Wirtschaftsstrafrecht: Zu den Voraussetzungen einer wettbewerbsbeschränkenden Absprache bei Ausschreibungen
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Das LG hat den Angeklagten wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen in zwei Fällen zu der Gesamtgeldstrafe von 240 Tagessätzen verurteilt. Dagegen wendet er sich mit Verfahrensrügen und der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge lediglich in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist es unbegründet i.S. von § 349 II StPO.
Der Erörterung bedarf nur folgendes:
Ohne Rechtsfehler hat das LG den Tatbestand der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen nach § 298 I StGB als erfüllt angesehen. § 298 I StGB erfaßt nicht nur Vergabeverfahren der öffentlichen Hand, sondern jedenfalls dann auch Ausschreibungen durch private Veranstalter, wenn das Vergabeverfahren in Anlehnung an die Bestimmungen der VOB/A ausgestaltet ist. Das war nach den Feststellungen hier der Fall. Die G. GmbH hatte im Auftrag es Bauherrn Leistungsverzeichnisse erstellt und diese i.S. einer beschränkten Ausschreibung an ausgewählte Unternehmen übersandt, die sie für geeignet und leistungsfähig hielt. Die Firmen wurden aufgefordert, eine Kalkulation durchzuführen und rechtzeitig zum Submissionstermin am 7. 11. 1997 um 11.00 Uhr ein Angebot für die Ausführung von Bodenbelagsarbeiten abzugeben. Danach richtete sich das Vergabeverfahren nach wesentlichen Vorschriften der VOB/A, nämlich § 2 Nr. 1, § 3 Nr. 1, § 6 Nr. 1, §§ 9, 10, 18, 22 VOB/A. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die G. GmbH die Abgabefrist kurzfristig verlängerte. Dieser Verlängerung der Frist kann nicht entnommen werden, dass die Veranstalterin vom Ausschreibungsverfahren insgesamt Abstand nehmen und nunmehr zur freihändigen Vergabe übergehen wollte. Entgegen der Ansicht der Revision hat der Angeklagte die beiden Angebote im Rahmen dieses Vergabeverfahrens abgegeben. Dazu reichte deren Zugang bei der G. GmbH aus. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Angebote des Angeklagten dort erst nach dem vorgesehenen Submissionstermin und Beginn der Eröffnung (UA S. 16) und damit verspätet i.S. von § 22 Nr. 2 VOB/A eingingen. Das hat nach § 25 Nr. 1 Abs. 1a VOB/A zwar den Ausschluß es Angebotes zur Folge, ändert aber nichts an der Abgabe als solcher. Auch die Abgabe eines verspäteten Angebotes reicht zur Vollendung des Tatbestands von § 298 I StGB aus. Ein Angebot wird nicht dadurch unbeachtlich, dass es gem. § 25 Nr. 1 VOB/A der Ausschließung unterliegt. Ansonsten liefe die Vorschrift des § 298 I StGB in einem wesentlichen Bereich leer, da nach § 25 Nr. 1 Abs. 1c VOB/A jedes Angebot, das auf einer wettbewerbswidrigen Preisabsprache beruht, auszuschließen ist.
Die Aufspaltung des Geschehens in zwei selbständige Vergehen nach § 298 I StGB begegnet demgegenüber durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Abgabe der beiden Angebote durch den Angeklagten erscheint bei natürlicher Betrachtungsweise als eine Tat. Sein Handeln zielte darauf ab, auf Grund der vorgenommenen Absprachen und der Teilnahme an den Ausschreibungen den Auftrag für die Ausführung der Bodenbelagsarbeiten zu erhalten. Dabei war allen Beteiligten bewußt, dass die Arbeiten nur einmal, entweder als Naturstein- oder Fließenbelag, auf Grund des einheitlich gewählten Submissionstermins zu vergeben und auszuführen waren. Bei dieser Sachlage stellt sich die Vorgehensweise des Angeklagten angesichts des unmittelbaren Zusammenhangs der beiden Ausschreibungen und der nahezu zeitgleichen Angebotsabgabe (UA S. 17) als einheitliches Tun i.S. einer natürlichen Handlungseinheit dar. Das ergibt sich auch aus dem Charakter des § 298 I StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt. Die Gefahr, dass hier die Vergabe des Auftrages auf Grund wettbewerbswidriger Absprachen erfolgte, bestand nur einmal.
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, das der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs führt zwar zum Wegfall der beiden Einzelstrafen, sie berührt den Schuldumfang jedoch nicht. Die bisherige Gesamtgeldstrafe kann daher als neue Einzelstrafe bestehen bleiben.
Rechtsanwalt
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BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen in zwei Fällen zu der Gesamtgeldstrafe von 240 Tagessätzen verurteilt. Dagegen wendet er sich mit Verfahrensrügen und der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge lediglich in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf nur folgendes: Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den Tatbestand der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen nach § 298 Abs. 1 StGB als erfüllt angesehen. § 298 Abs. 1 StGB erfaßt nicht nur Vergabeverfah-
ren der öffentlichen Hand, sondern jedenfalls dann auch Ausschreibungen durch private Veranstalter, wenn das Vergabeverfahren in Anlehnung an die Bestimmungen der VOB/A ausgestaltet ist (vgl. BTDrucks. 13/5584 S. 14; Tiedemann in LK 11. Auf. § 298 Rdn. 22; Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 298 Rdn. 2). Das war nach den Feststellungen hier der Fall. Die G. GmbH hatte im Auftrag es Bauherrn Leistungsverzeichnisse erstellt und diese im Sinne einer beschränkten Ausschreibung an ausgewählte Unternehmen übersandt, die sie für geeignet und leistungsfähig hielt. Die Firmen wurden aufgefordert, eine Kalkulation durchzuführen und rechtzeitig zum Submissionstermin am 7. November 1997 um 11.00 Uhr ein Angebot für die Ausführung von Bodenbelagsarbeiten abzugeben. Danach richtete sich das Vergabeverfahren nach wesentlichen Vorschriften der VOB/A, nämlich § 2 Nr. 1, § 3 Nr. 1, § 6 Nr. 1, §§ 9, 10, 18, 22 VOB/A. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die G. GmbH die Abgabefrist kurzfristig verlängerte. Dieser Verlängerung der Frist kann nicht entnommen werden, daß die Veranstalterin vom Ausschreibungsverfahren insgesamt Abstand nehmen und nunmehr zur freihändigen Vergabe übergehen wollte. Entgegen der Ansicht der Revision hat der Angeklagte die beiden Angebote im Rahmen dieses Vergabeverfahrens abgegeben. Dazu reichte deren Zugang bei der G. GmbH aus (vgl. nur Tiedemann aaO Rdn. 31). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß die Angebote des Angeklagten dort erst nach dem vorgesehenen Submissionstermin und Beginn der Eröffnung (UA S. 16) und damit verspätet im Sinne von § 22 Nr. 2 VOB/A eingingen. Das hat nach § 25 Nr. 1 Abs. 1a VOB/A zwar den Ausschluß es Angebotes zur Folge, ändert aber nichts an der Abgabe als solcher. Auch die Abgabe eines verspäteten Angebotes reicht zur Vollendung des Tatbestands von § 298 Abs. 1 StGB aus (vgl. Tiedemann aaO Rdn. 32; Greeve NStZ 2002, 505, 509 f.; dieselbe ZVgR 1998, 463, 467). Ein Angebot
wird nicht dadurch unbeachtlich, daß es gemäß § 25 Nr. 1 VOB/A der Ausschließung unterliegt. Ansonsten liefe die Vorschrift des § 298 Abs. 1 StGB in einem wesentlichen Bereich leer, da nach § 25 Nr. 1 Abs. 1c VOB/A jedes Angebot , das auf einer wettbewerbswidrigen Preisabsprache beruht, auszuschließen ist. Die Aufspaltung des Geschehens in zwei selbständige Vergehen nach § 298 Abs. 1 StGB begegnet demgegenüber durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Abgabe der beiden Angebote durch den Angeklagten erscheint bei natürlicher Betrachtungsweise als eine Tat. Sein Handeln zielte darauf ab, aufgrund der vorgenommenen Absprachen und der Teilnahme an den Ausschreibungen den Auftrag für die Ausführung der Bodenbelagsarbeiten zu erhalten. Dabei war allen Beteiligten bewußt, daß die Arbeiten nur einmal, entweder als Naturstein- oder Fließenbelag, aufgrund des einheitlich gewählten Submissionstermins zu vergeben und auszuführen waren. Bei dieser Sachlage stellt sich die Vorgehensweise des Angeklagten angesichts des unmittelbaren Zusammenhangs der beiden Ausschreibungen und der nahezu zeitgleichen Angebotsabgabe (UA S. 17) als einheitliches Tun im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit dar (vgl. nur BGHSt 41, 368 m. Nachw.; Lackner/Kühl; aaO; vor § 52 StGB Rdn. 5). Das ergibt sich auch aus dem Charakter des § 298 Abs. 1 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt. Die Gefahr, daß hier die Vergabe des Auftrages aufgrund wettbewerbswidriger Absprachen erfolgte, bestand nur einmal.
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sch der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs führt zwar zum Wegfall der beiden Einzelstrafen, sie berührt den Schuldumfang jedoch nicht. Die bisherige Gesamtgeldstrafe kann daher als neue Einzelstrafe bestehen bleiben (vgl. BGH, Beschluß vom 16. Oktober 2001 - 4 StR 415/01; BGH NStZ 2000,
25).
Nack Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.