in HK-InsO, 6. Aufl. 2011, § 135 InsO Rn. 28).
58Aus anderen Vorschriften (namentlich § 39 I Nr. 5 InsO) konnte auch bereits damals kein Anspruch des Insolvenzverwalters auf unentgeltliche Gebrauchsüberlassung entnommen werden (soBGH v. 29.01.2015 [IX ZR 279/13] – Juris-Tz. 32). Dies haben auch die Vorinstanzen nicht anders gesehen (OLG Hamm v. 21.11.2013 [18 U 145/12] – Juris-Tz. 41; mit abweichender Begründung LG Bielefeld v. 17.08.2012 [17 O 183/11] – Juris-Tz. 41) und entsprach auch bekannter obergerichtlicher Rechtsprechung (OLG Schleswig v. 13.02.2012 [4 U 57/11] – Juris-Tz. 30 ff).
59Der Bundesgerichtshof hat den Meinungsstand zu dieser Frage umfassend dargestellt (vgl. BGH v. 29.01.2015 [IX ZR 279/13] – Juris-Tz. 40). Die von der Beklagten angeführten Literaturstellen stammen aus der Zeit direkt um die Einführung des MoMiG, welches die Fragen der Nutzungsentschädigung im Insolvenzfall neu geregelt hat. Sie konnten in der Praxis keinen Anklang finden. Im Jahr 2013 konnte sich die Beklagte auf diese Einzelstimmen, die in der Rechtsprechung keinen Anklang gefunden haben, in keinem Fall berufen.
60Das Gericht ist danach davon überzeugt, dass die Beklagte wusste, dass ihr ohne Fortführung des Geschäftsbetriebs kein Recht zur vorübergehenden (unentgeltlichen) Gebrauchsüberlassung zustand. Denn die Beklagte ist Fachanwältin für Insolvenzrecht. Im Übrigen kann ein solcher Rechtsirrtum auch nur ausnahmsweise zum Ausschluss des Vorsatzes führen (BGH v. 10.11.2009 [XI ZR 252/08] – Juris-Tz. 37 ff; Arnold in Erman-BGB, 15. Aufl. 2017, § 123 BGB Rn. 27; vgl. auch Mansel in Jauernig-BGB, 17. Aufl. 2018, § 123 BGB Rn. 7). Eine anderweitige redliche Rechtsauffassung der Beklagten ist nicht plausibel.
612) Jedenfalls aber ist der Beklagten das Wissen der Zeugin A. um die unrichtige Darstellung der Rechtslage (dazu a)) wie eigenes Wissen zuzurechnen (dazu b)).
62a) Unstreitig ging die Zeugin A. vor der Formulierung der Verzichtsvereinbarung kurz vor dem 06.06.2013 davon aus, dass durch den Inhalt der Vereinbarung die Rechtslage unrichtig dargestellt wurde. Unstreitig hatte sie auch die Sorge, dass die Eheleute das an sie persönlich adressierte Schreiben wegen deren Alter und Gesundheit nicht richtig verstehen und wegen der Darstellung der Rechtslage zustimmen würden. Sie hat diese Umstände bei der Formulierung des Schreibens in Kauf genommen, wenngleich (nach eigenem Bekunden) ungern.
63Zwischen den Parteien ist nur umstritten, ob sie diese Überlegungen auch mit dem Zeugen H. geteilt und die Verzichtsvereinbarung auf dessen Anweisung vorbereitet hat. Darauf kommt es indessen für den Rechtsstreit nicht an.
64b) Denn die Beklagte muss sich auch das Wissen der Zeugin A., die als sachbearbeitende Rechtsanwältin der Beklagten, um die Umstände des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wusste, zurechnen lassen.
65aa) Nach der sogenannten Gleichstellungsthese soll der Vertragspartner einer arbeitsteilig tätigen Organisation durch diese Arbeitsteilung nicht benachteiligt werden. Die Wissenszurechnung hat danach dafür zu sorgen, dass der Vertragspartner des Unternehmens nicht schlechter, aber auch nicht besser dasteht als der Vertragspartner einer auf sich gestellt handelnden Person (BGH v. 08.12.1989 [V ZR 246/87] – Juris-Tz. 16; Medicus in VersR 1994 [Sonderheft Karlsruher Forum], 4 [15]; Maier-Reimer in Erman-BGB, 15. Aufl. 2017, § 166 BGB Rn. 18; kritisch Grigoleit in ZHR 2017, 160 [189 ff]). Dabei ist als einschränkende Voraussetzung formuliert worden, das zurechenbare Wissen müsse sich auf einen wegen seiner zu prognostizierenden Rechtserheblichkeit speicherungswürdigen Umstand beziehen und der Austausch zu erwarten sein, da auch eine natürliche Person einmal erworbene Kenntnisse nicht präsent haben könne (BGH v. 02.02.1996 [V ZR 239/94] – Juris-Tz. 20 ff; Schilken in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2014, § 166 BGB Rn. 6; Schubert in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 166 BGB Rn. 46, 48).
66Die Zurechnung des Wissens eigener Mitarbeiter ist dabei insbesondere anerkannt, wenn eine Person durch ihren Geschäftsherrn eigenverantwortlich mit der Vorbereitung eines Geschäfts befasst wird (BGH v. 14.05.2004 [V ZR 120/03] – Juris-Tz. 9 f; Schilken in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2014, § 166 BGB Rn. 4; Schubert in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 166 BGB Rn. 68). Dies gilt auch, wenn die Hilfsperson nur intern beratend tätig ist (OLG München v. 23.12.2015 [15 U 2063/14] – Juris-Tz. 224; Schilken in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2014, § 166 BGB Rn. 5; Schubert in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 166 BGB Rn. 74).
67Diese Grundsätze gelten auch für die im Rahmen des § 123 I Var. 1 BGB erforderliche Arglist (OLG Schleswig v. 18.05.2005 [5 U 11/05] – Juris-Tz. 23, 25; zustimmend Moritz in JurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 123 BGB Rn. 72; Weinland in Juris-PK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 166 BGB Rn. 20; vgl. auch den Verweis bei Schilken in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2014, § 166 BGB Rn. 6 sowie LG München I v. 27.01.1988 [31 S 11767/87] – Juris-Tz. 7 zu § 463 S. 2 BGB a.F.).
68bb) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Denn die Zeugin A. wurde von der Beklagten mit der Bearbeitung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzschuldnerin betraut. Zwar hat die Beklagte das Angebot der Verzichtsvereinbarung selbst unterschrieben. Sofern aber die sachbearbeitende Zeugin A. wegen ihrer intensiveren Befassung nähere Kenntnisse zur Sach- und Rechtslage bei der Insolvenzschuldnerin (konkret: hinsichtlich der Möglichkeit einer Betriebsfortführung) und den Eheleuten hatte, hätte die Beklagte die Weitergabe der entsprechenden Informationen an sich selbst veranlassen und organisieren müssen, sofern sie das Insolvenzverfahren nicht selbst und alleine bearbeiten wollte.
69II. Der Klägerin ist durch dieses Verhalten der Beklagten ein zurechenbarer Kostenschaden in Höhe von 963 Euro entstanden. Der Höhe nach besteht der Anspruch in der Differenz zwischen der durch die Kostenentscheidung im Vorprozess tatsächlich veranlassten Kostentragungsverteilung und dem Kostenerstattungsanspruch, der der Klägerin gegen die Masse bei richtiger Kostengrundentscheidung zustünde (dazu 1.). Der Zurechnung dieses Kostenschadens stehen weder die Rechtskraft der Kostenentscheidung im Vorprozess (dazu 2.) noch die Anforderungen der haftungsausfüllenden Kausalität (dazu 3.) entgegen.
701. Der Höhe nach bemisst sich der Kostenschaden nach der Differenz zwischen den der Klägerin durch die Kostengrundentscheidung im Vorprozess auferlegten Kosten (dies sind 1.504,68 Euro) und den Kosten, die sie bei einer richtigen Kostengrundentscheidung hätte tragen müssen (dies sind 541,68 Euro Euro).
71Soweit die Kosten der Klägerin im Vorprozess auch bei einer richtigen Kostengrundentscheidung auferlegt worden wären, da sie mit ihrem auf Leistung gerichteten Widerklagehauptantrag (zu Recht, s.u. A. II. 3. b. bb.) abgewiesen wurde, ist dieser Teil von der Klägerin hingegen selbst zu tragen. Denn sie hat ihren Kostenschaden durch die Erhebung einer unzulässigen Leistungsklage unter Verstoß gegen das ihr obliegende Schadensminderungsgebot aus § 254 II 1 Var. 3 BGB zurechenbar vergrößert.
72a. Die Klägerin macht Kosten des Vorprozesses dabei in Höhe der 1.228,68 Euro geltend, die ihr nach der Kostenaufhebung im Vorprozess durch ihre Prozessbevollmächtigten berechnet worden sind. Durch die Kostenaufhebung des Vorprozesses ist sie neben dieser rechtsanwaltlichen Vergütungsforderung zusätzlich gemäß § 92 I 2 ZPO mit der Hälfte der angefallenen Gerichtskosten, mithin mit 276 Euro, belastet worden.
73Bei richtiger Kostenentscheidung wäre die jetzige Klägerin im Vorprozess indessen nur mit 541,68 Euro belastet worden. Dies ergibt sich daraus, dass eine richtige Kostengrundentscheidung im Vorprozess die Klägerin zur Tragung von 18 Prozent der Kosten des Vorprozesses verpflichtet und die Kosten im Übrigen der Insolvenzmasse auferlegt hätte, bei der sie nach den eigenen Angaben der Beklagte auch hätten beigetrieben werden können (vgl. Bl. 24 d.A. und dazu näher unten A. III. 1. b. bb. 2)).
74b. Zur Berechnung dieser Kostenquote beruft sich das Gericht im vollen Umfang auf den Beschluss des Landgerichts zum Berufungsstreitwert im Vorprozess (LG Dortmund v. 18.12.2017 [1 S 484/16] – Bl. 321 d.A.). Im dortigen Zusammenhang hat das Landgericht ausgeführt, die von der hiesigen Klägerin mit dem Widerklagehilfsantrag erreichte und dort von der Insolvenzmasse mit der Berufung angegriffene Feststellung einer Masseforderung sei beim Berufungsstreitwert nicht mit dem Nennwert der festgestellten Forderung in Höhe von 3.067,76 Euro, sondern nur mit 1.963,68 Euro zu berücksichtigen.
75Dies erklärt sich durch zwei sukzessive Abschläge von jeweils 20 Prozent (LG Dortmund v. 18.12.2017 [1 S 484/16] – Bl. 321 d.A.). Der erste Abschlag beruht darauf, dass bei einem Forderungsfeststellungsantrag gegenüber dem Leistungsantrag ein Abschlag von 20 Prozent vorzunehmen ist (OLG Düsseldorf v. 17.11.2010 [17 W 61/10] – Juris-Tz. 11; allgemein BGH v. 08.03.2006 [IV ZB 19/05] – Juris-Tz. 5; Heinrich in Musielak/Voit-ZPO, 15. Aufl. 2018, § 3 ZPO Rn. 27). Der zweite Abschlag beruht darauf, dass nach dem Einwand der Masseinsuffizienz nicht sicher ist, dass die Klägerin die festgestellte Masseforderung von der Insolvenzmasse erhalten wird (OLG Düsseldorf v. 17.11.2010 [17 W 61/10] – Juris-Tz. 11; allgemein BGH v. 29.10.2008 [XII ZB 75/08] – Juris-Tz. 8; Gehle in P/G-ZPO, 10. Aufl. 2018, § 3 ZPO Rn. 129). Denn die Bewertung ist nach dem wirtschaftlichen Interesse des Angreifers an der Entscheidung vorzunehmen (Heinrich in Musielak/Voit-ZPO, 15. Aufl. 2018, § 3 ZPO Rn. 4).
76c. Diese Erwägungen sind auf die Kostenentscheidung zu übertragen, die in der ersten Instanz des Vorprozesses zu treffen war. Zwar ging es dort um den Berufungsstreitwert, den das Landgericht für die mit der Widerklage erreichte Feststellung nur mit einem Wert von 64 Prozent berücksichtigt hat, während es hier um die Frage geht, mit welchem Wert der Erfolg der Hilfswiderklage zu bemessen ist. Aber da die hiesige Klägerin im Vorprozess ihren auf Leistung gerichteten Widerklagehauptantrag in der ersten Instanz bis zuletzt aufrechterhalten hat, hätte ihr Widerklageerfolg (nur) durch den hilfsweisen Feststellungsantrag ebenfalls mit 64 Prozent ihres widerklagenden Angriffs bewertet werden müssen.
77Unter weiterer Berücksichtigung des vollständigen Erfolgs der Klägerin mit ihrem damaligen Antrag auf Abweisung der dortigen Klageforderung der Insolvenzmasse, deren Betrag identisch mit dem ihrer eigenen Widerklageforderung war, obsiegte die Klägerin bei wirtschaftlicher Betrachtung mit 5.031,44 Euro der damals im Streit stehenden 6.135,52 Euro, unterlag hingegen nur mit 1.104,08 Euro. Dies entspricht einem Kostenanteil von 18 Prozent.
78d. Bei einer solchen Kostengrundentscheidung wäre die Klägerin nur mit einer Kostenforderung von 541,68 Euro belastet worden. Denn dies sind 18 Prozent der insgesamt entstandenen erstinstanzlichen Prozesskosten von 3.009,36 Euro.
79Die von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen sie geltend gemachte Vergütungsforderung berechnet sich nach den Vorschriften der Rechtsanwaltsvergütung. Wegen der Streitwertabhängigkeit (§ 2 I RVG) der rechtsanwaltlichen Gebührenansprüche und des Gebührenstreitwerts des Vorprozesses bis 7.000 Euro errechnet sich eine Gebührenforderung 1.228,68 Euro (vgl. §§ 13 I, 2 II RVG mit Ziffern 3100, 3104, 7002, 7008 der Anlage 1 zum RVG). Diese sind aber nicht nur auf der Seite der Klägerin, sondern in gleicher Höhe auch auf der Seite der Insolvenzmasse angefallen.
80Hinzu kommen außerdem noch streitwertabhängige Gerichtskosten (§§ 3 I, 34 I GKG i.V.m. Anlage 2 zum GKG und § 3 II i.V.m. Ziffer 1210 der Anlage 1 zum GKG) in Höhe von 552 Euro.
81e. In der genannten Höhe kann die Beklagte insgesamt nicht nur Freistellung, sondern Leistung verlangen. Zwar entstand dieser Schadensanspruch überwiegendzunächst als Freistellunganspruch, da die Beklagte den auf die Forderung ihrer Prozessbevollmächtigen entfallenden Teil noch nicht erfüllt hat und bei ihr demnach als Schaden nur die Belastung mit einer Verbindlichkeit eingetreten ist (vgl. dazu Grüneberg in Palandt-BGB, 77. Aufl. 2018, § 249 BGB Rn. 4; Röver in BeckOGK-BGB, Stand 01.12.2017, § 257 BGB Rn. 34). Er wandelt sich aber gegebenenfalls gemäß § 250 S. 2 BGB in einen Zahlungsanspruch des Geschädigten. Der in § 250 BGB genannten Fristsetzung steht es gleich, wenn der Ersatzpflichtige die Naturalrestitution – wie hier – ernsthaft und endgültig verweigert (BGH v. 13.01.2004 [XI ZR 355/02] – Juris-Tz. 16; J. W. Flume in BeckOK-BGB, 45. Edition v. 01.11.2017, § 250 BGB Rn. 6; Teichmann in Jauernig-BGB, 16. Aufl. 2015, § 250 BGB Rn. 2). Dies lässt sich auf eine Gesamtanalogie zu §§ 281 II Var. 1; 286 II Nr. 3; 323 II Nr. 1 BGB stützen.
822. Die Rechtskraft der im Vorprozess getroffenen Kostenentscheidung steht der Gewährung eines Kostenerstattungsanspruchs nicht entgegen. Die Rechtskraft wirkt nach §§ 322 I; 325 I ZPO ohne weiteres ohnehin nur zwischen Parteien des Rechtsstreits (Gottwald in MüKo-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 325 ZPO Rn. 1), also dort zwischen der Klägerin und der Insolvenzmasse, nicht aber zwischen der Klägerin und der Beklagten persönlich.
83Rechtskräftig entschieden wurde im Vorprozess mit anderen Worten nur, dass dessen Kosten im Verhältnis der Klägerin zur Insolvenzmasse gegeneinander aufzuheben sind. Welchen Anteil der Kosten die Klägerin im Verhältnis zur Beklagten persönlich zu tragen hat, ist damit – wie auch bei Regressprozessen anderer Art wie den Anwaltsregressen (vgl. etwa Borgmann in NJW 2005, 22 [25]) – nicht entschieden.
843. Auch sind die Voraussetzungen der haftungsausfüllenden Kausalität erfüllt und stehen der Zurechnung des Prozesskostenschadens zu der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Beklagten nicht entgegen. Dies gilt zunächst für den Umstand, dass das Gericht des Erstprozesses durch die rechtsirrige Kostenentscheidung diesen Schaden unmittelbar verursacht hat (dazu a.). Es gilt aber auch für den Umstand, dass die jetzige Klägerin im Vorprozess nicht ihrerseits Berufung eingelegt hat, um die Kostenentscheidung abändern zu lassen (dazu b.).
85a. Die Beklagte hat den Kostenschaden der Klägerin unabhängig davon zu ersetzen, dass dieser nur in Folge der weiteren Zwischenursache entstanden ist, die der Vorrichter durch die unrichtige Kostengrundentscheidung gesetzt hat. Denn der Zurechnung schädlicher Folgen steht nicht entgegen, dass sich der Schaden erst durch eine falsche Entscheidung eines Gerichts verwirklicht hat (so Schiemann in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2017, § 249 BGB Rn. 71).
86Etwas anderes gilt nur dann, wenn aufgrund der gerichtlichen Fehlleistung die anderweitige Schadensursache wertungsmäßig völlig zurücktritt (BGH v. 15.11.2007 [IX ZR 44/04] – Juris-Tz. 19; J.W. Flume in BeckOK-BGB, 47. Edition, Stand 01.08.2018, § 249 BGB Rn. 312). Bei der hier gegebenen vorsätzlichen Schädigung durch die Beklagte kommt dies wegen der Schwere des Vorwurfs der sittenwidrigen Schädigung nicht in Betracht.
87Der Vorsatzvorwurf steht zugleich dem Einwand der Unvorhersehbarkeit des durch eine unrichtige Kostengrundentscheidung verursachten Kostenschadens entgegen. Die Beklagte mag im Jahr 2013 einen in einem späteren Rechtsstreit entstehenden Kostenfolgeschaden nicht bedacht haben. Für die im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zu fordernden Adäquanz des schädigenden Verhaltens für den jeweiligen Schaden genügt es aber, sofern das Ereignis allgemein geeignet ist, einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen (BGH v. 10.05.1990 [IX ZR 113/98] – Juris-Tz. 15; OLG Saarbrücken v. 19.08.2011 [8 W 182/11] – Juris-Tz. 10; Oetker in MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 249 BGB Rn. 110).
88Dabei handelt es sich jedoch um ein wertendes Kriterium unter mehreren, die zur Einschränkung der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit heranzuziehen sind (Schiemann in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2017, § 249 BGB Rn. 19; vgl. auch kritisch Oetker in MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 249 BGB Rn. 116). Diese normative Funktionalität führt dazu, dass auch die Art des Schädigerverhaltens berücksichtigt wird (Teichmann in Jauernig-BGB, 17. Aufl. 2018, Vorbem. §§ 249-253 Rn. 27; vgl. auch kritisch Oetker in MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 249 BGB Rn. 117).
89Hier trifft dies auf den Vorsatzvorwurf zu. Es kommt hinzu, dass bei abstrakter Betrachtung die Verursachung mittelbarer Prozesskostenschäden nicht – wie es die Adäquanztheorie erfordert – allgemein ausgeschlossen werden kann. Denn wer die Erfüllung einer berechtigten Forderung verweigert, ermöglicht damit auch den Eintritt von Rechtsverfolgungsschäden.
90b. Der Klägerin kann nicht entgegengehalten werden, dass sie die falsche Kostenentscheidung des Vorprozesses nicht ihrerseits mit der Berufung angegriffen hat. Weder eine auf die Kostenentscheidung beschränkte Berufung, noch eine Anschlussberufung der Klägerin hätten nämlich zur Abänderung der Kostenentscheidung geführt (dazu aa.). Eine Berufung gegen die Abweisung ihres Widerklagehauptantrags wäre ihr zwar möglich gewesen und hätte zur Abänderung der Kostenentscheidung führen können, war ihr aber nicht zumutbar (dazu bb.).
91aa. Die Kostenentscheidung allein konnte die Klägerin wegen der Regelung des § 99 I ZPO nicht angreifen. Dies wäre unzulässig gewesen (Schulz in MüKo-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 99 ZPO Rn. 15). Zwar hätte die Klägerin eine auf die Kostenentscheidung beschränkte Anschlussberufung zulässig einlegen können (BGH v. 05.05.2010 [III ZR 209/09] – Juris-Tz. 24; Flockenhaus in Musielak/Voit-ZPO, 15. Aufl. 2018, § 99 ZPO Rn. 5). Als unselbständiges Rechtsmittel wäre die Anschlussberufung der Klägerin aber durch die Berufungsrücknahme der Insolvenzmasse gemäß § 524 IV ZPO wirkungslos geworden.
92bb. Es war der Klägerin auch nicht zumutbar, die Abweisung ihres Widerklagehauptantrags mit einer eigenständigen Berufung anzugreifen. Das Amtsgericht hatte im Vorprozess insoweit den auf Zahlung von 3.067,76 Euro nebst Zinsen lautenden Antrag abgewiesen.
93Dadurch war die Klägerin für eine eigenständige Berufung zwar ausreichend beschwert. Die Abweisung des Hauptantrags war wegen der vorherigen Anzeige der Massearmut durch die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin aber zweifellos richtig. Sie entspricht der ständigen Rechtsprechung der Bundesgerichte zur Unzulässigkeit der auf einen Masseanspruch gestützten Zahlungsklage nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit, da es wegen § 210 InsO an einem Rechtsschutzinteresse fehlt (vgl. nur BAG v. 11.12.2001 [9 AZR 459/00] – Juris-Tz. 22 ff; BGH v. 03.04.2003 [IX ZR 101/02] – Juris-Tz. 7; Landfermann HK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 210 InsO Rn. 10).
94Die Klägerin hätte mit einer eigenständigen Berufung daher bei Lichte betrachtet nur das Ziel erreichen und verfolgen können, unter Inkaufnahme der Abweisung ihres Berufungssachantrages eine Änderung der Kostenentscheidung zu erreichen. Dies aber wäre wegen § 99 I ZPO prozessrechtswidrig gewesen und hätte bei Erkennen durch das Berufungsgericht zur Verwerfung der Berufung führen müssen (BGH v. 03.11.1971 [IV ZR 26/70] – Juris-Tz. 10; vgl. auch Schulz in MüKo-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 99 ZPO Rn. 10 zum Fall der offensichtlichen Unbegründetheit).
95III. Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Eine Verjährung ergibt sich weder aus § 217 BGB (dazu 1.) noch aus dem Grundsatz der Schadenseinheit (dazu 2.).
961. § 217 BGB führt trotz der Verjährung der auf den Betrag in Höhe der Mieten für Mai und Juni 2013 gerichteten Klageforderung (dazu unten B.) nicht zur Verjährung des Anspruchs auf einen Teil der Prozesskosten des Vorprozesses. Denn bei dem Schadensersatzanspruch für die Prozesskosten handelt es sich nicht um eine abhängige Nebenleistung im Sinne der Vorschrift.
97Zwar werden Prozesskosten als Kosten der Rechtsverfolgung von § 217 BGB erfasst (Bach in BeckOGK, Stand 01.10.2018, § 217 BGB Rn. 5; Grothe in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 217 BGB Rn. 1). Dort geht es aber um die Kosten der Rechtsverfolgung des gegen den jeweiligen Schuldner verfolgten Anspruchs. Hier werden gegen die Beklagte indessen die Prozesskosten geltend gemacht, die der Klägerin bei der Verfolgung eines Anspruchs gegen die Insolvenzmasse entstanden sind. Insofern handelt es sich um eine weitere Schadensposition als Teil des Hauptanspruchs.
982. Die Verjährung ergibt sich auch nicht aus dem Grundsatz der Schadenseinheit (dazu a.). Denn der Prozesskostenschaden war für die Klägerin nicht vorhersehbar (dazu b.).
99a. Nach dem Grundsatz der Schadenseinheit ist der gesamte aus einer Handlung resultierende Schaden als Einheit anzusehen und nicht in seine verschiedenen Bestandteile aufzuteilen (Spindler in BeckOK, 47. Edition, Stand 01.08.2018, § 199 BGB Rn. 33; vgl. auch Schmidt-Räntsch in Erman-BGB, 15. Aufl. 2017, § 199 BGB Rn. 23). Er ist dann bereits im Zeitpunkt der ersten Vermögenseinbuße als eingetreten anzusehen (Grothe in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 199 BGB Rn. 9), mit dem die Verjährung im Rahmen der weiteren Voraussetzungen des § 199 I BGB für den ganzen Anspruch einschließlich aller weiteren adäquat verursachten, zurechenbaren und voraussehbaren Nachteile beginnt (Piekenbrock in BeckOGK, Stand 01.08.2018, § 199 BGB Rn. 58).
100Ausgenommen sind aber unvorhersehbare spätere Nachteile (BGH v. 03.06.1997 [VI ZR 71/96] – Juris-Tz. 12 f; Mansel in Jauernig-BGB, 17. Aufl. 2018, § 199 BGB Rn. 2; Piekenbrock in BeckOGK, Stand 01.08.2018, § 199 BGB Rn. 60; Schmidt-Räntsch in Erman-BGB, 15. Aufl. 2017, § 199 BGB Rn. 23). Da der Grundsatz der Schadenseinheit auf den Geboten der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit beruht, folgt aus dieser Zweckbestimmung, dass Ausnahmen jedoch nur in eng begrenzten Fallkonstellationen hinnehmbar sind (BGH v. 03.06.1997 [VI ZR 71/96] – Juris-Tz. 12 f). Dies ist bei Schadensfolgen der Fall, die auf atypischen, unerwarteten oder unvorhersehbaren Umständen beruhen. In solchen Fällen hat der Gläubiger Kenntnis nur, sobald er die Schäden selbst und ihren Zusammenhang mit dem Anfangsschaden erkennt (Schmidt-Räntsch in Erman-BGB, 15. Aufl. 2017, § 199 BGB Rn. 23).
101b. Ein solcher Ausnahmefall ist hier gegeben. Der Klägerin kann für den die Mieten betreffenden Schadensersatzanspruch vorgehalten werden, die ab dem Jahr 2013 laufende Verjährung nicht gehemmt zu haben. Deshalb ist dieser Anspruch verjährt (s.u.).
102Für sie war aber nicht vorhersehbar, dass ihr im Vorprozess gegen die Masse ein weiterer Kostenschaden entstehen würde, so dass für sie eine die Verjährung abwehrende Feststellungsklage unzumutbar gewesen wäre (dazu aa.). Dem stehen auch weder die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (dazu bb.) noch die Annahme der Vorhersehbarkeit im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität (s.o.) entgegen (dazu cc.).
103aa. Der Prozesskostenschaden war bei der Entstehung des mietbezogenen Schadens im Jahr 2013 noch nicht absehbar. Freilich ist es nach der gefestigten Rechtsprechung ausreichend, wenn der Geschädigte, dem ein erster Schaden entstanden ist, hinsichtlich weiterer Schäden eine Feststellungsklage erheben kann. Dies wird etwa hinsichtlich der Spätfolgen von Körperverletzungen in weitem Umfang angenommen (BGH v. 27.11.1990 [VI ZR 2/90] – Juris-Tz. 14; BGH v. 03.06.1997 [VI ZR 71/96] – Juris-Tz. 13; Schmidt-Räntsch in Erman-BGB, 15. Aufl. 2017, § 199 BGB Rn. 23; vgl. dazu auch Grothe in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 199 BGB Rn. 11 f).
104Da eine Feststellungsklage nach der Konzeption der Rechtsprechung zwar immer möglich ist (darauf weisen Peters/Jacoby in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2014, § 199 BGB Rn. 46 kritisch hin), aber von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausnahmsweise nicht gefordert wird, wenn der Folgeschaden unvorhersehbar ist, muss ein einschränkendes Kriterium bestehen. Der Bundesgerichtshof hat dieses dahin formuliert, dass für den Geschädigten kein naheliegender Grund zur Annahme eines möglichen weiteren Schadens besteht, für den eine Feststellungsklage der Abwehr der Verjährungseinrede dienen könnte (BGH v. 03.06.1997 [VI ZR 71/96] – Juris-Tz. 13 a.E.). An anderer Stelle hat er § 242 BGB angewendet (BGH v. 27.11.1990 [VI ZR 2/90] – Juris-Tz. 18 ff).
105Der Klägerin entgegenzuhalten, sie hätte ab Entstehung des ursprünglichen Schadens hinsichtlich der Mieten für die Monate Mai und Juni 2013 eine Feststellungsklage hinsichtlich denkbarer weiterer Schäden erheben können, geht nicht an. Es kommt dabei entscheidend darauf an, ob für die Klägerin die Erhebung einer Feststellungsklage auch zweckdienlich und daher zumutbar war (BGH v. 27.11.1990 [VI ZR 2/90] – Juris-Tz. 14; vgl. auch BGH v. 03.06.2008 [XI ZR 319/06] – Juris-Tz. 27), weil ein weiterer Schaden zu befürchten war (vgl. BGH v. 03.06.1997 [VI ZR 71/96] – Juris-Tz. 13 a.E.).
106Der Klägerin war die Erhebung einer solchen Feststellungsklage hier nicht zuzumuten. Für die Klägerin war zunächst außer dem Mietausfall kein weiterer Schaden zu erkennen oder zu befürchten. Zu einer unrichtigen Kostenentscheidung und einem dadurch verursachten Prozesskostenschaden kann es neben einem bereits bestehenden Anspruch immer und konnte es daher insbesondere im Rahmen der von der Klägerin zu erwägenden Feststellungsklage gegen die jetzige Beklagte kommen.
107Mit einer solchen Feststellungsklage ist daher für den Gläubiger nichts gewonnen. Durch eine zweite zu erhebende Klage erhöht sich sogar die statistische Gefahr einer falschen Kostenentscheidung zum Nachteil des Gläubigers. Von einem Gläubiger kann nicht verlangt werden, zur präventiven Abwehr eines Schadens, der unmittelbar durch einen richterlichen Rechtsanwendungsfehler verursacht werden wird, die Justiz anzurufen, da ihm dieser Schaden bei der vorbeugenden Inanspruchnahme in gleicher Weise entstehen kann.
108bb. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Bundesgerichtshof in einer der hiesigen Konstellation nicht unähnlichen Fallgestaltung unter Berufung auf den Grundsatz der Schadenseinheit auch die Kosten des Vorprozesses als verjährt angesehen hat (BGH v. 24.05.2005 [IX ZR 114/01] – Juris-Tz. 13). Denn die Sachverhalte weichen in dem entscheidenden Punkt voneinander ab, dass es dort um einen Schaden ging, der aus der Undurchsetzbarkeit eines gewährten Prozesskostenerstattungsanspruchs entstand (dazu 1)), hier jedoch um die rechtsirrige Nichtgewähr eines Prozesskostenerstattungsanspruchs, der nach Lage der Dinge durchsetzbar gewesen wäre (dazu 2)).
1091) Soweit der zugehörige Sachverhalt vom Bundesgerichtshof mitgeteilt wird (vgl. BGH v. 24.05.2005 [IX ZR 114/01] – Juris-Tz. 1 f, 13), hatte der dortige Kläger zunächst die Insolvenzmasse in Anspruch genommen, war aber sowohl für den erhaltenen Zahlungstitel zu seiner Hauptforderung als auch für seinen Prozesskostenanspruch wegen einer nachträglichen Anzeige der Massearmut auf eine Quote beschränkt. Nachdem der gegen den Insolvenzverwalter gerichtete Schadensersatzanspruch – der sich daraus ergab, dass seine Hauptforderung gegen die Insolvenzmasse nur quotal befriedigt wurde – bereits verjährt war, nahm der dortige Kläger den Insolvenzverwalter auch hinsichtlich der ihm zuerkannten, aber nur quotal bedienten Prozesskostenforderung in Anspruch.
110Der IX. Zivilsenat führte aus, dass der Geschädigte nach dem Grundsatz der Schadenseinheit weder die jeweiligen Schadenspositionen noch den Umfang oder die genaue Höhe des Schadens kennen müsse. Auch wenn die dortige Klägerin an die Kosten eines späteren Prozesses beim Eintritt des ersten Schadens noch nicht gedacht haben möge, würde ein entsprechender Kostenausfall jedoch nicht fern liegen, wenn die jeweilige Hauptforderung nicht oder nicht in voller Höhe durchsetzbar sei (BGH v. 24.05.2005 [IX ZR 114/01] – Juris-Tz. 13).
1112) Der hiesige Sachverhalt liegt in dem entscheidenden Punkt anders, dass dort im Vorprozess ein prozessualer Kostenanspruch gewährt worden ist, aber nicht durchsetzbar war, hier jedoch ein prozessualer Kostenanspruch vom Vorrichter rechtsirrig versagt worden ist. Für einen Gläubiger ist es nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofes vorhersehbar, dass eine Klage gegen die Insolvenzmasse wegen Massearmut zu einem weiteren Prozesskostenschaden bei ihm führen kann, weil sein Prozesskostenerstattungsanspruch Masseschaden ist und als solcher unter einer möglichen Massearmut leidet. Damit ist aber noch nichts dazu gesagt, ob es für den Gläubiger vorhersehbar ist, dass für ihn ein Schaden entstehen kann, weil das Gericht in seinem Masserechtsstreit ihm rechtsirrig einen übermäßigen Prozesskostenteil auferlegt und er die Kostenentscheidung nach § 99 I ZPO nicht isoliert anfechten kann.
112Dieser Sachverhalt weicht deshalb entscheidend von demjenigen ab, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrunde lag, da dem dortigen Kläger wegen der Gefahr, mit einem Kostenerstattungsanspruch nach erfolgreicher Klage wegen der Massearmut auszufallen, eine Feststellungsklage zuzumuten war, durch die die Ersatzpflicht des dortigen Insolvenzverwalters verjährungshemmend festgehalten worden wäre.
113Der hiesigen Klägerin drohte es indessen im Vorprozess nicht, mit ihrem Kostenerstattungsanspruch auf eine Quote verwiesen zu werden. Unabhängig von der ungeklärten Frage, ob das Vermögen der Insolvenzschuldnerin zur Bedienung der sog. Altmassegläubiger ausreichen wird, handelte es sich bei dem Prozesskostenanspruch der Klägerin gegen die Insolvenzmasse aus dem Vorprozess um eine Neumasseverbindlichkeit. Denn der Vorprozess (genauer: dessen Widerklageteil) wurde erst im Jahr 2015 und damit nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit noch im Jahr 2014 begonnen, was für die Qualifikation als Neumasseverbindlichkeit entscheidend ist (BGH v. 22.09.2005 [IX ZB 91/05] – Juris-Tz. 5; BGH v. 09.10.2008 [IX ZB 129/07] – Juris-Tz. 6; Hefermehl in MüKo-InsO, 3. Aufl. 2013, § 209 InsO Rn. 24a; Landfermann HK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 209 InsO Rn. 13; Windel in Jaeger-InsO, 5. Aufl. 2010, § 209 InsO Rn. 37). Diese Einordnung führt aber über § 209 I Nr. 2 InsO zu einem Vorrecht gegenüber den Altmassegläubigern. Für eine Armut der Neumasse und einer deshalb drohenden Uneintreibbarkeit des Prozesskostenerstattungsanspruch gegenüber der Insolvenzmasse bestehen keine Anzeichen. Die Beklagte hat sogar ausdrücklich das Gegenteil vorgetragen (vgl. Bl. 24 d.A.).
114cc. Der Annahme von Unvorhersehbarkeit steht weiter nicht entgegen, dass die Vorhersehbarkeit auch ein Kriterium der haftungsausfüllenden Kausalität ist und im Rahmen von deren Prüfung angenommen wurde. Denn die beiden Klagevoraussetzungen haben unterschiedliche Ansatzpunkte. Bei der haftungsausfüllenden Kausalität geht es um die Frage, ob dem Verhalten des Schädigers, welches einen Haftungstatbestand erfüllt, eine bestimmte Haftungsfolge zugerechnet werden kann, weil sie bei dem schädigenden Verhalten als Folge vorhersehbar war (vgl. nur Oetker in MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 249 BGB Rn. 108). Im Rahmen dieser Verjährungsprüfung ist indessen die Perspektive des Gläubigers bei der Geltendmachung seines Anspruchs maßgeblich.
115Vor allem aber ist die Vorhersehbarkeit trotz ihres Wortsinns kein deskriptiv-analytisches Merkmal, sondern durch normative Betrachtung auszufüllen. Dies wird im Rahmen der Verjährungserwägungen bei der Frage der Zumutbarkeit der Feststellungsklage (s.o.) besonders deutlich. Eine abweichende Auslegung ist deshalb mit Blick auf die unterschiedlichen Funktionszusammenhänge geradezu geboten.
116IV. Als Verzugsschadensersatz kann die Klägerin von der Beklagten auf den zugestandenen Kostenschaden gemäß §§ 286 I, IV; 288 I 1, 2; 247 I BGB zudem Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.10.2017 verlangen.
117Dieser Zeitpunkt berechnet sich von dem vorgerichtlichen Aufforderungsschreiben der Prozessbevollmächtigten vom 12.09.2017 (Dienstag) durch eine Postlaufzeit von drei Werktagen bis zum 15.09.2017 und von da an bis zum 29.09.2017 durch die gesetzte zweiwöchige Frist, so dass analog § 187 I ZPO am Folgetag der Zinslauf begann.
118V. Die Verurteilung hatte trotz der Formulierung des klägerischen Antrages nicht Zug-um-Zug gegen die Abtretung der im Vorprozess festgestellten Masseforderung der Klägerin gegen die Insolvenzschuldnerin zu geschehen.
119Dieser einschränkende und aus § 255 BGB verständliche Teil des Klageantrags bezog sich bei verständiger Auslegung allein auf den Teil der Klageforderung, mit dem die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz für die Nichterbringung der im Vorprozess gegen die Insolvenzmasse festgestellten Masseforderung (erfolglos, dazu unten C.) begehrt. Der hier gewährte Anspruch auf einen Teil des Prozesskostenschadens aus dem Vorprozess hatte im Vorprozess kein Pendant, welcher der Beklagten im Wege des Vorteilsausgleich gewährt werden könnte und müsste.
120B. Die Beklagte hat daneben Anspruch auf die ihr bei der vorgerichtlichen Verfolgung dieses (erfolgreichen) Teils ihres Schadensersatzanspruchs entstandenen (und nicht anrechnungsfähigen) Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 74,26 Euro, auf die gemäß §§ 291 S. 1 Hs. 1, S. 2; 288 I 2; 247 I BGB und analog § 187 I BGB ab dem auf die Klagezustellung am 09.11.2017 folgenden Tag auch Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz verlangt werden können.
121Dieser Betrag errechnet sich wegen der Streitwertabhängigkeit (§ 2 I RVG) der rechtsanwaltlichen Gebührenansprüche auf der Grundlage des Gegenstandswert der erfolgreichen Forderung (bis 1000 Euro) nach den §§ 13 I, 2 II RVG mit den Ziffern 3100, 3104, 7002, 7008 der Anlage 1 zum RVG.
122Bei der Anspruchshöhe wurde beachtet, dass die Klägerin ausweislich ihres Antrags nur den nicht anrechnungsfähigen Teil der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe eines Gebührensatzes der Geschäftsgebühr von 0,65 geltend machen und sich im Übrigen auf das prozessuale Kostenverfahren beschränken wollte.
123C. Die Klage war abzuweisen, soweit die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz dafür begehrt, dass diese als Insolvenzverwalterin der Insolvenzschuldnerin die Mieten für die Monate Mai und Juni 2013 nicht zahlte. Dabei kann dahinstehen, ob ein solcher Anspruch besteht und – wie im Vorprozess (wohl rechtsirrig) entschieden worden ist – auf alleinige Zahlung an die Klägerin gerichtet ist.
124Denn der Durchsetzung des Anspruchs steht die von der Beklagten im Schriftsatz vom 25.04.2018 (Bl. 89 d.A.) erhobene Einrede der Verjährung entgegen, § 214 I BGB. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist insoweit verjährt, da die Verjährung am Schluss des Jahres 2013 zu laufen begann (dazu I.), nicht durch die Erklärung der Streitverkündung im Vorprozess gehemmt wurde (dazu II.) und die Erhebung der hiesigen Klage nach Verjährungseintritt geschah (dazu III.).
125I. Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs begann hier nach Maßgabe der einschlägigen (dazu 1.) Regelverjährung des § 199 I BGB mit dem Schluss des Jahre 2013, da der Anspruch noch in jenem Jahr im Sinne des § 199 I Nr. 1 BGB entstanden ist (dazu 1.) und die Gläubiger auch noch vor Jahresende im Sinne des § 199 I Nr. 2 BGB von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangten (dazu 2.).
1261. Die Vorschriften der Regelverjährung sind auf den Schadensersatzanspruch der Eheleute gegen die Beklagte anwendbar. Dies gilt für § 60 I 1 InsO, aber auch für § 826 BGB und § 823 I BGB. Für alle genannten Anspruchsgrundlagen gelten die §§ 195, 199 BGB. Für § 60 I 1 InsO folgt dies aus § 62 S. 1 InsO.
1272. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Ersatz des dadurch verursachten Schadens, dass die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin die von der Insolvenzschuldnerin gegenüber den Eheleuten geschuldete Miete für die Monate Mai und Juni 2013 nicht gezahlt hat, ist im Sinne des § 199 I Nr. 1 BGB im Jahr 2013 entstanden.
128Denn unter Beachtung der für die Entstehung eines Schadensersatzanspruches allgemein anerkannten Grundsätze (dazu a.) entstand der Schaden, als die Beklagte nach der Verwertung der mit dem Absonderungsrecht der Eheleute behangenen Gegenstände den Erlös nicht separierte, sondern der Insolvenzmasse zuführte und damit das dingliche Pfandrecht der Eheleute unterging (dazu b.).
129a. Ein Schadensersatzanspruch entsteht mit der Verwirklichung aller Anspruchsvoraussetzungen, zu denen auch der Schadenseintritt gehört. In der Entwicklung eines Schadens kommt es bisweilen dazu, dass sich dem pflichtwidrigen Handeln eine Phase wachsender Vermögensgefährdung anschließt, die dann schließlich in einen Vermögensschaden umschlägt (Peters/Jacoby in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2014, § 199 BGB Rn. 33). Eine bloße Vermögensgefährdung ist kein bereits entstandener Schaden in diesem Sinne, solange bei wertender Betrachtungsweise noch offen ist, ob sich das Risiko verwirklicht (BGH v. 15.10.1992 [IX ZR 43/92] – Juris-Tz. 34; BGH v. 25.04.2013 [IX ZR 65/12] – Juris-Tz. 10; Henrich in BeckOK-BGB, 47. Edition, Stand 01.08.2018, § 199 BGB Rn. 15; Mansel in Jauernig-BGB, 17. Aufl. 2018, § 199 BGB Rn. 2).
130Maßgeblich ist nach der Differenzhypothese, ob sich die Vermögenslage des Betroffenen infolge der schädigenden Handlung im Vergleich zu der hypothetischen Lage ohne diese Handlung bereits im gegenwärtigen Zeitpunkt verschlechtert hat (BGH v. 19.05.2009 [IX ZR 43/08] – Juris-Tz. 27; Piekenbrock in BeckOGK, Stand 01.08.2018, § 199 BGB Rn. 52). Eine spätere vermögensbilanzielle Vertiefung des Schadensumfang steht dann der Entstehung des gesamten Schadens zum früheren Zeitpunkt nicht entgegen, solange sie sich als bloße Weiterentwicklung darstellt, mit der beim ersten Eintritt bereits gerechnet werden konnte (BGH v. 08.11.2016 [VI ZR 200/15] – Juris-Tz.14 f; Grothe in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 199 BGB Rn. 9).
131b. Bezogen auf den hiesigen Fall, in dem die Beklagte den Erlös von Gegenständen, die mit einem pfandrechtsverursachten Absonderungsrecht belegt sind, nicht an die Absonderungsberechtigten ausgekehrt, sondern der Insolvenzmasse einverleibt hat, ist der maßgebliche Entstehungszeitpunkt derjenige der Zuführung des Verwertungserlöses zur Masse im Jahr 2013 und nicht erst der Eintritt der Masseunzulänglichkeit im Jahr 2014.
132aa. Nach § 170 I 2 InsO sind im Anschluss an die Verwertung eines mit einem Absonderungsrecht behangenen Gegenstands und nach Vorwegentnahme der Feststellungs- und Verwertungskosten (§ 170 I 1 InsO, vgl. zur Pauschalierung § 171 InsO) unverzüglich die Absonderungsgläubiger zu bedienen. Nach der Surrogationstheorie setzt sich das dingliche Pfandrecht des Absonderungsgläubigers an dem verwerteten Gegenstand zunächst analog § 1247 S. 2 BGB an dem Erlös fort (BGH v. 17.03.2011 [IX ZR 63/10] – Juris-Tz. 15; Brinkmann in Uhlenbruck-InsO, 14. Aufl. 2015, § 170 InsO Rn. 10; Eckardt in Jaeger-InsO, 2018, § 170 InsO Rn. 80; vgl. auch BGH v. 17.07.2008 [IX ZR 96/06] – Juris-Tz. 10).
133Dies verpflichtet den Verwalter auch zur Separierung des Verwertungserlöses (vgl. nur BGH v. 21.01.2010 [IX ZR 65/09] – Juris-Tz. 33 für den vorläufigen Verwalter; Landfermann in HK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 170 InsO Rn. 9). Führt der Insolvenzverwalter indessen den Erlös der Insolvenzmasse zu, geht der Absonderungsanspruch zwar wegen der darin liegenden rechtsgrundlosen Bereicherung der Masse in einen Masseanspruch gemäß § 55 I Nr. 1 und 3 InsO über (Brinkmann in Uhlenbruck-InsO, 14. Aufl. 2015, § 170 InsO Rn. 10). Der Gläubiger verliert aber sein dingliches Vorrecht und hat nur noch den Bereicherungsanspruch gegen die Masse und etwaig Schadensersatzansprüche gegen den Insolvenzverwalter (BGH v. 21.01.2010 [IX ZR 65/09] – Juris-Tz. 41; Brinkmann in Uhlenbruck-InsO, 14. Aufl. 2015, § 170 InsO Rn. 10; Eckardt in Jaeger-InsO, 2018, § 170 InsO Rn. 77 ff, 116).
134Genau dies ist der Entstehungszeitpunkt des Schadens des Absonderungsgläubigers, dessen Absonderungsanspruchs nicht bedient wird (so wohl auch ausdrücklich Eckardt in Jaeger-InsO, 2018, § 170 InsO Rn. 116: „jeweils“). Für ihn ist mit dem Verlust des dinglichen Rechts am Erlös über eine bloße Vermögensgefährdung ein unwiederbringlicher Rechtsgutschaden eingetreten, der durch die spätere Masseinsuffizienz nur vertieft wird.
135Deshalb hat der Bundesgerichtshof für den Parallelfall der Nichtbedienung eines Aussonderungsgläubigers auch entschieden, dass der gegen die Masse gerichtete Anspruch gegenüber dem Schadensersatzanspruch gegen den Insolvenzverwalter nicht vorrangig ist (BGH v. 01.12.2005 [IX ZR 115/01] – Juris-Tz. 16) und der Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter mithin entsteht, bevor der Masseanspruch endgültig wegen der Masseunzulänglichkeit nicht mehr bedient werden kann (vgl. auch Brandes/Schoppmeyer in MüKo-InsO, 3. Aufl. 2013, § 60 InsO Rn. 112; Sinz in Uhlenbruck-InsO, 14. Aufl. 2015, § 60 InsO Rn. 113). Das Oberlandesgericht Hamm hat deshalb entschieden, bereits die Vorenthaltung des Verwertungserlöses führe bei dem absonderungsberechtigten Gläubiger zum Eintritt des Schadens, der durch die spätere Massearmut nicht verändert werde, sondern mit der nur ein zusätzlicher Schuldner entfalle (OLG Hamm v. 21.12.2010 [27 U 33/10] – Juris-Tz. 33 a.E.).
136bb. Die Entstehung des Schadensersatzanspruchs der Eheleute gegen die Beklagte noch im Jahr 2013 folgt hier daraus, dass die Beklagte die in die (von den Eheleuten gemieteten) Geschäftsräume der Insolvenzschuldnerin eingebrachten Sachen des Betriebsvermögens im Sommer 2013 verwertet hat. An diesen Sachen bestand ein gesetzliches Pfandrecht der Eheleute gemäß §§ 562 I, 1257, 1204 ff BGB, welches sie im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung gemäß § 50 I InsO berechtigte.
137Dieses Pfandrecht setzte sich nach der Verwertung zunächst am Erlös fort, ging aber unter, als die Beklage den Erlös in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin am 13.07.2013 durch Entgegennahme auf ihrem Verfahrenskonto der Masse einverleibte ohne ihn zu separieren. Es verblieb den Eheleuten allein die weniger geschützte Rechtsposition eines Masseanspruchs, die später bis zur und durch die Massearmut an Wert verlor.
1383. Das nach § 199 I Nr. 2 BGB zusätzlich erforderliche subjektive Moment trat ebenfalls noch im Jahr 2013 ein. Noch vor Jahresende waren den Eheleuten – oder jedenfalls den von ihnen beauftragten Rechtsanwälten, deren Wissen sie sich nach dem Rechtsgedanken des § 166 I BGB zurechnen lassen müssen (vgl. dazu BGH v. 08.11.2016 [VI ZR 594/15] – Juris-Tz. 14; Grothe in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 199 BGB Rn. 38; Peters/Jacoby in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2014, § 199 BGB Rn. 60) – die Umstände bekannt, aus denen sich der Anspruch ergibt.
139a. Denn mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27.08.2013 forderten die Eheleute von der Beklagten die Entfernung des nach der Verwertung noch verbliebenen Mobiliars. Bereits mit Schreiben vom 02.09.2013 lehnte die Beklagte indessen die Bedienung der pfandrechtsgesicherten Forderungen ab, so dass von der Einverleibung der Erlöse zur Insolvenzmasse auszugehen war, durch die die Anspruchsgrundlagen der § 60 I 1 InsO und § 823 I BGB gegeben waren.
140b. Nichts anderes gilt aber auch für einen Anspruch aus § 826 BGB. Dieser stützt sich auf eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Eheleute, die sich wiederum aus der der Beklagten vorgeworfenen arglistigen Täuschung ergibt. Von dieser gingen die Eheleute aber bereits mit Schreiben vom 31.07.2013 aus, in welchem sie durch ihre Prozessbevollmächtigten von einer unrichtigen Darlegung der Rechtslage zu „Täuschungszwecken“ sprachen (Bl. 56 d.A.). Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 02.09.2013 die Bedienung der Ansprüche der Eheleute abgelehnt hatte, kannten diese damit noch im Jahr 2013 auch alle diesbezüglichen Umstände.
141Denn eine Kenntnis aller Einzelheiten ist für den Beginn der Verjährungsfrist nicht erforderlich (dazu aa.). Auch war die damalige Beweislage, die sich bis zur hiesigen Klageerhebung im Übrigen nicht geändert hat, und insbesondere der Umstand, dass erst im hiesigen Rechtsstreit die intern geäußerten Bedenken der Zeugin A. der Klägerin bekannt geworden sind, kein Umstand, der den Beginn der Verjährungsfrist hindern konnte (dazu bb.).
142aa. Voraussetzung für die erforderliche Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände ist nicht, dass der Gläubiger alle Einzelheiten der dem Anspruch zugrunde liegenden Umstände überblickt. Ausreichend ist, dass der Gläubiger den Hergang in seinen Grundzügen kennt und weiß, dass der Sachverhalt erhebliche Anhaltspunkte für die Entstehung eines Anspruchs bietet (so Grothe in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 199 BGB Rn. 28). Die erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, möglich und zumutbar ist. Es ist nicht notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben (BGH v. 26.02.2013 [XI ZR 498/11] – Juris-Tz. 27).
143bb. Dem Gläubiger sind verjährungshemmende Maßnahmen dabei auch dann zuzumuten, wenn sich die Beweislage ungünstig darstellt. Es besteht kein Anlass, die Verjährung so lange anzuhalten, bis sie sich verbessert hat (so Peters/Jacoby in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2014, § 199 BGB Rn. 68). Der Verjährungsbeginn setzt keineswegs voraus, dass der Geschädigte bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand hat, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Es muss ihm lediglich zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm oder seinen Vertretern hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit verbleibendem Prozessrisiko (BGH v. 08.11.2016 [VI ZR 594/15] – Juris-Tz. 11; vgl. auch BGH v. 26.02.2013 [XI ZR 498/11] – Juris-Tz. 27).
144II. Die im Vorprozess zwischen der Insolvenzmasse und der Klägerin von dieser gegenüber der Beklagten (persönlich) erklärte Streitverkündung konnte die Verjährung des Schadensersatzanspruches nicht hemmen. Denn die Wirkung des § 204 I Nr. 6 BGB hat nur eine zulässige Streitverkündung (dazu 1.). Die Erklärung der Streitverkündung durch die Klägerin gegenüber der Beklagten war aber unzulässig (dazu 2.).
1451. Nach in Rechtsprechung und Literatur herrschender und zustimmungswürdiger Ansicht wird die Hemmungswirkung des § 204 I Nr. 6 BGB nur durch eine zulässige Streitverkündung ausgelöst (vgl. dazu BGH v. 06.12.2007 [IX ZR 143/06] – Juris-Tz. 20, 26; Ellenberger in Palandt-BGB, 77. Aufl. 2018, § 204 BGB Rn. 21 mwN; Peters/Jacoby in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2014, § 204 BGB Rn. 77; Meller-Hannich in BeckOGK, Stand 01.09.2018, § 204 BGB Rn. 233).
146a. Mit diesem Zulässigkeitserfordernis unterscheiden sich die Voraussetzungen der Hemmungswirkung bei der Streitverkündung zwar von denjenigen bei anderen verjährungshemmenden Rechtsverfolgungsmaßnahmen, wie etwa bei der verjährungshemmenden unzulässigen Klage (darauf weist Meller-Hannich in BeckOGK, Stand 01.09.2018, § 204 BGB Rn. 233.1 mit 28 hin; vgl. auch BGH v. 06.12.2007 [IX ZR 143/06] – Juris-Tz. 24). Dies rechtfertigt sich heute jedoch jedenfalls dadurch, dass der Reformgesetzgeber der Novellierung des Verjährungsrechts im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung die alte Vorschrift des § 215 II BGB a.F. nicht in das neue Recht übernommen hat (Grothe in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 204 BGB Rn. 40).
147Nach jener Vorschrift des alten Rechts wurde die Wirkung der damaligen „Unterbrechung“ rückwirkend negiert, sofern nicht binnen sechs Monaten nach Beendigung des Vorprozesses Klage erhoben wurde. Heute endet nach § 204 II 1 BGB indessen nur die Hemmungswirkung, so dass bei deren Ende die Verjährungsfrist gemäß § 209 BGB fortläuft. Die damit einhergehende Missbrauchsanfälligkeit lässt sich nur hinnehmen, wenn allein die zulässige Streitverkündung hemmend wirkt (Grothe in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 204 BGB Rn. 40).
148b. Erforderlich ist daher eine formal ordnungsgemäße und den Anforderungen der §§ 72, 73 ZPO genügende Streitverkündung (Peters/Jacoby in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2014, § 204 BGB Rn. 77; vgl. auch Grothe in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 204 BGB Rn. 40 und Meller-Hannich in BeckOGK, Stand 01.09.2018, § 204 BGB Rn. 233). Der Bundesgerichtshof hat daran trotz der sprachlichen Bereinigung der nämlichen Vorschrift durch die Schuldrechtsmodernisierung mit Blick darauf festgehalten, dass dieses in seiner Rechtsprechung seit Jahrzehnten anerkannte Erfordernis durch den Gesetzgeber nicht aufgegeben werden sollte (BGH v. 06.12.2007 [IX ZR 143/06] – Juris-Tz. 22 f).
149Denn die Streitverkündung dient dem Schutz des Regressanspruchs, erreicht diesen Zweck aber nur, sofern durch die Bindungswirkung der Streitverkündung gemäß §§ 68, 74 III ZPO vom Vorprozess verbindliche Feststellungen für den Folgeprozess zu erwarten sind (Peters/Jacoby in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2014, § 204 BGB Rn. 77; vgl. auch BGH v. 06.12.2007 [IX ZR 143/06] – Juris-Tz. 26: der Gläubiger soll nicht mehrere Prozesse gegen verschiedene Anspruchsgegner anstrengen müsse).
150Die Bindungswirkung der Streitverkündung setzt aber ihrerseits die Zulässigkeit der Streitverkündung voraus. Ohne sie bleibt es dem Gläubiger nicht erspart, mehrere Prozesse zu führen. Die Wirkung der Verjährungshemmung ohne die Bindungswirkung eingreifen zu lassen, würde es dem Gläubiger nur erlauben, die Prozess nacheinander, aber ohne inhaltliche Abhängigkeit zu führen. Dafür besteht kein Schutzbedarf (vgl. auch Meller-Hannich in BeckOGK, Stand 01.09.2018, § 204 BGB Rn. 233.1).
1512. Die Verkündung des Streits im Vorprozess durch die jetzige Klägerin gegenüber der jetzigen Beklagten persönlich war unzulässig. Im Rechtsstreit mit der Insolvenzmasse kann der Gegner dem Insolvenzverwalter persönlich nicht wirksam den Streit verkünden.
152Soweit ersichtlich werden die Anforderungen an die Zulässigkeit der Streitverkündung (dazu a.) in Rechtsprechung und Literatur für diese insolvenzrechtliche Konstellation nur am Rande erörtert (dazu b.). Die Unzulässigkeit der Streitverkündung gegenüber dem Vertreter (bspw. dem Organwalter) des Prozessgegners ist aber für andere Rechtsgebiete allgemein anerkannt (dazu c.). Diese Erwägungen sind auf die hiesige Konstellation zu übertragen (dazu d.), ohne dass eine begründungslose Randbemerkung in einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes dem durchschlagend entgegenstehen könnte (dazu e.).
153a. Die Zulässigkeit der Streitverkündung setzt nach dem Wortlaut des § 72 I ZPO nur voraus, dass die streitverkündende Partei für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt. Weitere (ungeschriebene) Voraussetzung der Streitverkündung ist aber, dass der Dritte, dem der Streit verkündet wurde, dem Rechtsstreit tatsächlich im Sinne von § 74 I ZPO beitreten könnte – und zwar auf der Seite der Partei, die ihm den Streit verkündet hat (Mansel in Wieczorek/Schütze-ZPO, 4. Aufl. 2018, § 72 ZPO Rn. 21, 28; vgl. auch Jacoby in Stein/Jonas-ZPO, 23. Aufl. 2014, § 72 ZPO Rn. 7; zur Wechselwirkung zwischen möglichem Beitritt und zulässiger Streitverkündung auch Althammer in Zöller-ZPO, 32. Aufl. 2018, § 66 Rn. 7 a.E.).
154Dies ist freilich in aller Regel möglich und wird deshalb bisweilen nicht weiter erwähnt. Es ist eine Einschränkung, die sich aus den Rechtsfolgenregime der Streitverkündung erklärt. Da der Dritte, dem der Streit verkündet wird, unabhängig von seinem Beitritt (§ 74 I ZPO) oder Nichtbeitritt (§ 74 II ZPO) mit der Bindungswirkung der Streitverkündung (§§ 74 III, 68 ZPO) belastet wird, kann ihm dies nur dann zugemutet werden, wenn er sein prozessuales Schicksal selbst in der Hand hat. Da der Dritte den Vorprozess nur dann als Nebenintervenient gestalten kann (§§ 74 I, 67 ZPO), wenn er beigetreten ist, darf ihm die Bindungswirkung nur aufgezwungen werden, wenn er durch seinen Beitritt (§ 74 I ZPO) Nebenintervenient werden könnte (vgl. dazu Mansel in Wieczorek/Schütze-ZPO, 4. Aufl. 2018, § 72 ZPO Rn. 21; Pawlowski in ZZP 1965, 397 [400]).
155Mit anderen Worten: Da die Bindungswirkung der Streitverkündung auf der Prämisse beruht, dass der Dritte in den Vorprozess eingreifen kann, ist die Option des Dritten zum Eingreifen in den Vorprozess auch Voraussetzung der Bindungswirkung. Denn die Möglichkeit des rechtlichen Gehörs ist die Wurzel der Bindungswirkung (Mansel in Wieczorek/Schütze-ZPO, 4. Aufl. 2018, § 72 ZPO Rn. 21 Fn. 65 mit § 66 ZPO Rn. 4; Pawlowski in ZZP 1965, 397 [400]). Dabei ist erforderlich, dass der Streitverkündungsempfänger gerade dem Verkündenden (und nicht nur seinem Prozessgegner) beitreten kann, da die Bindungswirkung der Streitverkündung für einen Folgeprozess nach dem Wortlaut des durch § 74 III ZPO in Bezug genommenen § 68 ZPO nur im Verhältnis zu der Hauptpartei eintritt (insoweit heute allg. Ansicht; vgl. nur BGH v. 07.10.1992 [VIII ZR 182/91] – Juris-Tz. 21; Althammer in Zöller-ZPO, 32. Aufl. 2018, § 68 ZPO Rn. 6, § 74 ZPO Rn. 6, 7).
156b. Soweit ersichtlich wird in Rechtsprechung und Literatur nicht vertieft erörtert, ob die Streitverkündung des Prozessgegners der Insolvenzmasse gegenüber dem Insolvenzverwalter persönlich zulässig ist; oder, was nach den vorstehenden Ausführungen gleichbedeutend ist: ob der Insolvenzverwalter in einem Rechtsstreit der Insolvenzmasse dem Prozessgegner beitreten kann. Soweit ersichtlich existieren insoweit bislang nur zwei Fundstellen, in denen jeweils die Zulässigkeit der Streitverkündung unterstellt wird.
157In einer primär verjährungsrechtlichen Entscheidung hat der für das Insolvenzrecht zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes gegen Ende der Entscheidung im Rahmen der Frage, wann die Verjährung des dort erörterten Anspruchs der Insolvenzgläubigerin zu laufen begann, die vor der Klage gegen den Insolvenzverwalter bereits einen Rechtsstreit mit der Insolvenzmasse geführt hatte, formuliert: „Die Klägerin hätte bereits zu diesem Zeitpunkt Feststellungsklage gegen […] [den Insolvenzverwalter] persönlich erheben […] oder aber – was vielleicht noch näher gelegen hätte – dem Beklagten persönlich im Prozess gegen ihn als Verwalter den Streit verkünden können“ (BGH v. 24.05.2005 [IX ZR 114/01] – Juris-Tz. 12 a.E.).
158In einem Formularbuch wird in einem der hiesigen Fallgestaltung ganz ähnlichen Situation dem aussonderungsberechtigten Insolvenzgläubiger geraten: „Ist unklar, ob sich der Verwertungserlös noch unterscheidbar auf dem Insolvenzsonderkonto befindet, empfiehlt es sich, den Verwalter auf Ersatzaussonderung zu verklagen und ihm persönlich den Streit zu verkünden“ (Sinz in Mes, Becksches Prozessformularbuch, 13. Aufl. 2016, Kapitel III, F. Nr. 14 Anm. 5 a.E.).
159c. In anderen Rechtsgebieten wird der Beitritt für ähnliche Situationen indessen intensiver erörtert. Es geht namentlich um den Beitritt des Vertreters zu einem Rechtsstreit, an dem der Vertretene beteiligt ist und wird dort insbesondere, aber nicht nur, für den Beitritt des organschaftlichen Vertreters (Organwalters) eines Verbands zum Rechtsstreit dieses Verbands relevant.
160aa. Dass der Vertreter das Recht hat, einem Rechtsstreit des von ihm Vertretenen beizutreten, ist umstritten, wird aber überwiegend abgelehnt (OLG Hamm v. 08.06.1993 [29 W 70/93] – FamRZ 1994, 386; Althammer in Zöller-ZPO, 32. Aufl. 2018, § 66 ZPO Rn. 7; Schultes in MüKo-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 66 ZPO Rn. 4; Weth in Musielak/Voit-ZPO, 15. Aufl. 2018, § 66 ZPO Rn. 4; Gehrlein in P/G-ZPO, 10. Aufl. 2018, § 66 ZPO Rn. 4; weitere Nachweise bei Mansel in Wieczorek/Schütze-ZPO, 4. Aufl. 2018, § 66 ZPO Rn. 23 Fn. 123). Immerhin gibt es aber eine Gegenposition, die den Beitritt des Vertreters zulassen will (OLG Karlsruhe v. 05.08.1997 [2 U 6/97] – Juris-Tz. 2; Jacoby in Stein/Jonas-ZPO, 23. Aufl. 2014, § 66 ZPO Rn. 12; Mansel in Wieczorek/Schütze-ZPO, 4. Aufl. 2018, § 66 ZPO Rn. 23 a.A. und a.E.; M. Schwab in NZG 2013, 521 [523]; weitere Nachweise für Sonderkonstellationen bei Schultes in MüKo-ZPO, 5.Aufl. 2016, § 66 ZPO Rn. 4 Fn. 25).
161Der Bundesgerichtshof hat die Frage wiederholt nicht ausdrücklich entschieden (BGH v. 29.01.2013 [II ZB 1/11] – Juris-Tz. 9; BGH v. 28.04.2015 [II ZB 19/14] – Juris-Tz. 10 ff, 15 f; vgl. auch OLG Köln v. 15.07.2015 [11 W 39/15] – Juris-Tz. 3; OLG Köln v. 09.03.2017 [18 U 19/16] – BeckRS 2017, 106344 [Tz. 114]). Die Begründung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes werden aber gleichwohl von den Vertretern der Minderheit als Unterstützung für ihre Position herangezogen (so Jacoby in Stein/Jonas-ZPO, 23. Aufl. 2014, § 66 ZPO Rn. 12; Mansel in Wieczorek/Schütze-ZPO, 4. Aufl. 2018, § 66 ZPO Rn. 23 Fn. 123).
162bb. Die Auseinandersetzung mit diesen unterschiedlichen Rechtsauffassungen dazu, ob dem Vertreter (Organwalter) der Beitritt zu einem Rechtsstreit möglich ist, an dem der Vertretene (Verband) beteiligt ist, ist indessen auch im Rahmen der hier zu erwägenden Ableitungen – nämlich für die Streitverkündung gegenüber dem Verwalter durch den Prozessgegner der Masse – nicht erforderlich.
163Denn die dargestellte Uneinigkeit besteht bei näherer Betrachtung nur hinsichtlich der Frage, ob der Organwalter auf der Seite des Verbandes beitreten kann. Soweit ersichtlich vertritt nämlich niemand der Befürworter eines möglichen Beitritts des Vertreters, dass der Vertreter (Organwalter) dem Prozessgegner des Vertretenen (Verbands) beitreten könnte (ausdrücklich dagegen etwa Mansel in Wieczorek/Schütze-ZPO, 4. Aufl. 2018, § 66 ZPO Rn. 23 [bei (1) (b)] und wohl auch Jacoby in Stein/Jonas-ZPO, 23. Aufl. 2014, § 66 ZPO Rn. 12 Fn. 49 durch die Bezugnahme auf Mansel).
164d. Dass nirgendwo vertreten wird, dass der Vertreter dem Prozessgegner des Vertretenen beitreten (und dementsprechend dieser Prozessgegner dem Vertreter den Streit verkünden) könnte, ist wegen des dahinterstehenden Arguments auch auf die hiesige Konstellation von Insolvenzverwalter und Insolvenzmasse zu übertragen. Dies ist der Rechtsgedanke des § 181 BGB (Mansel in Wieczorek/Schütze-ZPO, 4. Aufl. 2018, § 66 ZPO Rn. 23 [bei Fn. 125]).
165Bei näherer Betrachtung ist die Übertragung dieses Gedankens auch auf den hiesigen Fall geradezu zwingend. Der Insolvenzverwalter würde nach einem hypothetischen Beitritt auf der Seite des Prozessgegners der Insolvenzmasse auf beiden Seiten des Rechtsstreits stehen: Kraft seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 InsO) auf der Seite der Insolvenzmasse und wegen § 67 Hs. 2 ZPO an der Seite des Prozessgegners. Für die Insolvenzmasse nimmt er treuhänderisch die Vermögensinteressen des Insolvenzschuldners und der Insolvenzgläubiger wahr (vgl. § 1 InsO).
166An der Seite des Prozessgegners wird er indessen seine eigenen Vermögensinteressen besorgen. Es würde daher in seinem persönlichen Interesse liegen, die zu seinen Lasten gehende Bindungswirkung aus § 68 ZPO nicht zur Anwendung kommen zu lassen und der Gefahr einer aussichtslosen Verteidigungsposition im Folgeprozess zu entgehen, indem der Vorprozess für die Insolvenzmasse verloren geht. Bereits die abstrakte Gefahr eines solchen Interessenkonflikts, der zum Nachteil der fremdnützig verwalteten Insolvenzmasse zu gehen droht, will die Rechtsordnung nicht zulassen. Es liegt der typische abstrakte Interessenkonflikt vor, der zum Verbot des Insichgeschäfts Anlass gegeben hat (vgl. dazu nur Dörner in Hk-BGB, 9.Aufl. 2017, § 181 BGB Rn. 1; Schilken in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2014, § 181 BGB Rn. 4; Schubert in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 181 BGB Rn. 3).
167Der Übertragung des Rechtsgedankens des § 181 BGB auf das Auftreten des Insolvenzverwalters im Zivilprozess stehen dabei keine systematischen Bedenken entgegen. Das Verbot gilt nämlich zunächst für den Insolvenzverwalter im Verhältnis zur Insolvenzmasse (RG v. 15.11.1912 [III 188/12] – RGZ 80, 416; BGH v. 24.01.1991 [IX ZR 250/89] – Juris-Tz. 21; Jacoby in ZIP 2005, 1060 [1061]; Maier-Reimer in Erman-BGB, 15. Aufl. 2017, § 181 BGB Rn. 8; Mock in Uhlenbruck-InsO, 14. Aufl. 2015, § 80 InsO Rn. 65; Schilken in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2014, § 181 BGB Rn. 39 mwN; Sternal in Schmidt-InsO, 19. Aufl. 2016, § 80 InsO Rn. 33; Weinland in JurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 181 BGB Rn. 5). Und zwar unabhängig von der dogmatischen Begründung (vgl. dazu Kayser/Thole HK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 80 InsO Rn. 11 ff) der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters beim Handeln für die Insolvenzmasse (vgl. nur Schubert in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 181 BGB Rn. 57, 59).
168Das Verbot der Doppelstellung auf beiden Seiten gilt aber zudem auch allgemein im Prozessrecht (mit Unterschieden in der Begründung etwa RG v. 22.06.1907 [I 40/07] – RGZ 66, 240; BGH v. 11.12.1995 [II ZR 220/94] – Juris-Tz. 8; BayObLG v. 09.01.1962 [2 Z 212/61] – NJW 1962, 964 [964]; Ellenberger in Palandt-BGB, 77 Aufl. 2018, § 181 BGB Rn. 5; Fröhler in BeckOGK, Stand 01.07.2018, § 181 BGB Rn. 273; Jacoby in ZIP 2005, 1060 [1063]; Maier-Reimer in Erman-BGB, 15. Aufl. 2017, § 181 BGB Rn. 5; Schäfer in BeckOK-BGB, 47. Edition, Stand 01.08.2018, § 181 BGB Rn. 16; Schilken in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2014, § 181 Rn. 27 mwN; Schubert in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 181 BGB Rn. 21; Weinland in JurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 181 Rn. 5).
169e. Die dagegen von der Klägerin vorgebrachten Einwände – die Beklagte hätte nach der Streitverkündung der Insolvenzmasse beitreten können (dazu aa.) oder es hätte ein Sonderinsolvenzverwalter bestellt werden können (dazu bb.) – haben keine Schlagkraft.
170aa. Der Einwand des möglichen Beitritts an der Seite der Insolvenzmasse ist ohne Folgen. Denn ob die Beklagte der Insolvenzmasse hätte beitreten können, ist zwar nach den obigen Ausführungen für die Konstellation von Vertreter (Organwalter) und Vertretenem (Verband) umstritten. Aber selbst wenn dies mit der Minderheit generell oder jedenfalls für einen Beitritt des Insolvenzverwalters zur Insolvenzmasse anzunehmen wäre, würde es nicht die von der Klägerin gewünschte Folge haben.
171Insoweit wurde oben bereits ausgeführt, dass die Zulässigkeit der Streitverkündung die Möglichkeit des Beitritts an der Seite des Verkündenden voraussetzt, zu dessen Gunsten auch die Bindungswirkung der §§ 74 III, 68 ZPO zu Lasten des Verkündungsempfängers eingreifen soll. Ein möglicher Beitritt auf der Gegenseite des Streitverkünders kann wegen der Beschränkungen des Vorbringens des Streithelfers (§ 67 Hs. 2 ZPO) die Bindung gegenüber dem Streitverkünder nicht rechtfertigen, da Streitverkünder und Verkündungsempfänger dann im Vorprozess nicht Seite an Seite standen und eine gemeinsame Position vertreten haben.
172bb. Auch der Einwand der Möglichkeit der Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters ist richtig, aber unerheblich. Ein Sonderinsolvenzverwalter hätte im Vorprozess für die Insolvenzmasse bestellt werden können. Auch hätte dies dazu geführt, dass die Beklagte der Klägerin im Vorprozess hätte beitreten können und daher auch die Streitverkündung der Klägerin zulässig gewesen wäre.
173Es ist aber kein Sonderinsolvenzverwalter bestellt worden. Der Umstand, dass dies nicht geschehen ist, führt aber nicht dazu, dass die Beklagte sich so behandeln lassen müsste, als wäre dies geschehen. Denn die Zulässigkeit der Streitverkündung herbeizuführen, ist keine Rechtspflicht des Streitverkündungsempfängers, sondern eine prozessuale Obliegenheit des Streitverkünders.
174f. Nach alldem steht der Entscheidung des erkennenden Gerichts allein die begründungslose Randbemerkung der erwähnten Entscheidung des Bundesgerichtshofes entgegen (BGH v. 24.05.2005 [IX ZR 114/01] – Juris-Tz. 12 a.E.), nach der der Prozessgegner der Masse dem Insolvenzverwalter mit verjährungsunterbrechender Wirkung den Streit verkünden können soll. Die erkennende Abteilung ist über diese Entscheidung nicht leichtfertig hinweggegangen. Sie hat bereits in der Vergangenheit (AG Dortmund v. 09.04.2018 [Az. 410 C 8974/17]) betont, dass sie der Rechtsprechung ihrer Rechtsmittelgerichte mit Blick auf den Aspekt der Rechtssicherheit auch dann durchschlagende Bedeutung beimisst, wenn sie selbst eine abweichende Rechtsauffassung für ebenso gut oder sogar etwas besser vertretbar hält.
175Doch in der deutschen Rechtsordnung, die mit Ausnahme von § 31 BVerfGG und Blick auf Art. 97 I GG eine strenge formelle Präjudizienbindung nicht kennt (Honsell in Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2018, Einleitung Rn. 226 f; Gottwald in MüKo-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 322 ZPO Rn. 23), kann eine solche Maxime immer nur soweit reichen, wie die Entscheidungen der Rechtsmittelgerichte intelligibel sind und daher nachvollziehbar angewendet werden können. Denn der Geltungsanspruch höchstrichterlicher Entscheidungen beruht über den Einzelfall hinaus maßgeblich auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe (BVerfG v. 26.06.1991 [1 BvR 779/85] – Juris-Tz. 42).
176Der Bundesgerichtshof hat seine Aussage, der Prozessgegner der Masse könne dem Verwalter wirksam und mit verjährungshemmender Wirkung den Streit verkünden, in der dortigen Entscheidung nicht begründet, obwohl dieser Standpunkt – vor dem Hintergrund des dargestellten Stands von Rechtsprechung und Literatur zu den Anforderungen an die verjährungshemmende zulässige Streitverkündung – (äußerst) begründungsbedürftig gewesen wäre. Das Gericht hat daneben selbst keinen argumentativen Weg finden können, um die Aussage zu stützen. Es könnte der Entscheidung daher nur blind folgen, ohne Gewähr zu haben, dass es sich bei dieser Passage um eine bewusst getroffene und begründbare Entscheidung handelt. Einer solchen blinden Folgsamkeit versperrt Art. 97 I GG den Weg.
177III. Die Erhebung der hiesigen – unter dem 04.10.2017 verfassten, am 09.10.2017 bei Gericht eingegangen und der Beklagten am 09.11.2017 zugestellten – Klage kam zu spät, um den Eintritt der Verjährung noch rechtzeitig verhindern zu können.
178Denn die hier in Betracht kommenden Ansprüche verjähren nach der Vorschrift für die Dauer der regelmäßigen Verjährung (§ 195 BGB) drei Jahre nach Beginn der Verjährungsfrist. Da der Verjährungsbeginn Ende 2013 war, lief die Verjährung somit bereits Ende 2016 ungehemmt ab.
179IV. Die Verjährung der Hauptforderung erfasst gemäß § 217 BGB als Kosten der Anspruchsdurchsetzung auch die für diesen Teil des begehrten Schadensersatzes entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten (vgl. Bach in BeckOGK, Stand 01.10.2018, § 217 BGB Rn. 5).
180D. Die prozessualen Nebenentscheidungen hatten gemäß § 92 I 1 Var. 2 ZPO den Anteil des jeweiligen Obsiegens widerzuspiegeln und beruhen hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11 Var. 1, 2; 711 S. 1, 2; 709 S. 2 ZPO.
181E. Der Streitwert wird auf bis zu 5000 Euro festgesetzt.
182Rechtsbehelfsbelehrung:
183A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
1841. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
1852. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
186Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Dortmund, L-Straße, 44135 Dortmund, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
187Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Dortmund zu begründen.
188Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Dortmund durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
189Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
190B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Dortmund statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Dortmund, H-Straße, 44135 Dortmund, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
191Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
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Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Kann eine Masseverbindlichkeit, die durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden ist, aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden, so ist der Verwalter dem Massegläubiger zum Schadenersatz verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Verwalter bei der Begründung der Verbindlichkeit nicht erkennen konnte, daß die Masse voraussichtlich zur Erfüllung nicht ausreichen würde.
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
II. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Landgerichts Augsburg - 3. Zivilkammer - wird zurückgewiesen.
III. Die erstinstanzlichen Kosten werden wie folgt verteilt: Die Gerichtskosten werden dem Kläger zu 1/3 und den Be - klagten zu 2 und 3 als Gesamtschuldnern zu 2/3 auferlegt. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. Die Beklagten zu 2 und 3 tragen gesamtschuldnerisch 2/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers.
IV. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens werden den Beklagten zu 2 und 3 als Gesamtschuldnern auf- erlegt. Der Streithelfer der Beklagten hat die Kosten der Nebenintervention zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger, ein Rechtsanwalt, macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht mit der Begründung geltend, der Zedent sei durch unzutreffende Angaben in einer Ad-hoc-Mitteilung der I. AG (frühere Beklagte zu 1, im folgenden: I. AG) dazu veranlaßt worden, - mittlerweile wertlos gewordene - Aktien dieser Gesellschaft zu erwerben. Der Beklagte zu 2 war Vorstandsvorsitzender, der Beklagte zu 3 stellvertretender Vorstandsvorsitzender der I. AG. Der Kläger hat die gegen die Gesellschaft gerichtete Klage nach Erlaß des Landgerichtsurteils zurückgenommen, nachdem am 1. Juli 2001 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet worden war.
Die Aktien der I. AG wurden im Juli 1998 zum geregelten Markt mit Handel im Neuen Markt bei einem Emissionskurs von 27,10 € zugelassen und erreichten nach starkem Kursanstieg bereits im Februar 1999 ihren Höchststand von 318,00 €. Nach zwischenzeitlicher Halbierung dieses Wertes und schwankendem Kurs erfolgte im August 1999 ein Aktiensplit im Verhältnis 1 : 5. Nach weiterhin uneinheitlichem Verlauf stieg der Kurs im Zusammenhang mit der Cebit im Februar 2000 nochmals kurzfristig bis auf 51,00 € an, um dann
nach und nach wieder abzufallen; derzeit bewegt er sich bei wenigen Cent pro Aktie.
Die I. AG veröffentlichte eine Vielzahl von Ad-hoc-Mitteilungen, u.a. am 20. Mai und am 13. September 1999. Am 20. Mai 1999 gab sie bekannt , der Mobilfunkanbieter M. habe bei ihr "per Rahmenabkommen Surfstations und die zugehörigen JNT-Lizenzen geordert"; das Auftragsvolumen betrage mindestens ca. 55 Mio. DM, wobei die Abwicklung in mehreren Chargen erfolge. Diese Ad-hoc-Mitteilung, die vom Beklagten zu 3 veranlaßt und vom Beklagten zu 2 gebilligt worden war, gab den mit der M. abgeschlossenen Vertrag nicht richtig wieder: Tatsächlich enthielt er nur eine verbindliche Bestellung über 14.000 Surfstationen mit einem Gesamtvolumen von ca. 9,8 Mio. DM; ergänzend war von M. lediglich für den Fall einer erfolgreichen Testphase die Erhöhung des Auftrags von 14.000 auf 100.000 Stationen in Aussicht gestellt worden. Erst mit dieser Folgebestellung - die allerdings nicht erfolgte - wäre das in der Ad-hoc-Meldung vom 20. Mai 1999 mitgeteilte Auftragsvolumen von 55 Mio. DM erreicht worden. Auf der Hauptversammlung der I. AG vom 24. Juni 1999 wurde der Inhalt der Meldung - freilich ohne Kenntnis des Klägers - auf entsprechende Nachfrage einer Aktionärin von den Beklagten zwar richtig gestellt, jedoch wurde die falsche Mitteilung vom 20. Mai 1999 später in der Ad-hoc-Mitteilung vom 30. August 1999 wieder bestätigt. Erst durch Ad-hoc-Mitteilung vom 22. August 2000 wurde die ursprüngliche Meldung - zum Teil - widerrufen.
In einer weiteren Ad-hoc-Mitteilung vom 13. September 1999 gab die I. AG bekannt, daß die G. bei ihr per Rahmenabkommen JNT-Lizenzen und Surfstationen im Wert von rund 55 Mio. DM geordert habe. Auch diese Mitteilung war unzutreffend, da es sich insoweit nicht um einen
neuen Auftrag, sondern lediglich um eine gemeinsame Vertriebsvereinbarung handelte. Dies wurde von der I. AG erst mit Ad-hoc-Mitteilung vom 29. August 2000 berichtigt.
Der Kurs der Aktie stieg unmittelbar nach der Ad-hoc-Mitteilung vom 20. Mai 1999 um ca. 20 % auf 40,80 €. Nachdem sich der Kurs - nach weiteren uneinheitlichen Ausschlägen - wieder beruhigt hatte, erwarb der Zedent am 28. Juli 1999 - unter Inanspruchnahme von Kontokorrentkredit - 230 Stückaktien der I. AG zum Kurs von 40,00 € (Gesamtaufwand incl. Nebenkosten : 90.945,70 DM).
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Teilurteil der Klage auf Zahlung von 90.945,70 DM nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Abtretung von 1.150 Aktien der I. AG stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht (ZIP 2002, 1889) nach erneuter Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung (§§ 562, 563 Abs. 3 ZPO n.F.).
Das Berufungsgericht hat zwar zu Recht Schadensersatzansprüche des Klägers sowohl aus (allgemeiner) Prospekthaftung (dazu unter I.) als auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. der Verletzung eines Schutzgesetzes (dazu unter II.) verneint. Dennoch ist die Klage begründet, weil der Kläger - wie bereits das
Landgericht zutreffend erkannt hat - gegen die Beklagten einen Ersatzanspruch aus § 826 BGB hat (dazu unter III.).
I. Schadensersatz aus Prospekthaftung
Das Berufungsgericht hat Prospekthaftungsansprüche mit der Begründung verneint, die Ad-hoc-Mitteilungen vom 20. Mai 1999 und vom 13. September 1999 seien nicht als "Prospekte" i.S. der allgemeinen Prospekthaftung anzusehen, weil sie keine vollständige Unternehmensdarstellung - wie ein Emissions- oder sonstiger (Wertpapier-)Verkaufsprospekt - enthielten. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
1. Allerdings ist schon im Ansatz zweifelhaft, ob die von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätze, die an ein typisiertes Vertrauen des Anlegers auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der von den Prospektverantwortlichen gemachten Angaben anknüpfen (vgl. BGHZ 71, 284 u. st.Rspr.), hier überhaupt auf die Haftung der Beklagten für die von ihnen veranlaßten fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen (§ 15 WpHG a.F.) der I. AG - eines Unternehmens des Neuen Marktes, der ein Segment des geregelten Marktes ist (vgl. dazu Potthoff/Stuhlfauth, WM 1997, Sonderbeilage Nr. 3, S. 6 ff.) - Anwendung finden könnten. Der Senat hat bislang - anders als die Revision meint - lediglich entschieden (BGHZ 123, 106), daß die Prospekthaftungsgrundsätze auch für Prospekte gelten, mit denen für den Erwerb von Aktien außerhalb der geregelten Aktienmärkte geworben wird (vgl. aber für den Bereich der nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassenen Wertpapiererstemissionen nunmehr die spezialgesetzliche Haftungsregelung nach § 13 VerkaufsprospektG (v. 13. Dezember 1990, BGBl. I, 2749) i.V.m. §§ 45 bis 48 BörsG).
2. Letztlich kann dies aber offen bleiben, weil die Ad-hoc-Mitteilungen der I. AG vom 20. Mai 1999 und vom 13. September 1999 jedenfalls nicht die an einen "Prospekt" im Sinne der Prospekthaftungsgrundsätze zu stellenden Anforderungen erfüllen.
a) Ein Prospekt stellt in der Regel die für den Anlageinteressenten wichtigste und häufigste Informationsquelle dar und bildet im allgemeinen die Grundlage seiner Anlageentscheidung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofes darf ein Anleger erwarten, daß er ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt erhält, d.h. daß der Prospekt ihn über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig unterrichtet (vgl. BGHZ 123, 106, 109 f.; Sen.Urt. v. 29. Mai 2000 - II ZR 280/98, NJW 2000, 3346 - jew. m.w.N.).
Diese Anforderungen kann eine Ad-hoc-Mitteilung i.S. des § 15 Abs. 1 WpHG a.F. in der Regel nicht erfüllen. Sie ist anlaßbezogen auf neue, bislang nicht veröffentlichte gewichtige Einzeltatsachen, die lediglich die bereits bekannten Informationen für den Sekundärmarkt ergänzen. Dabei erhebt die Bekanntgabe einer solchen kapitalmarktbezogenen Einzelinformation - anders als die den Primärmarkt betreffende Publizität eines (Emissions-)Prospekts - erkennbar nicht den Anspruch, eine das Publikum des Sekundärmarktes umfassend informierende Beschreibung zu sein.
b) So lag es jedenfalls hier bezüglich der beiden Ad-hoc-Mitteilungen der I. AG vom 20. Mai 1999 und 13. September 1999. Sie betrafen jeweils einzelne Geschäftsabschlüsse, die ein vollständiges Bild über sämtliche für den Aktienkauf wesentlichen Umstände der Gesellschaft und die etwa damit ver-
bundenen Risiken ersichtlich nicht vermittelten; ebensowenig ließen die vermittelten Einzeltatsachen verläßliche Rückschlüsse über die Entwicklung der Aktie zu.
II. Schadensersatz aus Verletzung von Schutzgesetzen
Zu Recht hat das Berufungsgericht Ansprüche des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der Verletzung etwaiger Schutzgesetze verneint.
1. Ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15 WpHG a.F. besteht nicht.
§ 15 WpHG a.F. ist kein Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB. Normzweck des § 15 WpHG a.F. ist nach den Gesetzesmaterialien nicht der Schutz der Individualinteressen der Anleger, sondern ausschließlich die im öffentlichen Interesse liegende Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes (vgl. insbesondere: BT-Drucks. 12/7918, S. 96, 102). Dementsprechend stellt § 15 Abs. 6 Satz 1 WpHG a.F. ausdrücklich klar, daß Verstöße gegen § 15 Abs. 1 bis 3 WpHG a.F. keine Schadensersatzpflicht des Emittenten auslösen. Das schließt eine Schutzgesetzeigenschaft des § 15 WpHG a.F. aus (h.M., vgl. BVerfG, Urt. v. 24. September 2002 - 2 BvR 742/02, ZIP 2002, 1986, 1988; Kümpel in Assmann/Schneider, WpHG 2. Aufl. § 15 Rdn. 188; Rützel, AG 2003, 69, 72; Thümmel, BB 2001, 2331, 2332; Groß, WM 2002, 477, 482; Horn, Festschrift Ulmer 2003, S. 817, 819; zur Gegenansicht: Möllers/Rotter, Ad-hocPublizität 2003, § 16 Rdn. 55).
2. Auch § 88 BörsG a.F ist - entgegen der Ansicht der Revision - kein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB.
Der Senat hat bislang die Frage, ob § 88 Abs. 1 Nr. 1 BörsG a.F. Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB ist, offengelassen (vgl. Urt. v. 11. November 1985 - II ZR 109/84, NJW 1986, 837, 840). Er verneint sie nunmehr in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der herrschenden Meinung (vgl. BVerfG ZIP 2002, 1986, 1988 mit umfangreichen Nachw. z. Meinungsstand). Nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 10/318, S.44) ist über § 88 BörsG a.F. ein Schutz des einzelnen Anlegers nicht gewollt.
Schutzgesetz ist eine Rechtsnorm nur dann, wenn sie - sei es auch neben dem Schutz der Allgemeinheit - gerade dazu dienen soll, den einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines Rechtsguts zu schützen. Dabei kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlaß des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder zumindest mitgewollt hat (Sen.Urt. v. 21. Oktober 1991 - II ZR 204/90, NJW 1992, 241, 242 m.w.N.). Der Tatbestand des § 88 BörsG a.F. erfordert ein Handeln in der Absicht, auf den Börsen- oder Marktpreis von Wertpapieren einzuwirken. Wie bereits in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommt (BT-Drucks. 10/318, S. 45), steht bei § 88 BörsG a.F. allgemein die Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung an Börsen und Märkten mit ihrer für das gesamte Wirtschaftsleben weitreichenden Bedeutung im Vordergrund. § 88 BörsG a.F. bezweckt deshalb nach dem Willen des Gesetzgebers in erster Linie den Schutz der Allgemeinheit. Zwar wirkt sich der Schutz der Allgemeinheit mittelbar auch zugunsten des einzelnen Kapitalanlegers aus (vgl. BT-Drucks. aaO S. 46). Damit erstrebt das Gesetz aber noch nicht einen be-
sonderen Schadensersatzanspruch zum Schutze (auch) der Individualinteressen des einzelnen (vgl. dazu: BGHZ 84, 312, 314; 125, 366, 374). Der dem einzelnen zustatten kommende mittelbare Schutz ist vielmehr nur eine Reflexwirkung des Gesetzes, die die zivilrechtliche Haftung nicht begründen kann (vgl. BGHZ 89, 383, 401). Die Funktion, den Anleger vor Täuschungen und Vermögensverlusten zu schützen, wurde von § 264 a StGB übernommen; diese Norm ist aufgrund ihres drittschützenden Charakters Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB (Sen.Urt. v. 21. Oktober 1991 aaO; vgl. dazu noch unten unter 5.).
3. Entgegen der Ansicht der Revision müssen weder § 15 WpHG a.F. noch § 88 BörsG a.F. aufgrund europarechtlicher Vorgaben in berichtigender Auslegung als Schutzgesetze ausgelegt werden. Der EG-Insider-Richtlinie 89/592/EWG vom 13. November 1989 (ABl Nr. L 334/30, Einleitung und Art. 13; sowie die in Art. 7 in Bezug genommene Richtlinie 79/279/EWG) oder der EGTransparenz -Richtlinie 88/627/EWG vom 12. Dezember 1988 (ABl Nr. L 348/62) läßt sich kein Gebot entnehmen, § 15 WpHG a.F. oder § 88 Abs. 1 Nr. 1 BörsG a.F. als Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB auszugestalten (BVerfG ZIP 2002, 1986, 1989).
4. Einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG hat das Berufungsgericht zutreffend verneint, weil die unrichtigen Ad-hocMitteilungen vom 20. Mai 1999 und 13. September 1999 nicht den Tatbestand des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG erfüllen.
a) Zwar ist die Strafvorschrift des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB (einhellige Meinung: vgl. z.B. BGHZ 149, 10, 20; Otto in Großkomm./AktG, 4. Aufl. 1997, § 400 Rdn. 2 m.w.N.). § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG soll das Vertrauen potentieller Anleger und gegenwärtiger Aktionäre
der Gesellschaft in die Richtigkeit und Vollständigkeit bestimmter Angaben über die Geschäftsverhältnisse schützen.
b) Die Beklagten haben jedoch durch die beiden Ad-hoc-Mitteilungen nicht die Verhältnisse der Gesellschaft "in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand" (§ 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG) unrichtig wiedergegeben.
Unter "Übersichten über den Vermögensstand" sind alle Zusammenstellungen von Zahlenmaterialien, insbesondere alle Arten von Bilanzen zu verstehen , die einen Gesamtüberblick über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ermöglichen (vgl. Otto aaO § 400 Rdn. 33). Darunter fallen ersichtlich nicht Ad-hoc-Mitteilungen, die - wie im vorliegenden Fall - nur jeweils einen einzelnen Geschäftsabschluß bekanntgeben.
Als "Darstellungen über den Vermögensstand" gelten nur solche Berichte , die den Vermögensstand des Unternehmens so umfassend wiedergeben, daß sie ein Gesamtbild über die wirtschaftliche Lage der Aktiengesellschaft ermöglichen und den Eindruck der Vollständigkeit erwecken. Auch das ist bei den Ad-hoc-Mitteilungen vom 20. Mai 1999 und 13. September 1999 offensichtlich nicht der Fall.
Soweit in der Literatur vereinzelt die Ansicht vertreten wird, daß sich die "Darstellungen" i.S. von § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG nicht auf den Vermögensstand beziehen müßten (Baums, Bericht der Regierungskommission "Corporate Governance" vom 10. Juli 2001, BT-Drucks. 14/7515 Rdn. 184; Möllers, Ad-hoc-Publizität 2003, § 12 Rdn. 85 ff.), kann dem nicht gefolgt werden. Bereits aus dem eindeutigen, einer (derartigen) Auslegung nicht zugänglichen Wortlaut der Vorschrift (vgl. Art. 103 Abs. 2 GG; dazu: BVerfGE 47, 109,
120 f.,124; 64, 389, 393 f.) ergibt sich, daß Darstellungen - genau wie in § 264 a StGB - auch den Vermögensstand betreffen müssen und nicht isoliert betrachtet werden können.
5. Auch eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264 a StGB hat das Berufungsgericht zu Recht verneint.
Zwar hat die Strafnorm drittschützenden Charakter (vgl. Sen.Urt. v. 21. Oktober 1991 - II ZR 204/90, NJW 1992, 241 f.) und ist damit Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB. Um den Tatbestand des § 264 a StGB zu erfüllen, muß u.a. die fehlerhafte Information "in Prospekten" oder "in Darstellungen oder Übersichten" über den Vermögensstand erfolgen. Die Ad-hoc-Mitteilungen der I. AG vom 20. Mai 1999 bzw. 13. September 1999 sind jedoch - wie bereits an anderer Stelle ausgeführt - weder "Prospekte" (siehe oben I. 2.) noch "Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand" (siehe oben II. 4.). Unabhängig davon fehlte es hier an dem außerdem in § 264 a Abs. 1 StGB vorausgesetzten Zusammenhang der Tathandlung mit dem "Vertrieb von Anteilen" (Nr. 1) oder mit einem Erhöhungsangebot (Nr. 2) (vgl. dazu: Lackner, StGB 24. Aufl. § 264 a Rdn. 6).
6. Ein Anspruch des Klägers gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB scheidet nach den zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichts bereits deshalb aus, weil hier eine Absicht der Beklagten, sich oder einem Dritten "stoffgleich" zu Lasten des Vermögens des Zedenten einen Vermögensvorteil zu verschaffen, nicht feststellbar ist. Gemäß § 263 StGB muß der Täter einen Vermögensvorteil unmittelbar aus dem Vermögen des Geschädigten in der Weise anstreben, daß dieser Vorteil "die Kehrseite des Schadens" ist (BGHSt 6,115,116; Tiedemann in Leipziger Komm., StGB 11. Aufl. 2000, § 263
Rdn. 256). Eine - lediglich mittelbare - Begünstigung der I. AG oder der Beklagten selbst durch einen infolge der falschen Ad-hoc-Mitteilung steigenden Aktienkurs reicht nicht aus (Möllers, Ad-hoc-Publizität, § 12 Rdn. 104; Rützel, AG 2003, 69, 73; Rodewald/Siems, BB 2001, 2437, 2440). Hinsichtlich der an dem Aktienkauf des Zedenten beteiligten unbekannten Verkäufer liegt eine Bereicherungsabsicht der Beklagten fern.
III. Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht allerdings einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 826 BGB verneint.
1. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stünden zwar die Unrichtigkeit der Ad-hoc-Mitteilungen vom 20. Mai 1999 und 13. September 1999, die Kenntnis der Beklagten hiervon und der Kausalzusammenhang zwischen der unrichtigen Meldung vom 20. Mai 1999 und der Anlageentscheidung des Zedenten P. fest. Auch wenn dieser bei wahrheitsgemäßer Information die Aktien nicht gekauft hätte, könne er schon nicht im Wege des Schadensersatzes "Rückgängigmachung" des Erwerbs verlangen, weil er bewußt in ein hochspekulatives Marktsegment investiert habe. Jedenfalls hätten die Beklagten insoweit nicht vorsätzlich gehandelt, weil sie weder vorausgesehen noch billigend in Kauf genommen hätten, daß Anleger in I.-Aktien wegen des Vertrauens in die Richtigkeit der Darstellung der Ad-hoc-Mitteilungen einen Schaden, insbesondere in Form der Beeinträchtigung ihres wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts, erleiden könnten. Selbst wenn die von P. erworbenen Mitgliedschaftsrechte, was naheliege, wegen des fehlenden Auftrags
der M. AG einen geringeren Wert gehabt hätten, hätten die Beklagten nicht vorwerfbar in Verfolgung eigensüchtiger Interessen und in dem Bewußtsein einer möglichen Schädigung potentieller Anleger gehandelt. Denn sie hätten sich aufgrund des - wenn auch in erheblich geringerem Umfang - erteilten Auftrags der M. in euphorischer Stimmung bezüglich der weiteren Unternehmensentwicklung befunden und seien überzeugt gewesen, die Zielvorstellungen zu dem erwarteten umfangreichen Auftrag erfüllen zu können.
Diese Bewertung hält in wesentlichen Punkten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
2. Die Beweiswürdigung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 ZPO n.F. gebunden ist. Revisionsrechtlich ist seine Würdigung jedoch darauf zu überprüfen, ob er sich mit dem Prozeßstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstößt (st.Rspr., vgl. z.B. BGH, Urt. v. 11. Februar 1987 - IV b ZR 23/86, BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Revisionsrüge 1).
Danach liegt schon den - teilweise im Widerspruch zu den getroffenen Feststellungen stehenden - Ausführungen des Berufungsgerichts zum Schaden offenbar ein unzutreffendes Verständnis des Schadensbegriffs i.S. der §§ 826, 249 ff. BGB zugrunde; darüber hinaus beruht die Verneinung der subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB auf einer zum Teil widersprüchlichen und unvollständigen Bewertung der objektiven Tatumstände sowie auf einer Überspannung der Anforderungen an den Vorsatz (§ 286 ZPO).
a) Auf der Grundlage der Feststellungen zur Kausalität zwischen der falschen Ad-hoc-Mitteilung vom 20. Mai 1999 und der Anlageentscheidung des Zedenten P. kann der Kläger nach § 826 BGB - bei Vorliegen auch der weiteren Voraussetzungen dieser Norm (vgl. dazu unten) - von den Beklagten nicht etwa nur, wie das Berufungsgericht offenbar meint, den Differenzschaden des Zedenten in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem tatsächlichen Transaktionspreis und dem Preis, der sich bei pflichtgemäßem Publizitätsverhalten gebildet hätte, sondern grundsätzlich Naturalrestitution (§ 249 BGB) in Form der Erstattung des gezahlten Kaufpreises gegen Übertragung der erworbenen Aktien verlangen (vgl. zu dieser Unterscheidung im Rahmen von § 37 c WpHG n.F.: Fleischer, BB 2002, 1869, 1870 f.).
§ 826 BGB stellt hinsichtlich des Schadens begrifflich nicht auf die Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter ab: Schaden ist danach nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung (vgl. Wagner in Münch.Komm.z.BGB 4. Aufl. § 826 Rdn. 6 m.w.N.). Der Inhalt der Pflicht zum Ersatz eines solchen Schadens bestimmt sich nach den §§ 249 ff. BGB. Danach ist im vorliegenden Fall der in seinem Vertrauen in die Richtigkeit der Ad-hoc-Mitteilung vom 20. Mai 1999 enttäuschte Anleger P. im Wege der Naturalrestitution so zu stellen, wie er stehen würde, wenn die für die Veröffentlichung Verantwortlichen ihrer Pflicht zur wahrheitsgemäßen Mitteilung nachgekommen wären. Da er in diesem Fall - wie festgestellt - die Aktien nicht erworben hätte, kann er nach § 249 Abs. 1 BGB Geldersatz in Höhe des für den Aktienerwerb aufgewendeten Kaufpreises gegen Übertragung der erworbenen Rechtspositionen auf die - an dem Erwerbsgeschäft nicht beteiligten - Schädiger verlangen.
Eine Einschränkung der Schadensersatzpflicht, wie sie das Oberlandesgericht wegen der Investition des Zedenten in ein Papier des "hochspekulativen" Neuen Marktes annimmt, ist nicht berechtigt; sie steht im Widerspruch zu der festgestellten Überzeugung des Gerichts, daß P. ohne die fehlerhaften Mitteilungen die Aktien der I. AG nicht erworben hätte.
Selbst unter dem Blickwinkel des Rechtswidrigkeitszusammenhangs/ Schutzzwecks der Haftungsnorm ist für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen, die auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung i.S. des § 826 BGB erfüllen, eine Beschränkung der Rechtsfolgen zugunsten des Schädigers nicht veranlaßt. Zwar hat der Gesetzgeber in § 15 Abs. 6 Satz 1 WpHG a.F. - wie bereits ausgeführt - eine besondere Schadensersatzhaftung für die Verletzung der Ad-hoc-Publizität i.S. von § 15 Abs. 1 bis 3 WpHG a.F. ausdrücklich ausgeschlossen und damit zugleich klargestellt, daß jene Norm kein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB sein soll. Gemäß § 15 Abs. 6 Satz 2 WpHG a.F. bleiben jedoch ausdrücklich - schon bezogen auf den Emittenten - Schadensersatzansprüche, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen, unberührt. Unter derartige allgemeine zivilrechtliche Haftungstatbestände fällt insbesondere die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung nach § 826 BGB. Ein Haftungsausschluß in Fällen betrügerischer oder sittenwidriger Schädigung Dritter wäre - wie im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich klargestellt wurde (vgl. Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 12/7918, S. 102) - mit den Grundsätzen der Rechtsordnung nicht vereinbar. Für die - ohnehin nicht ausgeschlossene - Haftung der die falschen Ad-hoc-Mitteilungen veranlassenden Vorstände als gesetzliche Vertreter des Emittenten gelten daher im Bereich des § 826 BGB ebenfalls keine generellen Beschränkungen hinsichtlich Art und Umfang des Schadensersatzes.
b) Ausgehend hiervon und auf der Grundlage der den Beklagten bekannten objektiven Unrichtigkeit der Ad-hoc-Mitteilung vom 20. Mai 1999 ist die Verneinung der (weiteren) subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB durch das Berufungsgericht ebenfalls rechtsfehlerhaft.
Die Veröffentlichung der Mitteilung vom 20. Mai 1999 als Ad-hocMitteilung setzte bereits nach dem Gesetz (§ 15 Abs. 1 WpHG a.F.) voraus, daß die mitgeteilte neue Tatsache "geeignet ist, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere erheblich zu beeinflussen". Da dies ohne Kauf- und Verkaufsentscheidungen von individuellen Marktteilnehmern als zu erwartender Reaktion auf die Mitteilung der meldepflichtigen Tatsache nicht möglich ist, wissen die verantwortlichen Vorstände, daß es infolge der fehlerhaften Ad-hocInformation zu entsprechenden Anlageentscheidungen kommen wird (so zutreffend Fuchs/Dühn, BKR 2002, 1063, 1067). Kennen sie die Unrichtigkeit der Adhoc -Mitteilung, so wissen sie auch, daß deshalb Wertpapierkäufe auf fehlerhafter Tatsachengrundlage getätigt werden. Da beide Beklagten die Bedeutung der konkreten Ad-hoc-Mitteilung und deren Unrichtigkeit kannten, ist - wie die Revision zutreffend geltend macht - schon nach der Lebenserfahrung davon auszugehen , daß die unrichtige Meldung keinen anderen Zweck hatte, als dem Börsenpublikum einen gestiegenen Unternehmenswert vorzuspiegeln und den Börsenpreis positiv zu beeinflussen. Von einer bloßen Leichtfertigkeit - wie das Oberlandesgericht meint - kann ersichtlich keine Rede sein. Dagegen sprechen weitere erhebliche Umstände, die das Berufungsgericht übersehen hat. Unstreitig mußte der Beklagte zu 2 in Anwesenheit des Beklagten zu 3 in der Hauptversammlung der I. AG vom 24. Juni 1999 auf entsprechende Frage einer Aktionärin klarstellen, daß die M. AG am 19. Mai 1999 lediglich 14.000 JNT-Surfstationen bestellt hatte; gleichwohl bestätigten die Beklagten - anstelle einer gebotenen sofortigen Richtigstellung durch Ad-hoc-Meldung -
bereits in der Ad-hoc-Mitteilung vom 30. August 1999 wieder die falsche Ursprungsmeldung vom 20. Mai 1999. Schließlich hat das Berufungsgericht auch die bedeutsame Indiztatsache außer Betracht gelassen, daß die Beklagten in der Ad-hoc-Mitteilung vom 13. September 1999 sogar einen in vollem Umfang frei erfundenen "erneuten Mega-Deal" in Gestalt der angeblichen Order eines P.er Unternehmens über 55 Mio. DM veröffentlichten. Auch diese erneute Falschmeldung diente ersichtlich keinem anderen Zweck als der positiven Beeinflussung des Börsenkurses und der Irreführung des Börsenpublikums über den wirklichen Wert des Unternehmens.
Zudem hat das Berufungsgericht die Anforderungen an den Vorsatz überspannt.
Für den Vorsatz im Rahmen des § 826 BGB genügt ein "Eventualdolus". Dabei braucht der Täter nicht im einzelnen zu wissen, welche oder wieviele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden; vielmehr reicht aus, daß er die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden irgendwelcher anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen hat (st.Rspr., so schon RGZ 55, 60; BGH, Urt. v. 20. November 1990 - VI ZR 6/90, BGHR BGB § 826 Schädigungsvorsatz 2). Angesichts der Gesamtumstände besteht hier an einer vorsätzlichen Handlungsweise der Beklagten in bezug auf die Mitteilung vom 20. Mai 1999 kein Zweifel. Den Beklagten war bei einer Parallelwertung in der (juristischen) Laiensphäre positiv bewußt, daß durch die Falschmeldung u.a. die Erwerber von I.-Aktien ihre Kaufentscheidungen auf fehlerhafter Tatsachengrundlage trafen, die sie bei der gebotenen richtigen Information entweder überhaupt nicht oder aber nur zu anderen Konditionen getroffen hätten. Derartige Schäden als Folgen ihrer - direkt vorsätzlichen - Handlungs-
weise nahmen sie zumindest billigend in Kauf. Ein solcher Eventualvorsatz der Beklagten hinsichtlich der als Folge ihres Tuns erwarteten, mindestens aber für möglich gehaltenen Schäden bei den Investoren läßt sich - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht aufgrund einer lediglich euphorischen Stimmung der Beklagten in bloße Fahrlässigkeit "umqualifizieren". Nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, daß den Beklagten als u.a. für die zentrale Aufgabe der Publizität verantwortlichen Organen des Unternehmens, die über die Auswirkungen ihrer unrichtigen Ad-hoc-Information auf den Aktienmarkt Bescheid wußten, nicht durch eine (momentane) Euphorie über vermeintliche Chancen und Zukunftsperspektiven der I. AG der Verstand "vernebelt" wurde. Mit Recht rügt die Revision insoweit, daß nicht einmal nachvollziehbar dargelegt ist, worauf bezüglich des Geschäfts mit M. über die insoweit nicht ausreichende bloße Hoffnung hinaus bereits eine gesicherte Erwartung hinsichtlich der Zielvorstellung weiterer Aufträge hätte gestützt werden können; denn ersichtlich war weder die hierfür erforderliche Software bis zur Serienreife gediehen noch die Lauffähigkeit der Hardware gesichert. Abgesehen davon beträfe die etwaige Hoffnung oder Erwartung der Beklagten, den falsch gemeldeten "Mega-Deal" zu einem späteren Zeitpunkt noch zustande bringen zu können, nur die Möglichkeit einer künftigen Minderung oder wirtschaftlichen Beseitigung eines beim Anleger mit dem Aktienkauf bereits eingetretenen Vermögensschadens; das gilt insbesondere für den - wie hier - bereits dadurch entstandenen Schaden, daß der Anleger infolge der Irreführung Aktien erworben hat, die er ohne die Falschmeldung nicht erworben hätte. Eine etwaige spätere Schadenskompensation ließe aber die schon eingetretene Vollendung der vorsätzlichen Schädigung unberührt.
c) Die vorsätzliche Veröffentlichung der bewußt unwahren Ad-hocMitteilung ist schließlich auch - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts -
als sittenwidrig i.S. des § 826 BGB, d.h. als "gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" verstoßend (st.Rspr. seit RGZ 48, 114, 124), anzusehen.
Freilich genügt dafür im allgemeinen die bloße Tatsache, daß der Täter gegen eine gesetzliche Vorschrift verstoßen hat, ebensowenig wie der Umstand , daß sein Handeln bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muß sich die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben. Hier wird die Verwerflichkeit allerdings bereits durch das Verhalten der Beklagten indiziert: die direkt vorsätzliche unlautere Beeinflussung des Sekundärmarktpublikums durch eine grob unrichtige Adhoc -Mitteilung. Ein solches Handeln verstößt derart gegen die Mindestanforderungen im Rechtsverkehr auf dem Kapitalmarkt, daß ein Ausgleich der durch sie bei den einzelnen Marktteilnehmern verursachten Vermögensschäden geboten erscheint. Eine derartige Verhaltensweise ist nicht etwa deshalb in einem milderen Licht zu sehen, weil Ad-hoc-Mitteilungen wie die vorliegende gerade in der fraglichen "euphorischen Phase" des Neuen Marktes vielfach zu Werbezwecken veröffentlicht worden sind; denn darin lag - auch im vorliegenden Fall - selbst ein Mißbrauch des Rechtsinstituts der Ad-hoc-Publizität. Zudem setzten sich die Beklagten - was das Oberlandesgericht außer Betracht läßt - bedenkenlos über die Hinweise von Mitarbeitern hinsichtlich der Unrichtigkeit der Meldung ebenso hinweg wie später über den Umstand, daß sogar in der Bereichsöffentlichkeit der Hauptversammlung der Schwindel entdeckt worden war. Mit der Veröffentlichung der Mitteilung über einen angeblichen Großauftrag - wie auch durch die weitere Falschmeldung im September 1999 - haben die Beklagten gezeigt, daß ihnen offensichtlich jedes Mittel recht war, um in den potentiellen Anlegern des Marktes positive Vorstellungen über den Wert des Unterneh-
mens hervorzurufen und über die einsetzende Nachfrage den Kurs der I.-Aktie "zu pushen".
Die Beklagten verfolgten mit den falschen Ad-hoc-Mitteilungen auch in jedenfalls objektiv unlauterer Weise "eigene Zwecke". Sie waren nämlich - was das Oberlandesgericht übersehen hat - nicht etwa unbeteiligte "Nur-Vorstände", sondern besaßen als Gründungsgesellschafter Aktien der I. AG im Millionenumfang, so daß sie von dem mit den unrichtigen Meldungen bezweckten "Pushen" der Kurse zumindest mittelbar selbst profitierten. In diesem Zusammenhang weist die Revision zutreffend darauf hin, daß die Beklagten aus - wenn auch nicht mit den hier inkriminierten Meldungen unmittelbar zusammenhängenden - unstreitigen Verkäufen eigener Aktienpakete Anfang des Jahres 1999 jeweils knapp 29 Mio. DM und im Juli 2000 jeweils ca. 500.000,00 € erlösten. Bereits daraus läßt sich entnehmen, daß ihnen auch bewußt war, daß eine durch die unrichtigen Ad-hoc-Mitteilungen bewirkte Kurssteigerung zu einer Wertsteigerung der eigenen Beteiligung an der I. AG führen würde. Vorrangiges Ziel oder gar Endziel ihrer ungesetzlichen Handlungsweise mußten solche "eigenen Zwecke" im Rahmen des § 826 BGB nicht sein.
IV. Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung. Da eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht erforderlich und insbesondere weitergehender entscheidungsrelevanter Vortrag zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB nicht zu erwarten ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden.
1. Nach den vorstehenden Ausführungen haften die Beklagten dem Kläger - ohne daß dies noch weiterer Ausführungen bedürfte - für den dem Zedenten P. durch die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung entstandenen
Schaden gemäß § 826 BGB auf Schadensersatz in Höhe des geltend gemachten Bruttoaufwands von 90.945,70 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung von 1.150 Stückaktien der I. AG, wie bereits das Landgericht zutreffend entschieden hatte.
2. Eine Kürzung des Ersatzanspruchs des Zedenten des Klägers gemäß § 254 BGB findet nicht statt. Es kann dahinstehen, ob gegenüber einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung der vorliegenden Art überhaupt unter dem Blickwinkel des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB dem geschädigten Anleger eine Kursbeobachtungs - und Verkaufspflicht bei sinkenden Kursen aufzuerlegen wäre (vgl. zur Mitverschuldensfrage im Rahmen von § 37 b, c WpHG n.F.: Fleischer/ Kalls, AG 2002, 329, 334 f.). Denn jedenfalls hätte der Anleger P. - unabhängig davon, wann er von den erst Ende August 2000 erfolgten Korrekturmeldungen der I. AG Kenntnis erlangte - einer wie auch immer gearteten Schadensminderungspflicht schon durch die rechtzeitige "Anmeldung" seines Ersatzanspruchs bei den Beklagten mit Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 7. November 2000 genügt.
Röhricht Goette Kurzwelly Münke Gehrlein
BUNDESGERICHTSHOF
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2017 durch den Richter Grupp als Vorsitzenden, den Richter Prof. Dr. Gehrlein, die Richterin Lohmann, die Richter Dr. Schoppmeyer und Meyberg
für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 9. August 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Beklagte ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 13. August 1999 am 1. August 2000 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der U. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Er wird vom Kläger persönlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen.
- 2
- Der Kläger war Geschäftsführer und mittelbarer Gesellschafter der Schuldnerin, die zur M -Gruppe gehörte und 55 Möbelhäuser betrieb. Zusammen mit anderen Investoren betrieb der Kläger eine Sanierung der Schuldnerin , in deren Zusammenhang die Schuldnerin mit Stammkapital und einer Kapitalrücklage ausgestattet wurde, die Geschäftsanteile an der Schuldnerin auf die Investorengruppe übertragen und die Möbelhäuser in jeweils selbständige , sogenannte Vor-Ort-Gesellschaften überführt wurden. Die Schuldnerin verwaltete diese Gesellschaften zentral unter Bildung eines Cash-Pools, vermietete ihnen die Betriebsgrundstücke und verpflichtete sich zum Verlustausgleich in einem festgelegten Zeitraum. Nach Abzug der Kosten für die Umstrukturierung einschließlich des Verlustausgleichs verfügte die Schuldnerin noch über einen Kapitalstock von rund 80 Mio. DM, den sie im Juli 1998 unter Herabsetzung ihres Stammkapitals auf 1 Mio. DM auf eine Enkelgesellschaft übertrug , an welcher der Kläger mittelbar beteiligt war. Sämtliche Vor-Ort-Gesellschaften fielen in Insolvenz.
- 3
- Vor diesem Hintergrund nahm der Beklagte den Kläger in einem Vorprozess u.a. auf Erstattung zurückgewährter Einlagen und auf Schadenersatz wegen existenzvernichtenden Eingriffs, wegen gesellschaftlicher Treuepflichtverletzung , wegen Untreue und wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Schuldnerin gerichtlich in Anspruch. Die im Mai 2003 erhobene Klage war zunächst auf Zahlung von 5 Mio. € gerichtet, wurde später auf 15 Mio. € erweitert und in der Berufungsinstanz auf 10,98 Mio. € ermäßigt. Das Landgericht wies die Klage mit Urteil vom 13. Januar 2005 ab, nachdem ein vom Gericht vorgeschlagener Vergleich nicht zustande gekommen war. Die hiergegen vom Beklagten eingelegte Berufung wies das Oberlandesgericht mit Urteil vom 6. Juli 2005 zurück (OLG München, WM 2005, 2231). Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wurde mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26. März 2007 zurückgewiesen (Az.: II ZR 262/05).
- 4
- Der Beklagte hatte als Insolvenzverwalter eine Prozessfinanzierungsvereinbarung mit der I. -Board AG (nachfolgend: I. -Board) geschlossen, die als Verwalterin und Treuhänderin für einen Pool tätig war, den die Insolvenzverwalter der Vor-Ort-Gesellschaften zur gemeinschaftlichen Verfolgung und Durchsetzung von Ansprüchen dieser Gesellschaften gegen die Unternehmensgruppe des Klägers gegründet hatten. Der Umfang der Zahlungsverpflichtungen der I. ist streitig; die Vereinbarung sah keine Verpflichtung zum Ersatz der dem Kläger entstandenen Rechtsanwaltskosten vor. Zur anteiligen Bezahlung der Gerichtskosten und der eigenen Anwaltskosten entnahm der Beklagte noch vor der erstinstanzlichen Entscheidung im Vorprozess aus der Insolvenzmasse der Schuldnerin insgesamt 104.184 €. Nach Abweisung seiner Klage in erster Instanz zeigte er am 14. Januar 2005 erstmals Masseunzulänglichkeit an. Die zugunsten des hiesigen Klägers für die erste Instanz auf 93.012 € festgesetzten Kosten sind noch offen. Nach Zurückweisung seiner Berufung zeigte der Beklagte am 3. August 2005 erneut Masseunzulänglichkeit an, auch für die im Berufungsverfahren angefallenen Gerichtskosten in Höhe von 137.824 €.Während der Beklagte die Kosten für das anschließende Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde aus der Masse vollständig beglich, wurde der zugunsten des Klägers mit Beschluss vom 1. Dezember 2005 festgestellte Kostenerstattungsanspruch für die zweite Instanz in Höhe von 96.608,80 € nicht erfüllt.
- 5
- Der Kläger verlangt nunmehr vom Beklagten persönlich Ersatz seiner Anwaltskosten für die zweite Instanz des Vorprozesses. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 96.608,80 € zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche gegen die Insolvenzmasse aus der Kostenfestsetzung verurteilt. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klagabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 6
- Die Revision des Beklagten ist zulässig und hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der klägerischen Berufung.
I.
- 7
- Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in ZInsO 2015, 1679 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, dass als Anspruchsgrundlage einzig § 826 BGB in Betracht komme, dessen Voraussetzungen vorlägen, wie sich aus einer Gesamtschau des Verhaltens des Beklagten und der ihm vorzuwerfenden Pflichtverletzungen ergebe.
- 8
- Der Beklagte habe bewusst rechtswidrig Gerichtskosten und eigene Anwaltskosten aus der Masse beglichen und darauf verzichtet, diese von der I. einzufordern, die nach der getroffenen Prozessfinanzierungsvereinbarung zu einer weitergehenden Tragung dieser Kosten verpflichtet gewesen sei. Er habe so die angezeigte, bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten aber nicht gegebene Masseunzulänglichkeit erst herbeigeführt. Auch habe der Beklagte unter bewusster Missachtung der höchstgerichtlichen Grundsätze zur Anrechnung von aus der Masse bezahlten Kosten für eingeschaltete Hilfskräfte seinen eigenen noch offenen Vergütungsanspruch überhöht dargestellt und diesen zudem verwirkt. So habe er das Insolvenzgericht über die Schlüssigkeit der behaupteten Masseunzulänglichkeit getäuscht. Außer Betracht bleiben könne, dass der Beklagte entgegen § 209 InsO noch nach der zweiten Masseunzulänglichkeitsanzeige Kosten seiner Anwälte für die erste Instanz beglichen habe, mit denen er überdies ohne Beteiligung des Insolvenzgerichts oder der Gläubigerversammlung eine der Masse gemessen am gesetzlichen Honorar nachteilige Honorarvereinbarung geschlossen habe.
- 9
- Der Beklagte habe mit Schädigungsvorsatz gehandelt. Die aufgezeigten Gesetzesverstöße und der zum Teil unrichtige Prozessvortrag des Beklagten ließen erkennen, dass dessen Ziel die nachhaltige Abwehr berechtigter Ansprüche insbesondere des Klägers gewesen sei, zumal der Beklagte die auf seiner Seite tätigen Massegläubiger zum Teil unter Verstoß gegen § 209 InsO befriedigt habe.
- 10
- Das Verhalten des Beklagten sei auch sittenwidrig. Bereits die Nichteinforderung von erheblichen Ansprüchen der Masse und die beiden unzutreffenden Masseunzulänglichkeitsanzeigen zusammen mit überhöhten Vergütungsforderungen drängten zu der Annahme, dass der Beklagte die I. zu Lasten des Klägers habe schonen und, nachdem er spätestens nach Abweisung der Klage in der ersten Instanz erkannt gehabt habe, dass ein Erfolg im Vorprozess höchst ungewiss sei, die noch vorhandene Restmasse für seinen eigenen Gebührenerfolg habe nutzen wollen. Hinzu kämen weitere Indizien, die zwar nicht für sich allein aber zusammengenommen belegten, dass es dem Beklagten gerade darauf angekommen sei, dass der Kläger unter keinen Umständen eine Kostenerstattung erhalte: Der Beklagte habe entgegen § 160 Abs. 2 Nr. 3 InsO eine Gläubigerversammlung nicht durchgeführt und Forderungsanmeldungen der Vor-Ort-Gesellschaften nicht geprüft. Dass die Prozessfinanzierungsvereinbarung die Risiko-Ertrag-Relation gegenüber üblicherweise vereinbarten Konditionen zugunsten des Prozessfinanzierers verschiebe und eine Regelung enthalte, dass Kostenerstattungsansprüche des Klägers bei Masseunzulänglichkeit nicht erfüllt werden dürften, sei ein weiteres Indiz für die Willensrichtung des Beklagten.
- 11
- Keine Rolle spiele, ob der Beklagte den Vorprozess mit vertretbarer Aussicht auf Erfolg habe führen dürfen. Das sittenwidrige Verhalten, mit dem er unmittelbar die Masse und über die falschen Masseunzulänglichkeitsanzeigen den Kläger beeinträchtigt habe, sei hiervon unabhängig.
II.
- 12
- Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar liegen entgegen der Ansicht der Revision die Voraussetzungen des § 547 Nr. 6 ZPO nicht vor. Aber die getroffenen Feststellungen tragen die Annahme einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB nicht.
- 13
- 1. Zunächst zutreffend bejaht das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Klage. Entgegen der Revision fehlen dem Kläger weder die Prozessführungsbefugnis noch das Rechtsschutzbedürfnis.
- 14
- Mit der den Streitgegenstand bildenden Behauptung, durch ein Verhalten des Insolvenzverwalters gezielt in seinem eigenen Vermögen geschädigt worden zu sein, macht der Kläger einen Individualschaden geltend, der von § 92 InsO nicht erfasst wird. Ob der Kläger nach Abschluss des Insolvenzverfahrens mit seiner Forderung gegen die Insolvenzmasse tatsächlich ausfällt und ihm deshalb ein Schaden entstanden ist, ist eine Frage der Begründetheit der Klage und berührt das Rechtsschutzbedürfnis einer Leistungsklage nicht. Überdies hatte der beklagte Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeit angezeigt. Es liegen keine Umstände vor, die gleichwohl eine Deckung erwarten ließen. Insbesondere bestehen keine ohne weiteres durchsetzbaren Ansprüche, aus denen der Kläger befriedigt werden könnte (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 - IX ZR 48/03, BGHZ 159, 104, 108; vom 17. Dezember 2004 - IX ZR 185/03, ZIP 2005, 311, 312; vom 13. Februar 2014 - IX ZR 313/12, NZI 2014, 400 Rn. 16).
- 15
- 2. Indes tragen die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht die Annahme, der Beklagte habe - vergleichbar einer Vollstreckungsvereitelung - die Durchsetzung des dem Kläger gegen die Insolvenzmasse zustehenden Kostenerstattungsanspruchs in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise im Sinne von § 826 BGB verhindert. Auf die vom Berufungsgericht nicht erörterte Frage der Verjährung kommt es folglich nicht an.
- 16
- a) Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr. seit RGZ 48, 114, 124). In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen, ob es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (BGH, Urteil vom 6. Mai 1999 - VII ZR 132/97, BGHZ 141, 357, 361; vom 19. Juli 2004 - II ZR 402/02, BGHZ 160, 149, 157; vom 3. Dezember 2013 - XI ZR 295/12, WM 2014, 71 Rn. 23 mwN). Für die Annahme einer Sittenwidrigkeit genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 - VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380 Rn. 8 mwN). Ein Unterlassen verletzt die guten Sitten nur dann, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht, aber auch einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" Geltenden verwerflich machen (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 124/09, WM 2010, 2256 Rn. 12; vom 20. November 2012 - VI ZR 268/11, WM 2012, 2377 Rn. 25; jeweils mwN).
- 17
- Die Bewertung eines Verhaltens als sittenwidrig ist eine Rechtsfrage und unterliegt der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2003 - VI ZR 175/02, BGHZ 154, 269, 274 f; vom 4. Juni 2013, aaO Rn. 14; vom 3. Dezember 2013 - XI ZR 295/12, NJW 2014, 1098 Rn. 23). Die Feststellungen zu den - äußeren und inneren - Tatsachen, die der Beurteilung eines Verhaltens als sittenwidrig zugrunde liegen, unterliegen hingegen nur eingeschränkter revisionsrechtlicher Überprüfung. Sie sind nur darauf zu überprüfen, ob der Tatrichter alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstoßen hat (BGH, Urteil vom 4. Juni 2013 - VI ZR 288/12, ZIP 2013, 1429 Rn. 11 mwN), was beispielsweise der Fall ist, wenn der Tatrichter Tatsachen eine Indizwirkung beimisst, die sie nicht haben können (BGH, Urteil vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91, NJW 1993, 935, 938).
- 18
- b) Das festgestellte Verhalten des Beklagten rechtfertigt es nicht, dieses als sittenwidrig zu qualifizieren. Zu Unrecht stützt das Berufungsgericht die Verurteilung des Beklagten auf Umstände, die den Beklagten zur Anzeige der Masseunzulänglichkeit geführt haben. Diese sind im Streitfall nicht geeignet, den Schluss auf ein den Kläger in vorsätzlich sittenwidriger Weise schädigendes Verhalten zu tragen.
- 19
- aa) Fehl geht allerdings die Rüge der Revision, das Berufungsgericht sei an der Berücksichtigung der bewerteten Umstände wegen des Grundsatzes rechtlichen Gehörs oder aufgrund von Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot weitgehend gehindert. Der Kläger hat bereits im erstinstanzlichen Verfahren klargestellt, dass er sein Begehren nicht nur auf die Berufungseinlegung , sondern auch auf das Verhalten des Beklagten im Vorfeld und während des Vorprozesses stütze, etwa die Prozessfinanzierungsvereinbarung und die Anzeige der Masseunzulänglichkeit. Ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO oder den Beibringungsgrundsatz scheidet aus. Der Kläger hat die in den gerichtlichen Hinweisen angesprochenen Gesichtspunkte aufgegriffen und unter Berücksichtigung der Erklärungen des Beklagten zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht.
- 20
- bb) Die mit der I. getroffenen Vereinbarungen über die Finanzierung des Prozesses gegen den Kläger und die Handhabung der hieraus zugunsten der Masse folgenden Ansprüche durch den Beklagten geben kein ausreichendes Indiz für eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung des Klägers ab.
- 21
- Soweit das Berufungsgericht meint, die Anzeige der Masseunzulänglichkeit sei unzutreffend, weil der Beklagte Kosten des Vorprozesses bei der I. nicht eingefordert habe, nimmt es nicht hinreichend in den Blick, dass - wie es selbst feststellt - der Umfang der Zahlungspflicht der I. streitig war. Stehen der Insolvenzmasse Ansprüche aus einem Prozessfinanzierungsvertrag zu, ist der Insolvenzverwalter zwar verpflichtet, im Interesse der Masse solche Ansprüche geltend zu machen. Sieht er hiervon ab und zeigt stattdessen die Unzulänglichkeit der Masse an, erlaubt dies jedoch nicht ohne weiteres den Schluss auf eine verwerfliche, auf die Schädigung eines Massegläubigers zielende Gesinnung. Das Verhalten des Beklagten kann im Streitfall allein durch die Schwierigkeiten motiviert gewesen sein, die angesichts der vertraglichen Unklarheiten bei der Verfolgung der in Rede stehenden Ansprüche zu erwarten waren.
- 22
- Eine gegen den Kläger gerichtete verwerfliche Gesinnung kann auch nicht aus der Vereinbarung einer aus Sicht des Berufungsgerichts ungewöhnlich hohen Erlösbeteiligung mit dem Prozessfinanzierer abgeleitet werden. Diese kommt naturgemäß nur zum Tragen, wenn und soweit ein Erlös des Rechtsstreits oder eines Vergleichs vereinnahmt wird. Unterliegt der Kläger vollständig , hat er keinen Kostenerstattungsanspruch gegen die Insolvenzmasse, der vereitelt werden könnte. Unterliegt er nur teilweise, wäre die zur Befriedigung eines Kostenerstattungsanspruchs zur Verfügung stehende Insolvenzmasse auch bei einer höheren Beteiligungsquote zugunsten des Prozessfinanzierers größer als bei einer unterlassenen Prozessführung.
- 23
- cc) Soweit das Berufungsgericht beanstandet, die zweite Masseunzulänglichkeitsanzeige sei unrichtig, weil der Beklagte seinen Vergütungsanspruch überhöht dargestellt und diesen zudem verwirkt habe, misst das Berufungsgericht Umständen eine Indizwirkung für die Annahme sittenwidrigen Verhaltens zu, die diese nicht haben können.
- 24
- (1) Allerdings ist entgegen der Auffassung der Revision das Gericht des Haftungsprozesses nicht durch die Rechtsprechung des Senats zur Bindung des Insolvenzgerichts an die Masseunzulänglichkeitserklärung des Verwalters oder des nach einer Anzeige mit einer Altmasseverbindlichkeit befassten Prozessgerichts (BGH, Urteil vom 3. April 2003 - IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358, 360; vom 4. Dezember 2003 - IX ZR 222/02, WM 2004, 295, 298; Beschluss vom 19. November 2009 - IX ZB 261/08, WM 2010, 130 Rn. 12 f mwN) an einer umfassenden Nachprüfung gehindert, ob der Verwalter zu Recht von Masseunzulänglichkeit ausging (Uhlenbruck/Ries, InsO, 14. Aufl., § 208 Rn. 16; HmbKomm -InsO/Weitzmann, 6. Aufl., § 208 Rn. 22; Mohrbutter/Ringstmeier/Pape, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., IV. Rn. 69; Pape/Uhländer/ Schmittmann, InsO, § 208 Rn. 12 und 17; Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2004, § 208 Rn. 3). Die mit der Verlagerung der alleinigen Feststellungskompetenz auf den Insolvenzverwalter einhergehende Einschränkung von Rechtsschutzmöglichkeiten reicht nur so weit, wie es nach der gesetzgeberischen Bewertung der beteiligten Interessen und der vom Gesetzgeber getroffenen Wertentscheidung erforderlich und notwendig ist. Der Regelungszweck des besonderen Verwertungs- und Verteilungsverfahrens nach den §§ 208 ff InsO, dem Insolvenzverwalter trotz Vorliegens einer "Insolvenz in der Insolvenz" die vollständige Abwicklung des Schuldnervermögens zu ermöglichen und ihm die zur Fortsetzung seiner Tätigkeit unerlässliche Handlungsfreiheit zurück zu geben (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2007 - IX ZB 172/06, WM 2007, 2201 Rn. 7 mwN; HK-InsO/Landfermann, 8. Aufl., § 208 Rn. 4), und der damit verfolgte Vereinfachungs- und Beschleunigungsgewinn (BAG, ZIP 2002, 628, 630) wird durch eine Nachprüfung der Anzeige in einem späteren Haftungsprozess nicht berührt.
- 25
- Bei dieser Nachprüfung ist zu berücksichtigen, dass dem Verwalter bei der Frage, zu welchem Zeitpunkt er die (drohende) Masseunzulänglichkeit anzeigt , ein weiter Handlungs- und Entscheidungsspielraum zusteht (für die Haftung nach §§ 60 f InsO BGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - IX ZR 220/09, WM 2010, 2321 Rn. 8, 10, mwN). Dieser Beurteilungsspielraum bezieht sich auch auf die Ermittlung, ob Masseunzulänglichkeit droht oder bereits vorliegt, und damit auf die Bewertung, ob die Verfahrens- und Massekosten auch gedeckt sind (vgl. für die Entlastung gemäß § 61 Satz 2 InsO BGH, Urteil vom 17. Dezember 2004 - IX ZR 185/03, ZIP 2005, 311, 312; vgl. auch Uhlenbruck/Ries, aaO § 208 Rn. 5; Pape in Kübler/Prütting/Bork, aaO § 208 Rn. 13; Gundlach/ Frenzel/Jahn, DZWIR 2011, 177, 179). Der Verwalter hat die Anknüpfungstatsachen und wirtschaftlichen Eckdaten sorgfältig zu ermitteln und seinen Bewertungsspielraum nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung auszuüben (HmbKomm-InsO/Weitzmann, aaO § 208 Rn. 4 und 9). Er muss von den im Zeitpunkt seiner Prüfung verfügbaren Erkenntnissen und Tatsachen ausgehen, zugleich aber die Geschäftsentwicklung für die Dauer der Fortführung des Insolvenzverfahrens berücksichtigen und die aus der Fortführung resultierenden tatsächlichen und rechtlichen Ungewissheiten einbeziehen (für § 61 Satz 2 InsO BGH, Urteil vom 17. Dezember 2004 - IX ZR 185/03, ZIP 2005, 311, 312; HK-InsO/Lohmann, 8. Aufl., § 61 Rn. 18). Bewertungsschwierigkeiten und Schätzungsungenauigkeiten sind einer solchen Prognoseberechnung immanent und hinzunehmen.
- 26
- (2) Diese Grundsätze gelten auch im Hinblick auf die Bewertung der voraussichtlichen Vergütung und Auslagen des Insolvenzverwalters. Deren gerichtliche Nachprüfung im Rahmen des Haftungsprozesses ist nicht deshalb ausgeschlossen oder beschränkt, weil nach § 64 Abs. 1 InsO allein das Insolvenzgericht zur Festsetzung der Vergütung befugt ist. Anders als in den von der Revision zitierten Urteilen des Senats vom 17. November 2005 (IX ZR 179/04, BGHZ 165, 96) und 16. Oktober 2014 (IX ZR 190/13, WM 2014, 2236) berührt die gerichtliche Überprüfung der vom Verwalter in seine Masseunzulänglichkeitsberechnung eingestellten Vergütungsprognose weder die gerichtliche Ent- scheidungsbefugnis nach § 64 Abs. 1 InsO noch die im dortigen Verfahren vorgesehenen Beteiligungsrechte von Schuldner und Insolvenzgläubiger (hierzu BGH, Urteil vom 17. November 2005, aaO S. 105 f; vom 16. Oktober 2014, aaO Rn. 15; HK-InsO/Keller, 8. Aufl., § 64 Rn. 16 f). Bei der Nachprüfung der Masseunzulänglichkeitsanzeige im Rahmen eines Haftungsprozesses geht es nicht um die verbindliche Festlegung der Vergütungshöhe. Sie hat auch keine Auswirkungen für das in den §§ 64 f InsO, §§ 1 ff InsVV geregelte besondere Festsetzungsverfahren.
- 27
- Allerdings muss sich in einem Haftungsprozess die gerichtliche Überprüfung auch insoweit darauf beschränken, ob der Insolvenzverwalter einen ihm zuzugestehenden Beurteilungsspielraum überschritten hat. Die Vergütung des Verwalters ist eine Gesamtvergütung für die Tätigkeit im gesamten Verfahren (HK-InsO/Keller, aaO § 63 Rn. 6). Ihre endgültige Höhe steht entsprechend erst bei Beendigung des Insolvenzverfahrens fest und kann vom Verwalter zum Zeitpunkt einer Masseunzulänglichkeitsanzeige nur geschätzt werden.
- 28
- (3) Seinen Bewertungsspielraum hat der Beklagte überschritten, soweit er die an den Zeugen K. aus der Masse entrichteten Zahlungen nicht auf seinen Vergütungsanspruch angerechnet hat. Gleichwohl kann hieraus vorliegend nicht auf eine auf Schädigung des Klägers gerichtete Gesinnung geschlossen werden.
- 29
- (a) Die Tätigkeiten des Zeugen K. sind nach den getroffenen Feststellungen dem Beklagten als Insolvenzverwalter zu- und auf seinen Vergütungsanspruch anzurechnen, weil der Zeuge bei diesem beschäftigt und für Tätigkeiten eingeschaltet war, die zu den allgemeinen Geschäften eines Insolvenzverwalters gehören (vgl. für die Ermittlung von Anfechtungsansprüchen BGH, Beschluss vom 8. März 2012 - IX ZB 162/11, WM 2012, 666 Rn. 11; vom 14. November 2012 - IX ZB 95/10, ZVI 2013, 167 Rn. 4; anders für die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen einer Prozesskostenhilfe im Anfechtungsrechtsstreit BGH, Beschluss vom 23. März 2006 - IX ZB 130/05, WM 2006, 1298 Rn. 9). Ist die kostenträchtige Einschaltung eines Externen nicht erforderlich oder darf der Insolvenzverwalter für die Erledigung der betreffenden Aufgabe keine Sondervergütung verlangen, kann die festzusetzende Vergütung um den zu Unrecht aus der Masse entnommenen Betrag gekürzt werden (BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - IX ZB 48/04, ZIP 2005, 36, 37; vom 19. April 2012 - IX ZB 23/11, ZInsO 2012, 928 Rn. 20; vom 4. Dezember 2014 - IX ZB 60/13, WM 2015, 134 Rn. 18 mwN). Diesen Maßstäben entspricht die Bewertung durch das Berufungsgericht, wonach die Aufarbeitung vorgefundener Akten nach bestimmten Gesichtspunkten, die Zusammenstellung von Sachverhalten zur Prüfung von Anfechtungsmöglichkeiten, die Prüfung von Zahlungsströmen zur Erforschung noch vorhandenen Vermögens und die Aufarbeitung von Buchhaltungsfehlern in diesem Zusammenhang sowie die Suche nach Prozessfinanzierern als Regeltätigkeiten anzusehen sind. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch den Umstand, dass der Zeuge K. in keinem Fall verantwortlich gegenüber Gerichten oder Behörden aufgetreten war und der Beklagte für bestimmte Tätigkeiten auch tatsächlich Sonderfachleute bestellt hatte, als Indiz gegen eine Tätigkeit des Zeugen K. als Sonderfachmann angesehen.
- 30
- (b) Die Feststellungen tragen aber nicht die Annahme des Berufungsgerichts , der Beklagte habe die vergütungsrechtliche Einordnung der vom Zeugen K. geleisteten Tätigkeiten in bewusster Abkehr von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgenommen. Allein die Kenntnis des Beklagten vom Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11. November 2004 im Zeitpunkt der zweiten Masseunzulänglichkeitsanzeige lässt einen derartigen Schluss nicht zu. Zu diesem Zeitpunkt war für die vergütungsrechtliche Einordnung einer Tätigkeit allgemein darauf abzustellen, ob die Aufgabe - gleich, ob gerichtliche oder außergerichtliche Tätigkeit - besonderer Fähigkeiten bedurfte und daher von einem Verwalter bei sachgerechter Arbeitsweise in der Regel einem Sonderfachmann hätte übertragen werden müssen (vgl. zur KO: BGH, Urteil vom 17. September 1998 - IX ZR 237/97, BGHZ 139, 309, 312). Diese Formulierung war auch Ausgangspunkt der Prüfung in dem vom Berufungsgericht herangezogenen Beschluss vom 11. November 2004 (ZIP 2005, 36, 37 unter II. 2. a) und b)). Erst mit den Beschlüssen aus den Jahren 2006 und 2012 hat der Senat seine vergütungsrechtliche Rechtsprechung für Insolvenzanfechtungsfälle konkretisiert. Die unzutreffende vergütungsrechtliche Einordnung der vom Beklagten im Einzelnen dargelegten Tätigkeiten des Zeugen K. war daher nicht so grob leichtfertig oder gewissenlos, dass dies den Schluss auf eine verwerfliche, gegen den Kläger als Massegläubiger gerichtete Gesinnung zuließe.
- 31
- (4) Der Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens lässt sich hier auch nicht mit den vom Berufungsgericht geäußerten Zweifeln an der Richtigkeit der Vergütungsansätze begründen. Dies würde die Maßstäbe, die insoweit an die Prognose des Verwalters zu stellen sind, überspannen. Weder aus den vom Beklagten geltend gemachten Zuschlägen noch aus den hieran vom Berufungsgericht geäußerten Zweifeln noch aus dem Umstand, dass der Beklagte den bei der Masseunzulänglichkeitsanzeige in Ansatz gebrachten Vergütungsanspruch variierend begründet hat, kann sich ein Indiz für eine verwerfliche Zweckrichtung seines Handelns ergeben.
- 32
- Der im Vergütungsfestsetzungsverfahren geltende strenge Maßstab, wonach es einer genauen tatrichterlichen Überprüfung und Beurteilung aller in Frage kommenden Tatbestände bedarf und die vom Verwalter geltend gemachten Zuschlagstatbestände und in Betracht kommenden Abschlagstatbestände im Einzelnen zu beurteilen sind (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2006 - IX ZB 249/04, NZI 2006, 464 Rn. 11 mwN), kann nicht ohne weiteres auf die Prognose der Vergütungshöhe in der Masseunzulänglichkeitsberechnung übertragen werden. Der Beklagte hat nachvollziehbar und nachprüfbar dargelegt, wie sich die von ihm in die Masseunzulänglichkeitsberechnung eingestellte Vergütungs- höhe von 300.000 € errechnet. Er hat die Berechnungsgrundlage angegeben und die jeweils angesetzten Zu- und Abschläge begründet. Dass der Beklagte dabei seinen Beurteilungsspielraum so deutlich überschritten hätte, dass hieraus auf ein verwerfliches Handeln im Sinne einer Sittenwidrigkeit geschlossen werden könnte, zeigen die einzelnen Beanstandungen des Berufungsgerichts nicht auf. Daher lässt auch der Umstand, dass der Beklagte auf die gerichtlichen Bedenken hin und diesen Rechnung tragend eine - ebenfalls nachvollziehbare - Neuberechnung vorgelegt hat, die bei verändertem Ansatz zu einer Vergütung in der bereits ursprünglich angesetzten Höhe gelangt, den vom Berufungsgericht gezogenen Schluss auf ein sittenwidriges Verhalten nicht zu.
- 33
- (5) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen auch nicht die Beurteilung , der Beklagte habe seinen Vergütungsanspruch verwirkt. Der Insolvenzverwalter verwirkt seinen Anspruch auf Vergütung entsprechend dem der Regelung in § 654 BGB zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsgedanken, wenn er vorsätzlich oder grob leichtfertig die ihm obliegende Treuepflicht so schwerwiegend verletzt, dass er sich seines Lohnes als "unwürdig" erweist. Dies kommt im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Für die Versagung jeglicher Vergütung genügt nicht jede objektiv erhebliche Pflichtverletzung. Sie kommt vielmehr nur bei einer schweren, subjektiv in hohem Maße vorwerfbaren Verletzung der Treuepflicht in Betracht, etwa wenn der Insolvenzverwalter besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen in Form von Straftaten zum Nachteil der Masse begangen hat (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2004 - IX ZB 349/92, BGHZ 159, 122, 132; vom 9. Juni 2011 - IX ZB 248/09, WM 2011, 1522 Rn. 6; vom 14. Juli 2016 - IX ZB 52/15, WM 2016, 1610 Rn. 6 mwN). Derart schwerwiegende Pflichtverletzungen liegen nicht vor.
- 34
- (6) Offen bleiben kann, inwieweit ein Indiz für eine sittenwidrige Schädigung des Klägers darin liegen kann, dass der Insolvenzverwalter - hier der Beklagte - sich vom Insolvenzgericht ermächtigen lässt, überhöhte Vorschüsse auf seine Vergütungsforderungen aus der Masse zu entnehmen. Dies setzt jedenfalls voraus, dass der Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht bewusst unzutreffende Angaben über seinen Vergütungsanspruch macht. Daran fehlt es im Streitfall.
- 35
- c) Auch die sonstigen vom Berufungsgericht festgestellten Umstände können weder für sich genommen noch in einer Gesamtschau eine sittenwidrige Schädigung durch ein auf Vereiteln berechtigter Ansprüche des Klägers gerichtetes Handeln des Beklagten indizieren.
- 36
- (1) Das gilt zunächst für das Zahlungsverhalten des Beklagten im Hinblick auf die Rangordnung des § 209 InsO. Die Annahme des Berufungsgerichts , bezahlt würden allein die auf Seiten des Beklagten tätigen Massegläubiger , lässt außer Acht, dass der Beklagte auch sämtliche Kosten des anschließenden Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde einschließlich der entsprechenden Forderungen des Klägers aus der Masse beglichen hatte. Zudem waren die vom Berufungsgericht als rangwidrig bewerteten anderen Zahlungen im Hinblick auf die geltend gemachten Forderungen des Klägers sowie auf die eigenen Vergütungsansprüche des Beklagten nur geringfügig.
- 37
- (2) Ebenso wenig ergibt sich aus dem festgestellten Verstoß gegen § 160 Abs. 2 Nr. 3 InsO - fehlende Zustimmung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung - ein Indiz für eine Sittenwidrigkeit im Handeln des Beklagten. Denn die zustimmungsbedürftige Rechtshandlung liegt hier in der Führung eines Gerichtsverfahrens, so dass die Sittenwidrigkeit nicht bejaht werden kann, ohne zugleich zu den Erfolgsaussichten des geführten Prozesses Feststellungen zu treffen. Auch aus den Erklärungen des Beklagten in dem vom Berufungsgericht zitierten Schreiben an die I. vom 19. Juli 2002 lässt sich nicht der Schluss auf einen Schädigungswillen im Hinblick auf die Durchsetzung des Kostenerstattungsanspruchs ziehen. Das Berufungsgericht lässt außer Acht, dass der Beklagte ergebnisoffene Überlegungen zur angemessenen Höhe der zu erhebenden Klage anstellt und er seine Skepsis zum materiellrechtlichen Bestand der von den Vor-Ort-Gesellschaften angemeldeten Forderungen auch nach außen kundgetan hat.
III.
- 39
- 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht für den Anspruch auf Ersatz eines zielgerichtet dem Kläger individuell zugefügten Schadens eine persönliche Haftung des Beklagten nach §§ 60, 61 InsO verneint. Zwar handelt es sich bei dem Prozesskostenerstattungsanspruch des Klägers um eine Masseverbindlichkeit. Jedoch erfasst der Zweck des § 61 InsO, die Bereitschaft zur Kreditgewährung an die Masse zu fördern, diesen Anspruch eines Prozessgegners nicht. Viel- mehr gehört es zu den allgemeinen Risiken einer obsiegenden Prozesspartei, ob sie die von ihr aufgewendeten Prozesskosten vom unterliegenden Gegner erstattet erhält (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2004 - IX ZR 142/03, BGHZ 161, 236, 239 f). § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO begründet keine Verpflichtung des Insolvenzverwalters , vor der Erhebung einer Klage oder während des Prozesses die Interessen des Prozessgegners an einer eventuellen Erstattung seiner Kosten zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2004, aaO S. 240 mwN; für die Konkursordnung BGH, Urteil vom 26. Januar 2001 - IX ZR 209/98, BGHZ 148, 175, 177 ff).
- 40
- 2. Eine Haftung des Beklagten aus § 826 BGB kann nicht darauf gestützt werden, dass der Beklagte gegen den Kläger in zumindest grob leichtfertiger Weise ein gerichtliches Verfahren eingeleitet und durchgeführt hätte, obwohl er wusste, dass der bedingte gegnerische Kostenerstattungsanspruch ungedeckt sein würde (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2004 - IX ZR 142/03, BGHZ 161, 236, 241). Ein leichtfertiges Verhalten scheidet aus, weil der Beklagte dem Rechtsschutzbegehren Erfolgsaussichten beimessen durfte. Ob die Annahme einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung im Zusammenhang mit dem Führen eines Aktivprozesses an noch strengere Voraussetzungen geknüpft ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2003 - VI ZR 175/02, BGHZ 154, 269, 273 ff; hierzu BGH, Urteil vom 2. Dezember 2004, aaO), bedarf keiner Erörterung.
- 41
- a) Grobe Leichtfertigkeit ist einem Kläger etwa vorzuwerfen, wenn er "ins Blaue hinein", ohne jede Prüfung des Anspruchs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, einen Rechtsstreit vom Zaune bricht. Dem kann eine offensichtlich ganz lückenhafte oder sonst auf gänzlich verfehlten Erwägungen beruhende Prüfung der Erfolgsaussichten gleichstehen, weil auch hieraus typischerweise auf die grob leichtfertige Haltung des Klägers bei seinem prozessualen Vorge- hen geschlossen werden kann. Bei der Bewertung der Prozessaussichten ist insgesamt eine ex-ante Prognose geboten, in der bei Prüfung einzelner Vorfragen ein für den Kläger günstiges Ergebnis unterstellt werden muss, wenn die Rechtslage insoweit bei verständiger Würdigung noch ungewiss war. Zudem ist bei der Prüfung einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung des Prozessgegners der dem Insolvenzverwalter zustehende Beurteilungsspielraum zugrunde zu legen (zur KO: BGH, Urteil vom 26. Juni 2001 - IX ZR 209/98, BGHZ 148, 175, 183, 184).
- 42
- b) Nach diesen Maßstäben war die Durchführung des Berufungsverfahrens nicht grob leichtfertig. Die Klage und damit das gegen die Klageabweisung gerichtete Rechtsmittel hatten nicht offensichtlich nur geringe Erfolgsaussichten.
- 43
- Der Vorprozess zeichnete sich durch einen zwar in wesentlichen Teilen unstreitigen, aber hoch komplexen Sachverhalt infolge der mehrfachen gesellschaftsrechtlichen Verschachtelung unter Beteiligung des Klägers und der mehrstufigen Umstrukturierungsakte aus. Die Erfolgsaussichten der Klage hingen dementsprechend - wie bereits das Landgericht herausgearbeitet hat - vor allem von der Beantwortung gesellschafts- und bilanzrechtlich schwieriger Rechtsfragen ab. Der Beklagte hatte sich hierzu anwaltlicher Hilfe bedient. Die im Vorprozess ergangenen Entscheidungen lassen nicht erkennen, dass die vom Beklagten vertretene Rechtsauffassung in Gänze so unvertretbar gewesen wäre, dass allein deswegen das Führen des Prozesses als grob leichtfertig erscheinen müsste. Die im Verfahren eingereichten und den Parteien mit Gelegenheit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebrachten Unterlagen zeigen ferner, dass die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte des dem Vorprozess zugrunde liegenden Sachverhalts geprüft und die Aussichten und Angriffspunkte eines Berufungsverfahrens herausgearbeitet worden waren. Die anwaltliche Beratung kam zu dem Ergebnis, dass die rechtliche Bewertung und Lösung durch das Landgericht fehlerhaft, eine Berufung also nicht ohne Erfolgsaussicht sei. Der Versuch, diese geprüften Ansprüche im Interesse der Masse zu wahren, war jedenfalls nicht leichtfertig. Die vom Berufungsgericht nicht in den Blick genommenen gerichtlichen Vergleichsbemühungen im Vorprozess belegen diesen Befund zusätzlich.
- 44
- c) Folglich können all die Umstände, die in so engem Zusammenhang mit der Einleitung und dem Führen des Vorprozesses stehen, dass sie nicht isoliert betrachtet werden dürfen, keine Indizwirkung für eine sittenwidrige Schädigung entfalten. Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, gegebenenfalls sogar verpflichtet, erfolgversprechende oder nach sorgfältiger Prüfung für erfolgversprechend erachtete Prozesse zugunsten der Masse zu führen. Deshalb können weder der Verstoß gegen § 160 Abs. 2 Nr. 3 InsO noch Inhalt oder Zustandekommen der Prozesskostenfinanzierungsvereinbarung noch das mit den den Insolvenzverwalter vertretenden Rechtsanwälten vereinbarte Honorar, zu dessen Tragung das Berufungsgericht ohnedies die I. verpflichtet sieht, eine besondere Verwerflichkeit im Handeln des Beklagten belegen.
IV.
- 45
- Das Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Weitere tatsächliche Feststellungen sind nicht zu erwarten. Sämtliche denkbaren Umstände, aus denen sich im Streitfall eine Sittenwidrigkeit des Verhaltens des Beklagten im Zusammenhang mit der Führung des Vorprozesses ergeben könnte, waren bereits Gegenstand des Vortrags im Berufungsverfahren. Der Kläger hat keine weiteren Gesichtspunkte vorgetragen , die geeignet wären, die erstinstanzliche Beurteilung in Frage zu stellen. Die Berufung des Klägers ist zurückzuweisen, weil das Landgericht die Klage im Ergebnis zu Recht insgesamt abgewiesen hat.
Schoppmeyer Meyberg
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 09.08.2011 - 26 O 1647/08 -
OLG München, Entscheidung vom 09.09.2014 - 5 U 3864/11 -
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 17. Dezember 2015 aufgehoben.
-
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
-
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
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Die Klägerin betreibt den Profifußballbereich des Sportvereins 1. Fußball-Club Köln 01/07 e.V. (1. FC Köln). Sie verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen des Zündens eines Knallkörpers bei einem Heimspiel ihrer Lizenzspielermannschaft am 9. Februar 2014 in der 2. Bundesliga gegen den SC Paderborn 07.
- 2
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Der Beklagte besuchte das Fußballspiel mit einer Dauerkarte, die ihm ein Bekannter zur Verfügung gestellt hatte. Er verfolgte die Begegnung vom Oberrang der Nordtribüne im RheinEnergieStadion. In der zweiten Halbzeit zündete er einen Knallkörper, der aufgrund seiner Sprengenergie dem Sprengstoffgesetz unterfällt, und warf ihn auf den Unterrang, wo er detonierte. Durch die Explosion wurden sieben Zuschauer verletzt.
- 3
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Wegen dieses Vorfalls und vier weiterer vorangegangener Vorfälle bei anderen Spielen der Lizenzspielermannschaft der Klägerin verhängte das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes e.V. (DFB) mit Urteil vom 19. März 2014 eine Verbandsstrafe gegen die Klägerin, bestehend aus einer Geldstrafe in Höhe von 50.000 € sowie einer zur Bewährung ausgesetzten Anordnung, zwei Heimspiele unter teilweisem Ausschluss der Öffentlichkeit auszutragen. Ferner erteilte es der Klägerin die Bewährungsauflage, insgesamt einen Geldbetrag von 30.000 € für Projekte und Maßnahmen zu verwenden, die der Gewaltprävention sowie der Ermittlung von konkreten Tätern bei den Fußballspielen der Klägerin dienen. Auf diese Bewährungsauflage wurde ein Betrag von 19.961,66 € angerechnet, den die Klägerin bereits zuvor für die Anschaffung eines Kamerasystems aufgewendet hatte. Das Sportgericht bildete die ausgeurteilte Gesamtstrafe in analoger Anwendung des § 54 StGB. Für den vom Beklagten verursachten Vorfall wurde eine Einzelgeldstrafe von 40.000 € festgesetzt, die als Einsatzstrafe unvermindert in die ausgeurteilte Gesamtstrafe einfloss. Die Einsatzstrafe wurde erhöht, indem die weiteren Einzelstrafen zu je 50% hinzuaddiert wurden. Dies ergab einen Wert von 79.000 €, von dem 30.000 € auf die zu leistenden Investitionen entfielen. Der verbleibende Betrag von 49.000 € wurde sodann zu der Gesamtgeldstrafe von 50.000 € aufgerundet.
- 4
-
Die Klägerin bezahlte die Geldstrafe. Sie verlangt vom Beklagten Ersatz in Höhe von 30.000 €.
- 5
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
- 6
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Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
-
I.
- 7
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Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in SpuRt 2016, 83 sowie in MDR 2016, 209 veröffentlicht ist, ist der Auffassung, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten ein Zuschauervertrag zustande gekommen sei. Die dem Beklagten hieraus erwachsenen Verhaltenspflichten habe dieser verletzt, indem er einen Knallkörper zündete und ihn auf den Unterrang der Nordtribüne warf. Durch das Zünden des Knallkörpers habe der Beklagte pflichtwidrig das Interesse der Klägerin an einem ungestörten Spielablauf beeinträchtigt. Das Zünden des Knallkörpers habe auch adäquat kausal im Sinne einer Mitverursachung die Verhängung der Verbandsstrafe durch den DFB nach sich gezogen.
- 8
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Es fehle jedoch an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang. Denn die Verhängung der Verbandsstrafe unterfalle nicht mehr dem Schutzzweck der vom Beklagten verletzten Pflichten. Maßgeblich für das Verbot des Zündens von Knallkörpern im Stadion und hierdurch verursachter Spielstörungen sei die besondere Gefährlichkeit von Knallkörpern für die menschliche Gesundheit. Diese vom Beklagten geschaffene Gefahrenlage habe sich hinsichtlich des geltend gemachten Schadens jedoch nicht realisiert. Realisiert habe sich vielmehr das durch die Unterwerfung der Klägerin unter die Regeln des DFB geschaffene Risiko, dass der Verein für sportliche Vergehen seiner Anhänger die Verantwortung zu übernehmen habe und dementsprechend im Rahmen des Verbandes mit Strafen belegt werden könne.
- 9
-
Für eine Haftung aus § 826 BGB fehle es an dem dort vorausgesetzten Schädigungsvorsatz des Beklagten. Hierzu gehöre, dass der Schädiger Art und Richtung des Schadens und die Schadensfolgen vorausgesehen und die Schädigung im Sinne eines direkten Vorsatzes gewollt oder im Sinne eines bedingten Vorsatzes zur Erreichung seines Ziels billigend in Kauf genommen habe. Der Vorsatz müsse sich danach auch auf den Schaden erstrecken, eine nur allgemeine Vorstellung über mögliche Schädigungen genüge nicht. Es sei nicht ersichtlich, dass der Beklagte eine hinreichend konkrete Vorstellung von den schädigenden Folgen seines Handelns gehabt habe, und zwar gerade in Bezug auf die Verhängung einer Geldstrafe durch das Sportgericht des DFB.
-
II.
- 10
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Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin gemäß § 280 Abs. 1 BGB nicht verneint werden.
- 11
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1. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten ein Zuschauervertrag zustande gekommen ist. Revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe seine ihm aus dem Zuschauervertrag gegenüber der Klägerin erwachsenen Verhaltenspflichten verletzt, indem er einen Knallkörper zündete und diesen auf den Unterrang der Nordtribüne warf. Diese Pflichten ergeben sich nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sowohl aus der wirksam in den Vertrag einbezogenen Stadionordnung als auch unabhängig hiervon gemäß § 241 Abs. 2 BGB allgemein aus dem Zuschauervertrag (vgl. etwa OLG Rostock, NJW 2006, 1819 = SpuRt 2006, 249). Zutreffend gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass der Beklagte durch das Zünden des Knallkörpers pflichtwidrig das Interesse der Klägerin an einem ungestörten Spielablauf beeinträchtigt hat.
- 12
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Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht schließlich eine adäquate Kausalität des Zündens des Knallkörpers durch den Beklagten für die Verhängung der Verbandsstrafe durch das Sportgericht des DFB bejaht. Insbesondere ist es weder völlig unwahrscheinlich noch ungewöhnlich, dass Fußballclubs im Anschluss an Pyrotechnikvorfälle im Stadion Verbandsstrafen auferlegt werden (vgl. nur Walker, NJW 2014, 119, 120; Kober, Pyrotechnik in deutschen Fußballstadien, 2015, S. 131; Seip, causa sport 2016, 40, 43).
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2. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht jedoch an, es fehle an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen dem geltend gemachten Schaden und der Pflichtverletzung des Beklagten.
- 14
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a) Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass nicht jeder adäquat verursachte Schaden zu ersetzen ist. Es entspricht ganz überwiegender Auffassung und der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird. Eine Haftung besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde. Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen. Ein "äußerlicher", gleichsam "zufälliger" Zusammenhang genügt dagegen nicht. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (vgl. BGH, Urteile vom 20. Mai 2014 - VI ZR 381/13, BGHZ 201, 263 Rn. 10; vom 26. Februar 2013 - VI ZR 116/12, NJW 2013, 1679 Rn. 12; vom 6. September 2012 - VII ZR 72/10, NJW 2012, 3371 Rn. 11; vom 22. Mai 2012 - VI ZR 157/11, NJW 2012, 2024 Rn. 14; vom 11. Januar 2005 - X ZR 163/02, NJW 2005, 1420, 1421 f., juris Rn. 18, jeweils m.w.N.; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., vor § 249 Rn. 29 f. m.w.N.). Im Vertragsrecht hat der Schuldner nur für die Einbußen einzustehen, die die durch den Vertrag geschützten Interessen betreffen (Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., S. 104 m.w.N.).
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Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird die haftungsrechtliche Zurechnung nicht schlechthin dadurch ausgeschlossen, dass außer der in Rede stehenden Handlung noch weitere Ursachen zu dem eingetretenen Schaden beigetragen haben. Dies gilt auch dann, wenn der Schaden erst durch das (rechtmäßige oder rechtswidrige) Dazwischentreten eines Dritten verursacht wird. Der Zurechnungszusammenhang fehlt auch in derartigen Fällen nur, wenn die zweite Ursache den Geschehensablauf so verändert hat, dass der Schaden bei wertender Betrachtung nur noch in einem "äußerlichen", gleichsam "zufälligen" Zusammenhang zu der durch die erste Ursache geschaffenen Gefahrenlage steht. Wirken dagegen in dem Schaden die besonderen Gefahren fort, die durch die erste Ursache gesetzt wurden, kann der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang nicht verneint werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 55 m.w.N.).
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b) Nach diesen Maßstäben fehlt es nicht an einem Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beklagten und dem von der Klägerin geltend gemachten Schaden. Die der Klägerin auferlegte Verbandsstrafe stammt aus dem Bereich der Gefahren, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht besteht.
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aa) Das Berufungsgericht hat - zutreffend - festgestellt, dass sowohl die Vorschriften der Stadionordnung, nach denen unter anderem das Mitführen und Abbrennen von Feuerwerkskörpern und das Werfen mit Gegenständen verboten ist, als auch die allgemeine Nebenpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Klägerin (auch) dazu dienen, einen ungestörten Spielablauf zu gewährleisten, und dass der Beklagte pflichtwidrig dieses Interesse beeinträchtigt hat.
- 18
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Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass ein Zuschauervertrag zum Besuch eines Fußballspiels den Zuschauer, dessen einzige Hauptleistungspflicht in der Zahlung des Eintrittspreises besteht, daneben zur Rücksichtnahme auf das Interesse des Veranstalters an einem ungestörten Ablauf des Fußballspiels verpflichtet. Denn dies ist ein auf der Hand liegendes Hauptinteresse des Veranstalters. Es handelt sich dabei um ein gleichgerichtetes Interesse mit allen Vertragspartnern (Zuschauern), die ebenfalls einen ungestörten Spielablauf erwarten und erwarten können. Eine derartige Rücksichtnahmepflicht belastet den Zuschauer nicht. Er ist lediglich verpflichtet, alles zu unterlassen, was in einen ungestörten Spielablauf eingreifen würde. Derartige Handlungen unterlässt der verständige Zuschauer bereits aus dem eigenen Interesse eines ungestörten Spielablaufs.
- 19
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bb) Die von der Klägerin auf die gegen sie verhängte Verbandsstrafe geleistete Zahlung steht in dem notwendigen inneren Zusammenhang mit der Störung des Spielablaufs. Bei dieser Bewertung und den daraus abgeleiteten rechtlichen Folgerungen handelt es sich um eine Rechtsfrage, die der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2015 - I ZR 47/14, WRP 2016, 489 Rn. 33).
- 20
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Die hier in Rede stehende Verbandsstrafe ist eine für den Veranstalter nicht zu vermeidende Folge gravierender Störungen des Ablaufs eines Fußballspiels. Denn ihm ist die Durchführung eines Profi-Fußballspiels im Rahmen eines Wettbewerbs (hier: 2. Bundesliga) nur mit Hilfe einer übergeordneten Organisation wie eines Verbandes möglich. Die Klägerin konnte somit nicht ohne eine durch ihre Mitgliedschaft in dem Verband der deutschen Profifußballvereine vermittelte Unterwerfung unter die Statuten des DFB ein Fußballspiel der 2. Bundesliga durchführen und den Zuschauern den Besuch anbieten. Die Organisation oder der Verband, der die Rahmenbedingungen festlegt, hat das gleichgerichtete Interesse mit dem Veranstalter des einzelnen Spiels und den verständigen Zuschauern an einem ungestörten Spielablauf. Um dies durchzusetzen, bedient sich der Verband unter anderem des Mittels der Verbandsstrafe für schuldhafte Störungen durch Zuschauer; dieses ist geeignet, präventiv direkt auf die Vereine oder Veranstalter und indirekt auf ihre Fans einzuwirken, damit es zu solchen Störungen nicht kommt.
- 21
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Die Verurteilung durch das Sportgericht des DFB erfolgte auf der Grundlage von § 9a Nrn. 1 und 2 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB. Hiernach sind Vereine und Tochtergesellschaften für das Verhalten ihrer Spieler, Offiziellen, Mitarbeiter, Erfüllungsgehilfen, Mitglieder, Anhänger, Zuschauer und weiterer Personen, die im Auftrag des Vereins eine Funktion während des Spiels ausüben, verantwortlich; der gastgebende Verein und der Gastverein bzw. ihre Tochtergesellschaften haften im Stadionbereich vor, während und nach dem Spiel für Zwischenfälle jeglicher Art. Damit beruht die ausgesprochene Strafe direkt auf der Störung durch den Beklagten. Sie ist gerade nicht nur "zufällig" aus Anlass der Störung verhängt worden (so aber im Ergebnis Pfister, SpuRt 2014, 10, 11 f., da die Strafe die Sorgfaltspflichtverletzung der Vereine sanktioniere und vor allem dazu diene, sie zu besseren Sicherungsmaßnahmen anzuhalten; LG für ZRS Wien, SpuRt 2012, 198 f. zur Österreichischen Fußballbundesliga). Ihr materieller Grund ist die hier vom Beklagten verursachte Spielstörung. Ihr Zweck ist dementsprechend auch ausweislich des dem Urteil des Sportgerichts zugrundeliegenden Antrags des Kontrollausschusses des DFB, zukünftiges Zuschauerfehlverhalten auszuschließen oder zumindest zu minimieren; dieses Ziel würde auch gefördert, wenn potentielle Täter damit zu rechnen hätten, solche Strafzahlungen ersetzen zu müssen.
- 22
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Dem Zuschauervertrag kann nicht durch (ergänzende) Vertragsauslegung entnommen werden, trotz dieser Umstände hafte der Zuschauer für den hier eingetretenen Schaden ausnahmsweise nicht. Einen solchen Ausschluss hätten die Parteien redlicherweise, hätten sie den Fall bedacht, nicht vereinbart. Der Veranstalter, der selbst ein spielstörendes Verhalten des Zuschauers nicht sicher verhindern kann, hat ein berechtigtes Interesse daran, dass die Folgen, denen er sich nicht entziehen kann, von dem Störer getragen werden. Ein redlicher und verständiger Zuschauer hätte sich auf eine solche umfassende Haftung eingelassen. Denn ohne eine Handlung, die den Spielablauf zu stören geeignet ist, droht ihm eine derartige Haftungsfolge nicht. Er kann sie ohne weiteres vermeiden. Ihm ist beim Abschluss des Zuschauervertrages zudem klar, dass ein Veranstalter einen Zuschauer gar nicht erst zuließe, der nicht bereit wäre, für sich selbst eine solche Handlung auszuschließen.
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Der Zurechnungszusammenhang kann auch nicht mit der Erwägung verneint werden, die Klägerin hätte die Geldstrafe nicht zahlen müssen, weil § 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB unwirksam sei (allgemein zum Diskussionsstand: Walker, NJW 2014, 119; 120 ff.; Kober, Pyrotechnik in deutschen Fußballstadien, 2015, S. 126 ff.; Müller-Eiselt, Die Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen, 2015, S. 219 ff., 267; M. Fröhlich/H.-W. Fröhlich, causa sport 2015, 157, 158 f.; Scheuch, SpuRt 2016, 58, 61, jeweils m.w.N.). Hierauf kommt es im vorliegenden Fall nicht an, weil ihre Entscheidung zur Zahlung der Geldstrafe durch das vertragswidrige Verhalten des Beklagten herausgefordert worden ist und keine ungewöhnliche oder unsachgemäße Reaktion hierauf darstellt (vgl. BGH, Urteile vom 23. November 2006 - I ZR 276/03, WM 2007, 1192 Rn. 23; vom 7. März 2002 - VII ZR 41/01, NJW 2002, 2322, 2323, juris Rn. 27 m.w.N).
- 24
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Verurteilungen auf dieser Grundlage erfolgen regelmäßig und werden von den betroffenen Vereinen auch befolgt (vgl. Walker, NJW 2014, 119, 124). Sowohl in der deutschen als auch in der internationalen Verbandsschiedsgerichtsbarkeit ist die Zulässigkeit dieser und vergleichbarer Normen, nach denen der Verein für ein schuldhaftes Verhalten der Zuschauer einzustehen hat, anerkannt worden (Ständiges Schiedsgericht für Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen, Urteil vom 14. Mai 2013, SpuRt 2013, 200; TAS/CAS, Schiedsspruch vom 20. April 2007 - CAS 2007/A/1217 - Feyenoord Rotterdam v/ UEFA, SpuRt 2007, 164). Aus diesen Gründen kann es der Klägerin auch nicht zum Mitverschulden gereichen, dass sie die Strafe gezahlt hat, ohne Rechtsmittel gegen die Verurteilung auf der Grundlage dieser Norm einzulegen.
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cc) Die Bedenken des Berufungsgerichts greifen demgegenüber nicht durch.
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Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts spricht der Umstand, dass es nicht bei jedem Verstoß eines Zuschauers gegen seine Verhaltenspflichten zu einem Vermögensschaden in Form einer Verbandsstrafe auf Seiten der Klägerin kommt, nicht gegen die Zurechenbarkeit eines solchen Schadens. Dass es im Einzelfall zunächst ungewiss ist und von der Entscheidung des Sportgerichts des DFB abhängt, ob und welche Strafe verhängt wird, ändert nichts daran, dass gerade das Verhalten des störenden Zuschauers diesen Schaden angelegt hat. Es entspricht generell dem Schadensrecht, dass es häufig vom Zufall abhängt, ob Pflichtverletzungen zu einem Vermögensschaden führen, der zu ersetzen ist.
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Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts spielt es auch keine Rolle, ob der Beklagte bewusst das Risiko übernommen hat, dass die Klägerin mit einer Verbandsstrafe belegt wird. Unzutreffend ist ferner die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die in der Stadionordnung enthaltene Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall des Abbrennens pyrotechnischer Gegenstände einen Hinweis darauf liefere, die Klägerin sei davon ausgegangen, bei einem Verstoß keine weiteren Ansprüche auf Schadensersatz zu haben. Dieser Rückschluss ist schon deshalb unzulässig, weil, wie das Berufungsgericht selbst feststellt, die Stadionordnung zudem den Hinweis enthält, dass weitere Schadensersatzansprüche von der Vertragsstrafe unberührt bleiben.
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III.
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Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Von seinem Standpunkt aus folgerichtig hat das Berufungsgericht die weiteren Angriffe des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts nicht geprüft und hierzu keine Feststellungen getroffen.
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Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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Ein anspruchsminderndes Mitverschulden der Klägerin gemäß § 254 Abs. 1, 2 Satz 2, § 278 Satz 1 BGB kann bereits aus Rechtsgründen weder auf eine vom Beklagten behauptete ungenügende, oberflächliche Kontrolle beim Betreten des Stadions durch von der Klägerin eingesetzte Ordner noch darauf gestützt werden, ein Ordner hätte ihn bereits in der ersten Halbzeit des Spiels aufgrund seines Verhaltens des Stadions verweisen müssen. Denn im Verhältnis zum Beklagten bestand für die Klägerin weder eine Verpflichtung noch eine Obliegenheit, Handlungen vorzunehmen, die ihn von Störungen des Spiels abhielten. Eine solche Beaufsichtigung oder Kontrolle darf ein Zuschauer nicht erwarten; er benötigt sie nicht, um Spielstörungen ohne weiteres unterlassen zu können. Eingesetzte Ordner sind deshalb keine Personen, derer sich die Klägerin zur Erfüllung einer Obliegenheit im Sinne einer gemäß § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechenden Anwendung von § 278 Satz 1 BGB gegenüber dem Beklagten bedient hat (vgl. BGH, Urteile vom 15. Mai 2013 - VII ZR 257/11, BGHZ 197, 252 Rn. 20-22; vom 14. Juli 2016 - VII ZR 193/14 Rn. 16-18).
- 32
-
Sollte es hierauf noch ankommen, wird die Zurückverweisung dem Berufungsgericht auch die Gelegenheit geben, erneut eine Haftung nach § 826 BGB zu prüfen. Mit der bisher gegebenen Begründung kann eine solche Haftung nicht verneint werden. Das Berufungsgericht hat einerseits festgestellt, dass auch dem Beklagten nicht entgangen sein dürfte, dass der DFB dem Verein bei entsprechenden Vorfällen eine Verbandsstrafe auferlegen kann. Andererseits sei nicht ersichtlich, dass der Beklagte eine hinreichend konkrete Vorstellung von den schädigenden Folgen seines Handelns gehabt habe, und zwar gerade in Bezug auf die Verhängung einer Geldstrafe durch das Sportgericht des DFB. Die Begründung des Berufungsgerichts lässt nicht erkennen, inwiefern dies bei dem Beklagten nicht der Fall gewesen sein soll. Denn es bedarf zwar der Feststellung, dass der bedingte Schädigungsvorsatz die gesamten Schadensfolgen umfasst hat. Dabei braucht sich der Schädiger den genauen Kausalverlauf allerdings nicht vorgestellt und den Umfang sowie die Höhe des Schadens nicht vorausgesehen zu haben (BGH, Urteil vom 23. Juni 1987 - VI ZR 213/86, NJW 1987, 3205, 3206, juris Rn. 18 m.w.N.). Das Berufungsgericht wird, wenn es nach nochmaliger Überprüfung die bei dem Beklagten vorhandene Kenntnis von den möglichen Schadensfolgen für ausreichend erachten sollte, sodann zu prüfen haben, ob der Beklagte diese bei seinem Handeln billigend in Kauf genommen hat. Hierbei kann eine Rolle spielen, mit welcher Wahrscheinlichkeit er mit dem Eintritt des Schadens gerechnet hat. Außerdem können die übrigen Umstände seines konkreten Handelns zu berücksichtigen sein.
-
Rechtsbehelfsbelehrung:
-
Gegen das hiermit zugestellte Versäumnisurteil des Bundesgerichtshofes kann die säumige Partei binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung beim Bundesgerichtshof Einspruch einlegen. Der Einspruch muss von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt durch Einreichung einer Einspruchsschrift eingelegt werden.
-
Die Einspruchsschrift muss enthalten:
-
1. die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird;
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2. die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.
-
Soll das Urteil nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.
-
Eick Halfmeier Jurgeleit
-
Graßnack Sacher
Soweit der Erlös aus dem Pfande dem Pfandgläubiger zu seiner Befriedigung gebührt, gilt die Forderung als von dem Eigentümer berichtigt. Im Übrigen tritt der Erlös an die Stelle des Pfandes.
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
BUNDESGERICHTSHOF
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2016 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin von Pentz, den Richter Offenloch und die Richterinnen Dr. Roloff und Müller
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Kläger nehmen die Beklagte auf Schadensersatz wegen ihrer Beteiligung an der G. Immobilienfonds 1 GbR (im Folgenden: Fondsgesellschaft) in Anspruch.
- 2
- Die Beklagte ist Initiatorin des Fonds und Mitherausgeberin des am 5. Dezember 1994 emittierten Fondsprospekts. Gegenstand des Fonds waren die Errichtung und Vermietung einer Mehrfamilienhausanlage auf dem Grundstück S. Straße 45 a-f (im Folgenden: Fondsgrundstück) in Berlin/Tegel.
- 3
- Das Fondsgrundstück ist Teil des Geländes des ehemaligen Gaswerks Tegel. Dieses Gelände wurde von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt seit dem Jahr 1989 wegen zuvor an verschiedenen Stellen des Geländes festgestellter Bodenkontaminationen als "Altlastenverdachtsfläche 13" im sog. Altlastenverdachtsflächenkataster geführt. Die Beklagte ist seit spätestens 1990 Eigentümerin zahlreicher Grundstücke auf diesem Gelände, auch des Fondsgrundstücks, an dem sie der Fondsgesellschaft ein Erbbaurecht eingeräumt hat. Nach § 4 Nr. 4 des Erbbaurechtsvertrages übernimmt die Erbbauberechtigte auf eigene Kosten und Gefahr alle diejenigen Verpflichtungen, die sie treffen würden, wenn sie selbst Eigentümerin des Grundstücks wäre.
- 4
- 1990 und 1993 wurden im öffentlichen Auftrag Gutachten zur Altlastensituation von untersuchten Teilflächen der "Altlastenverdachtsfläche 13" erstattet. Mit Bescheid vom 8. November 1994 erteilte das Bezirksamt ReinickendorfBerlin der Beklagten eine Baugenehmigung für den Abbruch von Baulichkeiten, von der auch die auf dem Fondsgrundstück befindlichen Gebäude erfasst waren. In den der Genehmigung beigefügten Bedingungen und Auflagen wurde "aufgrund der bereits gutachterlich festgestellten Bodenverunreinigungen im Bereich der ehemaligen Gasanstalt VI Tegel (Altlastenverdachtsfläche Nr. 13)" angeordnet, dass "unter Einbeziehung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen Haufwerksbeprobungen hinsichtlich der Belastungen mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK)" vorzunehmen seien. Zur Begründung wurde ausgeführt, Bodenuntersuchungen auf dem gesamten Gelände der Altlast und auch in der Umgebung der abzureißenden Gebäude hätten teilweise hohe Belastungen mit PAK ergeben.
- 5
- In dem am 5. Dezember 1994 emittierten Fondsprospekt fand das Thema Altlastenverdacht keine Erwähnung. Die Kläger traten der Fondsgesellschaft bis Ende Dezember 1994 als Gesellschafter bei. Im Zuge der im Jahr 1995 begonnenen Bauarbeiten zur Errichtung der Fondsimmobilien wurden auf dem Fondsgrundstück Bodenkontaminationen gefunden.
- 6
- Die Kläger haben ihre Anträge auf Rückzahlung ihrer Einlagen abzüglich der erhaltenen Ausschüttungen, Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Anteile an der Fondsgesellschaft, sowie auf Zahlung entgangener Zinsvorteile aus dem investierten Betrag und auf Freistellung von mit der Beteiligung zusammenhängenden Verpflichtungen auf behauptete Fehler des Fondsprospekts gestützt, unter anderem auf das Verschweigen der Altlastensituation.
- 7
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens wurde die Fondsgesellschaft saniert. Aufgrund der in diesem Zusammenhang geschlossenen Vereinbarungen beteiligten sich einige Kläger, unter anderem der Kläger zu 22, an der Sanierung und zahlten dazu einen Beitrag an die Fondsgesellschaft; andere Kläger schieden aus der Fondsgesellschaft aus und zahlten an diese den jeweiligen Auseinandersetzungsfehlbetrag. Auf die Berufung eines Teils der Kläger hat das Kammergericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und den - in der Berufungsinstanz um die Sanierungsbeiträge bzw. die Auseinandersetzungsfehlbeträge erweiterten - Klagen überwiegend stattgegeben; hinsichtlich des geltend gemachten entgangenen Zinsgewinns sowie bezüglich eines Teils der im Zusammenhang mit der Sanierung geltend gemachten Zahlungsbeträge ist die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen worden. Mit der vom Berufungsgericht für die Beklagte zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollumfängliche Zurückweisung der Berufung weiter. Die Kläger zu 16 und 22 wenden sich mit ihren Anschlussrevisionen gegen das Berufungsurteil insoweit, als ihre Berufung zurückgewiesen worden ist.
Entscheidungsgründe:
A.
- 8
- Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass den Klägern gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB zustehe, weil die Beklagte in dem Fondsprospekt vorsätzlich und sittenwidrig nicht darauf hingewiesen habe, dass das Fondsgrundstück im Zeitpunkt der Prospektherausgabe auch nach Einschätzung der zuständigen Behörden unter konkretem Altlastenverdacht gestanden habe. Dieser Verdacht und damit die konkrete Gefahr einer öffentlich-rechtlichen Inanspruchnahme auf Sanierung sei ein offenbarungspflichtiges Risiko gewesen, zumal aufgrund des Erbbaurechtsvertrages die Fondsgesellschaft im Verhältnis zur Beklagten die Sanierungskosten zu tragen gehabt habe. Die in Unkenntnis des Altlastenverdachts eingegangene und unter den realen Umständen nicht gewollte Beteiligung am streitgegenständlichen Fonds stelle den durch den fehlenden Hinweis im Prospekt verursachten Schaden dar. Die Schädigung der Kläger sei auch sittenwidrig gewesen. Die Anleger seien zur Wahrung ihrer Vermögensinteressen auf eine wahrheitsgemäße Darstellung der Anlage im Prospekt angewiesen gewesen, da dieser die einzige für sie zugängliche Informationsquelle gewesen sei. Die unterlassene Aufklärung habe objektiv zur Folge gehabt, dass sie getäuscht und infolge der Täuschung zum Nutzen der Beklagten dem Fonds beigetreten seien. Dies sei nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" Geltenden verwerflich und damit sittenwidrig. Für den Schädigungsvorsatz könne es dahinstehen , ob der damalige Vorstand der Beklagten von dem konkreten Altlastenverdacht und damit vom Prospektmangel Kenntnis gehabt habe. Denn die Beklagte müsse das jedenfalls bei ihren Sachbearbeitern vorhandene Wissen um die Altlastenproblematik des Fondsgrundstücks über die Grundsätze der Wissenszurechnung bzw. Wissenszusammenrechnung gegen sich gelten lassen. Diese zur Arglisthaftung bei Grundstückskaufverträgen entwickelte Rechtsprechung sei auf die deliktische Vorsatzhaftung wegen Verschweigens entscheidungserheblicher Umstände unmittelbar übertragbar. Rechne man der Beklagten das in ihrem Hause bei - namentlich nicht bekannten - Mitarbeitern und in Form schriftlicher Dokumente vorhandene Wissen um die Altlastensituation des Fondsgrundstücks zusammen mit dem Wissen des damaligen Vorstands zu, so seien in der Person der Beklagten alle für den Vorsatz nach § 826 BGB erforderlichen subjektiven Komponenten erfüllt. Das gelte auch für die offensichtliche Inkaufnahme der negativen Folgen des eigenen Handelns für Dritte ; auch insoweit sei die Beklagte einer natürlichen Person gleichzustellen.
- 9
- Zu ersetzen seien die erbrachten Einlagen abzüglich der erhaltenen Ausschüttungen und zuzüglich der gezahlten Auseinandersetzungsfehlbeträge bzw. Sanierungsbeiträge. Bezüglich des letztgenannten Postens sei allerdings von den durch eine Bestätigung der Fondsmanagerin belegten und teilweise unter den Zahlungsanträgen liegenden Beträgen auszugehen. Steuervorteile seien nicht schadensmindernd in Abzug zu bringen. Ein Anspruch auf entgangenen Gewinn bestehe nicht, da die Behauptung der Kläger, dass ihnen ein Zinsgewinn aus einer anderweitigen Anlage entgangen sei, in unauflöslichem Widerspruch zu dem weiteren Vortrag stehe, sie hätten sich im Falle der ordnungsgemäßen Aufklärung an einer anderen Anlage mit vergleichbaren steuerlichen Auswirkungen beteiligt.
B.
- 10
- Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dabei ist über die Revision der Beklagten gegen die Kläger zu 9 und 13 antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da diese in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung anwaltlich nicht vertreten waren. Inhaltlich beruht das Urteil indessen auch insoweit auf einer Sachprüfung und nicht auf der Säumnis (BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 ff.; Ball in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 555 Rn. 6; Krüger in Münchener Kommentar , ZPO, 4. Aufl., § 555 Rn. 17).
I.
- 12
- Zwar kann der Tatbestand des § 826 BGB auch dadurch verwirklicht werden, dass ein Prospektverantwortlicher Anlageinteressenten mittels eines fehlerhaften oder unvollständigen Prospekts zum Abschluss eines Vertrages veranlasst, den sie sonst nicht geschlossen hätten (vgl. BGH, Urteile vom 3. Dezember 2013 - XI ZR 295/12, NJW 2014, 1098 Rn. 21 ff.; vom 28. Februar 2005 - II ZR 13/03, NJW-RR 2005, 751; vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 279/03, WM 2005, 28, 29; zum Schaden im Sinne des § 826 BGB infolge der Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14, WM 2014, 2318 Rn. 19 mwN; vom 19. November 2013 - VI ZR 336/12, VersR 2014, 210 Rn. 28; vom 21. Dezember 2004 - VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361, 367 f.). Erforderlich ist allerdings, dass das Verhalten des Prospektverantwortlichen als sittenwidrig zu werten ist und er mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Beides ist getrennt festzustellen (vgl. Senatsurteil vom 15. Oktober 2013 - VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380 Rn. 10 mwN).
- 13
- Ist Prospektverantwortliche eine juristische Person, so hat sie gemäß § 31 BGB für den Schaden einzustehen, den ihr "verfassungsmäßig berufener Vertreter" (zur weiten Auslegung dieses Begriffs vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 1967 - VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19, 21 mwN) durch eine unerlaubte Handlung einem Dritten zugefügt hat. Im Rahmen des § 826 BGB ist somit Voraussetzung , dass ein solcher Vertreter den objektiven und subjektiven Tatbestand dieser Anspruchsgrundlage verwirklicht hat (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10, NJW-RR 2012, 404 Rn. 8).
- 14
- 1. Die bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen bereits nicht die Annahme, ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten habe durch die Herausgabe eines unvollständigen Prospekts sittenwidrig gehandelt.
- 15
- a) Die Qualifizierung eines Verhaltens als sittenwidrig ist eine Rechtsfrage , die der uneingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt (Senatsurteile vom 15. Oktober 2013 - VI ZR 124/12, aaO Rn. 7; vom 4. Juni 2013 - VI ZR 288/12, VersR 2013, 1144 Rn. 14; vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 124/09, VersR 2010, 1659 Rn. 12).
- 16
- Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (Senatsurteil vom 15. Oktober 2013 - VI ZR 124/12, aaO Rn. 8 mwN). Ein Unterlassen verletzt die guten Sitten nur dann, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht oder einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Auch hier müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" Geltenden verwerflich machen (Senatsurteile vom 4. Juni 2013 - VI ZR 288/12, aaO Rn. 14; vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 124/09, aaO Rn. 12; vom 10. Juli 2001 - VI ZR 160/00, VersR 2001, 1431, 1432). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen (vgl. Senatsurteil vom 15. Oktober 2013 - VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380 Rn. 8 für die Verleitung zum Vertragsbruch; BGH, Urteil vom 22. Juni 1992 - II ZR 178/90, NJW 1992, 3167, 3174 für die Erteilung einer bewusst unrichtigen Auskunft aus eigennützigen Interessen). Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 2004 - VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361, 366 für das Erschleichen eines Wohnungsbauförderungsdarlehens durch Falschangaben; BGH, Urteile vom 3. Dezember 2013 - XI ZR 295/12, aaO Rn. 24; vom 28. Februar 2005 - II ZR 13/03, aaO).
- 17
- Das Unterlassen einer für die Anlageentscheidung erheblichen Information in einem Prospekt ist für sich genommen nicht verwerflich. Gegen die guten Sitten verstößt ein Prospektverantwortlicher aber beispielsweise dann, wenn er Anlageinteressenten durch eine bewusste Täuschung zur Beteiligung bewegt, etwa dadurch, dass er einen ihm bekannten Umstand bewusst verschweigt, um unter Ausnutzung der Unkenntnis der Anlageinteressenten möglichst viele Beitritte zu erreichen (vgl. Senatsurteil vom 4. Juni 2013 - VI ZR 288/12, aaO Rn. 15, 18).
- 18
- b) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings dieBeurteilung des Berufungsgerichts, dass der von dem damaligen Vorstand der Beklagten in den Verkehr gebrachte Prospekt über einen für die Anlageentscheidung erheblichen Punkt nicht aufklärte und damit fehlerhaft war. Die notwendigen Feststellungen zur Sittenwidrigkeit, etwa zu einer bewussten Täuschung durch den Vorstand, sind indes nicht getroffen.
- 19
- (1) Es trifft zu, dass es eines Hinweises in dem Prospekt der Beklagten bedurfte, wenn das Fondsgrundstück im Zeitpunkt der Prospektherausgabe nach Einschätzung der zuständigen Behörden unter Altlastenverdacht stand. Denn gemäß § 4 Nr. 4 des Erbbaurechtsvertrages hatte im Ergebnis die Fondsgesellschaft die Kosten einer etwaigen Altlastensanierung zu tragen, was sich wiederum auf die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft und damit auf den Wert der Beteiligung der Anleger auswirken konnte. Mit einem bestehenden Altlastenverdacht war somit ein Risiko für die Anleger verbunden, das für die Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben konnte.
- 20
- Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass ein aufklärungsbedürftiger Altlastenverdacht vorlag, ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht stützt seine Bewertung auf die von der Revision nicht angegriffene Feststellung, dass das Land Berlin im Jahr 1989 in Reaktion auf zuvor an verschiedenen Stellen gefundene Bodenkontaminationen das gesamte Areal des Gaswerks Tegel, zu welchem auch das Fondsgrundstück gehörte , als "Altlastenverdachtsfläche 13" eingestuft hatte. Ferner ist festgestellt, dass ausweislich der Gutachten aus dem Jahr 1993 Grundstücke auf dem Areal - wenn auch nicht das Fondsgrundstück - untersucht und dort mit der früheren Nutzung als Gaswerk zusammenhängende Kontaminationen festgestellt worden waren. Schließlich ist festgestellt, dass kurz vor Herausgabe des Prospekts das Bezirksamt Reinickendorf-Berlin der Beklagten in den Bedingungen und Auflagen einer Abrissgenehmigung mit Hinweis auf festgestellte hohe PAKBelastungen in der Umgebung der abzureißenden Gebäude aufgegeben hatte, unter Einbeziehung der Senatsverwaltung Beprobungen hinsichtlich der Belastung des Grundstücks mit PAK vornehmen zu lassen. Damit lag ein begründeter behördlicher Verdacht vor, der auch hinsichtlich des Fondsgrundstücks auf hinreichenden Verdachtsmomenten (Nachweise von Kontaminationen in der Umgebung) basierte und der sich, wie ebenfalls festgestellt, schließlich sogar bestätigte. Dem kann die Revision nicht mit Erfolg entgegen halten, dass sich der Altlastenverdacht nicht allein deswegen auf das Fondsgrundstück erstrecken lasse, weil sich dort früher Kohlespeicher befunden hätten. Es kann dahinstehen , ob die Kohlespeicher tatsächlich, wie vom Berufungsgericht angenommen , ein weiterer Indikator für Altlasten waren, da dies angesichts der festgestellten Sachlage für die Begründung des hinreichend konkreten Altlastenverdachts nicht erforderlich ist. Soweit die Beklagte einwendet, sie habe entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts zu Tiefe und Umfang des Bodenaushubs im Zuge der Errichtung von Gebäuden auf dem Fondsgrundstück in den 1960er Jahren vorgetragen, ihr diesbezüglicher Vortrag sei aber vom Berufungsgericht übergangen worden, kann sie auch damit nicht durchdringen. Denn das Berufungsurteil stützt sich in diesem Zusammenhang weiter auf die von der Revision nicht angegriffene Feststellung, dass der Bodenaushub in einer gegenüber der Altlastenproblematik weitgehend unsensiblen Zeit erfolgte und den erst später erfassten (behördlichen) Verdacht, der sich zudem bestätigte , nicht ausräumen konnte.
- 21
- (2) Die objektive Verletzung der Pflicht, die künftigen Anleger über den konkreten Altlastenverdacht aufzuklären, vermag aber die Sittenwidrigkeit des Verhaltens des damaligen Vorstands der Beklagten nicht zu begründen. Für die Annahme der Sittenwidrigkeit genügt es entgegen der Annahme des Berufungsgerichts insbesondere nicht, dass die Kläger - wie in Kapitalanlagefällen typisch - zur Wahrung ihrer Vermögensinteressen auf eine wahrheitsgemäße Darstellung der Kapitalanlage im Prospekt als der maßgeblichen Informationsquelle angewiesen waren. Denn dies begründete zwar die Rechtspflicht zur vollständigen und richtigen Aufklärung. Die im Rahmen des § 826 BGB erforderliche Sittenwidrigkeit der unterlassenen Aufklärung folgt daraus jedoch regelmäßig noch nicht. Auch der weitere Umstand, dass sich die Kläger auf der Grundlage unvollständiger Informationen an dem Fonds beteiligten und dass die Beteiligung für die Beklagte als Initiatorin des Fonds von Nutzen war, rechtfertigt noch nicht das Urteil der Verwerflichkeit. Anderenfalls führte die Verwendung eines objektiv unrichtigen Prospekts regelmäßig zu einer sittenwidrigen Schädigung der die Kapitalanlage zeichnenden Anleger, obwohl darin zunächst nicht mehr als eine zu einem möglicherweise ungewollten Vertragsschluss führende Pflichtverletzung zu sehen ist.
- 22
- Eine bewusste Täuschung durch den damaligen Vorstand der Beklagten, die den Vorwurf der Sittenwidrigkeit rechtfertigen könnte, ist nicht festgestellt.
- 23
- Ein solcher Vorwurf lässt sich insbesondere nicht dadurch begründen, dass - wie im angefochtenen Urteil geschehen - für die Kenntnis vom Altlastenverdacht auf das Wissen bei namentlich nicht bekannten Mitarbeitern der Beklagten abgestellt und dieses zusammen mit dem Wissen des damaligen Vorstandes der Beklagten zugerechnet wird. Dabei kann die vom Berufungsgericht aufgeworfene und bejahte Frage dahinstehen, ob die für den rechtsgeschäftlichen Verkehr mit juristischen Personen entwickelten Grundsätze der Wissenszurechnung und Wissenszusammenrechnung (s. hierzu BGH, Urteile vom 8. Dezember 1989 - V ZR 246/87, BGHZ 109, 327, 330 ff.; vom 2. Februar 1996 - V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 35 ff.; vom 13. Oktober 2000 - V ZR 349/99, NJW 2001, 359, 360; vom 10. Dezember 2010 - V ZR 203/09, juris Rn. 16 ff.) im Rahmen der deliktsrechtlichen Haftung überhaupt Anwendung finden können (gegen eine Übertragung jedenfalls im Anwendungsbereich des § 852 Abs. 1 BGB a.F.: Senatsurteil vom 28. Februar 2012 - VI ZR 9/11, NJW 2012, 1789 Rn. 14; vgl. auch Senatsurteil vom 27. März 2001 - VI ZR 12/00, VersR 2001, 863, 864 f.; für eine Übertragung: Wagner in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage, § 826 Rn. 36). Denn über eine Wissenszusammenrechnung führt kein Weg zu dem für das Merkmal der Arglist entbehrlichen (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1989 - V ZR 246/87, aaO 333), für das Merkmal der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB aber erforderlichen moralischen Unwerturteil. Insbesondere lässt sich eine die Verwerflichkeit begründende bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren, dass die im Hause der Beklagten vorhandenen kognitiven Elemente "mosaikartig" zusammengesetzt werden. Eine solche Konstruktion würde dem personalen Charakter der Schadensersatzpflicht gemäß § 826 BGB, die sich hierdurch von der vertraglichen oder vertragsähnlichen Haftung deutlich unterscheidet, nicht gerecht.
- 24
- 2. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen ferner nicht die Annahme eines Schädigungsvorsatzes, der in der Person des handelnden verfassungsmäßig berufenen Vertreters der Beklagten hätte erfüllt sein müssen.
- 25
- a) Der gemäß § 826 BGB erforderliche Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (Senatsurteile vom 15. Oktober 2013 - VI ZR 124/12, aaO Rn. 12; vom 4. Juni 2013 - VI ZR 288/12, aaO Rn. 22; vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10, NJW-RR 2012, 404 Rn. 10).
- 26
- b) Auch in diesem Zusammenhang ist es zu beanstanden, dass das Berufungsgericht offen gelassen hat, ob der damalige Vorstand der Beklagten bei Herausgabe des Prospekts überhaupt Kenntnis vom Altlastenverdacht und somit vom Prospektmangel hatte, und stattdessen auf das "im Hause der Beklagten" vorhandene Wissen abgestellt hat. Denn selbst wenn zur Begründung des Wissenselements des Schädigungsvorsatzes auch im Recht der unerlaubten Handlung eine Wissenszusammenrechnung zulässig wäre, fehlte es vorliegend jedenfalls am Wollenselement. Die zumindest billigende Inkaufnahme der Schädigung eines anderen setzt damit korrespondierende Kenntnisse derselben natürlichen Person voraus und kann deshalb nicht losgelöst von diesen beurteilt werden. So mag es durchaus gerechtfertigt sein, im Einzelfall aus dem Wissen einer natürlichen Person auf deren Willen zu schließen. Sind aber die maßgeblichen Kenntnisse auf mehrere Personen innerhalb einer juristischen Person verteilt und ist nicht festgestellt, wer über welche Kenntnisse verfügt, so kommt die Unterstellung einer der juristischen Person bzw. ihrem Organ zuzurechnenden billigenden Inkaufnahme der Schädigung ohne diesbezügliche Feststellungen einer Fiktion gleich. Hier gibt es keine Lebenserfahrung, wonach von der Kenntnis auf die Billigung geschlossen werden könnte. So ist im Streitfall zwar in tatsächlicher Hinsicht die Feststellung des Berufungsgerichts nachvollziehbar , dass "im Hause der Beklagten" die Informationen und damit die Kenntnisse über den konkreten Altlastenverdacht vorhanden waren. Dagegen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, welche voluntativen Elemente im Hinblick auf die Schädigung der Anleger "im Hause der Beklagten" vorhanden waren, erst recht ist nicht vorstellbar, wie sich diese in tatsächlicher Hinsicht zu der Tatbestandsvoraussetzung einer billigenden Inkaufnahme zusammenfügen lassen sollen. Im Ergebnis müsste regelmäßig in Fällen, in denen sich das kognitive Element des Vorsatzes nur durch Zusammenrechnung der "im Hause" der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse herstellen lässt, in tatsächlicher Hinsicht auf die positive Feststellung des Wollenselements verzichtet werden. Auch dies würde der Vorschrift des § 826 BGB nicht gerecht.
- 27
- 3. Es kann daher nicht auf die Feststellung verzichtet werden, ob der damalige Vorstand der Beklagten (oder ein sonstiger verfassungsmäßiger Vertreter im Sinne des § 31 BGB) persönlich die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat. Insbesondere kommt es darauf an, was er zum maßgeblichen Zeitpunkt der Prospektherausgabe gewusst und gewollt hat (vgl. Senatsurteile vom 4. Juni 2013 - VI ZR 288/12, aaO Rn. 23; vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10, aaO Rn. 8).
II.
- 28
- Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Insbesondere fehlt es an den erforderlichen Feststellungen, die eine Haftung der Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB, § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB iVm § 31 BGB begründen könnten. Voraussetzung wäre, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 264a StGB verwirklicht hat (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10, aaO Rn. 8; BGH, Urteil vom 25. Juni 2009 - III ZR 279/08, juris Rn. 4). Dabei ist nach den im Strafrecht geltenden Maßstäben zu klären, ob der zur Verwirklichung des Straftatbestandes des § 264a StGB erforderliche Vorsatz vorliegt (vgl. Senatsurteile vom 15. Mai 2012 - VI ZR 166/11, NJW 2012, 3177 Rn. 20, 22; vom 10. Juli 1984 - VI ZR 222/82, NJW 1985, 134, 135; BGH, Beschluss vom 24. November 2010 - III ZR 12/10, juris Rn. 12; Urteile vom 21. Oktober 1991 - II ZR 204/90, BGHZ 116, 7, 14; vom 26. Februar 1962 - II ZR 22/61, NJW 1962, 910, 911; Förster in BeckOK BGB, Stand 1. Februar 2016, § 823 Rn. 282). Danach muss der verfassungsmäßige Vertreter (selbst) die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben (Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10, aaO Rn. 10). Eine Wissenszurechnung oder Wissenszusammenrechnung durch Berücksichtigung des Wissens anderer Mitarbeiter der juristischen Person ist dabei ausgeschlossen.
III.
- 29
- Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage des Vortrags und der Beweisangebote der Parteien der Frage nachzugehen haben, ob die nach den jeweiligen Haftungstatbeständen erforderlichen Voraussetzungen in der Person des ehemaligen Vorstands (oder eines sonstigen verfassungsmäßigen Vertreters ) der Beklagten erfüllt waren. Sollte schon eine Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB, § 264a StGB, § 31 BGB gegeben sein, käme es auf das Erfordernis der Sittenwidrigkeit für eine Haftung nach § 826 BGB nicht mehr an. Im Rahmen der Kausalität wird das Berufungsgericht allerdings zu berücksichtigen haben, dass die von der Rechtsprechung entwickelte Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens nicht für die Feststellung der Voraussetzungen eines Straftatbestandes gelten (vgl. Senatsurteile vom 12. Mai 2015 - VI ZR 102/14, WM 2015, 1562 Rn. 50; vom 24. Juni 2014 - VI ZR 560/13, VersR 2014, 1095 Rn. 46, jew. mwN). Sollte eine Haftung der Beklagten aus unerlaubter Handlung bezogen auf den Altlastenverdacht nicht feststellbar sein, wird sich das Berufungsgericht mit dem Vortrag der Kläger zu weiteren Haftungsgründen zu befassen haben (Revisionserwiderung S. 15 f. unter Ziff. 6 b und c mit Verweisen auf die Berufungsbegründung ). Sollten die notwendigen Feststellungen zum Haftungsgrund getroffen werden, wird zudem der Vortrag der Parteien im Revisionsrechtszug zur Frage der Anrechnung von Steuervorteilen und zu den Rechtshängigkeitszinsen (bezogen auf die Kläger zu 10 bis 17) zu berücksichtigen sein.
C.
- 30
- Die Anschlussrevision des Klägers zu 22 ist teilweise begründet. Im Übrigen sind die Anschlussrevisionen unbegründet.
I.
- 31
- Zu Recht beanstandet die Anschlussrevision des Klägers zu 22, dass das Berufungsgericht diesem nur den von ihm an die Fondsgesellschaft geleis- teten Sanierungsbeitrag in Höhe von 25.227,35 € mit der Begründung zuge- sprochen hat, dass sich aus dem von dem Kläger vorgelegten Bestätigungsschreiben der Fondsmanagerin nur dieser Betrag ergebe und die Beklagte höhere Sanierungsbeiträge bestritten habe. Damit hat das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft den Vortrag des Klägers zu 22 im Schriftsatz vom 22. Juli 2013 übergangen. Der Kläger hat vorgetragen, die Differenz zwischen dem im Bestätigungsschreiben genannten Betrag und dem von ihm insoweit auf 35.108,72 € bezifferten Ersatzbetrag ergebe sich daraus,dass er den Sanie- rungsbeitrag habe finanzieren müssen; auch die diesbezüglichen Finanzierungskosten seien erstattungsfähig. Da die Finanzierungskosten Teil des adäquat -kausal verursachten Schadens sein können, ist dieser Vortrag erheblich.
- 32
- Das Berufungsgericht wird sich daher - sollte ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach festgestellt werden - mit dem Vorbringen des Klägers zu 22 unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beklagten hierzu in der Erwiderung auf die Anschlussrevision zu befassen haben.
II.
- 33
- Unbegründet sind die Anschlussrevisionen der Kläger zu 16 und 22 insoweit , als sie sich gegen die Abweisung ihrer Anträge auf Ersatz entgangenen Zinsgewinns wenden. Entgegen der Ansicht der Anschlussrevisionen hat das Berufungsgericht diesen Anspruch - jedenfalls im Ergebnis - zu Recht abgelehnt.
- 34
- 1. Zwar würde ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB, lägen dessen tatbestandliche Voraussetzungen vor, gemäß § 252 Satz 1 BGB den entgangenen Gewinn umfassen, wozu grundsätzlich auch entgangene Anlagezinsen gehören. Dafür, dass und in welcher Höhe ihm durch das schädigende Ereignis ein solcher Gewinn entgangen ist, ist aber der Geschädigte darlegungsund beweispflichtig. § 252 Satz 2 BGB enthält für den Geschädigten lediglich eine die Regelung des § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung. Der Geschädigte kann sich deshalb zwar auf die Behauptung und den Nachweis der Anknüpfungstatsachen beschränken, bei deren Vorliegen die in § 252 Satz 2 BGB geregelte Vermutung eingreift. Die Wahrscheinlichkeit einer Gewinnerzielung im Sinne von § 252 BGB aufgrund einer zeitnahen alternativen Investitionsentscheidung des Geschädigten und deren Umfang kann jedoch nur anhand seines Tatsachenvortrages dazu beurteilt werden, für welche konkrete Form der Kapitalanlage er sich ohne das schädigende Ereignis entschieden hätte (BGH, Urteile vom 16. Juli 2015 - IX ZR 197/14, NJW 2015, 3447 Rn. 49; vom 24. April 2012 - XI ZR 360/11, NJW 2012, 2266 Rn. 11 ff.). Für die Schlüssigkeit des diesbezüglichen Klagevortrags ist bezogen auf die Höhe des geltend gemachten entgangenen Gewinns die Darlegung erforderlich, dass die Kapitalanlage , in die alternativ investiert worden wäre, den mit der Klage geltend gemachten Zinsertrag erbracht hätte. Denn von einem Mindestschaden in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4 v.H. (§ 246 BGB) kann nicht ausgegangen werden (Urteile vom 16. Juli 2015 - IX ZR 197/14, NJW 2015, 3447 Rn. 49; vom 24. April 2012 - XI ZR 360/11, aaO Rn. 18).
- 35
- 2. Diesen Anforderungen ist der Vortrag der Kläger zu 16 und 22 in den von den Anschlussrevisionen zitierten Schriftsätzen nicht gerecht geworden. Sowohl der erstinstanzliche Vortrag der Kläger zu 16 und 22 im Schriftsatz vom 5. Dezember 2007 als auch derjenige des Klägers zu 22 im Schriftsatz vom 13. Februar 2014 betreffen zwar eine "vergleichbare steuersparende Alterna- tivanlage", in die die Kläger investiert hätten, jedoch in beiden Fällen unter dem Gesichtspunkt, dass wegen alternativer Beteiligung an ebenfalls steuersparenden Modellen selbst außergewöhnliche Steuervorteile nicht anzurechnen seien. Zwar wird in diesem Zusammenhang erwähnt, dass bei Zeichnung der konkret angeführten Alternativanlagen im Gesamtergebnis ein Überschuss in bestimmter Höhe erzielt worden wäre. Zu dem in den Berufungsanträgen als entgangenen Gewinn verlangten festen jährlichen Zinssatz in Höhe von 4 v.H. seit dem 1. Juli 1996 bis Rechtshängigkeit auf den jeweiligen investierten Betrag ist hingegen in den von der Anschlussrevision zitierten Schriftsätzen nichts ausgeführt. Zwar kann den Ausführungen zur Nichtanrechnung von Steuervorteilen - sofern diese über ihre ausdrückliche Zielrichtung hinaus auch als Vortrag zum entgangenen Gewinn behandelt werden - entnommen werden, dass die Kläger bei einer Alternativanlage mit vergleichbaren steuerlichen Auswirkungen im Gesamtergebnis einen Gewinn erzielt hätten. Insoweit steht die Tatsache, dass die Kläger überhaupt entgangenen Gewinn verlangen, nicht "in unauflöslichem Widerspruch" zu dem Vortrag, dass die Alternativanlage eine solche mit vergleichbaren steuerlichen Auswirkungen gewesen wäre. Nicht in Einklang zu bringen ist aber der Vortrag zur steuersparenden Alternativanlage damit, dass - wie bei einer festverzinslichen Anlageform - ein fester jährlicher Zinsgewinn auf den investierten Betrag verlangt wird. Jedenfalls insoweit besteht die vom Berufungsgericht erwähnte und nach wie vor nicht aufgelöste Widersprüchlichkeit, so dass die geltend gemachten Zinsen zu Recht nicht zuerkannt worden sind.
Roloff Müller
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 02.09.2009 - 36 O 11/07 -
KG Berlin, Entscheidung vom 27.08.2015 - 2 U 42/09 -
BUNDESGERICHTSHOF
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland, den Richter Dr. Kazele und die Richterin Haberkamp
für Recht erkannt:
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Streithelfer, die diese selbst tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Im März 2006 entschloss sich der Kläger auf Vermittlung einer GmbH zum Kauf einer noch zu sanierenden Eigentumswohnung. Verkäuferin war eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafterin u.a. die Rechtsvorgängerin der Beklagten war. Vor der Beurkundung schlossen der Kläger und die Verkäuferin eine „Eigenprovisionsvereinbarung“, wonach dem Kläger von dem zu zahlenden Kaufpreis 13.004,64 € zustehen sollten. Hiervon sollten zu- nächst die Erwerbsnebenkosten bezahlt werden; einen Restbetrag von 7.315,11 € sollte der Kläger erhalten. Am 29. Mai 2006 gab der Kläger vor einem Notar (Streithelfer zu 1) ein „Angebot über einen Kauf- und Werkvertrag über eine Eigentumswohnung in einem zu sanierenden Altbau“ zum Preis von 81.279 € ab. Die Eigenprovisionsabrede ging daraus nicht hervor. In der Urkunde heißt es, dass der Käufer sich bis zum 4. Juli 2006 an das Angebot gebunden halte. Danach sollte das Angebot bis zu einem gegenüber einem anderen Notar (Streithelfer zu 2) zu erklärenden Widerruf des Käufers weitergelten. Am 16. Juni 2006 nahm der Kläger ein Darlehen über 81.200 € auf. Am 10. August 2006 nahm die Verkäuferin das Angebot an und erklärte - zugleich als Vertreterin des Klägers - die Auflassung. Der Kläger wurde als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.
- 2
- Die auf Rückabwicklung des Vertrags gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen im Wesentlichen Erfolg gehabt. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, wollen die Beklagte und ihre Streithelfer die Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Das Berufungsgericht verneint das Zustandekommen eines Vertrags, weil das Angebot des Klägers spätestens mit Ablauf des 4. Juli 2006 erloschen und die Annahme der Verkäuferin erst nach diesem Zeitpunkt erfolgt sei. Das Angebot habe nicht widerruflich fortgegolten, weil die Fortgeltungsklausel eine gemäß § 308 Nr. 1 BGB unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung darstelle. Sie sei für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und gelte gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB als von der Verkäuferin gestellt. Die Beklagte habe nicht beweisen können, dass die Klausel auf einer Individualvereinbarung beruhe. Sie habe schon nicht dargetan, dass die Klausel erörtert worden sei.
- 4
- Dass die Eigenprovisionsabrede aus dem notariellen Vertrag nicht hervorgehe , wirke sich auf dieses Ergebnis nicht aus. Zwar führe die bewusst unrichtige Beurkundung einer der Beurkundungspflicht unterliegenden Vereinbarung dazu, dass der beurkundete Vertrag als Scheingeschäft gemäß § 117 BGB und der wirklich gewollte Vertrag wegen Formmangels gemäß § 125 BGB nichtig sei. Eine Heilung des Formmangels durch den Eigentumserwerb infolge der wirksamen Auflassung und der Eintragung in das Grundbuch gemäß § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB sei aber zu verneinen. Sie setze nämlich voraus, dass der verdeckte Vertrag zustande gekommen sei, woran es hier fehle. Denn auch insoweit sei die mit § 308 Nr. 1 BGB unvereinbare Fortsetzungsklausel gewollt gewesen, da sie die Finanzierung habe sichern sollen.
II.
- 5
- Die zulässige Revision hat keinen Erfolg. Die Annahme des Berufungsgerichts , ein Vertrag zwischen dem Kläger und der Verkäuferin sei nicht zustande gekommen und die Beklagte hafte in analoger Anwendung von § 128 HGB als Gesellschafterin der Verkäuferin für die Rückzahlung des Kaufpreises, hält rechtlicher Nachprüfung stand.
- 6
- 1. Lässt man im Ausgangspunkt die Eigenprovisionsabrede außer Acht, ist ein Vertrag nicht zustande gekommen.
- 7
- a) Bei Annahme durch die Verkäuferin war die in dem Angebot des Klägers bestimmte Bindungsfrist bis zum 4. Juli 2006, die sich - regelmäßig und auch hier - mit der dem Empfänger für die Annahme des Angebots eingeräumten Frist (§ 148 BGB) deckt, verstrichen; denn die die Annahme ist erst am 10. August 2006 erfolgt (vgl. nur Senat, Urteil vom 7. Juni 2013 - V ZR 10/12, NJW 2013, 3434 Rn. 8).
- 8
- b) Die Erklärung, dass das Angebot nach dem 4. Juli 2006 bis zu einem Widerruf des Käufers weitergilt, führt nicht zu einer Fortgeltung des Angebots, weil diese Klausel gemäß § 308 Nr. 1 BGB unwirksam ist.
- 9
- aa) Rechtsfehlerfrei sieht das Berufungsgericht die Klausel als von der Verkäuferin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung an.
- 10
- (1) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich um einen Verbrauchervertrag. Weiter sieht es als erwiesen an, dass die Klausel nicht zur einmaligen Verwendung bestimmt gewesen (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), sondern für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert worden ist (§ 305 Abs. 1 Satz 1, § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB). Zutreffend meint das Berufungsgericht deshalb , es sei Sache der Beklagten, ein Aushandeln im Einzelnen im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB darzulegen und zu beweisen. Dies ergibt sich bei einem Verbrauchervertrag aus der in § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB vorgesehenen Beweislastverteilung (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2008 - X ZR 126/06, BGHZ 176, 140 Rn. 14 mwN); das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. Februar 2010 (VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 Rn. 11), auf das sich die Beklagte stützt, um eine Individualvereinbarung herzuleiten, bezieht sich gerade nicht auf einen Verbrauchervertrag, sondern auf einen zwischen Privatleuten geschlossenen Vertrag.
- 11
- (2) Dass das Berufungsgericht den Beweis als nicht geführt ansieht, ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft und als nicht durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO).
- 12
- bb) Als Allgemeine Geschäftsbedingung unterliegt die Klausel den Vorschriften über die richterliche Inhaltskontrolle (§§ 307 bis 309 BGB) und wird als Vertragsabschlussklausel von § 308 Nr. 1 BGB erfasst. Die Bindungsfrist ist unangemessen lang im Sinne dieser Norm. Denn Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen , nach denen das Angebot des anderen Teils unbefristet fortbesteht und von dem Verwender jederzeit angenommen werden kann (unbefristete Fortgeltungsklauseln), sind auch dann mit § 308 Nr. 1 BGB unvereinbar , wenn das Angebot - wie hier - nicht bindend, sondern widerruflich ist (st. Rspr., vgl. zu Kaufverträgen Senat, Urteil vom 7. Juni 2013 - V ZR 10/12, NJW 2013, 3434 ff.; Urteil vom 9. Mai 2014 - V ZR 266/12, WE 2014, 118 f.; zu Bauträgerverträgen Senat, Urteil vom 27. September 2013 - V ZR 52/12, NJW 2014, 854 ff.; Urteil vom 17. Januar 2014 - V ZR 5/12, NJW 2014, 857 ff.).
- 13
- c) Infolgedessen war das Angebot im Zeitpunkt der Annahme gemäß § 146 BGB erloschen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die verspätete Annahmeerklärung der Verkäuferin, die gemäß § 150 Abs. 1 BGB als neues Angebot gilt, angenommen hat, sind nicht ersichtlich. Eine Annahme durch Schweigen kommt bei beurkundungsbedürftigen Grundstücksgeschäften nicht in Betracht. Die von dem anderen Teil zur Erfüllung vorgenommenen Handlungen wie etwa die Kaufpreiszahlung sind grundsätzlich nicht als schlüssige Annahmeerklärung auszulegen (näher Senat, Urteil vom 11. Juni 2010 - V ZR 85/09, NJW 2010, 2873 Rn. 16 ff.; Urteil vom 7. Juni 2013 - V ZR 10/12, NJW 2013, 3434 Rn. 27).
- 14
- 2. Der Umstand, dass die vertraglich vereinbarte Eigenprovision aus der notariellen Urkunde nicht hervorgeht, ändert an diesem Ergebnis nichts.
- 15
- a) Aufgrund der Eigenprovisionsabrede stellen die beurkundeten Erklärungen allerdings Scheingeschäfte dar. Der Beurkundungszwang für Verträge, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, erstreckt sich auf alle Vereinbarungen, aus denen sich das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft nach dem Willen der Parteien zusammensetzt. Er erfasst deshalb auch eine Abrede über die Rückzahlung eines Teils des Kaufpreises, wie sie hier getroffen worden ist (vgl. Senat, Urteil vom 27. Mai 2011 - V ZR 122/10, NJW 2011, 2953 Rn. 6). Infolgedessen sind die notariell beurkundeten Willenserklärungen gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtig, und es gilt gemäß § 117 Abs. 2 BGB das verdeckt Erklärte.
- 16
- b) Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht an, dass die verdeckten Willenserklärungen abgesehen von dem Kaufpreis und der Eigenprovisionsabrede mit demselben Inhalt abgegeben wurden wie die beurkundeten Erklärungen , und zwar zeitgleich mit diesen.
- 17
- aa) Zunächst gibt es keine Anhaltspunkte für die Annahme der Beklagten , die Fortgeltungsklausel sei kein Bestandteil der verdeckten Willenserklärungen , diese hätten also über Kaufpreis und Eigenprovisionsabrede hinaus einen anderen Inhalt als die beurkundeten Erklärungen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass nach dem Parteiwillen die in dem beurkundeten Kaufangebot im Übrigen vorgesehene inhaltliche Gestaltung des Vertrags - wie beispielsweise die Regelung der Mängelansprüche - Inhalt sowohl des verdeckten Angebots als auch der verdeckten Annahme war. Infolgedessen ist die Fortgeltungsklausel gleichermaßen für das verdeckte Angebot als Allgemeine Geschäftsbe- dingung von der Verkäuferin gestellt worden; einer Beantwortung der von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aufgeworfenen Frage, unter welchen Voraussetzungen Allgemeine Geschäftsbedingungen mündlich gestellt werden können, bedarf es nicht, weil die durch mündliche Absprache einbezogene Klausel in notariell beurkundeter Form vorlag (vgl. § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB).
- 18
- bb) Ebenso wenig gibt es einen Hinweis darauf, dass die verdeckten Willenserklärungen zu einem von den Beurkundungsterminen abweichenden Zeitpunkt abgegeben wurden. Richtig ist zwar, dass der Abfassung des beurkundeten Angebots eine Absprache der Parteien unter anderem über die Eigenprovision voranging; darin liegt das von § 117 Abs. 1 BGB vorausgesetzte Einverständnis der Verkäuferin mit der zum Schein erfolgten Abgabe des Angebots. Anders als die Beklagte meint, erlaubt dies aber nicht den Rückschluss, dass der für einen Vertragsschluss erforderliche Rechtsbindungswille beider Parteien schon vor der Beurkundung des Angebots bestanden hätte. Im Zweifel wollte der Kläger sein verdecktes Angebot erst bei der Beurkundung am 29. Mai 2006 abgeben. Auch entbehrt die Behauptung der Beklagten, spätestens mit Abschluss des Darlehensvertrags am 16. Juni 2006 sei die verdeckte Annahme erfolgt, einer tatsächlichen Grundlage; der Rechtsbindungswille der Verkäuferin bestand hinsichtlich der verdeckten Annahme im Zweifel erst bei der am 10. August 2006 erfolgten Beurkundung.
- 19
- c) Mit dem verdeckten Inhalt waren Angebot und Annahme jedoch formunwirksam (§ 311b Abs. 1 Satz 1 BGB) und damit nichtig (§ 125 Satz 1 BGB). Ohne Erfolg wenden sich die Revisionsführer gegen die Annahme des Berufungsgerichts , der Vertrag sei nicht zustande gekommen, und eine Heilung ge- mäß § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB sei trotz wirksamer Auflassung und Eintragung nicht eingetreten.
- 20
- aa) Richtig ist allerdings, dass Angebot und Annahme ex nunc und damit gleichzeitig wirksam werden, sofern ein formnichtiger Vertrag gemäß § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB gültig wird (vgl. Senat, Urteil vom 27. Mai 2011 - V ZR 122/10, NJW 2011, 2953 Rn. 6). Hieraus folgern die Streithelfer, dass der Formmangel gemäß § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB geheilt worden sei, weil die erforderliche Willensübereinstimmung bei der Auflassung vorgelegen habe. Die verspätete Annahme habe sich wegen des Formmangels nicht ausgewirkt. Denn ein nichtiges Angebot könne ohnehin nicht - also auch nicht verspätet - angenommen werden. Ebenso wenig könne es erlöschen.
- 21
- bb) Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Ein auf den Abschluss eines nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB beurkundungspflichtigen Vertrags gerichtetes Angebot, das nicht notariell beurkundet und daher nichtig ist, kann, soweit es Allgemeine Geschäftsbedingungen enthält, zusätzlich aufgrund der richterlichen Inhaltskontrolle gemäß § 308 Nr. 1 BGB als unwirksam anzusehen sein; außerdem erlischt es, wenn es nicht fristgerecht angenommen wird.
- 22
- (1) Im Ausgangspunkt schließen logische Gründe es nicht aus, dass ein nichtiges Angebot (auch) aufgrund der richterlichen Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam ist, oder dass ein nichtiges Angebot erlischt. Nach dem Verständnis der Streithelfer sind die formnichtigen Erklärungen - einem vernichteten realen Gegenstand vergleichbar - nicht existent. Aber wenn eine Willenserklärung nichtig ist, bedeutet dies nicht, dass sie nicht abgegeben worden ist. Vielmehr wird der Lebenssachverhalt von der Rechtsordnung mit den dafür vorgesehenen Rechtsfolgen als nichtig bewertet. Nach diesem normativen Verständnis kann derselbe Sachverhalt denklogisch noch anderen rechtlichen Bewertungen unterliegen, indem etwa mehrere Nichtigkeitsgründe zusammentreffen (vgl. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. II, 4. Aufl., § 30, 1 und § 31, 6; Herbert, JZ 2011, 503, 506; Schreiber, AcP 211 (2011), 34, 40; Lorenz, Gedächtnisschrift Wolf, 2011, S. 77, 78 f.). Dies entspricht der Vorstellung von sogenannten Doppelwirkungen im Recht (grundlegend Kipp, Festschrift v. Martitz, 1911, S. 211 ff.). Danach können unter anderem nichtige Willenserklärungen angefochten werden, was - jedenfalls im Ergebnis - heute allgemein anerkannt ist (vgl. Senat, Urteil vom 2.Oktober 2009 - V ZR 235/08, BGHZ 182, 307 Rn. 23; Staudinger/Roth, BGB [2015], § 142 Rn. 27 ff.; Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl., vor § 104 Rn. 35; Herbert, JZ 2011, 503, 506; Lorenz, Gedächtnisschrift Wolf, 2011, S. 77, 78; Würdinger, JuS 2011, 769, 771, jeweils mwN; aus prozessualer Sicht Senat, Urteil vom 21. Juni 1955 - V ZR 53/54, WM 1955, 1290 f. sowie BGH, Urteil vom 11. Juni 1992 - IX ZR 255/91, BGHZ 118, 374, 380). Unter Berufung hierauf hat der Bundesgerichtshof einen nichtigen Vertrag zugleich als widerruflich angesehen (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2009 - VIII ZR 318/08, BGHZ 183, 235 Rn. 18).
- 23
- (2) Ob die Unwirksamkeit einer Willenserklärung (im Sinne einer sogenannten Doppelwirkung) aus mehreren rechtlichen Gründen eintritt, oder ob sich die in Betracht kommenden Unwirksamkeitsgründe gegenseitig ausschließen , richtet sich nach der Auslegung der jeweils maßgeblichen Normen, insbesondere nach der diesen zugrunde liegenden rechtlichen Wertung (vgl. Kipp, Festschrift v. Martitz, 1911, S. 211, 228 ff.; Herbert, JZ 2011, 503, 507 f.; Würdinger, JuS 2011, 769, 771). Hier ist davon auszugehen, dass die verdeckten Willenserklärungen mangels notarieller Beurkundung ohne weiteres formnichtig sind (§ 311b Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 125 Satz 1 BGB). Entscheidend ist daher zunächst, ob eine formularmäßige unbefristete Fortgeltungsklausel auch dann gemäß § 308 Nr. 1 BGB unwirksam ist, wenn sie in einem formnichtigen Angebot enthalten ist, und wenn ja, ob das formnichtige Angebot gemäß § 146 BGB erlischt; beides bejaht der Senat.
- 24
- (a) Nach Sinn und Zweck der richterlichen Inhaltskontrolle gemäß § 308 Nr. 1 BGB ist diese Bestimmung auch auf formnichtige Allgemeine Geschäftsbedingungen anzuwenden. Die Gründe, aus denen - wie oben unter II.1.b)bb) ausgeführt - (formwirksame) unbefristete Fortgeltungsklauseln der richterlichen Inhaltskontrolle gemäß § 308 Nr. 1 BGB selbst dann nicht standhalten, wenn das Angebot widerruflich fortbesteht, gelten gleichermaßen bei einem formnichtigen Angebot mit demselben Inhalt.
- 25
- (aa) § 308 Nr. 1 BGB dient dem Schutz des Vertragspartners des Verwenders vor den Nachteilen übermäßig lang andauernder Schwebezustände (vgl. Senat, Urteil vom 7. Juni 2013 - V ZR 10/12, NJW 2013, 3434 Rn. 20). Auf (formwirksame) unbefristete Fortgeltungsklauseln, bei denen das Angebot widerruflich fortbesteht, hat der Senat die richterliche Inhaltskontrolle erstreckt, obwohl der Antragende aufgrund der Widerrufsmöglichkeit nicht in gleicher Weise wie bei einem nach § 145 BGB bindenden Angebot in seiner Dispositionsfreiheit beschränkt ist. Dies hat der Senat damit begründet, dass die mit einer unbefristeten Fortgeltungsklausel für den Antragenden verbundenen Nachteile nicht annähernd ausgeglichen würden. Diese bestünden einmal darin, dass der Antragende möglicherweise auch sehr lange Zeit nach der Abgabe seines Angebots nicht wisse, ob der von ihm gewünschte Vertrag zustande komme oder nicht. Nachteilig für ihn sei es zudem, dass der Vertrag auch nach Monaten oder Jahren, also in einem Zeitpunkt, in dem der Antragende (selbst wenn er sein Angebot nicht widerrufen hat) das lange Schweigen des Ange- botsempfängers auf sein Angebot regelmäßig als dessen Nichtannahme verstehen müsse, mit der Annahmeerklärung des Verwenders überrascht werden könne, die den (von dem Antragenden möglicherweise inzwischen nicht mehr gewünschten) Vertrag zustande bringe (Senat, Urteil vom 7. Juni 2013 - V ZR 10/12, NJW 2013, 3434 Rn. 24).
- 26
- (bb) Diese Erwägungen sind auf eine formnichtige unbefristete Fortgeltungsklausel übertragbar. Nur vordergründig lässt sich dem entgegenhalten, dass der von § 308 Nr. 1 BGB vorausgesetzte, unangemessen lang andauernde Schwebezustand nicht entstehen kann, wenn das Angebot ohnehin formnichtig ist. Richtig ist zwar, dass ein solches Angebot selbst nach der Annahme aufgrund der Formnichtigkeit frei widerruflich ist, solange die Auflassung nicht erfolgt ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 1994 - VIII ZR 257/93, BGHZ 127, 129, 134 f.; RGZ 54, 107, 109), und dass der Antragende auch ohne Widerruf nicht verpflichtet ist, an dem Erfüllungsgeschäft mitzuwirken. Dies macht die richterliche Inhaltskontrolle aber schon deshalb nicht entbehrlich, weil bei der gebotenen typisierenden Betrachtung nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Antragende die Formnichtigkeit erkennt und hieraus zutreffende rechtliche Schlüsse zieht. Infolgedessen kann er mit der Annahme auch eines formunwirksamen Angebots nach geraumer Zeit überrascht werden, was § 308 Nr. 1 BGB gerade verhindern soll. Wäre die Fortgeltungsklausel nicht (auch) nach dieser Bestimmung unwirksam, könnte der Formmangel durch Vornahme des Erfüllungsgeschäfts gemäß § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB geheilt werden. Dies könnte sogar ohne weiteres Zutun des Antragenden geschehen, wenn dieser - wie hier - entsprechende Vollmachten erteilt hat; aber auch wenn seine Mitwirkung an Auflassung und Eintragung erforderlich ist, müsste er sich der Formnichtigkeit bewusst sein, um zu erkennen, dass er aus Rechtsgründen zu der Erfüllung des vermeintlich durch die Annahme zustande gekommenen Vertrags nicht verpflichtet ist.
- 27
- (b) Gilt das Angebot nicht widerruflich weiter, ist es gemäß § 146 BGB mit Ablauf der gemäß § 148 BGB bestimmten Bindungsfrist erloschen. Es ist nicht ersichtlich, warum diese gesetzlich vorgeschriebene Rechtsfolge nicht eintreten sollte, wenn das Angebot (zusätzlich) formnichtig ist. Im Gegenteil erfüllen beide Unwirksamkeitsgründe nebeneinander jeweils spezifische Funktionen. Während § 146 BGB die Dispositionsfreiheit des Antragenden schützt, soll die Beurkundungspflicht Veräußerer und Erwerber vor übereilten Verträgen bewahren , sie auf die Wichtigkeit des Geschäfts hinweisen und ihnen die Möglichkeit rechtskundiger Belehrung und Beratung eröffnen (vgl. Senat, Urteil vom 25. März 1983 - V ZR 268/81, BGHZ 87, 150, 153). Zudem unterscheiden sich die rechtlichen Folgen der Unwirksamkeit. Das Erlöschen des Antrags beseitigt nicht nur die Bindung des Antragenden nach § 145 BGB, sondern führt dazu, dass der Antrag nicht mehr angenommen werden kann (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juni 2010 - V ZR 85/09, NJW 2010, 2873 Rn. 15 mwN; ebenso für ein nicht bindendes Angebot Senat, Urteil vom 26. Februar 2016 - V ZR 208/14, ZNotP 2016, 63 Rn. 21). Daher kann der Antragende einem erloschenen Angebot nur durch Bestätigung gemäß § 141 BGB oder durch eine Neuvornahme Rechtswirksamkeit verschaffen (vgl. Senat, Urteil vom 10. Februar 2012 - V ZR 51/11, NJW 2012, 1570 Rn. 17 f.). Dagegen lässt sich der Formmangel unter den Voraussetzungen von § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB beheben.
- 28
- cc) Wird - wie hier - ein bereits erloschenes formnichtiges Angebot auf Abschluss eines nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB beurkundungspflichtigen Vertrags angenommen, führen Auflassung und Eintragung in das Grundbuch nicht dazu, dass der Vertrag zustande kommt.
- 29
- (1) Nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB wird ein „ohne Beachtung dieser [in § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB vorgeschriebenen] Form geschlossener Vertrag“ durch Auflassung und Eintragung „seinem ganzen Inhalt nach gültig“. Bereits aus dem Wortlaut folgt, dass nur ein geschlossener Vertrag gültig werden kann. Hierfür bedarf es einer Willensübereinstimmung, die im Zeitpunkt der Auflassung fortbestehen muss (vgl. Senat, Urteil vom 9. November 1979 - V ZR 38/78, DNotZ 1980, 222, 224; BGH, Urteil vom 21. September 1994 - VIII ZR 257/93, BGHZ 127, 129, 136 f.; jeweils mwN). Dann bewirken Auflassung und Eintragung, dass an denselben Lebenssachverhalt andere Rechtsfolgen geknüpft werden, indem das im Übrigen unveränderte Verpflichtungsgeschäft mit Wirkung ex nunc insgesamt wirksam wird. War aber das Angebot - wie hier - im Zeitpunkt der Annahme erloschen, ist es zu der erforderlichen Willensübereinstimmung nicht gekommen.
- 30
- (2) Dieses Ergebnis entspricht auch dem maßgeblichen Zweck des § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB, der in dem Gedanken der Erfüllung zu sehen ist. Einem (im Übrigen wirksam geschlossenen) Vertrag soll, nachdem die Verfügung erfolgt ist, allein wegen des Formmangels nicht weiterhin die Wirksamkeit versagt werden (vgl. grundlegend Senat, Urteil vom 8. Oktober 2004 - V ZR 178/03, BGHZ 160, 368, 370 ff.). Anerkanntermaßen erstreckt sich die Heilungswirkung daher nicht auf weitere Nichtigkeitsgründe, die dazu führen, dass die Rechtsordnung dem nunmehr formwirksamen Rechtsgeschäft die Wirksamkeit versagt, wie etwa die fehlende Geschäftsfähigkeit, Verstöße gegen §§ 134, 138 BGB oder das Fehlen erforderlicher Genehmigungen (vgl. Senat, Urteil vom 8. November 1968 - V ZR 60/65, WM 1969, 163, 164; Staudinger /R. Schumacher, BGB [2012], § 311b Rn. 312; Erman/Grziwotz, BGB, 14. Aufl., § 311b Rn. 79; jeweils mwN). Ebenso wenig soll § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB bewirken, dass ein Vertrag entsteht, wenn die hierfür nach allgemeinem Vertragsrecht erforderlichen Voraussetzungen fehlen.
- 31
- dd) Weil das Zustandekommen eines formunwirksamen Vertrags üblichen Regeln folgt, kommt - wie unter II.1c) ausgeführt - eine Annahme der nach § 150 Abs. 1 BGB als neues Angebot geltenden verspäteten Annahmeerklärung durch Schweigen nicht in Betracht. Vergeblich berufen sich die Revisionsführer auf die Entscheidung des Senats vom 27. Mai 2011 (V ZR 122/10, NJW 2011, 2953 Rn. 14). Dort hat der Senat zwar ausgeführt, dass eine Vertragspartei , die die Eigentumsumschreibung fördert bzw. nicht verhindert, im Zweifel von dem Willen geleitet ist, den (formnichtigen) Vertrag so zu behandeln, als wäre er von Anfang an wirksam; dies bezog sich aber gerade nicht auf das (dort unzweifelhaft erfolgte) Zustandekommen des Vertrags, sondern auf die (von dem Senat verneinte) Frage, ob der Käufer mit dem Festhalten an dem Vertrag (durch Mitwirkung an dem Erfüllungsgeschäft) konkludent auf Mängelrechte verzichtet.
- 32
- 3. Die Rückforderung ist nicht gemäß § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Die Zahlung des falsch beurkundeten Kaufpreises verstößt für sich genommen nicht gegen die guten Sitten. Dies ergibt sich schon daraus, dass es möglich gewesen wäre, die Eigenprovisionsabrede durch Aufnahme in den notariellen Vertrag wirksam zu vereinbaren (vgl. Senat, Urteil vom 23. September 1983 - V ZR 91/82, WM 1983, 1340, 1342; Urteil vom 17. Dezember 1965 - V ZR 115/63, WM 1966, 161, 162 f.).
- 33
- 4. Mit seiner Berufung auf die Unwirksamkeit der Klausel verstößt der Kläger nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Zwar hat er den höheren Kaufpreis möglicherweise beurkunden lassen, um die Gewährung eines den Kaufpreis übersteigenden Kredits zu ermöglichen. Als treuwidrig könnte sich ein solches Verhalten aber allenfalls gegenüber dem Kreditgeber erweisen, nicht jedoch im Verhältnis zu dem Verkäufer, mit dem die Eigenprovisionsabrede vereinbart worden ist.
III.
- 34
- 1. Nach alledem ist die Revision zurückzuweisen. Entgegen der Ansicht der Streithelfer ist dem Berufungsgericht kein Rechenfehler unterlaufen. Den in der Hauptsache zugesprochenen Rückzahlungsbetrag in Höhe von 54.950,01 € hat es zutreffend berechnet, indem es von dem gezahlten Kaufpreis in Höhe von 68.274,36 € die von dem Kläger vorgetragenen Nutzungen in Höhe von 13.324,35 € abgezogen hat. Dass die Nutzungen in den Urteilsgründen auf- grund eines Schreibfehlers mit 13.224,35 € beziffert werden, hat sich auf den Tenor nicht ausgewirkt.
- 35
- 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen allein der Beklagten zur Last, da die Streithelfer neben ihr als der prozessführenden Partei Revision eingelegt haben (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 1963 - III ZR 131/61, BGHZ 39, 296, 297 f.; Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl., § 101 Rn. 4).
Kazele Haberkamp
Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 21.05.2014 - 10 O 173/12 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 29.10.2014 - 5 U 105/14 -
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu ein Drittel und der Beklagte zu zwei Drittel zu tragen.
Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 60.000 € festge- setzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Beklagte ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 3. Mai 2010 über das Vermögen der R. GmbH & Co. KG (nachfolgend: Schuldnerin) am 22. September 2010 eröffneten Insolvenzverfahren.
- 2
- Die Brüder F. R. und H. R. (nachfolgend: Brüder R. ) sind gemeinsam mit S. Kommanditisten der Schuldnerin. Die Kommanditeinlage der Brüder R. betrug zuletzt jeweils 1000 € und die von S. 500 €. Komplementärin der Schuldnerin ist - ohne Kapitalanteil - die U. Verwaltungs GmbH, an der die Brüder R. Geschäftsanteile von je 10.000 € und S. einen Geschäftsanteil von 5.000 € halten. Bis zum 9. Februar 2010 waren die Brüder R. einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der U. Verwaltungs GmbH; seit dem 10. Februar 2010 übt alleine H. R. dieses Amt aus. Die Gesellschaftsverträge der Schuldnerin und ihrer Komplementär-GmbH sehen jeweils eine Befreiung der Geschäftsführer von den Bindungen des § 181 BGB vor. Ferner sind die Brüder R. Gesellschafter der in der Rechtsform einer GbR geführten Klägerin sowie jeweils hälftige Miteigentümer beziehungsweise Erbbauberech- tigte von drei gewerblich genutzten Grundstücken, auf denen verschiedene Unternehmen , an denen die Brüder R. beteiligt sind, ihren Geschäftsbetrieb unterhalten.
- 3
- Die Brüder R. schlossen als Vermieter mit der Schuldnerin, für die neben den Brüdern R. als Geschäftsführern der KomplementärGmbH der Kommanditist S. handelte, am 2. Januar 2009 einen schriftlichen Geschäftsraummietvertrag über auf dieser Liegenschaft befindliche Lagerhallen , Büroräume, Lagerflächen und Maschinen. Die monatliche Miete be- trug, wobei 4.000 € auf die Maschinen entfielen, 24.400 € zuzüglich Umsatz- steuer, insgesamt 29.036 €. Die Miete war nach § 6 des Mietvertrages monatlich im Voraus, spätestens am 15. Werktag eines Kalendermonats zu zahlen. Im Zeitraum von Dezember 2009 bis April 2010 wurde die Miete von der Schuldnerin jeweils verspätet beglichen. Die Klägerin, die sich als Vermieterin der Schuldnerin ansieht, meldete unbeglichene Mieten für den Zeitraum vom 1. Mai 2010 bis 21. September 2010 zur Tabelle an.
- 4
- Nach Verfahrenseröffnung kündigte der Beklagte durch Schreiben vom 27. September 2010 den Mietvertrag zum "nächst möglichen ordentlichen gesetzlichen und/oder vertraglichen Kündigungstermin". Der vorab zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellte Beklagte setzte den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin, die sich mit der Produktion von Styropor befasste , zunächst fort, stellte ihn aber vor Verfahrenseröffnung ein. Bis zum 8. August 2011 verblieben in den angemieteten Werkshallen etwa 1.200 Kubikmeter Styropor; ferner waren bis dahin mehrere Silos mit Rohstoffen befüllt.
- 5
- Vorliegend nimmt die Klägerin den Beklagten, der im Laufe des Rechtsstreits Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, auf Mieten für den Zeitraum vom 22. September 2010 bis 31. Dezember 2010 in Anspruch. Ferner verlangt sie für den nachfolgenden Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 8. August 2011 Zahlung einer Nutzungsentschädigung, weil der Beklagte die Räumlichkeiten erst zu diesem Zeitpunkt zurückgegeben habe. Der Beklagte, der die Brüder R. und nicht die Klägerin als Vermieter der Schuldnerin ansieht, hat gegen die Klageforderung hilfsweise mit Ansprüchen aus Insolvenzanfechtung hinsichtlich der von der Schuldnerin an die Klägerin im Zeitraum von Dezember 2009 bis April 2010 gezahlten Mieten aufgerechnet.
- 6
- Das Landgericht hat der auf Feststellung eines Masseanspruchs über 306.563,99 € gerichteten Klage teilweise stattgegeben und eine Forderung der Klägerin von 95.840,80 € festgestellt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage unter Berücksichtigung der Hilfsaufrechnung abgewiesen. Dagegen richten sich die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin und die von dem Senat zugelassene Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
I.
- 7
- Die Revision des Beklagten ist nach der Zulassung durch den Senat uneingeschränkt zulässig. Ebenso verhält es sich für die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.
- 8
- Das Berufungsgericht hat die Revision der Klägerin ausweislich des Entscheidungstenors in vollem Umfang zugelassen. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar anerkannt, dass sich eine Eingrenzung der Zulassung der Revision auch aus den Entscheidungsgründen ergeben kann. Das muss jedoch zweifelsfrei geschehen; die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision reicht nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen (BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 - I ZR 45/11, NJW 2012, 3577 Rn. 16 mwN). Eine Begrenzung ergibt sich nicht aus der Begründung des Berufungsgerichts, wonach ein Klärungsbedarf für die Auslegung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Bezug auf Mietforderungen der Gesellschafter oder gleichstehender Dritter und für eine Nutzungsentschädigung im Blick auf Verhaltensweisen des vorläufigen Insolvenzverwalters gegeben sei. Da diese Begründung beide in Streit stehenden Ansprüche betrifft, kann daraus keine Beschränkung der Revision hergeleitet werden.
II.
- 9
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (abgedruckt bei ZIP 2014, 186) ausgeführt:
- 10
- 1. Die Berufung des Beklagten habe insoweit Erfolg, als der Klägerin wegen der von ihm hilfsweise erklärten Aufrechnung kein Anspruch auf Feststellung von Mietansprüchen für den Zeitraum vom 22. September 2010 bis 31. Dezember 2010 zustehe.
- 11
- Der Mietvertrag sei zwischen der Klägerin und der Schuldnerin zustande gekommen, weil es sich bei der Benennung der Brüder R. als Vermieter ausweislich der Zeugenbekundungen um eine rechtlich nicht bedeutsame Falschbezeichnung handele. Der Wille sämtlicher Vertragsschließender sei darauf gerichtet gewesen, ein Mietverhältnis mit der Klägerin zu begründen.
- 12
- Da das Mietverhältnis auch nach Insolvenzeröffnung zunächst fortgedauert habe, stehe der Klägerin ab dem 22. September 2010 bis zur Beendigung des Mietvertrages am 31. Dezember 2010 eine monatliche Miete von 29.036 € zu. Entgegen der Auffassung des Beklagten finde § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auf die nach Verfahrenseröffnung entstehenden Mietforderungen keine Anwendung. Mieten für die Zeit nach Verfahrenseröffnung stellten keine Insolvenzforderungen dar. Der Beklagte könne sich im Übrigen nicht auf § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO berufen. Der von dieser Vorschrift vorausgesetzte Aussonderungsanspruch fehle, weil die Klägerin eine Kündigung des Mietverhältnisses nicht ausgesprochen habe.
- 13
- Dem Beklagten stünden infolge Insolvenzanfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO Rückgewähransprüche hinsichtlich der für die Monate Dezember 2009 bis einschließlich März 2010 geleisteten Mietzahlungen zu, die sich auf 116.144 € beliefen und mithin die Mietforderungen der Klägerin überstiegen. Einem Darlehen entsprächen sämtliche rechtlich oder auch nur faktisch gestundeten Forderungen, weil jede Stundung bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Darlehensgewährung bewirke. Da der Mietvertrag durch die bis zum 15. Werktag jeden Monats vorgesehene Zahlung eine Art Stundung gewähre, könne nur noch eine Karenzfrist von einer Woche hinzugegeben werden, nach deren Ablauf von einem Stehenlassen der Mietforderung auszugehen sei. Unter Berücksichtigung der Zahlungstermine der letzten fünf Monate vor Stellung des Insolvenzantrages ergebe sich, dass die Mietforderungen für die Monate Dezember 2009 bis März 2010 den Charakter eines Gesellschafterdarlehens angenommen hätten. Die Klägerin unterliege als mittelbare Gesellschafterin der Regelung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Bei dieser Sachlage berufe sich der Beklagte mit Erfolg auf eine Aufrechnung.
- 14
- 2. Die Berufung der Klägerin sei unbegründet, weil ihr keine Ansprüche auf Nutzungsentschädigung gemäß § 546a BGB in Verbindung mit § 55 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 InsO für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 8. August 2011 zustünden. Ein Nutzungsentschädigungsanspruch entstehe bereits dann als Masseverbindlichkeit , wenn der Insolvenzverwalter seiner Rückgabepflicht nicht nachkomme. Die Rückgabe des ungeräumten Mietobjekts erfülle nur den Tatbestand der Vorenthaltung, wenn der Verwalter den vertragswidrigen Zustand selbst zu verantworten habe. Der Beklagte habe als endgültiger Verwalter keinen Besitz an dem Mietobjekt begründet. Selbst ein von dem Beklagten als vorläufiger Verwalter durch auf die Wiederaufnahme der Produktion gerichtete Weisungen ausgeübter Besitz habe nicht über die vor Verfahrenseröffnung erfolgte Betriebsstilllegung hinaus gewirkt. Der Beklagte habe als endgültiger Verwalter keinen vertragswidrigen Zustand herbeigeführt.
- 15
- Auch ein Anspruch aus § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO, der einen fortdauernden Gebrauch der Mietsache durch den Verwalter voraussetze, bestehe nicht. Der Beklagte habe das Mietobjekt nach Verfahrenseröffnung nicht mehr für die Masse genutzt. Allein die Lagerung unverkäuflichen Styropors stelle keine Nutzung dar.
III.
- 16
- Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten rechtlicher Prüfung stand. Auf die teilweise begründete Revision der Klägerin ist das Ersturteil im Wesentlichen wiederherzustellen, während die Revision des Beklagten insgesamt ohne Erfolg bleibt. Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Beklagten und dem damit verbundenen Vollstreckungsverbot (§ 210 InsO) können die hier in Rede stehenden Masseverbindlichkeiten (§ 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO) nicht mehr durch eine Leistungsklage, sondern nur noch im Wege der Feststellungsklage verfolgt werden (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2003 - IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358, 363).
- 17
- Zugunsten der Klägerin sind auf ihre Revision für den Zeitraum vom 22. September 2010 bis 31. Dezember 2010 in Einklang mit dem Ersturteil, das infolge eines Rechenfehlers einen Betrag von 95.840,80 € zugrunde gelegt hat, Mietforderungen über 95.818,83 € festzustellen.
- 18
- 1. Zu Unrecht wendet sich die Revision des Beklagten gegen die Würdigung des Berufungsgerichts, wonach der Mietvertrag zwischen der Klägerin und der Schuldnerin zustande gekommen ist.
- 19
- a) Da der Wille der Vertragsschließenden darauf gerichtet war, einen Mietvertrag zwischen der Klägerin und der Schuldnerin zu begründen, ist es unschädlich, dass die Vertragsurkunde anstelle der Klägerin die Brüder R. als Vermieter ausweist.
- 20
- aa) Das Berufungsgericht hat nach Vernehmung von Zeugen auf der Grundlage einer tatrichterlichen Würdigung angenommen, dass entgegen dem Inhalt des schriftlichen Mietvertrages nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsschließenden ein Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Schuldnerin gewollt war. Die Auslegung eines Vertrages ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Regeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder ob sie auf einem Verfahrensfehler beruht, indem unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften wesentliches Auslegungsmaterial außer Acht gelassen wurde (BGH, Urteil vom 11. September 2002 - XII ZR 187/00, WM 2003, 393, 394). Derartige Rechtsfehler lässt die Beweiswürdigung nicht erkennen. Für ihre Richtigkeit spricht zudem der Umstand, dass der Vertrag über einen längeren Zeitraum in der Weise praktiziert wurde, dass die Schuldnerin insbesondere durch die Zahlung der Mieten die Klägerin als ihre Vermieterin behandelte (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1999 - XII ZR 313/98, WM 2000, 539, 542). Schließlich wird die Aus-legung - was die Revision des Beklagten verkennt - nicht dadurch rechtlich in Frage gestellt, dass die Grundstücke und die mitvermieteten Betriebsanlagen im Eigentum der Brüder R. und nicht der Klägerin standen. Wie sich schon aus den §§ 540, 565 BGB erschließt, muss der Vermieter nicht mit dem Eigentümer der Mietsache personenidentisch sein (MünchKomm-BGB/Häublein, 6. Aufl., § 535 Rn. 40).
- 21
- bb) Bei dieser Sachlage ist es ohne Bedeutung, dass der schriftliche Mietvertrag nicht die Klägerin, sondern die Brüder R. als Vermieter benennt. Dabei handelt es sich um eine unschädliche Falschbezeichnung (falsa demonstratio; vgl. Lindner-Figura in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete , 3. Aufl., Kap. 5 Rn. 102 mwN). Für den Inhalt eines Vertrages ist der übereinstimmende Wille der Beteiligten maßgebend, selbst wenn die Erklärungen objektiv eine andere Bedeutung haben sollten, so dass ein unbefangener Dritter ihnen einen anderen Sinn beilegen würde (BGH, Urteil vom 26. April 1978 - VIII ZR 236/76, BGHZ 71, 243, 247). Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinn verstanden, so geht der wirk- liche Wille dem Wortlaut vor (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2001 - V ZR 65/01, NJW 2002, 1038, 1039).
- 22
- cc) Neben der Klägerin verkörperte im Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch die als GmbH & Co. KG in Gründung befindliche Schuldnerin eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Da der Geschäftswille der Brüder R. als vertretungsberechtigter Geschäftsführer beider Gesellschaften (§§ 714, 709 Abs. 1 BGB) auf den Abschluss eines Mietvertrages zwischen der Klägerin und der Schuldnerin gerichtet war, hindert die Falschbezeichnung auf der Vermieterseite nicht das Zustandekommen eines gültigen Vertrages.
- 23
- Die durch Gesellschaftsvertrag vom 30. Dezember 2008 errichtete, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 2. Januar 2009 noch nicht in das Handelsregister eingetragene Schuldnerin bildete als künftige Kommanditgesellschaft in der Gründungsphase eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (vgl. Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 177a Anh. A Rn. 42), die grundsätzlich von den Gesellschaftern als gemeinschaftlichen Geschäftsführern vertreten wird (§§ 714, 709 Abs. 1 BGB). Für die in Aussicht genommene Kommanditgesellschaft ergab sich jedoch aus § 170 HGB, dass der Kommanditist an der Vertretung und Geschäftsführung nicht zu beteiligen ist. Handelt es sich - wie hier - um eine als Kommanditgesellschaft gegründete, zunächst lediglich den §§ 705 ff BGB unterliegende Gesellschaft bürgerlichen Rechts, gilt die für die Kommanditgesellschaft gewollte Geschäftsführungs- und Vertretungsregelung kraft der getroffenen Vereinbarung ebenso (BGH, Urteil vom 29. November 1971 - II ZR 181/68, WM 1972, 21, 22; OLG Hamm, NZG 2011, 300, 301 mwN). Mithin wurde die Schuldnerin alleine durch ihre KomplementärGmbH und diese durch die Brüder R. als ihre Geschäftsführer vertreten (§ 125 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB, § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Darum ist die Willensrichtung des Kommanditisten S. , der den Vertrag auf Seiten der Schuldnerin neben den Brüdern R. mitunterzeichnet hat, entgegen der Auffassung der Revision des Beklagten rechtlich nicht von Bedeutung. Soweit die Brüder R. für beide Seiten rechtsgeschäftlich tätig wurden, steht der Wirksamkeit des Vertrages nicht § 181 BGB entgegen, weil sie als Geschäftsführer der Schuldnerin und deren Komplementär-GmbH von den Bindungen des § 181 BGB befreit waren (vgl. MünchKomm-BGB/Schramm, 6. Aufl., § 181 Rn. 47; Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, aaO Rn. 228).
- 24
- b) Ungeachtet der Falschbezeichnung ist das Schriftformerfordernis des § 550 Satz 1 BGB erfüllt.
- 25
- aa) Die nach dieser Vorschrift zu beachtende Schriftform ist nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrages notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere den Mietgegenstand, die Miete sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses, aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt (BGH, Urteil vom 30. April 2014 - XII ZR 146/12, NJW 2014, 2102 Rn. 23 mwN). Diesen Anforderungen ist hinsichtlich der Klägerin nicht genügt, weil die Mietvertragsurkunde die Brüder R. als Vermieter anführt. Eine abstrakte Beschreibung, die auf die Klägerin als Vermieterin hindeutet, ist nicht verwendet worden (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2005 - XII ZR 233/03, WM 2006, 499, 500).
- 26
- bb) Die Benennung der Brüder R. anstelle der Klägerin ist jedoch unschädlich, weil zwischen den Vertragspartnern feststand, dass tatsächlich die Klägerin in die Vermieterstellung einrücken sollte. Im Falle einer versehentlichen Falschbezeichnung (falsa demonstratio) gilt nicht das fehlerhaft Er- klärte, sondern das wirklich Gewollte. Dieser Grundsatz ist auch auf formgebundene Geschäfte anzuwenden (BGH, Urteil vom 25. März 1983 - V ZR 268/81, BGHZ 87, 150, 152 f; vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06, WM 2008, 1037 Rn. 12 mwN). Erweist sich der wahre Wille als ausschlaggebend, ist es entgegen der Auffassung der Revision des Beklagten ohne Bedeutung, dass die Brüder R. in der Vertragsurkunde auf Vermieterseite benannt wurden und für die Klägerin keinen schriftlichen Vertretungswillen zum Ausdruck gebracht haben.
- 27
- 2. Das zwischen der Klägerin und der Schuldnerin geschlossene Mietverhältnis währte, was die Revision des Beklagten ohne Erfolg beanstandet, ungeachtet der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin in vollem Umfang bis zur kündigungsbedingten Beendigung am 31. Dezember 2010 fort.
- 28
- a) Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume bestehen gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Das Mietverhältnis wird folglich nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet. § 108 Abs. 1 InsO verdrängt insoweit § 103 Abs. 1 InsO (BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 - IX ZR 136/13, WM 2014, 1239 Rn. 8; vom 9. Oktober 2014 - IX ZR 69/14, WM 2014, 2187 Rn. 8 mwN). Die Regelung des § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO ist unabhängig davon anwendbar, ob der Schuldner als Vermieter/Verpächter oder - wie hier - als Mieter/Pächter an dem Rechtsverhältnis beteiligt ist (vgl. HK-InsO/Marotzke, 7. Aufl., § 108 Rn. 4).
- 29
- b) Das Vertragsverhältnis der Klägerin mit der Schuldnerin wirkte nach Verfahrenseröffnung auch weiter, soweit die Vermietung neben unbeweglichen Gegenständen und Räumen als bewegliche Gegenstände einzuordnende Betriebsanlagen betraf.
- 30
- aa) Der Regelungsinhalt des § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO beschränkt sich auf Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume. Miet- und Pachtverträge über bewegliche Gegenstände werden hingegen nicht von § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO erfasst, sondern sind - sofern nicht der Sonderfall des § 108 Abs. 1 Satz 2 InsO vorliegt - gemäß § 103 InsO abzuwickeln (HmbKomm-InsO/Pohlmann-Weide, 5. Aufl., § 108 Rn. 4b). Betrifft ein Mietverhältnis unbewegliche und bewegliche Gegenstände, ist § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO für den gesamten Vertrag maßgeblich, wenn die Vermietung des unbeweglichen Gegenstandes den Schwerpunkt des Vertrages ausmacht (vgl. BGH, Urteil vom 5. April 1978 - VIII ZR 42/77, BGHZ 71, 189, 191; vom 5. Juli 2007 - IX ZR 185/06, BGHZ 173, 116 Rn. 11; Jaeger/Jacoby, InsO, § 108 Rn. 46; MünchKomm-InsO/Eckert, 3. Aufl., § 108 Rn. 19).
- 31
- bb) Im Streitfall findet der Vertrag in der Vermietung unbeweglicher Gegenstände sein wesentliches Gepräge. Nach dem Inhalt des Mietvertrages, der die Maschinenmiete nur nachrangig erwähnt, steht die Vermietung von Lagerhallen , Büroräumen und Lagerflächen ganz im Vordergrund. Für diese Mietge- genstände war eine monatliche Nettomiete von 20.400 € vereinbart, während die Nettomiete für die Maschinen lediglich 4.000 € monatlich, also nur rund ein Fünftel, betrug. Infolge der schwerpunktmäßig ausbedungenen Hauptleistungspflicht der Vermietung von Räumlichkeiten beurteilt sich das gesamte Vertragsverhältnis nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO. Mithin ist es entgegen der Revision des Beklagten ohne Bedeutung, ob die Maschinen als wesentliche Bestandteile des Grundstücks (§§ 93, 94 BGB) anzusehen sind.
- 32
- 3. Ebenso greift die von dem Beklagten mit seiner Revision erhobene Rüge nicht durch, die nach Verfahrenseröffnung zugunsten der Klägerin begründeten Mieten bildeten nachrangige Forderungen im Sinne von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Vielmehr handelt es sich dabei in Einklang mit der Würdigung des Vordergerichts um Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2, § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO). Alle Auslegungsversuche, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO einen Anspruch des Insolvenzverwalters auf unentgeltliche Gebrauchsüberlassung zu entnehmen, entbehren einer tragfähigen Grundlage.
- 33
- a) Ansprüche aus einem gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO nach Insolvenzeröffnung fortbestehenden Mietverhältnis sind Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO), wenn - wie hier - ihre Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - IX ZR 9/12, WM 2013, 138 Rn. 10; vom 9. Oktober 2014 - IX ZR 69/14, WM 2014, 2187 Rn. 8). Ansprüche für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Vermieter dagegen gemäß § 108 Abs. 3 InsO nur als Insolvenzgläubiger geltend machen (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012, aaO). Die im Streit stehenden, nach Verfahrenseröffnung erwachsenen Mietforderungen stellen darum Masseverbindlichkeiten dar. Die Vorschrift des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO belegt vor Verfahrenseröffnung erzeugte Gesellschafterforderungen unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Nachrang. Da es sich vorliegend um nach Verfahrenseröffnung entstandene, den Regelungen der §§ 103 ff InsO zuzuordnende (BT-Drucks. 16/6140, S. 56) Masseverbindlichkeiten handelt, ist § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO aus rechtssystematischen Erwägungen nicht einschlägig (vgl. Rühle, ZIP 2009, 1358, 1359).
- 34
- b) Auch nach seinem Sinn und Zweck findet § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auf nach Verfahrenseröffnung zugunsten eines Gesellschafters aus einem Mietver- hältnis hervorgegangene Masseverbindlichkeiten keine Anwendung. Ein Anspruch des Insolvenzverwalters auf unentgeltliche Nutzung seitens des Gesellschafters überlassener Betriebsmittel ist abweichend von dem früheren Eigenkapitalersatzrecht auf der Grundlage des durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026) neu gestalteten Rechts nicht mehr anzuerkennen.
- 35
- aa) Das durch das MoMiG außer Kraft gesetzte Eigenkapitalersatzrecht (§ 32a Abs. 3 GmbHG aF) gewährte dem Insolvenzverwalter einer Gesellschaft im Falle einer kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung nach Verfahrenseröffnung ein Recht auf unentgeltliche Nutzung gegen den Gesellschafter.
- 36
- (1) Ebenso wie eine Darlehensgewährung konnte eine Nutzungsüberlassung von Grundstücken oder anderen Wirtschaftsgütern der insolvenzreifen Gesellschaft ermöglichen, ihren Geschäftsbetrieb fortzusetzen, weil ein außenstehender Dritter ihr weder die Nutzung des Wirtschaftsguts noch einen Kredit zu dessen Ankauf zur Verfügung stellen würde. In einem solchen Falle verhinderte der Gesellschafter durch die Gebrauchsüberlassung des benötigten Wirtschaftsguts die andernfalls nicht abzuwendende Liquidation der Gesellschaft ebenso wirkungsvoll, wie wenn er dieser durch die darlehensweise Überlassung der erforderlichen Zahlungsmittel ermöglicht hätte, die Investition selbst durchzuführen. Daher war von der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit von Darlehensund Gebrauchsüberlassung im Sinne des § 32a Abs. 3 GmbHG aF auszugehen (BGH, Urteil vom 16. Oktober 1989 - II ZR 307/88, BGHZ 109, 55, 58 f; vom 28. Mai 2013 - II ZR 83/12, WM 2013, 1646 Rn. 11 mwN). Gegenstand des Eigenkapitalersatzes war das der Gesellschaft eingeräumte Nutzungsrecht.
- 37
- (2) Als Rechtsfolge der kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung durfte der Gesellschafter, der die Gesellschaft weder liquidiert, noch ihr neues haftendes Kapital zuführt, sondern durch die fortdauernde Gebrauchsüberlassung das Überleben der GmbH ermöglicht, von der Gesellschaft das vereinbarte Nutzungsentgelt so lange nicht fordern, wie dieses nicht aus ungebundenem Vermögen der Gesellschaft bezahlt werden konnte (BGH, Urteil vom 7. Dezember 1998 - II ZR 382/96, BGHZ 140, 147, 149 f mwN). Der Insolvenzverwalter konnte nach Verfahrenseröffnung verlangen, dass ihm das vermietete oder verpachtete Grundstück für die Zwecke des Insolvenzverfahrens für die vereinbarte oder für die - im Falle der Vereinbarung einer nicht hinnehmbar kurzen, den Gepflogenheiten auf dem entsprechenden Markt widersprechenden Frist - übliche Zeit überlassen blieb (BGH, aaO S. 150; Urteil vom 28. Mai 2013, aaO jeweils mwN). Mangels einer Zahlungspflicht der Gesellschaft kam eine fristlose Kündigung des Vertrages wegen Zahlungsverzuges nicht in Betracht (Gehrlein in Gehrlein/Witt/Volmer, GmbH-Recht in der Praxis, 3. Aufl., 9. Kap. Rn. 93). Zu dem Kreis der Verpflichteten gehörten auch mittelbare Gesellschafter (BGH, Urteil vom 28. Mai 2013, aaO mwN).
- 38
- bb) Nach dem verlautbarten Willen des Gesetzgebers ist infolge der Beseitigung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG der Anspruch des Insolvenzverwalters gegen den Gesellschafter auf unentgeltliche Nutzung eines überlassenen Wirtschaftsguts entfallen.
- 39
- Zwar wird durch die Formulierung "Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen" in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO die Vorschrift des § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG aF in personeller und sachlicher Hinsicht übernommen. Der Gesetzgeber hat indes betont, dass hinsichtlich der in diesem Zusammenhang bislang unter dem Stichwort der eigen- kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung diskutierten Fallgruppe die Neuregelungen nicht ohne Auswirkungen bleiben, soweit die Rechtsprechung in diesen Fällen bislang aufgrund einer Umqualifizierung der Leistung in Eigenkapital eine Verpflichtung des Gesellschafters annahm, der Gesellschaft das Wirtschaftsgut unentgeltlich zu belassen. Diese Begründung für eine von den Grundregeln der §§ 103 ff InsO abweichenden Rechtsfolge findet in der Neuregelung keine Entsprechung , weil diese nach ihrer Systematik nicht mehr an einen eigenkapitalersetzenden Charakter der Leistung anknüpft und die Insolvenz der Gesellschaft keine Auswirkungen auf die Eigentümerstellung des Gesellschafters hinsichtlich des überlassenen Gegenstandes hat. Eine ausdrückliche Klarstellung in einem solchen Sinne, dass nämlich im Falle einer Nutzungsüberlassung die Kreditgewährung nur das Entgelt betreffe, nicht aber in der Nutzungsüberlassung selbst liegen könne, erachtete der Gesetzgeber als nicht geboten (BTDrucks. 16/6140, S. 56).
- 40
- cc) Sie wäre in der Tat überflüssig. Die Vorschrift des § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG ordnet in Abkehr von dem früheren Rechtszustand an, dass Gesellschafterdarlehen und Leistungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen, nicht der Kapitalbindung des § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG unterliegen. Zugleich wurden §§ 32a, 32b GmbHG aF als Grundvorschriften des Eigenkapitalersatzrechts aufgehoben und der inhaltlich darauf bezogene § 135 Abs. 1 InsO des Tatbestandsmerkmals "kapitalersetzend" entkleidet. Diese Gesetzesänderungen verdeutlichen, dass Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Leistungen einschließlich einer Nutzungsüberlassung nicht wie haftendes Eigenkapital zu behandeln sind (vgl. Rowedder /Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, 5. Aufl., § 30 Rn. 78 ff). Stellt eine Nutzungsüberlassung keine Kreditgewährung dar (BT-Drucks. 16/6140, aaO), können von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, der seinen Geltungsbereich auf einem Darle- hen gleichgestellte Forderungen erstreckt, Nutzungen nicht erfasst werden. Damit kann ein Anspruch des Insolvenzverwalters auf unentgeltliche Gebrauchsüberlassung nicht aus § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO hergeleitet werden (Preuß in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 135 Rn. 41; Schröder, Die Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG, 2012, Rn. 174; GrafSchlicker /Neußner, InsO, 4. Aufl., § 135 Rn. 36; Ulmer/Habersack, GmbHG Ergänzungsband MoMiG, § 30 Rn. 61; MünchKomm-InsO/Gehrlein, 3. Aufl., § 135 Rn. 45; Schmidt, InsO, 18. Aufl., § 135 Rn. 31; ders. in Festschrift Wellensiek , 2011, S. 551, 554, 557 f; Scholz/Bitter, GmbHG, 11. Aufl., Anh. § 64 Rn. 340; ders., ZIP 2010, 1, 6; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 328; Rühle, ZIP 2009, 1358, 1359 f; aA Haas, ZInsO 2007, 617, 623 f; Marotzke, ZInsO 2009, 2073 f; Hölzle, ZIP 2009, 1939, 1946).
- 41
- c) Abweichendes kann dem gegen Ende des Gesetzgebungsverfahrens eingefügten § 135 Abs. 3 Satz 1 und 2 InsO nicht entnommen werden.
- 42
- aa) Diese Bestimmung sieht zu Lasten des Gesellschafters für Gegenstände , die zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung sind, eine Aussonderungssperre von längstens einem Jahr verbunden mit einem Ausgleichsanspruch vor, der sich auf den Durchschnitt der vor Verfahrenseröffnung tatsächlich gezahlten Vergütung ermäßigt (BT-Drucks. 16/9737, S. 59). Da diese Regelung auf die Bedeutung des Gegenstandes für die Betriebsfortführung und nicht mehr auf die das Eigenkapitalersatzrecht prägende Gleichsetzung von Darlehensgewährung und Nutzungsüberlassung abstellt , verbietet sich jede Auslegung, die auf eine auch nur begrenzte Fortschreibung des Eigenkapitalersatzrechts hinausläuft (vgl. Preuß in Kübler /Prütting/Bork, InsO, 2013, § 135 Rn. 39; Schröder, aaO). Dies unterstreicht der weitere Umstand, dass der Nutzungsanspruch gemäß § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO im Gegensatz zum Eigenkapitalersatzrecht jedenfalls grundsätzlich entgeltlich ausgestaltet ist.
- 43
- bb) Entsprechend diesem Verständnis hat der Gesetzgeber bei der nachträglichen Einführung des § 135 Abs. 3 InsO in Einklang mit dem bei Einbringung des MoMiG geäußerten Regelungsziel der Abschaffung des Kapitalersatzrechts (BT-Drucks. 16/6140, S. 42, 56) ausdrücklich bekräftigt, dass die dogmatische Grundlage der bisherigen Rechtsprechung zur eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung entfallen ist (BT-Drucks. 16/9737, aaO; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 328). Wurde das Eigenkapitalersatzrecht gänzlich beseitigt, kann auch aus § 135 Abs. 3 Satz 1 und 2 InsO ein Anspruch der insolventen Gesellschaft auf unentgeltliche Nutzungsüberlassung gegen den Gesellschafter , dem der Gesetzgeber kein Sonderopfer abverlangt (BT-Drucks., aaO), nicht gefolgert werden. Demnach trifft § 135 Abs. 3 Satz 1 und 2 InsO keine Aussage über die Abwertung von nach Verfahrenseröffnung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu zahlendem Nutzungsentgelt.
- 44
- 4. Schließlich dringt die Revision des Beklagten nicht durch, soweit sie nach Maßgabe des § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO eine Minderung des Vergütungsanspruchs der Klägerin auf den Durchschnitt des im letzten Jahr von der Schuldnerin tatsächlich Geleisteten verlangt. Die Vorschrift ist mangels Erhebung eines Aussonderungsanspruchs durch die Klägerin nicht einschlägig.
- 45
- a) Allerdings ist § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO nicht schon deshalb unanwendbar , weil die Klägerin selbst keine Gesellschafterin der Schuldnerin ist.
- 46
- aa) Der Nachrang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO erfasst Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Forderungen aus Rechtshand- lungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. Die Sicherung und Befriedigung einer Forderung im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterwirft § 135 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO der Anfechtung. Auch wenn Rechtshandlungen Dritter in § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 135 Abs. 1 InsO nicht ausdrücklich erwähnt werden, sollte durch die tatbestandliche Einbeziehung gleichgestellter Forderungen in diese Vorschriften der Anwendungsbereich des § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG aF auch in personeller Hinsicht übernommen werden (BT-Drucks. 16/6140, S. 56). Von der Neuregelung werden daher auch Rechtshandlungen Dritter erfasst, welche der Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter wirtschaftlich entsprechen. Dies gilt insbesondere für Darlehen verbundener Unternehmen (BGH, Urteil vom 17. Februar 2011 - IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363 Rn. 10; vom 21. Februar 2013 - IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220 Rn. 14 ff; vom 18. Juli 2013 - IX ZR 219/11, BGHZ 198, 64 Rn. 23).
- 47
- bb) Die Bestimmung des § 135 Abs. 3 InsO ordnet eine Aussonderungssperre für von einem Gesellschafter zum Gebrauch überlassene Gegenstände an, die zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung sind. Im Unterschied zu § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 135 Abs. 1 InsO erstreckt sich der Tatbestand des § 135 Abs. 3 InsO seinem Wortlaut nach nicht ausdrücklich auf wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlungen.
- 48
- Daraus wird bisweilen geschlossen, dass verbundene Unternehmen nicht der Regelung des § 135 Abs. 3 InsO unterliegen (Preuß in Kübler /Prütting/Bork, InsO, 2013, § 135 Rn. 44; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 329; Spliedt, ZIP 2009, 149, 156). Diesem restriktiven Verständnis kann, zumal die wünschenswerte Klarstellung lediglich infolge eines gesetzgeberischen Redaktionsversehens unterblieben ist (vgl. Schröder, Die Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG, 2012, Rn. 180), nicht beigetreten werden. Da § 135 Abs. 4 InsO auf § 39 Abs. 4 und 5 InsO verweist und diese Vorschriften mit § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO korrespondieren, ist die Auslegung vorzugswürdig, dass § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auch im Rahmen des § 135 Abs. 3 InsO Geltung beansprucht. Sie kann sich auf die weitere Erwägung stützen, dass die Einbeziehung gesellschaftergleicher Dritter, die dem Eigenkapitalersatzrecht zugrunde lag, von dem Gesetzgeber des MoMiG auch für das neue Recht ganz allgemein fortgeführt wurde (BT-Drucks. 16/6140, S. 56). Ferner manifestiert sich der Wille des Gesetzgebers, mittelbare Gesellschafter der Regelung zu unterwerfen , in dem bei Einführung des § 135 Abs. 3 InsO betonten Hinweis auf die Treuepflicht der Gesellschafter (BT-Drucks. 16/9737, S. 59), die auch für verbundene Unternehmen gilt (Schröder, aaO Rn. 179). Darum kann dem Gesamtzusammenhang des § 135 Abs. 3 InsO, der einen Gleichlauf mit den Regelungen über Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Forderungen herzustellen sucht, entnommen werden, dass auch gesellschaftergleiche Dritte erfasst werden (Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 135 Rn. 21; Schmidt, InsO, 18. Aufl., § 135 Rn. 36; Graf-Schlicker/Neußner, InsO, 4. Aufl., § 135 Rn. 37; Gottwald/Haas/Hossfeld, Insolvenzrechtshandbuch, 4. Aufl., § 92 Rn. 465; HKInsO /Kleindiek, 7. Aufl., § 135 Rn. 55 f; Fischer in Festschrift Wellensiek, 2011, S. 443, 447; Schröder, aaO Rn. 178).
- 49
- cc) Bei diesem Verständnis kann die Regelung des § 135 Abs. 3 InsO grundsätzlich auf die Klägerin als ein mit der Schuldnerin verbundenes Unternehmen angewendet werden.
- 50
- (1) Leistungen Dritter werden erfasst, wenn der Dritte bei wirtschaftlicher Betrachtung infolge einer horizontalen oder vertikalen Verbindung einem Gesellschafter gleichsteht. Die Beteiligung kann in der Weise ausgestaltet sein, dass ein Gesellschafter an beiden Gesellschaften, der die Leistung annehmen- den und der die Leistung gewährenden Gesellschaft, und zwar an der letztgenannten maßgeblich beteiligt ist (BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 219/11, BGHZ 198, 64 Rn. 24). Eine maßgebliche Beteiligung in diesem Sinn ist gegeben , wenn der Gesellschafter auf die Entscheidungen des hilfeleistenden Unternehmens , nämlich auf die Gewährung oder auf den Abzug der Leistung an das andere Unternehmen, einen bestimmenden Einfluss ausüben, insbesondere dem Geschäftsführungsorgan der Hilfe gewährenden Gesellschaft durch Gesellschafterbeschlüsse gemäß § 46 Nr. 6 GmbHG entsprechende Weisungen erteilen kann (BGH, Urteil vom 5. Mai 2008 - II ZR 108/07, WM 2008, 1164 Rn. 10; vom 28. Februar 2012 - II ZR 115/11, WM 2012, 843 Rn. 18). Dazu genügt bei einer GmbH & Co. KG eine Beteiligung von mehr als 50 vH (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2013, aaO).
- 51
- (2) Im Streitfall sind die Brüder R. an der Klägerin als die Nutzung gewährenden Gesellschaft wie auch an der Schuldnerin als die Nutzung annehmenden Gesellschaft als Mehrheitsgesellschafter beteiligt. Zwar verfügen sie einzeln nur über eine Beteiligung von genau 50 vH an der Klägerin. Eine getrennte Betrachtung der jeweiligen Beteiligungswerte würde jedoch dem Umstand nicht gerecht, dass sich die Brüder R. als Mehrheitsgesellschafter der Schuldnerin unter dem Dach der Klägerin zusammengeschlossen haben , um der Schuldnerin die benötigten Betriebsgegenstände mietweise zu überlassen. Vor diesem Hintergrund sind die Beteiligungswerte von jeweils 50 vH an der Klägerin auf 100 vH zu addieren, weil die Brüder R. die Klägerin kraft Bündelung ihrer Beteiligungen im gleichgerichteten Interesse übereinstimmend als Vermieterin der Schuldnerin eingesetzt haben (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2006 - II ZR 76/04, BGHZ 166, 8 Rn. 19; Gehrlein in Gehrlein/Witt/Volmer, GmbH-Recht in der Praxis, 3. Aufl., 9. Kap. Rn. 81). Das koordinierte Zusammenwirken der Gesellschafter ermöglicht die gemeinsame Zurechnung der wechselseitigen Beteiligungen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 2007 - II ZR 106/06, ZIP 2007, 1407; vom 26. April 2010 - II ZR 60/09, WM 2010, 1415 Rn. 5). In dem hier gegebenen Fall einer Betriebsaufspaltung bilden das Besitz- und das Betriebsunternehmen eine wirtschaftliche Einheit, die es rechtfertigt, die Mehrheitsgesellschafter beider Unternehmen der Verantwortung des § 135 Abs. 3 InsO zu unterwerfen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1992 - II ZR 298/91, BGHZ 121, 31, 34 f; vom 11. Juli 1994 - II ZR 146/92, BGHZ 127, 1, 5; Ulmer/Habersack, GmbHG, 1. Aufl., §§ 32a/b Rn. 136; Graf-Schlicker/Neußner, InsO, 4. Aufl., § 39 Rn. 27; Baumbach /Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl., § 30 Anh. Rn. 42). Mithin steht die Klägerin einer Gesellschafterin der Schuldnerin gleich.
- 52
- b) Jedoch greift § 135 Abs. 3 InsO nach seinen weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen nicht durch, weil die Klägerin kein Aussonderungsrecht gegenüber der Schuldnerin erhoben, sondern das Mietverhältnis fortgesetzt hat.
- 53
- aa) Der Gesetzgeber hat mit § 135 Abs. 3 InsO eine Regelung geschaffen , welche die Rechtsfolgen der Streichung der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung durch die Gewährung eines zeitlich beschränkten entgeltlichen Nutzungsrechts der Masse abmildern soll, das sich auf den Durchschnitt des im Jahr vor Antragstellung von der Schuldnerin an den Gesellschafter anfechtungsfrei tatsächlich Geleisteten bemisst.
- 54
- (1) Nach dieser Vorschrift kann der Gesellschafter seinen Aussonderungsanspruch während der Dauer des Insolvenzverfahrens, höchstens für eine Zeit von einem Jahr ab dessen Eröffnung, nicht geltend machen. Nach Ablauf dieser Frist ist es sachgerecht, dass der Gesellschafter die Gegenstände herausverlangen kann, während sie bis zu diesem Zeitpunkt zu den vereinbarten Bedingungen für die Fortführung des Betriebes weiterhin zur Verfügung stehen (BT-Drucks. 16/9737, S. 59). Legitimationsgrundlage für die Inanspruchnahme bildet die Treuepflicht des Gesellschafters, der es widerspräche, wenn zum Gebrauch oder zur Ausübung überlassene Gegenstände nach Verfahrenseröffnung jederzeit zurückverlangt werden könnten, obwohl diese zur Betriebsfortführung von erheblicher Bedeutung sind (BT-Drucks. aaO; Schröder, Die Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG, 2012, Rn. 173).
- 55
- (2) Die Nutzung überlassener Gegenstände erfolgt jedoch im Gegensatz zu dem vormaligen Eigenkapitalersatzrecht nicht unentgeltlich. Der Gesellschafter soll grundsätzlich dieselbe Vergütung erhalten, die ihm zuvor tatsächlich zugeflossen ist; ihm soll kein darüber hinausgehendes Sonderopfer abverlangt werden. War etwa für eine Gebrauchsüberlassung eine bestimmte Vergütung vereinbart, wurde diese jedoch nicht entrichtet, so bestimmt sich die Höhe des Ausgleichs nach dem im letzten Jahr tatsächlich vom Schuldner Geleisteten (BT-Drucks. aaO). Falls die Nutzungsdauer ein Jahr unterschreitet, ist der Durchschnitt der während dieses Zeitraums erbrachten Zahlungen zu berücksichtigen (Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 135 Rn. 23). Nach Sinn und Zweck der Vorschrift können nur solche Zahlungen bei der Bemessung des Anspruchs angerechnet werden, die der Gesellschafter trotz der Verfahrenseröffnung behalten darf. Darum haben anfechtbare Zahlungen außer Ansatz zu bleiben, weil sie dem Gesellschafter keine dauerhaft verbleibende Befriedigung gewähren (Uhlenbruck/Hirte, aaO; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 135 Rn. 51; Graf-Schlicker/Neußner, InsO, 4. Aufl., § 135 Rn. 44; HKInsO /Kleindiek, 7. Aufl., § 135 Rn. 59; MünchKomm-InsO/Gehrlein, 3. Aufl., § 135 Rn. 49; Bitter, ZIP 2010, 1, 11; Fischer in Festschrift Wellensiek, 2011, S. 443, 448 f; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 329 f; aA Gottwald/Haas/Hossfeld, Insolvenzrechtshandbuch, 4. Aufl., § 92 Rn. 474).
- 56
- (3) Abweichend von dem auf einem Redaktionsversehen beruhenden Wortlaut des § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO ist nicht der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung , sondern entsprechend den allgemeinen anfechtungsrechtlichen Grundsätzen der Zeitpunkt der Antragstellung als Stichtag der Jahresfrist für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs heranzuziehen. Diese Betrachtungsweise stellt sicher, dass entsprechend dem Willen des Gesetzgebers das von etwaigen Rechtswirkungen des Eröffnungsverfahrens unbeeinflusste tatsächliche (vgl. BT-Drucks., aaO) Zahlungsverhalten des Schuldners die Grundlage für die Bemessung des Anspruchs bildet. Handelt es sich - wie von § 135 Abs. 3 InsO vorausgesetzt - um betriebsnotwendige Gegenstände, ist nach Antragstellung mit einer Anordnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO zu rechnen (vgl. allgemein BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - IX ZR 7/09, BGHZ 183, 269 Rn. 26 ff; vom 8. März 2012 - IX ZR 78/11, WM 2012, 706 Rn. 14). Ungeachtet einer solchen Anordnung wird ein nach Antragstellung eingesetzter vorläufiger Verwalter seine Zustimmung für Zahlungen an den Gesellschafter in aller Regel - wie offenbar auch im Streitfall - versagen. Da dem faktischen Zahlungsverhalten der Gesellschaft Vorrang zukommt, ist es sachgerecht, den Anspruch nach Maßgabe der vor Antragstellung geleisteten Vergütung und damit ungeachtet verfahrensbedingter Ausfälle zu bemessen (Preuß in Kübler/ Prütting/Bork, aaO Rn. 52; Uhlenbruck/Hirte, aaO; Pape/Uhländer/SchluckAmend , InsO, § 135 Rn. 40; MünchKomm-InsO/Gehrlein, aaO; Fischer, aaO S. 448; Dahl/Schmitz, aaO S. 330; Schröder, aaO Rn. 195; ähnlich Spliedt, ZIP 2009, 149, 157, der auf die Anordnung der vorläufigen Verwaltung abstellt; aA HK-InsO/Kleindiek, aaO § 135 Rn. 58; Bitter, aaO S. 12).
- 57
- bb) Der Regelungsbereich des § 135 Abs. 3 InsO ist jedoch nicht berührt, sofern das vertragliche Nutzungsverhältnis zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft nach Verfahrenseröffnung fortbesteht. In dieser Weise verhält es sich im Streitfall, weil der Mietvertrag der Parteien über die Verfahrenseröffnung hinaus bis zum 31. Dezember 2010 weitergalt und dem Kläger deshalb bis dahin kein Aussonderungsanspruch zustand.
- 58
- (1) Dauert ein Mietverhältnis gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO über die Verfahrenseröffnung hinaus fort, kann der Vermieter von dem Insolvenzverwalter die Begleichung der vereinbarten Miete als Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2, § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO) verlangen (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - IX ZR 9/12, WM 2013, 138 Rn. 10; vom 9. Oktober 2014 - IX ZR 69/14, WM 2014, 2187 Rn. 8). Nach Streichung des Eigenkapitalersatzrechts erleidet dieser Grundsatz keine Durchbrechung, wenn ein Gesellschafter mit einer insolventen Gesellschaft durch einen über die Verfahrenseröffnung hinaus fortwirkenden Miet- oder Pachtvertrag verbunden ist. Vielmehr kann der Gesellschafter auch nach Verfahrenseröffnung die vereinbarte vertragliche Miete als Masseverbindlichkeit beanspruchen (vgl. BT-Drucks. 16/6140, S. 56; BTDrucks. 16/9737, S. 59).
- 59
- (2) Endet hingegen der Miet- oder Pachtvertrag, darf der Gesellschafter den ihm an dem Nutzungsrecht zustehenden Aussonderungsanspruch gemäß § 135 Abs. 3 Satz 1 InsO für die Dauer von höchstens einem Jahr nicht geltend machen, wenn der Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung ist. Als Gegenleistung für die der Vorschrift des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO nahestehende (vgl. BT-Drucks. 16/9737, aaO) Aussonderungssperre ist dem Gesellschafter gemäß § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO ein Ausgleich zu leisten, der dem Durchschnitt der im letzten Jahr vor Antragstellung erbrachten Vergütung entspricht. Da mit der Regelung des § 135 Abs. 3 InsO eine Ausgleichspflicht für eine vertragslose Zeitspanne geschaffen wird, begründet die Norm ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Gesellschafter und der Masse (Fischer in Festschrift Wellensiek, 2011, S. 443, 446; MünchKomm-InsO/Gehrlein, 3. Aufl., § 135 Rn. 45).
- 60
- (3) Fehlt es an einem Aussonderungsrecht, ist § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO unanwendbar und das volle vertraglich vereinbarte Nutzungsentgelt geschuldet. Dieses Verständnis entspricht - was die Revision des Beklagten verkennt - dem Willen des Gesetzgebers. Dieser hat in Einklang mit § 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2, § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO ausdrücklich hervorgehoben, dass das vertragliche Nutzungsverhältnis zwischen dem Gesellschafter und der Schuldnerin nach Verfahrenseröffnung auf der Grundlage der §§ 103 ff InsO fortwirkt (vgl. BTDrucks. 16/6140, S. 56). Bei Schaffung des § 135 Abs. 3 InsO hat der Gesetzgeber ausgeführt, dass aus dieser Vorschrift begründete Entgeltansprüche Masseverbindlichkeiten darstellen (BT-Drucks. 16/9737, S. 59). Diese Äußerung , die sich nach dem Sachzusammenhang ersichtlich nicht mit dem vertraglichen Nutzungsentgelt befasst, ist dahin zu verstehen, dass auch die Vergütung aus dem durch § 135 Abs. 3 InsO geschaffenen gesetzlichen Nutzungsverhältnis eine Masseverbindlichkeit bildet.
- 61
- Ergänzend hat der Gesetzgeber erläutert, dass der Entgeltanspruch aus § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO grundsätzlich "auch dann" besteht, wenn der Insolvenzverwalter die weitere Nutzung des Vermögensgegenstandes beansprucht, an dem Vertragsverhältnis aber nicht festhalten will und von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch macht (BT-Drucks. 16/9737, aaO). Die von dem Gesetzgeber angesprochene Notwendigkeit einer Kündigung verdeutlicht, dass der geminderte Entgeltanspruch nur im Rahmen des gesetzlichen Schuldverhältnisses maßgeblich und deshalb an die - gleich ob von dem Gesellschafter oder dem Insolvenzverwalter veranlasste - Beendigung des Nutzungsvertrages geknüpft ist. Während der Laufzeit des Vertrages bleibt folgerichtig die vertragliche Vergütungsvereinbarung wirksam. Durch den Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht wird dem Insolvenzverwalter ein Weg vorgezeichnet, in Ausübung dieses Gestaltungsrechts den Nutzungsvertrag zu beenden und den Entgeltanspruch auf den Durchschnitt des vor Verfahrenseröffnung Geleisteten zu senken. Es wäre nicht einsichtig, warum der Insolvenzverwalter zwecks Reduzierung der Vergütung das Nutzungsverhältnis kündigen müsste, wenn er nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch vertraglich nur das geminderte Entgelt schuldet. Vielmehr folgt daraus im Gegenschluss, dass der vertragliche Vergütungsanspruch , zu dem der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO keine Regelung treffen wollte, unangetastet bleibt. Darum ist während der Vertragslaufzeit das volle vereinbarte Entgelt als Masseverbindlichkeit zu erbringen.
- 62
- (4) Für dieses Verständnis spricht auch der Ausnahmecharakter des § 135 Abs. 3 InsO, der eine nach Streichung des Eigenkapitalersatzrechts entstandene Schutzlücke zu schließen sucht, indem das Aussonderungsrecht des Gesellschafters im Blick auf solche Gegenstände, die für die Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung sind, beschränkt wird (vgl. BTDrucks. 16/9737, S. 59). Die Vorschrift gilt schon in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich nicht für jedes Aussonderungsgut. Die Vorschrift ist nicht einschlägig , wenn - wie im Streitfall - der Betrieb stillgelegt wird (Preuß in Kübler /Prütting/Bork, InsO, 2013, § 135 Rn. 47; Schmidt, InsO, 18. Aufl., § 135 Rn. 43). Als auf Aussonderungssachverhalte über betriebsnotwendige Gegenstände bezogene Ausnahmevorschrift ist § 135 Abs. 3 InsO einer erweiterten Auslegung auf Sachverhalte, in denen weder eine Betriebsfortführung beabsichtigt noch ein Aussonderungsanspruch erhoben wird, nicht zugänglich (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2010 - IX ZR 212/09, WM 2010, 1986 Rn. 35).
- 63
- (5) Mithin setzt die Ermäßigung des Entgeltanspruchs gemäß § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO voraus, dass das vertragliche Besitzrecht der Gesellschaft beendet ist. Der Insolvenzverwalter hat nach dem Gesetzeswortlaut und den Gesetzesmaterialien, die ihm zwecks Minderung des Entgelts eine Kündigung des Nutzungsverhältnisses ansinnen (BT-Drucks. 16/9737, S. 59), gerade nicht die Möglichkeit, das Nutzungsverhältnis dauerhaft fortzuführen und während des ersten Jahres die nach § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO ermäßigte Vergütung zu entrichten. Vielmehr sieht § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO ein reduziertes Nutzungsentgelt nur vor, wenn der Gesellschafter seinen Aussonderungsanspruch spätestens nach einem Jahr durchsetzen kann. Allein auf der Grundlage des nach Beendigung des vertraglichen Nutzungsverhältnisses durch § 135 Abs. 3 InsO zwischen der Masse und dem Gesellschafter errichteten gesetzlichen Schuldverhältnisses kommt eine Minderung der Vergütung in Betracht (Schmidt, DB 2008, 1727, 1732 f; ders., InsO, 18. Aufl., § 135 Rn. 37, 42; HK-InsO/Kleindiek, InsO, 7. Aufl., § 135 Rn. 51; Fischer in Festschrift Wellensiek, 2011, S. 443, 446; Ulmer/Habersack, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, § 30 Rn. 62; GrafSchlicker /Neußner, InsO, 4. Aufl., § 135 Rn. 39; Schröder, Die Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG, 2012, Rn. 199; HmbKommInsO /Schröder, 5. Aufl., § 135 Rn. 56; MünchKomm-InsO/Gehrlein, 3. Aufl., § 135 Rn. 45, 50; Rühle, ZIP 2009, 1358, 1361 f; aA Jaeger/Jacoby, InsO, § 108 Rn. 174; Scholz/Bitter, GmbHG, 11. Aufl., Anh. § 64 Rn. 348; ders., ZIP 2010, 1, 13; Hirte, ZInsO 2008, 689, 693 f; Spliedt, ZIP 2009, 149, 157 f; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 329).
- 64
- 5. Die verspäteten Mietzahlungen der Schuldnerin an die Klägerin sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar. Deshalb greift die von dem Beklagten erklärte Aufrech- nung gegen die Masseverbindlichkeit nicht durch. Folglich ist die Klagesumme nicht um einen Betrag in Höhe von 116.144 € zu kürzen.
- 65
- a) Die Zahlung eines vertraglichen Nutzungsentgelts kann gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht als Befriedigung einer Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens, sondern nur als Befriedigung einer einem Darlehen gleichgestellten Forderung angefochten werden.
- 66
- aa) Die Vorschrift des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterwirft neben Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens auch Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, dem insolvenzrechtlichen Nachrang. Die einheitliche rechtliche Behandlung von Darlehen und gleichgestellten Forderungen entspricht dem früheren Eigenkapitalersatzrecht. Insoweit wird § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG aF von § 135 Abs. 1 Nr. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in sachlicher Hinsicht übernommen (BT-Drucks. 16/6140, S. 56). Der nach Verfahrenseröffnung eingreifende Nachrang wird im Vorfeld der Insolvenz durchgesetzt, indem Rückzahlungen auf Darlehen und gleichgestellte Forderungen gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung ausgesetzt sind. Die Anfechtbarkeit erfasst sowohl die Befriedigung von Gesellschafterdarlehen als auch ihnen wirtschaftlich entsprechenden Forderungen (vgl. Schmidt, InsO, aaO § 135 Rn. 13; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 135 Rn. 15; HmbKomm-InsO/Schröder, aaO § 135 Rn. 19 ff; Uhlenbruck /Hirte, InsO, 13. Aufl., § 135 Rn. 7; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 135 Rn. 3).
- 67
- bb) Kreditrückzahlungen unterliegen gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO als Befriedigung einer Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens ohne zusätzliche tatbestandliche Voraussetzungen der Anfechtung. Werden von der Gesell- schaft hingegen Nutzungsentgelte entrichtet, greift § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO wegen der abweichenden Forderungsart nicht unter dem Gesichtspunkt der Rückgewähr eines Darlehens durch.
- 68
- (1) Im Schrifttum wird die Anfechtbarkeit der Befriedigung von Nutzungsentgelten teilweise auch für den Fall befürwortet, dass die Forderung nicht stehen gelassen wurde, weil schon die Nutzungsüberlassung einer Darlehensgewährung entspreche und dieses "Darlehen" mit der Entrichtung der Nutzungsentgelte zurückgeführt werde (Hölzle, ZIP 2009, 1939, 1947; ders., ZIP 2010, 913, 914 f; Henkel, ZInsO 2010, 2209, 2211 ff). Die hiermit einhergehende Vermögensumschichtung verschlechtere ebenso wie ein Darlehen die Befriedigungsaussichten der Gläubiger im eröffneten Verfahren (Gottwald/Haas/ Hossfeld, Insolvenzrechtshandbuch, 4. Aufl., § 92 Rn. 438 mwN; Haas in Festschrift Ganter, 2010, S. 189, 192 ff).
- 69
- (2) Dieser Auffassung kann auf dem Boden des MoMiG nicht beigetreten werden. Da nach dem gesetzgeberischen Konzept des MoMiG bei einer Nutzungsüberlassung die Kreditgewährung nur das Entgelt betreffen kann und sich nicht schon in der vorausgehenden Nutzungsüberlassung selbst äußert (BTDrucks. 16/6140, S. 56), ist die Grundlage entfallen, die Tilgung eines Nutzungsentgelts einer Darlehensrückzahlung gleichzustellen. Eines der wesentlichen Anliegen des MoMiG verwirklicht sich in der Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts (BT-Drucks. 16/6140 S. 26, 42). Darum gehen Bestrebungen fehl, das durch das MoMiG begründete Recht im Licht des aufgegebenen Eigenkapitalersatzrechts zu deuten (Schmidt in Festschrift Wellensiek, 2011, S. 551, 554). Nur ein von dem Eigenkapitalersatzrecht gelöstes Verständnis wird dem eindeutigen Wortlaut des § 135 Abs. 1, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gerecht, der zwischen Darlehen und darlehensgleichen Forderungen, denen allein Nutzungs- entgelte zugeordnet werden können, unterscheidet. Ist eine Nutzungsüberlassung durch den Gesellschafter nach dem heutigen Verständnis einer Darlehensgewährung nicht wirtschaftlich vergleichbar, kann die Tilgung von Nutzungsentgelten nicht als Darlehensrückzahlung, sondern nur im Falle einer vorherigen Stundung oder eines Stehenlassens als Befriedigung einer darlehensgleichen Forderung gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung unterworfen werden (OLG Schleswig, NJW 2012, 2738, 2739 f; Schmidt, aaO S. 557 f; ders., InsO, aaO § 135 Rn. 19; ders., DB 2008, 1727 f; Preuß in Kübler /Prütting/Bork, InsO, 2013, § 135 Rn. 16; Schröder, Die Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG, 2012, Rn. 220; Scholz/Bitter, GmbHG, 11. Aufl., Anh. § 64 Rn. 351; ders., ZIP 2010, 10; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl., Anh. § 30 Rn. 90; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 328).
- 70
- b) Ungeachtet des Entstehungsgrundes entsprechen einem Darlehen alle aus Austauschgeschäften herrührenden Forderungen, die der Gesellschaft rechtlich oder rein faktisch gestundet wurden, weil jede Stundung bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Darlehensgewährung bewirkt (BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - IX ZR 192/13, WM 2014, 1488 Rn. 50). Wird eine Leistung bargeschäftlich abgewickelt, scheidet eine rechtliche oder rein faktische Stundung, die zur Umqualifizierung als Darlehen führt, aus (BGH, aaO Rn. 51). Mit Rücksicht auf diese Erwägung ist die geltend gemachte Anfechtung nicht begründet.
- 71
- aa) Ein Baraustausch liegt bei länger währenden Vertragsbeziehungen in Anlehnung an § 286 Abs. 3 BGB vor, wenn Leistung und Gegenleistung binnen eines Zeitraums von 30 Tagen abgewickelt werden (BGH, aaO Rn. 31 ff). Danach ist im Streitfall von einem Baraustausch auszugehen. Die Miete war nach § 6 des Mietvertrags zum jeweils 15. Werktag des laufenden Monats fällig und ist für Dezember 2009 statt dem 15. Dezember 2009 am 4. Januar 2010, für Januar 2010 statt dem 15. Januar 2010 am 4. Februar 2010, für Februar 2010 statt dem 15. Februar 2010 am 12. März 2010, für März 2010 statt dem 15. März 2010 am 8. April 2010 und für April 2010 statt dem 15. April am 20. April 2010 beglichen worden. Mithin wurde der für ein Bargeschäft unschädliche Zeitraum von 30 Tagen nicht überschritten. Wird ein Baraustausch durchgeführt , handelt es sich nicht um eine stehen gelassene und damit einem Darlehen wirtschaftlich entsprechende Forderung, die gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung zugänglich ist. Bei dieser Sachlage greift die von dem Beklagten erklärte Aufrechnung nicht durch.
- 72
- bb) In der Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts der Miete auf den jeweils 15. Werktag des Monats der Nutzung kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine Stundung erblickt werden.
- 73
- (1) Bis zur Mietrechtsreform des Jahres 2001 war gemäß § 551 BGB aF der Vermieter vorleistungspflichtig und darum die Miete erst am Monatsende geschuldet (MünchKomm-BGB/Artz, 6. Aufl., § 556b Rn. 1). Entsprechend schon unter Geltung des früheren Rechts verbreiteter abweichender vertraglicher Übung (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1993, 710 f) sehen §§ 556b, 579 Abs. 2 BGB für Räume und damit auch Geschäftsräume nunmehr eine Fälligkeit zum dritten Werktag des jeweiligen Monats vor (vgl. Neuhaus, Handbuch der Geschäftsraummiete , 5. Aufl., Kap. 9 Rn. 118). Dagegen bestimmt § 579 Abs. 1 BGB bei der Miete von Grundstücken und beweglichen Sachen in Übereinstimmung mit dem früheren Recht weiterhin den ersten Werktag des Folgemonats zum Fälligkeitszeitpunkt (vgl. Neuhaus, aaO Rn. 119). Da der Gesetzgeber mit den Neuregelungen nur der vertraglichen Praxis entsprechende Fälligkeitsregelungen einzuführen suchte (BT-Drucks. 14/4553, S. 52), wird verbreitet angenommen , dass mit der Festlegung des Zahlungszeitpunkts das gesetzliche Leitbild der grundsätzlichen Vorleistungspflicht des Vermieters nicht modifiziert wurde (MünchKomm-BGB/Artz, 6. Aufl., § 556b Rn. 7 mwN; Bamberger /Roth/Ehlert, 3. Aufl., § 556b Rn. 10; aA Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., § 556b Rn. 4). Überdies sind die Regelungen ebenso wie das frühere Recht nicht zwingend, so dass - wie der Gesetzgeber unterstreicht - abweichende Vereinbarungen zulässig sind (BT-Drucks. aaO S. 52, 74).
- 74
- (2) Im Streitfall umfasste die Vermietung Räume und Grundstücke, wozu auch individualisierbare Teilflächen gehören (vgl. MünchKomm-BGB/Artz, aaO § 578 Rn. 3), sowie hinsichtlich der Maschinen - entsprechend der Rechtsauffassung des Beklagten - bewegliche Sachen. Mit Rücksicht auf die unterschiedlichen gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkte und die Unsicherheit einer Bewertung, welcher Mietgegenstand den Schwerpunkt des Vertrages bildet und damit den Fälligkeitszeitpunkt vorgibt (vgl. MünchKomm-BGB/Artz, aaO § 579 Rn. 1), ist in Einklang mit der von dem Gesetzgeber ausdrücklich betonten Möglichkeit, abweichende individuelle Vereinbarungen zu treffen (BT-Drucks., aaO), ein Bedürfnis für eine vertragliche Fälligkeitsabrede anzuerkennen. Da die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen in Umsetzung der von dem Gesetzgeber vorgefundenen Vertragspraxis auf bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen beruhen , muss der vereinbarte Fälligkeitszeitpunkt nicht von dem Gedanken einer generellen Vorleistungspflicht des Mieters getragen sein. Vielmehr ist den Vertragspartnern bei der Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts ein gewisser Gestaltungsspielraum zuzubilligen. In Würdigung der unterschiedlichen für die einzelnen Mietgegenstände maßgeblichen Fälligkeitszeitpunkte kann die von den Vertragspartnern gewählte Festsetzung des Zahlungstermins auf die Monatsmitte als angemessener Interessenausgleich bewertet werden, dem keine Stundung innewohnt.
IV.
- 75
- Die Revision der Klägerin ist zurückzuweisen, soweit sie wegen einer Vorenthaltung der Mietsache durch den Beklagten begehrt, für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 8. August 2011 einen Anspruch in Höhe von 210.745,16 € festzustellen.
- 76
- 1. Der Anspruch findet keine Grundlage in § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, § 546a Abs. 1 BGB. Der Beklagte hat der Klägerin die Mietsache nicht durch aktives Tun vorenthalten.
- 77
- a) Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung kann nur unter engen Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, § 546a Abs. 1 BGB als Masseverbindlichkeit beansprucht werden. Dabei kommt es nicht ausschlaggebend darauf an, ob der Verwalter die Mietsache tatsächlich umfassend nutzt. Ausreichend ist vielmehr, dass der Verwalter die Mietsache nach der Eröffnung des Verfahrens für die Masse in Anspruch nimmt. Ergreift der Verwalter für die Masse Besitz an der Mietsache und schließt er zugleich den Vermieter gegen dessen Willen gezielt aus, begründet er eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, § 546a Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 18. Mai 1995 - IX ZR 189/94, BGHZ 130, 38, 44 f; vom 24. November 1993 - VIII ZR 240/92, ZIP 1993, 1874, 1875; vom 21. Dezember 2006 - IX ZR 66/05, WM 2007, 411 Rn. 15; vom 1. März 2007 - IX ZR 81/05, WM 2007, 840 Rn. 21).
- 78
- b) Eine solche Gestaltung scheidet im Streitfall aus. Ein gezielter Ausschluss des Vermieters durch den Verwalter wurde angenommen, wenn dieser allein über die Schlüssel der Mietsache verfügt und dort Sachen einlagert (BGH, Urteil vom 18. Mai 1995, aaO S. 45) oder nach Beendigung des Hauptmietvertrages als Zwischenvermieter Untermietverträge fortsetzt und Mietzahlungen zugunsten der Masse einzieht (BGH, Urteil vom 1. März 2007, aaO Rn. 23 ff). Vorliegend hat der Beklagte die Mietsache nach Verfahrenseröffnung weder für die Masse in Anspruch genommen noch die Klägerin gegen ihren Willen gezielt von dem Besitz ausgeschlossen. Die Klägerin verfügte unstreitig über die Schlüssel der Mietsache, so dass sie nicht an deren Nutzung gehindert war. Auch hat der Beklagte nach Verfahrenseröffnung nicht auf die Mietsache zugegriffen, sondern es bei dem bei Verfahrenseröffnung gegebenen Zustand belassen. Da die in den Mieträumen befindlichen Restwaren unverkäuflich waren , scheidet auch eine Lagerung im Interesse der Masse aus.
- 79
- 2. Der Anspruch folgt ebenso wenig aus § 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2, § 546a Abs. 1 BGB. Dem Beklagten kann nicht wegen einer verspäteten Räumung eine Vorenthaltung der Mietsache angelastet werden.
- 80
- a) Masseschulden im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind die Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen, deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Verfahrens erfolgen muss. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass Mietansprüche unter diese Vorschrift fallen. Entsprechendes gilt für den Entschädigungsanspruch aus § 546a Abs. 1 BGB. Zwar beruht er nicht auf einem Vertrag, weil er gerade die Beendigung des Mietverhältnisses voraussetzt. Er ist jedoch vertragsähnlicher Natur, tritt an die Stelle des ursprünglichen Mietanspruchs und ist deshalb wie dieser als Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO einzuordnen. Ein Entschädigungsanspruch des Vermieters aus § 546a BGB wegen Vorenthaltens der Mietsache kann folglich eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO begründen, wenn das Mietverhältnis, auf dem er beruht, die Insolvenzeröffnung - wie im Streitfall - überdauert hat (BGH, Urteil vom 15. Februar 1984 - VIII ZR 213/82, BGHZ 90, 145, 150 f; vom 24. November 1993 - VIII ZR 240/92, ZIP 1993, 1874, 1875; Jaeger/Jacoby, InsO, § 108 Rn. 196).
- 81
- b) Eine Vorenthaltung der Mietsache setzt nicht voraus, dass der Insolvenzverwalter die Sache für die Masse nutzt oder daran Besitz ausübt (Jaeger /Jacoby, aaO; Uhlenbruck/Wegener, InsO, 13. Aufl., § 108 Rn. 41). Vorenthalten wird die Mietsache bereits dann im Sinne von § 546a BGB, wenn der Mieter die Mietsache nicht zurückgibt und das Unterlassen der Herausgabe dem Willen des Vermieters widerspricht (BGH, Urteil vom 1. März 2007 - IX ZR 81/05, WM 2007, 840 Rn. 15 mwN). Verweigert der Vermieter allerdings die Rücknahme unter Hinweis auf den ungeräumten oder nicht vertragsgemäßen Zustand, fehlt dem Vermieter der für die Vorenthaltung erforderliche Rücknahmewille , wenn der Verwalter nicht zu einer Räumung verpflichtet war (OLG Saarbrücken, ZInsO 2006, 779, 780 f; Jaeger/Jacoby, aaO § 108 Rn. 197; Uhlenbruck/Wegener, aaO; MünchKomm-InsO/Eckert, 3. Aufl., § 108 Rn. 123). Eine solche Konstellation ist hier gegeben.
- 82
- aa) Die Kosten zur Herstellung des ordnungsmäßigen Zustands eines an den Schuldner vermieteten Grundstücks begründen jedenfalls dann keine Masseschuld , wenn der Mietvertrag vor der Insolvenzeröffnung beendet war (BGH, Urteil vom 5. Juli 2001 - IX ZR 327/99, BGHZ 148, 252, 255 ff; vom 18. April 2002 - IX ZR 161/01, BGHZ 150, 305, 312; HK-InsO/Lohmann, 7. Aufl., § 55 Rn. 22; Pape/Schaltke in Kübler/Prütting/Bork, 2010, InsO, § 55 Rn. 155; Uhlenbruck/Wegener, aaO § 108 Rn. 36). Für den Fall, dass der Insolvenzverwalter das Nutzungsverhältnis fortsetzt, ist die vertragliche Herstellungspflicht bei Vertragsende aufzuteilen; insolvenzrechtlich bevorzugt ist nur die Wieder- herstellung derjenigen nachteiligen Veränderungen, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten sind (BGH, Urteil vom 18. April 2002, aaO; vom 21. Dezember 2006 - IX ZR 66/05, WM 2007, 411 Rn. 12; Beschluss vom 17. April 2008 - IX ZR 144/07, Grundeigentum 2008, 865 Rn. 2; Pape/Schaltke, aaO Rn. 152).
- 83
- bb) Im Streitfall hat der Beklagte den Mietvertrag zunächst nach Verfahrenseröffnung fortgesetzt. Allerdings war die Produktion der Schuldnerin in den Mieträumen unstreitig bereits vor Verfahrenseröffnung zum Erliegen gekommen. Dementsprechend hat der Beklagte nach Verfahrenseröffnung keine nachteiligen Veränderungen an der Mietsache vorgenommen, die gegen ihn eine Herstellungspflicht begründen. Darum durfte die Klägerin die Rücknahme nicht unter Hinweis auf Räumungspflichten des Beklagten verweigern. Durch die Rückgabe der ungeräumten Mietsache erfüllte der Beklagte darum nicht den Tatbestand des § 546a BGB (vgl. OLG Saarbrücken, ZInsO 2006, 779, 780; MünchKomm-InsO/Eckert, 3. Aufl., § 108 Rn. 122; Uhlenbruck/Wegener, aaO § 108 Rn. 41).
- 84
- 3. Schließlich kann der Anspruch nicht gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO auf eine ungerechtfertigte Bereicherung der Masse (§ 812 BGB) gestützt werden. Die Vorschrift verlangt, dass der Masse eine Bereicherung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugeflossen ist (BGH, Urteil vom 20. September 2007 - IX ZR 91/06, WM 2007, 2299 Rn. 9). Nutzt ein Mieter oder ein auf Grund eines sonstigen Vertragsverhältnisses Nutzungsberechtigter die Sache über die vereinbarte Laufzeit hinaus, so ist er ohne rechtlichen Grund auf Kosten des Vermieters oder sonstigen Rechtsinhabers um den tatsächlich gezogenen Nutzungswert bereichert und nach § 812 Abs. 1, § 818 Abs. 1 BGB zu dessen Herausgabe verpflichtet (BGH, Urteil vom 24. November 1993 - VIII ZR 240/92, ZIP 1993, 1874, 1875 f; vom 15. Dezember 1999 - XII ZR 154/97, NJW-RR 2000, 382, 383). Im Streitfall scheidet eine Bereicherung der Masse aus, weil der Beklagte den Mietgegenstand nach Verfahrenseröffnung nicht für die Masse genutzt hat.
IV.
- 85
- Das angefochtene Urteil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist teilweise aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und die Sache nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 17.08.2012 - 17 O 183/11 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 21.11.2013 - 18 U 145/12 -
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Mit Vertrag vom 14. September 2003 verkaufte die Klägerin den Beklagten auf einer Verbrauchermesse einen Bausatz zur Selbstmontage einer Solarheizungsanlage ; der Vertrag wurde unter der aufschiebenden Bedingung der Gewährung von Solarförderungsmitteln durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle geschlossen. Die Solaranlage sollte auf einem Flachdach des Hauses der Beklagten in einem Ort an der Wismarer Bucht angebracht werden. Bei dem Verkaufsgespräch erklärten Mitarbeiter der Klägerin, die Solaranlage könne auch von Laien montiert werden, die Klägerin stelle umfangreiche Montage- und VerIegeanleitungen zur Verfügung.
- 2
- Die den Beklagten später übergebene Montageanleitung enthält einleitend folgenden Hinweis: "Die in dieser Montageanweisung beschriebenen Tätigkeiten setzen Fachkenntnisse entsprechend einer abgeschlossenen Berufsausbildung im Gas-/Wasserinstallationshandwerk voraus. Führen sie diese Montageschritte nur dann selber aus, wenn Sie über diese Fachkenntnisse verfügen."
- 3
- Zur Montage der Sonnenkollektoren auf einem Flachdach mithilfe sogenannter Flachdachständer heißt es in der Montageanweisung: "Die Montage des Flachdachständers muss von einer Fachfirma ausgeführt werden. […] 3.3 Zusätzliche Befestigung Bei höheren Windgeschwindigkeiten (bis zu 200 km/h z. B. in Küstennähe oder auf hohen Dächern) können Kräfte am KoIlektor von bis zu 2 kN auftreten, die eine zusätzliche Befestigung der Flachdachständer notwendig machen. Wir empfehlen eine der folgenden Varianten durchzuführen.
a) Flachdachständer mit Drahtseilen befestigen Jeden Flachdachständer bauseits mit mind. zwei Drahtseilen unten am Ständer und an geeigneter Stelle des Daches ausreichend befestigen (Abb. 14).
b) Flachdachständer auf Aufstellfläche befestigen Alternativ zu a) ist eine Befestigung der Flachdachständer direkt auf dem Dach möglich. Bauseits ist vom Dachdecker eine entsprechende Klemmvorrichtung vorzusehen, die eine ausreichende Festigkeit der Konstruktion und Dichtheit des Daches garantiert. Verwenden Sie hierzu mind. zwei M8-Schrauben."
- 4
- Die Beklagten beantragten beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle keine Solarförderungsmittel und erklärten gegenüber der Klägerin die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung. Sie begründeten dies damit, dass sie entgegen den Angaben der Klägerin als Laien nicht in der Lage seien, die Solaranlage an ihrem Haus zu montieren.
- 5
- Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung des Kaufpreises von 10.942 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Auslieferung der Solarheizungsanlage sowie auf Feststellung des Annahmeverzugs in Anspruch.
- 6
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
- 8
- Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:
- 9
- Der Kaufvertrag sei zwar nicht deshalb unwirksam, weil die aufschiebende Bedingung der Gewährung von Fördermitteln durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle nicht eingetreten sei. Die aufschiebende Bedingung gelte gemäß § 162 Abs. 1 BGB als eingetreten, weil die Beklagten den Förderantrag nicht gestellt und den Bedingungseintritt damit in treuwidriger Weise verhindert hätten. Sie hätten den Antrag stellen müssen, nachdem ihnen das Schreiben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle vom 11. Mai 2004 im November 2004 zur Kenntnis gebracht worden sei. Denn sie hätten nunmehr aus ihrer Sicht mit der Bewilligung von Fördergeldern rechnen können.
- 10
- Der Kaufvertrag sei jedoch infolge der Anfechtungserklärung der Beklagten gemäß § 123, § 142 BGB nichtig. In der Erklärung der Mitarbeiter der Klägerin , die Solaranlage könne von Laien montiert werden, sei eine arglistige Täuschung im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB zu sehen.
- 11
- Es liege nicht nur eine werbende Anpreisung von Waren vor, sondern eine Tatsachenbehauptung. Die Mitarbeiter der Klägerin hätten die Beklagten darüber getäuscht, dass die Montage der Solaranlage durch Laien erfolgen könne. Aus der eigenen Montageanleitung der Klägerin gehe hervor, dass dies nicht zutreffe. Die Beklagten hätten sich nach diesen Anweisungen richten müssen und die Arbeiten nicht selbst ausführen dürfen, widrigenfalls sie Gewährleistungsansprüche gegenüber der Klägerin aufs Spiel gesetzt hätten.
- 12
- Ob ein Laie die Selbstmontage vornehmen könne oder nicht, sei eine Rechtsfrage, die der Senat auch ohne Anhörung eines Sachverständigen oder Vernehmung von Zeugen beurteilen könne. Die Beklagten hätten die Erklärung, dass die Solaranlage auch von Laien montiert werden könne, dahin verstehen dürfen, dass nur solche Arbeiten erforderlich sein würden, die nach der Verkehrsanschauung einem Laien zugetraut würden. Von einem durchschnittlichen Laien könne nach diesem Maßstab nicht erwartet werden, die nach Ziffer 3.3 der Montageanleitung wegen höherer Windgeschwindigkeiten in Küstennähe notwendigen Arbeiten zur zusätzlichen Befestigung des Flachdachständers durchzuführen. Es sei daher unerheblich, ob - wie von der Klägerin behauptet und unter Beweis gestellt - zahlreichen Käufern die Montage gelungen sei.
- 13
- Die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 BGB seien auch in subjektiver Hinsicht erfüllt. Arglist erfordere keine Absicht, sondern nur Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz genüge. Die Mitarbeiter der Klägerin hätten die eigene Monta- geanleitung der Klägerin kennen müssen und nicht entgegenstehende Hinweise erteilen dürfen.
- 14
- Es sei unerheblich, dass jedermann wisse, dass die Vornahme der hier anstehenden Arbeiten gewisse handwerkliche Fähigkeiten voraussetze und der Einbau einer Heizungsanlage ein gewisses Geschick bei der Metallverarbeitung erfordere. Auch ein Leichtgläubiger könne getäuscht werden. Darüber hinaus habe die Klägerin den Beklagten Hinweise erteilt, die den Montageanweisungen widersprochen hätten.
II.
- 15
- Diese Beurteilung hält im Ergebnis der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
- 16
- 1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann allerdings nicht angenommen werden, dass der Kaufvertrag über die Solarheizungsanlage jedenfalls deshalb nach § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist, weil die Beklagten ihn nach § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung angefochten haben.
- 17
- a) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der Erklärung, die Solaranlage könne von Laien montiert werden , um eine Tatsachenbehauptung und nicht nur um eine werbende Anpreisung von Waren handelt. Die Behauptung ist - anders als werbende Anpreisungen ohne sachlichen Gehalt - der Beurteilung als wahr oder falsch zugänglich; sie kann damit Mittel einer Täuschung sein. Soweit das Berufungsgericht die Frage, ob ein Laie die Selbstmontage vornehmen könne, in anderem Zusammenhang - fälschlich - als eine Rechtsfrage bezeichnet hat, liegt darin entgegen der Ansicht der Revision kein Widerspruch, der für sich genommen eine Aufhebung des Berufungsurteils erfordern würde.
- 18
- b) Nicht gefolgt werden kann jedoch der Beurteilung des Berufungsgerichts , die Mitarbeiter der Klägerin hätten die Beklagten darüber getäuscht, dass die Montage der Solaranlage durch Laien erfolgen könne.
- 19
- aa) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten die Erklärung , die Solaranlage könne auch von Laien montiert werden, dahin verstehen dürfen, dass nur solche Arbeiten erforderlich sein würden, die nach der Verkehrsanschauung einem Laien zugetraut werden, ist indessen von Rechts wegen nicht zu beanstanden und von der Revision auch nicht angegriffen. Soweit das Berufungsgericht danach den durchschnittlichen Laien als Maßstab herangezogen hat, begegnet dies gleichfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Der Senat kann die Auslegung der individualrechtlichen Erklärung, die Solaranlage könne auch von Laien montiert werden, die ausweislich der von den Parteien vorgelegten - unveröffentlichten - Urteile (vgl. etwa OLG Hamm, Urteil vom 25. Oktober 2005 - 19 U 67/05 und OLG Nürnberg NJW-RR 2001, 1558) im Handel mit Solaranlagen häufig verwendet wird, im Interesse einer einheitlichen Handhabung und damit der Rechtssicherheit uneingeschränkt überprüfen (vgl. Senatsurteile BGHZ 128, 307, 309; BGHZ 122, 256, 260, m.w.N.).
- 20
- Unter einem Laien ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Person zu verstehen, die - im Gegensatz zu einem Fachmann - auf einem bestimmten Gebiet keine abgeschlossene Ausbildung hat (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch). Dieses Begriffsverständnis schließt es jedoch nicht aus, dass auch ein Laie über gewisse Fachkenntnisse verfügt. Der Umfang des Begriffs "Laie" reicht vom "blutigen" Laien, ohne jegliche Fachkenntnisse, bis zum "gebildeten" Laien, dessen Fachkenntnisse denen eines Fachmanns gleichstehen können (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache , 2. Aufl.). Mit dem "durchschnittlichen" Laien ist demnach eine Person bezeichnet , die handwerklich nicht völlig unbegabt ist, deren Fertigkeiten aber auch nicht denen eines Fachmannes entsprechen. Da es, wie auch das Berufungsgericht angenommen hat, allgemein bekannt ist, dass die Selbstmontage einer Solarheizungsanlage gewisse handwerkliche Fähigkeiten voraussetzt, durften die Beklagten die Erklärung der Mitarbeiter der Klägerin, die Solaranlage könne auch von Laien montiert werden, dahin verstehen, dass hierzu zwar gewisse handwerkliche Fähigkeiten, nicht aber die Fähigkeiten eines Fachmannes erforderlich seien.
- 21
- bb) Aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann jedoch nicht angenommen werden, dass die so zu verstehende Behauptung der Mitarbeiter der Klägerin falsch ist.
- 22
- (1) Auf die den Beklagten übergebene Montageanleitung kann, anders als das Berufungsgericht gemeint hat, die Beurteilung, dass Laien nicht dazu in der Lage sind, die Solaranlage selbst zu montieren, nicht gestützt werden.
- 23
- Nach der Montageanleitung, die entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht von der Klägerin, sondern von der Herstellerin der Solaranlage stammt, setzen die in der Montageanweisung beschriebenen Tätigkeiten Fachkenntnisse entsprechend einer abgeschlossenen Berufsausbildung im Gas-/ Wasserinstallationshandwerk voraus und sollen die Montageschritte nur dann selber ausgeführt werden, wenn der Ausführende über diese Fachkenntnisse verfügt. Wäre dieser Hinweis richtig, wäre die Erklärung, die Solaranlage könne von Laien montiert werden, allerdings falsch. Denn ein durchschnittlicher Laie verfügt jedenfalls nicht über die Fachkenntnisse eines Gas- oder Wasserinstallateurs mit abgeschlossener Berufsausbildung.
- 24
- Das Berufungsgericht hat aber nicht festgestellt, dass der Hinweis in der Montageanleitung tatsächlich zutreffend ist. Entsprechender Feststellungen hätte es jedoch, wie die Revision zu Recht rügt, bedurft, weil die Klägerin die Richtigkeit dieses Hinweises mit der von ihr unter Beweis gestellten Behauptung bestritten hat, dass zahlreichen Käufern die Montage gelungen sei und Tausende von Laien die von ihr verkauften Solaranlagen problemlos mangelfrei installiert hätten. Mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Behauptung der Klägerin, die Montageanweisung sei in diesem Punkt unzutreffend, im Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin als richtig zu unterstellen.
- 25
- (2) Die Auffassung des Berufungsgerichts, von einem durchschnittlichen Laien könne nicht erwartet werden, die nach Ziffer 3.3 der Montageanleitung wegen höherer Windgeschwindigkeiten in Küstennähe notwendigen Arbeiten zur zusätzlichen Befestigung des Flachdachständers durchzuführen, entbehrt gleichfalls einer tragfähigen Grundlage.
- 26
- Das Berufungsgericht hat gemeint, nur ein Dachdecker oder Zimmerer sei dazu in der Lage, den für die Montage der Sonnenkollektoren erforderlichen Flachdachständer - wie unter Ziffer 3.3 Buchstabe a) der Montageanleitung beschrieben - mit Drahtseilen auf dem Dach zu befestigen. Denn hierzu müssten gegebenenfalls an zahlreichen Stellen Löcher in das Dach gebohrt werden, durch die Wasser und Feuchtigkeit eindringen könne, wenn sie nicht handwerksgerecht abgedichtet würden. Der durchschnittliche Laie sei zur Vornahme von solch komplizierten Dachdeckerarbeiten nicht in der Lage. Da der Flachdachständer erhebliches Gewicht habe, sei die Statik des Daches daraufhin zu überprüfen, ob die Dachkonstruktion ausreichenden Halt biete. Jedenfalls dies erfordere Kenntnisse des Dachdecker- oder Zimmererhandwerks.
- 27
- Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass es sich bei dem Bohren von Löchern in ein Flachdach um eine komplizierte Dachdeckerarbeit handelt, zu der ein durchschnittlicher Laie nicht in der Lage ist. Derartige Feststellungen wären jedoch erforderlich gewesen, denn es ist, wie die Revision zu Recht geltend macht, nicht ersichtlich, weshalb ein handwerklich nicht völlig unbegabter Laie nicht dazu im Stande sein sollte, mittels eines Bohrers Löcher in ein Flachdach zu bohren, in diese Löcher Dübel zu stecken und in diese Dübel Befestigungsschrauben zu drehen. Desgleichen ist nicht ohne weiteres erkennbar, weshalb bei einer solchen Verfahrensweise die Gefahr bestehen sollte, dass Wasser oder Feuchtigkeit eindringt. Das Berufungsgericht hat auch nicht festgestellt, weshalb der Flachdachständer ein Gewicht hat, das eine Überprüfung der Statik der Dachkonstruktion erfordern würde. Selbst wenn ein Fachmann die Statik des Daches wegen des Gewichts des Flachdachständers überprüfen müsste, würde dies im Übrigen nicht bedeuten, dass ein Laie den Flachdachständer nicht auf dem Dach anbringen kann. Die Behauptung, ein Laie sei zur Montage der Solaranlage in der Lage, besagt nicht, dass keinerlei Vorarbeiten oder Zuarbeiten durch Fachleute erforderlich sind.
- 28
- c) Die Revision rügt schließlich mit Recht, dass das Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen zur subjektiven Seite einer arglistigen Täuschung getroffen hat.
- 29
- Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die arglistige Täuschung im Sinne des § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB keine Absicht, sondern Vorsatz erfordert, und dass insoweit bedingter Vorsatz genügt (BGH, Urteil vom 21. Juni 1974 - V ZR 15/73, WM 1974, 866, unter I). Auch der bedingte Vorsatz setzt allerdings voraus, dass der Erklärende die Unrichtigkeit der Tatsachenbehauptung kennt oder zumindest für möglich hält (BGH, Urteil vom 11. Mai 2001 - V ZR 14/00, WM 2001, 1420, unter II 2 a). Die Feststellung des Berufungsgerichts, die Mitarbeiter der Klägerin hätten deren eigene Montageanleitung kennen müssen und nicht entgegenstehende Hinweise erteilen dürfen, kann daher, wie die Revision zu Recht rügt, allenfalls ein fahrlässiges Verhalten , nicht aber einen bedingten Vorsatz der Mitarbeiter der Klägerin belegen.
- 30
- 2. Das Berufungsurteil stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die insoweit erhobenen Gegenrügen der Revisionserwiderung haben Erfolg.
- 31
- Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts haben die Beklagten den Eintritt der aufschiebenden Bedingung für den Abschluss des Kaufvertrages - die Gewährung von Fördermitteln durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle - nicht dadurch treuwidrig verhindert, dass sie keinen Förderantrag gestellt haben. Die aufschiebende Bedingung gilt demnach nicht nach § 162 Abs. 1 BGB als eingetreten. Da auch ein künftiger Bedingungseintritt ausgeschlossen erscheint, ist der nach § 158 Abs. 1 BGB bestehende Schwebezustand beendet und der aufschiebend bedingte Kaufvertrag endgültig wirkungslos (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 1974 - VIII ZR 192/73, WM 1974, 1154, unter I). Die Klägerin hat daher keinen Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB auf Kaufpreiszahlung und Abnahme der Solarheizungsanlage. Die Beklagten befinden sich demzufolge auch nicht nach § 293 BGB in Annahmeverzug.
- 32
- Eine Bedingung gilt nach § 162 Abs. 1 BGB als eingetreten, wenn deren Eintritt von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert wird. Ob die Beeinflussung des Geschehensablaufs treuwidrig ist, ist aufgrund einer umfassenden Würdigung des Verhaltens der den Bedingungseintritt beeinflussenden Vertragspartei nach Anlass, Zweck und Beweggrund unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbeson- dere des Inhalts des Rechtsgeschäfts, festzustellen (BGH, Urteil vom 16. September 2005, V ZR 244/04, WM 2005, 2287, unter II 1 m.w.N.). Anders als das Berufungsgerichts meint, kann es danach nicht als treuwidrig angesehen werden , dass die Beklagten im November 2004, nachdem ihnen das Schreiben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle vom 11. Mai 2004 zur Kenntnis gebracht worden war, wonach sie aus ihrer Sicht mit der Bewilligung von Fördergeldern rechnen konnten, keinen Fördermittelantrag gestellt haben.
- 33
- Das Berufungsgericht hat bei der Würdigung des Verhaltens der Beklagten nicht berücksichtigt, dass diesen mittlerweile auch die ihnen erst nach Abschluss des Kaufvertrages ausgehändigte Montageanleitung der Herstellerin vorlag, aus der hervorging, dass die Montage der Solaranlage Fachkenntnisse entsprechend einer abgeschlossenen Berufsausbildung im Gas-/Wasserinstallationshandwerk voraussetze und nur von Käufern mit solchen Fachkenntnissen selbst ausgeführt werden dürfe. Den Beklagten war demnach im November 2004 bekannt, dass die Mitarbeiter der Klägerin es unterlassen hatten, sie vor Abschluss des Kaufvertrages auf diesen Hinweis der Herstellerin aufmerksam zu machen, und dass deren Erklärung, die Solaranlage könne auch von Laien montiert werden, mit dem Hinweis, die Montage der Solaranlage setze Fachkenntnisse entsprechend einer abgeschlossenen Berufsausbildung im Gas-/Wasserinstallationshandwerk voraus, unvereinbar war.
- 34
- Unter diesen Umständen kann es nicht als treuwidrig angesehen werden, dass die Beklagten keinen Fördermittelantrag gestellt und damit den Bedingungseintritt und das Wirksamwerden des Kaufvertrages verhindert haben. Denn die Beklagten hätten - die Wirksamkeit des Kaufvertrages unterstellt - wegen dieses als fahrlässige Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht zu wertenden Verhaltens der Mitarbeiter der Klägerin gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 278, § 276, § 249 Abs. 1 BGB auch die Rückgängigmachung des Kaufvertrages verlangen können (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2001 - VIII ZR 32/00, WM 2001, 1118, unter II 4, m.w.N.).
- 35
- a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht selbst bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck (des anderen) vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten konnte (Senatsurteil vom 4. April 2001 - VIII ZR 32/00, aaO, unter II 3 b, m.w.N.). Vom Verkäufer kann nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung eine Mitteilung über solche Umstände erwartet werden, die nur ihm bekannt sind oder bekannt sein müssen und von denen er weiß oder wissen muss, dass sie für den Käufer von wesentlicher Bedeutung für den Vertragsschluss sind (vgl. Senatsurteil vom 6. Februar 2002 - VIII ZR 185/00, WM 2002, 1839, unter III 2 b, m.w.N.).
- 36
- Der Käufer eines Bausatzes für die Selbstmontage einer Solarheizungsanlage muss nach diesen Grundsätzen zwar nicht ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Montage der Solaranlage ein gewisses handwerkliches Geschick voraussetzt, denn dies versteht sich, wie die Revision zu Recht geltend macht und was das Berufungsgericht auch nicht verkennt, von selbst und ist daher nicht nur dem Verkäufer, sondern auch dem verständigen Käufer bekannt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 11. Juli 2006 - 10 U 49/06; OLG Hamm, Urteil vom 25. Oktober 2005 - 19 U 67/05; OLG Hamm, Urteil vom 4. Juni 2004 - 19 U 160/03; LG Frankenthal, Urteil vom 22. Februar 2002 - 4 O 407/05; aA OLG Nürnberg aaO).
- 37
- Ein Käufer, dem ein solcher Bausatz auf einer Verbrauchermesse zum Kauf angeboten wird, kann aber nicht damit rechnen, dass die Montageanleitung der Herstellerin Fachkenntnisse entsprechend einer abgeschlossenen Berufsausbildung im Gas-/Wasserinstallationshandwerk fordert und verlangt, dass die Montage nur dann selbst durchgeführt wird, wenn der Montierende über derartige Fachkenntnisse verfügt. Dass dieser Umstand für einen Käufer, der die Solaranlage zur Selbstmontage erwirbt, von wesentlicher Bedeutung für den Vertragsschluss ist, liegt auf der Hand. Der Verkäufer muss den Käufer deshalb darüber unterrichten. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Hinweis in der Montageanweisung, wie die Revision geltend macht, tatsächlich unzutreffend und rechtlich unverbindlich ist. Selbst wenn der Verkäufer der Auffassung ist, die Montageanweisung der Herstellerin sei in diesem Punkt falsch, muss er den Käufer auf diesen Hinweis der Herstellerin aufmerksam machen. Er mag dem Käufer zugleich mitteilen, dass dieser Hinweis seiner Ansicht nach unzutreffend ist. Er darf ihm diese für die Kaufentscheidung wesentliche Information jedoch nicht vorenthalten.
- 38
- b) Da den das Verkaufsgespräch mit den Beklagten führenden Mitarbeitern der Klägerin die Montageanleitung der Herstellerin bekannt sein musste, haben sie eine der Klägerin entsprechend § 278 BGB zurechenbare fahrlässige Aufklärungspflichtverletzung begangen, indem sie den Beklagten nicht nur den Hinweis der Herstellerin auf die für die Montage der Solaranlage erforderlichen Fachkenntnisse eines Gas-/Wasserinstallationshandwerk mit abgeschlossener Berufsausbildung verschwiegen, sondern - entgegen diesem Hinweis - sogar erklärt haben, die Solaranlage könne auch von Laien montiert werden.
- 39
- c) Das Verschweigen des Hinweises und die Erteilung einer dem Hinweis widersprechenden Auskunft waren auch ursächlich für den Kaufentschluss der Beklagten. Derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt, muss darlegen und beweisen, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, der Geschädigte also den Hinweis unbeachtet gelassen und auch bei wahrheitsgemäßen Angaben den Kaufvertrag so wie geschehen abgeschlossen hätte (Senatsurteil vom 4. April 2001 - VIII ZR 32/00, aaO, unter II 3 d, m.w.N.). Anhaltspunkte für ein solches - hypothetisches - Verhalten der Beklagten sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ball Wiechers Dr. Wolst Dr. Koch Dr. Hessel
LG Schwerin, Entscheidung vom 13.10.2005 - 4 O 382/04 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 31.07.2006 - 3 U 160/05 -
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu ein Drittel und der Beklagte zu zwei Drittel zu tragen.
Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 60.000 € festge- setzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Beklagte ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 3. Mai 2010 über das Vermögen der R. GmbH & Co. KG (nachfolgend: Schuldnerin) am 22. September 2010 eröffneten Insolvenzverfahren.
- 2
- Die Brüder F. R. und H. R. (nachfolgend: Brüder R. ) sind gemeinsam mit S. Kommanditisten der Schuldnerin. Die Kommanditeinlage der Brüder R. betrug zuletzt jeweils 1000 € und die von S. 500 €. Komplementärin der Schuldnerin ist - ohne Kapitalanteil - die U. Verwaltungs GmbH, an der die Brüder R. Geschäftsanteile von je 10.000 € und S. einen Geschäftsanteil von 5.000 € halten. Bis zum 9. Februar 2010 waren die Brüder R. einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der U. Verwaltungs GmbH; seit dem 10. Februar 2010 übt alleine H. R. dieses Amt aus. Die Gesellschaftsverträge der Schuldnerin und ihrer Komplementär-GmbH sehen jeweils eine Befreiung der Geschäftsführer von den Bindungen des § 181 BGB vor. Ferner sind die Brüder R. Gesellschafter der in der Rechtsform einer GbR geführten Klägerin sowie jeweils hälftige Miteigentümer beziehungsweise Erbbauberech- tigte von drei gewerblich genutzten Grundstücken, auf denen verschiedene Unternehmen , an denen die Brüder R. beteiligt sind, ihren Geschäftsbetrieb unterhalten.
- 3
- Die Brüder R. schlossen als Vermieter mit der Schuldnerin, für die neben den Brüdern R. als Geschäftsführern der KomplementärGmbH der Kommanditist S. handelte, am 2. Januar 2009 einen schriftlichen Geschäftsraummietvertrag über auf dieser Liegenschaft befindliche Lagerhallen , Büroräume, Lagerflächen und Maschinen. Die monatliche Miete be- trug, wobei 4.000 € auf die Maschinen entfielen, 24.400 € zuzüglich Umsatz- steuer, insgesamt 29.036 €. Die Miete war nach § 6 des Mietvertrages monatlich im Voraus, spätestens am 15. Werktag eines Kalendermonats zu zahlen. Im Zeitraum von Dezember 2009 bis April 2010 wurde die Miete von der Schuldnerin jeweils verspätet beglichen. Die Klägerin, die sich als Vermieterin der Schuldnerin ansieht, meldete unbeglichene Mieten für den Zeitraum vom 1. Mai 2010 bis 21. September 2010 zur Tabelle an.
- 4
- Nach Verfahrenseröffnung kündigte der Beklagte durch Schreiben vom 27. September 2010 den Mietvertrag zum "nächst möglichen ordentlichen gesetzlichen und/oder vertraglichen Kündigungstermin". Der vorab zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellte Beklagte setzte den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin, die sich mit der Produktion von Styropor befasste , zunächst fort, stellte ihn aber vor Verfahrenseröffnung ein. Bis zum 8. August 2011 verblieben in den angemieteten Werkshallen etwa 1.200 Kubikmeter Styropor; ferner waren bis dahin mehrere Silos mit Rohstoffen befüllt.
- 5
- Vorliegend nimmt die Klägerin den Beklagten, der im Laufe des Rechtsstreits Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, auf Mieten für den Zeitraum vom 22. September 2010 bis 31. Dezember 2010 in Anspruch. Ferner verlangt sie für den nachfolgenden Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 8. August 2011 Zahlung einer Nutzungsentschädigung, weil der Beklagte die Räumlichkeiten erst zu diesem Zeitpunkt zurückgegeben habe. Der Beklagte, der die Brüder R. und nicht die Klägerin als Vermieter der Schuldnerin ansieht, hat gegen die Klageforderung hilfsweise mit Ansprüchen aus Insolvenzanfechtung hinsichtlich der von der Schuldnerin an die Klägerin im Zeitraum von Dezember 2009 bis April 2010 gezahlten Mieten aufgerechnet.
- 6
- Das Landgericht hat der auf Feststellung eines Masseanspruchs über 306.563,99 € gerichteten Klage teilweise stattgegeben und eine Forderung der Klägerin von 95.840,80 € festgestellt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage unter Berücksichtigung der Hilfsaufrechnung abgewiesen. Dagegen richten sich die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin und die von dem Senat zugelassene Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
I.
- 7
- Die Revision des Beklagten ist nach der Zulassung durch den Senat uneingeschränkt zulässig. Ebenso verhält es sich für die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.
- 8
- Das Berufungsgericht hat die Revision der Klägerin ausweislich des Entscheidungstenors in vollem Umfang zugelassen. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar anerkannt, dass sich eine Eingrenzung der Zulassung der Revision auch aus den Entscheidungsgründen ergeben kann. Das muss jedoch zweifelsfrei geschehen; die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision reicht nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen (BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 - I ZR 45/11, NJW 2012, 3577 Rn. 16 mwN). Eine Begrenzung ergibt sich nicht aus der Begründung des Berufungsgerichts, wonach ein Klärungsbedarf für die Auslegung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Bezug auf Mietforderungen der Gesellschafter oder gleichstehender Dritter und für eine Nutzungsentschädigung im Blick auf Verhaltensweisen des vorläufigen Insolvenzverwalters gegeben sei. Da diese Begründung beide in Streit stehenden Ansprüche betrifft, kann daraus keine Beschränkung der Revision hergeleitet werden.
II.
- 9
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (abgedruckt bei ZIP 2014, 186) ausgeführt:
- 10
- 1. Die Berufung des Beklagten habe insoweit Erfolg, als der Klägerin wegen der von ihm hilfsweise erklärten Aufrechnung kein Anspruch auf Feststellung von Mietansprüchen für den Zeitraum vom 22. September 2010 bis 31. Dezember 2010 zustehe.
- 11
- Der Mietvertrag sei zwischen der Klägerin und der Schuldnerin zustande gekommen, weil es sich bei der Benennung der Brüder R. als Vermieter ausweislich der Zeugenbekundungen um eine rechtlich nicht bedeutsame Falschbezeichnung handele. Der Wille sämtlicher Vertragsschließender sei darauf gerichtet gewesen, ein Mietverhältnis mit der Klägerin zu begründen.
- 12
- Da das Mietverhältnis auch nach Insolvenzeröffnung zunächst fortgedauert habe, stehe der Klägerin ab dem 22. September 2010 bis zur Beendigung des Mietvertrages am 31. Dezember 2010 eine monatliche Miete von 29.036 € zu. Entgegen der Auffassung des Beklagten finde § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auf die nach Verfahrenseröffnung entstehenden Mietforderungen keine Anwendung. Mieten für die Zeit nach Verfahrenseröffnung stellten keine Insolvenzforderungen dar. Der Beklagte könne sich im Übrigen nicht auf § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO berufen. Der von dieser Vorschrift vorausgesetzte Aussonderungsanspruch fehle, weil die Klägerin eine Kündigung des Mietverhältnisses nicht ausgesprochen habe.
- 13
- Dem Beklagten stünden infolge Insolvenzanfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO Rückgewähransprüche hinsichtlich der für die Monate Dezember 2009 bis einschließlich März 2010 geleisteten Mietzahlungen zu, die sich auf 116.144 € beliefen und mithin die Mietforderungen der Klägerin überstiegen. Einem Darlehen entsprächen sämtliche rechtlich oder auch nur faktisch gestundeten Forderungen, weil jede Stundung bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Darlehensgewährung bewirke. Da der Mietvertrag durch die bis zum 15. Werktag jeden Monats vorgesehene Zahlung eine Art Stundung gewähre, könne nur noch eine Karenzfrist von einer Woche hinzugegeben werden, nach deren Ablauf von einem Stehenlassen der Mietforderung auszugehen sei. Unter Berücksichtigung der Zahlungstermine der letzten fünf Monate vor Stellung des Insolvenzantrages ergebe sich, dass die Mietforderungen für die Monate Dezember 2009 bis März 2010 den Charakter eines Gesellschafterdarlehens angenommen hätten. Die Klägerin unterliege als mittelbare Gesellschafterin der Regelung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Bei dieser Sachlage berufe sich der Beklagte mit Erfolg auf eine Aufrechnung.
- 14
- 2. Die Berufung der Klägerin sei unbegründet, weil ihr keine Ansprüche auf Nutzungsentschädigung gemäß § 546a BGB in Verbindung mit § 55 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 InsO für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 8. August 2011 zustünden. Ein Nutzungsentschädigungsanspruch entstehe bereits dann als Masseverbindlichkeit , wenn der Insolvenzverwalter seiner Rückgabepflicht nicht nachkomme. Die Rückgabe des ungeräumten Mietobjekts erfülle nur den Tatbestand der Vorenthaltung, wenn der Verwalter den vertragswidrigen Zustand selbst zu verantworten habe. Der Beklagte habe als endgültiger Verwalter keinen Besitz an dem Mietobjekt begründet. Selbst ein von dem Beklagten als vorläufiger Verwalter durch auf die Wiederaufnahme der Produktion gerichtete Weisungen ausgeübter Besitz habe nicht über die vor Verfahrenseröffnung erfolgte Betriebsstilllegung hinaus gewirkt. Der Beklagte habe als endgültiger Verwalter keinen vertragswidrigen Zustand herbeigeführt.
- 15
- Auch ein Anspruch aus § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO, der einen fortdauernden Gebrauch der Mietsache durch den Verwalter voraussetze, bestehe nicht. Der Beklagte habe das Mietobjekt nach Verfahrenseröffnung nicht mehr für die Masse genutzt. Allein die Lagerung unverkäuflichen Styropors stelle keine Nutzung dar.
III.
- 16
- Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten rechtlicher Prüfung stand. Auf die teilweise begründete Revision der Klägerin ist das Ersturteil im Wesentlichen wiederherzustellen, während die Revision des Beklagten insgesamt ohne Erfolg bleibt. Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Beklagten und dem damit verbundenen Vollstreckungsverbot (§ 210 InsO) können die hier in Rede stehenden Masseverbindlichkeiten (§ 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO) nicht mehr durch eine Leistungsklage, sondern nur noch im Wege der Feststellungsklage verfolgt werden (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2003 - IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358, 363).
- 17
- Zugunsten der Klägerin sind auf ihre Revision für den Zeitraum vom 22. September 2010 bis 31. Dezember 2010 in Einklang mit dem Ersturteil, das infolge eines Rechenfehlers einen Betrag von 95.840,80 € zugrunde gelegt hat, Mietforderungen über 95.818,83 € festzustellen.
- 18
- 1. Zu Unrecht wendet sich die Revision des Beklagten gegen die Würdigung des Berufungsgerichts, wonach der Mietvertrag zwischen der Klägerin und der Schuldnerin zustande gekommen ist.
- 19
- a) Da der Wille der Vertragsschließenden darauf gerichtet war, einen Mietvertrag zwischen der Klägerin und der Schuldnerin zu begründen, ist es unschädlich, dass die Vertragsurkunde anstelle der Klägerin die Brüder R. als Vermieter ausweist.
- 20
- aa) Das Berufungsgericht hat nach Vernehmung von Zeugen auf der Grundlage einer tatrichterlichen Würdigung angenommen, dass entgegen dem Inhalt des schriftlichen Mietvertrages nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsschließenden ein Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Schuldnerin gewollt war. Die Auslegung eines Vertrages ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Regeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder ob sie auf einem Verfahrensfehler beruht, indem unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften wesentliches Auslegungsmaterial außer Acht gelassen wurde (BGH, Urteil vom 11. September 2002 - XII ZR 187/00, WM 2003, 393, 394). Derartige Rechtsfehler lässt die Beweiswürdigung nicht erkennen. Für ihre Richtigkeit spricht zudem der Umstand, dass der Vertrag über einen längeren Zeitraum in der Weise praktiziert wurde, dass die Schuldnerin insbesondere durch die Zahlung der Mieten die Klägerin als ihre Vermieterin behandelte (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1999 - XII ZR 313/98, WM 2000, 539, 542). Schließlich wird die Aus-legung - was die Revision des Beklagten verkennt - nicht dadurch rechtlich in Frage gestellt, dass die Grundstücke und die mitvermieteten Betriebsanlagen im Eigentum der Brüder R. und nicht der Klägerin standen. Wie sich schon aus den §§ 540, 565 BGB erschließt, muss der Vermieter nicht mit dem Eigentümer der Mietsache personenidentisch sein (MünchKomm-BGB/Häublein, 6. Aufl., § 535 Rn. 40).
- 21
- bb) Bei dieser Sachlage ist es ohne Bedeutung, dass der schriftliche Mietvertrag nicht die Klägerin, sondern die Brüder R. als Vermieter benennt. Dabei handelt es sich um eine unschädliche Falschbezeichnung (falsa demonstratio; vgl. Lindner-Figura in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete , 3. Aufl., Kap. 5 Rn. 102 mwN). Für den Inhalt eines Vertrages ist der übereinstimmende Wille der Beteiligten maßgebend, selbst wenn die Erklärungen objektiv eine andere Bedeutung haben sollten, so dass ein unbefangener Dritter ihnen einen anderen Sinn beilegen würde (BGH, Urteil vom 26. April 1978 - VIII ZR 236/76, BGHZ 71, 243, 247). Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinn verstanden, so geht der wirk- liche Wille dem Wortlaut vor (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2001 - V ZR 65/01, NJW 2002, 1038, 1039).
- 22
- cc) Neben der Klägerin verkörperte im Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch die als GmbH & Co. KG in Gründung befindliche Schuldnerin eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Da der Geschäftswille der Brüder R. als vertretungsberechtigter Geschäftsführer beider Gesellschaften (§§ 714, 709 Abs. 1 BGB) auf den Abschluss eines Mietvertrages zwischen der Klägerin und der Schuldnerin gerichtet war, hindert die Falschbezeichnung auf der Vermieterseite nicht das Zustandekommen eines gültigen Vertrages.
- 23
- Die durch Gesellschaftsvertrag vom 30. Dezember 2008 errichtete, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 2. Januar 2009 noch nicht in das Handelsregister eingetragene Schuldnerin bildete als künftige Kommanditgesellschaft in der Gründungsphase eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (vgl. Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 177a Anh. A Rn. 42), die grundsätzlich von den Gesellschaftern als gemeinschaftlichen Geschäftsführern vertreten wird (§§ 714, 709 Abs. 1 BGB). Für die in Aussicht genommene Kommanditgesellschaft ergab sich jedoch aus § 170 HGB, dass der Kommanditist an der Vertretung und Geschäftsführung nicht zu beteiligen ist. Handelt es sich - wie hier - um eine als Kommanditgesellschaft gegründete, zunächst lediglich den §§ 705 ff BGB unterliegende Gesellschaft bürgerlichen Rechts, gilt die für die Kommanditgesellschaft gewollte Geschäftsführungs- und Vertretungsregelung kraft der getroffenen Vereinbarung ebenso (BGH, Urteil vom 29. November 1971 - II ZR 181/68, WM 1972, 21, 22; OLG Hamm, NZG 2011, 300, 301 mwN). Mithin wurde die Schuldnerin alleine durch ihre KomplementärGmbH und diese durch die Brüder R. als ihre Geschäftsführer vertreten (§ 125 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB, § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Darum ist die Willensrichtung des Kommanditisten S. , der den Vertrag auf Seiten der Schuldnerin neben den Brüdern R. mitunterzeichnet hat, entgegen der Auffassung der Revision des Beklagten rechtlich nicht von Bedeutung. Soweit die Brüder R. für beide Seiten rechtsgeschäftlich tätig wurden, steht der Wirksamkeit des Vertrages nicht § 181 BGB entgegen, weil sie als Geschäftsführer der Schuldnerin und deren Komplementär-GmbH von den Bindungen des § 181 BGB befreit waren (vgl. MünchKomm-BGB/Schramm, 6. Aufl., § 181 Rn. 47; Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, aaO Rn. 228).
- 24
- b) Ungeachtet der Falschbezeichnung ist das Schriftformerfordernis des § 550 Satz 1 BGB erfüllt.
- 25
- aa) Die nach dieser Vorschrift zu beachtende Schriftform ist nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrages notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere den Mietgegenstand, die Miete sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses, aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt (BGH, Urteil vom 30. April 2014 - XII ZR 146/12, NJW 2014, 2102 Rn. 23 mwN). Diesen Anforderungen ist hinsichtlich der Klägerin nicht genügt, weil die Mietvertragsurkunde die Brüder R. als Vermieter anführt. Eine abstrakte Beschreibung, die auf die Klägerin als Vermieterin hindeutet, ist nicht verwendet worden (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2005 - XII ZR 233/03, WM 2006, 499, 500).
- 26
- bb) Die Benennung der Brüder R. anstelle der Klägerin ist jedoch unschädlich, weil zwischen den Vertragspartnern feststand, dass tatsächlich die Klägerin in die Vermieterstellung einrücken sollte. Im Falle einer versehentlichen Falschbezeichnung (falsa demonstratio) gilt nicht das fehlerhaft Er- klärte, sondern das wirklich Gewollte. Dieser Grundsatz ist auch auf formgebundene Geschäfte anzuwenden (BGH, Urteil vom 25. März 1983 - V ZR 268/81, BGHZ 87, 150, 152 f; vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06, WM 2008, 1037 Rn. 12 mwN). Erweist sich der wahre Wille als ausschlaggebend, ist es entgegen der Auffassung der Revision des Beklagten ohne Bedeutung, dass die Brüder R. in der Vertragsurkunde auf Vermieterseite benannt wurden und für die Klägerin keinen schriftlichen Vertretungswillen zum Ausdruck gebracht haben.
- 27
- 2. Das zwischen der Klägerin und der Schuldnerin geschlossene Mietverhältnis währte, was die Revision des Beklagten ohne Erfolg beanstandet, ungeachtet der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin in vollem Umfang bis zur kündigungsbedingten Beendigung am 31. Dezember 2010 fort.
- 28
- a) Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume bestehen gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Das Mietverhältnis wird folglich nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet. § 108 Abs. 1 InsO verdrängt insoweit § 103 Abs. 1 InsO (BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 - IX ZR 136/13, WM 2014, 1239 Rn. 8; vom 9. Oktober 2014 - IX ZR 69/14, WM 2014, 2187 Rn. 8 mwN). Die Regelung des § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO ist unabhängig davon anwendbar, ob der Schuldner als Vermieter/Verpächter oder - wie hier - als Mieter/Pächter an dem Rechtsverhältnis beteiligt ist (vgl. HK-InsO/Marotzke, 7. Aufl., § 108 Rn. 4).
- 29
- b) Das Vertragsverhältnis der Klägerin mit der Schuldnerin wirkte nach Verfahrenseröffnung auch weiter, soweit die Vermietung neben unbeweglichen Gegenständen und Räumen als bewegliche Gegenstände einzuordnende Betriebsanlagen betraf.
- 30
- aa) Der Regelungsinhalt des § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO beschränkt sich auf Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume. Miet- und Pachtverträge über bewegliche Gegenstände werden hingegen nicht von § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO erfasst, sondern sind - sofern nicht der Sonderfall des § 108 Abs. 1 Satz 2 InsO vorliegt - gemäß § 103 InsO abzuwickeln (HmbKomm-InsO/Pohlmann-Weide, 5. Aufl., § 108 Rn. 4b). Betrifft ein Mietverhältnis unbewegliche und bewegliche Gegenstände, ist § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO für den gesamten Vertrag maßgeblich, wenn die Vermietung des unbeweglichen Gegenstandes den Schwerpunkt des Vertrages ausmacht (vgl. BGH, Urteil vom 5. April 1978 - VIII ZR 42/77, BGHZ 71, 189, 191; vom 5. Juli 2007 - IX ZR 185/06, BGHZ 173, 116 Rn. 11; Jaeger/Jacoby, InsO, § 108 Rn. 46; MünchKomm-InsO/Eckert, 3. Aufl., § 108 Rn. 19).
- 31
- bb) Im Streitfall findet der Vertrag in der Vermietung unbeweglicher Gegenstände sein wesentliches Gepräge. Nach dem Inhalt des Mietvertrages, der die Maschinenmiete nur nachrangig erwähnt, steht die Vermietung von Lagerhallen , Büroräumen und Lagerflächen ganz im Vordergrund. Für diese Mietge- genstände war eine monatliche Nettomiete von 20.400 € vereinbart, während die Nettomiete für die Maschinen lediglich 4.000 € monatlich, also nur rund ein Fünftel, betrug. Infolge der schwerpunktmäßig ausbedungenen Hauptleistungspflicht der Vermietung von Räumlichkeiten beurteilt sich das gesamte Vertragsverhältnis nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO. Mithin ist es entgegen der Revision des Beklagten ohne Bedeutung, ob die Maschinen als wesentliche Bestandteile des Grundstücks (§§ 93, 94 BGB) anzusehen sind.
- 32
- 3. Ebenso greift die von dem Beklagten mit seiner Revision erhobene Rüge nicht durch, die nach Verfahrenseröffnung zugunsten der Klägerin begründeten Mieten bildeten nachrangige Forderungen im Sinne von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Vielmehr handelt es sich dabei in Einklang mit der Würdigung des Vordergerichts um Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2, § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO). Alle Auslegungsversuche, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO einen Anspruch des Insolvenzverwalters auf unentgeltliche Gebrauchsüberlassung zu entnehmen, entbehren einer tragfähigen Grundlage.
- 33
- a) Ansprüche aus einem gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO nach Insolvenzeröffnung fortbestehenden Mietverhältnis sind Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO), wenn - wie hier - ihre Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - IX ZR 9/12, WM 2013, 138 Rn. 10; vom 9. Oktober 2014 - IX ZR 69/14, WM 2014, 2187 Rn. 8). Ansprüche für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Vermieter dagegen gemäß § 108 Abs. 3 InsO nur als Insolvenzgläubiger geltend machen (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012, aaO). Die im Streit stehenden, nach Verfahrenseröffnung erwachsenen Mietforderungen stellen darum Masseverbindlichkeiten dar. Die Vorschrift des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO belegt vor Verfahrenseröffnung erzeugte Gesellschafterforderungen unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Nachrang. Da es sich vorliegend um nach Verfahrenseröffnung entstandene, den Regelungen der §§ 103 ff InsO zuzuordnende (BT-Drucks. 16/6140, S. 56) Masseverbindlichkeiten handelt, ist § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO aus rechtssystematischen Erwägungen nicht einschlägig (vgl. Rühle, ZIP 2009, 1358, 1359).
- 34
- b) Auch nach seinem Sinn und Zweck findet § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auf nach Verfahrenseröffnung zugunsten eines Gesellschafters aus einem Mietver- hältnis hervorgegangene Masseverbindlichkeiten keine Anwendung. Ein Anspruch des Insolvenzverwalters auf unentgeltliche Nutzung seitens des Gesellschafters überlassener Betriebsmittel ist abweichend von dem früheren Eigenkapitalersatzrecht auf der Grundlage des durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026) neu gestalteten Rechts nicht mehr anzuerkennen.
- 35
- aa) Das durch das MoMiG außer Kraft gesetzte Eigenkapitalersatzrecht (§ 32a Abs. 3 GmbHG aF) gewährte dem Insolvenzverwalter einer Gesellschaft im Falle einer kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung nach Verfahrenseröffnung ein Recht auf unentgeltliche Nutzung gegen den Gesellschafter.
- 36
- (1) Ebenso wie eine Darlehensgewährung konnte eine Nutzungsüberlassung von Grundstücken oder anderen Wirtschaftsgütern der insolvenzreifen Gesellschaft ermöglichen, ihren Geschäftsbetrieb fortzusetzen, weil ein außenstehender Dritter ihr weder die Nutzung des Wirtschaftsguts noch einen Kredit zu dessen Ankauf zur Verfügung stellen würde. In einem solchen Falle verhinderte der Gesellschafter durch die Gebrauchsüberlassung des benötigten Wirtschaftsguts die andernfalls nicht abzuwendende Liquidation der Gesellschaft ebenso wirkungsvoll, wie wenn er dieser durch die darlehensweise Überlassung der erforderlichen Zahlungsmittel ermöglicht hätte, die Investition selbst durchzuführen. Daher war von der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit von Darlehensund Gebrauchsüberlassung im Sinne des § 32a Abs. 3 GmbHG aF auszugehen (BGH, Urteil vom 16. Oktober 1989 - II ZR 307/88, BGHZ 109, 55, 58 f; vom 28. Mai 2013 - II ZR 83/12, WM 2013, 1646 Rn. 11 mwN). Gegenstand des Eigenkapitalersatzes war das der Gesellschaft eingeräumte Nutzungsrecht.
- 37
- (2) Als Rechtsfolge der kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung durfte der Gesellschafter, der die Gesellschaft weder liquidiert, noch ihr neues haftendes Kapital zuführt, sondern durch die fortdauernde Gebrauchsüberlassung das Überleben der GmbH ermöglicht, von der Gesellschaft das vereinbarte Nutzungsentgelt so lange nicht fordern, wie dieses nicht aus ungebundenem Vermögen der Gesellschaft bezahlt werden konnte (BGH, Urteil vom 7. Dezember 1998 - II ZR 382/96, BGHZ 140, 147, 149 f mwN). Der Insolvenzverwalter konnte nach Verfahrenseröffnung verlangen, dass ihm das vermietete oder verpachtete Grundstück für die Zwecke des Insolvenzverfahrens für die vereinbarte oder für die - im Falle der Vereinbarung einer nicht hinnehmbar kurzen, den Gepflogenheiten auf dem entsprechenden Markt widersprechenden Frist - übliche Zeit überlassen blieb (BGH, aaO S. 150; Urteil vom 28. Mai 2013, aaO jeweils mwN). Mangels einer Zahlungspflicht der Gesellschaft kam eine fristlose Kündigung des Vertrages wegen Zahlungsverzuges nicht in Betracht (Gehrlein in Gehrlein/Witt/Volmer, GmbH-Recht in der Praxis, 3. Aufl., 9. Kap. Rn. 93). Zu dem Kreis der Verpflichteten gehörten auch mittelbare Gesellschafter (BGH, Urteil vom 28. Mai 2013, aaO mwN).
- 38
- bb) Nach dem verlautbarten Willen des Gesetzgebers ist infolge der Beseitigung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG der Anspruch des Insolvenzverwalters gegen den Gesellschafter auf unentgeltliche Nutzung eines überlassenen Wirtschaftsguts entfallen.
- 39
- Zwar wird durch die Formulierung "Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen" in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO die Vorschrift des § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG aF in personeller und sachlicher Hinsicht übernommen. Der Gesetzgeber hat indes betont, dass hinsichtlich der in diesem Zusammenhang bislang unter dem Stichwort der eigen- kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung diskutierten Fallgruppe die Neuregelungen nicht ohne Auswirkungen bleiben, soweit die Rechtsprechung in diesen Fällen bislang aufgrund einer Umqualifizierung der Leistung in Eigenkapital eine Verpflichtung des Gesellschafters annahm, der Gesellschaft das Wirtschaftsgut unentgeltlich zu belassen. Diese Begründung für eine von den Grundregeln der §§ 103 ff InsO abweichenden Rechtsfolge findet in der Neuregelung keine Entsprechung , weil diese nach ihrer Systematik nicht mehr an einen eigenkapitalersetzenden Charakter der Leistung anknüpft und die Insolvenz der Gesellschaft keine Auswirkungen auf die Eigentümerstellung des Gesellschafters hinsichtlich des überlassenen Gegenstandes hat. Eine ausdrückliche Klarstellung in einem solchen Sinne, dass nämlich im Falle einer Nutzungsüberlassung die Kreditgewährung nur das Entgelt betreffe, nicht aber in der Nutzungsüberlassung selbst liegen könne, erachtete der Gesetzgeber als nicht geboten (BTDrucks. 16/6140, S. 56).
- 40
- cc) Sie wäre in der Tat überflüssig. Die Vorschrift des § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG ordnet in Abkehr von dem früheren Rechtszustand an, dass Gesellschafterdarlehen und Leistungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen, nicht der Kapitalbindung des § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG unterliegen. Zugleich wurden §§ 32a, 32b GmbHG aF als Grundvorschriften des Eigenkapitalersatzrechts aufgehoben und der inhaltlich darauf bezogene § 135 Abs. 1 InsO des Tatbestandsmerkmals "kapitalersetzend" entkleidet. Diese Gesetzesänderungen verdeutlichen, dass Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Leistungen einschließlich einer Nutzungsüberlassung nicht wie haftendes Eigenkapital zu behandeln sind (vgl. Rowedder /Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, 5. Aufl., § 30 Rn. 78 ff). Stellt eine Nutzungsüberlassung keine Kreditgewährung dar (BT-Drucks. 16/6140, aaO), können von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, der seinen Geltungsbereich auf einem Darle- hen gleichgestellte Forderungen erstreckt, Nutzungen nicht erfasst werden. Damit kann ein Anspruch des Insolvenzverwalters auf unentgeltliche Gebrauchsüberlassung nicht aus § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO hergeleitet werden (Preuß in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 135 Rn. 41; Schröder, Die Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG, 2012, Rn. 174; GrafSchlicker /Neußner, InsO, 4. Aufl., § 135 Rn. 36; Ulmer/Habersack, GmbHG Ergänzungsband MoMiG, § 30 Rn. 61; MünchKomm-InsO/Gehrlein, 3. Aufl., § 135 Rn. 45; Schmidt, InsO, 18. Aufl., § 135 Rn. 31; ders. in Festschrift Wellensiek , 2011, S. 551, 554, 557 f; Scholz/Bitter, GmbHG, 11. Aufl., Anh. § 64 Rn. 340; ders., ZIP 2010, 1, 6; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 328; Rühle, ZIP 2009, 1358, 1359 f; aA Haas, ZInsO 2007, 617, 623 f; Marotzke, ZInsO 2009, 2073 f; Hölzle, ZIP 2009, 1939, 1946).
- 41
- c) Abweichendes kann dem gegen Ende des Gesetzgebungsverfahrens eingefügten § 135 Abs. 3 Satz 1 und 2 InsO nicht entnommen werden.
- 42
- aa) Diese Bestimmung sieht zu Lasten des Gesellschafters für Gegenstände , die zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung sind, eine Aussonderungssperre von längstens einem Jahr verbunden mit einem Ausgleichsanspruch vor, der sich auf den Durchschnitt der vor Verfahrenseröffnung tatsächlich gezahlten Vergütung ermäßigt (BT-Drucks. 16/9737, S. 59). Da diese Regelung auf die Bedeutung des Gegenstandes für die Betriebsfortführung und nicht mehr auf die das Eigenkapitalersatzrecht prägende Gleichsetzung von Darlehensgewährung und Nutzungsüberlassung abstellt , verbietet sich jede Auslegung, die auf eine auch nur begrenzte Fortschreibung des Eigenkapitalersatzrechts hinausläuft (vgl. Preuß in Kübler /Prütting/Bork, InsO, 2013, § 135 Rn. 39; Schröder, aaO). Dies unterstreicht der weitere Umstand, dass der Nutzungsanspruch gemäß § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO im Gegensatz zum Eigenkapitalersatzrecht jedenfalls grundsätzlich entgeltlich ausgestaltet ist.
- 43
- bb) Entsprechend diesem Verständnis hat der Gesetzgeber bei der nachträglichen Einführung des § 135 Abs. 3 InsO in Einklang mit dem bei Einbringung des MoMiG geäußerten Regelungsziel der Abschaffung des Kapitalersatzrechts (BT-Drucks. 16/6140, S. 42, 56) ausdrücklich bekräftigt, dass die dogmatische Grundlage der bisherigen Rechtsprechung zur eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung entfallen ist (BT-Drucks. 16/9737, aaO; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 328). Wurde das Eigenkapitalersatzrecht gänzlich beseitigt, kann auch aus § 135 Abs. 3 Satz 1 und 2 InsO ein Anspruch der insolventen Gesellschaft auf unentgeltliche Nutzungsüberlassung gegen den Gesellschafter , dem der Gesetzgeber kein Sonderopfer abverlangt (BT-Drucks., aaO), nicht gefolgert werden. Demnach trifft § 135 Abs. 3 Satz 1 und 2 InsO keine Aussage über die Abwertung von nach Verfahrenseröffnung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu zahlendem Nutzungsentgelt.
- 44
- 4. Schließlich dringt die Revision des Beklagten nicht durch, soweit sie nach Maßgabe des § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO eine Minderung des Vergütungsanspruchs der Klägerin auf den Durchschnitt des im letzten Jahr von der Schuldnerin tatsächlich Geleisteten verlangt. Die Vorschrift ist mangels Erhebung eines Aussonderungsanspruchs durch die Klägerin nicht einschlägig.
- 45
- a) Allerdings ist § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO nicht schon deshalb unanwendbar , weil die Klägerin selbst keine Gesellschafterin der Schuldnerin ist.
- 46
- aa) Der Nachrang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO erfasst Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Forderungen aus Rechtshand- lungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. Die Sicherung und Befriedigung einer Forderung im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterwirft § 135 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO der Anfechtung. Auch wenn Rechtshandlungen Dritter in § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 135 Abs. 1 InsO nicht ausdrücklich erwähnt werden, sollte durch die tatbestandliche Einbeziehung gleichgestellter Forderungen in diese Vorschriften der Anwendungsbereich des § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG aF auch in personeller Hinsicht übernommen werden (BT-Drucks. 16/6140, S. 56). Von der Neuregelung werden daher auch Rechtshandlungen Dritter erfasst, welche der Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter wirtschaftlich entsprechen. Dies gilt insbesondere für Darlehen verbundener Unternehmen (BGH, Urteil vom 17. Februar 2011 - IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363 Rn. 10; vom 21. Februar 2013 - IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220 Rn. 14 ff; vom 18. Juli 2013 - IX ZR 219/11, BGHZ 198, 64 Rn. 23).
- 47
- bb) Die Bestimmung des § 135 Abs. 3 InsO ordnet eine Aussonderungssperre für von einem Gesellschafter zum Gebrauch überlassene Gegenstände an, die zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung sind. Im Unterschied zu § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 135 Abs. 1 InsO erstreckt sich der Tatbestand des § 135 Abs. 3 InsO seinem Wortlaut nach nicht ausdrücklich auf wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlungen.
- 48
- Daraus wird bisweilen geschlossen, dass verbundene Unternehmen nicht der Regelung des § 135 Abs. 3 InsO unterliegen (Preuß in Kübler /Prütting/Bork, InsO, 2013, § 135 Rn. 44; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 329; Spliedt, ZIP 2009, 149, 156). Diesem restriktiven Verständnis kann, zumal die wünschenswerte Klarstellung lediglich infolge eines gesetzgeberischen Redaktionsversehens unterblieben ist (vgl. Schröder, Die Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG, 2012, Rn. 180), nicht beigetreten werden. Da § 135 Abs. 4 InsO auf § 39 Abs. 4 und 5 InsO verweist und diese Vorschriften mit § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO korrespondieren, ist die Auslegung vorzugswürdig, dass § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auch im Rahmen des § 135 Abs. 3 InsO Geltung beansprucht. Sie kann sich auf die weitere Erwägung stützen, dass die Einbeziehung gesellschaftergleicher Dritter, die dem Eigenkapitalersatzrecht zugrunde lag, von dem Gesetzgeber des MoMiG auch für das neue Recht ganz allgemein fortgeführt wurde (BT-Drucks. 16/6140, S. 56). Ferner manifestiert sich der Wille des Gesetzgebers, mittelbare Gesellschafter der Regelung zu unterwerfen , in dem bei Einführung des § 135 Abs. 3 InsO betonten Hinweis auf die Treuepflicht der Gesellschafter (BT-Drucks. 16/9737, S. 59), die auch für verbundene Unternehmen gilt (Schröder, aaO Rn. 179). Darum kann dem Gesamtzusammenhang des § 135 Abs. 3 InsO, der einen Gleichlauf mit den Regelungen über Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Forderungen herzustellen sucht, entnommen werden, dass auch gesellschaftergleiche Dritte erfasst werden (Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 135 Rn. 21; Schmidt, InsO, 18. Aufl., § 135 Rn. 36; Graf-Schlicker/Neußner, InsO, 4. Aufl., § 135 Rn. 37; Gottwald/Haas/Hossfeld, Insolvenzrechtshandbuch, 4. Aufl., § 92 Rn. 465; HKInsO /Kleindiek, 7. Aufl., § 135 Rn. 55 f; Fischer in Festschrift Wellensiek, 2011, S. 443, 447; Schröder, aaO Rn. 178).
- 49
- cc) Bei diesem Verständnis kann die Regelung des § 135 Abs. 3 InsO grundsätzlich auf die Klägerin als ein mit der Schuldnerin verbundenes Unternehmen angewendet werden.
- 50
- (1) Leistungen Dritter werden erfasst, wenn der Dritte bei wirtschaftlicher Betrachtung infolge einer horizontalen oder vertikalen Verbindung einem Gesellschafter gleichsteht. Die Beteiligung kann in der Weise ausgestaltet sein, dass ein Gesellschafter an beiden Gesellschaften, der die Leistung annehmen- den und der die Leistung gewährenden Gesellschaft, und zwar an der letztgenannten maßgeblich beteiligt ist (BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 219/11, BGHZ 198, 64 Rn. 24). Eine maßgebliche Beteiligung in diesem Sinn ist gegeben , wenn der Gesellschafter auf die Entscheidungen des hilfeleistenden Unternehmens , nämlich auf die Gewährung oder auf den Abzug der Leistung an das andere Unternehmen, einen bestimmenden Einfluss ausüben, insbesondere dem Geschäftsführungsorgan der Hilfe gewährenden Gesellschaft durch Gesellschafterbeschlüsse gemäß § 46 Nr. 6 GmbHG entsprechende Weisungen erteilen kann (BGH, Urteil vom 5. Mai 2008 - II ZR 108/07, WM 2008, 1164 Rn. 10; vom 28. Februar 2012 - II ZR 115/11, WM 2012, 843 Rn. 18). Dazu genügt bei einer GmbH & Co. KG eine Beteiligung von mehr als 50 vH (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2013, aaO).
- 51
- (2) Im Streitfall sind die Brüder R. an der Klägerin als die Nutzung gewährenden Gesellschaft wie auch an der Schuldnerin als die Nutzung annehmenden Gesellschaft als Mehrheitsgesellschafter beteiligt. Zwar verfügen sie einzeln nur über eine Beteiligung von genau 50 vH an der Klägerin. Eine getrennte Betrachtung der jeweiligen Beteiligungswerte würde jedoch dem Umstand nicht gerecht, dass sich die Brüder R. als Mehrheitsgesellschafter der Schuldnerin unter dem Dach der Klägerin zusammengeschlossen haben , um der Schuldnerin die benötigten Betriebsgegenstände mietweise zu überlassen. Vor diesem Hintergrund sind die Beteiligungswerte von jeweils 50 vH an der Klägerin auf 100 vH zu addieren, weil die Brüder R. die Klägerin kraft Bündelung ihrer Beteiligungen im gleichgerichteten Interesse übereinstimmend als Vermieterin der Schuldnerin eingesetzt haben (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2006 - II ZR 76/04, BGHZ 166, 8 Rn. 19; Gehrlein in Gehrlein/Witt/Volmer, GmbH-Recht in der Praxis, 3. Aufl., 9. Kap. Rn. 81). Das koordinierte Zusammenwirken der Gesellschafter ermöglicht die gemeinsame Zurechnung der wechselseitigen Beteiligungen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 2007 - II ZR 106/06, ZIP 2007, 1407; vom 26. April 2010 - II ZR 60/09, WM 2010, 1415 Rn. 5). In dem hier gegebenen Fall einer Betriebsaufspaltung bilden das Besitz- und das Betriebsunternehmen eine wirtschaftliche Einheit, die es rechtfertigt, die Mehrheitsgesellschafter beider Unternehmen der Verantwortung des § 135 Abs. 3 InsO zu unterwerfen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1992 - II ZR 298/91, BGHZ 121, 31, 34 f; vom 11. Juli 1994 - II ZR 146/92, BGHZ 127, 1, 5; Ulmer/Habersack, GmbHG, 1. Aufl., §§ 32a/b Rn. 136; Graf-Schlicker/Neußner, InsO, 4. Aufl., § 39 Rn. 27; Baumbach /Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl., § 30 Anh. Rn. 42). Mithin steht die Klägerin einer Gesellschafterin der Schuldnerin gleich.
- 52
- b) Jedoch greift § 135 Abs. 3 InsO nach seinen weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen nicht durch, weil die Klägerin kein Aussonderungsrecht gegenüber der Schuldnerin erhoben, sondern das Mietverhältnis fortgesetzt hat.
- 53
- aa) Der Gesetzgeber hat mit § 135 Abs. 3 InsO eine Regelung geschaffen , welche die Rechtsfolgen der Streichung der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung durch die Gewährung eines zeitlich beschränkten entgeltlichen Nutzungsrechts der Masse abmildern soll, das sich auf den Durchschnitt des im Jahr vor Antragstellung von der Schuldnerin an den Gesellschafter anfechtungsfrei tatsächlich Geleisteten bemisst.
- 54
- (1) Nach dieser Vorschrift kann der Gesellschafter seinen Aussonderungsanspruch während der Dauer des Insolvenzverfahrens, höchstens für eine Zeit von einem Jahr ab dessen Eröffnung, nicht geltend machen. Nach Ablauf dieser Frist ist es sachgerecht, dass der Gesellschafter die Gegenstände herausverlangen kann, während sie bis zu diesem Zeitpunkt zu den vereinbarten Bedingungen für die Fortführung des Betriebes weiterhin zur Verfügung stehen (BT-Drucks. 16/9737, S. 59). Legitimationsgrundlage für die Inanspruchnahme bildet die Treuepflicht des Gesellschafters, der es widerspräche, wenn zum Gebrauch oder zur Ausübung überlassene Gegenstände nach Verfahrenseröffnung jederzeit zurückverlangt werden könnten, obwohl diese zur Betriebsfortführung von erheblicher Bedeutung sind (BT-Drucks. aaO; Schröder, Die Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG, 2012, Rn. 173).
- 55
- (2) Die Nutzung überlassener Gegenstände erfolgt jedoch im Gegensatz zu dem vormaligen Eigenkapitalersatzrecht nicht unentgeltlich. Der Gesellschafter soll grundsätzlich dieselbe Vergütung erhalten, die ihm zuvor tatsächlich zugeflossen ist; ihm soll kein darüber hinausgehendes Sonderopfer abverlangt werden. War etwa für eine Gebrauchsüberlassung eine bestimmte Vergütung vereinbart, wurde diese jedoch nicht entrichtet, so bestimmt sich die Höhe des Ausgleichs nach dem im letzten Jahr tatsächlich vom Schuldner Geleisteten (BT-Drucks. aaO). Falls die Nutzungsdauer ein Jahr unterschreitet, ist der Durchschnitt der während dieses Zeitraums erbrachten Zahlungen zu berücksichtigen (Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 135 Rn. 23). Nach Sinn und Zweck der Vorschrift können nur solche Zahlungen bei der Bemessung des Anspruchs angerechnet werden, die der Gesellschafter trotz der Verfahrenseröffnung behalten darf. Darum haben anfechtbare Zahlungen außer Ansatz zu bleiben, weil sie dem Gesellschafter keine dauerhaft verbleibende Befriedigung gewähren (Uhlenbruck/Hirte, aaO; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 135 Rn. 51; Graf-Schlicker/Neußner, InsO, 4. Aufl., § 135 Rn. 44; HKInsO /Kleindiek, 7. Aufl., § 135 Rn. 59; MünchKomm-InsO/Gehrlein, 3. Aufl., § 135 Rn. 49; Bitter, ZIP 2010, 1, 11; Fischer in Festschrift Wellensiek, 2011, S. 443, 448 f; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 329 f; aA Gottwald/Haas/Hossfeld, Insolvenzrechtshandbuch, 4. Aufl., § 92 Rn. 474).
- 56
- (3) Abweichend von dem auf einem Redaktionsversehen beruhenden Wortlaut des § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO ist nicht der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung , sondern entsprechend den allgemeinen anfechtungsrechtlichen Grundsätzen der Zeitpunkt der Antragstellung als Stichtag der Jahresfrist für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs heranzuziehen. Diese Betrachtungsweise stellt sicher, dass entsprechend dem Willen des Gesetzgebers das von etwaigen Rechtswirkungen des Eröffnungsverfahrens unbeeinflusste tatsächliche (vgl. BT-Drucks., aaO) Zahlungsverhalten des Schuldners die Grundlage für die Bemessung des Anspruchs bildet. Handelt es sich - wie von § 135 Abs. 3 InsO vorausgesetzt - um betriebsnotwendige Gegenstände, ist nach Antragstellung mit einer Anordnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO zu rechnen (vgl. allgemein BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - IX ZR 7/09, BGHZ 183, 269 Rn. 26 ff; vom 8. März 2012 - IX ZR 78/11, WM 2012, 706 Rn. 14). Ungeachtet einer solchen Anordnung wird ein nach Antragstellung eingesetzter vorläufiger Verwalter seine Zustimmung für Zahlungen an den Gesellschafter in aller Regel - wie offenbar auch im Streitfall - versagen. Da dem faktischen Zahlungsverhalten der Gesellschaft Vorrang zukommt, ist es sachgerecht, den Anspruch nach Maßgabe der vor Antragstellung geleisteten Vergütung und damit ungeachtet verfahrensbedingter Ausfälle zu bemessen (Preuß in Kübler/ Prütting/Bork, aaO Rn. 52; Uhlenbruck/Hirte, aaO; Pape/Uhländer/SchluckAmend , InsO, § 135 Rn. 40; MünchKomm-InsO/Gehrlein, aaO; Fischer, aaO S. 448; Dahl/Schmitz, aaO S. 330; Schröder, aaO Rn. 195; ähnlich Spliedt, ZIP 2009, 149, 157, der auf die Anordnung der vorläufigen Verwaltung abstellt; aA HK-InsO/Kleindiek, aaO § 135 Rn. 58; Bitter, aaO S. 12).
- 57
- bb) Der Regelungsbereich des § 135 Abs. 3 InsO ist jedoch nicht berührt, sofern das vertragliche Nutzungsverhältnis zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft nach Verfahrenseröffnung fortbesteht. In dieser Weise verhält es sich im Streitfall, weil der Mietvertrag der Parteien über die Verfahrenseröffnung hinaus bis zum 31. Dezember 2010 weitergalt und dem Kläger deshalb bis dahin kein Aussonderungsanspruch zustand.
- 58
- (1) Dauert ein Mietverhältnis gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO über die Verfahrenseröffnung hinaus fort, kann der Vermieter von dem Insolvenzverwalter die Begleichung der vereinbarten Miete als Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2, § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO) verlangen (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - IX ZR 9/12, WM 2013, 138 Rn. 10; vom 9. Oktober 2014 - IX ZR 69/14, WM 2014, 2187 Rn. 8). Nach Streichung des Eigenkapitalersatzrechts erleidet dieser Grundsatz keine Durchbrechung, wenn ein Gesellschafter mit einer insolventen Gesellschaft durch einen über die Verfahrenseröffnung hinaus fortwirkenden Miet- oder Pachtvertrag verbunden ist. Vielmehr kann der Gesellschafter auch nach Verfahrenseröffnung die vereinbarte vertragliche Miete als Masseverbindlichkeit beanspruchen (vgl. BT-Drucks. 16/6140, S. 56; BTDrucks. 16/9737, S. 59).
- 59
- (2) Endet hingegen der Miet- oder Pachtvertrag, darf der Gesellschafter den ihm an dem Nutzungsrecht zustehenden Aussonderungsanspruch gemäß § 135 Abs. 3 Satz 1 InsO für die Dauer von höchstens einem Jahr nicht geltend machen, wenn der Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung ist. Als Gegenleistung für die der Vorschrift des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO nahestehende (vgl. BT-Drucks. 16/9737, aaO) Aussonderungssperre ist dem Gesellschafter gemäß § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO ein Ausgleich zu leisten, der dem Durchschnitt der im letzten Jahr vor Antragstellung erbrachten Vergütung entspricht. Da mit der Regelung des § 135 Abs. 3 InsO eine Ausgleichspflicht für eine vertragslose Zeitspanne geschaffen wird, begründet die Norm ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Gesellschafter und der Masse (Fischer in Festschrift Wellensiek, 2011, S. 443, 446; MünchKomm-InsO/Gehrlein, 3. Aufl., § 135 Rn. 45).
- 60
- (3) Fehlt es an einem Aussonderungsrecht, ist § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO unanwendbar und das volle vertraglich vereinbarte Nutzungsentgelt geschuldet. Dieses Verständnis entspricht - was die Revision des Beklagten verkennt - dem Willen des Gesetzgebers. Dieser hat in Einklang mit § 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2, § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO ausdrücklich hervorgehoben, dass das vertragliche Nutzungsverhältnis zwischen dem Gesellschafter und der Schuldnerin nach Verfahrenseröffnung auf der Grundlage der §§ 103 ff InsO fortwirkt (vgl. BTDrucks. 16/6140, S. 56). Bei Schaffung des § 135 Abs. 3 InsO hat der Gesetzgeber ausgeführt, dass aus dieser Vorschrift begründete Entgeltansprüche Masseverbindlichkeiten darstellen (BT-Drucks. 16/9737, S. 59). Diese Äußerung , die sich nach dem Sachzusammenhang ersichtlich nicht mit dem vertraglichen Nutzungsentgelt befasst, ist dahin zu verstehen, dass auch die Vergütung aus dem durch § 135 Abs. 3 InsO geschaffenen gesetzlichen Nutzungsverhältnis eine Masseverbindlichkeit bildet.
- 61
- Ergänzend hat der Gesetzgeber erläutert, dass der Entgeltanspruch aus § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO grundsätzlich "auch dann" besteht, wenn der Insolvenzverwalter die weitere Nutzung des Vermögensgegenstandes beansprucht, an dem Vertragsverhältnis aber nicht festhalten will und von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch macht (BT-Drucks. 16/9737, aaO). Die von dem Gesetzgeber angesprochene Notwendigkeit einer Kündigung verdeutlicht, dass der geminderte Entgeltanspruch nur im Rahmen des gesetzlichen Schuldverhältnisses maßgeblich und deshalb an die - gleich ob von dem Gesellschafter oder dem Insolvenzverwalter veranlasste - Beendigung des Nutzungsvertrages geknüpft ist. Während der Laufzeit des Vertrages bleibt folgerichtig die vertragliche Vergütungsvereinbarung wirksam. Durch den Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht wird dem Insolvenzverwalter ein Weg vorgezeichnet, in Ausübung dieses Gestaltungsrechts den Nutzungsvertrag zu beenden und den Entgeltanspruch auf den Durchschnitt des vor Verfahrenseröffnung Geleisteten zu senken. Es wäre nicht einsichtig, warum der Insolvenzverwalter zwecks Reduzierung der Vergütung das Nutzungsverhältnis kündigen müsste, wenn er nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch vertraglich nur das geminderte Entgelt schuldet. Vielmehr folgt daraus im Gegenschluss, dass der vertragliche Vergütungsanspruch , zu dem der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO keine Regelung treffen wollte, unangetastet bleibt. Darum ist während der Vertragslaufzeit das volle vereinbarte Entgelt als Masseverbindlichkeit zu erbringen.
- 62
- (4) Für dieses Verständnis spricht auch der Ausnahmecharakter des § 135 Abs. 3 InsO, der eine nach Streichung des Eigenkapitalersatzrechts entstandene Schutzlücke zu schließen sucht, indem das Aussonderungsrecht des Gesellschafters im Blick auf solche Gegenstände, die für die Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung sind, beschränkt wird (vgl. BTDrucks. 16/9737, S. 59). Die Vorschrift gilt schon in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich nicht für jedes Aussonderungsgut. Die Vorschrift ist nicht einschlägig , wenn - wie im Streitfall - der Betrieb stillgelegt wird (Preuß in Kübler /Prütting/Bork, InsO, 2013, § 135 Rn. 47; Schmidt, InsO, 18. Aufl., § 135 Rn. 43). Als auf Aussonderungssachverhalte über betriebsnotwendige Gegenstände bezogene Ausnahmevorschrift ist § 135 Abs. 3 InsO einer erweiterten Auslegung auf Sachverhalte, in denen weder eine Betriebsfortführung beabsichtigt noch ein Aussonderungsanspruch erhoben wird, nicht zugänglich (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2010 - IX ZR 212/09, WM 2010, 1986 Rn. 35).
- 63
- (5) Mithin setzt die Ermäßigung des Entgeltanspruchs gemäß § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO voraus, dass das vertragliche Besitzrecht der Gesellschaft beendet ist. Der Insolvenzverwalter hat nach dem Gesetzeswortlaut und den Gesetzesmaterialien, die ihm zwecks Minderung des Entgelts eine Kündigung des Nutzungsverhältnisses ansinnen (BT-Drucks. 16/9737, S. 59), gerade nicht die Möglichkeit, das Nutzungsverhältnis dauerhaft fortzuführen und während des ersten Jahres die nach § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO ermäßigte Vergütung zu entrichten. Vielmehr sieht § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO ein reduziertes Nutzungsentgelt nur vor, wenn der Gesellschafter seinen Aussonderungsanspruch spätestens nach einem Jahr durchsetzen kann. Allein auf der Grundlage des nach Beendigung des vertraglichen Nutzungsverhältnisses durch § 135 Abs. 3 InsO zwischen der Masse und dem Gesellschafter errichteten gesetzlichen Schuldverhältnisses kommt eine Minderung der Vergütung in Betracht (Schmidt, DB 2008, 1727, 1732 f; ders., InsO, 18. Aufl., § 135 Rn. 37, 42; HK-InsO/Kleindiek, InsO, 7. Aufl., § 135 Rn. 51; Fischer in Festschrift Wellensiek, 2011, S. 443, 446; Ulmer/Habersack, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, § 30 Rn. 62; GrafSchlicker /Neußner, InsO, 4. Aufl., § 135 Rn. 39; Schröder, Die Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG, 2012, Rn. 199; HmbKommInsO /Schröder, 5. Aufl., § 135 Rn. 56; MünchKomm-InsO/Gehrlein, 3. Aufl., § 135 Rn. 45, 50; Rühle, ZIP 2009, 1358, 1361 f; aA Jaeger/Jacoby, InsO, § 108 Rn. 174; Scholz/Bitter, GmbHG, 11. Aufl., Anh. § 64 Rn. 348; ders., ZIP 2010, 1, 13; Hirte, ZInsO 2008, 689, 693 f; Spliedt, ZIP 2009, 149, 157 f; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 329).
- 64
- 5. Die verspäteten Mietzahlungen der Schuldnerin an die Klägerin sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar. Deshalb greift die von dem Beklagten erklärte Aufrech- nung gegen die Masseverbindlichkeit nicht durch. Folglich ist die Klagesumme nicht um einen Betrag in Höhe von 116.144 € zu kürzen.
- 65
- a) Die Zahlung eines vertraglichen Nutzungsentgelts kann gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht als Befriedigung einer Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens, sondern nur als Befriedigung einer einem Darlehen gleichgestellten Forderung angefochten werden.
- 66
- aa) Die Vorschrift des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterwirft neben Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens auch Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, dem insolvenzrechtlichen Nachrang. Die einheitliche rechtliche Behandlung von Darlehen und gleichgestellten Forderungen entspricht dem früheren Eigenkapitalersatzrecht. Insoweit wird § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG aF von § 135 Abs. 1 Nr. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in sachlicher Hinsicht übernommen (BT-Drucks. 16/6140, S. 56). Der nach Verfahrenseröffnung eingreifende Nachrang wird im Vorfeld der Insolvenz durchgesetzt, indem Rückzahlungen auf Darlehen und gleichgestellte Forderungen gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung ausgesetzt sind. Die Anfechtbarkeit erfasst sowohl die Befriedigung von Gesellschafterdarlehen als auch ihnen wirtschaftlich entsprechenden Forderungen (vgl. Schmidt, InsO, aaO § 135 Rn. 13; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 135 Rn. 15; HmbKomm-InsO/Schröder, aaO § 135 Rn. 19 ff; Uhlenbruck /Hirte, InsO, 13. Aufl., § 135 Rn. 7; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 135 Rn. 3).
- 67
- bb) Kreditrückzahlungen unterliegen gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO als Befriedigung einer Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens ohne zusätzliche tatbestandliche Voraussetzungen der Anfechtung. Werden von der Gesell- schaft hingegen Nutzungsentgelte entrichtet, greift § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO wegen der abweichenden Forderungsart nicht unter dem Gesichtspunkt der Rückgewähr eines Darlehens durch.
- 68
- (1) Im Schrifttum wird die Anfechtbarkeit der Befriedigung von Nutzungsentgelten teilweise auch für den Fall befürwortet, dass die Forderung nicht stehen gelassen wurde, weil schon die Nutzungsüberlassung einer Darlehensgewährung entspreche und dieses "Darlehen" mit der Entrichtung der Nutzungsentgelte zurückgeführt werde (Hölzle, ZIP 2009, 1939, 1947; ders., ZIP 2010, 913, 914 f; Henkel, ZInsO 2010, 2209, 2211 ff). Die hiermit einhergehende Vermögensumschichtung verschlechtere ebenso wie ein Darlehen die Befriedigungsaussichten der Gläubiger im eröffneten Verfahren (Gottwald/Haas/ Hossfeld, Insolvenzrechtshandbuch, 4. Aufl., § 92 Rn. 438 mwN; Haas in Festschrift Ganter, 2010, S. 189, 192 ff).
- 69
- (2) Dieser Auffassung kann auf dem Boden des MoMiG nicht beigetreten werden. Da nach dem gesetzgeberischen Konzept des MoMiG bei einer Nutzungsüberlassung die Kreditgewährung nur das Entgelt betreffen kann und sich nicht schon in der vorausgehenden Nutzungsüberlassung selbst äußert (BTDrucks. 16/6140, S. 56), ist die Grundlage entfallen, die Tilgung eines Nutzungsentgelts einer Darlehensrückzahlung gleichzustellen. Eines der wesentlichen Anliegen des MoMiG verwirklicht sich in der Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts (BT-Drucks. 16/6140 S. 26, 42). Darum gehen Bestrebungen fehl, das durch das MoMiG begründete Recht im Licht des aufgegebenen Eigenkapitalersatzrechts zu deuten (Schmidt in Festschrift Wellensiek, 2011, S. 551, 554). Nur ein von dem Eigenkapitalersatzrecht gelöstes Verständnis wird dem eindeutigen Wortlaut des § 135 Abs. 1, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gerecht, der zwischen Darlehen und darlehensgleichen Forderungen, denen allein Nutzungs- entgelte zugeordnet werden können, unterscheidet. Ist eine Nutzungsüberlassung durch den Gesellschafter nach dem heutigen Verständnis einer Darlehensgewährung nicht wirtschaftlich vergleichbar, kann die Tilgung von Nutzungsentgelten nicht als Darlehensrückzahlung, sondern nur im Falle einer vorherigen Stundung oder eines Stehenlassens als Befriedigung einer darlehensgleichen Forderung gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung unterworfen werden (OLG Schleswig, NJW 2012, 2738, 2739 f; Schmidt, aaO S. 557 f; ders., InsO, aaO § 135 Rn. 19; ders., DB 2008, 1727 f; Preuß in Kübler /Prütting/Bork, InsO, 2013, § 135 Rn. 16; Schröder, Die Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG, 2012, Rn. 220; Scholz/Bitter, GmbHG, 11. Aufl., Anh. § 64 Rn. 351; ders., ZIP 2010, 10; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl., Anh. § 30 Rn. 90; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 328).
- 70
- b) Ungeachtet des Entstehungsgrundes entsprechen einem Darlehen alle aus Austauschgeschäften herrührenden Forderungen, die der Gesellschaft rechtlich oder rein faktisch gestundet wurden, weil jede Stundung bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Darlehensgewährung bewirkt (BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - IX ZR 192/13, WM 2014, 1488 Rn. 50). Wird eine Leistung bargeschäftlich abgewickelt, scheidet eine rechtliche oder rein faktische Stundung, die zur Umqualifizierung als Darlehen führt, aus (BGH, aaO Rn. 51). Mit Rücksicht auf diese Erwägung ist die geltend gemachte Anfechtung nicht begründet.
- 71
- aa) Ein Baraustausch liegt bei länger währenden Vertragsbeziehungen in Anlehnung an § 286 Abs. 3 BGB vor, wenn Leistung und Gegenleistung binnen eines Zeitraums von 30 Tagen abgewickelt werden (BGH, aaO Rn. 31 ff). Danach ist im Streitfall von einem Baraustausch auszugehen. Die Miete war nach § 6 des Mietvertrags zum jeweils 15. Werktag des laufenden Monats fällig und ist für Dezember 2009 statt dem 15. Dezember 2009 am 4. Januar 2010, für Januar 2010 statt dem 15. Januar 2010 am 4. Februar 2010, für Februar 2010 statt dem 15. Februar 2010 am 12. März 2010, für März 2010 statt dem 15. März 2010 am 8. April 2010 und für April 2010 statt dem 15. April am 20. April 2010 beglichen worden. Mithin wurde der für ein Bargeschäft unschädliche Zeitraum von 30 Tagen nicht überschritten. Wird ein Baraustausch durchgeführt , handelt es sich nicht um eine stehen gelassene und damit einem Darlehen wirtschaftlich entsprechende Forderung, die gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung zugänglich ist. Bei dieser Sachlage greift die von dem Beklagten erklärte Aufrechnung nicht durch.
- 72
- bb) In der Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts der Miete auf den jeweils 15. Werktag des Monats der Nutzung kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine Stundung erblickt werden.
- 73
- (1) Bis zur Mietrechtsreform des Jahres 2001 war gemäß § 551 BGB aF der Vermieter vorleistungspflichtig und darum die Miete erst am Monatsende geschuldet (MünchKomm-BGB/Artz, 6. Aufl., § 556b Rn. 1). Entsprechend schon unter Geltung des früheren Rechts verbreiteter abweichender vertraglicher Übung (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1993, 710 f) sehen §§ 556b, 579 Abs. 2 BGB für Räume und damit auch Geschäftsräume nunmehr eine Fälligkeit zum dritten Werktag des jeweiligen Monats vor (vgl. Neuhaus, Handbuch der Geschäftsraummiete , 5. Aufl., Kap. 9 Rn. 118). Dagegen bestimmt § 579 Abs. 1 BGB bei der Miete von Grundstücken und beweglichen Sachen in Übereinstimmung mit dem früheren Recht weiterhin den ersten Werktag des Folgemonats zum Fälligkeitszeitpunkt (vgl. Neuhaus, aaO Rn. 119). Da der Gesetzgeber mit den Neuregelungen nur der vertraglichen Praxis entsprechende Fälligkeitsregelungen einzuführen suchte (BT-Drucks. 14/4553, S. 52), wird verbreitet angenommen , dass mit der Festlegung des Zahlungszeitpunkts das gesetzliche Leitbild der grundsätzlichen Vorleistungspflicht des Vermieters nicht modifiziert wurde (MünchKomm-BGB/Artz, 6. Aufl., § 556b Rn. 7 mwN; Bamberger /Roth/Ehlert, 3. Aufl., § 556b Rn. 10; aA Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., § 556b Rn. 4). Überdies sind die Regelungen ebenso wie das frühere Recht nicht zwingend, so dass - wie der Gesetzgeber unterstreicht - abweichende Vereinbarungen zulässig sind (BT-Drucks. aaO S. 52, 74).
- 74
- (2) Im Streitfall umfasste die Vermietung Räume und Grundstücke, wozu auch individualisierbare Teilflächen gehören (vgl. MünchKomm-BGB/Artz, aaO § 578 Rn. 3), sowie hinsichtlich der Maschinen - entsprechend der Rechtsauffassung des Beklagten - bewegliche Sachen. Mit Rücksicht auf die unterschiedlichen gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkte und die Unsicherheit einer Bewertung, welcher Mietgegenstand den Schwerpunkt des Vertrages bildet und damit den Fälligkeitszeitpunkt vorgibt (vgl. MünchKomm-BGB/Artz, aaO § 579 Rn. 1), ist in Einklang mit der von dem Gesetzgeber ausdrücklich betonten Möglichkeit, abweichende individuelle Vereinbarungen zu treffen (BT-Drucks., aaO), ein Bedürfnis für eine vertragliche Fälligkeitsabrede anzuerkennen. Da die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen in Umsetzung der von dem Gesetzgeber vorgefundenen Vertragspraxis auf bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen beruhen , muss der vereinbarte Fälligkeitszeitpunkt nicht von dem Gedanken einer generellen Vorleistungspflicht des Mieters getragen sein. Vielmehr ist den Vertragspartnern bei der Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts ein gewisser Gestaltungsspielraum zuzubilligen. In Würdigung der unterschiedlichen für die einzelnen Mietgegenstände maßgeblichen Fälligkeitszeitpunkte kann die von den Vertragspartnern gewählte Festsetzung des Zahlungstermins auf die Monatsmitte als angemessener Interessenausgleich bewertet werden, dem keine Stundung innewohnt.
IV.
- 75
- Die Revision der Klägerin ist zurückzuweisen, soweit sie wegen einer Vorenthaltung der Mietsache durch den Beklagten begehrt, für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 8. August 2011 einen Anspruch in Höhe von 210.745,16 € festzustellen.
- 76
- 1. Der Anspruch findet keine Grundlage in § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, § 546a Abs. 1 BGB. Der Beklagte hat der Klägerin die Mietsache nicht durch aktives Tun vorenthalten.
- 77
- a) Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung kann nur unter engen Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, § 546a Abs. 1 BGB als Masseverbindlichkeit beansprucht werden. Dabei kommt es nicht ausschlaggebend darauf an, ob der Verwalter die Mietsache tatsächlich umfassend nutzt. Ausreichend ist vielmehr, dass der Verwalter die Mietsache nach der Eröffnung des Verfahrens für die Masse in Anspruch nimmt. Ergreift der Verwalter für die Masse Besitz an der Mietsache und schließt er zugleich den Vermieter gegen dessen Willen gezielt aus, begründet er eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, § 546a Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 18. Mai 1995 - IX ZR 189/94, BGHZ 130, 38, 44 f; vom 24. November 1993 - VIII ZR 240/92, ZIP 1993, 1874, 1875; vom 21. Dezember 2006 - IX ZR 66/05, WM 2007, 411 Rn. 15; vom 1. März 2007 - IX ZR 81/05, WM 2007, 840 Rn. 21).
- 78
- b) Eine solche Gestaltung scheidet im Streitfall aus. Ein gezielter Ausschluss des Vermieters durch den Verwalter wurde angenommen, wenn dieser allein über die Schlüssel der Mietsache verfügt und dort Sachen einlagert (BGH, Urteil vom 18. Mai 1995, aaO S. 45) oder nach Beendigung des Hauptmietvertrages als Zwischenvermieter Untermietverträge fortsetzt und Mietzahlungen zugunsten der Masse einzieht (BGH, Urteil vom 1. März 2007, aaO Rn. 23 ff). Vorliegend hat der Beklagte die Mietsache nach Verfahrenseröffnung weder für die Masse in Anspruch genommen noch die Klägerin gegen ihren Willen gezielt von dem Besitz ausgeschlossen. Die Klägerin verfügte unstreitig über die Schlüssel der Mietsache, so dass sie nicht an deren Nutzung gehindert war. Auch hat der Beklagte nach Verfahrenseröffnung nicht auf die Mietsache zugegriffen, sondern es bei dem bei Verfahrenseröffnung gegebenen Zustand belassen. Da die in den Mieträumen befindlichen Restwaren unverkäuflich waren , scheidet auch eine Lagerung im Interesse der Masse aus.
- 79
- 2. Der Anspruch folgt ebenso wenig aus § 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2, § 546a Abs. 1 BGB. Dem Beklagten kann nicht wegen einer verspäteten Räumung eine Vorenthaltung der Mietsache angelastet werden.
- 80
- a) Masseschulden im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind die Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen, deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Verfahrens erfolgen muss. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass Mietansprüche unter diese Vorschrift fallen. Entsprechendes gilt für den Entschädigungsanspruch aus § 546a Abs. 1 BGB. Zwar beruht er nicht auf einem Vertrag, weil er gerade die Beendigung des Mietverhältnisses voraussetzt. Er ist jedoch vertragsähnlicher Natur, tritt an die Stelle des ursprünglichen Mietanspruchs und ist deshalb wie dieser als Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO einzuordnen. Ein Entschädigungsanspruch des Vermieters aus § 546a BGB wegen Vorenthaltens der Mietsache kann folglich eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO begründen, wenn das Mietverhältnis, auf dem er beruht, die Insolvenzeröffnung - wie im Streitfall - überdauert hat (BGH, Urteil vom 15. Februar 1984 - VIII ZR 213/82, BGHZ 90, 145, 150 f; vom 24. November 1993 - VIII ZR 240/92, ZIP 1993, 1874, 1875; Jaeger/Jacoby, InsO, § 108 Rn. 196).
- 81
- b) Eine Vorenthaltung der Mietsache setzt nicht voraus, dass der Insolvenzverwalter die Sache für die Masse nutzt oder daran Besitz ausübt (Jaeger /Jacoby, aaO; Uhlenbruck/Wegener, InsO, 13. Aufl., § 108 Rn. 41). Vorenthalten wird die Mietsache bereits dann im Sinne von § 546a BGB, wenn der Mieter die Mietsache nicht zurückgibt und das Unterlassen der Herausgabe dem Willen des Vermieters widerspricht (BGH, Urteil vom 1. März 2007 - IX ZR 81/05, WM 2007, 840 Rn. 15 mwN). Verweigert der Vermieter allerdings die Rücknahme unter Hinweis auf den ungeräumten oder nicht vertragsgemäßen Zustand, fehlt dem Vermieter der für die Vorenthaltung erforderliche Rücknahmewille , wenn der Verwalter nicht zu einer Räumung verpflichtet war (OLG Saarbrücken, ZInsO 2006, 779, 780 f; Jaeger/Jacoby, aaO § 108 Rn. 197; Uhlenbruck/Wegener, aaO; MünchKomm-InsO/Eckert, 3. Aufl., § 108 Rn. 123). Eine solche Konstellation ist hier gegeben.
- 82
- aa) Die Kosten zur Herstellung des ordnungsmäßigen Zustands eines an den Schuldner vermieteten Grundstücks begründen jedenfalls dann keine Masseschuld , wenn der Mietvertrag vor der Insolvenzeröffnung beendet war (BGH, Urteil vom 5. Juli 2001 - IX ZR 327/99, BGHZ 148, 252, 255 ff; vom 18. April 2002 - IX ZR 161/01, BGHZ 150, 305, 312; HK-InsO/Lohmann, 7. Aufl., § 55 Rn. 22; Pape/Schaltke in Kübler/Prütting/Bork, 2010, InsO, § 55 Rn. 155; Uhlenbruck/Wegener, aaO § 108 Rn. 36). Für den Fall, dass der Insolvenzverwalter das Nutzungsverhältnis fortsetzt, ist die vertragliche Herstellungspflicht bei Vertragsende aufzuteilen; insolvenzrechtlich bevorzugt ist nur die Wieder- herstellung derjenigen nachteiligen Veränderungen, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten sind (BGH, Urteil vom 18. April 2002, aaO; vom 21. Dezember 2006 - IX ZR 66/05, WM 2007, 411 Rn. 12; Beschluss vom 17. April 2008 - IX ZR 144/07, Grundeigentum 2008, 865 Rn. 2; Pape/Schaltke, aaO Rn. 152).
- 83
- bb) Im Streitfall hat der Beklagte den Mietvertrag zunächst nach Verfahrenseröffnung fortgesetzt. Allerdings war die Produktion der Schuldnerin in den Mieträumen unstreitig bereits vor Verfahrenseröffnung zum Erliegen gekommen. Dementsprechend hat der Beklagte nach Verfahrenseröffnung keine nachteiligen Veränderungen an der Mietsache vorgenommen, die gegen ihn eine Herstellungspflicht begründen. Darum durfte die Klägerin die Rücknahme nicht unter Hinweis auf Räumungspflichten des Beklagten verweigern. Durch die Rückgabe der ungeräumten Mietsache erfüllte der Beklagte darum nicht den Tatbestand des § 546a BGB (vgl. OLG Saarbrücken, ZInsO 2006, 779, 780; MünchKomm-InsO/Eckert, 3. Aufl., § 108 Rn. 122; Uhlenbruck/Wegener, aaO § 108 Rn. 41).
- 84
- 3. Schließlich kann der Anspruch nicht gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO auf eine ungerechtfertigte Bereicherung der Masse (§ 812 BGB) gestützt werden. Die Vorschrift verlangt, dass der Masse eine Bereicherung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugeflossen ist (BGH, Urteil vom 20. September 2007 - IX ZR 91/06, WM 2007, 2299 Rn. 9). Nutzt ein Mieter oder ein auf Grund eines sonstigen Vertragsverhältnisses Nutzungsberechtigter die Sache über die vereinbarte Laufzeit hinaus, so ist er ohne rechtlichen Grund auf Kosten des Vermieters oder sonstigen Rechtsinhabers um den tatsächlich gezogenen Nutzungswert bereichert und nach § 812 Abs. 1, § 818 Abs. 1 BGB zu dessen Herausgabe verpflichtet (BGH, Urteil vom 24. November 1993 - VIII ZR 240/92, ZIP 1993, 1874, 1875 f; vom 15. Dezember 1999 - XII ZR 154/97, NJW-RR 2000, 382, 383). Im Streitfall scheidet eine Bereicherung der Masse aus, weil der Beklagte den Mietgegenstand nach Verfahrenseröffnung nicht für die Masse genutzt hat.
IV.
- 85
- Das angefochtene Urteil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist teilweise aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und die Sache nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 17.08.2012 - 17 O 183/11 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 21.11.2013 - 18 U 145/12 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin begehrt von der beklagten Volksbank die Rückzahlung von Zins- und Tilgungsraten, die sie im Zusammenhang mit einem bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) im Jahr 1992 aufgenommenen Darlehen erbracht hat. Das Darlehen hatte der Finanzierung einer Beteiligung der Klägerin an einer Fondsgesellschaft gedient (W. Fonds Nr. …) und war von ihr im Zuge einer Umschuldung im Jahr 1998 vollständig zurückgezahlt worden.
- 2
- Die Klägerin, eine inzwischen pensionierte Lehrerin, wurde im Herbst 1992 von ihrer Nachbarin, der Zeugin F. (im Folgenden: F.), angesprochen, ob sie an der Beteiligung an einem W. Immobilienfonds interessiert sei. Die Zeugin F. war zuvor gemeinsam mit ihrem Ehemann von dem Vermittler Bl. (im Folgenden: Bl.) geworben worden, sich an dem W. Immobilienfonds Nr. … zu beteiligen. Nachdem die Klägerin ihr Interesse an einer Fondsbeteiligung geäußert hatte, kam es zwischen ihr und dem Vermittler Bl. zur telefonischen Vereinbarung eines Besprechungstermins für den 31. Oktober 1992 in ihrer Wohnung. Diesen Termin nahm nicht Bl., sondern die Zeugin F. wahr. Diese ging mit der Klägerin den ihr von Bl. überlassenen Prospekt über den W. Immobilienfonds Nr. … GbR (im Folgenden: Fonds) durch. In dem Prospekt waren unter anderem je vertriebenem Anteil Vertriebskosten in Höhe von 1.839 DM ausgewiesen. Tatsächlich zahlte die W. , die neben ihrem Alleingesellschafter und -geschäftsführer N. (im Folgenden: N.) Initiatorin , Prospektherausgeberin und Gründungsgesellschafterin war, darüber hinaus weitere 3.411 DM pro Anteil an die Vertriebsgesellschaft A. (im Folgenden: A. ). Hierauf wurde die Klägerin nicht hingewiesen.
- 3
- Am 17. November 1992 zeichnete die Klägerin in ihrer Wohnung im Beisein der Zeugin F., die ihr zuvor ein von Bl. erstelltes persönliches Berechnungsbeispiel erläutert hatte, unter anderem einen bereits ausgefüllten Darlehensvertrag der Beklagten über insgesamt 105.714 DM. Ferner erteilte sie zwei Mitarbeiterinnen der W. notarielle Vollmacht, ihren Beitritt zum Fonds mit drei Anteilen zu vollziehen. Der Darlehensvertrag, den die Beklagte am 16. Dezember 1992 gegenzeichnete, sah eine Laufzeit bis zum 1. März 2007 vor und ent- hielt eine Widerrufsbelehrung, die nicht den Vorgaben des Haustürwiderrufsgesetzes entsprach.
- 4
- Nachdem die W. im Herbst 1997 in Konkurs gefallen war, kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 23. Januar 1998 das Darlehen der Beklagten vorzeitig und löste dieses mit Hilfe eines bei einer Bausparkasse aufgenommenen Kredits durch Zahlung von 100.862 DM ab. Mit Schreiben vom 5. September 2000 forderte sie die Beklagte zur Leistung von Schadensersatz, Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus dem Gesellschaftsbeitritt, unter Hinweis darauf auf, dass die Beklagte ihr obliegende Aufklärungspflichten verletzt habe. Mit Erklärung vom 16. Mai 2002 widerrief sie zudem den Darlehensvertrag unter Berufung auf das Haustürwiderrufsgesetz.
- 5
- Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin von der Beklagten die Rückzahlung von Zins- und Tilgungsraten in Höhe von 81.363,03 € nebst Zinsen begehrt, die sie auf das von dieser gewährte Darlehen sowie auf das zur Ablösung dieses Kredits aufgenommene Darlehen gezahlt hat, Zug um Zug gegen Übertragung der ihr aus der Fondsbeteiligung zustehenden Rechte sowie der ihr gegen die Gründungsgesellschafter und Fondsinitiatoren zustehenden Schadensersatzansprüche. Sie hat sich unter anderem auf den Widerruf des Darlehensvertrages nach dem Haustürwiderrufsgesetz (im Folgenden: HWiG) berufen, zu dem sie wegen der fehlerhaften Widerrufsbelehrung auch noch nach Ablösung des bei der Beklagten aufgenommenen Darlehens berechtigt gewesen sei. Weiter hat sie geltend gemacht, durch unrichtige Angaben im Fondsprospekt arglistig getäuscht worden zu sein. Diese arglistige Täuschung müsse sich die Beklagte als finanzierende Bank zurechnen lassen. Die Beklagte ist den geltend gemachten Ansprüchen entgegengetreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben.
- 6
- Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 71.887,18 € stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zunächst dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die Sache zur Klärung der Frage vorgelegt, ob die Regelung über das Erlöschen des Widerrufsrechts in § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG mit Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Satz 1 der Richtlinie 85/577/EWG betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen vereinbar ist (WM 2006, 1997). Nachdem der EuGH dies mit Urteil vom 10. April 2008 (WM 2008, 869) bejaht hat, hat es unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen die der Klägerin zuerkannte Forderung auf 12.060,75 € reduziert. Hiergegen richten sich die - vom Berufungsgericht - zugelassenen Revisionen beider Parteien. Mit der von ihr erhobenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, die Beklagte verfolgt mit ihrer Revision ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revisionen beider Parteien sind begründet. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann weder ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte in der zuerkannten Höhe bejaht noch ein darüber hinausgehender Schadensersatzanspruch der Klägerin ausgeschlossen werden.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil in ZIP 2008, 1570 veröffentlich ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
- 9
- Der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch im Wege eines "kleinen Rückforderungsdurchgriffs" in Höhe von 12.060,75 € zu, wobei dahinstehen könne, ob sich dieser aus einer entsprechenden Anwendung des § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG oder aus § 813 BGB ergebe.
- 10
- Fondsbeteiligung und Darlehensvertrag seien ein verbundenes Geschäft im Sinne des § 9 VerbrKrG. Daher könne die Klägerin den Abfindungsanspruch gegen die Fondsgesellschaft, der ihr aufgrund der mit Schreiben vom 5. September 2000 wirksam erklärten Kündigung ihrer Gesellschaftsbeteiligung zustehe , auch der Beklagten entgegenhalten. Die Klägerin sei aufgrund fahrlässiger Falschangaben im Prospekt über die Höhe der Vertriebsprovision zu einer außerordentlichen Kündigung ihrer Gesellschaftsbeteiligung gegenüber der Fondsgesellschaft berechtigt gewesen. Die Zahlung der über die im Prospekt ausgewiesene Provision hinausgehenden Vertriebsunterstützung sei aus den Einlagen der Anleger erfolgt und hätte daher im Prospekt offen gelegt werden müssen, was aufgrund fahrlässigen Verhaltens des N. unterblieben sei.
- 11
- Ein darüber hinausgehender Anspruch stehe der Klägerin nicht zu. Er ergebe sich nicht aus § 3 Abs. 1 HWiG, da das Widerrufsrecht der Klägerin zum Zeitpunkt ihrer Widerrufserklärung aufgrund der vollständigen Ablösung des Darlehens der Beklagten nach § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG bereits erloschen gewesen sei. Bei dem Tatbestandsmerkmal der beiderseits vollständigen Erbringung der Leistung sei nur auf den Darlehensvertrag, nicht auch auf die mit ihm verbundenen Verträge oder nachfolgende Darlehensverträge abzustellen. Dies widerspreche - wie das auf den Vorlagebeschluss des Berufungsgerichts ergangene Urteil des EuGH ausweise - auch nicht gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben.
- 12
- Die Klägerin könne sich ebenfalls nicht mit Erfolg auf ein Verschulden bei Vertragsverhandlungen wegen einer arglistigen Täuschung durch die Vermittlerin F. berufen. Nur auf diese komme es für die Frage eines arglistigen Verhaltens an, da nur sie unmittelbar tätig geworden und nur mit ihr ein Vermittlungsvertrag zustande gekommen sei. Eine arglistige Täuschung durch die Zeugin F. habe die Klägerin jedoch teils nicht hinreichend dargelegt und im Übrigen nicht zu beweisen vermocht. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin lasse sich auch nicht mit Erfolg auf eine arglistige Täuschung durch die Fondsinitiatoren stützen. Die fehlerhafte Ausweisung der Vertriebskosten in dem Prospekt rechtfertige einen Schadensersatzanspruch nicht, da sich der Mitinitiator N. insoweit auf einen Vorsatz ausschließenden Rechtsirrtum berufen könne. Nach seinen glaubhaften Angaben sei die Höhe der Provisionen nicht etwa gezielt "versteckt" worden, sondern beruhe auf der irrtümlichen Annahme im Beirat, die Vertriebsunterstützung, die die W. über den ausgewiesenen Betrag von 1.839 DM hinaus an die Vertriebsgesellschaft gezahlt habe, müsse nicht in dem Prospekt ausgewiesen werden.
II.
- 13
- Revision der Klägerin
- 14
- Die Revision der Klägerin ist begründet.
- 15
- 1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings einen Rückabwicklungsanspruch der Klägerin aus § 3 HWiG (hier und im Folgenden stets in der vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1996 gültigen Fassung) verneint. Ein solcher besteht nicht, weil das Widerrufsrecht der Klägerin nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG bei Erklärung des Widerrufs im Mai 2002 wegen der vorangegangenen vollständigen Ablösung des Darlehens der Beklagten im April 1998 gemäß § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG bereits erloschen war.
- 16
- a) Wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist für die Frage der beiderseits vollständigen Erbringung der Leistung entgegen der Ansicht der Revision auch bei einem verbundenen Geschäft allein auf das Rechtsgeschäft abzustellen, in welchem ein Widerrufsrecht nach dem Haustürwiderrufsgesetz begründet ist, hier mithin der Darlehensvertrag, und nicht auch auf das verbundene Geschäft, hier also die Fondsbeteiligung (vgl. bereits Senat, Urteile vom 14. Oktober 2003 - XI ZR 134/02, WM 2003, 2328, 2331 und vom 23. September 2008 - XI ZR 266/07, WM 2008, 2162, Tz. 27).
- 17
- aa) Durch die Entscheidung des EuGH vom 10. April 2008 (WM 2008, 869, Tz. 49) ist geklärt, dass die Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nicht gegen die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts verstößt. § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG ist vielmehr vom EuGH gerade im vorliegenden Fall für richtlinienkonform erachtet worden, in dem das mit dem widerrufenen Darlehensvertrag verbundene Geschäft, die Fondsbeteiligung, nicht vollständig abgewickelt und das Darlehen mit Hilfe eines neuen Darlehensvertrags abgelöst worden ist.
- 18
- bb) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das nationale Recht gebiete entgegen den bislang ergangenen Entscheidungen des erkennenden Senats eine erweiternde Auslegung des § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG. Der Senat hat die Argumente der Revision geprüft, sieht jedoch keinen Anlass zu einer Änderung seiner Rechtsprechung.
- 19
- Maßgeblich ist der eindeutige Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG, der ein Abstellen auch auf das verbundene Geschäft nicht vorsieht. Aus der Verwendung des Begriffs "beiderseits" in § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG folgt vielmehr, dass für das Erlöschen des Widerrufsrechts allein das Vertragsverhältnis maßgeblich ist, in dem das Widerrufsrecht entstanden ist, so dass - anders als die Revision meint - im Rahmen von mehrseitigen Verhältnissen eine Erstreckung auf das verbundene Geschäft ausscheidet. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich daraus, dass sich nach der Rechtsprechung die Wirkungen eines wirksamen Widerrufs auch auf das verbundene Geschäft erstrecken (BGHZ 167, 252, Tz. 12 ff. m.w.N.), nichts Abweichendes. Diese Rechtsprechung knüpft an ein wirksam bestehendes Widerrufsrecht des aufgrund einer Haustürsituation zustande gekommenen Vertrags an, das jedoch nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm im Falle des § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG gerade nicht mehr eröffnet ist.
- 20
- Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Revision, der Gesetzgeber habe die Rechtfertigung des Erlöschenstatbestands des § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG in der Erledigung der wirtschaftlichen Belastung des Verbrauchers bei vollständiger Zahlung gesehen, eine solche trete bei einem finanzierten Gesellschaftsbeitritt jedoch erst mit Beendigung der Gesellschaftsbeteiligung ein (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004 - II ZR 352/02, WM 2004, 2491, 2493 zum Haustürwiderruf einer Kommanditbeteiligung). Die Revision übersieht, dass auch der Gesetzgeber allein auf das Rechtsverhältnis abgestellt hat, aus dem das Widerrufsrecht resultiert (BT-Drucksache 10/2876 S. 13 zu § 2), im Streitfall also der Darlehensvertrag, nicht hingegen auf etwaige weitere Belastungen aus einem solchen Geschäft. Nur dies führt auch zu sachgerechten Ergebnissen, da anderenfalls in den Fällen kreditfinanzierter Gesellschaftsbeteiligungen die Beschränkung des Widerrufsrechts nach § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nahezu leer laufen würde. Fondsgesellschafter könnten - von den Fällen einer Verwirkung ab- gesehen - bei unterbliebener oder fehlerhafter Widerrufsbelehrung im Kreditvertrag zeitlich nahezu unbegrenzt die Rückabwicklung des Darlehensvertrags durchsetzen, obwohl dieser längst von beiden Seiten vollständig erfüllt war.
- 21
- Soweit die Revision auf Literaturstimmen zu dem mit § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG wortgleichen § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG verweist (etwa MünchKomm/ Habersack, BGB, 3. Aufl., § 9 VerbrKrG Rn. 54), nach welchen der Verbraucher bei Abschluss eines verbundenen Geschäfts nicht schlechter als bei einem Teilzahlungsgeschäft stehen solle, rechtfertigt auch das kein vom Wortlaut der Norm abweichendes Ergebnis. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen die Regelungen des verbundenen Geschäfts den Verbraucher lediglich davor schützen, den Kredit in voller Höhe zurückzahlen zu müssen, wenn er dem Partner des finanzierten Geschäfts zugeflossen ist, und dieser an ihn keine oder keine vertragsgemäße Leistung erbracht hat (BT-Drucksache 11/5462 S. 23 zu § 8), nicht hingegen ihm auch noch nach vollständiger Zahlung des Kredits Ansprüche gegen den Darlehensgeber verschaffen. Entscheidend ist, dass das Gesetz das verbundene Kauf- oder Leistungsgeschäft nur an den Folgen eines bestehenden Widerrufsrechts des Kreditvertrags teilhaben lassen, nicht hingegen das Bestehen eines Widerrufsrechts nach den Verhältnissen innerhalb der mit dem Kreditvertrag verbundenen Rechtsbeziehungen beurteilen will (Staudinger/Kessal-Wulf, BGB (2001), § 9 VerbrKrG Rn. 48).
- 22
- b) Entgegen der Auffassung der Revision steht einem Erlöschen des Widerrufsrechts der Klägerin nach § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG auch nicht entgegen, dass sie das Darlehen der Beklagten mit Hilfe des Kredits eines anderen Finanzierungsinstituts abgelöst hat, aus dem sich zum Zeitpunkt ihrer Widerrufserklärung noch wirtschaftliche Belastungen für sie ergaben. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 23. September 2008 - XI ZR 266/07, WM 2008, 2162, Tz. 4, 27), ist für die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG allein entscheidend, ob das ursprüngliche Darlehen mit Hilfe der Darlehensvaluta aus dem neuen Kreditvertrag vollständig getilgt worden ist und dem Verbraucher - wie im Streitfall - ein vom alten Darlehensvertrag unabhängiges neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt wurde.
- 23
- 2. Soweit das Berufungsgericht den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen wegen einer arglistigen Täuschung durch die Vermittlerin verneint hat, hält dies mit der gegebenen Begründung rechtlicher Überprüfung hingegen nicht stand.
- 24
- a) Nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 167, 239, Tz. 30; Urteile vom 5. Juni 2007 - XI ZR 348/05, WM 2007, 1367, Tz. 14, vom 19. Juni 2007 - XI ZR 142/05, WM 2007, 1456, Tz. 25 und vom 1. Juli 2008 - XI ZR 411/06, WM 2008, 1596, Tz. 19) muss sich die das Anlagegeschäft des Verbrauchers finanzierende Bank bei Vorliegen eines verbundenen Geschäfts im Sinne des § 9 VerbrKrG eine arglistige Täuschung des Vermittlers über das Anlageobjekt zurechnen lassen. Der Verbraucher kann in diesem Fall der finanzierenden Bank gegenüber den Darlehensvertrag entweder gemäß § 123 BGB anfechten oder Schadensersatz aus vorsätzlichem Verschulden bei Vertragsschluss in Verbindung mit dem Grundsatz der Naturalrestitution gemäß § 249 BGB verlangen.
- 25
- b) Die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch liegen, nachdem das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von den Revisionen unbeanstandet das Vorliegen eines verbundenen Geschäftes bejaht hat, nach dem im Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalt vor, da die Klägerin vorgetragen hat, von den Vermittlern arglistig getäuscht worden zu sein.
- 26
- aa) Entgegen der Ansicht der Revision ist allerdings die Feststellung des Berufungsgerichts, die Zeugin F. habe nicht arglistig gehandelt, aus Rechts- gründen nicht zu beanstanden. Ob die Klägerin durch unrichtige Angaben eines Vermittlers arglistig getäuscht worden ist, ist eine Frage der Würdigung des konkreten Einzelfalls, die jeweils dem Tatrichter obliegt und die deshalb in der Revision grundsätzlich nur beschränkt überprüft werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2005 - II ZR 232/04, WM 2005, 1703, 1704 f.). Zu prüfen ist nur, ob die tatrichterliche Würdigung vertretbar ist, nicht gegen die Denkgesetze verstößt und nicht auf verfahrenswidriger Tatsachenfeststellung beruht (vgl. Senatsurteile vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 211/03, WM 2005, 27 m.w.N. und vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06, WM 2008, 292, Tz. 20 m.w.N.). Solche Fehler sind dem Berufungsgericht, das zu seiner Feststellung unter vertretbarer Würdigung der speziellen Umstände des Streitfalles gelangt ist, nicht unterlaufen. Die hiergegen von der Revision erhobenen Einwände hat der Senat geprüft , jedoch nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).
- 27
- bb) Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich eine Haftung der Beklagten aus zugerechnetem Verschulden im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung der Klägerin aber nicht abschließend verneinen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt auch eine arglistige Täuschung durch die A. als der federführenden Vertriebsgesellschaft und durch Bl. wegen falscher Angaben zu den Vermittlungsprovisionen im Prospekt in Betracht.
- 28
- (1) Aus Rechtsgründen nicht haltbar ist die Annahme des Berufungsgerichts , für die Frage der arglistigen Täuschung der Klägerin könne es schon deshalb nur auf die Zeugin F. ankommen, weil weitere Vermittler nicht tätig gewesen seien, die Klägerin also nur mit der Zeugin F. einen Vermittlungsvertrag geschlossen habe. Hiermit übergeht das Berufungsgericht - wie die Revision zu Recht rügt - entscheidungserheblichen Sachvortrag, da es den Umstand unberücksichtigt lässt, dass die Zeugin F. über keinerlei eigene Unterlagen zur Ver- mittlung von Fondsbeteiligungen verfügte, sondern unstreitig von dem Vermittler Bl., der auch das Berechnungsbeispiel gefertigt und später die Legitimationsprüfung unter dem Darlehensvertrag unterschrieben hatte, mit sämtlichen Unterlagen ausgestattet worden war, die sie der Klägerin vorlegte. Außer Acht lässt das Berufungsgericht auch, dass nach seinen eigenen Feststellungen nicht feststeht, dass die Zeugin F. für ihr Tätigwerden eine Provision erhalten hat. Nicht zuletzt setzt sich das Berufungsgericht zu seinen eigenen Ausführungen in dem Vorlagebeschluss an den EuGH in Widerspruch. Dort ist bei der Wiedergabe des unstreitigen Sachverhalts ausdrücklich referiert, die Zeugin F. habe lediglich wegen Verhinderung des Vermittlers Bl. in dessen Vertretung und von ihm instruiert den zwischen ihm und der Klägerin vereinbarten Termin wahrgenommen (WM 2006, 1997, Tz. 5). Dass die Zeugin F. - wie das Berufungsgericht angenommen hat - die alleinige Vermittlerin gewesen sein soll, entbehrt angesichts all dessen einer tragfähigen Grundlage.
- 29
- (2) Von Rechtsirrtum beeinflusst ist auch die Annahme des Berufungsgerichts , für die Frage eines schuldhaften Verhaltens komme es nach der Rechtsprechung allein auf den unmittelbar gegenüber dem Anleger tätigen Vermittler, hier also die Zeugin F., an. Das Berufungsgericht berücksichtigt insoweit nicht, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 109, 326, 330 ff.; 135, 202, 205 f.; Urteile vom 27. März 2001 - VI ZR 12/00, NJW 2001, 2535, 2536 und vom 12. Mai 2009 - XI ZR 586/07, WM 2009, 1274, Tz. 13 f.) derjenige, der es mit einer Organisation, etwa einer juristischen Person, zu tun hat, grundsätzlich nicht schlechter gestellt werden darf als derjenige, der einer natürlichen Person gegenübersteht. Die Organisation darf nicht dadurch besser stehen, dass anstelle des konkret wissenden Organs oder Mitarbeiters für sie ein Untervermittler auftritt, der über das geschäftsrelevante Wissen nicht verfügt. Die Organisation muss daher dafür sorgen, dass das für spätere Geschäftsvorgänge relevante Wissen an die für sie handelnden Personen weiter gegeben wird. Tut sie dies nicht, ist den Mitarbeitern dieses Wissen gleichwohl zuzurechnen und muss sich die Organisation so behandeln lassen, als ob der für sie Handelnde über das entsprechende Wissen verfügt hätte.
- 30
- Der erkennende Senat hat daher nach Erlass des Berufungsurteils auch für Fälle der vorliegenden Art ausdrücklich entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch des Anlegers und Darlehensnehmers im Kontext eines verbundenen Geschäfts nicht nur gegeben sein kann, wenn er durch den ihm gegenüber unmittelbar tätigen Vermittler arglistig getäuscht wird, sondern auch dann, wenn ein arglistiges Verhalten der eingeschalteten Vertriebsgesellschaft vorliegt, die über das geschäftsrelevante Wissen verfügte (Senatsurteil vom 24. März 2009 - XI ZR 456/07, WM 2009, 1028, Tz. 38). Erforderlich ist allerdings, dass die Vertriebsgesellschaft ihrerseits zumindest bedingt vorsätzlich bei der Weitergabe unwahrer Tatsachen an die Untervermittler oder bei dem Zurückhalten geschäftsrelevanten Wissens gehandelt hat. Der Inhaber oder das Organ der Organisation muss sowohl die Pflicht zur Aufklärung des Kunden gekannt oder zumindest für möglich gehalten haben und es gleichwohl bewusst unterlassen haben, die unmittelbar tätigen Vermittler entsprechend zu instruieren (vgl. Senat , Urteil vom 12. Mai 2009 - XI ZR 586/07, WM 2009, 1274, Tz. 14).
- 31
- (3) Gemessen an diesen Grundsätzen liegt nach dem maßgeblichen Vortrag der Klägerin eine arglistige Täuschung durch die Vermittlerin A. als der federführenden Vertriebsgesellschaft und des Bl. über die Höhe der Vertriebskosten vor.
- 32
- (a) Die Vertriebskosten sind der Klägerin in dem ihr ausgehändigten Prospekt pflichtwidrig falsch mitgeteilt worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Angaben in einem Fondsprospekt über Vertriebsprovisionen zutreffend sein. Enthält ein Prospekt - wie hier - konkrete Angaben zu Provisionen, die für bestimmte Zwecke anfallen, muss der Anleger nicht damit rechnen, dass zu Lasten der Einlagen weitere Provisionen für diese Zwecke gezahlt werden und dadurch die Werthaltigkeit des Fondsanteils geringer ist, als den prospektierten Angaben zu entnehmen ist (BGHZ 158, 110, 118; Senatsurteile vom 10. Juli 2007 - XI ZR 243/05, WM 2007, 1831, Tz. 16 und vom 24. März 2009 - XI ZR 456/07, WM 2009, 1028, Tz. 30 f. m.w.N.). So war es im Streitfall. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts sind über die ausgewiesenen Provisionen hinaus weitere Vermittlungskosten gezahlt worden, die zu Lasten der Einlagen gegangen sind. Diese im Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüfbare tatrichterliche Feststellung des Berufungsgerichts enthält entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung keine Rechtsfehler. Anders als die Revisionserwiderung meint, hat das Berufungsgericht nicht etwa die ihm gesetzten Grenzen der Beweiswürdigung überschritten. Vielmehr erweist sich die Würdigung des Berufungsgerichts angesichts der Aussage des Zeugen N., die W. habe die zum Teil bereits vor Erbringung der Einlagen an die Vertriebsgesellschaften gezahlten weiteren Vertriebsunterstützungen lediglich vorfinanziert, nach Leistung der Einlagen jedoch vom Treuhänder aus dem von den beitretenden Gesellschaftern zu leistenden Erwerbspreis zurück erhalten, sogar als überzeugend.
- 33
- (b) Die Klägerin hat sich für den Fall, dass eine entsprechende Kenntnis der Zeugin F. von der Unrichtigkeit der Angaben verneint werden sollte, auch ausdrücklich auf eine arglistige Täuschung durch den gesamten Vertrieb, das heißt auch durch die übergeordnete Vertriebsgesellschaft A. und den Vermittler Bl. berufen. Eine solche arglistige Täuschung kommt - anders als das Berufungsgericht gemeint hat - nach dem Klägervortrag in Betracht, da danach die übergeordnete Vermittlungsgesellschaft aufgrund der mit der W. geschlossenen Verträge um die Zahlung einer höheren als im Prospekt ausgewiesenen Innenprovision gewusst hat. Hierzu wird das Berufungsgericht - nachdem die Parteien Gelegenheit zu weiterem Vortrag hatten - entsprechende Feststellungen zu treffen haben.
- 34
- 3. Das Berufungsurteil erweist sich mit der gegebenen Begründung auch als rechtsfehlerhaft, soweit das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus einem eigenen vorvertraglichen Aufklärungsverschulden wegen eines vermuteten Wissensvorsprungs über eine evident arglistige Täuschung der Klägerin durch den Fondsprospekt abgelehnt hat.
- 35
- a) Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass eine kreditgebende Bank bei steuersparenden Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Geschäft nur dann verpflichtet ist, wenn sie in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann. Ein solcher Wissensvorsprung liegt vor, wenn die Bank positive Kenntnis davon hat, dass der Kreditnehmer von seinem Geschäftspartner oder durch den Fondsprospekt über das finanzierte Geschäft arglistig getäuscht wurde (st. Rspr. des Senats, siehe etwa Urteile vom 10. Juli 2007 - XI ZR 243/05, WM 2007, 1831, Tz. 14, vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346, Tz. 12 und vom 24. März 2009 - XI ZR 456/07, WM 2009, 1028, Tz. 35, jeweils m.w.N.).
- 36
- b) Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch, dass das Berufungsgericht im Hinblick auf die Angaben im Fondsprospekt über die Größe der vermietbaren Fläche, den zu erwartenden Mietertrag und die Fungibilität der Fondsanteile eine objektiv evidente arglistige Täuschung ebenso verneint hat wie bezüglich der im persönlichen Berechnungsbeispiel enthaltenen Angaben über die Werthaltigkeit der Fondsanteile und ihre voraussichtliche Wertsteigerung. Insoweit handelt es sich um Fragen der Würdigung des konkreten Einzelfalles, die je- weils dem Tatrichter obliegt und deshalb in der Revisionsinstanz nur beschränkt darauf überprüft werden kann, ob die tatrichterliche Würdigung ohne weiteres vertretbar ist, nicht gegen Denkgesetze verstößt und nicht auf verfahrenswidriger Tatsachenfeststellung beruht (vgl. Senat, Urteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346, Tz. 18 m.w.N.). Revisionsrechtlich beachtliche Fehler in diesem Sinn sind dem Berufungsgericht nicht unterlaufen. Der Senat hat die gegen das Berufungsurteil insoweit erhobenen Rügen der Revision geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).
- 37
- c) Mit der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht hingegen einen Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit den unrichtigen Angaben zu den Vertriebskosten im Prospekt nicht ablehnen dürfen. Die Ausführungen , mit denen das Berufungsgericht angenommen hat, ein Schadensersatzanspruch scheide auch insoweit aus, da ein arglistiges Verhalten des Mitinitiators N. aufgrund eines den Vorsatz ausschließenden beachtlichen Rechtsirrtums zu verneinen sei, halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 38
- aa) Im Ansatzpunkt zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass zum Vorsatz im Zivilrecht, den Arglist voraussetzt, nicht nur die Kenntnis der Tatbestandsmerkmale der verletzten Norm, sondern auch das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit gehört (BGHZ 69, 128, 142; 118, 201, 208; 151, 337, 343, jeweils m.w.N.).
- 39
- bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, ein Schadensersatzanspruch wegen Falschangaben des Mitinitiators N. zur Höhe der Vertriebskosten im Prospekt scheide aus, weil N. insoweit einem beachtlichen Rechtsirrtum unterlegen sei, weist jedoch revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler auf und ist mit der gegebenen Begründung nicht haltbar.
- 40
- (1) Schon der Ansatzpunkt des Berufungsgerichts, der von ihm bejahte Rechtsirrtum des Zeugen N. sei nicht etwa wegen "Rechtsblindheit" unbeachtlich , weil es nicht allein darum gegangen sei, ob der Prospekt inhaltlich richtig zu sein habe, sondern auch um die nicht eindeutig zu beantwortende und von N. fehlerhaft beurteilte Frage, ob die zusätzliche Vertriebshilfe als Provisionszahlung der Fondsgesellschaft oder als solche der W. selbst zu werten sei, wird von den eigenen vorherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht getragen und erweist sich auch im Übrigen als rechtsfehlerhaft. Die Frage, ob die Vertriebshilfe letztlich aus Mitteln der Fondsgesellschaft oder der W. gezahlt wurde, ist - wie das Berufungsgericht an anderer Stelle zutreffend gesehen hat - keine Rechtsfrage, sondern eine Tatsachenfrage. Auf der Grundlage der Aussage des Zeugen N. ist das Berufungsgericht dort zu der - wie oben ausgeführt - rechtsfehlerfreien Feststellung gelangt, dass auch die zusätzliche Vertriebshilfe aus den Einlagen der Fondsgesellschafter bestritten worden ist und nicht etwa von der W. . Da diese Tatsachenfeststellung des Berufungsgerichts auf die Aussage des Zeugen N. gestützt ist, dieser also alle insoweit maßgeblichen Umstände kannte, scheidet ein beachtlicher Rechtsirrtum des N. über diese Frage nach den eigenen rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts von vornherein aus.
- 41
- (2) Rechtsfehlerhaft ist auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts , für die Frage eines erheblichen Rechtsirrtums komme es entscheidend darauf an, ob die zusätzliche Vertriebsprovision gezielt "versteckt" worden sei. Das Berufungsgericht verkennt insoweit, dass das Tatbestandsmerkmal der Arglist nicht nur von betrügerischer Absicht getragene Verhaltensweisen erfasst , sondern auch solche, die auf bedingten Vorsatz - im Sinne (bloßen) "Fürmöglichhaltens" und "Inkaufnehmens" - reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden ist (BGHZ 117, 363, 368 m.w.N.).
- 42
- 4. Die Rechtsfehler des Berufungsgerichts sind entscheidungserheblich und das Berufungsurteil erweist sich insoweit auch nicht etwa mit anderer Begründung im Ergebnis als richtig (§ 561 ZPO). Die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss sind weder ganz noch teilweise verjährt.
- 43
- a) Der Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss unterliegt seit dem 1. Januar 2002 der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB. Da diese Verjährungsfrist kürzer ist als die bis zum 1. Januar 2002 geltende Regelverjährung von 30 Jahren und die längere Verjährungsfrist des § 195 BGB in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung auch nicht früher ablief als die neue Verjährungsfrist, ist sie nach der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 EGBGB grundsätzlich von dem 1. Januar 2002 an zu berechnen. Danach endete die Verjährungsfrist - unabhängig von einer Kenntnis der Klägerin - frühestens am 31. Dezember 2004, so dass die im Dezember 2004 erhobene Klage noch rechtzeitig eine Hemmung der Verjährung herbeigeführt hat.
- 44
- b) Entgegen der Ansicht der Beklagten führt auch nicht der Umstand, dass die Klägerin ihre Zahlungen monatlich erbracht hat, zu einer Anwendbarkeit der Verjährungsvorschrift des § 197 BGB in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung (im Folgenden: § 197 BGB aF) mit der Folge, dass ein Teil ihres Schadensersatzanspruchs bereits verjährt wäre.
- 45
- aa) Allerdings führt die Beklagte zu Recht an, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unter bestimmten Voraussetzungen auch Schadensersatzansprüche (BGH, Urteil vom 3. November 1988 - IX ZR 203/87, ZIP 1988, 1570, 1571 f. für den Ersatz künftigen Verdienstausfalls; Senat, Beschluss vom 2. März 1993 - XI ZR 133/92, WM 1993, 752 f., für den Ersatz von Verzugszinsen), und zwar auch solche aus Verschulden bei Vertragsschluss (BGHZ 98, 174, 186 ff.), der kurzen Verjährungsfrist des § 197 BGB aF unterfallen können, wenn sie auf wiederkehrende Leistungen gerichtet waren.
- 46
- bb) In Fällen der vorliegenden Art, in denen Schadensersatzansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsschluss im Streit stehen, bei denen zunächst eine wirksame vertragliche Verpflichtung des getäuschten Kreditnehmers zur Erbringung von Zahlungen besteht, handelt es sich insoweit hingegen nicht um wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 197 BGB aF (vgl. auch Senat, Urteile vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346, Tz. 22 f. und vom 23. Juni 2009 - XI ZR 171/08, BKR 2009, 372, Tz. 11). Hier begründet bereits der durch die Täuschung oder Aufklärungspflichtverletzung bedingte Vertragsabschluss unabhängig von etwaigen Ratenzahlungen des Kreditnehmers einen einheitlichen Schadensersatzanspruch, der darauf gerichtet ist, aus dem Vertrag nicht in Anspruch genommen und so gestellt zu werden, als ob er ihn nicht abgeschlossen hätte. Die von dem Kreditnehmer auf den Vertrag erbrachten Ratenzahlungen begründen also nicht erst seinen Schaden, sondern wandeln seinen bereits in voller Höhe bestehenden Schadensersatzanspruch nur inhaltlich von einem Freistellungs- in einen Rückzahlungsanspruch um.
III.
- 47
- Revision der Beklagten
- 48
- Die Revision der Beklagten ist ebenfalls begründet. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung auch insoweit nicht stand, als das Berufungsgericht der Klägerin einen Anspruch im Wege des "kleinen Rückforderungsdurchgriffs" zuerkannt hat. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V. mit § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB noch aus einer analogen Anwendung des § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG.
- 49
- 1. Für einen Anspruch aus § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V. mit § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB fehlt es bereits an dem Vorliegen einer Einrede im Sinne dieser Vorschrift. Die Norm setzt das Bestehen einer die Geltendmachung des Anspruchs dauernd ausschließenden Einrede voraus. Sie begründet mithin nur einen Rückforderungsanspruch, wenn der Leistende bereits zum Zeitpunkt der Leistung dauerhaft berechtigt war, diese zu verweigern (Erman/Saenger, BGB, 12. Aufl., § 359 Rn. 6; Martis/Meinhof, Verbraucherschutzrecht, 2. Aufl., 2. Teil, H. Verbundene Geschäfte Rn. 209; MünchKomm/Habersack, BGB, 5. Aufl., § 359 Rn. 75; Staudinger/Lorenz, BGB (2007), § 813 Rn. 5). Danach kommt auch bei einem Verbundgeschäft ein Rückforderungsdurchgriff nach den genannten Vorschriften nur beim Bestehen rechtshindernder Einwendungen aus dem finanzierten Vertragsverhältnis in Betracht (Senat BGHZ 174, 334, Tz. 30 f.). Daran fehlt es hier. Nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft begründet auch eine arglistige Täuschung nur ein in die Zukunft wirkendes Kündigungsrecht des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft (BGHZ 159, 280, 291; BGH, Urteil vom 14. Juni 2004 - II ZR 392/01, WM 2004, 1518, 1520 m.w.N.). Ob ein solches Kündigungsrecht von Beginn an bestand, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht entscheidend. Da die Klägerin ihre Gesellschaftsbeteiligung erst nach vollständiger Ablösung des bei der Beklagten aufgenommenen Darlehens frühestens konkludent mit dem Schreiben vom 5. September 2000 gekündigt hat, stand ihr zum maßgeblichen Zeitpunkt der Leistungserbringung keine den Anspruch dauernd ausschließende Einrede im Sinne des § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.
- 50
- 2. Der vom Berufungsgericht angenommene Anspruch ergibt sich auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG, da es an den Voraussetzungen für die Annahme einer Analogie fehlt.
- 51
- a) Allerdings hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs infolge einer arglistigen Täuschung des Verkäufers, Vermittlers, der Vertriebsorganisation oder der Fondsinitiatoren und Gründungsgesellschafter einer Gesellschaft beigetretenen Anlegern einen Rückforderungsanspruch in entsprechender Anwendung des § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG zuerkannt (BGHZ 156, 46, 54 ff. und BGH, Urteil vom 21. März 2005 - II ZR 411/02, WM 2005, 843, 845 m.w.N.; ebenso: Erman/Saenger, BGB, 12. Aufl., § 359 Rn. 6; Vollkommer in FS Merz (1992), 595, 609; Lang, ZfIR 2003, 852, 855).
- 52
- b) Dieser Ansicht ist der erkennende Senat bereits für den Fall des Bestehens rechtshindernder Einwendungen unter Hinweis auf das Fehlen einer Regelungslücke nicht gefolgt, da insoweit § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB eingreift (BGHZ 174, 334, Tz. 30).
- 53
- c) Er vermag ihr in Übereinstimmung mit der überwiegenden Meinung im Schrifttum (Metz, VerbrKrG, § 9 Rn. 26; MünchKomm/Habersack, BGB, 5. Aufl., § 359 Rn. 75; Münstermann/Hannes, VerbrKrG, § 9 Rn. 527; Staudinger/ Kessal-Wulf, BGB (2001), § 9 VerbrKrG Rn. 98 f. und BGB (2004), § 359 Rn. 32 f.; Franz, Der Einwendungsdurchgriff gemäß § 9 Abs. 3 Verbraucherkreditgesetz , S. 271 ff.; Martis/Meinhof, Verbraucherschutzrecht, 2. Aufl., 2. Teil, H. Verbundene Geschäfte, Rn. 209 und 281; Canaris, ZIP 1993, 401, 411; Dauner-Lieb, WM 1991, SB Nr. 6, 1, 22 und 30; Lieb, WM 1991, 1533, 1537; Reinicke/Tiedtke, ZIP 1992, 217, 224; Reinking, FLF 1993, 174, 177; Soergel/ Häuser, BGB, 12. Aufl., § 9 VerbrKrG Rn. 113) auch nicht beizutreten, soweit - wie hier - ein Rückforderungsdurchgriff aus § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht in Betracht kommt. Denn auch insoweit fehlt es für eine analoge Anwendung an dem Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke sowie an einer vergleichbaren Interessenlage.
- 54
- aa) Bereits der Wortlaut des § 9 Abs. 3 Satz 1 VerbrKrG ("(…) kann (…) verweigern (…)") schließt eine analoge Anwendung auf Rückforderungsansprüche aus. Ein Leistungsverweigerungsrecht stellt etwas grundsätzlich anderes dar als ein Rückforderungsanspruch.
- 55
- bb) Auch der Gesetzgeberwille spricht gegen die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke (so auch Metz, VerbrKrG, § 9 Rn. 26). In der Regierungsbegründung zum Entwurf des Verbraucherkreditgesetzes ist ausdrücklich nur von einem "Zurückbehaltungsrecht", "Einwendungsdurchgriff" und "Leistungsverweigerungsrecht" die Rede (BT-Drucksache 11/5462 S. 23 f. zu § 8). Weiter heißt es dort auch nur, Absatz 3 Satz 1 gewähre dem Verbraucher das Recht, die Rückzahlung des Darlehens - einschließlich der Zinsen - zu "verweigern" (aaO, S. 24).
- 56
- cc) Aus einer am Sinn und Zweck des § 9 Abs. 3 VerbrKrG orientierten Auslegung folgt ebenfalls kein anderes Ergebnis. Erklärter Schutzzweck des § 9 Abs. 3 VerbrKrG war es, eine Benachteiligung des Verbrauchers bei einem aufgespaltenen Geschäft gegenüber einem Teilzahlungskäufer zu vermeiden. Der Verbraucher sollte davor geschützt werden, den Kredit in voller Höhe zurückzahlen zu müssen, wenn er dem Warenlieferanten oder dem Dienstleistungserbringer zugeflossen war und dieser an den Verbraucher keine oder keine vertragsgemäße Leistung erbracht hatte (BT-Drucksache 11/5462 S. 23 zu § 8). Diesem Schutzzweck des § 9 Abs. 3 VerbrKrG aber ist Genüge getan, wenn der Verbraucher keine weiteren Raten mehr zahlen muss (Soergel/Häuser, BGB, 12. Aufl., § 9 VerbrKrG Rn. 113).
- 57
- dd) Mit Rücksicht auf die - im Einvernehmen zwischen dem II. und dem XI. Zivilsenat entwickelte - neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Ansprüchen arglistig getäuschter Anleger und Darlehensnehmer ist deren schutzwürdigen Interessen auch ohne eine über den eindeutigen Wortlaut hinausgehende erweiternde Auslegung des § 9 VerbrKrG Rechnung getragen. Die Rechte der Anleger und Darlehensnehmer erschöpfen sich in diesen Fällen nämlich nicht in den Rechten gegen die Fondsgesellschaft, die der kreditgebenden Bank gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 VerbrKrG entgegen gehalten werden können. Vielmehr gibt es anderweitig ein angemessenes Sanktionssystem, da den Anlegern und Darlehensnehmern weitergehende Rechte gegen die finanzierende Bank aus zugerechnetem Verschulden (BGHZ 167, 239, Tz. 29 ff.) sowie aus eigenem Aufklärungsverschulden (BGHZ 168, 1 ff., Tz. 50 ff. und Senatsurteil vom 21. November 2006 - XI ZR 347/05, WM 2007, 200, Tz. 29) zustehen, mit denen sie unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen auch eine Rückzahlung der von ihnen geleisteten Beträge erreichen können. Ungeachtet der bereicherungsrechtlichen Ausgleichshaftung und der Problematik des Rückforderungsdurchgriffs besteht die schadensersatzrechtliche Haftung des Darlehensgebers (vgl. Staudinger/Kessal-Wulf, BGB (2001), § 9 VerbrKrG Rn. 102 und BGB (2004), § 359 Rn. 36), aus der sich die entsprechenden Rückzahlungsansprüche ergeben können.
- 58
- ee) Der II. Zivilsenat hat auf Anfrage mitgeteilt, dass er an seiner abweichenden Auffassung nicht festhält.
IV.
- 59
- Das Berufungsurteil ist nach alledem aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur weiteren Sachaufklä- rung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird, nachdem die Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag erhalten haben, die erforderlichen ergänzenden Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten aus zugerechnetem Verschulden oder aus Aufklärungsverschulden sowie auch zu der Höhe eines sich dann eventuell ergebenden Schadensersatzanspruchs zu treffen haben.
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 23.09.2005 - 8 O 694/04 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 15.07.2008 - 6 U 8/06 -
(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.
(2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 9. September 2000 kaufte n die Kläger von dem verstorbenen Ehemann der Beklagten (Erblasser) ein Hausgrundstück. Der Kaufvertrag wurde von einem Makler im Namen des Erblassers abgeschlossen und von diesem genehmigt. Der Makler war von dem Sohn des Erblassers (und der Beklagten) aufgrund einer von diesem erteilten Vollmacht beauftragt worden. Die Kläger haben mit der Behauptung, der Verkäufer habe ihnen einen Holzbockbefall des Hauses verschwiegen, Schadensersatz verlangt und zwar die Zurückzahlung des Kaufpreises von 270.000 DM Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübertragung des Grundstücks sowie (u.a.) die Feststellung beantragt, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten der Rück-
übertragung zu tragen (bzw. die Kläger hiervon freizustellen) und eine Vorfälligkeitsentschädigung aus der Kaufpreisfinanzierung zu erstatten. Die Klage ist vor dem Landgericht ohne Erfolg geblieben. Im Berufungsrechtszug haben die Kläger, nachdem sie das Grundstück an Dritte verkauft hatten, Zahlung von 66.467,94 € (=130.000 DM) verlangt. Der Schadensbetrag setzt sich, unter Abzug des Wertes der Nutzung des Hauses, zusammen aus der Kaufpreisdifferenz von 60.000 DM, Vertrags- und Vollzugskosten, Grunderwerbssteuer, Maklergebühr , Umzugskosten und Abstandssumme an den bisherigen Mieter, insgesamt 30.596,95 DM, Kosten für neue Möbel und Arbeiten an dem Haus in Höhe von 20.653,24 DM sowie einem Zinsschaden von 28.066,67 DM. Die Kläger haben behauptet, der Verkäufer sei geschäftsunfähig gewesen und sie hätten den Kauf wegen Täuschung über den Holzbockbefall angefochten. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags zur Zahlung von 7.669,37 € nebst Zinsen verurteilt.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Klä ger den Berufungsantrag , soweit er erfolglos geblieben ist, weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht bejaht einen Anspruch der Kläger a us § 463 Satz 2 BGB a.F. Der Sohn des Erblassers, der für diesen "die Kaufvertragsverhandlungen geführt und dazu den Makler unterrichtet" habe, habe es unterlassen , den Makler darauf hinzuweisen, daß die Dachsparren mit Holzbock befal-
len sein könnten. Dem Sohn sei bekannt gewesen, daß die Stufe einer zum Dachboden führenden Treppe wegen Holzbockbefalls eingebrochen gewesen sei; nach seiner Aussage als Zeuge seien auch die Sparren des Dachgeschosses mit einem Holzschutzmittel behandelt worden. Selbst wenn sich daraus nicht die Kenntnis des Holzbockbefalls ergebe, so sei dem Sohn doch die Gefahr eines solchen Befalls bekannt gewesen. Hiervon hätte er den Makler, der "im Namen des Ehemanns der Beklagten die Kaufverhandlungen mit den Klägern geführt habe", unterrichten müssen. Die Kläger könnten Ersatz der zur Beseitigung des Holzbockbefalls erforderlichen Aufwendungen verlangen, die nach einem eingeholten Sachverständigengutachten 7.699,73 € (15.000 DM) betrügen. Ersatz weiterer Schäden stehe den Klägern nicht zu, denn sie seien nicht durch die Täuschung verursacht. Das Berufungsgericht sei nicht davon überzeugt, daß der Holzbockbefall ursächlich für den Weiterverkauf des Hauses und die Rückkehr der Kläger in ihre alte Wohnung gewesen sei. Angesichts der Schadenshöhe von 15.000 DM widerspreche dies der Vernunft. Eine akute Gefahr für den Bestand des Hauses habe nicht bestanden. Die Behauptung der Beklagten, die Kläger hätten sich von Kaufreue leiten lassen, sei viel naheliegender.
Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
II.
Zu Recht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht den Vortrag der Kläger, sie hätten den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten, unberücksichtigt gelassen hat (§ 537 ZPO a.F.). Die Kläger hatten die Anträge in ihrer ursprünglichen Fassung und nach der Weiterveräußerung des Grund-
stücks den verbliebenen Zahlungsantrag über 130.000 DM zwar auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gestützt; dies haben sie in der Verhandlung vom 27. Mai 2002 ausdrücklich zu Protokoll gegeben und, nachdem das Berufungsgericht den reduzierten Antrag am 12. August 2002 unter dem Gesichtspunkt des "kleinen Schadensersatzes" gewürdigt hatte, nicht in Frage gestellt. Mit dem die Schlußverhandlung vorbereitenden Schriftsatz vom 28. Januar 2003 haben die Kläger aber erstmals (in eindeutiger Weise) die Behauptung aufgestellt, sie hätten den Kauf angefochten. Auf der Nichtbeachtung dieses Vortrags beruht das Berufungsurteil, soweit es zum Nachteil der Kläger ergangen ist. Denn der in Frage kommende Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung wäre über den Reparaturaufwand von 7.699,73 €, den das Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt des § 463 Satz 2 BGB a.F. zugesprochen hat, hinausgegangen. In den Bereicherungsausgleich nach Scheitern des gegenseitigen Vertrags wäre jedenfalls der von der Beklagten erlangte Kaufpreis von 270.000 DM eingegangen. Für die Revision ist davon auszugehen, daß er im Wege der Saldierung nicht auf 15.000 DM (7.699,73 €) gekürzt worden wäre.
Das Berufungsgericht wird bei der neuen Verhandlung u nd Entscheidung zu klären haben, in welcher Reihenfolge die Kläger die bei Gültigkeit des Kaufs und bei seiner Ungültigkeit in Frage kommenden Ansprüche zur Entscheidung stellen. Das Verfahrensrecht hindert die Kläger nicht daran, bei der hier in Frage kommenden eventuellen Klagehäufung die verschiedenen Ansprüche auch mit sich gegenseitig widersprechendem Vortrag zu begründen (BGHZ 19, 390; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 260 Rdn. 4 m.w.N.). Die prozessuale Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) wird dadurch nicht berührt. Nicht vorzuwerfen ist dem Berufungsgericht dagegen, abweichend von der Revision, daß es sich mit der Behauptung, der Erblasser sei geschäftsunfähig gewesen,
nicht befaßt hat. Diese in der Berufungsbegründung ohne Klarstellung des Verhältnisses zu dem weiter verfolgten vertraglichen Schadensersatzanspruch aufgestellte Behauptung haben die Kläger, wie sich aus dem dargestellten weiteren Verfahrensablauf ergibt, fallen gelassen und auch im Schriftsatz vom 28. Januar 2003 nicht wieder aufgegriffen.
III.
1. Im weiteren Verfahren wird das Berufungsgericht zu beachten haben, daß ein Schadensersatzanspruch nicht nur nach § 463 Satz 2 BGB a.F., sondern , unabhängig davon, ob der Vertrag angefochten wurde, auch ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens wegen vorsätzlichen Verschuldens in Frage kommt (Senat, Urt. v. 3. Juli 1992, V ZR 97/91, NJW 1992, 2564). Beide Ansprüche setzen voraus, daß sich der Erblasser das Verschweigen des Fehlers durch dessen Sohn zurechnen lassen muß. Das Berufungsgericht hat dies für den Anspruch aus § 463 Satz 2 BGB a.F. ohne nähere Begründung bejaht. Dies könnte, wie die Beklagte zu Recht rügt (Gegenrüge), keinen Bestand haben.
a) Nach den tatbestandlichen Feststellungen in den Entsch eidungsgründen des Berufungsurteils (BGH, Urt. v. 19. Mai 1998, XI ZR 216/97, BGHR ZPO § 314, Feststellungen 3), der Sohn habe die Verhandlungen mit den Klägern geführt, wäre der Punkt allerdings unproblematisch. Dem Erblasser wäre die Kenntnis des Sohnes als seines Verhandlungsgehilfen zuzurechnen (Senatsurt. v. 8. November 1991, V ZR 260/90, WM 1992, 441). Die Feststellung entfaltet indessen nicht die Beweiskraft des § 314 ZPO, denn sie steht in Wi-
derspruch zu der weiteren Feststellung, die Kaufverhandlungen mit den Klägern habe der Makler im Namen des Erblassers geführt (BGH, Urt. v. 9. Dezember 1987, IVa ZR 155/86, BGHR ZPO § 314, Widersprüchlichkeit 1). Die Revision kann sich deshalb nur auf den allgemein in bezug genommenen tatsächlichen Vortrag der Kläger stützen. Danach wurden die Verhandlungen, wie es auch die Beklagte vorträgt, von dem Makler geführt. Aber auch dieser Sachverhalt rechtfertigt, unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Kläger, die Wissenszurechnung. Die Kläger haben vorgetragen, der Erblasser sei aufgrund einer Erkrankung (Parkinson'sche Krankheit) seit längerer Zeit an den Rollstuhl gefesselt gewesen. Der Sohn habe die Regelung aller Angelegenheiten des Erblassers, einschließlich des Grundstücksverkaufs an die Kläger , übernommen gehabt. Der Erblasser selbst habe sich um nichts mehr gekümmert.
War dem so, so sind im Verhältnis des Erblassers zu den Klä gern die Voraussetzungen der Zurechnung des Wissens des Sohnes um den Mangel entsprechend § 166 BGB erfüllt. Die Haftung des Verkäufers nach § 463 Satz 2 BGB a.F. bildet nach der Rechtsprechung des Senats einen auf das Erfüllungsinteresse gerichteten Fall des Verschuldens bei Vertragsschluß (BGHZ 60, 319, 321). Führt der Verkäufer die Vertragsverhandlungen nicht selbst, sondern überläßt sie einem Dritten (hier dem Makler), so haftet er einerseits für Verstöße gegen vorvertragliche Aufklärungspflichten, die sich der Dritte zu Schulden kommen läßt (Senatsurt. v. 8. November 1991, aaO), andererseits ist es ihm aber auch als eigenes Verschulden anzurechnen, wenn er den Dritten nicht über die Umstände informiert, die dem Käufer zu offenbaren sind. Bedient sich der Verkäufer, wie hier, bei der Erteilung des Verkaufsauftrags an den Dritten eines Vertreters (Sohn), so hat er sich dessen Kenntnis im Verhältnis
zum Empfänger der Willenserklärung (Makler) in unmittelbarer Anwendung des § 166 BGB zurechnen zu lassen. Hierauf kommt es aber im Streitfalle nicht an. Die Frage ist, ob sich der Erblasser die Kenntnis des Sohnes im Verhältnis zu den Klägern, denen gegenüber der Sohn keine rechtsgeschäftlichen oder sonstigen Erklärungen abgegeben hat, zurechnen lassen muß. Dies ist der Fall, wenn der Sohn dazu berufen war, im Rechtsverkehr als Repräsentant des Erblassers die anfallenden Aufgaben in eigener Verantwortlichkeit zu erledigen und die dabei erlangten Informationen zur Kenntnis zu nehmen und weiter zu geben. Der Erblasser muß sich dann im Verhältnis zu den Klägern so behandeln lassen, als hätte er selbst den Makler beauftragt und dabei die Information unterlassen. Nach dem Vorbringen der Kläger sind diese Voraussetzungen erfüllt (§ 166 BGB entspr.).
Der Gesichtspunkt der Aufgabenübertragung kommt als Grun dlage der Wissenszurechnung nicht nur dann in Frage, wenn sie für den Einzelfall (BGHZ 83, 293; Senatsurt. v. 8. November 1991, aaO) erfolgt; auch eine allgemeine Aufgabenüberlassung kann Anlaß für die Zurechnung sein. Der Senat hat sich hierauf für die Wissenszurechnung im Bereich öffentlich rechtlicher Organisationen (BGHZ 109, 327: Bürgermeister; BGHZ 117, 104, 106: Gemeindebediensteter unterhalb der Organebene) gestützt. Die Zurechnung kraft allgemeiner Aufgabenübertragung ist aber nicht an das Vorliegen einer Organisation geknüpft. Auch der als Einzelperson ohne, etwa kaufmännische, Organisationspflichten im Rechtsverkehr Auftretende kann zu dessen Schutz gehalten sein, sich das Wissen eines Dritten, der seine Angelegenheiten an seiner Stelle und mit seinem Willen dauernd erledigt, zurechnen zu lassen. So wenig wie in seinem ursprünglichen Anwendungsbereich ist § 166 BGB bei seiner entsprechenden Heranziehung an eine bestimmte Organisation des Ge-
schäftsherrn geknüpft. Der Gesichtspunkt der arbeitsteiligen Organisation als Zurechnungsgrund (BGHZ 132, 30) ergänzt oder ersetzt den Ansatzpunkt der Aufgabenzuweisung für den von ihm erfaßten Bereich (juristische Personen und Organisationen). Außerhalb dieses Bereichs vermag er den Anknüpfungspunkt der eigenverantwortlichen Aufgabenübertragung nicht zu verdrängen.
b) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Zurechnung des Wissens des Sohnes hält indessen der Gegenrüge der Beklagten, dieser habe lediglich den Auftrag gehabt, den Maklervertrag abzuschließen, im übrigen habe der Erblasser seine Angelegenheiten selbst geregelt, nicht stand. Hat sich die Rolle des Sohnes auf die Beauftragung des Maklers beschränkt, so ist sein Wissen dem Erblasser nicht zuzurechnen (vorstehend a).
2. Soweit sich das Berufungsgericht erneut mit dem Anspr uch aus § 463 Satz 2 BGB a.F. zu befassen hat, kann es den über 7.699,73 € hinausgehenden Antrag nicht mit der bisherigen Begründung abweisen. Die Schlüsse, die das Berufungsurteil aus den von ihm angenommenen Motiven des Weiterverkaufs (Kaufreue) zieht, vermögen den Anspruch nicht auf den zugesprochenen Betrag zu begrenzen.
a) Der Schadensersatzanspruch nach § 463 Satz 2 BGB a.F. i st, anders als der daneben bestehende Anspruch auf Ersatz des Vertrauensinteresses wegen Verschuldens bei Vertragsschluß (Senat, Urt. v. 3. Juli 1992, V ZR 97/91, NJW 1992, 2564), nicht darauf gerichtet, den Käufer so zu stellen, wie wenn der Fehler offenbart worden wäre. Der Käufer ist vielmehr so zu behandeln , wie wenn der Fehler nicht vorgelegen hätte. Dem Tatbestand liegt zwar die gesetzliche Vermutung zugrunde, daß die Täuschung für den Vertrags-
schluß ursächlich wurde (Senatsurt. v. 7. Juli 1989, V ZR 21/88, WM 1989, 1735), ist es dem Käufer aber nicht gelungen, diese zu widerlegen, ist der Haftungsumfang mit derjenigen bei Zusicherung (§ 463 Satz 1 BGB) identisch. Denn für den Fall des Verschweigens eines Mangels gilt nach § 463 Satz 2 BGB a.F. "das gleiche".
Der Umfang des Schadensersatzanspruchs der Kläger ist mithi n unabhängig davon, ob das Verschweigen des Fehlers für den Kaufabschluß selbst oder, worauf sich das Berufungsgericht stützt, für deren Entschluß, das Grundstück weiter zu verkaufen, ursächlich war. Maßgeblich ist vielmehr der Ursachenzusammenhang zwischen dem Fehler und den Schadenspositionen, die Gegenstand des Anspruchs sind (für den Fall des § 463 Satz 2 BGB a.F.: Senatsurt. v. 3. März 1995, V ZR 43/94, WM 1995, 849). Er kennzeichnet das Erfüllungsinteresse der Käufer.
b) Die Kläger haben, wie sich aus dem Prozeßverlauf (ob en zu 1) ergibt, nach dem Verkauf des Anwesens den "kleinen Schadensersatz" gewählt. Dies stand ihnen (auch), ohne daß hierzu die Zustimmung der Beklagten nach § 263 ZPO erforderlich gewesen wäre (BGH, Urt. v. 9. Oktober 1991, VIII ZR 88/90, NJW 1992, 566), frei; ob sie, worauf die Revision abhebt, unbeschadet des Weiterverkaufs den durch die Nichterfüllung des ganzen Vertrags entstandenen Schaden ("großer Schadensersatz") hätten geltend machen können , kann dahinstehen. Der Schadensersatzanspruch erfaßt die Kaufpreisdifferenz aus dem Weiterverkauf (60.000 €) und unter dem Gesichtspunkt der Rentabilitätsvermutung (Senat BGHZ 114, 193; 143, 41) die frustrierten Aufwendungen (Verkaufs- und Vollzugskosten, Maklergebühr, Umzugskosten, Abstandszahlung an den Mieter, 30.596,95 DM); das gleiche gilt grundsätzlich für
die durch die Finanzierung des Kaufpreises entstandenen Aufwendungen. Die Kosten für die Anschaffung neuer Möbel und für Arbeiten an dem Haus zählen nicht zu diesem Bereich. Denn sie waren mit dem Erwerb von Besitz und Eigentum an der Kaufsache nicht notwendig verbunden. Sie sind zu den erstattungsfähigen Mangelfolgekosten zu rechnen. Ob der Haftungsgrund hierfür § 463 Satz 2 BGB a.F. oder positive Forderungsverletzung ist, braucht
der Senat nicht zu entscheiden. Die Täuschung begründet den Schadensersatz in dem einen wie dem anderen Falle. Für die den Klägern zugesprochenen Reparaturkosten fehlt es an der prozessualen Grundlage. Der Käufer kann im Falle des § 463 Satz 2 BGB a.F. seinen Schaden zwar auf dieser Grundlage berechnen (Senat BGHZ 108, 156, 160). Er muß dies aber nicht. Die Kläger haben einen anderen Weg gewählt.
Wenzel Tropf Lemke Gaier Schmidt-Räntsch
(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.
(2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.
Gründe
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN
15 U 2063/14
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
Verkündet am 23.12.2015
4 O 7247/13 LG München I
… Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Leitsätze:
Gegen die Entscheidung ist Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt worden (Az. IX ZR 24/16
In dem Rechtsstreit
...
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
Nebenintervenientin: …
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
gegen
1) …
- Beklagte und Berufungsklägerin -
2) …
- Beklagter und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2: Rechtsanwälte …
wegen Schadensersatz
erlässt das Oberlandesgericht München - 15. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …, den Richter am Oberlandesgericht … und den Richter am Landgericht … am 23.12.2015 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.11.2015 folgendes
Endurteil
1. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I
Die Beklagten werden wie Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.249.683,18 € zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung und Anschlussberufung werden zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug haben der Kläger 27% und die Beklagten gesamtschuldnerisch 73% zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 26% und die Beklagten gesamtschuldnerisch 74% zu tragen. Die Beklagten haben gesamtschuldnerisch 73% der Kosten der Nebenintervention im ersten Rechtszug und 74% der Kosten der Nebenintervention im Berufungsverfahren zu tragen. Im Übrigen trägt die Nebenintervenientin ihre Kosten selbst.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Schuldner kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.679.801,98 € festgesetzt.
Gründe:
Die Beklagten werden verurteilt, den Kläger von Kirchensteuerverpflichtungen für die Jahre 2007 bis 2009 gegenüber dem Katholischen Kirchensteueramt M., derzeit in Höhe von 1.691.553,12 EUR freizustellen sowie an den Kläger 10.412 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Eine konkrete Aufklärung der italienischen Berater des Klägers bei dem Treffen vom 19.11.2007 in Modena habe nicht erfolgen müssen. Die Beklagten seien erst mit Vollmacht vom 06.12.2007 (Anl. K 3) mandatiert worden. Es habe sich lediglich um ein informatorisches Vorgespräch über die mögliche, aber noch nicht beschlossene Zusammenarbeit gehandelt.
Der Kläger sei im Rahmen des Gesprächs vom 06.12.2007 durch den Beklagte zu 2 ordnungsgemäß beraten und über die ihn treffende Kirchensteuer aufgeklärt worden. Eine Angestellte der C.S., Frau A. M. G.-D., habe die Ausführungen des Beklagten zu 2 übersetzt. Der Beklagte zu 2 sei auch auf die in Deutschland zu zahlende Kirchensteuer eingegangen. Er habe dem Kläger erläutert, die Kirchensteuer sei recht hoch und müsse von jedem gezahlt werden, der Mitglied einer Kirche sei. Die einzige Möglichkeit, der Kirchensteuerpflicht zu entgehen, sei der Austritt aus der Kirche. Auf diese Möglichkeit müsse der Steuerberater aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohnehin nicht hinweisen.
Der Kläger habe bei dem Gespräch am 06.12.2007 gesagt, er habe Hochzeitspläne mit seiner damaligen Lebensgefährtin. Auf die Frage hin, ob er nach einem Kirchenaustritt noch kirchlich heiraten könne - was Frau G.-D. auf Italienisch verneint habe - habe der Kläger gesagt, dass dies für ihn ein Problem darstelle, da er in seinem Dorf als sehr prominenter Mensch und Gönner einen Ruf zu bewahren habe und es äußerst schlecht ankomme, wenn er ersichtlich nicht mehr der Kirche angehöre und bei einer Hochzeit nicht die kirchliche Trauung im Dorf stattfinden könne, die dort alle erwarten würden.
Die Zeugin G.-D. müsse einvernommen werden. Die Zurückweisung des Beweisangebots gemäß den §§ 296 Abs. 2, 282 ZPO im ersten Rechtszug sei zu Unrecht erfolgt. Da die Zeugin bereits in der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2013 zum Inhalt des Gesprächs vom 06.12.2007 benannt worden sei, hätte das Gericht, nachdem ihre Adresse zunächst nicht nachgereicht worden sei, den Beklagten eine Frist nach § 356 ZPO setzen müssen. Dies sei unabhängig davon, ob die ladungsfähige Anschrift der Zeugin unverschuldet oder verschuldet nicht früher angegeben worden sei.
Auch die Urkunde über den Inhalt des Gesprächs (Anl. R&P 5) habe das Landgericht zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen. Zumindest als Privaturkunde hätte die eidesstattliche Versicherung von Frau G.-D. (Anl. R&P 5) gemäß § 416 ZPO im Termin vom 25.02.2014 berücksichtigt werden müssen, denn der Kläger sei dort persönlich anwesend gewesen.
Eine Aufklärung über die genaue Höhe der Kirchensteuer - und sei es durch Nennung der prozentualen Höhe - sei nicht geschuldet. Die Höhe der sonstigen Einkünfte des Klägers habe der Beklagte zu 2 nicht gekannt; das Einkommen bei der Nebenintervenientin sei für Steuerfragen irrelevant gewesen.
Einen Steuerberater treffe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann eine Hinweispflicht auf die Kirchensteuer, wenn diese das übliche Maß, das heißt 8% beziehungsweise 9% übersteige.
Das Landgericht habe seine Rechtsauffassung geändert, ohne darauf hinzuweisen.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts hätten die Beklagten das Thema nicht mit dem italienischen Steuerberater des Klägers, Dr. C., besprechen müssen. In einer höchstpersönlichen Angelegenheit wie der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche und einem Kirchenaustritt sei der Kläger selbst der richtige Ansprechpartner gewesen. Darauf, ob den Kläger Steuerfragen interessiert hätten, komme es nicht an.
Der Kläger habe anderweitig Kenntnis von seiner Kirchensteuerpflicht gehabt, da im Gespräch im Sekretariat der Nebenintervenientin am 30.08.2007 die Kirchensteuer angesprochen worden sei. Detailkenntnisse seien nicht erforderlich; zumindest müssten die grundlegenden Kenntnisse für die Intensität der Aufklärung am 06.12.2007 berücksichtigt werden.
Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er aus der Kirche ausgetreten wäre. Aufgrund der von ihm getroffenen Nettolohnvereinbarung habe der Kläger keinen wirtschaftlichen Anlass gehabt, einen Kirchenaustritt zu erklären.
Das Landgericht habe nicht dargelegt, weshalb es für die Beklagten erkennbar im Raum gestanden sei, dass der Kläger neben der Nettolohnvereinbarung mit der Nebenintervenientin weitere nennenswerte Einkünfte erzielen würde.
Dass jegliche Einkünfte, die eine persönlich zu tragende Kirchensteuer ausgelöst hätten, den Kläger zwingend zum Kirchenaustritt bewegt hätten, widerspreche der Logik. Es handele sich insbesondere bezogen auf das Gesamteinkommen um keine Beträge, die den Kläger aus wirtschaftlichen Gründen zum Kirchenaustritt veranlasst hätten:
Den sonstigen Einkünften von 415.291,00 € im Jahr 2007, 1.553.878,00 € im Jahr 2008 und 1.316.576,00 € im Jahr 2009 standen Einkünfte aus Tätigkeit bei der Nebenintervenientin von 19.107.803,00 € im Jahr 2007, 12.785.721,00 € im Jahr 2008 und 11.593.808,00 € im Jahr 2009 gegenüber. Die auf die übrigen Einkünfte entfallende Kirchensteuer von 14.908,42 € im Jahr 2007, 55.906,76 € im Jahr 2008 und 47.256,53 € im Jahr 2009 (Berechnung von D., Anl. K 24) machte 0,07% des Gesamteinkommens des Jahres 2007, 0,38% des Gesamteinkommens im Jahr 2008 und 0,36% des Gesamteinkommens im Jahr 2009 aus. Diese Beträge hätten zudem im Folgejahr als Sonderausgaben geltend gemacht werden können.
Aufgrund der Pläne des Klägers, kirchlich in einem italienischen Dorf zu heiraten, sei ein Kirchenaustritt ohne gravierenden wirtschaftlichen Anlass aus Gründen seiner persönlichen Reputation sicher nicht in Betracht gekommen.
Die Nebenintervenientin beim Beginn seiner Spielertätigkeit von zusätzlichen Steuern zu entlasten, sei kein nachvollziehbares Motiv, da der Kläger als Katholik mit Wohnsitz in Bayern den Tatbestand der Kirchensteuerpflicht gemäß Art. 6 BayKirchStG erfüllt habe. Der Kläger habe selbst gesagt, dass er nicht wisse, ob er den Kirchenaustritt erklärt hätte, um der Nebenintervenientin Steuern zu ersparen. Die von der Sekretärin erwähnte Steuer auf die Hochzeit habe ihn wegen der Nettolohnvereinbarung nicht interessiert.
Die Überlegung des Landgerichts, dass der Kläger einer Empfehlung seines Steuerberaters gefolgt wäre, aus der Kirche auszutreten, weil er sich auf seine Karriere als Profifußballer konzentrieren und nichts mit steuerlichen und rechtlichen Angelegenheiten zu tun haben wollte, sei nicht schlüssig. Eine Konzentration auf seine Karriere wäre ihm auch als Mitglied der katholischen Kirche möglich gewesen.
Da der Kläger nach der Aussage des Zeugen M1 Z. keine riskanten Steuersparmodelle, keine Optimierung haben wollte, sondern seine Ruhe, und zahlen, was zu zahlen sei, hätte er nicht zum Zwecke der Steueroptimierung seinen Kirchenaustritt erklärt.
Die Verwendung des Wortes „wohl“ durch den Kläger bei seiner Parteianhörung belege seine eigene Unsicherheit. Ein Kirchenaustritt sei für den Kläger keinesfalls selbstverständlich gewesen. Bei einer Belastung zwischen 0,07% und 0,38% seines Gesamteinkommens habe er keinen Anlass zum Kirchenaustritt bezogen auf den nicht von der Nebenintervenientin zu zahlenden Teil gehabt. Da es sich bei der katholischen Kirche um eine Weltkirche handle, habe ein Kirchenaustritt nicht auf Deutschland beschränkt werden können, so dass der Kläger auch in Italien nicht mehr Kirchenmitglied gewesen wäre.
Im Fall eines Kirchenaustritts in Deutschland hätte das Erzbischöfliche Matrikelamt das Taufpfarramt in Italien informiert (Anl. B 10). Das Taufpfarramt L. (gemäß Taufbescheinigung, Anl. B 11) liege nur 30 km von C. R. (Anl. B 12), dem Heimatdorf des Klägers, entfernt, so dass der Pfarrer der für den Kläger zuständigen Kirchengemeinde vom Kirchenaustritt des Klägers erfahren hätte, zumal beide Orte in der Erzdiözese M.-N. lägen.
Nach dem Allgemeinen Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt vom September 2012 (Anl. B 13) stelle die Erklärung des Kirchenaustritts vor der zuständigen zivilen Behörde eine willentliche und wissentliche Distanzierung von der Kirche und eine schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft dar, aus welchen Gründen auch immer der Austritt erklärt werde. Die austretende Person dürfe die Sakramente der Buße, Eucharistie, Firmung und Krankensalbung - außer in Todesgefahr - nicht empfangen. Diese Grundsätze hätten für die Weltkirche bereits vorher gegolten (Beweis: Einholung eines Gutachtens).
Die eidesstattliche Versicherung des Klägers vom 12.11.2010 (Anl. K 10) belege nicht die weitaus schwerer wiegende Entscheidung, wirklich aus der Kirche auszutreten, zumal der Kläger auch im Jahr 2010 noch kirchensteuerpflichtiges Einkommen in Deutschland erzielt haben dürfte.
Die Möglichkeit eines Wiedereintritts in die Kirche erhöhe entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht die Wahrscheinlichkeit eines Austritts.
Die Beklagten hätten in den Jahren 2008 und 2009 sehr wohl versucht, die Hintergründe der Kirchenzugehörigkeit des Klägers abzuklären, und zwar sowohl im Anschluss an das Telefonat vom 03.09.2008 des Beklagten zu 2 mit dem Kirchensteueramt (Anl. K 9) als auch nach Erhalt des Schreibens vom 01.04.2009 (Anl. K 11). Dies werde belegt durch den Aktenvermerk des Herrn P. (Anl. R&P 1).
M1 Z. habe mitgeteilt, der Kläger sei konfessionslos.
Es sei bemerkenswert, dass der Kläger in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 vom 28.12.2009 das freigelassene Feld „Religion“ nicht ergänzt oder dazu bei den Beklagten nachgefragt habe. Damit habe er zum Ausdruck gebracht, konfessionslos zu sein.
Von der nicht vorschriftsgemäßen Abführung der Kirchensteuer hätten die Beklagten vor Juni 2010 keine Kenntnis gehabt, denn erst mit Erhalt des Schreibens des Katholischen Kirchensteueramtes vom 08.06.2010 und der Übersendung der Taufbescheinigung des Klägers (Anl. K 14) hätten sie gesicherte Kenntnis von der Konfessionszugehörigkeit des Klägers gehabt.
Eine sekundäre Belehrungspflicht habe sie nicht getroffen, da § 65 StBerG a. F. am 15.12.2004 aufgehoben worden sei.
Das Landgericht habe die verschiedenen denkbaren Handlungsalternativen nicht gegenüber gestellt.
Ein Schaden des Klägers sei nicht gegeben, denn aufgrund der Nettolohnvereinbarung sei die Nebenintervenientin alleinige Zahlungsschuldnerin der Kirchensteuer aus dem Arbeitsverhältnis. Bis heute sei es die Pflicht der Nebenintervenientin, die Kirchensteuer zu begleichen beziehungsweise dem Kläger zu ersetzen.
Bei einer Nettolohnvereinbarung stehe die Auszahlung des Barlohns dem Einbehalt von Lohn- beziehungsweise Kirchenlohnsteuer gleich. Die einbehaltene Kirchensteuer sei demnach im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG erhoben, eine erneute Inanspruchnahme ausgeschlossen. Der Kläger habe nicht gewusst, dass die Nebenintervenientin die Kirchensteuer nicht angemeldet habe.
Die Haftung der Nebenintervenientin sei nicht ausgeschlossen, denn die Lohnsteuerkarte sei aufgrund eines ihr zuzurechnenden Verschuldens der Sekretärin Frau P. fehlerhaft gewesen.
Auch im Falle eines Gesamtschuldverhältnisses zwischen Nebenintervenientin und Kläger habe erstere von der Steuerverwaltung in Anspruch genommen werden müssen, da die Ursache für den fehlenden Einbehalt im Risikobereich der Nebenintervenientin gelegen habe. In der speziellen Konstellation habe eine Fürsorgepflicht der Nebenintervenientin in Hinsicht auf die Religionszugehörigkeit gegenüber dem Kläger bestanden, besonders da er mit der Nebenintervenientin eine Nettolohnvereinbarung geschlossen hatte und mit Behördenangelegenheiten in Deutschland nicht vertraut gewesen sei. Sofern die Anmeldung durch Frau P. nicht ordnungsgemäß hätte erfolgen können, hätte die Nebenintervenientin geschultes Personal einschalten oder den Kläger an seinen Berater verweisen müssen.
Trotz der Rücknahme der Klage vor dem Finanzgericht sei die Kirchensteuer nach wie vor nicht bestandskräftig festgesetzt.
Das „termination agreement“ zwischen dem Kläger und der Nebenintervenientin tangiere die Inanspruchnahme der letzteren durch das Katholische Kirchensteueramt nicht.
Im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht müsse der Kläger auf eine Inanspruchnahme der Nebenintervenientin hinwirken.
Wenn man unterstelle, dass die Nebenintervenientin nicht hafte, begründe der Abschluss des Termination Agreements vom 16.06.2010 in Kenntnis der Kirchensteuerproblematik den Vorwurf überwiegenden Mitverschuldens. Den Beklagten wurde kein Entwurf dieser Vereinbarung vorgelegt.
Jedenfalls aber sei ein etwaiger Anspruch des Klägers gegen die Beklagten um den (erheblichen) Haftungsanteil der Nebenintervenientin zu reduzieren. Es liege ein Fall der gestörten Gesamtschuld vor, und es sei vorzugswürdig, den Anspruch um den Haftungsanteil des Mitschädigers zu kürzen, anstatt lediglich einen Ausgleich im Innenverhältnis der Gesamtschuldner zuzuerkennen.
Die Verjährung von Schadenersatzansprüchen des Klägers gegen die Nebenintervenientin beginne erst mit dem Erlass der Steuerbescheide und sei daher durch die Zustellung der Streitverkündungsschrift vom 23.12.2013 rechtzeitig gehemmt worden.
Der Kläger habe über seine Berater bereits Ende 2007 beziehungsweise Anfang 2008 Kenntnis vom Bestehen einer Kirchensteuer in Deutschland gehabt beziehungsweise er habe eine solche Kenntnis zumindest haben müssen: Im Nachgang zum Treffen vom 19.11.2007 übersandte der Beklagte zu 2 dem persönlichen Vermögensberater des Klägers, Adriano T., einen Entwurf der Einkommenssteuerplanung des Klägers für das Jahr 2008 per E-Mail vom 28.12.2007 (Anl. B 1). Eine E-Mail desselben Inhalts erhielt am 01.01.2008 der Manager des Klägers, T. T. (Anl. B 2). Der Berechnung sei bereits in der Überschrift deutlich das Wort „church tax“ zu entnehmen gewesen, die bei der Berechnung unter dem Punkt „sum of income“ sogar als geschätzter abzugsfähiger Posten aufgeführt gewesen sei.
T.T. sei es gewesen, der das „termination agreement“ mit dem Justiziar und dem damaligen Finanzvorstand der Nebenintervenientin verhandelt habe (E-Mail Dr. G. vom 02.07.2010, Anl. K 23).
Im Rahmen eines persönlichen Treffens am 02.04.2009 (Zeiterfassung Anl. R&P 2) hätten die Beklagten Herrn M1 Z. ein Schreiben des Katholischen Kirchensteueramts M. übergeben, in dem auf die Taufe des Klägers und die sich daraus ergebende Kirchensteuerpflicht hingewiesen worden sei.
Am 09.11.2009 seien Herrn M1 Z. die Kirchensteuerbescheide für die Jahre 2007 und 2008 vom 02.11.2009 übergeben worden (Übergabeprotokoll vom 09.11.2009, Anlagekonvolut B 3), am 08.11.2009 der am 18.11.2009 eingereichte Einspruch (Übergabeprotokoll vom 18.11.2009, Anlagekonvolut B 3; Zeiterfassung Anl. R&P 5). Die Anlage B 3 sei versehentlich zuerst nicht auf dem Briefpapier der Beklagten zu 1 gedruckt und, nachdem das Dokument bereits gefaxt worden sei, nochmals ausgedruckt und vom Beklagten zu 2 nochmals unterschrieben worden.
Die Übergabeprotokolle hätten sich deshalb nicht in den Anfang 2011 übergebenen Akten befunden, da sie in den Akten über die Einkommenssteuer des Klägers aufbewahrt worden seien. Die nunmehr vorgelegten Übergabeprotokolle seien teils aus den Handakten, teils aus der elektronischen Akte der Beklagten zu 1 entnommen.
Der Kläger habe spätestens aufgrund eines Schreibens des Katholischen Kirchensteueramts München vom 03.12.2009 Kenntnis von der Kirchensteuerproblematik, das M1 Z. am 15.12.2009 durch die Beklagten per E-Mail (Anl. R&P 3) übermittelt wurde.
Am 24.03.2010 seien M1 Z. die berichtigten Kirchensteuerbescheide der Jahre 2007 und 2008 übergeben worden (Übergabeprotokoll vom 24.03.2010, Anlagenkonvolut B 5).
Die Übergabe sei stets im Hotel P. M., …, erfolgt.
Da der Kläger nie zu einem Treffen gekommen sei, habe der Beklagte zu 2 gar keine andere Wahl gehabt, als sich an M1 Z. zu wenden, wie es zwischen den Parteien im Übrigen abgesprochen gewesen sei. Der Kläger habe sich gegenüber den Beklagten ausschließlich des Herrn Z. als Ansprechpartner bedient. Eine persönliche Ansprache des Klägers sei nicht möglich gewesen. Dieser habe sich nie persönlich um seine steuerlichen Belange gekümmert.
M1 Z. sei der Wissensvertreter des Klägers. Er sei von der Nebenintervenientin als „Betreuer“ für ausländische Spieler beschäftigt gewesen. Zu seinen Aufgaben habe vor allem auch die Kommunikation mit den steuerlichen Beratern des Klägers gehört, wie vor dem Landgericht selbst ausgesagt. Er sei der Beklagten als Ansprechpartner in sämtlichen Angelegenheiten des Klägers vorgestellt worden (Aktenvermerk Platzek, Anl. R&P 1).
Die Weiterleitung des Schreibens vom 03.12.2009 an den italienischen Steuerberater des Klägers, Dr. C., ergebe sich daraus, dass die im ebenfalls mit dem Schreiben übermittelten Steuerbescheid ausgewiesene Steuer bezahlt wurde.
Der Kläger sei mehrfach darauf hingewiesen worden, vor dem Abschluss des „termination agreements“ Rücksprache mit den Beklagten zu nehmen (Aktenvermerk P., Anl. R&P 1). M1 Z. habe dem Beklagten zu 2 mitgeteilt, dass der Kläger die Nebenintervenientin nach der Sommerpause 2011 endgültig verlassen werde. Weil die Beklagten gewusst hätten, dass im Fall eines Wechsels des Klägers ein Aufhebungsvertrag geschlossen werden würde, hätten sie Herrn Z. im Februar 2010 darauf angesprochen.
Im Rahmen der Telefonkonferenzen sei auch die Kirchensteuerproblematik angesprochen worden.
Mit E-Mail vom 20.07.2010 sei von M1 Z. durch Herrn P. eine weitere Stellungnahme gefordert, was eine vorherige Stellungnahme impliziere (Anl. B 14). Auch mit E-Mail vom 16.08.2010 habe Herr P. von Herrn Z. eine weitere Stellungnahme zur Kirchensteuerpflicht gefordert (Anl. B 15). Damit sei die Aussage des M1 Z., er habe erst im Jahr 2011 Kenntnis von der Kirchensteuerproblematik erlangt, nachweisbar falsch, was sich besonders deutlich aus seiner E-Mail an Herrn P. vom 03.11.2010 ergebe (Anl. B 16).
Die E-Mails an die Herren T. und T. seien keine neuen Verteidigungsmittel. Die vorgelegten Beweismittel konkretisierten lediglich das Vorbringen im Schriftsatz der Beklagten vom 28.06.2013 (Bl. 25/36 d. A.), dort S. 5 ff. und S. 9 ff. Jedenfalls aber seien sie deshalb zu berücksichtigen, weil das Landgericht die Kirchensteuerproblematik im Rahmen des „termination agreements“ erkennbar für unerheblich gehalten habe.
Der Kläger habe es trotz Hinweises der Beklagten in den E-Mails des Beklagten zu 2 an Herrn Z. vom 14.12.2010 (Anl. B 6) und vom 27.12.2010 (Anl. B 7) unterlassen, die Kirchensteuer im Jahr 2010 zu bezahlen, wodurch er seine Einkommenssteuerlast um 455.981,00 € hätte mindern können (gemäß Berechnung Sonderausgabenabzug, Anl. B 8). Zumindest dieser Betrag müsse als Mitverschuldensanteil abgezogen werden, was das Landgericht übersehen habe.
Das Landesamt für Steuern habe eine Steuerpflicht des Klägers in Deutschland für das Jahr 2010 im Dezember 2010 bejaht. Unter Umständen wäre nach der Aussage des Landesamts für Steuern für den Fall einer nicht mehr bestehenden uneingeschränkten Steuerpflicht im Jahr 2010 ein Rücktrag auf das Jahr 2009 möglich gewesen.
Zumindest habe der Kläger aus europarechtlichen Erwägungen (Arbeitnehmerfreizügigkeit) die anfallende Kirchensteuer in seiner italienischen Steuererklärung als Sonderausgabe geltend machen können (so EuGH, Urt. v. 19.11.2009, Az. C-314/08, zu Sozialversicherungsbeiträgen).
Das Verhalten des Herrn Z. müsse der Kläger sich nach den §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 BGB als Mitverschulden im haftungsbegründenden Vorgang anrechnen lassen.
Der Hinweis der Sekretärin Frau P. gegenüber dem Kläger, dass in Deutschland Steuern anfielen, wenn man heiraten möchte, sei falsch. Die Nebenintervenientin müsse sich dieses Fehlverhalten nach § 278 BGB zurechnen lassen. Maximal als Schadensersatz geschuldet sei daher die Summe, welche die Nebenintervenientin nicht hätte übernehmen müssen, 103.163,29 €.
Ein Anspruch auf Ersatz der Gerichtskosten von 10.412,00 € stehe dem Kläger nicht zu, da er darauf hingewiesen worden sei, die Klage sei „nahezu aussichtslos“. Dies teilte der Beklagte zu 2 Herrn Z. mit E-Mail vom 27.12.2010 (Anl. B 7) mit.
Hätte das Landgericht einen Hinweis darauf erteilt, dass es die E-Mail des Herrn P. an den Beklagten zu 2 vom 07.12.2010 (Anl. R&P 4) als nicht ausreichend ansehen würde, wäre die E-Mail vom 27.12.2010 bereits erstinstanzlich vorgelegt worden. Sie müsse im Berufungsverfahren nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO als Beweismittel zugelassen werden.
Der Schaden sei erst durch die Klagerücknahme der Nachfolgeberater eingetreten, nachdem die Beklagten am 21.02.2011 das Mandat niedergelegt hatten (Anlagekonvolut B 9).
Das Urteil des Landgerichts München I,
I. Die Berufungen der Beklagten werden zurückgewiesen.
II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger EUR 1.669.389,98 zu zahlen.
III. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu II:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von Kirchensteuerverpflichtungen für die Jahre 2007 bis 2009 gegenüber dem Katholischen Kirchensteueramt München in Höhe von 1.669.389,98 freizustellen.
Die Anträge werden vorsorglich mit der Maßgabe gestellt, dass eine Verurteilung Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher etwaiger Ansprüche des Klägers gegen die Nebenintervenientin erfolgt.
die Zurückweisung der Berufung.
Die Nachholung einer Vernehmung von Frau G.-D. komme unter dem Gesichtspunkt des § 296 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht, weil die Beklagten frühzeitig mit dem Vorwurf mangelnder hinreichender Aufklärung konfrontiert gewesen seien. Noch im vorletzten Termin vom 17.12.2013 sei jede Beratungspflicht in Bezug auf die Kirchensteuer verneint worden. Deshalb sei die Vorlage der Erklärung der Frau G.-D. am Tag der letzten mündlichen Verhandlung zu spät.
Da es in Italien keine steuerrechtlich relevante Zugehörigkeit zu einer Konfession gebe, erfolge über einen Kirchenaustritt in Deutschland keinerlei Mitteilung an (italienische) katholische Stellen. Ein Kirchenaustritt wäre für den Kläger keine Richtungsentscheidung gewesen und in Italien ohne Relevanz geblieben.
Maßgeblich sei das Schreiben des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte vom 13.03.2006 (Pro. N. 10279/2006), in dem aus vatikanischer Sicht die Voraussetzungen eines Abfalls von der katholischen Kirche dargelegt würden (Anl. K 30). Der Betroffene müsse eine innere Entscheidung treffen, die katholische Kirche zu verlassen, die Entscheidung müsse ausgeführt, nach außen bekundet und zudem von Seiten der kirchlichen Autorität entgegengenommen werden. Ein bloßer formaler Akt rechtlich-administrativen Charakters genüge nicht. Erforderlich sei ein Akt der Apostasie, Häresie oder des Schisma.
Ein Verbleib in der Glaubensgemeinschaft sei daher trotz steuerrechtlichem Kirchenaustritt möglich (Beweis: Einholung eines Gutachtens).
Das Landgericht habe die Anhörung des Klägers zutreffend gewürdigt. Mit der Verwendung des Wortes „wohl“ habe er deutlich machen wollen, dass er hypothetisch antworte. Die Entscheidung zum Kirchenaustritt sei wirtschaftlich nachvollziehbar gewesen.
Da das Kennenlerngespräch vom 06.12.2007 gerade einmal 10 Minuten gedauert habe und Frau G.-D. in beide Richtungen hin habe übersetzen müssen, blieben als effektive Gesprächszeit vielleicht fünf Minuten, für den Gesprächsanteil des Beklagten zu 2 vielleicht 2,5 Minuten. Daher könnten die Parteien allenfalls Höflichkeiten ausgetauscht haben. Eine hinreichende Aufklärung über die Kirchensteuer aus selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit sei in diesem Zeitrahmen unmöglich. Hochzeitspläne habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt gehabt. Mit Frau C. sei er bereits seit 1998 liiert gewesen. Außerdem hätte die behauptete Beratung nicht genügt.
Dass am 06.12.2007 kein Hinweis auf die Problematik der Kirchensteuer erfolgt sei, ergebe sich auch daraus, dass bei dem vorangegangenen Fachgespräch am 19.11.2007, an dem unter anderem der Beklagte zu 2 und Dr. C., der italienische Steuerberater des Klägers, teilnahmen, die Kirchensteuer ausweislich der Besprechungsnotiz (Anl. K 32) kein Thema gewesen sei. Dann sei es nicht plausibel, dass der Beklagte zu 2 dieses Thema, das er gegenüber dem Steuerberater des Klägers nicht angesprochen habe, dem Kläger persönlich geschildert haben soll.
Eine lediglich abstrakte Erwähnung der Kirchensteuer am 06.12.2007 sei zudem für den streitgegenständlichen Schadensverlauf irrelevant, weil die Beklagten in der Folge weitere Pflichtverletzungen begangen hätten, so die Angabe „r. k.“ im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung ohne Rücksprache mit ihm. Mit einer reflektierten und dokumentierten Aufklärung der Konfessionszugehörigkeit hätte er die Angabe „konfessionslos“ in der dem Beklagten zu 2 vorliegenden Lohnsteueranmeldung sofort aufklären können und müssen. Der Beklagte zu 2 habe die Diskrepanz zwischen der Lohnsteueranmeldung und den eigenen Angaben übersehen.
M1 Z. habe den Beklagten nicht mitgeteilt, dass der Kläger konfessionslos sei.
In den Jahren 2008 bis 2010 hätten die Beklagten ihre Beraterpflichten permanent verletzt, indem sie es unterlassen hätten, seine Konfessionszugehörigkeit sofort aufzuklären und für einen zumindest vorläufigen Kirchensteuerabzug durch die Nebenintervenientin zu sorgen.
Spätestens ab dem Schreiben des Katholischen Kirchensteueramtes vom 01.04.2009 (Anl. K 11) sei ein nachdrücklicher und schriftlicher Hinweis auf die fehlende Berücksichtigung gegenüber der Nebenintervenientin erforderlich gewesen.
Eine Absprache, die Kommunikation über den Zeugen Z. zu führen, habe es nicht gegeben. Im Zusammenhang mit gewerbe- und einkommenssteuerlichen Themen hätten die Beklagten direkt mit dem italienischen steuerlichen Berater des Klägers, Dr. C., auf Englisch kommuniziert (vgl. E-Mail P. vom 08.03.2010, Anl. K 29). Auch bei den Telefonkonferenzen vom 16.03. und 19.04.2010 hätten die Beklagten die Möglichkeit gehabt, gegenüber Dr. C. die längst drängende Kirchensteuerproblematik anzusprechen.
Ebenso wenig seien kirchensteuerlich relevante Dokumente wie die Anlagen B 3 vom 09.11.2009, B 4 vom 18.11.2009 und B 5 vom 24.03.2010 an den Zeugen Z. übergeben worden.
Diese Behauptung sei auch nicht glaubhaft, weil sich in der im Februar 2011 an D. übergebenen Beratungsakte keine Kopie der angeblichen Übergabeprotokolle befinde. Im Begleitschreiben der Beklagten vom 21.02.2011 (Anl. K 31) sei eine vollständige Übergabe der Beratungsakten behauptet worden. Auf die auffällige Abweichung beim Einspruch vom 06.10.2009 (Anl. B 3 einerseits und Anl. K 27 andererseits) sei hinzuweisen. Die Erklärungen der Beklagten hierzu seien nicht nachvollziehbar. Auf der Anlage B 3 sei im Übrigen das Briefpapier erkennbar. Anlage B 5 enthalte eine damals nicht existente Büroanschrift der Beklagten; die Anlagen B 3 bis B 5 seien nämlich erst nachträglich konstruiert worden. Bei den D. übergebenen Unterlagen, insgesamt 14 Ordner, befänden sich sehr wohl die „Akten über die Einkommenssteuer“ des Klägers.
Die Übergabetermine fänden sich nicht einmal in der in erster Instanz vorgelegten Zeiterfassung (Anl. R&P 2), weder am 09.11.2009, noch am 18.11.2009. Der Zeiteintrag vom 24.03.2010 befasse sich mit der einkommenssteuerlichen Problematik der Ansässigkeit des Klägers im Jahr 2007 in Italien, zu der es auch die Besprechung vom 01.03.2010 mit Herrn Z. beim Finanzamt München IV gegeben habe. Eine persönliche Besprechung in München habe es an diesem Tag nicht gegeben.
Der E-Mail vom 15.12.2009 (Anl. R&P 3) beigefügt sei Korrespondenz mit dem Finanzamt München zur Einkommenssteuer, aber nicht das Schreiben des Katholischen Kirchensteueramtes vom 15.12.2009.
Bei rechtzeitiger Information darüber, dass die Nebenintervenientin die auf die Lohnbezüge des Klägers entfallende Kirchensteuer nicht abführt, hätte der Kläger auf deren vertragsgemäßer Entrichtung durch die Nebenintervenientin bestanden. Dem wäre die Nebenintervenientin nachgekommen.
Ein Hinweis an Herrn Z. am 23.02.2010, vor einer Einigung mit der Nebenintervenientin mit den Beklagten Rücksprache zu nehmen, habe es nicht gegeben. Diese Behauptung sei bereits durch die Einvernahme des Zeugen P. in erster Instanz widerlegt worden. Im Februar 2010 habe eine Auflösung des Vertragsverhältnisses mit der Nebenintervenientin noch nicht zur Diskussion gestanden, erstmals sei sie im Mai angesprochen worden. M1 Z. sei an den zwischen dem klägerischen Manager T. T. und Dr. G., dem Justiziar der Nebenintervenientin, auf Englisch geführten Verhandlungen nicht beteiligt gewesen. Er habe von diesen keine Kenntnis gehabt (Beweis: T. T. als Zeuge).
Gerade wegen der fehlenden Aufklärung habe der Kläger von der Bedeutung der Kirchensteuer für das „termination agreement“ nicht wissen können.
Die E-Mail vom 04.11.2010 (Anl. K 7) zeige anschaulich, dass die Beklagten erstmals in dieser die erforderlichen Erläuterungen zur Kirchensteuersituation des Klägers abgegeben hätten.
Die Beklagten hätten ihn jedenfalls vor dem Abschluss des „termination agreement“ vom 16.06.2010 über die Problematik, dass die Kirche die von der Nebenintervenientin nicht abgeführten Beträge vom Kläger forderte, aufklären müssen.
Die Beklagten hätten nach Eingang des Vorauszahlungsbescheids des Katholischen Kirchensteueramtes sofort auf eine Klärung des Merkmals „römisch-katholisch“ hinwirken müssen.
Der Vortrag der Beklagten zur Übergabe von Unterlagen an M1 Z. sei verspätet. Außerdem reiche die kommentarlose Übergabe von Steuerbescheiden und Einsprüchen an eine allenfalls als Boten zu qualifizierende Person nicht aus.
Die Übergabe erst im Berufungsverfahren werde nicht entschuldigt.
Der Ruf des Klägers in Italien habe nicht von der dort unbekannten kirchensteuerrechtlichen Zugehörigkeit zur deutschen katholischen Kirche abgehangen.
In Bezug auf § 42d Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 EStG übersähen die Beklagten, dass der Kläger, sich ihre Kenntnis von der unterbliebenen Abführung der Kirchenlohnsteuer entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen müsse.
Der Kläger sei im Jahr 2010 in Deutschland nicht mehr einkommenssteuerpflichtig gewesen. Zudem sei zum Sonderausgabenabzug eine Beratung durch die Beklagten ebenfalls unterblieben.
Die Beklagten hätten den Kläger darüber belehren müssen, dass eine Klageerhebung zwar aussichtslos sei, aber Schadenersatzansprüche gegen sie bestünden. Er hätte die Klage dann nicht eingereicht.
Der Übergang vom Freistellungsanspruch zum Zahlungsanspruch sei gemäß § 250 Satz 2 BGB möglich, wobei es entsprechend § 281 Abs. 2 Var. 1 BGB keiner Fristsetzung bedürfe, wenn - wie hier - die Erfüllung ernsthaft und endgültig verweigert werde. Es bestehe Gesamtschuld.
Die Abweisung der Klage hinsichtlich der Kirchensteuer auf Einnahmen für 2007, die nicht aus dem Spielervertrag herrühren, und die im angefochtenen Urteil mit 14.908,42 € angesetzt wurde, greift der Kläger nicht an. Damit ergebe sich ein Zahlungsanspruch von 1.669.389,98 € (1.684.298,40 € abzüglich 14.908,42 €).
Sie sei weder Steuer- noch Haftungsschuldnerin der Kirchensteuerschuld des Klägers. Durch die Nettolohnvereinbarung ändere sich daran nichts, dass der Kläger gemäß Art. 3 BayKirchStG Schuldner der Kirchensteuer sei.
Die Nebenintervenientin könne auch nicht im Wege der Haftung gemäß Art. 14 BayKirchStG in Verbindung mit § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG in Anspruch genommen werden.
Zum einen sei bereits Festsetzungsverjährung gemäß Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayKirchStG in Verbindung mit § 191 Abs. 3 AO eingetreten. Letztmalig habe eine Kirchensteuerpflicht des Klägers im Jahr 2009 bestanden, so dass die Festsetzungsfrist des § 191 Abs. 3 Satz 2 AO von vier Jahren am 01.01.2010 begonnen habe und 2013 abgelaufen sei. Auch unter Berücksichtigung der Spezialregelung des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayKirchStG in Verbindung mit § 191 Abs. 3 Satz 4 AO sei die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen. Da die Kirchensteuer für den Veranlagungszeitraum 2007 und 2008 mit Bescheid vom 08.12.2010 und für den Veranlagungszeitraum 2009 mit Bescheid vom 13.10.2011 festgesetzt worden sei, sei die Zweijahresfrist des § 191 Abs. 3 Satz 4 in Verbindung mit § 171 Abs. 10 AO für das Jahr 2009 am 16.10.2013, im Übrigen früher abgelaufen.
Zum andern sei ihre Haftung für die Kirchensteuerschuld aus materiell-rechtlichen Gründen ausgeschlossen. Da der Arbeitgeber nicht aufgrund eines falsch ermittelten Freibetrags für die (Lohn-) Kirchensteuer hafte, hafte sie auch nicht, da die übermittelten Lohnsteuerkarten den Kläger als konfessionslos ausgewiesen hätten.
Zudem unterliege die Inanspruchnahme des Arbeitgebers nach Art. 14 BayKirchStG in Verbindung mit § 42d Abs. 3 Satz 3 EStG der pflichtgemäßen Ermessensausübung durch die Steuerverwaltung. Wenn die Ursache für den fehlerhaften Einbehalt nicht im Risikobereich des Arbeitgebers liege, sei seine Inanspruchnahme ausgeschlossen. Dazu gehöre der Haftungsausschluss wegen entschuldbaren Tatsachenirrtums. Im vorliegenden Fall habe sie aufgrund des Eintrags auf der Lohnsteuerkarte entschuldbar über die Religionszugehörigkeit des Klägers geirrt. Es sei nicht Aufgabe des Arbeitgebers, die Religionszugehörigkeit von Arbeitnehmern zu ermitteln und zu überprüfen.
Die tatsächliche Inanspruchnahme des Klägers durch die Fachbehörde zeige, dass die Auffassung der Nebenintervenientin zutreffend sei.
Zum einen liege keine Gesamtschuldnerschaft zwischen ihr und dem Kläger vor, was Voraussetzung des § 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 EStG sei. Zum anderen sei das Wissen der Beklagten von der fehlenden Abführung der Kirchensteuer seit dem Jahr 2008 dem Kläger entsprechend § 166 BGB zuzurechnen.
Es sei auch nicht erklärlich, dass die Beklagten nicht gestützt auf § 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 EStG Einspruch eingelegt hätten, wenn sie von einer Haftung der Nebenintervenientin ausgegangen seien.
Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Erstattung oder Freistellung von der Kirchensteuer gegen sie.
Ein Anspruch sei durch die Abgeltungsklausel in Nr. 5 des „termination agreements“ ausgeschlossen, wie das Landgericht auf Seite 21 des angefochtenen Urteils zu Recht ausgeführt habe. Die Systematik der Abgeltungsklausel zeige deutlich, dass mit den dort genannten Zahlungen sämtliche Verpflichtungen des Clubs im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsvertrag erledigt sein sollten.
Es handle sich zusammen mit dem Anerkenntnis des Clubs, keine Ansprüche gegen den Spieler mehr zu haben, um eine in der arbeitsvertraglichen Praxis häufige Abgeltungsklausel, in der noch verbleibende Zahlungen konkret benannt würden. Im Interesse klarer Verhältnisse seien Klauseln dieser Art nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urt. v. 22.10.2008, Az. 10 AZR 617/07, NZA 2009, 139 [142]) grundsätzlich weit auszulegen.
Ein Anspruch sei zudem durch die Versäumung der Ausschlussfrist gemäß § 14 des Spielervertrags (Anl. K 1) ausgeschlossen. Die Fristenregelung sei hinsichtlich des bestehenden (Sechsmonatsfrist) und des beendeten Arbeitsverhältnisses (Dreimonatsfrist) teilbar. Bei Streichung der Sechsmonatsfrist bleibe eine sinnvolle Regelung erhalten, wie die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung anerkenne (ArbG Paderborn, Urt. v. 25.02.2011, Az. 3 Ca 1633/10).
Die Sechsmonatsfrist mit ihrer Anknüpfung an die Fälligkeit des Anspruchs sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wirksam (BAG, Urt. v. 28.09.2005, Az. 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149 [153]). Die schriftliche Geltendmachung eines Anspruchs auf Erstattung oder Freistellung von der Kirchensteuer innerhalb der Sechsmonatsfrist erfolgte nicht.
Ein Anspruch sei außerdem mit Ablauf des Jahres 2012 verjährt. Da Erstattungsansprüche letztmals im Jahr 2009 hätten entstehen können und die Beklagten von einer Kenntnis des Klägers spätestens am 09.11.2009 ausgingen, seien alle den Verjährungsbeginn auslösenden Tatbestände im Jahr 2009 verwirklicht worden.
Die Sekretärin Frau P. habe nicht gesagt, dass in Deutschland Steuern anfielen, wenn man heiraten möchte. Eine derartige Aussage hätte auch mit dem Verfahren nichts zu tun.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei ihr keine Pflichtverletzung vorzuwerfen. Da Frau P. nicht Mitarbeiterin im Personalbereich sei, habe sie von Auswirkungen der Anmeldung beim Einwohnermeldeamt für die Lohnsteuerkarte nichts gewusst.
Frau P. sei nicht als Erfüllungsgehilfin der Nebenintervenientin zu qualifizieren. Es sei nicht Aufgabe des Arbeitgebers, seinen Arbeitnehmer beim Einwohnermeldeamt anzumelden. Frau P. sei nicht im Rahmen der Erfüllung einer der Nebenintervenientin obliegenden Verbindlichkeit als Hilfsperson tätig geworden.
Nehme man ein Gefälligkeitsverhältnis an, fehle es jedenfalls an der dann für eine Haftung erforderlichen groben Fahrlässigkeit der Frau P.
1.2.1.c.aa. An der Darstellung der Beklagten bestehen zwar Zweifel.
In dem Gespräch vom 19.11.2007 in Bologna wurde nach der Besprechungsnotiz (Anl. K 32, B 19) weder die Religionszugehörigkeit des Klägers noch die Kirchensteuerpflicht angesprochen. Eine Vorstellung bzw. Besprechung der verschiedenen deutschen Steuerarten, die für den Kläger relevant waren, einschließlich der Kirchensteuer wäre in diesem vorbereitenden Gespräch, das unter Beteiligung zahlreicher Fachleute geführt wurde, eher zu erwarten gewesen als in dem Gespräch am 06.12.2007, an dem der Kläger persönlich teilnahm und in dem er seinen zukünftigen deutschen Steuerberater erstmals persönlich kennenlernte.
Auch erscheinen die Angaben der von den Beklagten benannten Zeugin A. M. G.-D. zum Gespräch vom 06.12.2007 nicht verlässlich. Die Zeugin hatte bei ihrer Einvernahme vor dem Senat keine Erinnerung daran, ob in diesem Gespräch Details zur Einkommensteuer besprochen wurden, ob die Nettolohnabrede im Spielervertrag besprochen wurde, insbesondere die Zahlung von Kirchensteuer durch die Nebenintervenientin, und auch nicht, ob die Abgrenzung zwischen deutschen und italienischen Einkünften ein Thema in dem Gespräch war. An andere Fragen des Klägers als an die nach den Folgen eines Kirchenaustritts erinnerte sie sich nicht. Es ist auffällig, dass nach den Angaben der Zeugin das Thema Kirchensteuer demnach zwar einiges Gewicht in dem Gespräch gehabt haben soll. Andererseits kann die Zeugin sich aber nicht an eine Besprechung der Nettolohnvereinbarung erinnern, obwohl diese für die wirtschaftliche Belastung des Klägers mit Steuern insgesamt - und auch für seine Kirchensteuerbelastung - von überragender Bedeutung war. Insgesamt erschien die Aussage der Zeugin G.-D. stark darauf ausgerichtet, eine Aufklärung über die Kirchensteuerpflicht und das damit zusammenhängende Gesprächsgeschehen darzustellen (Scherz über den Papst, Heirat, Folgen des Kirchenaustritts), ohne dass die Zeugin eine vergleichbar tiefe Erinnerung an die übrigen Gesprächsinhalte wiedergeben konnte.
(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.
(2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.
Wer in Ansehung eines Gegenstandes zum Vorkauf berechtigt ist, kann das Vorkaufsrecht ausüben, sobald der Verpflichtete mit einem Dritten einen Kaufvertrag über den Gegenstand geschlossen hat.
Wer berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die er für einen bestimmten Zweck macht, kann, wenn er für diesen Zweck eine Verbindlichkeit eingeht, Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Ist die Verbindlichkeit noch nicht fällig, so kann ihm der Ersatzpflichtige, statt ihn zu befreien, Sicherheit leisten.
Der Gläubiger kann dem Ersatzpflichtigen zur Herstellung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, dass er die Herstellung nach dem Ablauf der Frist ablehne. Nach dem Ablauf der Frist kann der Gläubiger den Ersatz in Geld verlangen, wenn nicht die Herstellung rechtzeitig erfolgt; der Anspruch auf die Herstellung ist ausgeschlossen.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Die Klägerin macht einen Anspruch auf anteiligen Ausgleich von Darlehensverbindlichkeiten gegen die Beklagte geltend, die mit ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann, dessen Alleinerbin sie ist, am 15. Dezember 1993 ca. 80 % Gesellschaftsanteile der "A. Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. K. Fonds oHG" und am 18. Juni 1996 ca. 96 % Gesellschaftsanteile der "A. Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. K. Fonds oHG" zeichnete. Gemäß § 7 Abs. 3 der Gesellschaftsverträge konnten Anleger, die nicht selbst Gesellschafter werden wollten , die B. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH beauftragen, die Beteiligungen im eigenen Namen und für fremde Rechnung zu erwerben, zu halten und sämtliche daraus resultierenden Rechte als Treuhänderin wahrzunehmen. Die Klägerin und ihr Ehemann machten von dieser Möglichkeit Gebrauch.
- 2
- In den beiden zugrunde liegenden Treuhandverträgen ist in § 6 jeweils unter der Überschrift "Übertragung" wortgleich geregelt: "1. Die Rechte und Pflichten aus dem Treuhandverhältnis können nur insgesamt übertragen werden. Die Übertragung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Treuhänders. Der Treugeber hat die Übertragung unverzüglich dem Geschäftsführer der Gesellschaft anzuzeigen. 2. Die Rechte des Treugebers aus dem Treuhandvertrag können nur insgesamt verpfändet werden. Die Verpfändung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Treuhänders. Der Treugeber hat die Verpfändung unverzüglich gegenüber dem Geschäftsführer der Gesellschaft anzuzeigen."
- 3
- Die Klägerin schloss mit den beiden Fondsgesellschaften Darlehensverträge über einen Betrag von insgesamt etwa 31,3 Mio. DM und sagte zu, die Gesellschafter lediglich entsprechend ihren Beteiligungsquoten persönlich in Anspruch zu nehmen. Die Fondsgesellschaften gerieten in der Folgezeit in wirtschaftliche Schwierigkeiten; ihre Gesellschafter beschlossen deshalb am 21. Dezember 2006 und am 30. Januar 2007 deren Liquidation und stimmten dem Verkauf der Fondsimmobilien zu. Außerdem einigten sie sich mit der Klägerin über die Ablösung der auf den Fondsimmobilien lastenden Grundpfandrechte. Im Rahmen der Veräußerung wurden am 30. März 2007 Lastenfreistellungsvereinbarungen getroffen, die Darlehen insgesamt fällig gestellt und die Höhe der Restforderungen auf einen Betrag von rund 13,4 Mio. € beziffert. Die Klägerin forderte die Beklagte vergeblich auf, den auf ihre Beteiligungsquoten entfallenden Betrag auszugleichen. Unter dem 8. Juni 2007 trat die Treuhände- rin der Klägerin unter anderem sämtliche ihr aus den Treuhandverträgen mit der Beklagten zustehenden Freistellungsansprüche in Bezug auf die Darlehensforderungen ab.
- 4
- Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin aus eigenem, hilfsweise aus abgetretenem Recht Zahlung des nach Abzug der jeweiligen für die Fondsgrundstücke erzielten Verkaufserlöse und der von anderen Gesellschaftern geleisteten Haftungsbeiträge auf die Beklagte entfallenden Betrags von insgesamt 2.103.788,87 € nebst Verzugszinsen. Die Beklagte hat ihre Zahlungsverpflichtung aus Rechtsgründen in Abrede gestellt und gegenüber dem aus abgetretenem Recht geltend gemachten Zahlungsanspruch die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, während das Berufungsgericht die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung des verlangten Betrags aus abgetretenem Recht nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit verurteilt hat. Die Kosten des Rechtsstreits hat es im Hinblick auf die teilweise Klageabweisung gegeneinander aufgehoben.
- 5
- Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter; die Klägerin hat Anschlussrevision eingelegt und begehrt damit die vollständige Auferlegung der Kosten des Rechtsstreits auf die Beklagte.
Entscheidungsgründe
- 6
- Die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin bleiben ohne Erfolg.
I.
- 7
- Das Berufungsgericht (vgl. NZG 2010, 151) hat unter anderem ausgeführt :
- 8
- Ein Anspruch der Klägerin aus eigenem Recht bestehe nicht, weil eine Gesellschafterhaftung gemäß § 128 HGB im Außenverhältnis zur klagenden Bank nur die Treuhänderin treffen könne und eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den hinter dem Treuhänder-Gesellschafter stehenden Treugeber aus Rechtsgründen abzulehnen sei. Dagegen könne die Klägerin aufgrund der ihr von der Treuhänderin abgetretenen darlehensbezogenen Freistellungsansprüche von der Beklagten Zahlung in der beantragten Höhe verlangen. Denn für die von der Treuhänderin übernommene Geschäftsbesorgung habe die Beklagte Aufwendungsersatz zu leisten, sie habe die Treuhänderin gemäß § 257 BGB entsprechend ihren Gesellschaftsanteilen von der persönlichen Haftung für die Darlehensschulden der Gesellschaft freistellen müssen. Die gegen diesen Anspruch erhobene Einrede der Verjährung sei unbegründet. Auch wenn es im Hinblick auf § 257 Satz 2 BGB, der die sofortige Fälligkeit des Freistellungsanspruch voraussetze, nahe liege, den Verjährungsbeginn auf diesen Zeitpunkt festzulegen, führe dies unter Anwendung der nunmehr geltenden dreijährigen Verjährungsfrist nicht zu sinnvollen Ergebnissen. Es erscheine unbillig , wenn der Gläubiger seinen Freistellungsanspruch wegen bereits eingetretener Verjährung nicht mehr durchsetzen könne, obwohl er selbst noch für die Verbindlichkeiten hafte, die er für den Schuldner eingegangen sei. Deshalb sei eine allgemeine verjährungsrechtliche Lösung zu befürworten, wonach die Verjährung von Freistellungsansprüchen, die sich auf eine noch nicht fällige Verbindlichkeit bezögen, gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB erst mit dem Schluss des Jahres beginne, in dem (auch) diese Verbindlichkeit fällig werde. Da die Klägerin vorliegend die den beiden Fondsgesellschaften gewährten Darlehen erst im März 2007 fällig gestellt habe, seien die zedierten Freistellungsansprüche im Zeitpunkt der Klageerhebung (Juni 2007) somit noch nicht verjährt gewesen.
- 9
- Die Treuhänderin habe ihre Befreiungsansprüche auch wirksam an die Klägerin abgetreten, wodurch sich die zedierten Forderungen in Zahlungsansprüche umgewandelt hätten. Ein Ausschluss der Abtretung folge weder aus dem Inhalt des Schuldverhältnisses noch aus einer Abrede in den Treuhandverträgen. Es sei unzweifelhaft davon auszugehen, dass sich die Regelung in § 6 Nr. 1 der Treuhandverträge allein auf die Rechte des Treugebers beziehe. Eine objektive Mehrdeutigkeit im Sinne der Unklarheitenregel liege nicht vor, so dass auch dahinstehen könne, ob es sich bei der Bestimmung überhaupt um eine von der Treuhänderin gestellte und der Inhaltskontrolle unterliegende Allgemeine Geschäftsbedingung handele. Im Übrigen verhalte sich die Beklagte treuwidrig , wenn sie sich trotz Auflösung der Fondsgesellschaften und Veräußerung der Fondsimmobilien auf ein so weitgehendes Abtretungsverbot berufe. Letztlich bestünden Prospekthaftungsansprüche der Beklagten, aus denen sie ein Zurückbehaltungsrecht herleiten könne, ebenfalls nicht.
II.
- 10
- Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht das Zahlungsbegehren der Klägerin aus abgetretenem Recht als begründet angesehen.
- 11
- 1. Ohne Rechtsverstoß und von der Revision auch nicht beanstandet hat es zunächst angenommen, dass die Beklagte als Treugeberin gemäß § 257 BGB verpflichtet gewesen ist, die Treuhänderin von der persönlichen Haftung für Verbindlichkeiten freizustellen, die aus den für sie gehaltenen und verwalteten Gesellschaftsbeteiligungen entstanden sind (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 1980 - II ZR 250/78 - NJW 1980, 1163, 1164). Dies ergibt sich aus den in den Treuhandverträgen getroffenen Vereinbarungen zu den Aufgaben der Treuhänderin in Verbindung mit § 675 Abs. 1, § 670 BGB.
- 12
- 2. Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter angenommen, dass die von der Treuhänderin an die Klägerin als Gläubigerin der Darlehensverbindlichkeiten grundsätzlich abtretbaren (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1993 - V ZR 60/92 - NJW 1993, 2232, 2233 m.w.N.; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl. 2010, § 399 Rn. 4) Freistellungsansprüche wirksam an die Klägerin abgetreten worden sind und damit deren Umwandlung in Zahlungsansprüche bewirkt worden ist (vgl. MünchKommBGB/Krüger, 5. Aufl. 2007, § 257 Rn. 8).
- 13
- a) Entgegen der Auffassung der Revision stand dem kein vertragliches Abtretungsverbot entgegen (§ 399 2. Fall BGB). Dies ergibt sich insbesondere nicht aus § 6 Nr. 1 der Treuhandverträge. Dabei konnte das Berufungsgericht offen lassen, ob es sich hierbei um Allgemeine Geschäftsbedingungen oder Individualvereinbarungen handelt. Denn auch wenn man, wie es die Revision für richtig hält, von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeht, erweist sich die Beurteilung des Inhalts und der Reichweite des § 6 der Treuhandverträge durch das Berufungsgericht als rechtsfehlerfrei. Vergebens macht die Revision insoweit geltend, die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung des Regelungsgehalts dieser Bestimmungen auf Übertragungsgeschäfte des Treugebers unterliege jedenfalls so erheblichen Zweifeln, dass zugunsten der Beklagten die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB mit der Folge eines umfassenden Abtretungsverbots eingreife.
- 14
- aa) Nach ständiger Rechtsprechung gilt im Zusammenhang mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Grundsatz der objektiven Auslegung. Danach sind diese ausgehend von den Interessen, Vorstellungen und Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden (st. Rspr. BGHZ 77, 116, 118; 106, 259, 264 f; 176, 244, 250 Rn. 19; Senatsurteil vom 29. Mai 2008 - III ZR 330/07 - NJW 2008, 2495, 2496, Rn. 19; Urteil vom 15. November 2006 - VIII ZR 166/06 - NJW 2007, 504, 505, Rn. 19; MünchKommBGB/Basedow aaO, § 305c, Rn. 22 f). Außer Betracht zu bleiben haben dabei Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fern liegend und nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sind (vgl. BGHZ 152, 262, 265; 180, 257, 262, Rn. 11). Nur wenn nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmethoden Zweifel verbleiben und mindestens zwei Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar sind, kommt die Unklarheitenregel zur Anwendung (vgl. BGHZ 112, 65, 68 f; Senatsurteil vom 29. Mai 2008, aaO, Rn. 20, Urteile vom 9. Juli 2003 - IV ZR 74/02 - NJW-RR 2003, 1247 und vom 15. November 2006, aaO S. 506, Rn. 23; Palandt /Heinrichs, aaO, § 305c Rn. 18).
- 15
- Von einer derartigen Sachlage kann im Streitfall jedoch nicht ausgegangen werden.
- 16
- bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lässt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen in § 6 der Treuhandverträge vielmehr eindeutig entnehmen, dass sie nur Rechte des Treugebers betreffen und den Treuhänder darum nicht an der Abtretung seiner Freistellungsansprüche hindern. Dies ergibt sich vor allem aus § 6 Nr. 1 Satz 2, wonach die Wirksamkeit einer - nach Satz 1 nur insgesamt möglichen - Übertragung der Rechte und Pflichten aus dem Treuhandverhältnis von der Zustimmung - nur - des Treuhänders abhängig gemacht wird. Es liegt auf der Hand, dass das Erfordernis der Zustimmung des Treuhänders zu einer Übertragung eigener Rechte keinen Sinn ergäbe. Auch die Regelung in Satz 3 des § 6 Nr. 1, wonach der Treugeber die Übertragung dem Geschäftsführer der Gesellschaft anzuzeigen hat, spricht dafür, dass Übertragungsgeschäfte des Treuhänders in die Regelung nicht einbezogen sind, da ihm eine derartige Anzeigepflicht gerade nicht auferlegt wird. Nur dieses Auslegungsergebnis steht auch im Einklang mit § 6 Nr. 2 der Treuhandverträge , der den Fall der Verpfändung von Rechten des Treugebers aus dem Treuhandvertrag regelt. Diese Bestimmungen sollen ersichtlich sicherstellen , dass die Verpfändung der Rechte unter denselben Voraussetzungen und Bedingungen erfolgen kann und soll wie die Übertragung der Rechtsstellung selbst. In diesem Zusammenhang ist schließlich auch die Regelung in § 2 Abs. 4 der Treuhandverträge zu erwähnen, die eine Abtretung der Ansprüche des Treuhänders auf Gewinnauszahlung, Auseinandersetzungsguthaben und Liquidationserlös enthält. Diese Bestimmungen wären sinnwidrig, wenn man § 6 Nr. 1 auch auf Rechtsgeschäfte des Treuhänders anwenden würde mit der Folge , dass er nach Satz 1 die Rechte und Pflichten aus dem Treuhandverhältnis nur insgesamt übertragen könnte.
- 17
- b) Entgegen der Auffassung der Revision ergeben sich auch im Hinblick auf Sinn und Zweck der Klausel keine Zweifel an dieser Auslegung. Insbesondere ergibt sich nicht schon aus der Rechtsnatur des Treuhandverhältnisses ein umfassendes Verbot der Abtretung von Rechten des Treuhänders (§ 399 1. Fall BGB). Dabei versteht sich, dass der Treuhänder nicht frei darüber befinden kann, ob er den treuhänderisch gehaltenen Gesellschaftsanteil behält oder sich aber des Treuguts entäußert, um auf diese Weise das Treuhandverhältnis ob- solet werden zu lassen. Insoweit enthalten zum einen die §§ 22 der Gesellschaftsverträge besondere Regelungen über die Verfügung der Gesellschaftsanteile mit der Folge, dass der Treuhänder zur Übertragung des (Voll-)Rechts der Zustimmung des Geschäftsführers der Fondsgesellschaften bedarf (während § 6 Nr. 1 Satz 3 der Treuhandverträge nur eine Anzeigepflicht des Übertragenden begründet). Zum anderen ist, was das Verhältnis Treugeber und Treuhänder betrifft, die Beendigung des Treuhandverhältnisses besonders geregelt (§ 5 Kündigung) einschließlich der Frage, was mit dem für den Treugeber gehaltenen Gesellschaftsanteil zu geschehen hat. Sollte schließlich das Treuhandverhältnis mit einem anderen Treuhänder fortgesetzt werden, bedürfte es insoweit nach allgemeinen Grundsätzen einer dreiseitigen Vereinbarung zwischen dem Treugeber sowie dem bisherigen und dem neuen Treuhänder.
- 18
- Was den hier in Rede stehenden Befreiungsanspruch angeht, so musste einem verständigen und redlichen Treugeber bewusst sein, dass der Ausschluss seiner selbständigen Gesellschafterhaftung nach außen nur dann mit den Interessen des Treuhänders und auch der Gesellschaftsgläubiger in einem ausgewogenen Verhältnis steht, wenn diese nicht nur auf den Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 BGB, sondern auf den Freistellungsanspruch zugreifen können und der Treuhänder sich durch dessen Abtretung nicht einer gegen ihn gerichteten Klage aussetzen muss (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. November 2008 - XI ZR 468/07 - NJW-RR 2009, 254, 255 f, Rn. 24).
- 19
- c) Auch wenn bereits verschiedene Instanzgerichte § 6 der vorliegenden Treuhandverträge unterschiedlich ausgelegt und verstanden haben, bestehen nach den bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen maßgeblichen Kriterien keine vernünftigen Zweifel an der Richtigkeit der vom Beru- fungsgericht vorgenommenen Auslegung, so dass das Berufungsgericht zutreffend von einer wirksamen Abtretung ausgegangen ist.
- 20
- 3. Die von der Klägerin danach berechtigterweise aus abgetretenem Recht geltend gemachten Zahlungsansprüche sind entgegen der Auffassung der Revision nicht verjährt. Wie der Senat bereits in der - nach Verkündung des Berufungsurteils ergangenen - Entscheidung vom 12. November 2009 (III ZR 113/09 - NZG 2010, 192) ausgeführt hat, erweitert die Vorschrift des § 257 BGB das sich aus anderen Vorschriften (etwa § 670 BGB) ergebende Recht auf Ersatz von Aufwendungen dahin, dass dann, wenn die Aufwendung in der Eingehung einer Verbindlichkeit besteht, der Ersatzberechtigte Befreiung von der lediglich übernommenen, aber noch nicht erfüllten Pflicht verlangen kann. Der gesetzliche Befreiungsanspruch nach § 257 Satz 1 BGB wird dabei nach allgemeiner Meinung sofort mit der Eingehung der Verbindlichkeit, von der freizustellen ist, fällig, unabhängig davon, ob diese Verbindlichkeit ihrerseits bereits fällig ist (vgl. MünchKommBGB/Krüger aaO, § 257 Rn. 7; Toussaint, jurisPK-BGB, 4. Aufl. 2008, § 257 Rn. 10). Diese Rechtsfolge wird aus § 257 Satz 2 BGB hergeleitet, wonach der Befreiungsschuldner dann, wenn die dem Befreiungsgläubiger auferlegte Verbindlichkeit noch nicht fällig ist, statt Befreiung vorzunehmen, Sicherheit leisten kann (vgl. BGHZ 91, 73, 77 f). Dabei ist es grundsätzlich ohne Belang, ob die Fälligkeit der Drittforderung demnächst oder erst nach vielen Jahren eintritt, und ob diese der Höhe nach bestimmt oder unbestimmt ist (vgl. BGHZ aaO).
- 21
- b) Nach allgemeinen verjährungsrechtlichen Grundsätzen wäre der Zeitpunkt , zu dem ein Befreiungsanspruch entsteht und fällig wird, auch maßgeblich dafür, zu welchem Zeitpunkt die Verjährungsfrist des Freistellungsanspruchs beginnt (§ 199 BGB). Nach Auffassung des Senats kann jedoch unter der Geltung des neuen Verjährungsrechts der Verjährungsbeginn des Freistellungsanspruchs nicht mehr losgelöst von der - oftmals im Vergleich zu dessen Fälligkeit sehr viel später eintretenden - Fälligkeit der Verbindlichkeit, die Grundlage für diesen Anspruch ist, beurteilt werden. Denn die Verkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 auf drei Jahre (§ 195 BGB a.F. und n.F.), die auch für den Befreiungsanspruch aus § 257 Satz 1 BGB gilt, führt bei strikter Anwendung des neuen Verjährungsrechts zu wenig sinnvollen und unbefriedigenden Ergebnissen, wie dies auch im Streitfall deutlich wird. Danach wären nämlich die Freistellungsansprüche der Treuhänderin bereits seit Ende des Jahres 2004 verjährt, weil sie mit der Ausreichung der Darlehen in den Jahren 1993 und 1996 fällig geworden waren und die dreijährige Verjährungsfrist des neuen Rechts gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB vom 1. Januar 2002 an zu laufen begonnen hätte, während die Darlehensverbindlichkeiten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erst im März 2007 fällig gestellt wurden. Es erscheint aber regelmäßig unbillig, wenn ein Beauftragter oder ein Geschäftsbesorger - hier die Treuhänderin - seinen Befreiungsanspruch schon zu einem Zeitpunkt verliert, zu dem die Drittforderung noch (längst) nicht fällig ist. Zudem ist bei dieser Beurteilung in den Blick zu nehmen, dass der Geschäftsführer, sofern er die Drittforderung ausgleicht, immer noch Aufwendungsersatz verlangen kann, während er zuvor Befreiung von dieser Drittforderung, die auf einfachere Weise zu demselben wirtschaftlichen Ergebnis führt, wegen der insoweit möglicherweise bereits eingetretenen Verjährung nicht verlangen kann. Dies erscheint aber nicht folgerichtig und widerspräche auch den Interessen des Befreiungsschuldners. Aus seiner Sicht lässt sich kaum nachvollziehen, dass er bereits lange Zeit vor Fälligkeit der Drittforderungen ohne wirtschaftliche Notwendigkeit einem Freistellungsverlangen ausgesetzt ist, das nur im Hinblick auf die drohende Verjährung des Freistellungsanspruchs erhoben wird und er deshalb bereits jetzt zumindest Sicherheit leisten müsste. Eine unbesehene und stringente Anwendung des Verjährungsrechts mit der Frist von drei Jahren entspricht deshalb auch nicht dem Sinn und Zweck des § 257 BGB. Dieser besteht einerseits darin, einen drohenden Verlust im Aktivvermögen des Befreiungsgläubigers möglichst frühzeitig abzuwenden. Deshalb wird mit § 257 BGB die Aufwendungsersatzberechtigung auf den Zeitpunkt der eingegangenen Drittverbindlichkeit , unabhängig von ihrer eigenen Fälligkeit, vorverlagert. Andererseits soll die mit dieser Vorschrift auch bezweckte Erweiterung des Rechts auf Ersatz von Aufwendungen nicht dazu führen, dass der Gläubiger schon vor der Fälligkeit seiner eigenen Verbindlichkeit stets sein Freistellungsbegehren gegebenenfalls im Klageweg durchsetzen muss, um die nach Verjährung seines Freistellungsanspruchs dann zwingend erforderliche eigene Vorleistung nicht erbringen zu müssen. Gerade bei langfristig angelegten Verbindlichkeiten, bei denen die Fälligkeit noch nicht ohne weiteres absehbar ist, wäre der Befreiungsgläubiger regelmäßig zu einer derartigen Vorgehensweise gezwungen, obwohl vor Fälligkeit der Drittforderungen noch nicht einmal feststeht, ob zu ihrer Realisierung überhaupt auf eigene Mittel des Befreiungsschuldners (hier: der "mittelbaren Gesellschafter" von Fondsgesellschaften) zurückgegriffen werden muss.
- 22
- c) Um derartige Unzuträglichkeiten und Wertungswidersprüche zwischen dem Entstehen und der Fälligkeit des Freistellungsanspruchs einerseits und dem Entstehen und der Fälligkeit der Drittforderung bzw. des Aufwendungsersatzanspruchs (hier aus § 670 BGB) andererseits zu vermeiden, hat der Bundesgerichtshof zum früheren Verjährungsrecht entschieden, dass der Anspruch auf Befreiung von einer Verbindlichkeit nicht der für einen "echten" Auslagenersatzanspruch in vielen Fällen geltenden kurzen Verjährungsfrist von zwei Jahren (vgl. § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F.) unterliegt, sondern der regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 1983 - II ZR 82/82 - NJW 1983, 1729). Aus den gleichen Erwägungen hält es der erkennende Senat - wie er bereits in seinem Urteil vom 12. November 2009 erwogen hat (dort waren die von der Bank gewährten Darlehen die ersten 16 Jahre zins- und tilgungsfrei gestellt) - in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht (zustimmend Jagersberger NZG 2010, 136, 137 ff; ablehnend Rutschmann, DStR 2010, 555, 559 f) für geboten, dem dadurch zu begegnen, dass für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist des Befreiungsanspruchs gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht auf den Schluss des Jahres abzustellen ist, in dem der Freistellungsanspruch fällig geworden ist, sondern auf den Schluss des Jahres, in dem die Drittforderungen fällig werden, von denen zu befreien ist.
- 23
- d) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Beklagte zu Recht im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt worden. Da die Darlehen vorliegend erst im März 2007 fällig gestellt worden sind, waren die Ansprüche der Treuhänderin auf Freistellung bei Klageerhebung im Juni 2007 deshalb noch nicht verjährt. Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, Prospekthaftungsansprüche bestünden nicht, so dass sich die Beklagte auch nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen könne, wendet sich die Revision nicht; Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
III.
- 24
- Die zulässige Anschlussrevision der Klägerin, die sich gegen die Kostenentscheidung im Berufungsurteil richtet, ist unbegründet.
- 25
- 1. Zwar ist grundsätzlich eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechts- mittel eingelegt wird, § 99 Abs. 1 ZPO. Legt jedoch eine Partei in der Hauptsache ein zulässiges Rechtsmittel ein, ist dem Gegner ein (unselbständiges) Anschlussrechtsmittel allein wegen der ihn beschwerenden Kostenentscheidung möglich (vgl. BGHZ 17, 392, 397 f; BGH, Urteil vom 3. Dezember 1957 - VI ZR 25/56 - ZZP 71 [1958], 368; siehe auch BGHZ 20, 397).
- 26
- 2. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben. Da die Klägerin nicht mit dem in erster Linie geltend gemachten Anspruch aus eigenem Recht, sondern lediglich mit ihrem Hilfsantrag Erfolg hatte, der die von der Treuhänderin abgetretenen Freistellungsansprüche umfasst, ist sie teilweise unterlegen. Soweit die Anschlussrevision dem entgegenhält , nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liege bei einer Verurteilung auf einen dem Hauptantrag (wie hier) gleich- oder höherwertigen Hilfsantrag kein Teilunterliegen vor (vgl. BGH, Urteile vom 21. Februar 1962 - IV ZR 235/61 - LM § 92 ZPO Nr. 8 und vom 7. Juli 1994 - I ZR 63/92 - NJW 1994, 2765, 2766) verkennt sie, dass diese Rechtsprechung nur dann einschlägig ist, wenn Haupt- und Hilfsantrag denselben Gegenstand im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG betreffen. Entscheidend ist dabei, ob die Ansprüche einander ausschließen und damit notwendigerweise die Zuerkennung des einen Anspruchs mit der Aberkennung des anderen verbunden ist (Senatsbeschluss vom 27. Februar 2003 - III ZR 115/02 - NJW-RR 2003, 713 zu § 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F. m.w.N.)
- 27
- Da dies vorliegend zu verneinen ist, ist das Berufungsgericht zu Recht von einem hälftigen Teilunterliegen der Klägerin ausgegangen. Dabei hat es allerdings übersehen, dass der Umstand, dass es sich bei Haupt- und Hilfsantrag um unterschiedliche Gegenstände im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG handelt, nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG eine Zusammenrechnung ihrer Werte für die erste und zweite Instanz zur Folge hat.
- 28
- 3. Da der erkennende Senat auch ohne Anschlussrevision in der Lage gewesen wäre, im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Revision die Richtigkeit der Kostenentscheidung des Berufungsgerichts zu überprüfen, ist die Abweisung der Anschlussrevision weder streitwertmäßig zu berücksichtigen noch besteht Anlass, deswegen hinsichtlich der Kosten des Revisionsrechtszugs eine Quotelung vorzunehmen.
Seiters Tombrink
Vorinstanzen:
LG Baden-Baden, Entscheidung vom 08.05.2008 - 3 O 307/07 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 30.06.2009 - 17 U 401/08 -
Sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, ist die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 unzulässig.
Mit dem Hauptanspruch verjährt der Anspruch auf die von ihm abhängenden Nebenleistungen, auch wenn die für diesen Anspruch geltende besondere Verjährung noch nicht eingetreten ist.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger verlangt von den Beklagten in erster Linie Schadensersatz wegen vorvertraglicher Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Finanzierung einer Eigentumswohnung.
- 2
- Der Kläger, ein damals 32 Jahre alter Produktionsleiter, wurde im Jahr 1998 von einem Vermittler geworben, zwecks Steuerersparnis ohne Eigenkapital eine Eigentumswohnung in Ha. im Objekt J. zu erwerben. Der Vermittler war für die H. GmbH tätig, die seit 1990 in großem Umfang Anlageobjekte vertrieb , die die Beklagten finanzierten.
- 3
- Im Rahmen der Gespräche unterschrieb der Kläger am 26. März 1998 einen Besuchsbericht, in welchem eine „Vorauszahlung auf die Mietpoolausschüttung“ von „z. Zt.“ monatlich 413 DM ausgewiesen war. Außerdem unterzeichnete er an diesem Tag unter anderem eine Vereinbarung über Mietenverwaltung. Darin trat er der für die zu erwerbende Wohnung bestehenden Mietpoolgemeinschaft bei, die von der zur H. Gruppe (im Folgenden: H. Gruppe) gehörenden M. GmbH (im Folgenden: M. ) verwaltet wurde. Durch notarielle Erklärung vom 6. Mai 1998 nahm der Kläger das notarielle Kaufvertragsangebot der Verkäuferin an und unterzeichnete am selben Tag zur Finanzierung des Kaufpreises von 116.424 DM zuzüglich Nebenkosten einen Darlehensvertrag. Danach wurde der Kauf mit Hilfe eines tilgungsfreien Vorausdarlehens der von der Beklagten zu 1) vertretenen Beklagten zu 2) in Höhe von 145.000 DM sowie zweier Bausparverträge bei der Beklagten zu 1) über 73.000 DM und 72.000 DM finanziert. Bedingung für die Auszahlung sowohl des Voraus- als auch der Bauspardarlehen war nach § 3 des Vertrages u.a. der Beitritt zu einer Mieteinnahmegemeinschaft (Mietpool). Zur Sicherung des valutierten Vorausdarlehens und der nach Zuteilung der jeweiligen Bausparverträge auszureichenden Bauspardarlehen wurde zugunsten der Beklagten zu 1) eine Grundschuld in Höhe des Vorausdarlehensbetrags nebst Zinsen bestellt. Im Januar 2003 forderte der Kläger von den Beklagten Freistellung aus den geschlossenen Verträgen und widerrief am 14. Dezember 2004 seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung unter Hinweis auf das Haustürwiderrufsgesetz.
- 4
- Mit seiner am 4. Februar 2005 eingereichten Klage begehrt er in erster Linie Schadensersatz mit dem Ziel, so gestellt zu werden, als wären der Kaufvertrag über die Eigentumswohnung und die Darlehensverträge nicht abgeschlossen worden. Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, verlangt er von den Beklagten als Gesamtschuldnerinnen Zahlung von 31.920,44 € nebst Zinsen als Ersatz der bisher auf das Vorausdarlehen gezahlten Zinsen, von der Beklagten zu 1) ferner Freistellung von den Verbindlichkeiten aus dem mit der Beklagten zu 2) abgeschlossenen Vorausdarlehensvertrag und Feststellung, dass der Beklagten zu 2) insoweit keine Ansprüche mehr zustehen, jeweils Zug um Zug gegen Übertragung der Eigentumswohnung sowie von der Beklagten zu 1) Abrechnung und Auszahlung der Bausparguthaben nebst Zinsen und Feststellung, dass die Beklagten ihm als Gesamtschuldnerinnen zum Ersatz weiterer aus dem Erwerb des Objekts erwachsender Schäden verpflichtet sind.
- 5
- Seine Ansprüche stützt er in erster Linie auf ein vorvertragliches Aufklärungsverschulden der Beklagten, die in mehrfacher Hinsicht ihre Aufklärungspflichten verletzt hätten. Die Beklagten sind den geltend gemachten Ansprüchen entgegengetreten und haben die Einrede der Verjährung erhoben.
- 6
- Die Klage ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der - vom erkennenden Senat zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht hat - soweit im Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
- 9
- vom Die Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche stünden ihm nicht zu. Dies gelte auch, soweit sich der Kläger darauf stütze, die Beklagten hafteten aus vorvertraglichem Aufklärungsverschulden wegen eines aufklärungspflichtigen Wissensvorsprungs darüber, dass der Kläger über die Mieterträge arglistig getäuscht worden sei. Allerdings stehe fest, dass die Beklagten mit der Verkäuferin und den Vermittlern des Objekts in institutionalisierter Weise zusammengewirkt hätten und die Angaben des Vermittlers zu der erzielbaren Miete auch objektiv evident unrichtig gewesen seien. Wie die Mietpoolabrechnungen für die Jahre 1998 bis 2000 auswiesen, sei von Beginn an nicht die versprochene monatliche Nettomiete von 8,64 DM pro Quadratmeter erzielt worden, sondern im Wirtschaftsjahr 1998 nur 3,87 DM, im Wirtschaftsjahr 1999 6,30 DM und im Wirtschaftsjahr 2000 nur 4,41 DM pro Quadratmeter und Monat.
- 10
- Ob das Vorbringen der Beklagten geeignet sei, die sich aus den evident unrichtigen Angaben des Vermittlers ergebende Vermutung zu widerlegen, sie hätten über einen Wissensvorsprung verfügt, könne dahinstehen. Etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers seien jedenfalls gemäß §§ 195, 199 BGB verjährt. Für den Beginn der Verjährungsfrist komme es auf die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht an. Unabhängig hiervon sei auch von einer Kenntnis des Klägers von möglichen Schadensersatzansprüche begründenden Umständen vor dem 1. Januar 2002 auszugehen. Dem Kläger seien sämtliche Tatsachen, die eine Haftung der Beklagten hätten begründen können , bereits vor dem Jahr 2002 bekannt gewesen. Aufgrund seiner im Jahr 1998 getroffenen Anlageentscheidung habe er nicht nur die Zahlungsbedingungen des Darlehensvertrages und der Bausparverträge gekannt , sondern auch die Höhe der zu leistenden monatlichen Zahlungen. Der Besuchsbericht belege, mit welchen Erträgen der Kläger nach den Erklärungen des Vermittlers habe rechnen können. Wie jedoch die Mietpoolabrechnungen der Jahre 1998 bis 2000 zeigten, seien die prognostizierten Erträge bei weitem nicht erreicht worden. Weshalb der Kläger angesichts dieser Umstände erst nach dem 1. Januar 2002 von möglichen Schadensersatzansprüchen Kenntnis erlangt haben wolle, sei nicht nachvollziehbar. Wenngleich grundsätzlich die Beklagten insoweit darlegungs - und beweispflichtig seien, obliege der hierzu erforderliche substantiierte Vortrag dem Kläger, da er an der Sachaufklärung über in seiner subjektiven Sphäre liegende Umstände mitzuwirken habe.
II.
- 11
- Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand. Mit der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch wegen eines Aufklärungsverschuldens der Beklagten nicht ablehnen dürfen.
- 12
- 1. Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass ein Schadensersatzanspruch der finanzierenden Bank wegen eines Aufklärungsverschuldens nur ausnahmsweise in Betracht kommt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine kreditgebende Bank bei steuersparenden Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Geschäft nur unter ganz besonderen Voraussetzungen verpflichtet. Sie darf regelmäßig davon ausgehen, dass die Kunden entweder über die notwendigen Kenntnisse oder Erfahrungen verfügen oder sich jedenfalls der Hilfe von Fachleuten bedient haben. Aufklärungs- und Hinweispflichten bezüglich des finanzierten Geschäfts können sich daher nur aus den besonderen Umständen des konkreten Einzelfalls ergeben. Dies kann der Fall sein, wenn die Bank im Zusammenhang mit der Planung, der Durchführung oder dem Vertrieb des Projekts über ihre Rolle als Kreditgeberin hinausgeht, wenn sie einen zu den allgemeinen wirtschaftlichen Risiken hinzutretenden besonderen Gefährdungstatbestand für den Kunden schafft oder dessen Entstehung begünstigt, wenn sie sich im Zusammenhang mit Kreditgewährungen sowohl an den Bauträger als auch an einzelne Erwerber in schwerwiegende Interessenkonflikte verwickelt oder wenn sie in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann (vgl. etwa BGHZ 159, 294, 316; 161, 15, 20 sowie Senatsurteile BGHZ 168, 1, 19 f., Tz. 41 und vom 9. November 2004 - XI ZR 315/03, WM 2005, 72, 76, vom 15. März 2005 - XI ZR 135/04, WM 2005, 828, 830 sowie vom 20. März 2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876, 877, Tz. 15).
- 13
- 2. Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch, dass das Berufungsgericht im Hinblick auf die konkrete Art der Finanzierung einen Schadensersatzanspruch des Klägers verneint hat, ebenso ein Aufklärungsverschulden der Beklagten wegen Überschreitens der Kreditgeberrolle sowie im Zusammenhang mit dem vom Kläger geforderten Beitritt zu einem Mietpool und dem nach der Behauptung des Klägers unangemessenen Kaufpreis. Hiergegen wendet sich auch die Revision nicht.
- 14
- 3. Sie beanstandet jedoch zu Recht die Begründung, mit der das Berufungsgericht angenommen hat, ein möglicher Schadensersatzanspruch des Klägers wegen eines aufklärungspflichtigen Wissensvorsprungs der Beklagten über eine arglistige Täuschung sei verjährt.
- 15
- a) Nach dem im Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalt liegen die Voraussetzungen, unter denen nach der neueren Rechtspre- chung des erkennenden Senats für die Anleger Erleichterungen für den Nachweis eines vorvertraglichen Aufklärungsverschuldens wegen eines aufklärungspflichtigen Wissensvorsprungs eingreifen, vor.
- 16
- aa) Nach dieser Rechtsprechung (BGHZ 168, 1, 22 ff., Tz. 50 ff.; 169, 109, 115, Tz. 23; Senatsurteile vom 17. Oktober 2006 - XI ZR 205/05, WM 2007, 114, 115, Tz. 17 f., vom 5. Dezember 2006 - XI ZR 341/05, ZIP 2007, 414, 418, Tz. 29 und vom 20. März 2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876, 882, Tz. 53) können sich die Anleger in Fällen institutionalisierten Zusammenwirkens der kreditgewährenden Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten Objekts unter erleichterten Voraussetzungen mit Erfolg auf einen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten Wissensvorsprung der finanzierenden Bank im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch unrichtige Angaben der Vermittler, Verkäufer oder Fondsinitiatoren bzw. des Fondsprospekts über das Anlageobjekt berufen. Die Kenntnis der Bank von einer solchen arglistigen Täuschung wird widerleglich vermutet, wenn Verkäufer oder Fondsinitiatoren, die von ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise zusammenwirken, auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler, sei es auch nur über einen von ihm benannten besonderen Finanzierungsvermittler, angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers, Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des Verkaufs- oder Fondsprospekts nach den Umständen des Falles objektiv evident ist, so dass sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen.
- 17
- bb)Soweit das Berufungsgeri cht diese Voraussetzungen bejaht hat, ist ihm hierbei ein revisionsrechtlich beachtlicher Fehler nicht unterlaufen.
- 18
- Ob die Angaben des Vermittlers über das vom Kläger erworbene Objekt evident unrichtig waren, ist eine Frage der Würdigung des konkreten Einzelfalles, die jeweils dem Tatrichter obliegt und die deshalb in der Revisionsinstanz grundsätzlich nur beschränkt überprüft werden kann. Das Berufungsgericht ist unter Würdigung der Umstände des Falles rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, die Angaben des Vermittlers zur erzielbaren Miete seien objektiv evident unrichtig, da die prognostizierte monatliche Quadratmetermiete von 8,64 DM von Beginn an nicht annähernd erzielt worden sei, der monatliche Nettomietertrag vielmehr im Erwerbsjahr und den beiden Folgejahren nur bei 3,87 DM, 6,30 DM und 4,41 DM pro Quadratmeter gelegen habe. Diese tatrichterliche Würdigung ist ohne weiteres vertretbar, verstößt nicht gegen die Denkgesetze und beruht nicht auf verfahrenswidriger Tatsachenfeststellung (vgl. Senatsurteile vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 211/03, WM 2005, 27 m.w.Nachw. und vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06, WM 2008, 292, 294, Tz. 20).
- 19
- Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht ferner zu dem Ergebnis gelangt, dass ein institutionalisiertes Zusammenwirken der Beklagten mit der H. Gruppe bestanden hat. Dies hat der erkennende Senat bereits wiederholt zu vergleichbaren Sachverhalten entschieden (vgl. etwa Senatsurteile vom 20. März 2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876, 882, Tz. 56, vom 25. September 2007 - XI ZR 274/05, Umdruck S. 15 f., Tz. 27 und vom 18. März 2008 - XI ZR 241/06, Umdruck S. 23, Tz. 45).
- 20
- cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind damit aber noch nicht alle Feststellungen getroffen, aufgrund derer nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Kenntnis der Beklagten von evident falschen Angaben des Vermittlers widerleglich vermutet würde. Es fehlt insoweit an Feststellungen dazu, dass der Vermittler den Kläger durch die evident unrichtigen Angaben über die erzielbare Miete arglistig getäuscht hat. Entgegen der Auffassung der Revision ist eine arglistige Täuschung zwingende Voraussetzung für die Beweiserleichterung im Sinne der Senatsrechtsprechung (vgl. Senatsurteil vom 23. Oktober 2007 - XI ZR 167/05, WM 2008, 154, 156 f., Tz. 16).
- 21
- Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für eine Beweiserleichterung vorliegen und die Beklagten die gegen sie streitende Vermutung ihrer Kenntnis von der arglistigen Täuschung nicht widerlegt haben, da das Berufungsgericht dazu keine Feststellungen getroffen hat.
- 22
- b) Mit der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht diese Frage nicht offen lassen dürfen. Die Ausführungen, mit denen es zu dem Ergebnis gelangt ist, ein eventueller Schadensersatzanspruch des Klägers sei jedenfalls verjährt, erweisen sich in mehrfacher Hinsicht als rechtlich nicht haltbar.
- 23
- aa) Das Berufungsgericht geht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass Schadensersatzansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss seit dem 1. Januar 2002 der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB unterliegen. Richtig ist auch, dass diese Verjährungsfrist, da sie kürzer ist als die bis zum 1. Januar 2002 geltende Regelverjährung von 30 Jahren, nach der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB von dem 1. Januar 2002 an zu berechnen ist. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist dieser Stichtag aber für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist nicht allein maßgeblich. Vielmehr müssen - wie der erkennende Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat (BGHZ 171, 1 ff.) - zu diesem Zeitpunkt zusätzlich die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorliegen, der Gläubiger muss also von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder diese nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht haben. Zu dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senat, BGHZ 171, 1, 8 ff., Tz. 23 ff.; BGH, Urteile vom 25. Oktober 2007 - VII ZR 205/06, WM 2008, 40, 41, Tz. 22 f. und vom 9. November 2007 - V ZR 25/07, WM 2008, 89, 90, Tz. 8; BGH, Beschluss vom 19. März 2008 - III ZR 220/07, Umdruck S. 4, Tz. 6) steht das Berufungsurteil im Widerspruch.
- 24
- bb) Auch mit der Hilfsbegründung erweist es sich als rechtlich nicht haltbar. Zwar unterliegt die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe bereits am 1. Januar 2002 Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners gehabt, als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung im Sinne des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Dieses kann lediglich prüfen, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze gewürdigt worden ist (Senatsurteil vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 211/03, WM 2005, 27 m.w.Nachw.). Solche Rechtsfehler liegen hier aber vor. Mit der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht nicht annehmen dürfen, dem Kläger seien sämtliche anspruchsbegründende Tatsachen bereits vor 2002 bekannt gewesen.
- 25
- Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass die Beklagten als Schuldnerinnen die Darlegungs- und Beweislast für Beginn und Ablauf der Verjährung und damit für die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB am Stichtag 1. Januar 2002 tragen (Senat, BGHZ 171, 1, 11, Tz. 32 m.w.Nachw.). Im Ansatz zutreffend ist auch, dass der Kläger, soweit es um Umstände aus seiner Sphäre geht, an der Sachaufklärung mitzuwirken und erforderlichenfalls darzulegen hat, was er zur Ermittlung der Voraussetzungen seiner Ansprüche und der Person des Schuldners getan hat (BGHZ 91, 243, 260). Rechtlich nicht haltbar ist aber, wenn das Berufungsgericht von einer Kenntnis des Klägers bereits am 1. Januar 2002 mit der Begründung ausgeht, es fehle an substantiiertem Vortrag des Klägers, was ihn vor dem 1. Januar 2002 an der Erkenntnis, mögliche Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten zu haben, gehindert habe, obwohl ihm aus den Mietpoolabrechnungen der Jahre 1998 bis 2000 bekannt gewesen sei, dass die prognostizierten Mieterträge bei Weitem nicht erreicht worden seien.
- 26
- (1) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtfertigt die Kenntnis des Klägers davon, dass die ihm zugesagte Miete schon seit 1998 nie erzielt wurde, nicht den Schluss auf eine Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.
- 27
- (a) Für die Frage, wann der Gläubiger die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners besitzt, kann weitgehend auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 852 Abs. 1 BGB a.F. zurückgegriffen werden (BGH, Urteil vom 9. November 2007 - V ZR 25/07, WM 2008, 89, 91, Tz. 15 m.w.Nachw. und Beschluss vom 19. März 2008 - III ZR 220/07, Umdruck S. 5, Tz. 7). Danach liegt die erforderliche Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage , sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend , wenn auch nicht risikolos, möglich ist (st.Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 379/02, NJW 2004, 510 und vom 9. November 2007 - V ZR 25/07, WM 2008, 89, 91, Tz. 15). Weder ist notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können (BGH, Urteile vom 18. Januar 1994 - VI ZR 190/93, WM 1994, 750, 752 und vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99, NJW 2001, 885, 886, insoweit in BGHZ 145, 358 nicht abgedruckt). Auch kommt es - abgesehen von Ausnahmefällen - nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an. Vielmehr genügt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit im Grundsatz die Kenntnis der den Ersatzanspruch begründenden tatsächlichen Umstände (BGHZ 170, 260, 271, Tz. 28 und BGH, Urteil vom 3. März 2005 - III ZR 353/04, WM 2005, 1328, 1330 sowie Beschluss vom 19. März 2008 - III ZR 220/07, Umdruck S. 5, Tz. 7 m.w.Nachw.). Hierzu gehört in Fällen unzureichender Aufklärung auch die Kenntnis der Umstände einschließlich der wirtschaftlichen Zusammenhänge, aus denen sich die Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt (Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - XI ZR 86/01, WM 2002, 557, 558, vom 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1447 und vom 1. April 2003 - XI ZR 386/02, ZIP 2003, 1782, 1783).
- 28
- (b) Nach diesen Maßstäben begann - entgegen der Auffassung der Revision - der Lauf der Verjährungsfrist nicht erst mit dem Urteil des erkennenden Senats vom 16. Mai 2006 (BGHZ 168, 1 ff.). Mit diesem Urteil hat der erkennende Senat keine neue Aufklärungspflicht begründet, sondern hat lediglich für die Darlehensnehmer eine Beweiserleichterung geschaffen. Dass die finanzierende Bank den Darlehensnehmer über eine von ihr erkannte arglistige Täuschung des Verkäufers gemäß § 123 BGB aufzuklären hat, ist seit langem Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteile vom 1. Juli 1989 - III ZR 277/87, WM 1989, 1368, 1370 und vom 11. Februar 1999 - IX ZR 352/97, WM 1999, 678, 679). An diese hat der Senat in seinem Urteil vom 16. Mai 2006 angeknüpft und lediglich unter bestimmten Umständen für die Darlehensnehmer erleichterte Voraussetzungen für den Beweis des Wissensvorsprungs der finanzierenden Bank geschaffen. Dass die Darlehensnehmer zuvor insoweit Beweisschwierigkeiten hatten, steht dem Verjährungsbeginn nicht entgegen, weil dieser keineswegs voraussetzt, dass der Geschädigte bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand hat, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können (BGH, Urteile vom 18. Januar 1994 - VI ZR 190/93, WM 1994, 750, 752 und vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99, NJW 2001, 885, 886, insoweit in BGHZ 145, 358 nicht abgedruckt). Die erforderliche Kenntnis ist vielmehr bereits vorhanden, wenn die dem Geschädigten bekannten Tatsachen ausreichen , um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners als naheliegend erscheinen zu lassen (BGH, Urteil vom 18. Januar 1994 - VI ZR 190/93 aaO). Es muss dem Geschädigten lediglich zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit dem verbleibenden Prozessrisiko, insbesondere hinsichtlich der Nachweisbarkeit von Schadensersatz auslösenden Umständen (BGH, Urteil vom 31. Oktober 2000 aaO).
- 29
- (c) Wie das Berufungsgericht zutreffend gesehen hat, konnte die Verjährung daher bereits vor der vom Senat geschaffenen Beweiserleichterung zu laufen beginnen, sofern bei dem Kläger zuvor die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorlagen. Die Annahme des Berufungsgerichts, dies sei bereits vor dem 1. Januar 2002 der Fall gewesen, weil dem Kläger aufgrund der jährlichen Mietpoolabrechnungen bekannt gewesen sei, dass die bei Vertragsschluss versprochene Miete nicht erzielt worden sei, erweist sich nach den dargelegten Maßstäben aber als nicht tragfähig. Allein aus den Mietpoolabrechnungen hatte der Kläger noch keine Kenntnis von allen eine Aufklärungspflicht der Beklagten begründenden Umständen.
- 30
- Kenntnis Da in Fällen unzureichender Aufklärung voraussetzt, dass der Gläubiger die Umstände, insbesondere auch die wirtschaftlichen Zusammenhänge kennt, aus denen sich die Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt, und da die finanzierenden Banken nur ausnahmsweise zur Risikoaufklärung in Bezug auf das finanzierte Geschäft verpflichtet sind, ist von einer Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Gläubigers in Fällen der vorliegenden Art nur auszugehen, wenn ihm sowohl die Umstände bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt sind, die in Bezug auf das finanzierte Geschäft einen Ersatzanspruch begrün- den, als auch die Umstände, aus denen sich ergibt, dass insoweit gerade auch die finanzierenden Banken, obwohl sie nicht unmittelbar Geschäftspartner des finanzierten Geschäfts waren, als mögliche Haftende in Betracht kommen. Im Hinblick auf die in Rede stehende Aufklärungspflicht der Beklagten aus einem Wissensvorsprung über eine arglistige Täuschung des Klägers wäre von einer Kenntnis des Klägers im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor dem 1. Januar 2002 also nur auszugehen , wenn er bereits da die tatsächlichen Umstände gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hätte, aus denen sich ergab, dass er im Zusammenhang mit dem Wohnungserwerb arglistig getäuscht worden war, und zusätzlich die Umstände, die den Schluss auf einen insoweit bestehenden Wissensvorsprung der Beklagten zuließen. Für beides genügt entgegen der nicht näher begründeten Auffassung des Berufungsgerichts die bloße Kenntnis davon, dass die zugesagte Miete nicht erzielt wurde, nicht.
- 31
- Für die Frage der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Klägers von der arglistigen Täuschung ist das Auseinanderfallen von versprochener und erzielter Miete schon deshalb ohne ausreichende Aussagekraft , weil die Ursache dafür offen bleibt. Dass die versprochene Miete tatsächlich nicht erzielt wurde, konnte auch auf anderen Ursachen, etwa auf einer unvorhergesehenen schlechten wirtschaftlichen Entwicklung des Mietpools infolge unerwartet hoher Leerstände nach Vertragsschluss , beruhen. Es hätte daher zusätzlicher Feststellungen dazu bedurft , dass der Kläger Kenntnis von tatsächlichen Umständen hatte oder ohne nennenswerte Mühe hätte haben können, aus denen er auf eine arglistige Täuschung über die erzielbare Miete schließen konnte.
- 32
- der Mit bloßen Kenntnis davon, dass die ihm zugesagte Miete letztlich nicht erzielt wurde, waren dem Kläger auch noch keine tatsächlichen Umstände bekannt, die gerade die Beklagten als mögliche Ersatzpflichtige infrage kommen ließen. Da die Beklagten nicht Vertragspartner des finanzierten Geschäfts waren, lägen die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nur vor, wenn dem Kläger zusätzlich zu der Kenntnis von Umständen, die den Schluss auf eine arglistige Täuschung zuließen, Umstände bekannt oder aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen wären, aus denen sich ergab, dass die Beklagten Kenntnis von der arglistigen Täuschung des Klägers hatten. Erst aus diesem Wissensvorsprung ergab sich ihre Rechtspflicht zur Aufklärung.
- 33
- (2) Genügt danach entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Kenntnis des Klägers von der Unrichtigkeit der zugesagten Miete nicht, um den Schluss auf seine Kenntnis von möglichen Schadensersatzansprüchen gegen die finanzierenden Banken zuzulassen, so erweist sich der Ansatz des Berufungsgerichts, es sei angesichts dieser Umstände Sache des Klägers gewesen, substantiiert Umstände darzulegen , die ihn trotz der Kenntnis von der Unrichtigkeit der zugesagten Miete an der Erkenntnis möglicher Schadensersatzansprüche gegenüber den Beklagten gehindert hätten, als nicht tragfähig. Vielmehr wäre es - was das Berufungsgericht verkannt hat - zunächst einmal Sache der Beklagten gewesen, zum Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor dem 1. Januar 2002 vorzutragen. Erst aufgrund solchen Vortrags zu der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Klägers hätte es diesem oblegen, seinerseits an der Aufklärung mitzuwirken und etwa darzulegen, was er zur Ermittlung der Vor- aussetzungen seines Anspruchs und der Person des Schuldners unternommen hat (vgl. BGHZ 91, 243, 260).
III.
- 34
- angefochtene Das Urteil war nach alledem aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird zunächst den Beklagten Gelegenheit zu geben haben, zur Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Klägers von den anspruchsbegründenden Umständen vor dem 1. Januar 2002 vorzutragen. Sodann wird es die erforderlichen weiteren Feststellungen zur Kenntnis des Klägers oder zur grob fahrlässigen Unkenntnis von den die Aufklärungspflicht begründen- den Umständen zu treffen haben sowie gegebenenfalls zu den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs des Klägers aus vorvertraglichem Aufklärungsverschulden der Beklagten.
Mayen Ellenberger
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 16.12.2005 - 13 O 38/05 -
OLG Celle, Entscheidung vom 30.08.2006 - 3 U 28/06 -
Wer für den Verlust einer Sache oder eines Rechts Schadensersatz zu leisten hat, ist zum Ersatz nur gegen Abtretung der Ansprüche verpflichtet, die dem Ersatzberechtigten auf Grund des Eigentums an der Sache oder auf Grund des Rechts gegen Dritte zustehen.
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
Die Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des Schadens, der aus einer Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters entstanden ist, richtet sich nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Der Anspruch verjährt spätestens in drei Jahren von der Aufhebung oder der Rechtskraft der Einstellung des Insolvenzverfahrens an. Für Pflichtverletzungen, die im Rahmen einer Nachtragsverteilung (§ 203) oder einer Überwachung der Planerfüllung (§ 260) begangen worden sind, gilt Satz 2 mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Aufhebung des Insolvenzverfahrens der Vollzug der Nachtragsverteilung oder die Beendigung der Überwachung tritt.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Wert des Revisionsverfahrens wird auf 2.889,24 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt den beklagten Rechtsanwalt auf Schadensersatz wegen der Verletzung einer Hinweispflicht in Anspruch. Der Beklagte hatte den Kläger im Jahre 2000 in einem Kündigungsschutzprozess gegen seine ehemalige Arbeitgeberin, die Firma B. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) vertreten. Mit rechtskräftigem Versäumnisurteil vom 8. August 2000 verurteilte das Arbeitsgericht die Schuldnerin zur Zahlung rückständigen Arbeitsentgelts in Höhe von 11.364,16 DM. Nach Erlass dieser Entscheidung beauftragte der Kläger gemeinsam mit zwei weiteren Arbeitnehmern, die ebenfalls erfolgreich gegen die Schuldnerin geklagt hatten, den Beklagten mit der Durchführung der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil. Nachdem der Gerichtsvollzieher mehrere Teilbeträge beigetrieben hatte, teilte er dem Beklagten am 25. Januar 2002 mit, Anhaltspunkte dafür zu haben, dass die Mobiliarvollstreckung erfolglos verlaufen werde. In der letzten Zeit vorgenommene Vollstreckungen seien ohne greifbares Ergebnis geblieben und die Schuldnerin habe die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Auch nach dieser Mitteilung erreichte der Beklagte noch Teilzahlungen von 201,53 € am 6. Februar 2002, 166,67 € am 8. Mai 2002 und 333,33 € am 19. September 2002. Ein Restbetrag von 3.645,81 € blieb offen.
- 2
- Mit Schreiben vom 1. April 2009 teilte der Beklagte dem Kläger unter Beifügung des Vollstreckungstitels und einer Forderungsabrechnung mit, dass er in der Sache nichts weiter veranlassen werde. Danach erfuhr der Kläger, dass die Bundesagentur für Arbeit für den 31. August 2003 die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit der Schuldnerin festgestellt hatte. Er beantragte daraufhin die Zahlung von Insolvenzgeld in Höhe von 3.611,55 € für die letzten drei Monate seiner Tätigkeit vor der fristlosen Kündigung. Diesen Antrag wies die Bundesagentur mit Bescheid vom 15. April 2009 zurück, weil der Kläger sich nicht ausreichend um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht und deshalb die Ausschlussfrist zur Geltendmachung des Insolvenzgeldes nicht schuldlos versäumt habe. Ein Widerspruch des Klägers gegen diese Entscheidung blieb erfolglos. Eine dagegen gerichtete Klage ist beim Sozialgericht anhängig.
- 3
- Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, den ihm aufgrund der verspäteten Antragstellung möglicherweise entstehenden Schaden zu ersetzen. Das Amtsgericht hat dem Feststellungsbegehren des Klägers stattgegeben. Die vom Beklagten eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision strebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage an.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Abweisung der Klage.
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat - teils unter Bezugnahme auf das Urteil des Amtsgerichts - ausgeführt: Der Feststellungsantrag sei gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, denn der Kläger könne mangels bestandskräftiger Entscheidung über die Gewährung von Insolvenzgeld seinen Schaden noch nicht beziffern. Sofern dem Kläger kein Insolvenzgeld gewährt werde, hafte ihm der Beklagte auf Ersatz des entsprechenden Schadens gemäß § 675 Abs. 1, § 280 Abs. 1, §§ 249, 251 BGB. Der Anspruch sei nicht verjährt. Zwar richte sich die Verjährung noch nach § 51b BRAO aF. Der Schaden des Klägers sei aber nach der Risiko-Schaden-Formel des Bundesgerichtshofs erst mit Erlass des ablehnenden Bescheids der Bundesagentur für Arbeit im Jahre 2009 eingetreten. Von einem Eintritt des Schadens schon mit Ablauf der zweimonatigen Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Insolvenzgeldansprüchen ab Feststellung des Insolvenzereignisses auf den 31. August 2003 könne nicht ausgegangen werden , weil zur Feststellung des Insolvenzereignisses weitere Ermittlungen der Bundesagentur erforderlich gewesen seien.
II.
- 6
- Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Der Anspruch des Klägers ist jedenfalls verjährt.
- 7
- 1. Die Verjährung des Anspruchs des Klägers richtet sich gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Nr. 3, Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB nach der durch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214) mit Wirkung zum 15. Dezember 2004 aufgehobenen Vorschrift des § 51b BRAO aF.
- 8
- 2. Nach § 51b Satz 1 BRAO aF verjährte der Anspruch des Auftraggebers auf Schadensersatz aus dem zwischen ihm und dem Rechtsanwalt bestehenden Vertragsverhältnis in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden war.
- 9
- a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Schaden, der neben der Pflichtverletzung Anspruchsvoraussetzung ist, nicht erst mit dem Bescheid der Bundesagentur vom 15. April 2009, mit dem der Antrag auf Insolvenzgeld abgelehnt worden ist, eingetreten. Maßgeblich für die Entstehung des Schadens ist vielmehr der Ablauf der Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 SGB III aF in der bis zum 31. Dezember 2003 gültigen Fassung.
- 10
- aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsteht der Schaden dann, wenn sich die Vermögenslage des Betroffenen durch die Pflichtverletzung des Beraters im Vergleich zu seinem früheren Vermögensstand objektiv verschlechtert hat. Dafür genügt es, dass der Schaden wenigstens dem Grunde nach erwachsen ist, mag auch seine Höhe noch nicht beziffert werden können. Es muss nicht feststehen, dass die Vermögenseinbuße bestehen bleibt und damit endgültig wird, vielmehr reicht es aus, dass ein endgültiger Teilschaden entstanden ist und mit weiteren adäquat verursachten Nachteilen gerechnet werden muss (BGH, Urteil vom 4. April 1991 - IX ZR 215/90, BGHZ 114, 150, 152 f; vom 2. Juli 1992 - IX ZR 268/91, BGHZ 119, 69, 70 f; vom 13. Dezember 2007 - IX ZR 130/06, WM 2008, 611 Rn. 10; vom 29. Mai 2008 - IX ZR 222/06, WM 2008, 1416 Rn. 14; vom 16. Oktober 2008 - IX ZR 135/07, WM 2008, 2307 Rn. 12; Chab in Zugehör/G. Fischer/ Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1352 f). Die Unkenntnis des Schadens und damit des Ersatzanspruchs hindert den Beginn der Verjährung nicht. Eine bloße Vermögensgefährdung reicht für die Annahme eines Schadens dagegen nicht aus. Ein Schaden ist nicht eingetreten , solange nur das Risiko eines Vermögensnachteils besteht, bei der gebotenen wertenden Betrachtung allenfalls eine Vermögensgefährdung vorliegt , es also noch nicht klar ist, ob es wirklich zum Schaden kommt (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2008, aaO).
- 11
- bb) Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend der Schaden des Klägers am 31. Oktober 2003 eingetreten, weil nach den Feststellungen der Bundesagentur für Arbeit das Insolvenzereignis am 31. August 2003 eingetreten ist. Ende Oktober 2003 war die in § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III aF normierte Ausschlussfrist abgelaufen, innerhalb derer der Kläger den Anspruch auf Insolvenzgeld nach Feststellung des Insolvenzereignisses gemäß dem seinerzeit gültigen § 183 Abs. 1 Nr. 3 SGB III (in der Fassung des Gesetzes vom 10. Dezember 2001, BGBl. I S. 3443) gestellt haben musste.
- 12
- Gemäß § 183 Abs. 1 Nr. 3 SGB III aF hatten Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren, bei vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden war und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kam. In diesem Fall konnten sie gemäß § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III aF innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis die Zahlung von Insolvenzgeld beantragen. Bei der Versäumung dieser Frist aus Gründen, die der Arbeitnehmer nicht zu vertreten hatte, kam gemäß § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III aF die nachträgliche Zahlung von Insolvenzgeld in Betracht. Eine schuldhafte Versäumung der Frist lag gemäß Satz 3 der Regelung vor, wenn der Arbeitnehmer sich nicht mit der hinreichenden Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hatte.
- 13
- Aufgrund dieser Regelungen kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass es für die Entstehung des Schadens darauf ankam, zu welchem Zeitpunkt die Bundesagentur einen nachträglich von dem Arbeitnehmer gemäß § 324 Abs. 3 Satz 2 und 3 InsO gestellten Antrag auf Zahlung von Insolvenzgeld abgelehnt hatte. Vielmehr trat eine objektive Verschlechterung der Vermögenslage des Arbeitnehmers bereits dann ein, als er die Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III aF versäumt hatte (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2008 - IX ZR 135/07, WM 2008, 2307 Rn. 14 mwN), ohne einen entsprechenden Antrag gestellt zu haben.
- 14
- c) Im Streitfall geht es um den Ablauf einer materiellen Ausschlussfrist, bei deren Versäumung der Mandant zwar unter bestimmten Voraussetzungen, die denen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nahe kommen, den Schaden nachträglich entfallen lassen kann. Dies ändert aber nichts daran, dass für die verjährungsrechtliche Schadensentstehung der Zeitpunkt maßgeblich ist, zu dem die Ausschlussfrist verstrichen ist. Anders als bei der Haftung des Steuerberaters, bei welcher der Schaden regelmäßig erst mit Bekanntgabe des belastenden Steuerbescheids eintritt, weil bis dahin offen ist, ob die Finanzbehörde den für den Mandanten steuerlich ungünstigen Sachverhalt mit der Folge aufgreift, dass die Pflichtverletzung des Beraters zu einer steuerlichen Belastung des Mandanten führt (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 2011 - IX ZR 208/04, WM 2006, 590, 591), gilt dies für die Haftung des Rechtsanwalts , der aufgrund einer fehlerhaften oder unterbliebenen Belehrung die Versäumung einer Ausschlussfrist verursacht, nicht. Hier ist der Schaden schon mit dem Ablauf der Ausschlussfrist eingetreten. Ob es eine Möglichkeit gibt, diesen Schadenseintritt dadurch aufzufangen, dass sich der Mandant nachträglich wegen der Fristversäumnis entschuldigen kann, ändert nichts an der Tatsache, dass sich der Vermögensbestand des Mandanten objektiv verschlechtert hat und keine bloße Vermögensgefährdung vorliegt.
- 15
- aa) Ebenso wie im Fall einer durch das pflichtwidrige Verhalten des Rechtsanwalts verursachten, für den Mandanten nachteiligen Entscheidung eines Gerichts der Schaden schon mit der Entscheidung eingetreten ist und es nicht darauf ankommt, ob eine Änderung der Entscheidung in einem weiteren Rechtszug zugunsten des Mandanten erfolgen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 354/98, WM 2000, 969, 970), kommt es auch nicht darauf an, ob es dem Mandanten gelingen könnte, den durch den Ablauf der Ausschlussfrist eingetretenen Schaden durch einen später gestellten Antrag nach § 324 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB III aF noch abzuwenden. Anderenfalls müsste auch die erfolgversprechende Möglichkeit einer Wiedereinsetzung nach den §§ 233 ff ZPO im Fall der Versäumung einer prozessualen Frist dazu führen, dass der Eintritt des Schadens gehindert ist, solange die durch die Fristversäumung eingetretenen Nachteile rückwirkend in einem Wiedereinsetzungsverfahren wieder beseitigt werden können. Einer solchen Betrachtungsweise steht aber die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entgegen, nach der ein infolge der Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde eingetretener Schaden auch dann bestehen bleibt, wenn im Nachhinein versucht wird, Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu erlangen. Die Schädigung des Mandanten durch eine nachteilige Gerichtsentscheidung, die auf einem fehlerhaften Prozessverhalten des Rechtsberaters beruht, entfällt nicht wegen der Unsicherheit, ob der Schaden bestehen bleibt und endgültig wird und damit auch nicht wegen eines Wiedereinsetzungsantrags des Mandanten (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, WM 2000, 959, 960; Beschluss vom 28. März 1996 - IX ZR 197/95, WM 1996, 1108, 1109).
- 16
- bb) Die Auffassung des Berufungsgerichts, der vorliegende Fall sei anders zu beurteilen, als die sonstigen Fälle der Versäumung prozessualer oder materieller Ausschlussfristen, weil die Bundesagentur noch Ermittlungen durchzuführen gehabt habe, um den Zeitpunkt der Betriebseinstellung festzulegen, rechtfertigten keine andere Betrachtung. Die Erforderlichkeit von Nachforschungen zur Bestimmung des Zeitpunkts der endgültigen Betriebseinstellung im Sinne des § 183 Abs. 1 Nr. 3 SGB III aF ändert nichts an dem Umstand, dass die Ausschlussfrist von dem Zeitpunkt der später festgestellten Betriebseinstellung an zu berechnen ist. Der Ablauf einer prozessualen Frist kann ebenfalls aufklärungsbedürftig sein.
- 17
- cc) Ebenfalls keine entscheidende Bedeutung hat es entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung, dass der Bundesagentur bei der Beurteilung der Frage, ob sich der Antragsteller mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat, ein Beurteilungsermessen zusteht. Dieses Beurteilungsermessen bezieht sich nur auf die nachträgliche Feststellung der Voraussetzungen, unter denen der Schaden wieder entfällt, weil der Arbeitnehmer mit seinem verspätet gestellten Antrag ausnahmsweise Erfolg hat. Die Härtefallregelung des § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III aF war auf den Fall der Versäumung der Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III aF nicht anwendbar (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. April 2012 - L 12 AL 5192/11, Rn. 24 mwN). Bei der Regelung des § 324 Abs. 3 Satz 3 SGB III aF, bei der es sich um eine spezialgesetzliche Ausprägung des Rechtsinstituts der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand handelte (vgl. BSGE 71, 213, 214; LSG Baden-Württemberg, aaO Rn. 23; LSG Nordrhein-Westfalen, ZInsO 2013, 36, 39), ging es nicht um die Beurteilung der Frage, ob der Arbeitnehmer den Antrag auf Insolvenzgeld rechtzeitig gestellt hatte. Vielmehr war festzustellen, ob er die materielle Ausschlussfrist, deren Versäumnis unumstößlich war, unverschuldet nicht wahrgenommen hatte. Damit gelten die allgemeinen Grundsätze, nach denen die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung nichts daran ändert, dass der Schaden schon mit Versäumung der Frist eingetreten ist.
- 18
- 3. Die Folgen des Eintritts der Verjährung können auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Sekundäranspruchs abgewendet werden. Dieser begann mit Vollendung der Primärverjährung, also spätestens im Jahr 2006, und war deshalb im Jahr 2009 verjährt. Die Klage ist im Juli 2010 beim Amtsgericht eingereicht worden und konnte deshalb die Verjährung nicht hemmen.
III.
- 19
- Der Bundesgerichtshof kann in der Sache selbst entscheiden, weil der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist wegen Ablaufs der Verjährungsfrist auf die von dem Beklagten erhobene Einrede abzuweisen.
Lohmann Pape
Vorinstanzen:
AG Cloppenburg, Entscheidung vom 12.04.2011 - 21 C 756/10 -
LG Oldenburg, Entscheidung vom 06.03.2012 - 16 S 222/11 -
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
(1) Die Kosten der Feststellung umfassen die Kosten der tatsächlichen Feststellung des Gegenstands und der Feststellung der Rechte an diesem. Sie sind pauschal mit vier vom Hundert des Verwertungserlöses anzusetzen.
(2) Als Kosten der Verwertung sind pauschal fünf vom Hundert des Verwertungserlöses anzusetzen. Lagen die tatsächlich entstandenen, für die Verwertung erforderlichen Kosten erheblich niedriger oder erheblich höher, so sind diese Kosten anzusetzen. Führt die Verwertung zu einer Belastung der Masse mit Umsatzsteuer, so ist der Umsatzsteuerbetrag zusätzlich zu der Pauschale nach Satz 1 oder den tatsächlich entstandenen Kosten nach Satz 2 anzusetzen.
Soweit der Erlös aus dem Pfande dem Pfandgläubiger zu seiner Befriedigung gebührt, gilt die Forderung als von dem Eigentümer berichtigt. Im Übrigen tritt der Erlös an die Stelle des Pfandes.
(1) Nach der Verwertung einer beweglichen Sache oder einer Forderung durch den Insolvenzverwalter sind aus dem Verwertungserlös die Kosten der Feststellung und der Verwertung des Gegenstands vorweg für die Insolvenzmasse zu entnehmen. Aus dem verbleibenden Betrag ist unverzüglich der absonderungsberechtigte Gläubiger zu befriedigen.
(2) Überläßt der Insolvenzverwalter einen Gegenstand, zu dessen Verwertung er nach § 166 berechtigt ist, dem Gläubiger zur Verwertung, so hat dieser aus dem von ihm erzielten Verwertungserlös einen Betrag in Höhe der Kosten der Feststellung sowie des Umsatzsteuerbetrages (§ 171 Abs. 2 Satz 3) vorweg an die Masse abzuführen.
BUNDESGERICHTSHOF
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2016 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner, die Richterinnen von Pentz und Dr. Oehler und den Richter Dr. Klein
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, darüber, ob Ansprüche des Klägers gegen die Beklagten zu 1 bis 3 (nachfolgend : Beklagten) wegen ärztlicher Behandlungs- und Aufklärungsfehler im Zusammenhang mit seiner Geburt verjährt sind.
- 2
- Der Kläger wurde am 22. November 2003 mit einem Gewicht von 5100 Gramm im Krankenhaus der Beklagten zu 1 geboren. Die Geburt wurde zu- nächst von der Beklagten zu 3 als der diensthabenden Stationsärztin geleitet. Später übernahm die Beklagte zu 2 als gynäkologische Chefärztin die Geburtsleitung. Während der Geburt trat eine Schulterdystokie auf, weshalb die Beklagte zu 2 die Entscheidung zu einer vaginal-operativen Entbindung traf. Nach der Entbindung war der linke Arm des Klägers mit Hämatomen besetzt und schlaff. Später wurden eine obere und untere Parese des Plexus brachialis links sowie eine Claviculafraktur diagnostiziert.
- 3
- Die Mutter des Klägers fertigte am 4. August 2006 ein umfangreiches Gedächtnisprotokoll, in dem sie die Ereignisse von ihrer Aufnahme ins Krankenhaus der Beklagten zu 1 bis zur Geburt des Klägers detailliert beschrieb und Kritik an der angewandten geburtshilflichen Technik sowie daran übte, dass eine Risikoaufklärung unterblieben und keine Kaiserschnittentbindung angeboten worden sei. Auf Aufforderung der Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandte die Beklagte zu 1 ihnen am 22. September 2006 die aus 91 Seiten bestehende Dokumentation über den stationären Aufenthalt der Mutter des Klägers. Eine Seite des Geburtsprotokolls, die den Zeitraum von der Aufnahme der Mutter des Klägers bei der Beklagten zu 1 am Nachmittag des 19. Novembers 2003 bis um 13.40 Uhr am Folgetag dokumentiert, fehlte zunächst und wurde erst im Mai 2008 übermittelt.
- 4
- Mit Schreiben vom 9. August 2007 erhoben die damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers Ansprüche gegen die Beklagte zu 1, deren Haftpflichtversicherer in einem Schreiben vom 20. August 2007 ankündigte, Einsicht in die Behandlungsunterlagen zu nehmen sowie ärztliche Stellungnahmen einzuholen und sich anschließend zur Deckungs- und Haftungsfrage zu äußern. Am 26. Oktober 2007 lehnte der Haftpflichtversicherer eine Haftung der Beklagten ab. In dem Schreiben heißt es unter anderem: " ... in vorbezeichneter Angelegenheit konnten wir zwischenzeitlich die Ihre Mandantschaft betreffenden Behandlungsunterlagen einsehen. Darüber hinaus liegt uns eine Stellungnahme der Ärzte zu dem Geschehnis vor. Nach Auswertung und Überprüfung unserer Unterlagen müssen wir Ihnen jedoch mitteilen, dass wir ein die Haftung begründendes Fehlverhalten der Ärzte unserer Versicherungsnehmerin bei der Entbindung ... nicht festzustellen vermögen." Im Folgenden ging der Haftpflichtversicherer auf die Vorwürfe ein. Abschließend formulierte er: "Zusammenfassend ist nach medizinischer Auswertung der uns vorliegenden Unterlagen zu sagen, dass ... . ……… Ihre Mandantin wurde sehr wohl dahingehend aufgeklärt, dass es sich wiederum um ein makrosomes Kind handelt und infolge dessen über Risiken und Alternativen aufgeklärt. …. Nach alledem ergibt sich, dass in dem Vorgehen der Ärzte bei der Entbindung kein Behandlungsfehler zu erkennen ist. Vielmehr ergibt sich aus den Unterlagen , dass ... mit aller Sorgfalt vorgegangen wurde. Demnach ergibt sich aus obigen Erörterungen, dass eine Haftung bereits dem Grunde nach abzulehnen ist. Wir bedauern, Ihnen keine günstigere Mitteilung machen zu können, hoffen jedoch insoweit auf das Verständnis Ihrer Mandantschaft. Im Übrigen gehen wir davon aus, dass etwaige von Ihnen geltend gemachte Schmerzensgeldansprüche bereits verjährt sind."
- 5
- Am 13. November 2007 baten die Prozessbevollmächtigten des Klägers um eine nochmalige Überprüfung der Sach- und Rechtslage und um die Überlassung weiterer Unterlagen. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1 übersandte am 5. Mai 2008 die fehlende erste Seite der Dokumentation des stationären Aufenthalts der Mutter des Klägers unter Hinweis darauf, man halte an der bereits im Schreiben vom 26. Oktober 2007 bekundeten Auffassung fest. Auf nochmalige Aufforderung vom 2. Juni 2008 übersandte der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1 am 5. August 2008 weitere Unterlagen. Die Prozess- bevollmächtigten des Klägers reagierten darauf mit Schreiben vom 12. Juni
2009.
- 6
- Mit der am 29. Oktober 2010 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger von den Beklagten als Gesamtschuldnern die Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 40.000 €, Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten und die Feststellung der Pflicht zum Ersatz der materiellen und weiteren immateriellen Schäden. Das Landgericht hat die Beklagten wegen ärztlicher Behandlungsfehler mit Ausnahme vorgerichtlicher Anwaltskosten antragsgemäß verurteilt, die Beklagten zu 1 und 3 auch wegen Aufklärungsfehlern. Die Berufung der Beklagten, die dieses Urteil ausschließlich mit der Begründung angegriffen haben, die vom Landgericht zuerkannten Forderungen seien verjährt , hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Klagabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 7
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in VersR 2016, 1004 veröffentlicht ist, hält die geltend gemachten Ansprüche für nicht verjährt. Gemäß § 199 Abs. 1 BGB habe der Verjährungslauf für die grundsätzlich mit der Geburt des Klägers entstandenen Schadensersatzansprüche zwar Ende des Jahres 2006 eingesetzt, weil der Kläger sich insoweit das Wissen seiner Eltern und der seinerzeit mit der Rechtsverfolgung betrauten Prozessbevollmächtigten habe zurechnen lassen müssen. Dieses Wissen habe ihn in die Lage versetzt, eine hinlänglich aussichtsreiche Feststellungsklage zu erheben. Dass ihm zu dieser Zeit eine die Phase rund 48 Stunden vor der Geburt abdeckende Seite des Ge- burtsprotokolls nicht vorgelegen habe, ändere daran nichts, da sich aus ihr kein relevanter Erkenntnisgewinn und keine zuvor noch nicht vorhandene Zusatzinformation habe ergeben können, ohne die eine Klageerhebung nicht zumutbar gewesen wäre. Die damit grundsätzlich am 31. Dezember 2009 vollendete Verjährung sei gemäß § 203 Satz 1 BGB wegen schwebender Verhandlungen aber für mehr als ein Jahr gehemmt worden, weshalb die Klage vor Ablauf der Verjährungsfrist rechtshängig geworden sei. Ausgelöst worden sei die Hemmung durch das Schreiben der damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 9. August 2007. Sie habe nur dadurch enden können, dass der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigerte oder dass die Klägerseite die Verhandlungen einschlafen ließ, indem sie den Zeitpunkt versäumte , zu dem eine Antwort auf die letzte an sie gerichtete Anfrage spätestens zu erwarten gewesen wäre. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1 habe sich nicht geweigert, die Verhandlungen fortzusetzen. Zwar habe er im Schreiben vom 26. Oktober 2007 mitgeteilt, dass eine Haftung der Beklagten zu 1 bereits dem Grunde nach abzulehnen sei und seiner Ansicht nach etwaige Schmerzensgeldansprüche verjährt seien. Jedoch habe er, indem er seine Beurteilung relativierend auf eine Auswertung der ihm vorliegenden Unterlagen gegründet habe, nicht klar herausgestellt, dass er jede weitere Verhandlung verweigere. Dazu hätte es einer klaren und zweifelsfreien Erklärung bedurft. Dasselbe gelte für den Hinweis im Schreiben vom 5. Mai 2008, an der im Schreiben vom 26. Oktober 2007 bereits bekundeten Auffassung festzuhalten. Von einem die Hemmung beendenden Einschlafenlassen der Verhandlungen sei frühestens Anfang September 2008 auszugehen, nachdem der Kläger auf das Schreiben des auch die Beklagten zu 2 und 3 vertretenden Haftpflichtversicherers der Beklagten zu 1 vom 5. August 2008 erst am 12. Juni 2009 reagiert habe. Ein Einschlafenlassen durch die Beklagten als Schuldner, das die Verjäh- rungshemmung irgendwann um die Jahreswende 2007/2008 beendet hätte, sei rechtlich hingegen nicht möglich.
II.
- 8
- Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts sind auf Aufklärungsfehler gestützte Ansprüche verjährt. Eine Verjährung von Ansprüchen des Klägers wegen ärztlicher Behandlungsfehler kann mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht verneint werden, da insoweit der Beginn der Verjährungsfrist nicht rechtsfehlerfrei festgestellt worden ist. Die Annahme einer länger andauernden Hemmung der Verjährung erweist sich als rechtsfehlerhaft.
- 9
- 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass gem. § 199 Abs. 1 BGB die hier maßgebliche Verjährungsfrist von drei Jahren mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Kläger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangte oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Das Berufungsgericht verkennt auch nicht, dass der Kläger seine Ansprüche auf Aufklärungsfehler und Behandlungsfehler stützt. Die Revisionserwiderung rügt, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Verjährung schon am 1. Januar 2007 zu laufen begonnen habe. Dies erweist sich bezogen auf Ansprüche, die auf Aufklärungsfehler gestützt werden, als nicht durchgreifend. Soweit das Berufungsgericht Ansprüche auf Behandlungsfehler gestützt hat, tragen die bisherigen Feststellungen die Annahme dieses Verjährungsbeginns aber nicht.
- 10
- a) Ansprüche aus Behandlungsfehlern können zu anderer Zeit verjähren als solche aus Aufklärungsversäumnissen (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2014, 1305, 1307; OLG Hamm, MedR 2010, 563, 565; OLG München, VersR 2006, 705; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., Rn. D 14 mwN, Rn. E 26; Pauge, Arzthaftungsrecht, 13. Aufl., Rn. 543 mwN). Zwischen den Ansprüchen wegen unzureichender ärztlicher Aufklärung einerseits und wegen fehlerhafter Behandlung andererseits besteht zwar eine Verknüpfung dergestalt, dass es Ziel des Schadensersatzbegehrens des Patienten ist, eine Entschädigung für die bei ihm aufgrund der Behandlung eingetretenen gesundheitlichen Nachteile zu erlangen, doch liegen den Haftungstatbeständen verschiedene voneinander abgrenzbare Pflichtverletzungen zugrunde (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 228/05, NJW-RR 2007, 414, 415). Dies kann auch zu unterschiedlichen Verjährungsfristen führen (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2007 - V ZR 25/07, NJW 2008, 506, 507; Beschluss vom 21. Oktober 2014 - XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 145; Urteil vom 24. März 2011 - III ZR 81/10, NJW-RR 2011, 842 Rn. 14).
- 11
- b) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Verjährung bezogen auf die Ansprüche aus Aufklärungsfehlern mit Beginn des Jahres 2007 begonnen hat. Es hat insoweit zutreffend angenommen, dass die Mutter des Klägers, auf deren Wissensstand als gesetzlicher Vertreterin es ankommt (vgl. Senatsurteile vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93, VersR 1995, 659, 660; vom 10. Oktober 2006 - VI ZR 74/05, VersR 2007, 66 Rn. 21, jeweils mwN), schon im Jahr 2006 die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis von den den Anspruch wegen Aufklärungsmängeln begründenden Umständen hatte (vgl. OLG Hamm, MedR 2010, 563, 566; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 823, 824; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., Rn. D 14). Dies ergibt sich insbesondere aus ihrem Gedächtnisprotokoll vom 4. August 2006. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht abweichend vom Landgericht nicht deshalb einen späteren Verjährungsbeginn angenommen hat, weil dem Kläger im Jahr 2006 eine Seite des Geburtsprotokolls noch nicht vorlag. Dabei spielt es keine Rolle, ob darin eine Aufklärung dokumentiert war, nachdem die Mutter des Klägers schon in ihrem Gedächtnisprotokoll den Vorwurf eines Aufklärungsfehlers erhoben hatte, weil eine Risikoaufklärung unterblieben und ihr keine Kaiserschnittentbindung angeboten worden sei. Denn die Verjährungsfrist beginnt dann zu laufen, wenn dem Geschädigten oder seinem Vertreter bei seinem Kenntnisstand die Erhebung einer Schadensersatzklage gegen eine bestimmte Person - sei es auch nur in Form der Feststellungsklage - zumutbar ist (Senatsurteil vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99, VersR 2001, 108, 109 mwN, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 145, 358). Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht im Streitfall insoweit eine Klageerhebung schon Ende 2006 für zumutbar gehalten hat. Dass auf der dem Kläger im Jahr 2006 noch fehlenden Seite des Geburtsprotokolls eine Aufklärung im Ansatz dokumentiert war, hatte lediglich Auswirkungen auf die Beweislage, nachdem die Mutter des Klägers eine Aufklärung bestritten hatte. Der Verjährungsbeginn setzt keineswegs voraus, dass der Geschädigte bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand hat, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Es muss dem Patienten lediglich zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm oder seinen Vertretern hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit verbleibendem Prozessrisiko (vgl. Senatsurteile vom 20. September 1983 - VI ZR 35/82, VersR 1983, 1158, 1159; vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99, VersR 2001, 108, 109, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 145, 358; vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, VersR 2010, 214 Rn. 14).
- 12
- c) Die Begründung, mit der das Berufungsgericht hinsichtlich der auf Behandlungsfehler gestützten Ansprüche von einem Verjährungsbeginn am 1. Januar 2007 ausgegangen ist, trägt seine Beurteilung hingegen nicht. Es kann nach den bisherigen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass die für den Verjährungsbeginn notwendige Kenntnis von einem Behandlungsfehler erst im Laufe des Jahres 2007 erlangt worden ist.
- 13
- aa) Hinsichtlich ärztlicher Behandlungsfehler kann die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners nicht schon dann bejaht werden, wenn dem Patienten oder dessen gesetzlichem Vertreter lediglich der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt ist. Er muss vielmehr auch auf einen ärztlichen Behandlungsfehler als Ursache dieses Misserfolges schließen können. Dazu muss er nicht nur die wesentlichen Umstände des Behandlungsverlaufs kennen, sondern auch Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für ihn als medizinischen Laien ergibt, dass der behandelnde Arzt von dem üblichen medizinischen Vorgehen abgewichen ist oder Maßnahmen nicht getroffen hat, die nach dem ärztlichen Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich waren (Senatsurteile vom 23. April 1991 - VI ZR 161/90, VersR 1991, 815, 816; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93, VersR 1995, 659, 660; vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99, VersR 2001, 108, 109, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 145, 358; vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, VersR 2010, 214 Rn. 6; jeweils mwN). Diese Kenntnis ist erst vorhanden, wenn die dem Anspruchsteller bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners und auf die Ursache dieses Verhaltens für den Schaden als naheliegend erscheinen zu lassen (Senatsurteil vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, VersR 2010, 214 Rn. 6 mwN). Allein die Vorwürfe der Mutter des Klägers im Gedächtnisprotokoll vom 4. August 2006 lassen nicht auf eine in diesem Sinne ausreichende Kenntnis eines vom Standard abweichenden ärztlichen Verhaltens schließen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 1985 - VI ZR 207/83, VersR 1985, 740, 741; Prelinger, jurisPR- MedizinR 2/2016 Anm. 5). Für die Gesundheitsschäden ihres Kindes macht sie darin allein die Schwere der Geburt aufgrund dessen Größe verantwortlich. Anhaltspunkte für einen weitergehenden Kenntnisstand sind nicht festgestellt.
- 14
- bb) Allerdings ist auch der Kenntnisstand der Rechtsanwälte, die die Mutter des Klägers mit der Ermittlung und Geltendmachung der Ansprüche beauftragt hatte, in die Prüfung miteinzubeziehen. Nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 166 Abs. 1 BGB zum so genannten Wissensvertreter entwickelt hat, muss sich derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen; dies gilt insbesondere dann, wenn der Geschädigte bzw. dessen gesetzlicher Vertreter einen Rechtsanwalt mit der Aufklärung eines Sachverhalts beauftragt hat (vgl. Senatsurteile vom 16. Mai 1989 - VI ZR 251/88, VersR 1989, 914; vom 10. Oktober 2006 - VI ZR 74/05, VersR 2007, 66 Rn. 21, jeweils mwN). Die Rechtsanwälte des Klägers haben die ärztlichen Behandlungsfehler , die der Kläger den Beklagten zur Last legt, zwar im Schreiben vom 9. August 2007 mit hinreichender Deutlichkeit angesprochen, so dass sie zu dieser Zeit die gemäß § 199 Abs. 1 BGB erforderliche Kenntnis hatten (vgl. Senatsurteil vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99, VersR 2001, 108, 109, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 145, 358). Das Berufungsgericht hat aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob sie diese Kenntnis schon im Jahr 2006 hatten oder ob sie sie ggf. bis Ende dieses Jahres ohne grobe Fahrlässigkeit hätten erlangen müssen, wobei zu beachten ist, dass sie nicht verpflichtet waren , sich im Hinblick auf einen Haftungsprozess medizinisches Fachwissen anzueignen (Senatsurteil vom 10. Oktober 2006 - VI ZR 74/05, VersR 2007, 66 Rn. 24 mwN).
- 15
- 2. Das Berufungsgericht ist im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass die Verjährung aufgrund der am 20. August 2007 angezeigten Gesprächsbereitschaft des Haftpflichtversicherers der Beklagten zu 1, der aufgrund der Gesamtumstände auch für die Beklagten zu 2 und 3 tätig wurde (vgl. OLG Düsseldorf, NVersZ 2000, 40, 41), mit Zugang des Schreibens der damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 9. August 2007 gehemmt wurde , § 203 Satz 1 BGB (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2013 - IX ZR 120/11, VersR 2014, 597 Rn. 2 mwN; NK-BGB/Budzikiewicz, 3. Aufl., § 203 Rn. 43; dies., MedR 2016, 340, 341; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearbeitung 2014, § 203 Rn. 9; zu § 852 Abs. 2 BGB aF auch Senatsurteil vom 8. Mai 2001 - VI ZR 208/00, VersR 2001, 1255, 1257). Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die Hemmung der Verjährung erst Anfang September 2008 endete.
- 16
- Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gemäß § 203 Satz 1 BGB gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Dem Abbruch der Verhandlungen durch eindeutige Erklärung steht das Einschlafenlassen der Verhandlungen gleich, bei dem die Verjährungshemmung zu dem Zeitpunkt endet, zu dem unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben mit dem nächsten Verhandlungsschritt zu rechnen gewesen wäre (BT-Drucks. 14/6040, S. 112; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - VII ZR 285/12, VersR 2015, 637 Rn. 16; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearbeitung 2014, § 203 Rn. 13).
- 17
- a) Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht die Aussage des Haftpflichtversicherers der Beklagten zu 1 vom 26. Oktober 2007 nicht als eindeutige Weigerung zur Fortsetzung der Verhandlungen gewertet hat.
- 18
- aa) Dem Berufungsgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass für die Annahme , Verhandlungen seien beendet, ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. OLG Schleswig, BeckRS 2012, 09788 [sub. 5]; BeckOK/Spindler, BGB, § 203 Rn. 7 [Stand: 1. Mai 2016]; Mankowski/Höpker, MDR 2004, 721, 726; NKBGB /Budzikiewicz, 3. Aufl., § 203 Rn. 44). Ein solcher Abbruch von Verhandlungen muss - abgesehen von dem Fall des "Einschlafenlassens" der Verhandlungen - wegen seiner Bedeutung für die Durchsetzbarkeit der geltend gemachten Ansprüche durch klares und eindeutiges Verhalten zum Ausdruck gebracht werden (BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - I ZR 82/07, GRUR 2009, 1186 Rn. 30; zum insoweit sachlich entsprechenden, bis zum 31. Dezember 2001 geltenden § 852 Abs. 2 BGB Senatsurteile vom 19. Februar 1991 - VI ZR 165/90, VersR 1991, 475; vom 30. Juni 1998 - VI ZR 260/97, VersR 1998, 1295; vom 1. März 2005 - VI ZR 101/04, VersR 2005, 699, 701). Für die Beendigung von Verhandlungen genügt daher nicht schon, dass der Ersatzpflichtige (derzeit) seine Einstandspflicht verneint, wenn er nicht zugleich klar und eindeutig den Abbruch der Verhandlungen zum Ausdruck bringt (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 1998 - VI ZR 260/97, VersR 1998, 1295).
- 19
- bb) Auch unter Berücksichtigung dieser strengen Maßstäbe ist die Mitteilung des Haftpflichtversicherers der Beklagten zu 1 vom 26. Oktober 2007, eine Haftung sei dem Grunde nach abzulehnen, er bedauere es, keine bessere Mitteilung machen zu können und berufe sich zusätzlich auf Verjährung, als Weigerung anzusehen, Verhandlungen fortzuführen.
- 20
- Das Berufungsgericht hat seine Ansicht, der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1 habe nicht klar herausgestellt, jede weitere Verhandlung zu verweigern, darauf gestützt, dass er seine Beurteilung relativierend auf eine Auswertung der ihm vorliegenden Unterlagen gegründet habe. Die Auslegung dieser Erklärung durch das Berufungsgericht weist revisionsrechtlich beachtli- che Rechtsfehler auf und bindet den Senat daher nicht (vgl. BGH, Urteile vom 25. März 2015 - VIII ZR 125/14, NJW 2015, 2584 Rn. 33; vom 27. Januar 2010 - VIII ZR 58/09, NJW 2010, 2422 Rn. 31, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 184, 128; vgl. auch Senatsurteil vom 22. November 1988 - VI ZR 20/88, VersR 1989, 138, 139). Für die Auslegung ist ausgehend vom Wortlaut der Erklärung auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen. Daneben hat der Tatrichter den mit der Erklärung verfolgten Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der Erklärung erhellen können (BGH, Urteile vom 27. April 2016 - VIII ZR 61/15, NJWRR 2016, 910 Rn. 27; vom 27. Januar 2010 - VIII ZR 58/09, NJW 2010, 2422 Rn. 33, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 184, 128). Diesen Maßstäben wird das Berufungsurteil nicht gerecht. Bei Beachtung des mit dieser Aussage verfolgten Zwecks, der Interessenlage und der Begleitumstände relativiert die Bezugnahme auf die dem Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 1 vorliegenden Unterlagen die Ablehnung einer Haftung nicht, sondern begründet sie. Denn ein objektiver Erklärungsempfänger muss die Bezugnahme so verstehen, dass der Haftpflichtversicherer, der im Schreiben vom 20. August 2007 angekündigt hatte , über die Haftungs- und Deckungsfrage nach Einsicht in die Behandlungsunterlagen und Einholung ärztlicher Stellungnahmen zu entscheiden, gerade aufgrund der ihm vorliegenden Behandlungsunterlagen und ärztlichen Stellungnahmen den rechtlichen Standpunkt des Klägers nicht teilt. Dass er diese Haltung im Hinblick auf eine eventuelle Unvollständigkeit der Behandlungsunterlagen in irgendeiner Form zur Disposition gestellt haben könnte, ist dem Ablehnungsschreiben entgegen dem Berufungsgericht nicht zu entnehmen. Mit der abschließenden Wendung, es zu bedauern, keine günstigere Mitteilung machen zu können, brachte der Haftpflichtversicherer mit der erforderlichen Deutlichkeit den Abbruch der Verhandlungen zum Ausdruck, ohne beim Kläger den Eindruck zu erwecken, an einer gütlichen Einigung interessiert zu sein.
- 21
- Der erstmals in der Revisionserwiderung gehaltene Vortrag des Klägers, die Angelegenheit sei für den Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1 nach dem Schreiben vom 26. Oktober 2007 nicht erledigt gewesen, weil er seine interne Prüfung fortgesetzt habe, ist revisionsrechtlich unbeachtlich. Er ist im Übrigen auch nicht erheblich. Denn die Verjährungshemmung wegen schwebender Verhandlungen setzt die berechtigte Annahme des Gläubigers voraus, dass die Verhandlungen nicht beendet sind. Intern gebliebene Vorgänge auf Seiten des Schuldners vermögen eine solche Erwartung beim Gläubiger aber naturgemäß nicht zu begründen.
- 22
- Damit endete die Verjährungshemmung mit Zugang dieses Schreibens bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers. Der Ablauf der Verjährungsfrist war weniger als drei Monate gehemmt, so dass die Verjährung für die geltend gemachten Ansprüche wegen Aufklärungsfehlern, für die die Verjährungsfrist am 1. Januar 2007 zu laufen begonnen hatte, vor Eingang der Klage am 29. Oktober 2010 vollendet gewesen ist.
- 23
- b) Selbst wenn die Beklagten die Fortsetzung von Verhandlungen nicht ausdrücklich abgelehnt hätten, hätten sie die Verhandlungen nach dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 13. November 2007 einschlafen lassen. Daran vermag der erstmals in der Revisionserwiderung gehaltene Vortrag des Klägers, die Beklagten hätten die Verhandlungen "intern nach Kräften vorangetrieben", nichts zu ändern, da - wie bereits ausgeführt - intern gebliebene Vorgänge gerade kein Verhandeln im Sinne des § 203 BGB darstellen. Die Verjährungshemmung hätte, wovon das Berufungsgericht insofern selbst ausgeht, auch in diesem Fall spätestens zum folgenden Jahreswechsel geendet, ohne dass die Verhandlungen danach wieder aufgenommen worden wären.
- 24
- Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Einschlafen von Verhandlungen verkannt hat. Das Berufungsgericht geht unzutreffend davon aus, Verhandlungen könnten nur dann einschlafen, wenn der Gläubiger den Zeitpunkt versäumt, zu dem er spätestens auf eine Äußerung des Schuldners hätte antworten müssen, umgekehrt jedoch nicht der Schuldner. Dagegen spricht bereits der Wortlaut des § 203 Satz 1 BGB, der auf die Verweigerung der Fortsetzung der Verhandlungen durch den einen oder anderen Teil abstellt.
- 25
- Zwar haben der erkennende Senat wie auch andere Senate des Bundesgerichtshofs mehrfach formuliert, dass es für eine Beendigung der Hemmung ausreiche, wenn der Ersatzberechtigte die Verhandlungen einschlafen lasse (zu § 852 Abs. 2 BGB aF Senatsurteile vom 6. März 1990 - VI ZR 44/89, VersR 1990, 755, 756; vom 5. November 2002 - VI ZR 416/01, BGHZ 152, 298, 303; vom 1. März 2005 - VI ZR 101/04, VersR 2005, 699, 700; zu § 203 Satz 1 BGB nF BGH, Urteil vom 6. November 2008 - IX ZR 158/07, VersR 2009, 945 Rn. 10). Dort ging es indessen stets darum, dass der Gläubiger auf eine Äußerung des Schuldners nicht zeitnah reagiert hatte. Ein Einschlafenlassen durch den Schuldner sollte mit diesen Formulierungen aber nicht ausgeschlossen werden. Der Bundesgerichtshof hat dementsprechend in keinem Fall ein Einschlafenlassen der Verhandlungen mit dem Argument abgelehnt, dass dies durch eine fehlende Reaktion des Schuldners nicht möglich sei. Vielmehr hat er in solchen Fällen wiederholt ein Ende der Hemmungswirkung bejaht (vgl. BGH, Urteile vom 30. Oktober 2007 - X ZR 101/06, VersR 2008, 1122 Rn. 24; vom 18. Juni 2009 - VII ZR 167/08, VersR 2010, 394 Rn. 25; vom 14. Juli 2011 - III ZR 196/10, juris Rn. 13, 15; vom 30. April 2015 - IX ZR 1/13, NJW-RR 2015, 1321 Rn. 9; zu § 852 Abs. 2 BGB aF Senatsurteil vom 5. November 2002 - VI ZR 416/01, BGHZ 152, 298, 303). Im Übrigen ist auch in der Instanzrechtsprechung und der Literatur anerkannt, dass Verhandlungen unabhängig davon einschlafen können, ob der Gläubiger oder der Schuldner weitere Verhandlungsschritte unterlassen hat (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 23. Oktober 2008 - 9 U 19/08, juris Rn. 51 ff.; OLG Frankfurt, MDR 2014, 75, 76; OLG Köln, r+s 2015, 371, 372; OLG Hamm, BauR 2015, 1676, 1679; OLG Koblenz, Urteil vom 16. März 2016 - 10 U 557/15, juris Rn. 79 f.; Burmann/Heß in Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 3 A Rn. 109 [Stand: April 2009]; Gehrlein , BB 2015, 2114, 2126; Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 21 Rn. 57; Hk-BGB/Dörner, 8. Aufl., § 203 Rn. 3 a.E.; MünchKommBGB /Grothe, 7. Aufl., § 203 Rn. 8; NK-BGB/Budzikiewicz, 3. Aufl., § 203 Rn. 46; dies., MedR 2016, 340, 342; PWW/Deppenkemper, BGB, 11. Aufl., § 203 Rn. 4; Schmidt-Räntsch, ZfIR 2012, 217, 218; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearbeitung 2014, § 203 Rn. 13; Symosek, NJW 2016, 1142, 1143; Winkler, BB 2009, 410; aA OLG Koblenz, NJW 2006, 3150, 3152).
- 26
- Auch der Gesetzgeber ging nicht davon aus, dass eine Verweigerung des Schuldners nur im Fall einer ausdrücklichen Ablehnung der Fortsetzung der Verhandlungen vorliegen könne. Der Bundesrat hat im Gesetzgebungsverfahren sogar vorgeschlagen, § 203 BGB um die Formulierung zu ergänzen, dass die Hemmung der Verjährung sechs Monate nach der letzten, im Rahmen der Verhandlungen zwischen dem Schuldner und Gläubiger abgegebenen Erklärung endet, wenn die Verhandlungen dadurch in Stillstand geraten, dass sie von keiner Seite weiter betrieben werden (BT-Drucks. 14/6857, S. 7). Dass diese Wendung keine Aufnahme in den Gesetzestext fand, lag bezogen auf das Nichtbetreiben durch den Schuldner nicht an inhaltlichen Gründen, sondern daran , dass die Verjährungsfrist beim Einschlafen von Verhandlungen - so die Gegenäußerung der Bundesregierung zu diesem Vorschlag - ohnehin nicht auf unbestimmte Zeit gehemmt sei, weil für die Auslegung des § 203 BGB auf die Rechtsprechung zu § 852 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden könne, in der diese Frage bereits geklärt sei. Dies trage dem Anliegen des Bundesrates bes- ser Rechnung als die Bestimmung einer festen Frist (BT-Drucks, 14/6857, S. 43).
III.
- 27
- Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die erforderlichen Feststellungen betreffend den Beginn der Verjährung von Ansprüchen, die auf ärztliche Behandlungsfehler gestützt werden, nachholen kann. Galke Wellner von Pentz Oehler Klein
LG Koblenz, Entscheidung vom 11.03.2015 - 10 O 103/10 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 23.09.2015 - 5 U 403/15 -
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
BUNDESGERICHTSHOF
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2016 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner, die Richterinnen von Pentz und Dr. Oehler und den Richter Dr. Klein
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, darüber, ob Ansprüche des Klägers gegen die Beklagten zu 1 bis 3 (nachfolgend : Beklagten) wegen ärztlicher Behandlungs- und Aufklärungsfehler im Zusammenhang mit seiner Geburt verjährt sind.
- 2
- Der Kläger wurde am 22. November 2003 mit einem Gewicht von 5100 Gramm im Krankenhaus der Beklagten zu 1 geboren. Die Geburt wurde zu- nächst von der Beklagten zu 3 als der diensthabenden Stationsärztin geleitet. Später übernahm die Beklagte zu 2 als gynäkologische Chefärztin die Geburtsleitung. Während der Geburt trat eine Schulterdystokie auf, weshalb die Beklagte zu 2 die Entscheidung zu einer vaginal-operativen Entbindung traf. Nach der Entbindung war der linke Arm des Klägers mit Hämatomen besetzt und schlaff. Später wurden eine obere und untere Parese des Plexus brachialis links sowie eine Claviculafraktur diagnostiziert.
- 3
- Die Mutter des Klägers fertigte am 4. August 2006 ein umfangreiches Gedächtnisprotokoll, in dem sie die Ereignisse von ihrer Aufnahme ins Krankenhaus der Beklagten zu 1 bis zur Geburt des Klägers detailliert beschrieb und Kritik an der angewandten geburtshilflichen Technik sowie daran übte, dass eine Risikoaufklärung unterblieben und keine Kaiserschnittentbindung angeboten worden sei. Auf Aufforderung der Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandte die Beklagte zu 1 ihnen am 22. September 2006 die aus 91 Seiten bestehende Dokumentation über den stationären Aufenthalt der Mutter des Klägers. Eine Seite des Geburtsprotokolls, die den Zeitraum von der Aufnahme der Mutter des Klägers bei der Beklagten zu 1 am Nachmittag des 19. Novembers 2003 bis um 13.40 Uhr am Folgetag dokumentiert, fehlte zunächst und wurde erst im Mai 2008 übermittelt.
- 4
- Mit Schreiben vom 9. August 2007 erhoben die damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers Ansprüche gegen die Beklagte zu 1, deren Haftpflichtversicherer in einem Schreiben vom 20. August 2007 ankündigte, Einsicht in die Behandlungsunterlagen zu nehmen sowie ärztliche Stellungnahmen einzuholen und sich anschließend zur Deckungs- und Haftungsfrage zu äußern. Am 26. Oktober 2007 lehnte der Haftpflichtversicherer eine Haftung der Beklagten ab. In dem Schreiben heißt es unter anderem: " ... in vorbezeichneter Angelegenheit konnten wir zwischenzeitlich die Ihre Mandantschaft betreffenden Behandlungsunterlagen einsehen. Darüber hinaus liegt uns eine Stellungnahme der Ärzte zu dem Geschehnis vor. Nach Auswertung und Überprüfung unserer Unterlagen müssen wir Ihnen jedoch mitteilen, dass wir ein die Haftung begründendes Fehlverhalten der Ärzte unserer Versicherungsnehmerin bei der Entbindung ... nicht festzustellen vermögen." Im Folgenden ging der Haftpflichtversicherer auf die Vorwürfe ein. Abschließend formulierte er: "Zusammenfassend ist nach medizinischer Auswertung der uns vorliegenden Unterlagen zu sagen, dass ... . ……… Ihre Mandantin wurde sehr wohl dahingehend aufgeklärt, dass es sich wiederum um ein makrosomes Kind handelt und infolge dessen über Risiken und Alternativen aufgeklärt. …. Nach alledem ergibt sich, dass in dem Vorgehen der Ärzte bei der Entbindung kein Behandlungsfehler zu erkennen ist. Vielmehr ergibt sich aus den Unterlagen , dass ... mit aller Sorgfalt vorgegangen wurde. Demnach ergibt sich aus obigen Erörterungen, dass eine Haftung bereits dem Grunde nach abzulehnen ist. Wir bedauern, Ihnen keine günstigere Mitteilung machen zu können, hoffen jedoch insoweit auf das Verständnis Ihrer Mandantschaft. Im Übrigen gehen wir davon aus, dass etwaige von Ihnen geltend gemachte Schmerzensgeldansprüche bereits verjährt sind."
- 5
- Am 13. November 2007 baten die Prozessbevollmächtigten des Klägers um eine nochmalige Überprüfung der Sach- und Rechtslage und um die Überlassung weiterer Unterlagen. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1 übersandte am 5. Mai 2008 die fehlende erste Seite der Dokumentation des stationären Aufenthalts der Mutter des Klägers unter Hinweis darauf, man halte an der bereits im Schreiben vom 26. Oktober 2007 bekundeten Auffassung fest. Auf nochmalige Aufforderung vom 2. Juni 2008 übersandte der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1 am 5. August 2008 weitere Unterlagen. Die Prozess- bevollmächtigten des Klägers reagierten darauf mit Schreiben vom 12. Juni
2009.
- 6
- Mit der am 29. Oktober 2010 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger von den Beklagten als Gesamtschuldnern die Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 40.000 €, Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten und die Feststellung der Pflicht zum Ersatz der materiellen und weiteren immateriellen Schäden. Das Landgericht hat die Beklagten wegen ärztlicher Behandlungsfehler mit Ausnahme vorgerichtlicher Anwaltskosten antragsgemäß verurteilt, die Beklagten zu 1 und 3 auch wegen Aufklärungsfehlern. Die Berufung der Beklagten, die dieses Urteil ausschließlich mit der Begründung angegriffen haben, die vom Landgericht zuerkannten Forderungen seien verjährt , hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Klagabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 7
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in VersR 2016, 1004 veröffentlicht ist, hält die geltend gemachten Ansprüche für nicht verjährt. Gemäß § 199 Abs. 1 BGB habe der Verjährungslauf für die grundsätzlich mit der Geburt des Klägers entstandenen Schadensersatzansprüche zwar Ende des Jahres 2006 eingesetzt, weil der Kläger sich insoweit das Wissen seiner Eltern und der seinerzeit mit der Rechtsverfolgung betrauten Prozessbevollmächtigten habe zurechnen lassen müssen. Dieses Wissen habe ihn in die Lage versetzt, eine hinlänglich aussichtsreiche Feststellungsklage zu erheben. Dass ihm zu dieser Zeit eine die Phase rund 48 Stunden vor der Geburt abdeckende Seite des Ge- burtsprotokolls nicht vorgelegen habe, ändere daran nichts, da sich aus ihr kein relevanter Erkenntnisgewinn und keine zuvor noch nicht vorhandene Zusatzinformation habe ergeben können, ohne die eine Klageerhebung nicht zumutbar gewesen wäre. Die damit grundsätzlich am 31. Dezember 2009 vollendete Verjährung sei gemäß § 203 Satz 1 BGB wegen schwebender Verhandlungen aber für mehr als ein Jahr gehemmt worden, weshalb die Klage vor Ablauf der Verjährungsfrist rechtshängig geworden sei. Ausgelöst worden sei die Hemmung durch das Schreiben der damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 9. August 2007. Sie habe nur dadurch enden können, dass der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigerte oder dass die Klägerseite die Verhandlungen einschlafen ließ, indem sie den Zeitpunkt versäumte , zu dem eine Antwort auf die letzte an sie gerichtete Anfrage spätestens zu erwarten gewesen wäre. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1 habe sich nicht geweigert, die Verhandlungen fortzusetzen. Zwar habe er im Schreiben vom 26. Oktober 2007 mitgeteilt, dass eine Haftung der Beklagten zu 1 bereits dem Grunde nach abzulehnen sei und seiner Ansicht nach etwaige Schmerzensgeldansprüche verjährt seien. Jedoch habe er, indem er seine Beurteilung relativierend auf eine Auswertung der ihm vorliegenden Unterlagen gegründet habe, nicht klar herausgestellt, dass er jede weitere Verhandlung verweigere. Dazu hätte es einer klaren und zweifelsfreien Erklärung bedurft. Dasselbe gelte für den Hinweis im Schreiben vom 5. Mai 2008, an der im Schreiben vom 26. Oktober 2007 bereits bekundeten Auffassung festzuhalten. Von einem die Hemmung beendenden Einschlafenlassen der Verhandlungen sei frühestens Anfang September 2008 auszugehen, nachdem der Kläger auf das Schreiben des auch die Beklagten zu 2 und 3 vertretenden Haftpflichtversicherers der Beklagten zu 1 vom 5. August 2008 erst am 12. Juni 2009 reagiert habe. Ein Einschlafenlassen durch die Beklagten als Schuldner, das die Verjäh- rungshemmung irgendwann um die Jahreswende 2007/2008 beendet hätte, sei rechtlich hingegen nicht möglich.
II.
- 8
- Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts sind auf Aufklärungsfehler gestützte Ansprüche verjährt. Eine Verjährung von Ansprüchen des Klägers wegen ärztlicher Behandlungsfehler kann mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht verneint werden, da insoweit der Beginn der Verjährungsfrist nicht rechtsfehlerfrei festgestellt worden ist. Die Annahme einer länger andauernden Hemmung der Verjährung erweist sich als rechtsfehlerhaft.
- 9
- 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass gem. § 199 Abs. 1 BGB die hier maßgebliche Verjährungsfrist von drei Jahren mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Kläger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangte oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Das Berufungsgericht verkennt auch nicht, dass der Kläger seine Ansprüche auf Aufklärungsfehler und Behandlungsfehler stützt. Die Revisionserwiderung rügt, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Verjährung schon am 1. Januar 2007 zu laufen begonnen habe. Dies erweist sich bezogen auf Ansprüche, die auf Aufklärungsfehler gestützt werden, als nicht durchgreifend. Soweit das Berufungsgericht Ansprüche auf Behandlungsfehler gestützt hat, tragen die bisherigen Feststellungen die Annahme dieses Verjährungsbeginns aber nicht.
- 10
- a) Ansprüche aus Behandlungsfehlern können zu anderer Zeit verjähren als solche aus Aufklärungsversäumnissen (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2014, 1305, 1307; OLG Hamm, MedR 2010, 563, 565; OLG München, VersR 2006, 705; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., Rn. D 14 mwN, Rn. E 26; Pauge, Arzthaftungsrecht, 13. Aufl., Rn. 543 mwN). Zwischen den Ansprüchen wegen unzureichender ärztlicher Aufklärung einerseits und wegen fehlerhafter Behandlung andererseits besteht zwar eine Verknüpfung dergestalt, dass es Ziel des Schadensersatzbegehrens des Patienten ist, eine Entschädigung für die bei ihm aufgrund der Behandlung eingetretenen gesundheitlichen Nachteile zu erlangen, doch liegen den Haftungstatbeständen verschiedene voneinander abgrenzbare Pflichtverletzungen zugrunde (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 228/05, NJW-RR 2007, 414, 415). Dies kann auch zu unterschiedlichen Verjährungsfristen führen (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2007 - V ZR 25/07, NJW 2008, 506, 507; Beschluss vom 21. Oktober 2014 - XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 145; Urteil vom 24. März 2011 - III ZR 81/10, NJW-RR 2011, 842 Rn. 14).
- 11
- b) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Verjährung bezogen auf die Ansprüche aus Aufklärungsfehlern mit Beginn des Jahres 2007 begonnen hat. Es hat insoweit zutreffend angenommen, dass die Mutter des Klägers, auf deren Wissensstand als gesetzlicher Vertreterin es ankommt (vgl. Senatsurteile vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93, VersR 1995, 659, 660; vom 10. Oktober 2006 - VI ZR 74/05, VersR 2007, 66 Rn. 21, jeweils mwN), schon im Jahr 2006 die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis von den den Anspruch wegen Aufklärungsmängeln begründenden Umständen hatte (vgl. OLG Hamm, MedR 2010, 563, 566; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 823, 824; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., Rn. D 14). Dies ergibt sich insbesondere aus ihrem Gedächtnisprotokoll vom 4. August 2006. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht abweichend vom Landgericht nicht deshalb einen späteren Verjährungsbeginn angenommen hat, weil dem Kläger im Jahr 2006 eine Seite des Geburtsprotokolls noch nicht vorlag. Dabei spielt es keine Rolle, ob darin eine Aufklärung dokumentiert war, nachdem die Mutter des Klägers schon in ihrem Gedächtnisprotokoll den Vorwurf eines Aufklärungsfehlers erhoben hatte, weil eine Risikoaufklärung unterblieben und ihr keine Kaiserschnittentbindung angeboten worden sei. Denn die Verjährungsfrist beginnt dann zu laufen, wenn dem Geschädigten oder seinem Vertreter bei seinem Kenntnisstand die Erhebung einer Schadensersatzklage gegen eine bestimmte Person - sei es auch nur in Form der Feststellungsklage - zumutbar ist (Senatsurteil vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99, VersR 2001, 108, 109 mwN, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 145, 358). Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht im Streitfall insoweit eine Klageerhebung schon Ende 2006 für zumutbar gehalten hat. Dass auf der dem Kläger im Jahr 2006 noch fehlenden Seite des Geburtsprotokolls eine Aufklärung im Ansatz dokumentiert war, hatte lediglich Auswirkungen auf die Beweislage, nachdem die Mutter des Klägers eine Aufklärung bestritten hatte. Der Verjährungsbeginn setzt keineswegs voraus, dass der Geschädigte bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand hat, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Es muss dem Patienten lediglich zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm oder seinen Vertretern hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit verbleibendem Prozessrisiko (vgl. Senatsurteile vom 20. September 1983 - VI ZR 35/82, VersR 1983, 1158, 1159; vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99, VersR 2001, 108, 109, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 145, 358; vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, VersR 2010, 214 Rn. 14).
- 12
- c) Die Begründung, mit der das Berufungsgericht hinsichtlich der auf Behandlungsfehler gestützten Ansprüche von einem Verjährungsbeginn am 1. Januar 2007 ausgegangen ist, trägt seine Beurteilung hingegen nicht. Es kann nach den bisherigen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass die für den Verjährungsbeginn notwendige Kenntnis von einem Behandlungsfehler erst im Laufe des Jahres 2007 erlangt worden ist.
- 13
- aa) Hinsichtlich ärztlicher Behandlungsfehler kann die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners nicht schon dann bejaht werden, wenn dem Patienten oder dessen gesetzlichem Vertreter lediglich der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt ist. Er muss vielmehr auch auf einen ärztlichen Behandlungsfehler als Ursache dieses Misserfolges schließen können. Dazu muss er nicht nur die wesentlichen Umstände des Behandlungsverlaufs kennen, sondern auch Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für ihn als medizinischen Laien ergibt, dass der behandelnde Arzt von dem üblichen medizinischen Vorgehen abgewichen ist oder Maßnahmen nicht getroffen hat, die nach dem ärztlichen Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich waren (Senatsurteile vom 23. April 1991 - VI ZR 161/90, VersR 1991, 815, 816; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93, VersR 1995, 659, 660; vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99, VersR 2001, 108, 109, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 145, 358; vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, VersR 2010, 214 Rn. 6; jeweils mwN). Diese Kenntnis ist erst vorhanden, wenn die dem Anspruchsteller bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners und auf die Ursache dieses Verhaltens für den Schaden als naheliegend erscheinen zu lassen (Senatsurteil vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, VersR 2010, 214 Rn. 6 mwN). Allein die Vorwürfe der Mutter des Klägers im Gedächtnisprotokoll vom 4. August 2006 lassen nicht auf eine in diesem Sinne ausreichende Kenntnis eines vom Standard abweichenden ärztlichen Verhaltens schließen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 1985 - VI ZR 207/83, VersR 1985, 740, 741; Prelinger, jurisPR- MedizinR 2/2016 Anm. 5). Für die Gesundheitsschäden ihres Kindes macht sie darin allein die Schwere der Geburt aufgrund dessen Größe verantwortlich. Anhaltspunkte für einen weitergehenden Kenntnisstand sind nicht festgestellt.
- 14
- bb) Allerdings ist auch der Kenntnisstand der Rechtsanwälte, die die Mutter des Klägers mit der Ermittlung und Geltendmachung der Ansprüche beauftragt hatte, in die Prüfung miteinzubeziehen. Nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 166 Abs. 1 BGB zum so genannten Wissensvertreter entwickelt hat, muss sich derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen; dies gilt insbesondere dann, wenn der Geschädigte bzw. dessen gesetzlicher Vertreter einen Rechtsanwalt mit der Aufklärung eines Sachverhalts beauftragt hat (vgl. Senatsurteile vom 16. Mai 1989 - VI ZR 251/88, VersR 1989, 914; vom 10. Oktober 2006 - VI ZR 74/05, VersR 2007, 66 Rn. 21, jeweils mwN). Die Rechtsanwälte des Klägers haben die ärztlichen Behandlungsfehler , die der Kläger den Beklagten zur Last legt, zwar im Schreiben vom 9. August 2007 mit hinreichender Deutlichkeit angesprochen, so dass sie zu dieser Zeit die gemäß § 199 Abs. 1 BGB erforderliche Kenntnis hatten (vgl. Senatsurteil vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99, VersR 2001, 108, 109, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 145, 358). Das Berufungsgericht hat aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob sie diese Kenntnis schon im Jahr 2006 hatten oder ob sie sie ggf. bis Ende dieses Jahres ohne grobe Fahrlässigkeit hätten erlangen müssen, wobei zu beachten ist, dass sie nicht verpflichtet waren , sich im Hinblick auf einen Haftungsprozess medizinisches Fachwissen anzueignen (Senatsurteil vom 10. Oktober 2006 - VI ZR 74/05, VersR 2007, 66 Rn. 24 mwN).
- 15
- 2. Das Berufungsgericht ist im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass die Verjährung aufgrund der am 20. August 2007 angezeigten Gesprächsbereitschaft des Haftpflichtversicherers der Beklagten zu 1, der aufgrund der Gesamtumstände auch für die Beklagten zu 2 und 3 tätig wurde (vgl. OLG Düsseldorf, NVersZ 2000, 40, 41), mit Zugang des Schreibens der damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 9. August 2007 gehemmt wurde , § 203 Satz 1 BGB (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2013 - IX ZR 120/11, VersR 2014, 597 Rn. 2 mwN; NK-BGB/Budzikiewicz, 3. Aufl., § 203 Rn. 43; dies., MedR 2016, 340, 341; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearbeitung 2014, § 203 Rn. 9; zu § 852 Abs. 2 BGB aF auch Senatsurteil vom 8. Mai 2001 - VI ZR 208/00, VersR 2001, 1255, 1257). Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die Hemmung der Verjährung erst Anfang September 2008 endete.
- 16
- Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gemäß § 203 Satz 1 BGB gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Dem Abbruch der Verhandlungen durch eindeutige Erklärung steht das Einschlafenlassen der Verhandlungen gleich, bei dem die Verjährungshemmung zu dem Zeitpunkt endet, zu dem unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben mit dem nächsten Verhandlungsschritt zu rechnen gewesen wäre (BT-Drucks. 14/6040, S. 112; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - VII ZR 285/12, VersR 2015, 637 Rn. 16; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearbeitung 2014, § 203 Rn. 13).
- 17
- a) Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht die Aussage des Haftpflichtversicherers der Beklagten zu 1 vom 26. Oktober 2007 nicht als eindeutige Weigerung zur Fortsetzung der Verhandlungen gewertet hat.
- 18
- aa) Dem Berufungsgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass für die Annahme , Verhandlungen seien beendet, ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. OLG Schleswig, BeckRS 2012, 09788 [sub. 5]; BeckOK/Spindler, BGB, § 203 Rn. 7 [Stand: 1. Mai 2016]; Mankowski/Höpker, MDR 2004, 721, 726; NKBGB /Budzikiewicz, 3. Aufl., § 203 Rn. 44). Ein solcher Abbruch von Verhandlungen muss - abgesehen von dem Fall des "Einschlafenlassens" der Verhandlungen - wegen seiner Bedeutung für die Durchsetzbarkeit der geltend gemachten Ansprüche durch klares und eindeutiges Verhalten zum Ausdruck gebracht werden (BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - I ZR 82/07, GRUR 2009, 1186 Rn. 30; zum insoweit sachlich entsprechenden, bis zum 31. Dezember 2001 geltenden § 852 Abs. 2 BGB Senatsurteile vom 19. Februar 1991 - VI ZR 165/90, VersR 1991, 475; vom 30. Juni 1998 - VI ZR 260/97, VersR 1998, 1295; vom 1. März 2005 - VI ZR 101/04, VersR 2005, 699, 701). Für die Beendigung von Verhandlungen genügt daher nicht schon, dass der Ersatzpflichtige (derzeit) seine Einstandspflicht verneint, wenn er nicht zugleich klar und eindeutig den Abbruch der Verhandlungen zum Ausdruck bringt (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 1998 - VI ZR 260/97, VersR 1998, 1295).
- 19
- bb) Auch unter Berücksichtigung dieser strengen Maßstäbe ist die Mitteilung des Haftpflichtversicherers der Beklagten zu 1 vom 26. Oktober 2007, eine Haftung sei dem Grunde nach abzulehnen, er bedauere es, keine bessere Mitteilung machen zu können und berufe sich zusätzlich auf Verjährung, als Weigerung anzusehen, Verhandlungen fortzuführen.
- 20
- Das Berufungsgericht hat seine Ansicht, der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1 habe nicht klar herausgestellt, jede weitere Verhandlung zu verweigern, darauf gestützt, dass er seine Beurteilung relativierend auf eine Auswertung der ihm vorliegenden Unterlagen gegründet habe. Die Auslegung dieser Erklärung durch das Berufungsgericht weist revisionsrechtlich beachtli- che Rechtsfehler auf und bindet den Senat daher nicht (vgl. BGH, Urteile vom 25. März 2015 - VIII ZR 125/14, NJW 2015, 2584 Rn. 33; vom 27. Januar 2010 - VIII ZR 58/09, NJW 2010, 2422 Rn. 31, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 184, 128; vgl. auch Senatsurteil vom 22. November 1988 - VI ZR 20/88, VersR 1989, 138, 139). Für die Auslegung ist ausgehend vom Wortlaut der Erklärung auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen. Daneben hat der Tatrichter den mit der Erklärung verfolgten Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der Erklärung erhellen können (BGH, Urteile vom 27. April 2016 - VIII ZR 61/15, NJWRR 2016, 910 Rn. 27; vom 27. Januar 2010 - VIII ZR 58/09, NJW 2010, 2422 Rn. 33, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 184, 128). Diesen Maßstäben wird das Berufungsurteil nicht gerecht. Bei Beachtung des mit dieser Aussage verfolgten Zwecks, der Interessenlage und der Begleitumstände relativiert die Bezugnahme auf die dem Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 1 vorliegenden Unterlagen die Ablehnung einer Haftung nicht, sondern begründet sie. Denn ein objektiver Erklärungsempfänger muss die Bezugnahme so verstehen, dass der Haftpflichtversicherer, der im Schreiben vom 20. August 2007 angekündigt hatte , über die Haftungs- und Deckungsfrage nach Einsicht in die Behandlungsunterlagen und Einholung ärztlicher Stellungnahmen zu entscheiden, gerade aufgrund der ihm vorliegenden Behandlungsunterlagen und ärztlichen Stellungnahmen den rechtlichen Standpunkt des Klägers nicht teilt. Dass er diese Haltung im Hinblick auf eine eventuelle Unvollständigkeit der Behandlungsunterlagen in irgendeiner Form zur Disposition gestellt haben könnte, ist dem Ablehnungsschreiben entgegen dem Berufungsgericht nicht zu entnehmen. Mit der abschließenden Wendung, es zu bedauern, keine günstigere Mitteilung machen zu können, brachte der Haftpflichtversicherer mit der erforderlichen Deutlichkeit den Abbruch der Verhandlungen zum Ausdruck, ohne beim Kläger den Eindruck zu erwecken, an einer gütlichen Einigung interessiert zu sein.
- 21
- Der erstmals in der Revisionserwiderung gehaltene Vortrag des Klägers, die Angelegenheit sei für den Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1 nach dem Schreiben vom 26. Oktober 2007 nicht erledigt gewesen, weil er seine interne Prüfung fortgesetzt habe, ist revisionsrechtlich unbeachtlich. Er ist im Übrigen auch nicht erheblich. Denn die Verjährungshemmung wegen schwebender Verhandlungen setzt die berechtigte Annahme des Gläubigers voraus, dass die Verhandlungen nicht beendet sind. Intern gebliebene Vorgänge auf Seiten des Schuldners vermögen eine solche Erwartung beim Gläubiger aber naturgemäß nicht zu begründen.
- 22
- Damit endete die Verjährungshemmung mit Zugang dieses Schreibens bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers. Der Ablauf der Verjährungsfrist war weniger als drei Monate gehemmt, so dass die Verjährung für die geltend gemachten Ansprüche wegen Aufklärungsfehlern, für die die Verjährungsfrist am 1. Januar 2007 zu laufen begonnen hatte, vor Eingang der Klage am 29. Oktober 2010 vollendet gewesen ist.
- 23
- b) Selbst wenn die Beklagten die Fortsetzung von Verhandlungen nicht ausdrücklich abgelehnt hätten, hätten sie die Verhandlungen nach dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 13. November 2007 einschlafen lassen. Daran vermag der erstmals in der Revisionserwiderung gehaltene Vortrag des Klägers, die Beklagten hätten die Verhandlungen "intern nach Kräften vorangetrieben", nichts zu ändern, da - wie bereits ausgeführt - intern gebliebene Vorgänge gerade kein Verhandeln im Sinne des § 203 BGB darstellen. Die Verjährungshemmung hätte, wovon das Berufungsgericht insofern selbst ausgeht, auch in diesem Fall spätestens zum folgenden Jahreswechsel geendet, ohne dass die Verhandlungen danach wieder aufgenommen worden wären.
- 24
- Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Einschlafen von Verhandlungen verkannt hat. Das Berufungsgericht geht unzutreffend davon aus, Verhandlungen könnten nur dann einschlafen, wenn der Gläubiger den Zeitpunkt versäumt, zu dem er spätestens auf eine Äußerung des Schuldners hätte antworten müssen, umgekehrt jedoch nicht der Schuldner. Dagegen spricht bereits der Wortlaut des § 203 Satz 1 BGB, der auf die Verweigerung der Fortsetzung der Verhandlungen durch den einen oder anderen Teil abstellt.
- 25
- Zwar haben der erkennende Senat wie auch andere Senate des Bundesgerichtshofs mehrfach formuliert, dass es für eine Beendigung der Hemmung ausreiche, wenn der Ersatzberechtigte die Verhandlungen einschlafen lasse (zu § 852 Abs. 2 BGB aF Senatsurteile vom 6. März 1990 - VI ZR 44/89, VersR 1990, 755, 756; vom 5. November 2002 - VI ZR 416/01, BGHZ 152, 298, 303; vom 1. März 2005 - VI ZR 101/04, VersR 2005, 699, 700; zu § 203 Satz 1 BGB nF BGH, Urteil vom 6. November 2008 - IX ZR 158/07, VersR 2009, 945 Rn. 10). Dort ging es indessen stets darum, dass der Gläubiger auf eine Äußerung des Schuldners nicht zeitnah reagiert hatte. Ein Einschlafenlassen durch den Schuldner sollte mit diesen Formulierungen aber nicht ausgeschlossen werden. Der Bundesgerichtshof hat dementsprechend in keinem Fall ein Einschlafenlassen der Verhandlungen mit dem Argument abgelehnt, dass dies durch eine fehlende Reaktion des Schuldners nicht möglich sei. Vielmehr hat er in solchen Fällen wiederholt ein Ende der Hemmungswirkung bejaht (vgl. BGH, Urteile vom 30. Oktober 2007 - X ZR 101/06, VersR 2008, 1122 Rn. 24; vom 18. Juni 2009 - VII ZR 167/08, VersR 2010, 394 Rn. 25; vom 14. Juli 2011 - III ZR 196/10, juris Rn. 13, 15; vom 30. April 2015 - IX ZR 1/13, NJW-RR 2015, 1321 Rn. 9; zu § 852 Abs. 2 BGB aF Senatsurteil vom 5. November 2002 - VI ZR 416/01, BGHZ 152, 298, 303). Im Übrigen ist auch in der Instanzrechtsprechung und der Literatur anerkannt, dass Verhandlungen unabhängig davon einschlafen können, ob der Gläubiger oder der Schuldner weitere Verhandlungsschritte unterlassen hat (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 23. Oktober 2008 - 9 U 19/08, juris Rn. 51 ff.; OLG Frankfurt, MDR 2014, 75, 76; OLG Köln, r+s 2015, 371, 372; OLG Hamm, BauR 2015, 1676, 1679; OLG Koblenz, Urteil vom 16. März 2016 - 10 U 557/15, juris Rn. 79 f.; Burmann/Heß in Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 3 A Rn. 109 [Stand: April 2009]; Gehrlein , BB 2015, 2114, 2126; Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 21 Rn. 57; Hk-BGB/Dörner, 8. Aufl., § 203 Rn. 3 a.E.; MünchKommBGB /Grothe, 7. Aufl., § 203 Rn. 8; NK-BGB/Budzikiewicz, 3. Aufl., § 203 Rn. 46; dies., MedR 2016, 340, 342; PWW/Deppenkemper, BGB, 11. Aufl., § 203 Rn. 4; Schmidt-Räntsch, ZfIR 2012, 217, 218; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearbeitung 2014, § 203 Rn. 13; Symosek, NJW 2016, 1142, 1143; Winkler, BB 2009, 410; aA OLG Koblenz, NJW 2006, 3150, 3152).
- 26
- Auch der Gesetzgeber ging nicht davon aus, dass eine Verweigerung des Schuldners nur im Fall einer ausdrücklichen Ablehnung der Fortsetzung der Verhandlungen vorliegen könne. Der Bundesrat hat im Gesetzgebungsverfahren sogar vorgeschlagen, § 203 BGB um die Formulierung zu ergänzen, dass die Hemmung der Verjährung sechs Monate nach der letzten, im Rahmen der Verhandlungen zwischen dem Schuldner und Gläubiger abgegebenen Erklärung endet, wenn die Verhandlungen dadurch in Stillstand geraten, dass sie von keiner Seite weiter betrieben werden (BT-Drucks. 14/6857, S. 7). Dass diese Wendung keine Aufnahme in den Gesetzestext fand, lag bezogen auf das Nichtbetreiben durch den Schuldner nicht an inhaltlichen Gründen, sondern daran , dass die Verjährungsfrist beim Einschlafen von Verhandlungen - so die Gegenäußerung der Bundesregierung zu diesem Vorschlag - ohnehin nicht auf unbestimmte Zeit gehemmt sei, weil für die Auslegung des § 203 BGB auf die Rechtsprechung zu § 852 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden könne, in der diese Frage bereits geklärt sei. Dies trage dem Anliegen des Bundesrates bes- ser Rechnung als die Bestimmung einer festen Frist (BT-Drucks, 14/6857, S. 43).
III.
- 27
- Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die erforderlichen Feststellungen betreffend den Beginn der Verjährung von Ansprüchen, die auf ärztliche Behandlungsfehler gestützt werden, nachholen kann. Galke Wellner von Pentz Oehler Klein
LG Koblenz, Entscheidung vom 11.03.2015 - 10 O 103/10 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 23.09.2015 - 5 U 403/15 -
(1) Die Verjährung wird gehemmt durch
- 1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils, - 1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage, - 2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, - 3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1), - 4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer - a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder - b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
- 5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess, - 6.
die Zustellung der Streitverkündung, - 6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird, - 7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, - 8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens, - 9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird, - 10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren, - 10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist, - 11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens, - 12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt, - 13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und - 14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.
(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.
(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.
(1) Eine Partei, die für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt, kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits dem Dritten gerichtlich den Streit verkünden.
(2) Das Gericht und ein vom Gericht ernannter Sachverständiger sind nicht Dritter im Sinne dieser Vorschrift. § 73 Satz 2 ist nicht anzuwenden.
(3) Der Dritte ist zu einer weiteren Streitverkündung berechtigt.
Zum Zwecke der Streitverkündung hat die Partei einen Schriftsatz einzureichen, in dem der Grund der Streitverkündung und die Lage des Rechtsstreits anzugeben ist. Der Schriftsatz ist dem Dritten zuzustellen und dem Gegner des Streitverkünders in Abschrift mitzuteilen. Die Streitverkündung wird erst mit der Zustellung an den Dritten wirksam.
(1) Die Verjährung wird gehemmt durch
- 1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils, - 1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage, - 2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, - 3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1), - 4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer - a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder - b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
- 5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess, - 6.
die Zustellung der Streitverkündung, - 6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird, - 7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, - 8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens, - 9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird, - 10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren, - 10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist, - 11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens, - 12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt, - 13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und - 14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.
(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.
(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
(1) Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiege, kann dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten.
(2) Die Nebenintervention kann in jeder Lage des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung, auch in Verbindung mit der Einlegung eines Rechtsmittels, erfolgen.
Der Nebenintervenient wird im Verhältnis zu der Hauptpartei mit der Behauptung nicht gehört, dass der Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen habe, unrichtig entschieden sei; er wird mit der Behauptung, dass die Hauptpartei den Rechtsstreit mangelhaft geführt habe, nur insoweit gehört, als er durch die Lage des Rechtsstreits zur Zeit seines Beitritts oder durch Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei verhindert worden ist, Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend zu machen, oder als Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die ihm unbekannt waren, von der Hauptpartei absichtlich oder durch grobes Verschulden nicht geltend gemacht sind.
(1) Wenn der Dritte dem Streitverkünder beitritt, so bestimmt sich sein Verhältnis zu den Parteien nach den Grundsätzen über die Nebenintervention.
(2) Lehnt der Dritte den Beitritt ab oder erklärt er sich nicht, so wird der Rechtsstreit ohne Rücksicht auf ihn fortgesetzt.
(3) In allen Fällen dieses Paragraphen sind gegen den Dritten die Vorschriften des § 68 mit der Abweichung anzuwenden, dass statt der Zeit des Beitritts die Zeit entscheidet, zu welcher der Beitritt infolge der Streitverkündung möglich war.
Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.
(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.
(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.
Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.
Der Nebenintervenient wird im Verhältnis zu der Hauptpartei mit der Behauptung nicht gehört, dass der Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen habe, unrichtig entschieden sei; er wird mit der Behauptung, dass die Hauptpartei den Rechtsstreit mangelhaft geführt habe, nur insoweit gehört, als er durch die Lage des Rechtsstreits zur Zeit seines Beitritts oder durch Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei verhindert worden ist, Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend zu machen, oder als Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die ihm unbekannt waren, von der Hauptpartei absichtlich oder durch grobes Verschulden nicht geltend gemacht sind.
Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.
(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.
(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
Mit dem Hauptanspruch verjährt der Anspruch auf die von ihm abhängenden Nebenleistungen, auch wenn die für diesen Anspruch geltende besondere Verjährung noch nicht eingetreten ist.