Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 31. Mai 2010 - 2 S 2423/08
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20. Juni 2008 - 4 K 1144/07 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.
(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.
(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.
(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.
(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.
(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.
Öffentliche Auftraggeber sind
- 1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen, - 2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern - a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden, - b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder - c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
- 3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen, - 4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Beschwerdewert wird auf 75.000,-- DM festgesetzt.
Gründe:
I. Zusammen mit der Gesellschaft für A. des Freistaats Thüringen mbH (nachfolgend: GFAW), deren Geschäftsanteile zu 100 % vom Antragsgegner gehalten werden, ist die Antragstellerin u.a. bei der Programm- und Projektentwicklung , der Antragsberatung und -bearbeitung sowie der EU-Begleitung (nachfolgend: Technische Hilfe) von aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds geförderten Maßnahmen der Berufsvorbereitung und Fortbildung für den Antragsgegner , den Freistaat Thüringen, tätig. Dieser Auftrag läuft im August 2001 aus.
Der Antragsgegner will die Durchführung der Technischen Hilfe künftig nicht mehr an außenstehende Unternehmen vergeben. Mit Bescheid vom 14. Dezember 2000 belieh er die GFAW mit hoheitlichen Befugnissen zur Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben im eigenen Namen in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts auf dem Gebiet der Zuwendungsverfahren , die in einer Anlage im einzelnen aufgeführte arbeitsmarkt- und berufsbildungspolitische Förderungsrichtlinien und Programme/Projekte des Antragsgegners und der Europäischen Union betreffen. In dieser Anlage ist auch die "Richtlinie für die Gewährung von Zuschüssen des Freistaats Thüringen und der Europäischen Union zur Förderung der Berufsvorbereitung und Fortbildung" im Rahmen des operationellen Programms des Freistaats Thüringen für den Europäischen Sozialfonds (Förderjahre 2001 bis 2006) aufgeführt. Nach Ziffer 5 des Bescheids vom 14. Dezember 2000 obliegt der GFAW im Rahmen der Richtlinien-/Programmumsetzung die Durchführung des gesamten Zuwendungsverfahrens. Am 22. Dezember 2000 schlossen der Antragsgegner und die GFAW sodann eine als öffentlich-rechtlicher Vertrag bezeichnete Vereinbarung , mit der die im Rahmen der Beleihung zu erfüllenden Aufgaben konkretisiert und die damit zusammenhängenden Rechte und Pflichten des Antragsgegners und der GFAW geregelt wurden.
Die Antragstellerin hat sich an die Vergabekammer des Landes Thüringen gewandt und beantragt, dem Antragsgegner zu verbieten, die beratungsund verwaltungsnahen Dienstleistungen im Rahmen der Technischen Hilfe zur Umsetzung der Richtlinie für die Gewährung von Zuschüssen des Freistaats Thüringen und der Europäischen Union zur Förderung der Berufsvorbereitung und Fortbildung im Rahmen des operationellen Programms des Freistaats Thü-
ringen für den Europäischen Sozialfonds (Förderjahre 2001 bis 2006) im Verhandlungsverfahren oder außerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens zu vergeben.
Mit der Antragstellerin am 12. Oktober 2000 zugestelltem Beschluß vom 10. Oktober 2000 hat die Vergabekammer des Landes Thüringen den Antrag als unzulässig verworfen. Dieser Beschluß ist vom Vorsitzenden der Vergabekammer und vom hauptamtlichen Beisitzer, dagegen nicht vom ehrenamtlichen Beisitzer unterschrieben.
Gegen diesen Beschluß hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, die am 26. Oktober 2000 beim Oberlandesgericht eingegangen ist.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Auffassung der Vergabekammer , daß sie ihrer Rügepflicht nach § 107 Abs. 3 GWB nicht nachgekommen sei. Sie führt darüber hinaus im wesentlichen folgendes aus: Die Beleihung habe lediglich die Kompetenz der GFAW begründet, einzelne Verwaltungsmaßnahmen im Rahmen der Umsetzung der verfahrensgegenständlichen Richtlinie vorzunehmen und sich hierbei der hoheitlichen Handlungsformen des öffentlichen Rechts bedienen zu können. Die Beleihung habe nicht dazu geführt , daß die Umsetzung der Richtlinie eine Maßnahme der GFAW sei und diese somit keine Aufgaben der Technischen Hilfe mehr wahrnehme. Eine Beschränkung der Anwendbarkeit des bundesdeutschen Vergaberechts auf zivilrechtliche Verträge stünde im Widerspruch zum Regelungszweck der Koordinierungsrichtlinien. Der Anwendungsbereich des bundesdeutschen Vergaberechts sei auch auf Aufträge auszudehnen, die nicht zivilrechtlich, sondern öffentlich -rechtlich begründet seien. Auch die Voraussetzungen für ein "in-
house"-Geschäft lägen nicht vor. Die in § 100 Abs. 2 GWB aufgelisteten Tatbestände regelten abschließend, für welche Aufträge der Vierte Teil des GWB keine Anwendung finde. Die Ausnahmevorschrift des § 100 Abs. 2 lit. g GWB sei vorliegend nicht erfüllt.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluß des Thüringer Landesverwaltungsamtes, Vergabekammer , aufzuheben,
dem Antragsgegner zu verbieten, die beratungs- und verwaltungsnahen Dienstleistungen im Rahmen der Technischen Hilfe zur Umsetzung der "Richtlinie für die Gewährung von Zuschüssen des Freistaats Thüringen und der Europäischen Union zur Förderung der Berufsvorbereitung und Fortbildung" im Rahmen des operationellen Programms des Freistaats Thüringen für den Europäischen Sozialfonds (Förderjahre 2001 bis 2006) im Verhandlungsverfahren oder außerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens zu vergeben,
hilfsweise,
das Thüringer Landesverwaltungsamt, Vergabekammer, zu verpflichten , unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts eine die Rechte der Antragstellerin wahrende Entscheidung zu treffen,
hilfsweise,
festzustellen, daß die Vergabestelle durch die Beauftragung der Gesellschaft für A. des Freistaats Thüringen mbH (GFAW) mit der Durchführung der Technischen Hilfe zur Umsetzung der "Richtlinie für die Gewährung von Zuschüssen des Freistaates Thüringen und der Europäischen Union zur Förderung der Berufsvorbereitung und Fortbildung" gegen die Vorschriften des Vergaberechts verstoßen habe und die Antragstellerin dadurch in ihren Rechten verletzt worden sei.
Der Antragsgegner tritt der sofortigen Beschwerde entgegen.
Das Oberlandesgericht möchte die sofortige Beschwerde zurückweisen. Es ist der Meinung, die Unterschrift des ehrenamtlichen Beisitzers der Vergabekammer sei keine Voraussetzung für die Wirksamkeit des angefochtenen Beschlusses. Der sei auch in der Sache richtig, weil es an einem Sachverhalt fehle, der auf vergaberechtliche Verstöße hin überprüft werden könne. Der Antragsgegner habe mit der Beleihung vom 14. Dezember 2000 nach § 44 Abs. 3 ThürLHO die Umsetzung der streitgegenständlichen Richtlinie durch Verwaltungsakt in vollem Umfang der GFAW übertragen. Derartige Verwaltungsakte unterlägen nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 99 Abs. 1 GWB) und der maßgeblichen Richtlinie der EU (Art. 1 a Dienstleistungsrichtlinie der EG 92/50) sowie nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nicht der vergaberechtlichen Überprüfung, weil es an einem entgeltlichen Vertrag fehle. Im übrigen stelle die jedenfalls spätestens mit dem öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 22. Dezember 2000 erfolgte Beauftragung der GFAW für den Fall,
daß öffentlich-rechtliche Verträge dem Vergaberecht überhaupt unterfielen, nach Auffassung des Senats ein sogenanntes "in-house"-Geschäft dar.
Das Oberlandesgericht sieht sich an der von ihm beabsichtigten Entscheidung durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. Januar 2001 (Az.: Verg 24/00) gehindert, weil das Oberlandesgericht Düsseldorf bei dieser Entscheidung davon ausgegangen ist, ein Beschluß der Vergabekammer müsse von allen Mitgliedern, die an der mündlichen Verhandlung und an der Entscheidungsfindung mitgewirkt haben, eigenhändig unterschrieben werden; das ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz, nämlich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 GWB.
Das Oberlandesgericht hat deshalb die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Vorlage ist zulässig.
Nach § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB legt ein Oberlandesgericht, das über eine sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung einer Vergabekammer zu befinden hat, die Sache dem Bundesgerichtshof vor, wenn es von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofes abweichen will. Das ist hier gegeben.
III. Die in zulässiger Weise erhobene sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß der Vergabekammer des Landes Thüringen vom 10. Oktober 2000 bleibt ohne Erfolg.
1. Der angefochtene Beschluß ist wirksam, obwohl er von dem ehrenamtlichen Beisitzer der Vergabekammer, der bei der Beschlußfassung mitgewirkt hat, nicht unterschrieben ist.
a) Wie der Senat in anderem Zusammenhang bereits ausgeführt hat (Beschl. v. 10.05.1994 – X ZB 7/93, NJW-RR 1994, 1406 – Spinnmaschine), folgt aus dem gesetzlichen Erfordernis, eine staatliche Entscheidung in bestimmter Besetzung zu fällen, nicht ohne weiteres, daß alle Personen, welche die Entscheidung getroffen haben, die vollständige, mit Gründen versehene Fassung eigenhändig zu unterzeichnen haben. Es sind keine Gründe erkennbar , warum dies anders sein sollte, wenn es um die Unterschrift des ehrenamtlichen Beisitzers geht, der gemäß § 105 Abs. 2 Satz 1 GWB als Mitglied der Vergabekammer bei deren Entscheidung mitgewirkt hat.
b) Es fehlt eine bundesgesetzliche Regelung, wonach der ehrenamtliche Beisitzer Beschlüsse der Vergabekammer, die unter seiner Mitwirkung gefaßt wurden, zu unterzeichnen hat. Aus § 113 Abs. 1 Satz 1 GWB folgt nur, daß die Entscheidungen der Vergabekammer in schriftlicher Form ergehen. Aus der Vorschrift läßt sich aber nicht herleiten, daß unter Einschluß des ehrenamtlichen Beisitzers alle drei Mitglieder der Vergabekammer (§ 105 Abs. 2 Satz 1 GWB) den von ihr gefaßten Beschluß unterschreiben müssen. Auch aus § 61 GWB, der gemäß § 114 Abs. 3 Satz 3 GWB im Vergabenachprüfungsverfahren entsprechend anzuwenden ist, läßt sich nichts für die Frage des Unterschriftserfordernisses entnehmen.
c) Die Unterschrift des ehrenamtlichen Beisitzers der Vergabekammer ist nicht so bedeutsam, daß sie auch ohne eine dies anordnende Regelung, also
gleichsam von der Sache her vorgegeben neben den Unterschriften der hauptamtlichen Mitglieder notwendig erscheinen könnte.
Um die Herkunft des Beschlusses zu verbürgen und sicherzustellen, daß es sich hierbei nicht um einen bloßen Entwurf einer Entscheidung der Vergabekammer handelt, wie dies für die Sicherheit und Klarheit im Rechtsverkehr erforderlich ist, würde es schon ausreichen, wenn die eigenhändige Unterschrift eines hauptamtlichen Mitgliedes unter dem Text des Beschlusses vorhanden ist. Dies steht im Einklang mit gesetzlichen Regelungen, welche den Erlaß eines Verwaltungsaktes betreffen, in dessen Form die Entscheidung der Vergabekammer ergeht (§ 114 Abs. 3 S. 1 GWB). So muß sowohl nach § 37 Abs. 3 VwVfG als auch nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Freistaats Thüringen (§ 37 Abs. 3 ThürVwVfG) ein schriftlicher Verwaltungsakt die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Nach § 8 Abs. 3 Kriegsdienstverweigerungsverordnung muß der Bescheid, der – wie der Beschluß der Vergabekammer – durch ein mehrköpfiges Gremium zu treffen ist, vom Vorsitzenden unterzeichnet werden.
Auch im Hinblick auf die Tragweite, die einem Beschluß einer Vergabekammer nach Inhalt und Begründung zukommt, kann es nicht als unverzichtbar angesehen werden, daß neben den anderen Mitgliedern der Vergabekammer auch der ehrenamtliche Beisitzer den Beschluß unterzeichnet. Die Bedeutung eines Beschlusses der Vergabekammer übersteigt nicht diejenige, die ein zu den Akten gelangtes Strafurteil für die Gesellschaft und die von ihm Betroffenen haben kann. Bei einer solchen Entscheidung bedarf es der Unterschrift der ehrenamtlichen Mitglieder des Spruchkörpers nicht (§ 275 Abs. 2 S. 3 StPO).
d) Ob der schriftliche Beschluß der Vergabekammer auch von dem ehrenamtlichen Beisitzer unterschrieben werden muß, ist danach eine Frage, die dem Bereich der Organisation der Vergabekammer zugeordnet werden kann. Wenn es – wie hier – um Nachprüfungsbehörden der Länder geht, wird diese nach § 106 Abs. 2 S. 1 GWB von den nach Landesrecht zuständigen Stellen bestimmt. Für den Bereich des Landes Thüringen ist auf der Grundlage des § 106 Abs. 2 S. 1 GWB die Thüringer Verordnung zur Regelung der Einrichtung , Organisation und Besetzung der Vergabekammern vom 10. Juni 1999 (GVBl. S. 417) ergangen. Nach deren § 2 Abs. 3 erläßt das Landesverwaltungsamt die Geschäftsordnung der Vergabekammer und veröffentlicht diese im Thüringer Staatsanzeiger. Beruhend auf dieser Ermächtigung hat das Landesverwaltungsamt am 8. Oktober 1999 die Geschäftsordnung der Vergabekammer des Freistaates Thüringen (Thüringer Staatsanzeiger 1999, S. 2347, 2348) erlassen. In § 4 Abs. 1 Spiegelstrich 9 dieser Geschäftsordnung ist geregelt , daß der Beschluß der Vergabekammer die Unterschriften des Vorsitzenden und des hauptamtlichen Beisitzers enthält. Für das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer des Landes Thüringen besteht damit eine organisationsrechtliche Regelung des Unterschriftserfordernisses für die von der Vergabekammer zu erlassenden Entscheidungen. Danach ist es zur Wirksamkeit der Beschlüsse der Vergabekammer des Landes Thüringen nicht erforderlich, daß diese auch vom ehrenamtlichen Beisitzer unterschrieben werden.
2. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin unterliegt die rechtsgeschäftliche Betrauung der GFAW, die streitgegenständliche Richtlinie umzusetzen , nicht dem Vergaberecht; trotz der Personenverschiedenheit von An-
tragsgegnerin und GFAW ist ein öffentlicher Auftrag nicht gegeben, der nach § 99 Abs. 1 GWB notwendig ist, damit die Regeln des Vierten Teiles des GWB eingreifen.
a) Der Anwendungsbereich des in den §§ 97 ff. GWB geregelten Vergaberechts ist nicht durch das Geschehen vom 14. Dezember 2000 eröffnet. Nach § 99 Abs. 1 GWB sind öffentliche Aufträge entgeltliche Verträge. Ein entgeltlicher Vertrag wurde damals nicht geschlossen; es ist vielmehr ein Beleihungsakt zustandegekommen, der auf § 44 Abs. 3 ThürLHO beruht und materiell die Übertragung eines Teils der Staatsfunktion an ein Subjekt des Privatrechts darstellt mit der Befugnis, selbständig und im eigenen Namen öffentlichrechtliche Verwaltungstätigkeit auszuüben (vgl. nur Knack/Meyer, VwVfG, 7. Aufl., § 1 Rdn. 17 m.w.N.). Ein solcher Beleihungsvorgang allein kann einer den Anwendungsbereich des Vergaberechts eröffnenden vertraglichen Grundlage im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB auch nicht gleichgestellt werden.
b) Auch der zwischen dem Antragsgegner und der GFAW geschlossenen Vertrag vom 22. Dezember 2000 führt nicht zur Anwendbarkeit der §§ 97 ff. GWB.
aa) Betraut ein öffentlicher Auftraggeber eine GmbH mit Dienstleistungen , kommt es nicht zu einem öffentlichen Auftrag i.S. von § 99 Abs. 1 GWB, wenn der öffentliche Auftraggeber alleiniger Anteilseigner des Beauftragten ist, er über diesen eine Kontrolle wie über eigene Dienststellen ausübt und der Beauftragte seine Tätigkeit im wesentlichen für diesen öffentlichen Auftraggeber verrichtet. Denn dann wird der Sache nach kein anderer mit der Erbringung der Dienstleistung beauftragt; es kommt vielmehr zu einem sog "in-house"-
Geschäft, bei dem die Dienstleistung von einer Stelle erbracht wird, die der öffentlichen Verwaltung bzw. dem Geschäftsbetrieb des öffentlichen Auftraggebers zuzurechnen ist.
Diese Bewertung berücksichtigt die EG-Richtlinien im Bereich des öffentlichen Auftragswesens. Diese Berücksichtigung ist geboten, weil der Vierte Teil des GWB der vollständigen Umsetzung dieser Richtlinien dient und die §§ 97 ff. GWB im Einklang mit dem europäischen Recht die Rechte der Beteiligten festlegen sollen (vgl. BT-Drucks. 13/9340, S. 12). Dies führt zur Anwendung der Grundsätze, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 18. November 1999 in der Rechtssache "Teckal" (Rs. C-107/98, Slg. 1999, I-8121 ff. = NZBau 2000, 90, 91) aufgestellt hat. In dieser Entscheidung hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge - ABl. EG Nr. L 199, S. 1-53 - (im folgenden: Richtlinie 93/36/EWG) für anwendbar gehalten, wenn ein öffentlicher Auftraggeber wie etwa eine Gebietskörperschaft beabsichtige, mit einer Einrichtung, die sich formal von ihm unterscheide und die ihm gegenüber eigene Entscheidungsgewalt besitze, einen schriftlichen entgeltlichen Vertrag über die Lieferung von Waren zu schließen. Etwas anderes könne nur gelten, wenn die Gebietskörperschaft über die fragliche Person eine Kontrolle ausübe wie über ihre eigenen Dienststellen und wenn diese Person zugleich ihre Tätigkeit im wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Körperschaften verrichte, die ihre Anteile innehaben. Der Senat hat keine Bedenken, diese Grundsätze auch im Hinblick auf die vorliegend einschlägige Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge - ABl. EG Nr. L 209, S. 1-24 - (im folgen-
den: Richtlinie 92/50/EWG) anzuwenden. Die Gleichbehandlung ist sachgerecht , weil beide Richtlinien einen Vertrag zwischen öffentlichem Auftraggeber und Auftragnehmer voraussetzen (Gnittke/Siederer, ZVgR 2000, 236 f.). Sie verbietet sich auch nicht etwa deshalb, weil die Richtlinie 92/50/EWG für die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen in Art. 6 – anders als die Richtlinie 93/36/EWG für die ihr unterfallenden Verträge – eine die Anwendung ausschließende Ausnahme für den Fall enthält, daß eine Dienstleistung an einen Auftragnehmer vergeben wird, der seinerseits zum Lager der öffentlichen Auftraggeber gehört, und diese Ausnahme unter anderen als den vorstehend genannten Voraussetzungen eingreift. Denn es ist nichts dafür erkennbar, daß durch diese Regelung die Frage berührt wäre, welche Rechtsgeschäfte einen Vertrag i. S. von Art. 1 lit. a der Richtlinie darstellen. Bei ihrer Beantwortung ist eine funktionelle Betrachtungsweise nötig (vgl. dazu die Schlußanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-108/98 - RI.SAN., Slg. 1999, I-5219, 5234 Rdn. 52). Daß sie auch in dem Bereich, der bei Vorliegen eines entgeltlichen Vertrages der Richtlinie 92/50/EWG unterfallen würde, dazu führen kann, daß unter den oben genannten Voraussetzungen eine Auftragsvergabe i. S. von § 99 Abs. 1 GWB zu verneinen ist, wird bestätigt durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 7. Dezember 2000 (Rs. C-94/99 - ARGE Gewässerschutz, NZBau 2001, 99, 101), weil der Gerichtshof im Erwägungsgrund Nr. 40 seiner die Richtlinie 92/50/EWG betreffenden Ausführungen einen Hinweis darauf für notwendig gehalten hat, wie er die Vorlagefrage in der Rechtssache "Teckal" beantwortet hat. Bei richtlinienkonformer Anwendung des § 100 Abs. 2 GWB kann deshalb auch aus dieser Vorschrift nichts dagegen hergeleitet werden, daß unter den genannten Voraussetzungen sog. "in-house"-Geschäfte nicht dem Vierten Teil des GWB unterfallen. § 102 Abs. 2 GWB setzt einen öffentlichen Auftrag i. S. von § 99 Abs.
1 GWB voraus und schließt nur für derartige Aufträge die Anwendung der § 97 ff. GWB aus, wenn einer der in § 102 Abs. 2 GWB geregelten Fälle gegeben ist.
bb) Die eingangs aa) genannte Fallgestaltung liegt hier vor.
Der Antragsgegner übt über die GFAW eine vergleichbare Kontrolle aus wie über seine eigenen Dienststellen. Er hält alle Geschäftsanteile der GFAW. Die Auswahl der Rechtsform der GmbH für die als Eigengesellschaft anzusehende GFAW bietet dem Antragsgegner aufgrund der ihr eigenen Organisationsstruktur umfassende Einfluß- und Steuerungsmöglichkeiten (vgl. Faber, DVBl. 2001, 248, 254, unter Hinweis auf § 46 Nr. 5 und 6 GmbHG). Hinzu kommt, daß nach dem vorgelegten Gesellschaftsvertrag (§ 12) ein Aufsichtsrat gebildet wurde, dessen Mitglieder mehrheitlich aus Vertretern des Antragsgegners bestehen, dem die Geschäftsführer der GFAW regelmäßig über den Gang der Geschäfte zu berichten haben. Weiterhin ist in § 11 des Gesellschaftsvertrages ein Katalog von Geschäften aufgeführt, welche die Geschäftsführer nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vornehmen dürfen. Durch diese auf Gesetz und Gesellschaftsvertrag beruhenden Steuerungsmöglichkeiten wird gewährleistet , daß der Antragsgegner die GFAW vergleichbar einer eigenen Dienststelle kontrollieren kann. Die GFAW besitzt damit gegenüber dem Antragsgegner keine eigene Entscheidungsgewalt. Anhaltspunkte, die insoweit Anlaß zu Zweifeln böten und zu der von der Antragstellerin vorgetragenen Annahme berechtigten , der Antragsgegner verhalte sich rechtsmißbräuchlich, wenn er sich auf die Tatsache beruft, daß er alle Anteile der GFAW halte, bestehen nicht.
Schließlich ist auch festzustellen, daß die GFAW ihre Tätigkeit im wesentlichen für den Antragsgegner verrichtet, der alle ihre Geschäftsanteile innehat. Der Antragsgegner hat im Beschwerdeverfahren vorgetragen, daß die GFAW von ihm ausschließlich zum Zwecke einer effektiven Umsetzung arbeitsmarktpolitischer und berufsbildungspolitischer Richtlinien und Programme unterhalten werde und ausschließlich im Auftrag der Landesregierung und nicht für Dritte tätig sei bzw. am Markt auftrete. Diesem Vorbringen entspricht es, daß in § 2 des Gesellschaftsvertrages der GFAW als Gegenstand des Unternehmens die Unterstützung des Antragsgegners bei der Verwirklichung seiner arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischen Ziele, insbesondere die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben bei der Vergabe von Zuwendungen, genannt ist. Die Antragstellerin ist diesem Vorbringen des Antragsgegners nicht entgegengetreten. Nach § 120 Abs. 2 i. V. mit § 70 Abs. 1 GWB ist im Beschwerdeverfahren der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt zwar von Amts wegen zu erforschen. Andere als die vorgetragenen Tatsachen und Beweismittel muß das Gericht aber nur berücksichtigen, wenn der Sachverhalt hierzu begründeten Anlaß bietet (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 117 Rdn. 40), woran es hier fehlt. Da die GFAW ausschließlich für den Antragsgegner tätig ist, bedarf es vorliegend keiner Stellungnahme dazu, ab welchem Umfang einer Tätigkeit am Markt nicht mehr davon ausgegangen werden kann, daß der Auftragnehmer seine Tätigkeit im wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber ausübt.
d) Der Fall gibt keine Veranlassung zu einer abschließenden Abgrenzung derjenigen Geschäfte, die als sog. "in-house"-Geschäfte nicht zur Beachtung der §§ 97 ff. GWB zwingen. Jedenfalls bei der vorliegenden engen Beziehung zwischen öffentlichem Auftraggeber und betrauter Stelle findet das
in den §§ 97 ff. GWB geregelte Vergaberecht keine Anwendung. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob ein öffentlich-rechtlicher Vertrag wie der vom 22. Dezember 2000 überhaupt den Begriff des entgeltlichen Vertrages i. S. von § 99 Abs. 1 auszufüllen vermag (vgl. zum Streitstand einerseits - dafür - Schulte, NZBau 2000, 272, 275; Althaus, NZBau 2000, 277, 279; Eschenbruch in Niebuhr u.a., Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rdn. 22; vgl. auch Boesen, aaO, § 99 Rdn. 23-31; andererseits - dagegen - OLG Celle NZBau 2000, 299, 300; Bechtold, GWB, 2. Aufl., § 99 Rdn. 1; Dreher, DB 1998, 2579, 2587; vgl. im übrigen auch Begründung des Regierungsentwurfs zu § 99 GWB - BT-Drucks. 13/9340, S. 15). Unentschieden kann außerdem bleiben, ob die Antragstellerin ihrer Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen ist.
IV. Die Voraussetzungen einer Vorlage der Sache an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Abs. 3 EG zur Beantwortung etwa der von der Antragstellerin angeregten Frage, ob die Verneinung der Ausschreibungspflichtigkeit eines Auftrags an eine juristische Person , an der die Vergabestelle zu 100 % beteiligt ist, mit der Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG in Einklang stehe, sind nicht gegeben.
Erlangt die Frage der Auslegung von Gemeinschaftsrecht bzw. von Handlungen der Organe der Gemeinschaft in einem vor einem innerstaatlichen Gericht rechtshängigen Verfahren Bedeutung und können dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln angefochten werden, ist dieses Gericht grundsätzlich verpflichtet, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu ersuchen, die Auslegung im Wege einer Vorabentscheidung vorzunehmen
(Art. 234 Abs. 3 EG). Eine Vorlagepflicht besteht jedoch dann nicht, wenn die gestellte Frage bereits in einem gleichgelagerten Fall Gegenstand einer Vorabentscheidung gewesen ist (EuGH, Urt. v. 06.10.1982, Rs. C-283/81 - C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415, 3429 Rdn. 13; Urt. v. 04.11.1997, Rs. C-337/95 - Parfums Christian Dior, Slg. 1997, I-6013, 6045, Rdn. 29) oder wenn bereits eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vorliegt, durch welche die betreffende Rechtsfrage gelöst ist, gleich in welcher Art von Verfahren sich diese Rechtsprechung gebildet hat, und selbst dann, wenn die strittigen Fragen nicht vollkommen identisch sind (EuGH, Urt. v. 06.10.1982, aaO, 3429 Rdn. 14). Das ist hier der Fall.
Wie bereits ausgeführt, hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 18. November 1999 in der Rechtssache "Teckal" (s. oben III 2 b aa)) für einen Sachverhalt, der dem Anwendungsbereich der Richtlinie 93/36/EWG unterfiel, die maßgeblichen Kriterien dafür entwickelt, nach denen zu beurteilen ist, ob eine Auftragsvergabe eines öffentlichen Auftraggebers an eine Eigengesellschaft, deren Anteile zu 100 % von dem Auftraggeber gehalten werden, dem Vergaberecht unterliegt. In dem zur Richtlinie 92/50/EWG ergangenen Urteil vom 7. Dezember 2000 in der Rechtssache "ARGE Gewässerschutz" (s. oben III 2 b) aa)) hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Erwägungsgrund Nr. 40 zu erkennen gegeben, daß die in der Rechtssache "Teckal" entwickelten Grundsätze auch im Bereich der Richtlinie 92/50/EWG anzuwenden sind.
V. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die Festsetzung des Beschwerdewerts hat ihre Rechtsgrundlage in § 12 a Abs. 2 GKG.
Rogge Melullis Scharen
Mühlens Meier-Beck
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien sind Wettbewerber bei der Vergabe von Sachversicherungen durch die öffentliche Hand. Die Klägerin wendet sich dagegen, dass die Beklagte Versicherungsverträge mit öffentlichen Auftraggebern auch dann ohne vorherige öffentliche Ausschreibung abschließt, wenn der Wert den nach § 2 Nr. 3 VgV maßgeblichen Schwellenwert übersteigt.
- 2
- Die Beklagte ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, dessen Zweck gemäß § 2 Abs. 1 seiner Satzung ist, seinen Mitgliedern durch den unmittelbaren Betrieb von Sachversicherungen Versicherungsschutz zu gewähren. Nach § 4 Abs. 1 der Satzung können Mitglieder des Vereins außer öffentlich -rechtlichen Körperschaften und Anstalten insbesondere auch wirtschaftliche Vereinigungen werden, wenn mindestens 50% ihres Kapitals von der öffentlichen Hand gehalten wird.
- 3
- Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, mit öffentlichen Auftraggebern Versicherungsverträge ab Erreichen der EU-Schwellenwerte ohne vorherige Ausschreibung abzuschließen.
- 4
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben, wobei es den Klageantrag geringfügig umformuliert hat (OLG Köln GRUR 2005, 780). Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
- 5
- I. Das Berufungsgericht hat einen Wettbewerbsverstoß der Beklagten nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit den Vergabebestimmungen der §§ 97 ff. GWB bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt:
- 6
- Öffentliche Auftraggeber, die Versicherungsverträge mit einem geschätzten Auftragswert oberhalb des Schwellenwertes mit der Beklagten ohne vorhe- rige Ausschreibung abschlössen, verstießen gegen das in §§ 97 ff. GWB geregelte Vergaberecht (nachfolgend: Kartellvergaberecht). Der Versicherungsschutz , den die Beklagte öffentlichen Auftraggebern gewähre, beruhe nicht auf einem sogenannten „In-House“-Geschäft im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, auf das die Vergabevorschriften keine Anwendung fänden. Es fehle an der dafür erforderlichen Voraussetzung, dass die öffentlichen Auftraggeber die Beklagte wie eine eigene Dienststelle kontrollieren könnten. Nach den §§ 17, 4 Abs. 1 der Satzung der Beklagten seien in ihrer Mitgliederversammlung auch wirtschaftliche Vereinigungen mit bis zu 50% privater Beteiligung stimmberechtigt.
- 7
- Die Beklagte sei zwar nicht selbst Normadressat des Vergaberechts, jedoch wie ein solcher zu behandeln, da ihre Mitglieder ganz überwiegend öffentliche Auftraggeber seien. Die Beklagte sei deshalb Mittäterin der Vergaberechtsverstöße. Im Übrigen hafte sie auch als Störer, weil sie den Prüfungspflichten nicht genüge, die wegen ihrer unmittelbaren Einbindung in die vergaberechtswidrige Praxis der öffentlichen Auftraggeber an sie zu stellen seien. Der systematische Verstoß gegen Vergabevorschriften, die die Beklagte wegen ihrer Mitgliederstruktur zu beachten habe, sei als Verletzung einer Marktverhaltensregel i.S. des § 4 Nr. 11 UWG anzusehen. Die Klägerin könne die Beklagte als diejenige, die die vergaberechtswidrige Praxis initiiere und maßgeblich beeinflusse , auf Unterlassung in Anspruch nehmen.
- 8
- II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Beklagte haftet entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht nach den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG aufgrund einer in Mittäterschaft begangenen Zuwiderhandlung gegen eine gesetzliche Vorschrift. Ob sie als Anstifterin oder Gehilfin für Wettbewerbsverstöße der öffentlichen Auftraggeber wie ein Mittäter verantwortlich ist (§ 830 Abs. 2 BGB), kann der Senat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden.
- 9
- 1. Der Anspruch der Klägerin wird nicht durch die Ausgestaltung des vergaberechtlichen Rechtsschutzes im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgeschlossen.
- 10
- a) Die Bestimmung des § 104 Abs. 2 GWB steht dem Unterlassungsanspruch der Klägerin nicht entgegen. Sie bewirkt eine Zuständigkeitskonzentration , schließt aber eine Anspruchskonkurrenz zwischen kartellvergaberechtlichen und lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen nicht aus (Marx in Motzke/Pietzcker/ Prieß, VOB Teil A, § 104 GWB Rdn. 6 f.; Dreher in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl., vor §§ 97 ff. Rdn. 142 ff.; Kullack in Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Aufl., § 104 GWB Rdn. 3; Boesen, Vergaberecht, § 104 GWB Rdn. 9 u. 11). Das ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Vorschrift, wonach auch „sonstige Ansprüche gegen öffentliche Auftraggeber, die auf die Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren gerichtet sind“, ausschließlich vor den vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen geltend gemacht werden können. § 104 Abs. 2 GWB setzt damit voraus, dass neben dem speziellen vergaberechtlichen Rechtsschutz andere Abwehransprüche in Betracht kommen, die sich insbesondere auch aus dem Lauterkeitsrecht ergeben können. Die Bestimmung stellt klar, dass solche Ansprüche durch das Kartellvergaberecht nicht im Wege der Spezialität ausgeschlossen werden (vgl. die Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf eines Vergaberechtsänderungsgesetzes , auf die der „sonstige Ansprüche“ einbeziehende Gesetzestext in § 104 Abs. 2 Satz 1 GWB zurückgeht; BT-Drucks. 13/9340, S. 39 zu § 114 GWB-RegE).
- 11
- b) Anders als bei Zuwiderhandlungen gegen das im Ersten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen geregelte Kartellrecht (vgl. BGHZ 166, 154 Tz. 13 f. – Probeabonnement), das in §§ 33, 34a GWB für die geschützten Personen ausreichende zivilrechtliche Sanktionen bereitstellt, regelt das Kartellvergaberecht die zivilrechtlichen Ansprüche, die im Fall von Vergabeverstößen geltend gemacht werden können, nicht abschließend. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen enthält für das Kartellvergaberecht kein in sich geschlossenes Rechtsschutzsystem, das eine Verfolgung von Rechtsverstößen nach § 4 Nr. 11 UWG ausschließt (vgl. Alexander, WRP 2004, 700, 706 ff.; ferner Ullmann, GRUR 2003, 817, 823 Fn. 59). Vielmehr setzt § 104 Abs. 2 Satz 1 GWB ausdrücklich voraus, dass wegen Vergabeverstößen neben § 97 Abs. 7 GWB auch andere („sonstige“) Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung gegen öffentliche Auftraggeber bestehen. Satz 2 stellt klar, dass (auch insoweit) die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Schadensersatz unberührt bleibt. Die Vorschrift des § 104 Abs. 2 GWB begründet damit als Spezialregelung für den Bereich des Kartellvergaberechts eine ausschließliche Zuständigkeit der Vergabekammern nur für den Primärrechtsschutz gegen den Auftraggeber. Sie schließt aber insbesondere nicht aus, dass vergaberechtliche Verstöße unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs lauterkeitsrechtlich gegenüber Mitbewerbern vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden. Da gegen Mitbewerber die Vergabekammer nach § 104 Abs. 2 GWB nicht angerufen werden kann, würde andernfalls eine mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht zu vereinbarende Rechtsschutzlücke entstehen.
- 12
- c) Das Berufungsgericht ist auch zutreffend von seiner Zuständigkeit ausgegangen. Die Klägerin macht einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte als Mitbewerber geltend, der darauf gestützt ist, dass die Beklagte unter Verstoß gegen das Kartellvergaberecht Versicherungsaufträge erhält. Zur Ent- scheidung über einen solchen Anspruch sind die für das Lauterkeitsrecht zuständigen Gerichte berufen. Die ausschließliche Zuständigkeit der Vergabekammer nach § 104 Abs. 2 GWB gilt nur für Ansprüche gegen dem Kartellvergaberecht unterworfene Auftraggeber, nicht dagegen für Ansprüche gegen Mitbewerber (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 4 Rdn. 13.60; Dreher in Immenga/Mestmäcker, GWB, vor §§ 97 ff. Rdn. 146; Gronstedt in Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Aufl., § 104 GWB Rdn. 845 ff.; Kus in Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Vergaberecht, § 102 GWB Rdn. 31).
- 13
- 2. Mit Erfolg wendet die Revision ein, dass eine täterschaftliche Haftung der Beklagten nach den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit den vergaberechtlichen Bestimmungen nicht in Betracht kommt. Die Beklagte ist nicht Normadressatin des Vergaberechts und ist – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – auch nicht wie eine Normadressatin des Vergaberechts zu behandeln. Das Vergaberecht regelt die Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand. Es ist daher bei der Beschaffung von Versicherungsdienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber zu beachten, findet dagegen keine Anwendung auf das Angebot der Versicherer.
- 14
- 3. Allerdings kommt eine Haftung der Beklagten als Teilnehmerin an Wettbewerbsverstößen der öffentlichen Auftraggeber nach den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Betracht, wenn sie öffentliche Auftraggeber dazu auffordert oder ihnen dabei behilflich ist, Versicherungsschutz ohne öffentliche Ausschreibung zu erwerben. Eine Teilnehmerhaftung kommt auch in Betracht, wenn der Teilnehmer nicht selbst Normadressat des Vergaberechts ist (vgl. BGHZ 155, 189, 194 – Buchpreisbindung; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 8 Rdn. 2.16; MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rdn. 43; Fezer/Büscher, UWG, § 8 Rdn. 98). Ob die Voraussetzungen einer Teilnehmerhaftung vorliegen, kann der Senat aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.
- 15
- a) Als Teilnehmer haftet auf Unterlassung, wer – zumindest bedingt – vorsätzlich den Wettbewerbsverstoß eines anderen fördert. Dabei gehört zum Teilnehmervorsatz nicht nur die Kenntnis der objektiven Tatbestandsmerkmale, sondern auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Haupttat (vgl. BGHZ 69, 129, 142 f.; 151, 337, 343; 158, 236, 250 – Internet-Versteigerung I; 172, 119 Tz. 31 – Internet-Versteigerung II; 173, 188 Tz. 21 – Jugendgefährdende Schriften bei eBay; ferner BGHZ 42, 118, 122 f. – Personalausweise; 70, 277, 285 f.; 148, 13, 17 – ambiente.de).
- 16
- b) Die öffentlichen Auftraggeber, die Versicherungsdienstleistungen oberhalb des Schwellenwerts bei der Beklagten ohne Ausschreibung beziehen, verstoßen gegen die Vergabevorschriften der §§ 97 ff. GWB und verletzen damit durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern.
- 17
- aa) Die Gewährung von Versicherungsschutz durch die Beklagte an öffentliche Auftraggeber beruht auf öffentlichen Aufträgen i.S. des § 99 Abs. 1 GWB. Danach sind öffentliche Aufträge entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen, die unter anderem Dienstleistungen zum Gegenstand haben.
- 18
- (1) Versicherungsdienstleistungen sind Dienstleistungen im Sinne des Vergaberechts (§ 1a Nr. 2 Abs. 1 VOL/A i.V. mit Anhang 1 A, Kategorie 6 a zur VOL/A).
- 19
- (2) Der durch die Beklagte gewährte Versicherungsschutz beruht auch auf einem entgeltlichen Vertrag.
- 20
- Die öffentlichen Auftraggeber entrichten für ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten und damit für die Erlangung von Versicherungsschutz Beiträge. Unerheblich ist dabei, dass die Mitgliedschaft aufgrund ihrer auch vereinsrechtlichen Bedeutung kein typischer zweiseitiger Austauschvertrag ist. Die von der Beklagten im Wettbewerb angebotenen Versicherungsleistungen unterscheiden sich nicht von denjenigen in anderer Rechtsform organisierter Versicherungsunternehmen. Wegen der andernfalls bestehenden Umgehungsgefahren kommt nicht in Betracht, einem Unternehmen durch die Wahl der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit zu ermöglichen, öffentlichen Auftraggebern ohne Ausschreibung Versicherungsschutz zu gewähren.
- 21
- Die Beklagte ist als Unternehmen auch geeigneter Auftragnehmer im Sinne des Vergaberechts. Für die Unternehmenseigenschaft kommt es nicht auf eine Gewinnerzielungsabsicht an. Maßgeblich ist insoweit allein, dass die Beklagte im Wettbewerb mit anderen Versicherungsunternehmen auf dem Markt Versicherungsdienstleistungen für öffentliche Auftraggeber erbringt.
- 22
- bb) Öffentliche Auftraggeber können die Beklagte nicht nach den vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten und auch für die Auslegung des § 99 Abs. 1 GWB maßgeblichen (vgl. BGHZ 148, 55, 62) Grundsätzen der sogenannten „In-House“-Vergabe ohne Ausschreibung beauftragen.
- 23
- (1) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs fehlt es für die Zwecke des Vergaberechts an einer Vereinbarung zwischen zwei verschiedenen Personen, die Voraussetzung für die Annahme eines ausschreibungspflichtigen öffentlichen Auftrags ist, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Zum einen muss der öffentliche Auftraggeber allein oder zusammen mit anderen öffentlichen Stellen eine ähnliche Kontrolle über den Auftragnehmer ausüben wie über seine eigenen Dienststellen. Zum zweiten muss er seine Tätigkeit im We- sentlichen für die öffentliche Körperschaft oder die öffentlichen Körperschaften verrichten, die seine Anteile innehaben (vgl. EuGH, Urt. v. 18.11.1999 – C-107/98, Slg. 1999, I-8121 = WuW/E Verg 311 Tz. 49 f. – Teckal; Urt. v. 11.1.2005 – C-26/03, Slg. 2005, I-1 = WuW/E Verg 1025 Tz. 49 – Stadt Halle und RPL Lochau; Urt. v. 11.5.2006 – C-340/04, Slg. 2006 I-4137 = WuW/E Verg 1245 Tz. 32 f. – Carbotermo & Consorzio Alisei; Urt. v. 19.4.2007 – C-295/05, Slg. 2007, I-2999 = VergabeR 2007, 487 Tz. 55 – Asemfo/Tragsa; BGHZ 148, 55, 62). Als Ausnahme von den allgemeinen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts sind diese Voraussetzungen eng auszulegen (EuGH, Urt. v. 6.4.2006 – C-410/04, Slg. 2006, I-3303 = WuW/E Verg 1225 Tz. 26 – Comune di Bari; Urt. v. 13.10.2005 – C-458/03, Slg. 2005, I-8585 = WuW/E Verg 1155 Tz. 63 – Parking Brixen; WuW/E Verg 1025 Tz. 46 – Stadt Halle und RPL Lochau).
- 24
- (2) Die Beklagte wird von den öffentlichen Auftraggebern, die ihr ohne Ausschreibung Aufträge erteilen, nicht wie eine eigene Dienststelle kontrolliert.
- 25
- Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften deutet es – ohne allein entscheidend zu sein – auf die Ausübung einer Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle hin, wenn der öffentliche Auftraggeber allein oder zusammen mit anderen öffentlichen Stellen das gesamte Kapital einer auftragnehmenden Gesellschaft hält. Andererseits sind die Vergabevorschriften immer dann anzuwenden, wenn ein öffentlicher Auftraggeber eine entgeltliche Dienstleistung durch eine rechtlich von ihm verschiedene Gesellschaft erbringen lassen will, an der neben ihm auch ein oder mehrere private Unternehmen beteiligt sind. Die auch nur minderheitliche Beteiligung eines privaten Unternehmens am Gesellschaftskapital schließt es auf jeden Fall aus, dass der öffentliche Auftraggeber über diese Gesellschaft eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen (vgl. EuGH WuW/E Verg 1245 Tz. 37 – Carbotermo & Consorzio Alisei; Urt. v. 10.11.2005 – C-29/04, Slg. 2005, I-9705 = WuW/E Verg 1163 Tz. 49 – Mödling; WuW/E Verg 1025 Tz. 49 – Stadt Halle und RPL Lochau). Jede private Beteiligung an dem die Dienstleistung erbringenden Unternehmen steht unabhängig von der Beteiligungsquote der Erfüllung des Kontrollkriteriums entgegen (vgl. etwa Schranner in Ingenstau /Korbion, VOB, 16. Aufl., § 8 VOB/A Rdn. 38; Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, 4. Aufl. Rdn. 132; Säcker/Wolf, WRP 2007, 282, 284; Kühling , ZfBR 2006, 661, 662). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Kontrollkriterium bereits dann nicht erfüllt, wenn für private Gesellschafter lediglich eine Beteiligungsmöglichkeit besteht, selbst wenn im Zeitpunkt der Auftragsvergabe sämtliche Gesellschaftsanteile von der öffentlichen Hand gehalten werden (EuGH, WuW/E Verg 1225 Tz. 29 ff. – Comune di Bari; vgl. auch WuW/E Verg 1245 Tz. 34 ff. – Carbotermo & Consorzio Alisei).
- 26
- Der Anwendung dieser Grundsätze auf die Beklagte steht deren personalistische Struktur nicht entgegen. Ihre Mitglieder erfüllen die Funktion von am Kapital eines Unternehmens beteiligten Gesellschaftern. Sie nehmen in der Mitgliederversammlung der Beklagten ihre Rechte wie Aktionäre einer Aktiengesellschaft wahr.
- 27
- Die mitgliedschaftlichen Teilhabemöglichkeiten gemischtwirtschaftlicher Unternehmen an der Beklagten schließen es aus, dass sie von öffentlichen Auftraggebern wie eine eigene Dienststelle kontrolliert wird. Der Mitgliederkreis der Beklagten ist nicht auf öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten beschränkt. Private Unternehmen oder Investoren sind zwar nicht unmittelbar Mitglieder der Beklagten. Nach § 4 Abs. 1 ihrer Satzung können aber wirtschaftliche Vereinigungen mit einer privaten Beteiligung von bis zu 50% Mitglied werden. Die Möglichkeit derartiger gemischtwirtschaftlicher Unternehmen zur Mitgliedschaft ist in keiner Weise beschränkt; gemäß § 17 Abs. 2 der Satzung hängt auch das Stimmrecht in der Mitgliederversammlung allein vom Jahresbeitrag ab.
- 28
- Es ist unerheblich, dass Private bei der Beklagten nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar über gemischtwirtschaftliche Unternehmen Mitglied werden können. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist nicht zwischen unmittelbarer und mittelbarer Beteiligung privater Unternehmen zu unterscheiden. Maßgeblich für die Erfüllung des Kontrollkriteriums ist vielmehr, dass die öffentlichen Auftraggeber ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wichtigen Entscheidungen der Gesellschaft haben, die für sie tätig werden soll (EuGH WuW/E Verg 1245 Tz. 36 – Carbotermo & Consorzio Alisei; WuW/E Verg 1155 Tz. 65 – Parking Brixen). Ein derartiger Einfluss ist aber nicht sichergestellt, wenn gemischtwirtschaftliche Unternehmen in der Mitgliederversammlung – noch dazu unbeschränkt – Stimmrechte erwerben können und keine Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass ihr Stimmrecht jeweils ausschließlich durch den oder die jeweiligen öffentlichen Gesellschafter ohne Berücksichtigung der Interessen privater Partner ausgeübt wird. Dabei kann hier dahinstehen, ob solche Vorkehrungen überhaupt möglich sind oder ob dem entgegensteht, dass die Geschäftsführung einer gemischtwirtschaftlichen Vereinigung jedenfalls bei einer substantiellen privaten Beteiligung stets verpflichtet ist, auch die Interessen der privaten Partner zu berücksichtigen. Ebenso wie das Kontrollkriterium auch durch eine Kette mittelbarer Beteiligungen öffentlicher Auftraggeber erfüllt werden kann (vgl. Säcker /Wolf, WRP 2007, 282, 284), wird es ausgeschlossen, wenn Private sich mittelbar mit Stimmrecht beteiligen oder Mitglied werden können. Dafür spricht auch das vor allem in § 97 Abs. 1 GWB zum Ausdruck kommende Anliegen des Kartellvergaberechts, dass öffentliche Beschaffung, soweit sie nicht ausdrücklich von der Anwendung der Vergaberegeln ausgenommen ist, umfassend unter geregelten Wettbewerbsbedingungen erfolgt (vgl. BGHZ 162, 116, 128). Es be- darf daher grundsätzlich einer weiten Auslegung des Begriffs des öffentlichen Auftrags.
- 29
- (3) Im Übrigen sind für die Frage, ob eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausgeübt werden kann, außer den Beteiligungsverhältnissen alle relevanten Rechtsvorschriften und maßgebenden Umstände zu berücksichtigen , so dass selbst bei einer ausschließlichen Beteiligung der öffentlichen Hand das Kontrollkriterium ausgeschlossen sein kann (EuGH WuW/E Verg 1245 Tz. 37 – Carbotermo & Consorzio Alisei). In diesem Zusammenhang kommt es insbesondere auf die Gesellschaftsform des als Auftragnehmer vorgesehenen Unternehmens an. Verfügt die Gesellschaft gegenüber ihren Anteilseignern über weitreichende Selbständigkeit, ist das Kontrollkriterium nicht erfüllt. Wegen der eigenverantwortlichen Leitung durch den Vorstand ist dies insbesondere bei Aktiengesellschaften der Fall (vgl. EuGH WuW/E Verg 1155 Tz. 67 ff. – Parking Brixen; Säcker/Wolf, WRP 2007, 282, 285).
- 30
- Nach den §§ 34 bis 36 VAG entsprechen die Befugnisse von Vorstand, Aufsichtsrat und oberster Vertretung (Mitgliederversammlung) eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit denjenigen von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft. Für die Rechte und Pflichten der Organe des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit gelten – von hier unerheblichen Besonderheiten abgesehen – die aktienrechtlichen Vorschriften entsprechend. Dementsprechend obliegt die eigenverantwortliche Leitung, Vertretung und Geschäftsführung des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit allein dem Vorstand. Die Mitgliederversammlung ist dem Vorstand weder übergeordnet noch weisungsberechtigt. Die Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten der Mitglieder beschränken sich grundsätzlich auf die Wahl des Aufsichtsrats. Auch bei der Beklagten gehen die Kontrollbefugnisse der Mitgliederversammlung nicht über die nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz vorgesehenen Befugnisse hinaus. Damit verfügt die Beklagte – ebenso wie eine Aktiengesellschaft – über weitreichende Selbständigkeit, die es ausschließt, dass ihre Mitglieder sie wie eine eigene Dienststelle kontrollieren (vgl. Holger Schröder, KommJur 2005, 445, 449).
- 31
- (4) Öffentliche Auftraggeber können aus diesen Gründen nicht als Mitglieder der Beklagten Versicherungsdienstleistungen ohne Ausschreibung im Wege eines „In-House“-Geschäfts beschaffen. Da bereits das Kontrollkriterium nicht erfüllt ist, kann dahingestellt bleiben, ob das zweite Kriterium für die Annahme eines „In-House“-Geschäfts bei der Beklagten vorliegt, im Wesentlichen nur für die öffentlichen Auftraggeber tätig zu sein, die sie kontrollieren. Das ist nur dann der Fall, wenn jede andere Tätigkeit für die Beklagte rein nebensächlich ist (EuGH WuW/E Verg 1245 Tz. 63 – Carbotermo & Consorzio Alisei). Ob die Beklagte diese Anforderung erfüllt, erscheint zweifelhaft, da sie gemäß § 4 Abs. 2 ihrer Satzung im Umfang von bis zu 10% ihres jährlichen Gesamtbeitragsvolumens für Unternehmen oder Einrichtungen mit kommunaler Minderheitsbeteiligung tätig werden darf, die bei ihr nicht Mitglied werden können (vgl. OLG Celle NZBau 2007, 126).
- 32
- cc) Die Vorschriften des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen , aus denen sich die Pflicht zur Ausschreibung öffentlicher Aufträge ergibt, sind Marktverhaltensregeln i.S. des § 4 Nr. 11 UWG. Sie schränken die Vertragsfreiheit der öffentlichen Auftraggeber ein und regeln dadurch unmittelbar ihr Marktverhalten bei der Auswahl von Vertragspartnern. Diese Bestimmungen dienen jedenfalls auch den Interessen der Marktteilnehmer , die sich um Aufträge der öffentlichen Hand bewerben. Das ergibt sich bereits aus § 97 Abs. 7 GWB, der – im Einklang mit europarechtlichen Vorgaben (vgl. EuGH, Urt. v. 11.8.1995 – C-433/93, Slg. 1995, I-2303 = NVwZ 1996, 367 Tz. 20 – Kommission/Deutschland) – den Unternehmen gegen die öffentlichen Auftraggeber ein subjektives Recht auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren gewährt.
- 33
- dd) Die öffentlichen Auftraggeber handeln bei der Beauftragung der Beklagten auch mit Wettbewerbsförderungsabsicht i.S. des § 2 Nr. 1 UWG. Zwar dienen Beschaffungen wie andere Handlungen öffentlicher Auftraggeber regelmäßig der Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben. Abweichend davon ist aber eine Absicht zur Förderung des Wettbewerbs gegeben, wenn der öffentliche Auftraggeber an dem wirtschaftlichen Erfolg des Gewerbetreibenden, dessen Wettbewerb zu fördern sein Handeln geeignet ist, ein Interesse hat, weil er davon aufgrund besonderer Umstände – etwa aufgrund vertraglicher Beziehungen – profitiert (vgl. BGH, Urt. v. 21. 9. 1989 – I ZR 27/88, GRUR 1990, 463, 464 = WRP 1990, 254 – Firmenrufnummer; Alexander, WRP 2004, 700, 704 f.). Derartige besondere Umstände liegen hier vor. Die Auftragsvergabe zielt darauf ab, dass die Auftraggeber Mitglieder der Beklagten werden und an deren wirtschaftlichen Erfolg jedenfalls in Form günstiger Beiträge teilhaben.
- 34
- ee) Die rechtswidrige Praxis der öffentlichen Auftraggeber, Versicherungsaufträge oberhalb der Schwellenwerte ohne Ausschreibung an die Beklagte zu vergeben, ist auch ohne weiteres geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Wettbewerber i.S. des § 3 UWG nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Die Wettbewerber werden als Marktteilnehmer von vornherein um die Chance gebracht, sich in einem transparenten und diskriminierungsfreien Vergabeverfahren um die Aufträge der Mitglieder der Beklagten zu bewerben, wodurch ihre wettbewerblich geschützten Interessen beeinträchtigt werden.
- 35
- ff) Die öffentlichen Auftraggeber, die die Beklagte unter Missachtung einer nach Kartellvergaberecht bestehenden Ausschreibungspflicht mit Versicherungsdienstleistungen beauftragen, begehen somit gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG unlauteren Wettbewerb durch Rechtsbruch gegenüber der Klägerin und anderen Versicherungsunternehmen.
- 36
- c) Die Beklagte hat jedenfalls den objektiven Tatbestand der Beihilfe zu dem Wettbewerbsverstoß der öffentlichen Auftraggeber erfüllt.
- 37
- aa) Nach dem vom Berufungsgericht gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Bezug genommenen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils hat die Beklagte am 17. Mai 2001 ein Rundschreiben mit der Betreffzeile: „G. europafest: ‚Für G. -Mitglieder keine Ausschreibungspflicht bei Versicherungen’“ an ihre Mitglieder versandt und sich darin auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten des Leiters des Büros der kommunalen Spitzenverbände in Brüssel, Herrn Professor A., bezogen. Diese Behauptung der Zulässigkeit einer Beschaffung von Versicherungsschutz ohne Ausschreibung, die deutlich erkennbar darauf abzielte , weiterhin auf diesem Wege im laufenden Geschäft Versicherungsleistungen abzusetzen, kann objektiv den Tatbestand der Anstiftung erfüllen (vgl. OLG Frankfurt GRUR-RR 2005, 230, 231; MünchKomm.UWG/Fritzsche, § 8 Rdn. 243). Die Beklagte hat zur Frage der Ausschreibungspflicht Beratungskompetenz in Anspruch genommen, sich auf die Autorität eines Gutachters aus einer Dachorganisation, der die hier maßgeblichen öffentlichen Auftraggeber mittelbar angehören, bezogen und Zweifel an seiner Rechtsauffassung nicht zu erkennen gegeben. Unter diesen Umständen liegt es nahe, dass die Beklagte die öffentlichen Auftraggeber zur Fortsetzung ihrer Beschaffungspraxis bei ihr bestimmt hat. Jedenfalls hat sie dazu psychische Beihilfe geleistet.
- 38
- bb) Es kann deshalb dahinstehen, ob die Beklagte auch deswegen Gehilfin bei dem Wettbewerbsverstoß der Auftraggeber war, weil sie ihnen mit einem speziell auf sie ausgerichteten Geschäftsmodell eine Struktur bereitstellt, mit der sie ihre vergaberechtlichen Bindungen bei der Beschaffung von Versicherungsdienstleistungen systematisch umgehen können.
- 39
- Die Beklagte ist aufgrund ihrer Vereinsstruktur darauf ausgerichtet, dass öffentliche Auftraggeber bei ihr durch Erwerb einer Mitgliedschaft ohne Ausschreibung Versicherungsschutz erhalten. Sie wurde von öffentlichen Auftraggebern gerade zur Deckung ihres Versicherungsbedarfs gegründet. Die öffentlichen Auftraggeber sind zudem als Mitglieder über die Mitgliederversammlung und den von ihr bestimmten Aufsichtsrat stark mit der Beklagten verflochten und beeinflussen ihre Geschäftspolitik maßgeblich, allerdings ohne sie wie eine eigene Dienststelle zu kontrollieren. Es erscheint nicht fernliegend, diese Geschäftsstruktur als objektiv darauf angelegt anzusehen, der Beklagten ohne Ausschreibung Versicherungsaufträge öffentlicher Auftraggeber zu verschaffen.
- 40
- d) Das Berufungsgericht hat jedoch – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen zu einem Teilnehmervorsatz der Beklagten getroffen.
- 41
- aa) Zwar steht auch ohne weitere Feststellungen außer Zweifel, dass die Beklagte wusste und wollte, dass die öffentlichen Auftraggeber sie ohne Ausschreibung mit Versicherungsdienstleistungen betrauten. Ebenso kannte die Beklagte die grundsätzliche Pflicht dieser Auftraggeber zur Ausschreibung und vermochte diese Pflicht als das Marktverhalten und den Wettbewerb auch auf dem Versicherungsmarkt regelnde Bestimmung zu erkennen.
- 42
- bb) Darüber hinaus setzt der Teilnehmervorsatz beim Teilnehmer das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der von ihm geförderten Wettbewerbshandlung voraus (BGHZ 69, 129, 142 f.; 151, 337, 343; 158, 236, 250 – InternetVersteigerung I; 173, 188 Tz. 21 – Jugendgefährdende Schriften bei eBay). Das Berufungsgericht hat hierzu – aus seiner Sicht folgerichtig – noch keine Feststellungen getroffen. Dies bleibt nachzuholen.
- 43
- III. Für die neue Verhandlung und Entscheidung des Berufungsgerichts gibt der Senat folgende Hinweise:
- 44
- 1. Der Unterlassungsantrag der Klägerin ist unter dem Aspekt der Wiederholungsgefahr begründet, wenn spätestens zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz sowohl eine Teilnahmehandlung der Beklagten als auch eine durch diese Teilnahmehandlung geförderte vergaberechtswidrige und damit wettbewerbswidrige Auftragserteilung erfolgt sind. In Betracht kommt jedoch auch ein vorbeugender Unterlassungsanspruch gegen den Teilnehmer, wenn es noch nicht zu einer Haupttat gekommen ist, die Teilnahmehandlung aber die Gefahr eines Wettbewerbsverstoßes begründet (vgl. BGHZ 172, 119 Tz. 30 – Internet-Versteigerung II, zum Markenrecht).
- 45
- 2. Das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit setzt grundsätzlich voraus, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Teilnahmehandlung mit der Möglichkeit rechnete und dies billigend in Kauf nahm, dass die Auftraggeber gegen Vergaberecht verstießen, wenn sie sich bei ihr Versicherungsschutz ohne Ausschreibung beschafften (vgl. BGHZ 69, 129, 143). Für die Annahme einer Billigung in diesem Sinne würde genügen, dass sich die Beklagte um des Ziels willen, neue Aufträge zu erhalten, mit einem Verstoß der Auftraggeber gegen Vergaberecht abfand, auch wenn ihr ein solcher Verstoß an sich gleichgültig oder unerwünscht war (vgl. BGH, Beschl. v. 14.2.2005 – 3 StR 230/04, NStZ 2005, 381, 382; Urt. v. 4.11.1988 – 1 StR 262/88, NJW 1989, 781, 783 f.). Es reicht aus, dass sich der Teilnehmer einer Kenntnisnahme von der Unlauterkeit des von ihm veranlassten oder geförderten Verhaltens entzieht (Köhler in Hefermehl/ Köhler/Bornkamm aaO § 8 Rdn. 2.16; MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rdn. 43).
- 46
- Vorliegend hat sich die Beklagte für ihre Rechtsauffassung auf ein in ihrem Auftrag gefertigtes Gutachten aus dem Bereich der Kommunalspitzenverbände gestützt. Dieses Gutachten hat wegen der Verbindung des Gutachters zu den Kommunen nicht die Qualität einer unabhängigen Beurteilung. Es schließt deshalb ein Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Beklagten für sich allein nicht aus. Vielmehr kommt es darauf an, inwiefern die Beklagte auch von Rechtsprechung und Literatur positiv Kenntnis hatte oder sich ihrer Kenntnisnahme entzogen hatte, die ihrer Auffassung entgegenstand. Die im vorliegenden Zusammenhang grundlegende Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in der Sache „Teckal“ (WuW/E Verg 311), die im November 1999 und damit eineinhalb Jahre vor dem Rundschreiben der Beklagten erging, ließ mit dem Kriterium „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ deutlich erkennbar eine Zuordnung des Geschäftsmodells der Beklagten zu den vergaberechtsfreien „In-House“-Geschäften allenfalls mit erheblichem Argumentationsaufwand zu. Aufschlussreich könnte auch sein, aus welchem Grund sich die Beklagte zur Einholung des Gutachtens und zu dem Rundschreiben entschloss.
- 47
- Das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit kann auch durch eine – plausibel begründete – Abmahnung herbeigeführt werden (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler /Bornkamm aaO § 8 Rdn. 2.16). Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, ob dem vorliegenden Verfahren eine Abmahnung vorausgegangen ist und welchen Inhalt sie gegebenenfalls hatte.
- 48
- 3. Sofern die Beklagte bei Versand des Rundschreibens vom 17. Mai 2001 noch kein Bewusstsein der Rechtswidrigkeit hatte, käme es darauf an, ob sie noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz mindestens eine weitere Teilnahmehandlung vorgenommen hat, die geeignet war, eine Auftragserteilung an sie ohne Ausschreibung zu fördern. Sollte das Berufungsgericht feststellen, dass es die Beklagte durch das Rundschreiben vom 17. Mai 2001 oder in anderer Weise übernommen hatte, ihre Mitglieder zur Frage der Ausschreibungspflicht zu beraten, kommt als Teilnahmehandlung auch ein Unterlassen der Aufklärung der Mitglieder über später aufgetretene Zweifel an der in dem Rundschreiben geäußerten Rechtsauffassung in Betracht.
Kirchhoff Koch
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 21.10.2004 - 31 O 186/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 15.07.2005 - 6 U 17/05 -
Öffentliche Auftraggeber sind
- 1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen, - 2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern - a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden, - b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder - c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
- 3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen, - 4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.
Tenor
Unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 12. März 2008 - 11 K 246/05 - wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
"Stadt Sulzbach/Saar Entwässerungsbetrieb
Gebühren für den Entwässerungsbetrieb der Stadt Sulzbach/Saar
Die Abwassergebühren werden im Auftrag und im Namen des Entwässerungsbetriebes der Stadt Sulzbach/Saar erhoben. … Die Rechnung der Stadtwerke B-Stadt/Saar ist gleichzeitig ein Abwassergebührenbescheid des Entwässerungsbetriebes der Stadt Sulzbach/Saar. Gegen den Abwassergebührenbescheid kann … Widerspruch erhoben werden …“.
die Abwassergebührenbescheide des Beklagten vom 17. und 18.01.2004 und die Widerspruchsbescheide des Rechtsausschusses für den Stadtverband Saarbrücken vom 20.05.2005 aufzuheben.
die Klage abzuweisen.
unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 12.3.2008 - 11 K 246/05 - die Klage abzuweisen.
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1.1.1998 |
31.12.2001 |
|
Haltungen |
3.331 |
3.517 |
Schächte |
3.345 |
3.533 |
Regenrückhaltebecken |
3 |
12 + 435 m offene |
Wasserverbrauch |
1.043.500 cbm |
960.000 cbm |
Gebühr/Jahr |
||
Bexbach : |
336,05 EUR |
|
Eppelborn: |
373,55 EUR |
|
Illingen: |
364,80 EUR |
|
Schiffweiler: |
351,85 EUR |
|
Schmelz: |
384,95 EUR |
|
Schwalbach: |
388,80 EUR |
|
Wadern: |
329,50 EUR |
|
Wadgassen: |
414,00 EUR |
|
B-Stadt: |
355,55 EUR |
Gründe
1.1.1998 |
31.12.2001 |
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Haltungen |
3.331 |
3.517 |
Schächte |
3.345 |
3.533 |
Regenrückhaltebecken |
3 |
12 + 435 m offene |
Wasserverbrauch |
1.043.500 cbm |
960.000 cbm |
Gebühr/Jahr |
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Bexbach : |
336,05 EUR |
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Eppelborn: |
373,55 EUR |
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Illingen: |
364,80 EUR |
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Schiffweiler: |
351,85 EUR |
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Schmelz: |
384,95 EUR |
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Schwalbach: |
388,80 EUR |
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Wadern: |
329,50 EUR |
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Wadgassen: |
414,00 EUR |
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B-Stadt: |
355,55 EUR |
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Werden die Regelbedarfsstufen nach § 28 neu ermittelt, gelten diese als neu festgesetzte Regelsätze (Neufestsetzung), solange die Länder keine abweichende Neufestsetzung vornehmen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn die Regelbedarfe nach § 28a fortgeschrieben werden.
(2) Nehmen die Länder eine abweichende Neufestsetzung vor, haben sie die Höhe der monatlichen Regelsätze entsprechend der Abstufung der Regelbedarfe nach der Anlage zu § 28 durch Rechtsverordnung neu festzusetzen. Sie können die Ermächtigung für die Neufestsetzung nach Satz 1 auf die zuständigen Landesministerien übertragen. Für die abweichende Neufestsetzung sind anstelle der bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen, die sich nach § 28 aus der bundesweiten Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ergeben, entsprechend aus regionalen Auswertungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ermittelte Regelbedarfsstufen zugrunde zu legen. Die Länder können bei der Neufestsetzung der Regelsätze auch auf ihr Land bezogene besondere Umstände, die die Deckung des Regelbedarfs betreffen, berücksichtigen. Regelsätze, die nach Absatz 1 oder nach den Sätzen 1 bis 4 festgesetzt worden sind, können von den Ländern als Mindestregelsätze festgesetzt werden. § 28 Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt für die Festsetzung der Regelsätze nach den Sätzen 1 bis 4 entsprechend.
(3) Die Länder können die Träger der Sozialhilfe ermächtigen, auf der Grundlage von nach Absatz 2 Satz 5 bestimmten Mindestregelsätzen regionale Regelsätze festzusetzen; bei der Festsetzung können die Träger der Sozialhilfe regionale Besonderheiten sowie statistisch nachweisbare Abweichungen in den Verbrauchsausgaben berücksichtigen. § 28 Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt für die Festsetzung der Regelsätze nach Satz 1 entsprechend.
(4) Werden die Regelsätze nach den Absätzen 2 und 3 abweichend von den Regelbedarfsstufen nach § 28 festgesetzt, sind diese in den Jahren, in denen keine Neuermittlung der Regelbedarfe nach § 28 erfolgt, jeweils zum 1. Januar durch Rechtsverordnung der Länder mit der Veränderungsrate der Regelbedarfe fortzuschreiben, die sich nach der Rechtsverordnung nach § 40 ergibt.
(5) Die nach den Absätzen 2 und 3 festgesetzten und nach Absatz 4 fortgeschriebenen Regelsätze gelten als Regelbedarfsstufen nach der Anlage zu § 28.
Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.
Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis dürfen niedergeschlagen werden, wenn zu erwarten ist, dass
- 1.
die Erhebung keinen Erfolg haben wird oder - 2.
die Kosten der Erhebung außer Verhältnis zu dem zu erhebenden Betrag stehen werden.
(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.
(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.
(1)1Die Kapitalertragsteuer beträgt
- 1.
in den Fällen des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 7a und 8 bis 12 sowie Satz 2: 25 Prozent des Kapitalertrags; - 2.
in den Fällen des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 7b und 7c: 15 Prozent des Kapitalertrags.
(2)1Dem Steuerabzug unterliegen die vollen Kapitalerträge ohne Abzug; dies gilt nicht für Erträge aus Investmentfonds nach § 16 Absatz 1 des Investmentsteuergesetzes, auf die nach § 20 des Investmentsteuergesetzes eine Teilfreistellung anzuwenden ist; § 20 Absatz 1 Satz 2 bis 4 des Investmentsteuergesetzes sind beim Steuerabzug nicht anzuwenden.2In den Fällen des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 9 bis 12 bemisst sich der Steuerabzug
- 1.
bei Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Investmentfonds im Sinne des § 16 Absatz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 2 Absatz 13 des Investmentsteuergesetzes nach § 19 des Investmentsteuergesetzes und - 2.
in allen übrigen Fällen nach § 20 Absatz 4 und 4a,
(3)1Die auszahlende Stelle hat ausländische Steuern auf Kapitalerträge nach Maßgabe des § 32d Absatz 5 zu berücksichtigen.2Sie hat unter Berücksichtigung des § 20 Absatz 6 Satz 4 im Kalenderjahr negative Kapitalerträge einschließlich gezahlter Stückzinsen bis zur Höhe der positiven Kapitalerträge auszugleichen; liegt ein gemeinsamer Freistellungsauftrag im Sinne des § 44a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 20 Absatz 9 Satz 2 vor, erfolgt ein gemeinsamer Ausgleich.3Der nicht ausgeglichene Verlust ist auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.4Auf Verlangen des Gläubigers der Kapitalerträge hat sie über die Höhe eines nicht ausgeglichenen Verlusts eine Bescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu erteilen; der Verlustübertrag entfällt in diesem Fall.5Der unwiderrufliche Antrag auf Erteilung der Bescheinigung muss bis zum 15. Dezember des laufenden Jahres der auszahlenden Stelle zugehen.6Überträgt der Gläubiger der Kapitalerträge seine im Depot befindlichen Wirtschaftsgüter vollständig auf ein anderes Depot, hat die abgebende auszahlende Stelle der übernehmenden auszahlenden Stelle auf Verlangen des Gläubigers der Kapitalerträge die Höhe des nicht ausgeglichenen Verlusts mitzuteilen; eine Bescheinigung nach Satz 4 darf in diesem Fall nicht erteilt werden.7Erfährt die auszahlende Stelle nach Ablauf des Kalenderjahres von der Veränderung einer Bemessungsgrundlage oder einer zu erhebenden Kapitalertragsteuer, hat sie die entsprechende Korrektur erst zum Zeitpunkt ihrer Kenntnisnahme vorzunehmen; § 44 Absatz 5 bleibt unberührt.8Die vorstehenden Sätze gelten nicht in den Fällen des § 20 Absatz 8 und des § 44 Absatz 1 Satz 4 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb sowie bei Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen.
(4)1Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für die das Bundesschuldbuch führende Stelle oder eine Landesschuldenverwaltung als auszahlende Stelle.2Werden die Wertpapiere oder Forderungen von einem Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut oder einem Wertpapierinstitut mit der Maßgabe der Verwahrung und Verwaltung durch die das Bundesschuldbuch führende Stelle oder eine Landesschuldenverwaltung erworben, hat das Kreditinstitut, das Finanzdienstleistungsinstitut oder das Wertpapierinstitut der das Bundesschuldbuch führenden Stelle oder einer Landesschuldenverwaltung zusammen mit den im Schuldbuch einzutragenden Wertpapieren und Forderungen den Erwerbszeitpunkt und die Anschaffungsdaten sowie in Fällen des Absatzes 2 den Erwerbspreis der für einen marktmäßigen Handel bestimmten schuldbuchfähigen Wertpapiere des Bundes oder der Länder und außerdem mitzuteilen, dass es diese Wertpapiere und Forderungen erworben oder veräußert und seitdem verwahrt oder verwaltet hat.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.
(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.
(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.
(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.
(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.
(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.
Öffentliche Auftraggeber sind
- 1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen, - 2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern - a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden, - b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder - c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
- 3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen, - 4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Beschwerdewert wird auf 75.000,-- DM festgesetzt.
Gründe:
I. Zusammen mit der Gesellschaft für A. des Freistaats Thüringen mbH (nachfolgend: GFAW), deren Geschäftsanteile zu 100 % vom Antragsgegner gehalten werden, ist die Antragstellerin u.a. bei der Programm- und Projektentwicklung , der Antragsberatung und -bearbeitung sowie der EU-Begleitung (nachfolgend: Technische Hilfe) von aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds geförderten Maßnahmen der Berufsvorbereitung und Fortbildung für den Antragsgegner , den Freistaat Thüringen, tätig. Dieser Auftrag läuft im August 2001 aus.
Der Antragsgegner will die Durchführung der Technischen Hilfe künftig nicht mehr an außenstehende Unternehmen vergeben. Mit Bescheid vom 14. Dezember 2000 belieh er die GFAW mit hoheitlichen Befugnissen zur Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben im eigenen Namen in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts auf dem Gebiet der Zuwendungsverfahren , die in einer Anlage im einzelnen aufgeführte arbeitsmarkt- und berufsbildungspolitische Förderungsrichtlinien und Programme/Projekte des Antragsgegners und der Europäischen Union betreffen. In dieser Anlage ist auch die "Richtlinie für die Gewährung von Zuschüssen des Freistaats Thüringen und der Europäischen Union zur Förderung der Berufsvorbereitung und Fortbildung" im Rahmen des operationellen Programms des Freistaats Thüringen für den Europäischen Sozialfonds (Förderjahre 2001 bis 2006) aufgeführt. Nach Ziffer 5 des Bescheids vom 14. Dezember 2000 obliegt der GFAW im Rahmen der Richtlinien-/Programmumsetzung die Durchführung des gesamten Zuwendungsverfahrens. Am 22. Dezember 2000 schlossen der Antragsgegner und die GFAW sodann eine als öffentlich-rechtlicher Vertrag bezeichnete Vereinbarung , mit der die im Rahmen der Beleihung zu erfüllenden Aufgaben konkretisiert und die damit zusammenhängenden Rechte und Pflichten des Antragsgegners und der GFAW geregelt wurden.
Die Antragstellerin hat sich an die Vergabekammer des Landes Thüringen gewandt und beantragt, dem Antragsgegner zu verbieten, die beratungsund verwaltungsnahen Dienstleistungen im Rahmen der Technischen Hilfe zur Umsetzung der Richtlinie für die Gewährung von Zuschüssen des Freistaats Thüringen und der Europäischen Union zur Förderung der Berufsvorbereitung und Fortbildung im Rahmen des operationellen Programms des Freistaats Thü-
ringen für den Europäischen Sozialfonds (Förderjahre 2001 bis 2006) im Verhandlungsverfahren oder außerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens zu vergeben.
Mit der Antragstellerin am 12. Oktober 2000 zugestelltem Beschluß vom 10. Oktober 2000 hat die Vergabekammer des Landes Thüringen den Antrag als unzulässig verworfen. Dieser Beschluß ist vom Vorsitzenden der Vergabekammer und vom hauptamtlichen Beisitzer, dagegen nicht vom ehrenamtlichen Beisitzer unterschrieben.
Gegen diesen Beschluß hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, die am 26. Oktober 2000 beim Oberlandesgericht eingegangen ist.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Auffassung der Vergabekammer , daß sie ihrer Rügepflicht nach § 107 Abs. 3 GWB nicht nachgekommen sei. Sie führt darüber hinaus im wesentlichen folgendes aus: Die Beleihung habe lediglich die Kompetenz der GFAW begründet, einzelne Verwaltungsmaßnahmen im Rahmen der Umsetzung der verfahrensgegenständlichen Richtlinie vorzunehmen und sich hierbei der hoheitlichen Handlungsformen des öffentlichen Rechts bedienen zu können. Die Beleihung habe nicht dazu geführt , daß die Umsetzung der Richtlinie eine Maßnahme der GFAW sei und diese somit keine Aufgaben der Technischen Hilfe mehr wahrnehme. Eine Beschränkung der Anwendbarkeit des bundesdeutschen Vergaberechts auf zivilrechtliche Verträge stünde im Widerspruch zum Regelungszweck der Koordinierungsrichtlinien. Der Anwendungsbereich des bundesdeutschen Vergaberechts sei auch auf Aufträge auszudehnen, die nicht zivilrechtlich, sondern öffentlich -rechtlich begründet seien. Auch die Voraussetzungen für ein "in-
house"-Geschäft lägen nicht vor. Die in § 100 Abs. 2 GWB aufgelisteten Tatbestände regelten abschließend, für welche Aufträge der Vierte Teil des GWB keine Anwendung finde. Die Ausnahmevorschrift des § 100 Abs. 2 lit. g GWB sei vorliegend nicht erfüllt.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluß des Thüringer Landesverwaltungsamtes, Vergabekammer , aufzuheben,
dem Antragsgegner zu verbieten, die beratungs- und verwaltungsnahen Dienstleistungen im Rahmen der Technischen Hilfe zur Umsetzung der "Richtlinie für die Gewährung von Zuschüssen des Freistaats Thüringen und der Europäischen Union zur Förderung der Berufsvorbereitung und Fortbildung" im Rahmen des operationellen Programms des Freistaats Thüringen für den Europäischen Sozialfonds (Förderjahre 2001 bis 2006) im Verhandlungsverfahren oder außerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens zu vergeben,
hilfsweise,
das Thüringer Landesverwaltungsamt, Vergabekammer, zu verpflichten , unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts eine die Rechte der Antragstellerin wahrende Entscheidung zu treffen,
hilfsweise,
festzustellen, daß die Vergabestelle durch die Beauftragung der Gesellschaft für A. des Freistaats Thüringen mbH (GFAW) mit der Durchführung der Technischen Hilfe zur Umsetzung der "Richtlinie für die Gewährung von Zuschüssen des Freistaates Thüringen und der Europäischen Union zur Förderung der Berufsvorbereitung und Fortbildung" gegen die Vorschriften des Vergaberechts verstoßen habe und die Antragstellerin dadurch in ihren Rechten verletzt worden sei.
Der Antragsgegner tritt der sofortigen Beschwerde entgegen.
Das Oberlandesgericht möchte die sofortige Beschwerde zurückweisen. Es ist der Meinung, die Unterschrift des ehrenamtlichen Beisitzers der Vergabekammer sei keine Voraussetzung für die Wirksamkeit des angefochtenen Beschlusses. Der sei auch in der Sache richtig, weil es an einem Sachverhalt fehle, der auf vergaberechtliche Verstöße hin überprüft werden könne. Der Antragsgegner habe mit der Beleihung vom 14. Dezember 2000 nach § 44 Abs. 3 ThürLHO die Umsetzung der streitgegenständlichen Richtlinie durch Verwaltungsakt in vollem Umfang der GFAW übertragen. Derartige Verwaltungsakte unterlägen nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 99 Abs. 1 GWB) und der maßgeblichen Richtlinie der EU (Art. 1 a Dienstleistungsrichtlinie der EG 92/50) sowie nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nicht der vergaberechtlichen Überprüfung, weil es an einem entgeltlichen Vertrag fehle. Im übrigen stelle die jedenfalls spätestens mit dem öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 22. Dezember 2000 erfolgte Beauftragung der GFAW für den Fall,
daß öffentlich-rechtliche Verträge dem Vergaberecht überhaupt unterfielen, nach Auffassung des Senats ein sogenanntes "in-house"-Geschäft dar.
Das Oberlandesgericht sieht sich an der von ihm beabsichtigten Entscheidung durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. Januar 2001 (Az.: Verg 24/00) gehindert, weil das Oberlandesgericht Düsseldorf bei dieser Entscheidung davon ausgegangen ist, ein Beschluß der Vergabekammer müsse von allen Mitgliedern, die an der mündlichen Verhandlung und an der Entscheidungsfindung mitgewirkt haben, eigenhändig unterschrieben werden; das ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz, nämlich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 GWB.
Das Oberlandesgericht hat deshalb die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Vorlage ist zulässig.
Nach § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB legt ein Oberlandesgericht, das über eine sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung einer Vergabekammer zu befinden hat, die Sache dem Bundesgerichtshof vor, wenn es von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofes abweichen will. Das ist hier gegeben.
III. Die in zulässiger Weise erhobene sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß der Vergabekammer des Landes Thüringen vom 10. Oktober 2000 bleibt ohne Erfolg.
1. Der angefochtene Beschluß ist wirksam, obwohl er von dem ehrenamtlichen Beisitzer der Vergabekammer, der bei der Beschlußfassung mitgewirkt hat, nicht unterschrieben ist.
a) Wie der Senat in anderem Zusammenhang bereits ausgeführt hat (Beschl. v. 10.05.1994 – X ZB 7/93, NJW-RR 1994, 1406 – Spinnmaschine), folgt aus dem gesetzlichen Erfordernis, eine staatliche Entscheidung in bestimmter Besetzung zu fällen, nicht ohne weiteres, daß alle Personen, welche die Entscheidung getroffen haben, die vollständige, mit Gründen versehene Fassung eigenhändig zu unterzeichnen haben. Es sind keine Gründe erkennbar , warum dies anders sein sollte, wenn es um die Unterschrift des ehrenamtlichen Beisitzers geht, der gemäß § 105 Abs. 2 Satz 1 GWB als Mitglied der Vergabekammer bei deren Entscheidung mitgewirkt hat.
b) Es fehlt eine bundesgesetzliche Regelung, wonach der ehrenamtliche Beisitzer Beschlüsse der Vergabekammer, die unter seiner Mitwirkung gefaßt wurden, zu unterzeichnen hat. Aus § 113 Abs. 1 Satz 1 GWB folgt nur, daß die Entscheidungen der Vergabekammer in schriftlicher Form ergehen. Aus der Vorschrift läßt sich aber nicht herleiten, daß unter Einschluß des ehrenamtlichen Beisitzers alle drei Mitglieder der Vergabekammer (§ 105 Abs. 2 Satz 1 GWB) den von ihr gefaßten Beschluß unterschreiben müssen. Auch aus § 61 GWB, der gemäß § 114 Abs. 3 Satz 3 GWB im Vergabenachprüfungsverfahren entsprechend anzuwenden ist, läßt sich nichts für die Frage des Unterschriftserfordernisses entnehmen.
c) Die Unterschrift des ehrenamtlichen Beisitzers der Vergabekammer ist nicht so bedeutsam, daß sie auch ohne eine dies anordnende Regelung, also
gleichsam von der Sache her vorgegeben neben den Unterschriften der hauptamtlichen Mitglieder notwendig erscheinen könnte.
Um die Herkunft des Beschlusses zu verbürgen und sicherzustellen, daß es sich hierbei nicht um einen bloßen Entwurf einer Entscheidung der Vergabekammer handelt, wie dies für die Sicherheit und Klarheit im Rechtsverkehr erforderlich ist, würde es schon ausreichen, wenn die eigenhändige Unterschrift eines hauptamtlichen Mitgliedes unter dem Text des Beschlusses vorhanden ist. Dies steht im Einklang mit gesetzlichen Regelungen, welche den Erlaß eines Verwaltungsaktes betreffen, in dessen Form die Entscheidung der Vergabekammer ergeht (§ 114 Abs. 3 S. 1 GWB). So muß sowohl nach § 37 Abs. 3 VwVfG als auch nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Freistaats Thüringen (§ 37 Abs. 3 ThürVwVfG) ein schriftlicher Verwaltungsakt die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Nach § 8 Abs. 3 Kriegsdienstverweigerungsverordnung muß der Bescheid, der – wie der Beschluß der Vergabekammer – durch ein mehrköpfiges Gremium zu treffen ist, vom Vorsitzenden unterzeichnet werden.
Auch im Hinblick auf die Tragweite, die einem Beschluß einer Vergabekammer nach Inhalt und Begründung zukommt, kann es nicht als unverzichtbar angesehen werden, daß neben den anderen Mitgliedern der Vergabekammer auch der ehrenamtliche Beisitzer den Beschluß unterzeichnet. Die Bedeutung eines Beschlusses der Vergabekammer übersteigt nicht diejenige, die ein zu den Akten gelangtes Strafurteil für die Gesellschaft und die von ihm Betroffenen haben kann. Bei einer solchen Entscheidung bedarf es der Unterschrift der ehrenamtlichen Mitglieder des Spruchkörpers nicht (§ 275 Abs. 2 S. 3 StPO).
d) Ob der schriftliche Beschluß der Vergabekammer auch von dem ehrenamtlichen Beisitzer unterschrieben werden muß, ist danach eine Frage, die dem Bereich der Organisation der Vergabekammer zugeordnet werden kann. Wenn es – wie hier – um Nachprüfungsbehörden der Länder geht, wird diese nach § 106 Abs. 2 S. 1 GWB von den nach Landesrecht zuständigen Stellen bestimmt. Für den Bereich des Landes Thüringen ist auf der Grundlage des § 106 Abs. 2 S. 1 GWB die Thüringer Verordnung zur Regelung der Einrichtung , Organisation und Besetzung der Vergabekammern vom 10. Juni 1999 (GVBl. S. 417) ergangen. Nach deren § 2 Abs. 3 erläßt das Landesverwaltungsamt die Geschäftsordnung der Vergabekammer und veröffentlicht diese im Thüringer Staatsanzeiger. Beruhend auf dieser Ermächtigung hat das Landesverwaltungsamt am 8. Oktober 1999 die Geschäftsordnung der Vergabekammer des Freistaates Thüringen (Thüringer Staatsanzeiger 1999, S. 2347, 2348) erlassen. In § 4 Abs. 1 Spiegelstrich 9 dieser Geschäftsordnung ist geregelt , daß der Beschluß der Vergabekammer die Unterschriften des Vorsitzenden und des hauptamtlichen Beisitzers enthält. Für das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer des Landes Thüringen besteht damit eine organisationsrechtliche Regelung des Unterschriftserfordernisses für die von der Vergabekammer zu erlassenden Entscheidungen. Danach ist es zur Wirksamkeit der Beschlüsse der Vergabekammer des Landes Thüringen nicht erforderlich, daß diese auch vom ehrenamtlichen Beisitzer unterschrieben werden.
2. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin unterliegt die rechtsgeschäftliche Betrauung der GFAW, die streitgegenständliche Richtlinie umzusetzen , nicht dem Vergaberecht; trotz der Personenverschiedenheit von An-
tragsgegnerin und GFAW ist ein öffentlicher Auftrag nicht gegeben, der nach § 99 Abs. 1 GWB notwendig ist, damit die Regeln des Vierten Teiles des GWB eingreifen.
a) Der Anwendungsbereich des in den §§ 97 ff. GWB geregelten Vergaberechts ist nicht durch das Geschehen vom 14. Dezember 2000 eröffnet. Nach § 99 Abs. 1 GWB sind öffentliche Aufträge entgeltliche Verträge. Ein entgeltlicher Vertrag wurde damals nicht geschlossen; es ist vielmehr ein Beleihungsakt zustandegekommen, der auf § 44 Abs. 3 ThürLHO beruht und materiell die Übertragung eines Teils der Staatsfunktion an ein Subjekt des Privatrechts darstellt mit der Befugnis, selbständig und im eigenen Namen öffentlichrechtliche Verwaltungstätigkeit auszuüben (vgl. nur Knack/Meyer, VwVfG, 7. Aufl., § 1 Rdn. 17 m.w.N.). Ein solcher Beleihungsvorgang allein kann einer den Anwendungsbereich des Vergaberechts eröffnenden vertraglichen Grundlage im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB auch nicht gleichgestellt werden.
b) Auch der zwischen dem Antragsgegner und der GFAW geschlossenen Vertrag vom 22. Dezember 2000 führt nicht zur Anwendbarkeit der §§ 97 ff. GWB.
aa) Betraut ein öffentlicher Auftraggeber eine GmbH mit Dienstleistungen , kommt es nicht zu einem öffentlichen Auftrag i.S. von § 99 Abs. 1 GWB, wenn der öffentliche Auftraggeber alleiniger Anteilseigner des Beauftragten ist, er über diesen eine Kontrolle wie über eigene Dienststellen ausübt und der Beauftragte seine Tätigkeit im wesentlichen für diesen öffentlichen Auftraggeber verrichtet. Denn dann wird der Sache nach kein anderer mit der Erbringung der Dienstleistung beauftragt; es kommt vielmehr zu einem sog "in-house"-
Geschäft, bei dem die Dienstleistung von einer Stelle erbracht wird, die der öffentlichen Verwaltung bzw. dem Geschäftsbetrieb des öffentlichen Auftraggebers zuzurechnen ist.
Diese Bewertung berücksichtigt die EG-Richtlinien im Bereich des öffentlichen Auftragswesens. Diese Berücksichtigung ist geboten, weil der Vierte Teil des GWB der vollständigen Umsetzung dieser Richtlinien dient und die §§ 97 ff. GWB im Einklang mit dem europäischen Recht die Rechte der Beteiligten festlegen sollen (vgl. BT-Drucks. 13/9340, S. 12). Dies führt zur Anwendung der Grundsätze, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 18. November 1999 in der Rechtssache "Teckal" (Rs. C-107/98, Slg. 1999, I-8121 ff. = NZBau 2000, 90, 91) aufgestellt hat. In dieser Entscheidung hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge - ABl. EG Nr. L 199, S. 1-53 - (im folgenden: Richtlinie 93/36/EWG) für anwendbar gehalten, wenn ein öffentlicher Auftraggeber wie etwa eine Gebietskörperschaft beabsichtige, mit einer Einrichtung, die sich formal von ihm unterscheide und die ihm gegenüber eigene Entscheidungsgewalt besitze, einen schriftlichen entgeltlichen Vertrag über die Lieferung von Waren zu schließen. Etwas anderes könne nur gelten, wenn die Gebietskörperschaft über die fragliche Person eine Kontrolle ausübe wie über ihre eigenen Dienststellen und wenn diese Person zugleich ihre Tätigkeit im wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Körperschaften verrichte, die ihre Anteile innehaben. Der Senat hat keine Bedenken, diese Grundsätze auch im Hinblick auf die vorliegend einschlägige Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge - ABl. EG Nr. L 209, S. 1-24 - (im folgen-
den: Richtlinie 92/50/EWG) anzuwenden. Die Gleichbehandlung ist sachgerecht , weil beide Richtlinien einen Vertrag zwischen öffentlichem Auftraggeber und Auftragnehmer voraussetzen (Gnittke/Siederer, ZVgR 2000, 236 f.). Sie verbietet sich auch nicht etwa deshalb, weil die Richtlinie 92/50/EWG für die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen in Art. 6 – anders als die Richtlinie 93/36/EWG für die ihr unterfallenden Verträge – eine die Anwendung ausschließende Ausnahme für den Fall enthält, daß eine Dienstleistung an einen Auftragnehmer vergeben wird, der seinerseits zum Lager der öffentlichen Auftraggeber gehört, und diese Ausnahme unter anderen als den vorstehend genannten Voraussetzungen eingreift. Denn es ist nichts dafür erkennbar, daß durch diese Regelung die Frage berührt wäre, welche Rechtsgeschäfte einen Vertrag i. S. von Art. 1 lit. a der Richtlinie darstellen. Bei ihrer Beantwortung ist eine funktionelle Betrachtungsweise nötig (vgl. dazu die Schlußanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-108/98 - RI.SAN., Slg. 1999, I-5219, 5234 Rdn. 52). Daß sie auch in dem Bereich, der bei Vorliegen eines entgeltlichen Vertrages der Richtlinie 92/50/EWG unterfallen würde, dazu führen kann, daß unter den oben genannten Voraussetzungen eine Auftragsvergabe i. S. von § 99 Abs. 1 GWB zu verneinen ist, wird bestätigt durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 7. Dezember 2000 (Rs. C-94/99 - ARGE Gewässerschutz, NZBau 2001, 99, 101), weil der Gerichtshof im Erwägungsgrund Nr. 40 seiner die Richtlinie 92/50/EWG betreffenden Ausführungen einen Hinweis darauf für notwendig gehalten hat, wie er die Vorlagefrage in der Rechtssache "Teckal" beantwortet hat. Bei richtlinienkonformer Anwendung des § 100 Abs. 2 GWB kann deshalb auch aus dieser Vorschrift nichts dagegen hergeleitet werden, daß unter den genannten Voraussetzungen sog. "in-house"-Geschäfte nicht dem Vierten Teil des GWB unterfallen. § 102 Abs. 2 GWB setzt einen öffentlichen Auftrag i. S. von § 99 Abs.
1 GWB voraus und schließt nur für derartige Aufträge die Anwendung der § 97 ff. GWB aus, wenn einer der in § 102 Abs. 2 GWB geregelten Fälle gegeben ist.
bb) Die eingangs aa) genannte Fallgestaltung liegt hier vor.
Der Antragsgegner übt über die GFAW eine vergleichbare Kontrolle aus wie über seine eigenen Dienststellen. Er hält alle Geschäftsanteile der GFAW. Die Auswahl der Rechtsform der GmbH für die als Eigengesellschaft anzusehende GFAW bietet dem Antragsgegner aufgrund der ihr eigenen Organisationsstruktur umfassende Einfluß- und Steuerungsmöglichkeiten (vgl. Faber, DVBl. 2001, 248, 254, unter Hinweis auf § 46 Nr. 5 und 6 GmbHG). Hinzu kommt, daß nach dem vorgelegten Gesellschaftsvertrag (§ 12) ein Aufsichtsrat gebildet wurde, dessen Mitglieder mehrheitlich aus Vertretern des Antragsgegners bestehen, dem die Geschäftsführer der GFAW regelmäßig über den Gang der Geschäfte zu berichten haben. Weiterhin ist in § 11 des Gesellschaftsvertrages ein Katalog von Geschäften aufgeführt, welche die Geschäftsführer nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vornehmen dürfen. Durch diese auf Gesetz und Gesellschaftsvertrag beruhenden Steuerungsmöglichkeiten wird gewährleistet , daß der Antragsgegner die GFAW vergleichbar einer eigenen Dienststelle kontrollieren kann. Die GFAW besitzt damit gegenüber dem Antragsgegner keine eigene Entscheidungsgewalt. Anhaltspunkte, die insoweit Anlaß zu Zweifeln böten und zu der von der Antragstellerin vorgetragenen Annahme berechtigten , der Antragsgegner verhalte sich rechtsmißbräuchlich, wenn er sich auf die Tatsache beruft, daß er alle Anteile der GFAW halte, bestehen nicht.
Schließlich ist auch festzustellen, daß die GFAW ihre Tätigkeit im wesentlichen für den Antragsgegner verrichtet, der alle ihre Geschäftsanteile innehat. Der Antragsgegner hat im Beschwerdeverfahren vorgetragen, daß die GFAW von ihm ausschließlich zum Zwecke einer effektiven Umsetzung arbeitsmarktpolitischer und berufsbildungspolitischer Richtlinien und Programme unterhalten werde und ausschließlich im Auftrag der Landesregierung und nicht für Dritte tätig sei bzw. am Markt auftrete. Diesem Vorbringen entspricht es, daß in § 2 des Gesellschaftsvertrages der GFAW als Gegenstand des Unternehmens die Unterstützung des Antragsgegners bei der Verwirklichung seiner arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischen Ziele, insbesondere die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben bei der Vergabe von Zuwendungen, genannt ist. Die Antragstellerin ist diesem Vorbringen des Antragsgegners nicht entgegengetreten. Nach § 120 Abs. 2 i. V. mit § 70 Abs. 1 GWB ist im Beschwerdeverfahren der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt zwar von Amts wegen zu erforschen. Andere als die vorgetragenen Tatsachen und Beweismittel muß das Gericht aber nur berücksichtigen, wenn der Sachverhalt hierzu begründeten Anlaß bietet (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 117 Rdn. 40), woran es hier fehlt. Da die GFAW ausschließlich für den Antragsgegner tätig ist, bedarf es vorliegend keiner Stellungnahme dazu, ab welchem Umfang einer Tätigkeit am Markt nicht mehr davon ausgegangen werden kann, daß der Auftragnehmer seine Tätigkeit im wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber ausübt.
d) Der Fall gibt keine Veranlassung zu einer abschließenden Abgrenzung derjenigen Geschäfte, die als sog. "in-house"-Geschäfte nicht zur Beachtung der §§ 97 ff. GWB zwingen. Jedenfalls bei der vorliegenden engen Beziehung zwischen öffentlichem Auftraggeber und betrauter Stelle findet das
in den §§ 97 ff. GWB geregelte Vergaberecht keine Anwendung. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob ein öffentlich-rechtlicher Vertrag wie der vom 22. Dezember 2000 überhaupt den Begriff des entgeltlichen Vertrages i. S. von § 99 Abs. 1 auszufüllen vermag (vgl. zum Streitstand einerseits - dafür - Schulte, NZBau 2000, 272, 275; Althaus, NZBau 2000, 277, 279; Eschenbruch in Niebuhr u.a., Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rdn. 22; vgl. auch Boesen, aaO, § 99 Rdn. 23-31; andererseits - dagegen - OLG Celle NZBau 2000, 299, 300; Bechtold, GWB, 2. Aufl., § 99 Rdn. 1; Dreher, DB 1998, 2579, 2587; vgl. im übrigen auch Begründung des Regierungsentwurfs zu § 99 GWB - BT-Drucks. 13/9340, S. 15). Unentschieden kann außerdem bleiben, ob die Antragstellerin ihrer Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen ist.
IV. Die Voraussetzungen einer Vorlage der Sache an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Abs. 3 EG zur Beantwortung etwa der von der Antragstellerin angeregten Frage, ob die Verneinung der Ausschreibungspflichtigkeit eines Auftrags an eine juristische Person , an der die Vergabestelle zu 100 % beteiligt ist, mit der Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG in Einklang stehe, sind nicht gegeben.
Erlangt die Frage der Auslegung von Gemeinschaftsrecht bzw. von Handlungen der Organe der Gemeinschaft in einem vor einem innerstaatlichen Gericht rechtshängigen Verfahren Bedeutung und können dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln angefochten werden, ist dieses Gericht grundsätzlich verpflichtet, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu ersuchen, die Auslegung im Wege einer Vorabentscheidung vorzunehmen
(Art. 234 Abs. 3 EG). Eine Vorlagepflicht besteht jedoch dann nicht, wenn die gestellte Frage bereits in einem gleichgelagerten Fall Gegenstand einer Vorabentscheidung gewesen ist (EuGH, Urt. v. 06.10.1982, Rs. C-283/81 - C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415, 3429 Rdn. 13; Urt. v. 04.11.1997, Rs. C-337/95 - Parfums Christian Dior, Slg. 1997, I-6013, 6045, Rdn. 29) oder wenn bereits eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vorliegt, durch welche die betreffende Rechtsfrage gelöst ist, gleich in welcher Art von Verfahren sich diese Rechtsprechung gebildet hat, und selbst dann, wenn die strittigen Fragen nicht vollkommen identisch sind (EuGH, Urt. v. 06.10.1982, aaO, 3429 Rdn. 14). Das ist hier der Fall.
Wie bereits ausgeführt, hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 18. November 1999 in der Rechtssache "Teckal" (s. oben III 2 b aa)) für einen Sachverhalt, der dem Anwendungsbereich der Richtlinie 93/36/EWG unterfiel, die maßgeblichen Kriterien dafür entwickelt, nach denen zu beurteilen ist, ob eine Auftragsvergabe eines öffentlichen Auftraggebers an eine Eigengesellschaft, deren Anteile zu 100 % von dem Auftraggeber gehalten werden, dem Vergaberecht unterliegt. In dem zur Richtlinie 92/50/EWG ergangenen Urteil vom 7. Dezember 2000 in der Rechtssache "ARGE Gewässerschutz" (s. oben III 2 b) aa)) hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Erwägungsgrund Nr. 40 zu erkennen gegeben, daß die in der Rechtssache "Teckal" entwickelten Grundsätze auch im Bereich der Richtlinie 92/50/EWG anzuwenden sind.
V. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die Festsetzung des Beschwerdewerts hat ihre Rechtsgrundlage in § 12 a Abs. 2 GKG.
Rogge Melullis Scharen
Mühlens Meier-Beck
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien sind Wettbewerber bei der Vergabe von Sachversicherungen durch die öffentliche Hand. Die Klägerin wendet sich dagegen, dass die Beklagte Versicherungsverträge mit öffentlichen Auftraggebern auch dann ohne vorherige öffentliche Ausschreibung abschließt, wenn der Wert den nach § 2 Nr. 3 VgV maßgeblichen Schwellenwert übersteigt.
- 2
- Die Beklagte ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, dessen Zweck gemäß § 2 Abs. 1 seiner Satzung ist, seinen Mitgliedern durch den unmittelbaren Betrieb von Sachversicherungen Versicherungsschutz zu gewähren. Nach § 4 Abs. 1 der Satzung können Mitglieder des Vereins außer öffentlich -rechtlichen Körperschaften und Anstalten insbesondere auch wirtschaftliche Vereinigungen werden, wenn mindestens 50% ihres Kapitals von der öffentlichen Hand gehalten wird.
- 3
- Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, mit öffentlichen Auftraggebern Versicherungsverträge ab Erreichen der EU-Schwellenwerte ohne vorherige Ausschreibung abzuschließen.
- 4
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben, wobei es den Klageantrag geringfügig umformuliert hat (OLG Köln GRUR 2005, 780). Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
- 5
- I. Das Berufungsgericht hat einen Wettbewerbsverstoß der Beklagten nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit den Vergabebestimmungen der §§ 97 ff. GWB bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt:
- 6
- Öffentliche Auftraggeber, die Versicherungsverträge mit einem geschätzten Auftragswert oberhalb des Schwellenwertes mit der Beklagten ohne vorhe- rige Ausschreibung abschlössen, verstießen gegen das in §§ 97 ff. GWB geregelte Vergaberecht (nachfolgend: Kartellvergaberecht). Der Versicherungsschutz , den die Beklagte öffentlichen Auftraggebern gewähre, beruhe nicht auf einem sogenannten „In-House“-Geschäft im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, auf das die Vergabevorschriften keine Anwendung fänden. Es fehle an der dafür erforderlichen Voraussetzung, dass die öffentlichen Auftraggeber die Beklagte wie eine eigene Dienststelle kontrollieren könnten. Nach den §§ 17, 4 Abs. 1 der Satzung der Beklagten seien in ihrer Mitgliederversammlung auch wirtschaftliche Vereinigungen mit bis zu 50% privater Beteiligung stimmberechtigt.
- 7
- Die Beklagte sei zwar nicht selbst Normadressat des Vergaberechts, jedoch wie ein solcher zu behandeln, da ihre Mitglieder ganz überwiegend öffentliche Auftraggeber seien. Die Beklagte sei deshalb Mittäterin der Vergaberechtsverstöße. Im Übrigen hafte sie auch als Störer, weil sie den Prüfungspflichten nicht genüge, die wegen ihrer unmittelbaren Einbindung in die vergaberechtswidrige Praxis der öffentlichen Auftraggeber an sie zu stellen seien. Der systematische Verstoß gegen Vergabevorschriften, die die Beklagte wegen ihrer Mitgliederstruktur zu beachten habe, sei als Verletzung einer Marktverhaltensregel i.S. des § 4 Nr. 11 UWG anzusehen. Die Klägerin könne die Beklagte als diejenige, die die vergaberechtswidrige Praxis initiiere und maßgeblich beeinflusse , auf Unterlassung in Anspruch nehmen.
- 8
- II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Beklagte haftet entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht nach den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG aufgrund einer in Mittäterschaft begangenen Zuwiderhandlung gegen eine gesetzliche Vorschrift. Ob sie als Anstifterin oder Gehilfin für Wettbewerbsverstöße der öffentlichen Auftraggeber wie ein Mittäter verantwortlich ist (§ 830 Abs. 2 BGB), kann der Senat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden.
- 9
- 1. Der Anspruch der Klägerin wird nicht durch die Ausgestaltung des vergaberechtlichen Rechtsschutzes im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgeschlossen.
- 10
- a) Die Bestimmung des § 104 Abs. 2 GWB steht dem Unterlassungsanspruch der Klägerin nicht entgegen. Sie bewirkt eine Zuständigkeitskonzentration , schließt aber eine Anspruchskonkurrenz zwischen kartellvergaberechtlichen und lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen nicht aus (Marx in Motzke/Pietzcker/ Prieß, VOB Teil A, § 104 GWB Rdn. 6 f.; Dreher in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl., vor §§ 97 ff. Rdn. 142 ff.; Kullack in Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Aufl., § 104 GWB Rdn. 3; Boesen, Vergaberecht, § 104 GWB Rdn. 9 u. 11). Das ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Vorschrift, wonach auch „sonstige Ansprüche gegen öffentliche Auftraggeber, die auf die Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren gerichtet sind“, ausschließlich vor den vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen geltend gemacht werden können. § 104 Abs. 2 GWB setzt damit voraus, dass neben dem speziellen vergaberechtlichen Rechtsschutz andere Abwehransprüche in Betracht kommen, die sich insbesondere auch aus dem Lauterkeitsrecht ergeben können. Die Bestimmung stellt klar, dass solche Ansprüche durch das Kartellvergaberecht nicht im Wege der Spezialität ausgeschlossen werden (vgl. die Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf eines Vergaberechtsänderungsgesetzes , auf die der „sonstige Ansprüche“ einbeziehende Gesetzestext in § 104 Abs. 2 Satz 1 GWB zurückgeht; BT-Drucks. 13/9340, S. 39 zu § 114 GWB-RegE).
- 11
- b) Anders als bei Zuwiderhandlungen gegen das im Ersten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen geregelte Kartellrecht (vgl. BGHZ 166, 154 Tz. 13 f. – Probeabonnement), das in §§ 33, 34a GWB für die geschützten Personen ausreichende zivilrechtliche Sanktionen bereitstellt, regelt das Kartellvergaberecht die zivilrechtlichen Ansprüche, die im Fall von Vergabeverstößen geltend gemacht werden können, nicht abschließend. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen enthält für das Kartellvergaberecht kein in sich geschlossenes Rechtsschutzsystem, das eine Verfolgung von Rechtsverstößen nach § 4 Nr. 11 UWG ausschließt (vgl. Alexander, WRP 2004, 700, 706 ff.; ferner Ullmann, GRUR 2003, 817, 823 Fn. 59). Vielmehr setzt § 104 Abs. 2 Satz 1 GWB ausdrücklich voraus, dass wegen Vergabeverstößen neben § 97 Abs. 7 GWB auch andere („sonstige“) Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung gegen öffentliche Auftraggeber bestehen. Satz 2 stellt klar, dass (auch insoweit) die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Schadensersatz unberührt bleibt. Die Vorschrift des § 104 Abs. 2 GWB begründet damit als Spezialregelung für den Bereich des Kartellvergaberechts eine ausschließliche Zuständigkeit der Vergabekammern nur für den Primärrechtsschutz gegen den Auftraggeber. Sie schließt aber insbesondere nicht aus, dass vergaberechtliche Verstöße unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs lauterkeitsrechtlich gegenüber Mitbewerbern vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden. Da gegen Mitbewerber die Vergabekammer nach § 104 Abs. 2 GWB nicht angerufen werden kann, würde andernfalls eine mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht zu vereinbarende Rechtsschutzlücke entstehen.
- 12
- c) Das Berufungsgericht ist auch zutreffend von seiner Zuständigkeit ausgegangen. Die Klägerin macht einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte als Mitbewerber geltend, der darauf gestützt ist, dass die Beklagte unter Verstoß gegen das Kartellvergaberecht Versicherungsaufträge erhält. Zur Ent- scheidung über einen solchen Anspruch sind die für das Lauterkeitsrecht zuständigen Gerichte berufen. Die ausschließliche Zuständigkeit der Vergabekammer nach § 104 Abs. 2 GWB gilt nur für Ansprüche gegen dem Kartellvergaberecht unterworfene Auftraggeber, nicht dagegen für Ansprüche gegen Mitbewerber (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 4 Rdn. 13.60; Dreher in Immenga/Mestmäcker, GWB, vor §§ 97 ff. Rdn. 146; Gronstedt in Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Aufl., § 104 GWB Rdn. 845 ff.; Kus in Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Vergaberecht, § 102 GWB Rdn. 31).
- 13
- 2. Mit Erfolg wendet die Revision ein, dass eine täterschaftliche Haftung der Beklagten nach den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit den vergaberechtlichen Bestimmungen nicht in Betracht kommt. Die Beklagte ist nicht Normadressatin des Vergaberechts und ist – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – auch nicht wie eine Normadressatin des Vergaberechts zu behandeln. Das Vergaberecht regelt die Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand. Es ist daher bei der Beschaffung von Versicherungsdienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber zu beachten, findet dagegen keine Anwendung auf das Angebot der Versicherer.
- 14
- 3. Allerdings kommt eine Haftung der Beklagten als Teilnehmerin an Wettbewerbsverstößen der öffentlichen Auftraggeber nach den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Betracht, wenn sie öffentliche Auftraggeber dazu auffordert oder ihnen dabei behilflich ist, Versicherungsschutz ohne öffentliche Ausschreibung zu erwerben. Eine Teilnehmerhaftung kommt auch in Betracht, wenn der Teilnehmer nicht selbst Normadressat des Vergaberechts ist (vgl. BGHZ 155, 189, 194 – Buchpreisbindung; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 8 Rdn. 2.16; MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rdn. 43; Fezer/Büscher, UWG, § 8 Rdn. 98). Ob die Voraussetzungen einer Teilnehmerhaftung vorliegen, kann der Senat aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.
- 15
- a) Als Teilnehmer haftet auf Unterlassung, wer – zumindest bedingt – vorsätzlich den Wettbewerbsverstoß eines anderen fördert. Dabei gehört zum Teilnehmervorsatz nicht nur die Kenntnis der objektiven Tatbestandsmerkmale, sondern auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Haupttat (vgl. BGHZ 69, 129, 142 f.; 151, 337, 343; 158, 236, 250 – Internet-Versteigerung I; 172, 119 Tz. 31 – Internet-Versteigerung II; 173, 188 Tz. 21 – Jugendgefährdende Schriften bei eBay; ferner BGHZ 42, 118, 122 f. – Personalausweise; 70, 277, 285 f.; 148, 13, 17 – ambiente.de).
- 16
- b) Die öffentlichen Auftraggeber, die Versicherungsdienstleistungen oberhalb des Schwellenwerts bei der Beklagten ohne Ausschreibung beziehen, verstoßen gegen die Vergabevorschriften der §§ 97 ff. GWB und verletzen damit durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern.
- 17
- aa) Die Gewährung von Versicherungsschutz durch die Beklagte an öffentliche Auftraggeber beruht auf öffentlichen Aufträgen i.S. des § 99 Abs. 1 GWB. Danach sind öffentliche Aufträge entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen, die unter anderem Dienstleistungen zum Gegenstand haben.
- 18
- (1) Versicherungsdienstleistungen sind Dienstleistungen im Sinne des Vergaberechts (§ 1a Nr. 2 Abs. 1 VOL/A i.V. mit Anhang 1 A, Kategorie 6 a zur VOL/A).
- 19
- (2) Der durch die Beklagte gewährte Versicherungsschutz beruht auch auf einem entgeltlichen Vertrag.
- 20
- Die öffentlichen Auftraggeber entrichten für ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten und damit für die Erlangung von Versicherungsschutz Beiträge. Unerheblich ist dabei, dass die Mitgliedschaft aufgrund ihrer auch vereinsrechtlichen Bedeutung kein typischer zweiseitiger Austauschvertrag ist. Die von der Beklagten im Wettbewerb angebotenen Versicherungsleistungen unterscheiden sich nicht von denjenigen in anderer Rechtsform organisierter Versicherungsunternehmen. Wegen der andernfalls bestehenden Umgehungsgefahren kommt nicht in Betracht, einem Unternehmen durch die Wahl der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit zu ermöglichen, öffentlichen Auftraggebern ohne Ausschreibung Versicherungsschutz zu gewähren.
- 21
- Die Beklagte ist als Unternehmen auch geeigneter Auftragnehmer im Sinne des Vergaberechts. Für die Unternehmenseigenschaft kommt es nicht auf eine Gewinnerzielungsabsicht an. Maßgeblich ist insoweit allein, dass die Beklagte im Wettbewerb mit anderen Versicherungsunternehmen auf dem Markt Versicherungsdienstleistungen für öffentliche Auftraggeber erbringt.
- 22
- bb) Öffentliche Auftraggeber können die Beklagte nicht nach den vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten und auch für die Auslegung des § 99 Abs. 1 GWB maßgeblichen (vgl. BGHZ 148, 55, 62) Grundsätzen der sogenannten „In-House“-Vergabe ohne Ausschreibung beauftragen.
- 23
- (1) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs fehlt es für die Zwecke des Vergaberechts an einer Vereinbarung zwischen zwei verschiedenen Personen, die Voraussetzung für die Annahme eines ausschreibungspflichtigen öffentlichen Auftrags ist, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Zum einen muss der öffentliche Auftraggeber allein oder zusammen mit anderen öffentlichen Stellen eine ähnliche Kontrolle über den Auftragnehmer ausüben wie über seine eigenen Dienststellen. Zum zweiten muss er seine Tätigkeit im We- sentlichen für die öffentliche Körperschaft oder die öffentlichen Körperschaften verrichten, die seine Anteile innehaben (vgl. EuGH, Urt. v. 18.11.1999 – C-107/98, Slg. 1999, I-8121 = WuW/E Verg 311 Tz. 49 f. – Teckal; Urt. v. 11.1.2005 – C-26/03, Slg. 2005, I-1 = WuW/E Verg 1025 Tz. 49 – Stadt Halle und RPL Lochau; Urt. v. 11.5.2006 – C-340/04, Slg. 2006 I-4137 = WuW/E Verg 1245 Tz. 32 f. – Carbotermo & Consorzio Alisei; Urt. v. 19.4.2007 – C-295/05, Slg. 2007, I-2999 = VergabeR 2007, 487 Tz. 55 – Asemfo/Tragsa; BGHZ 148, 55, 62). Als Ausnahme von den allgemeinen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts sind diese Voraussetzungen eng auszulegen (EuGH, Urt. v. 6.4.2006 – C-410/04, Slg. 2006, I-3303 = WuW/E Verg 1225 Tz. 26 – Comune di Bari; Urt. v. 13.10.2005 – C-458/03, Slg. 2005, I-8585 = WuW/E Verg 1155 Tz. 63 – Parking Brixen; WuW/E Verg 1025 Tz. 46 – Stadt Halle und RPL Lochau).
- 24
- (2) Die Beklagte wird von den öffentlichen Auftraggebern, die ihr ohne Ausschreibung Aufträge erteilen, nicht wie eine eigene Dienststelle kontrolliert.
- 25
- Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften deutet es – ohne allein entscheidend zu sein – auf die Ausübung einer Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle hin, wenn der öffentliche Auftraggeber allein oder zusammen mit anderen öffentlichen Stellen das gesamte Kapital einer auftragnehmenden Gesellschaft hält. Andererseits sind die Vergabevorschriften immer dann anzuwenden, wenn ein öffentlicher Auftraggeber eine entgeltliche Dienstleistung durch eine rechtlich von ihm verschiedene Gesellschaft erbringen lassen will, an der neben ihm auch ein oder mehrere private Unternehmen beteiligt sind. Die auch nur minderheitliche Beteiligung eines privaten Unternehmens am Gesellschaftskapital schließt es auf jeden Fall aus, dass der öffentliche Auftraggeber über diese Gesellschaft eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen (vgl. EuGH WuW/E Verg 1245 Tz. 37 – Carbotermo & Consorzio Alisei; Urt. v. 10.11.2005 – C-29/04, Slg. 2005, I-9705 = WuW/E Verg 1163 Tz. 49 – Mödling; WuW/E Verg 1025 Tz. 49 – Stadt Halle und RPL Lochau). Jede private Beteiligung an dem die Dienstleistung erbringenden Unternehmen steht unabhängig von der Beteiligungsquote der Erfüllung des Kontrollkriteriums entgegen (vgl. etwa Schranner in Ingenstau /Korbion, VOB, 16. Aufl., § 8 VOB/A Rdn. 38; Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, 4. Aufl. Rdn. 132; Säcker/Wolf, WRP 2007, 282, 284; Kühling , ZfBR 2006, 661, 662). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Kontrollkriterium bereits dann nicht erfüllt, wenn für private Gesellschafter lediglich eine Beteiligungsmöglichkeit besteht, selbst wenn im Zeitpunkt der Auftragsvergabe sämtliche Gesellschaftsanteile von der öffentlichen Hand gehalten werden (EuGH, WuW/E Verg 1225 Tz. 29 ff. – Comune di Bari; vgl. auch WuW/E Verg 1245 Tz. 34 ff. – Carbotermo & Consorzio Alisei).
- 26
- Der Anwendung dieser Grundsätze auf die Beklagte steht deren personalistische Struktur nicht entgegen. Ihre Mitglieder erfüllen die Funktion von am Kapital eines Unternehmens beteiligten Gesellschaftern. Sie nehmen in der Mitgliederversammlung der Beklagten ihre Rechte wie Aktionäre einer Aktiengesellschaft wahr.
- 27
- Die mitgliedschaftlichen Teilhabemöglichkeiten gemischtwirtschaftlicher Unternehmen an der Beklagten schließen es aus, dass sie von öffentlichen Auftraggebern wie eine eigene Dienststelle kontrolliert wird. Der Mitgliederkreis der Beklagten ist nicht auf öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten beschränkt. Private Unternehmen oder Investoren sind zwar nicht unmittelbar Mitglieder der Beklagten. Nach § 4 Abs. 1 ihrer Satzung können aber wirtschaftliche Vereinigungen mit einer privaten Beteiligung von bis zu 50% Mitglied werden. Die Möglichkeit derartiger gemischtwirtschaftlicher Unternehmen zur Mitgliedschaft ist in keiner Weise beschränkt; gemäß § 17 Abs. 2 der Satzung hängt auch das Stimmrecht in der Mitgliederversammlung allein vom Jahresbeitrag ab.
- 28
- Es ist unerheblich, dass Private bei der Beklagten nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar über gemischtwirtschaftliche Unternehmen Mitglied werden können. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist nicht zwischen unmittelbarer und mittelbarer Beteiligung privater Unternehmen zu unterscheiden. Maßgeblich für die Erfüllung des Kontrollkriteriums ist vielmehr, dass die öffentlichen Auftraggeber ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wichtigen Entscheidungen der Gesellschaft haben, die für sie tätig werden soll (EuGH WuW/E Verg 1245 Tz. 36 – Carbotermo & Consorzio Alisei; WuW/E Verg 1155 Tz. 65 – Parking Brixen). Ein derartiger Einfluss ist aber nicht sichergestellt, wenn gemischtwirtschaftliche Unternehmen in der Mitgliederversammlung – noch dazu unbeschränkt – Stimmrechte erwerben können und keine Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass ihr Stimmrecht jeweils ausschließlich durch den oder die jeweiligen öffentlichen Gesellschafter ohne Berücksichtigung der Interessen privater Partner ausgeübt wird. Dabei kann hier dahinstehen, ob solche Vorkehrungen überhaupt möglich sind oder ob dem entgegensteht, dass die Geschäftsführung einer gemischtwirtschaftlichen Vereinigung jedenfalls bei einer substantiellen privaten Beteiligung stets verpflichtet ist, auch die Interessen der privaten Partner zu berücksichtigen. Ebenso wie das Kontrollkriterium auch durch eine Kette mittelbarer Beteiligungen öffentlicher Auftraggeber erfüllt werden kann (vgl. Säcker /Wolf, WRP 2007, 282, 284), wird es ausgeschlossen, wenn Private sich mittelbar mit Stimmrecht beteiligen oder Mitglied werden können. Dafür spricht auch das vor allem in § 97 Abs. 1 GWB zum Ausdruck kommende Anliegen des Kartellvergaberechts, dass öffentliche Beschaffung, soweit sie nicht ausdrücklich von der Anwendung der Vergaberegeln ausgenommen ist, umfassend unter geregelten Wettbewerbsbedingungen erfolgt (vgl. BGHZ 162, 116, 128). Es be- darf daher grundsätzlich einer weiten Auslegung des Begriffs des öffentlichen Auftrags.
- 29
- (3) Im Übrigen sind für die Frage, ob eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausgeübt werden kann, außer den Beteiligungsverhältnissen alle relevanten Rechtsvorschriften und maßgebenden Umstände zu berücksichtigen , so dass selbst bei einer ausschließlichen Beteiligung der öffentlichen Hand das Kontrollkriterium ausgeschlossen sein kann (EuGH WuW/E Verg 1245 Tz. 37 – Carbotermo & Consorzio Alisei). In diesem Zusammenhang kommt es insbesondere auf die Gesellschaftsform des als Auftragnehmer vorgesehenen Unternehmens an. Verfügt die Gesellschaft gegenüber ihren Anteilseignern über weitreichende Selbständigkeit, ist das Kontrollkriterium nicht erfüllt. Wegen der eigenverantwortlichen Leitung durch den Vorstand ist dies insbesondere bei Aktiengesellschaften der Fall (vgl. EuGH WuW/E Verg 1155 Tz. 67 ff. – Parking Brixen; Säcker/Wolf, WRP 2007, 282, 285).
- 30
- Nach den §§ 34 bis 36 VAG entsprechen die Befugnisse von Vorstand, Aufsichtsrat und oberster Vertretung (Mitgliederversammlung) eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit denjenigen von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft. Für die Rechte und Pflichten der Organe des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit gelten – von hier unerheblichen Besonderheiten abgesehen – die aktienrechtlichen Vorschriften entsprechend. Dementsprechend obliegt die eigenverantwortliche Leitung, Vertretung und Geschäftsführung des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit allein dem Vorstand. Die Mitgliederversammlung ist dem Vorstand weder übergeordnet noch weisungsberechtigt. Die Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten der Mitglieder beschränken sich grundsätzlich auf die Wahl des Aufsichtsrats. Auch bei der Beklagten gehen die Kontrollbefugnisse der Mitgliederversammlung nicht über die nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz vorgesehenen Befugnisse hinaus. Damit verfügt die Beklagte – ebenso wie eine Aktiengesellschaft – über weitreichende Selbständigkeit, die es ausschließt, dass ihre Mitglieder sie wie eine eigene Dienststelle kontrollieren (vgl. Holger Schröder, KommJur 2005, 445, 449).
- 31
- (4) Öffentliche Auftraggeber können aus diesen Gründen nicht als Mitglieder der Beklagten Versicherungsdienstleistungen ohne Ausschreibung im Wege eines „In-House“-Geschäfts beschaffen. Da bereits das Kontrollkriterium nicht erfüllt ist, kann dahingestellt bleiben, ob das zweite Kriterium für die Annahme eines „In-House“-Geschäfts bei der Beklagten vorliegt, im Wesentlichen nur für die öffentlichen Auftraggeber tätig zu sein, die sie kontrollieren. Das ist nur dann der Fall, wenn jede andere Tätigkeit für die Beklagte rein nebensächlich ist (EuGH WuW/E Verg 1245 Tz. 63 – Carbotermo & Consorzio Alisei). Ob die Beklagte diese Anforderung erfüllt, erscheint zweifelhaft, da sie gemäß § 4 Abs. 2 ihrer Satzung im Umfang von bis zu 10% ihres jährlichen Gesamtbeitragsvolumens für Unternehmen oder Einrichtungen mit kommunaler Minderheitsbeteiligung tätig werden darf, die bei ihr nicht Mitglied werden können (vgl. OLG Celle NZBau 2007, 126).
- 32
- cc) Die Vorschriften des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen , aus denen sich die Pflicht zur Ausschreibung öffentlicher Aufträge ergibt, sind Marktverhaltensregeln i.S. des § 4 Nr. 11 UWG. Sie schränken die Vertragsfreiheit der öffentlichen Auftraggeber ein und regeln dadurch unmittelbar ihr Marktverhalten bei der Auswahl von Vertragspartnern. Diese Bestimmungen dienen jedenfalls auch den Interessen der Marktteilnehmer , die sich um Aufträge der öffentlichen Hand bewerben. Das ergibt sich bereits aus § 97 Abs. 7 GWB, der – im Einklang mit europarechtlichen Vorgaben (vgl. EuGH, Urt. v. 11.8.1995 – C-433/93, Slg. 1995, I-2303 = NVwZ 1996, 367 Tz. 20 – Kommission/Deutschland) – den Unternehmen gegen die öffentlichen Auftraggeber ein subjektives Recht auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren gewährt.
- 33
- dd) Die öffentlichen Auftraggeber handeln bei der Beauftragung der Beklagten auch mit Wettbewerbsförderungsabsicht i.S. des § 2 Nr. 1 UWG. Zwar dienen Beschaffungen wie andere Handlungen öffentlicher Auftraggeber regelmäßig der Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben. Abweichend davon ist aber eine Absicht zur Förderung des Wettbewerbs gegeben, wenn der öffentliche Auftraggeber an dem wirtschaftlichen Erfolg des Gewerbetreibenden, dessen Wettbewerb zu fördern sein Handeln geeignet ist, ein Interesse hat, weil er davon aufgrund besonderer Umstände – etwa aufgrund vertraglicher Beziehungen – profitiert (vgl. BGH, Urt. v. 21. 9. 1989 – I ZR 27/88, GRUR 1990, 463, 464 = WRP 1990, 254 – Firmenrufnummer; Alexander, WRP 2004, 700, 704 f.). Derartige besondere Umstände liegen hier vor. Die Auftragsvergabe zielt darauf ab, dass die Auftraggeber Mitglieder der Beklagten werden und an deren wirtschaftlichen Erfolg jedenfalls in Form günstiger Beiträge teilhaben.
- 34
- ee) Die rechtswidrige Praxis der öffentlichen Auftraggeber, Versicherungsaufträge oberhalb der Schwellenwerte ohne Ausschreibung an die Beklagte zu vergeben, ist auch ohne weiteres geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Wettbewerber i.S. des § 3 UWG nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Die Wettbewerber werden als Marktteilnehmer von vornherein um die Chance gebracht, sich in einem transparenten und diskriminierungsfreien Vergabeverfahren um die Aufträge der Mitglieder der Beklagten zu bewerben, wodurch ihre wettbewerblich geschützten Interessen beeinträchtigt werden.
- 35
- ff) Die öffentlichen Auftraggeber, die die Beklagte unter Missachtung einer nach Kartellvergaberecht bestehenden Ausschreibungspflicht mit Versicherungsdienstleistungen beauftragen, begehen somit gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG unlauteren Wettbewerb durch Rechtsbruch gegenüber der Klägerin und anderen Versicherungsunternehmen.
- 36
- c) Die Beklagte hat jedenfalls den objektiven Tatbestand der Beihilfe zu dem Wettbewerbsverstoß der öffentlichen Auftraggeber erfüllt.
- 37
- aa) Nach dem vom Berufungsgericht gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Bezug genommenen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils hat die Beklagte am 17. Mai 2001 ein Rundschreiben mit der Betreffzeile: „G. europafest: ‚Für G. -Mitglieder keine Ausschreibungspflicht bei Versicherungen’“ an ihre Mitglieder versandt und sich darin auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten des Leiters des Büros der kommunalen Spitzenverbände in Brüssel, Herrn Professor A., bezogen. Diese Behauptung der Zulässigkeit einer Beschaffung von Versicherungsschutz ohne Ausschreibung, die deutlich erkennbar darauf abzielte , weiterhin auf diesem Wege im laufenden Geschäft Versicherungsleistungen abzusetzen, kann objektiv den Tatbestand der Anstiftung erfüllen (vgl. OLG Frankfurt GRUR-RR 2005, 230, 231; MünchKomm.UWG/Fritzsche, § 8 Rdn. 243). Die Beklagte hat zur Frage der Ausschreibungspflicht Beratungskompetenz in Anspruch genommen, sich auf die Autorität eines Gutachters aus einer Dachorganisation, der die hier maßgeblichen öffentlichen Auftraggeber mittelbar angehören, bezogen und Zweifel an seiner Rechtsauffassung nicht zu erkennen gegeben. Unter diesen Umständen liegt es nahe, dass die Beklagte die öffentlichen Auftraggeber zur Fortsetzung ihrer Beschaffungspraxis bei ihr bestimmt hat. Jedenfalls hat sie dazu psychische Beihilfe geleistet.
- 38
- bb) Es kann deshalb dahinstehen, ob die Beklagte auch deswegen Gehilfin bei dem Wettbewerbsverstoß der Auftraggeber war, weil sie ihnen mit einem speziell auf sie ausgerichteten Geschäftsmodell eine Struktur bereitstellt, mit der sie ihre vergaberechtlichen Bindungen bei der Beschaffung von Versicherungsdienstleistungen systematisch umgehen können.
- 39
- Die Beklagte ist aufgrund ihrer Vereinsstruktur darauf ausgerichtet, dass öffentliche Auftraggeber bei ihr durch Erwerb einer Mitgliedschaft ohne Ausschreibung Versicherungsschutz erhalten. Sie wurde von öffentlichen Auftraggebern gerade zur Deckung ihres Versicherungsbedarfs gegründet. Die öffentlichen Auftraggeber sind zudem als Mitglieder über die Mitgliederversammlung und den von ihr bestimmten Aufsichtsrat stark mit der Beklagten verflochten und beeinflussen ihre Geschäftspolitik maßgeblich, allerdings ohne sie wie eine eigene Dienststelle zu kontrollieren. Es erscheint nicht fernliegend, diese Geschäftsstruktur als objektiv darauf angelegt anzusehen, der Beklagten ohne Ausschreibung Versicherungsaufträge öffentlicher Auftraggeber zu verschaffen.
- 40
- d) Das Berufungsgericht hat jedoch – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen zu einem Teilnehmervorsatz der Beklagten getroffen.
- 41
- aa) Zwar steht auch ohne weitere Feststellungen außer Zweifel, dass die Beklagte wusste und wollte, dass die öffentlichen Auftraggeber sie ohne Ausschreibung mit Versicherungsdienstleistungen betrauten. Ebenso kannte die Beklagte die grundsätzliche Pflicht dieser Auftraggeber zur Ausschreibung und vermochte diese Pflicht als das Marktverhalten und den Wettbewerb auch auf dem Versicherungsmarkt regelnde Bestimmung zu erkennen.
- 42
- bb) Darüber hinaus setzt der Teilnehmervorsatz beim Teilnehmer das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der von ihm geförderten Wettbewerbshandlung voraus (BGHZ 69, 129, 142 f.; 151, 337, 343; 158, 236, 250 – InternetVersteigerung I; 173, 188 Tz. 21 – Jugendgefährdende Schriften bei eBay). Das Berufungsgericht hat hierzu – aus seiner Sicht folgerichtig – noch keine Feststellungen getroffen. Dies bleibt nachzuholen.
- 43
- III. Für die neue Verhandlung und Entscheidung des Berufungsgerichts gibt der Senat folgende Hinweise:
- 44
- 1. Der Unterlassungsantrag der Klägerin ist unter dem Aspekt der Wiederholungsgefahr begründet, wenn spätestens zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz sowohl eine Teilnahmehandlung der Beklagten als auch eine durch diese Teilnahmehandlung geförderte vergaberechtswidrige und damit wettbewerbswidrige Auftragserteilung erfolgt sind. In Betracht kommt jedoch auch ein vorbeugender Unterlassungsanspruch gegen den Teilnehmer, wenn es noch nicht zu einer Haupttat gekommen ist, die Teilnahmehandlung aber die Gefahr eines Wettbewerbsverstoßes begründet (vgl. BGHZ 172, 119 Tz. 30 – Internet-Versteigerung II, zum Markenrecht).
- 45
- 2. Das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit setzt grundsätzlich voraus, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Teilnahmehandlung mit der Möglichkeit rechnete und dies billigend in Kauf nahm, dass die Auftraggeber gegen Vergaberecht verstießen, wenn sie sich bei ihr Versicherungsschutz ohne Ausschreibung beschafften (vgl. BGHZ 69, 129, 143). Für die Annahme einer Billigung in diesem Sinne würde genügen, dass sich die Beklagte um des Ziels willen, neue Aufträge zu erhalten, mit einem Verstoß der Auftraggeber gegen Vergaberecht abfand, auch wenn ihr ein solcher Verstoß an sich gleichgültig oder unerwünscht war (vgl. BGH, Beschl. v. 14.2.2005 – 3 StR 230/04, NStZ 2005, 381, 382; Urt. v. 4.11.1988 – 1 StR 262/88, NJW 1989, 781, 783 f.). Es reicht aus, dass sich der Teilnehmer einer Kenntnisnahme von der Unlauterkeit des von ihm veranlassten oder geförderten Verhaltens entzieht (Köhler in Hefermehl/ Köhler/Bornkamm aaO § 8 Rdn. 2.16; MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rdn. 43).
- 46
- Vorliegend hat sich die Beklagte für ihre Rechtsauffassung auf ein in ihrem Auftrag gefertigtes Gutachten aus dem Bereich der Kommunalspitzenverbände gestützt. Dieses Gutachten hat wegen der Verbindung des Gutachters zu den Kommunen nicht die Qualität einer unabhängigen Beurteilung. Es schließt deshalb ein Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Beklagten für sich allein nicht aus. Vielmehr kommt es darauf an, inwiefern die Beklagte auch von Rechtsprechung und Literatur positiv Kenntnis hatte oder sich ihrer Kenntnisnahme entzogen hatte, die ihrer Auffassung entgegenstand. Die im vorliegenden Zusammenhang grundlegende Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in der Sache „Teckal“ (WuW/E Verg 311), die im November 1999 und damit eineinhalb Jahre vor dem Rundschreiben der Beklagten erging, ließ mit dem Kriterium „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ deutlich erkennbar eine Zuordnung des Geschäftsmodells der Beklagten zu den vergaberechtsfreien „In-House“-Geschäften allenfalls mit erheblichem Argumentationsaufwand zu. Aufschlussreich könnte auch sein, aus welchem Grund sich die Beklagte zur Einholung des Gutachtens und zu dem Rundschreiben entschloss.
- 47
- Das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit kann auch durch eine – plausibel begründete – Abmahnung herbeigeführt werden (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler /Bornkamm aaO § 8 Rdn. 2.16). Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, ob dem vorliegenden Verfahren eine Abmahnung vorausgegangen ist und welchen Inhalt sie gegebenenfalls hatte.
- 48
- 3. Sofern die Beklagte bei Versand des Rundschreibens vom 17. Mai 2001 noch kein Bewusstsein der Rechtswidrigkeit hatte, käme es darauf an, ob sie noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz mindestens eine weitere Teilnahmehandlung vorgenommen hat, die geeignet war, eine Auftragserteilung an sie ohne Ausschreibung zu fördern. Sollte das Berufungsgericht feststellen, dass es die Beklagte durch das Rundschreiben vom 17. Mai 2001 oder in anderer Weise übernommen hatte, ihre Mitglieder zur Frage der Ausschreibungspflicht zu beraten, kommt als Teilnahmehandlung auch ein Unterlassen der Aufklärung der Mitglieder über später aufgetretene Zweifel an der in dem Rundschreiben geäußerten Rechtsauffassung in Betracht.
Kirchhoff Koch
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 21.10.2004 - 31 O 186/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 15.07.2005 - 6 U 17/05 -
Öffentliche Auftraggeber sind
- 1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen, - 2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern - a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden, - b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder - c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
- 3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen, - 4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.
Tenor
Unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 12. März 2008 - 11 K 246/05 - wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
"Stadt Sulzbach/Saar Entwässerungsbetrieb
Gebühren für den Entwässerungsbetrieb der Stadt Sulzbach/Saar
Die Abwassergebühren werden im Auftrag und im Namen des Entwässerungsbetriebes der Stadt Sulzbach/Saar erhoben. … Die Rechnung der Stadtwerke B-Stadt/Saar ist gleichzeitig ein Abwassergebührenbescheid des Entwässerungsbetriebes der Stadt Sulzbach/Saar. Gegen den Abwassergebührenbescheid kann … Widerspruch erhoben werden …“.
die Abwassergebührenbescheide des Beklagten vom 17. und 18.01.2004 und die Widerspruchsbescheide des Rechtsausschusses für den Stadtverband Saarbrücken vom 20.05.2005 aufzuheben.
die Klage abzuweisen.
unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 12.3.2008 - 11 K 246/05 - die Klage abzuweisen.
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1.1.1998 |
31.12.2001 |
|
Haltungen |
3.331 |
3.517 |
Schächte |
3.345 |
3.533 |
Regenrückhaltebecken |
3 |
12 + 435 m offene |
Wasserverbrauch |
1.043.500 cbm |
960.000 cbm |
Gebühr/Jahr |
||
Bexbach : |
336,05 EUR |
|
Eppelborn: |
373,55 EUR |
|
Illingen: |
364,80 EUR |
|
Schiffweiler: |
351,85 EUR |
|
Schmelz: |
384,95 EUR |
|
Schwalbach: |
388,80 EUR |
|
Wadern: |
329,50 EUR |
|
Wadgassen: |
414,00 EUR |
|
B-Stadt: |
355,55 EUR |
Gründe
1.1.1998 |
31.12.2001 |
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Haltungen |
3.331 |
3.517 |
Schächte |
3.345 |
3.533 |
Regenrückhaltebecken |
3 |
12 + 435 m offene |
Wasserverbrauch |
1.043.500 cbm |
960.000 cbm |
Gebühr/Jahr |
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Bexbach : |
336,05 EUR |
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Eppelborn: |
373,55 EUR |
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Illingen: |
364,80 EUR |
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Schiffweiler: |
351,85 EUR |
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Schmelz: |
384,95 EUR |
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Schwalbach: |
388,80 EUR |
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Wadern: |
329,50 EUR |
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Wadgassen: |
414,00 EUR |
|
B-Stadt: |
355,55 EUR |
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Werden die Regelbedarfsstufen nach § 28 neu ermittelt, gelten diese als neu festgesetzte Regelsätze (Neufestsetzung), solange die Länder keine abweichende Neufestsetzung vornehmen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn die Regelbedarfe nach § 28a fortgeschrieben werden.
(2) Nehmen die Länder eine abweichende Neufestsetzung vor, haben sie die Höhe der monatlichen Regelsätze entsprechend der Abstufung der Regelbedarfe nach der Anlage zu § 28 durch Rechtsverordnung neu festzusetzen. Sie können die Ermächtigung für die Neufestsetzung nach Satz 1 auf die zuständigen Landesministerien übertragen. Für die abweichende Neufestsetzung sind anstelle der bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen, die sich nach § 28 aus der bundesweiten Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ergeben, entsprechend aus regionalen Auswertungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ermittelte Regelbedarfsstufen zugrunde zu legen. Die Länder können bei der Neufestsetzung der Regelsätze auch auf ihr Land bezogene besondere Umstände, die die Deckung des Regelbedarfs betreffen, berücksichtigen. Regelsätze, die nach Absatz 1 oder nach den Sätzen 1 bis 4 festgesetzt worden sind, können von den Ländern als Mindestregelsätze festgesetzt werden. § 28 Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt für die Festsetzung der Regelsätze nach den Sätzen 1 bis 4 entsprechend.
(3) Die Länder können die Träger der Sozialhilfe ermächtigen, auf der Grundlage von nach Absatz 2 Satz 5 bestimmten Mindestregelsätzen regionale Regelsätze festzusetzen; bei der Festsetzung können die Träger der Sozialhilfe regionale Besonderheiten sowie statistisch nachweisbare Abweichungen in den Verbrauchsausgaben berücksichtigen. § 28 Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt für die Festsetzung der Regelsätze nach Satz 1 entsprechend.
(4) Werden die Regelsätze nach den Absätzen 2 und 3 abweichend von den Regelbedarfsstufen nach § 28 festgesetzt, sind diese in den Jahren, in denen keine Neuermittlung der Regelbedarfe nach § 28 erfolgt, jeweils zum 1. Januar durch Rechtsverordnung der Länder mit der Veränderungsrate der Regelbedarfe fortzuschreiben, die sich nach der Rechtsverordnung nach § 40 ergibt.
(5) Die nach den Absätzen 2 und 3 festgesetzten und nach Absatz 4 fortgeschriebenen Regelsätze gelten als Regelbedarfsstufen nach der Anlage zu § 28.
Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.
Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis dürfen niedergeschlagen werden, wenn zu erwarten ist, dass
- 1.
die Erhebung keinen Erfolg haben wird oder - 2.
die Kosten der Erhebung außer Verhältnis zu dem zu erhebenden Betrag stehen werden.
(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.
(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.
(1)1Die Kapitalertragsteuer beträgt
- 1.
in den Fällen des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 7a und 8 bis 12 sowie Satz 2: 25 Prozent des Kapitalertrags; - 2.
in den Fällen des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 7b und 7c: 15 Prozent des Kapitalertrags.
(2)1Dem Steuerabzug unterliegen die vollen Kapitalerträge ohne Abzug; dies gilt nicht für Erträge aus Investmentfonds nach § 16 Absatz 1 des Investmentsteuergesetzes, auf die nach § 20 des Investmentsteuergesetzes eine Teilfreistellung anzuwenden ist; § 20 Absatz 1 Satz 2 bis 4 des Investmentsteuergesetzes sind beim Steuerabzug nicht anzuwenden.2In den Fällen des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 9 bis 12 bemisst sich der Steuerabzug
- 1.
bei Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Investmentfonds im Sinne des § 16 Absatz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 2 Absatz 13 des Investmentsteuergesetzes nach § 19 des Investmentsteuergesetzes und - 2.
in allen übrigen Fällen nach § 20 Absatz 4 und 4a,
(3)1Die auszahlende Stelle hat ausländische Steuern auf Kapitalerträge nach Maßgabe des § 32d Absatz 5 zu berücksichtigen.2Sie hat unter Berücksichtigung des § 20 Absatz 6 Satz 4 im Kalenderjahr negative Kapitalerträge einschließlich gezahlter Stückzinsen bis zur Höhe der positiven Kapitalerträge auszugleichen; liegt ein gemeinsamer Freistellungsauftrag im Sinne des § 44a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 20 Absatz 9 Satz 2 vor, erfolgt ein gemeinsamer Ausgleich.3Der nicht ausgeglichene Verlust ist auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.4Auf Verlangen des Gläubigers der Kapitalerträge hat sie über die Höhe eines nicht ausgeglichenen Verlusts eine Bescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu erteilen; der Verlustübertrag entfällt in diesem Fall.5Der unwiderrufliche Antrag auf Erteilung der Bescheinigung muss bis zum 15. Dezember des laufenden Jahres der auszahlenden Stelle zugehen.6Überträgt der Gläubiger der Kapitalerträge seine im Depot befindlichen Wirtschaftsgüter vollständig auf ein anderes Depot, hat die abgebende auszahlende Stelle der übernehmenden auszahlenden Stelle auf Verlangen des Gläubigers der Kapitalerträge die Höhe des nicht ausgeglichenen Verlusts mitzuteilen; eine Bescheinigung nach Satz 4 darf in diesem Fall nicht erteilt werden.7Erfährt die auszahlende Stelle nach Ablauf des Kalenderjahres von der Veränderung einer Bemessungsgrundlage oder einer zu erhebenden Kapitalertragsteuer, hat sie die entsprechende Korrektur erst zum Zeitpunkt ihrer Kenntnisnahme vorzunehmen; § 44 Absatz 5 bleibt unberührt.8Die vorstehenden Sätze gelten nicht in den Fällen des § 20 Absatz 8 und des § 44 Absatz 1 Satz 4 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb sowie bei Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen.
(4)1Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für die das Bundesschuldbuch führende Stelle oder eine Landesschuldenverwaltung als auszahlende Stelle.2Werden die Wertpapiere oder Forderungen von einem Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut oder einem Wertpapierinstitut mit der Maßgabe der Verwahrung und Verwaltung durch die das Bundesschuldbuch führende Stelle oder eine Landesschuldenverwaltung erworben, hat das Kreditinstitut, das Finanzdienstleistungsinstitut oder das Wertpapierinstitut der das Bundesschuldbuch führenden Stelle oder einer Landesschuldenverwaltung zusammen mit den im Schuldbuch einzutragenden Wertpapieren und Forderungen den Erwerbszeitpunkt und die Anschaffungsdaten sowie in Fällen des Absatzes 2 den Erwerbspreis der für einen marktmäßigen Handel bestimmten schuldbuchfähigen Wertpapiere des Bundes oder der Länder und außerdem mitzuteilen, dass es diese Wertpapiere und Forderungen erworben oder veräußert und seitdem verwahrt oder verwaltet hat.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.