Datenschutz und Patientenrechte im Fokus - EuGH-Urteil zu unentgeltlichen Kopien von Patientenakten
Die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rechtssache C-307/22 wirft ein weitreichendes Schlaglicht auf die komplexen Zusammenhänge von Datenschutz und Patientenrechten im Kontext des Zugangs zu Patientenakten. Das Urteil beleuchtet die Frage, inwieweit Patienten berechtigt sind, unentgeltliche Kopien ihrer medizinischen Unterlagen zu erhalten, und wirft gleichzeitig einen Blick auf die Auslegung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in diesem Kontext.
Dirk Streifler - Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin
Kostenfreie Kopien und Datenschutzgrundverordnung
Im Zentrum dieses Rechtsstreits steht ein Patient, der von seiner Zahnärztin eine Kopie seiner Patientenakte anfordert, um potenzielle Haftungsansprüche aufgrund vermuteter Fehler in der zahnärztlichen Behandlung geltend zu machen. Die Zahnärztin wiederum argumentiert gemäß deutschem Recht und verlangt, dass der Patient die Kosten für die Zurverfügungstellung der Kopie übernimmt. Das EuGH-Urteil hebt hervor, dass Patienten im Allgemeinen das Recht auf eine erste Kopie ihrer Patientenakte ohne Kosten haben. Eine Gebühr kann nur dann erhoben werden, wenn der Patient bereits eine kostenlose Kopie erhalten hat und erneut eine Anfrage stellt. Die Verantwortung zur unentgeltlichen Bereitstellung liegt beim Datenverarbeiter, in diesem Fall bei der Zahnärztin, und der Patient muss seinen Antrag nicht begründen.
Darüber hinaus betont das Urteil, dass der Patient das Recht auf eine vollständige Kopie seiner Akte hat, wenn dies für das Verständnis der enthaltenen personenbezogenen Daten erforderlich ist. Dies schließt Informationen wie Diagnosen, Untersuchungsergebnisse und Behandlungsangaben ein.
Recht auf Einsicht und Kostenübernahme
Ein weiterer bedeutender Aspekt befasst sich mit der Frage, ob die Einsichtnahme in die Patientenakte kostenlos sein sollte. Die gesetzlichen Regelungen gemäß §§ 630f, 630g BGB in Deutschland gewähren Patienten das Recht auf kostenlose Einsicht in ihre Patientenakte.
Der Bundesgerichtshof (BGH) legte diese Frage dem EuGH vor, der entschied, dass die erste Kopie der Patientenakte kostenlos sein sollte, selbst wenn der Antrag des Patienten datenschutzfremde Zwecke verfolgt, wie die Überprüfung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen.
Datenschutz und Schadensersatzansprüche
Das EuGH-Urteil hebt die Bedeutung des Datenschutzes auch bei Anträgen mit datenschutzfremden Zwecken hervor. Patienten haben das Recht auf kostenlose Kopien, auch wenn sie beabsichtigen, Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche zu prüfen und geltend zu machen. Die umfassende Kopie der Dokumente in der Patientenakte, einschließlich Diagnosen und Behandlungsangaben, ist erlaubt, um das Verständnis der enthaltenen personenbezogenen Daten zu gewährleisten.
Fazit: Implikationen für die Praxis und die Bedeutung des Datenschutzes
Die Auswirkungen des EuGH-Urteils auf die Praxis im Gesundheitswesen sind nicht zu unterschätzen. Es unterstreicht nicht nur die Bedeutung des Datenschutzes, sondern auch die Notwendigkeit Patienten einen umfassenden Zugang zu ihren medizinischen Unterlagen zu gewähren. Dieses Urteil schützt die Rechte der Patienten, indem es klarstellt, dass die erste Kopie der Patientenakte kostenlos sein sollte. Medizinische Fachkräfte und Einrichtungen sind verpflichtet, diesen Zugang zu gewähren und dürfen keine Kosten für die erste Kopie erheben, es sei denn, es liegt eine vorherige kostenfreie Anfrage vor.
Die Klärung dieser rechtlichen Fragen trägt dazu bei, einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz der Patientenrechte und den Interessen der Behandelnden zu schaffen. In diesem Spannungsfeld wird deutlich, dass Datenschutz und Transparenz im Gesundheitswesen Hand in Hand gehen müssen, um das Vertrauen der Patienten zu stärken und gleichzeitig eine rechtmäßige und effektive medizinische Versorgung zu gewährleisten. Das EuGH-Urteil setzt somit einen Meilenstein für die Datenschutzpraxis im Gesundheitssektor und eröffnet eine wichtige Diskussion über die Ausgestaltung von Datenschutzrichtlinien im Kontext von Patientenrechten.
Haben Sie noch Fragen zu diesem Thema? Dann nahmen Sie Kontakt zu Streifler&Kollegen auf und lassen Sie sich fachkundig beraten.
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(1) Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen.
(2) Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen.
(3) Der Behandelnde hat die Patientenakte für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen.
(1) Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Die Ablehnung der Einsichtnahme ist zu begründen. § 811 ist entsprechend anzuwenden.
(2) Der Patient kann auch elektronische Abschriften von der Patientenakte verlangen. Er hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten.
(3) Im Fall des Todes des Patienten stehen die Rechte aus den Absätzen 1 und 2 zur Wahrnehmung der vermögensrechtlichen Interessen seinen Erben zu. Gleiches gilt für die nächsten Angehörigen des Patienten, soweit sie immaterielle Interessen geltend machen. Die Rechte sind ausgeschlossen, soweit der Einsichtnahme der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Patienten entgegensteht.