Grundstückseinfahrt oder Straßenmündung – wer haftet bei Verkehrsunfall?

published on 19/04/2018 16:58
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Rechtsanwalt

Holger Bernd
Fachanwalt für
Bank- und Kapitalmarktrecht
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DE

Author’s summary by Holger Bernd

Unklar gestaltete Verkehrsflächen: Bei Unfall können beide Teilnehmer haftbar gemacht werden, wenn höchste Sorgfalt nicht gewahrt wurde.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm beschäftigt sich im Urteilvom 5.12.2017 (Az.: 9 U 51/17) mit der Frage, inwieweit Verkehrsteilnehmer, die an einem Verkehrsunfall beteiligt sind, haftbar gemacht werden können, wenn der Unfall sich in unklar gestalteten Verkehrsflächen ereignet.

Schaden von 13.000 Euro durch Verkehrsunfall: Welcher Teilnehmer haftet?

Im Streitfall hatte sich der Unfall in einer unklar gestalteten Verkehrsfläche ergeben, bei der eine Grundstückseinfahrt wie eine Straßenmündung wirkte. Der Kläger hatte in seinem PKW einen Parkplatz verlassen, und passierte dabei die, wie eine Straßenkreuzung ausgestaltete, nicht beschilderte rechtsseitige Zufahrt zum Parkplatz einer Turnhalle. Die Beklagte verließ zum selben Zeitpunkt die Einmündung des Parkplatzes der Turnhalle auf genannter Zufahrt. Dabei hielt sie sich korrekterweise an die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ und sah sich dadurch selbst als vorfahrtsberechtigt. Der Kläger nahm die Zufahrt zum Turnhallenparkplatz als eine Grundstückseinfahrt wahr und ging somit seinerseits davon aus, dass er gegenüber des herannahenden Fahrzeuges der Beklagten vorfahrtsberechtigt sei. Die beiden Fahrzeuge stießen in der Einmündung zusammen, da keiner der beiden dem jeweils anderen Verkehrsteilnehmer den Vorrang einräumte. Dem Kläger war durch den Unfall ein Schaden von 13.000 Euro entstanden.

Einmündung zu Parkplatz erscheint wie Kreuzung: Beide Teilnehmer sind bei Verkehrsunfall schuldig

In erster Instanz war die Klage zu 2/3 erfolgreich: Das Landgericht Dortmund hatte dem Kläger mit dem Urteil vom 8.3.2017 (Az.: 21 O 361/16) einen Schadensersatz in Höhe von ca. 8.600 Euro zugesprochen. Die Beklagte ging erfolglos in Berufung: In der Pressemitteilung vom 5.2.2018 ließ das OLG Hamm bekannt geben, dass das angefochtene Urteil des Landgerichts Dortmund Bestand habe – beide Verkehrsteilnehmer seien haftbar zu machen. Die Beklagte sei, so der Senat „aus einem Grundstück auf eine öffentliche Straße gefahren. … Dem klägerischen Fahrzeug gegenüber sei sie daher wartepflichtig gewesen“. Die „besonderen Umstände des vorliegenden Falls“ begründeten jedoch „eine Mithaftung des Klägers“. Zur Begründung gaben die Richter an: „Obgleich der Verstoß gegen § 10 StVO im Regelfall zur alleinigen Haftung des sich regelwidrig verhaltenden Fahrers führe“ habe der vorfahrtsberechtigte Kläger „aufgrund der örtlichen Gegebenheiten, die den Einmündungsbereich wie eine Kreuzung erschienen ließen … damit rechnen müssen, dass sein Vorfahrtsrecht von der Beklagten … nicht erkannt werde“. Der Kläger habe „seine Fahrweise auf eine mögliche Missachtung des Vorfahrtsrechts ausrichten und durch die Aufnahme von Blickkontakt zu der sich nähernden, wartepflichtigen Beklagten absichern müssen“. Dass dies im vorliegende Fall nicht geschehen sei, „rechtfertige den mit einem Drittel zu bewertende Mitverursachungsanteil des Klägers am Unfallgeschehen“.

Fazit: Bei unklar gestalteten Verkehrsflächen ist höchste Sorgfalt beider Teilnehmer geboten

Unklar gestaltete Verkehrsflächen sind in Hinblick auf die Haftbarkeit der bei einem Verkehrsunfall betroffenen Verkehrsteilnehmer besonders tückisch: Keiner der beiden Verkehrsteilnehmer kann sich zu 100% auf das eigene Vorfahrtsrecht berufen. Das eigene Mitverschulden kann somit auch bei eigentlichem Vorfahrtsrecht nicht immer ausgeschlossen werden – womit eine mögliche Haftung für den entstandenen Schaden anteilig auch zulasten desjenigen gehen kann, der grundsätzlich vorfahrtsberechtigt gewesen wäre.

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Das Amtsgericht Hannover hat zugunsten des Klägers, der Parknotruf GmbH, entschieden, dass der Beklagte Ersatz der Abschleppkosten infolge einer Leerfahrt des Abschleppunternehmers zahlen muss. Das Fahrzeug des Beklagten befand sich auf einem Privatparkplatz, als sich selbiger für nicht unerhebliche Zeit entfernte. Das Gericht stellte fest, dass es Aufgabe des Beklagten ist, sein Fahrzeug vom Privatparkplatz zu entfernen und eine entsprechende Störung zu beseitigen. Die Erteilung und Durchführung des Abschleppauftrages, war somit zur Beseitigung der Störung notwendige Maßnahme, welche selbstverständlich dem Kläger zu erstatten ist. Ferne betonte es zurecht, dass die Störung des Privatparkplatzes durch das unberechtigte Parken sofort ausgelöst wurde der Kläger nicht zur Einhaltung einer Wartezeit verpflichtet ist.
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Wer aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone (Zeichen 242.1 und 242.2), aus einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325.1 und 325.2) auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen. Die Absicht einzufahren oder anzufahren ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Dort, wo eine Klarstellung notwendig ist, kann Zeichen 205 stehen.